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Der kleine ›Heinrich‹: Eine Lebensgeschichte
Der kleine ›Heinrich‹: Eine Lebensgeschichte
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Ebook139 pages1 hour

Der kleine ›Heinrich‹: Eine Lebensgeschichte

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About this ebook

Josef Skiba war Bürger in fünf Staaten. Als Oberschlesier wurde er geboren in der Weimarer Republik, wuchs im Deutschen Reich auf, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg an Polen gereicht, siedelte in die DDR über, und die ging bekanntlich in der heutigen BRD auf. Der kleine Heinrich stammt aus Hindenburg, dem heutigen Zabrze. Der Autor berichtet in seinen biografischen Erzählungen von vielen schönen und grausamen Dingen, die ihm das Leben bescherte. Letztendlich bleibt vordergründig die Feststellung, wie wertvoll eine Demokratie für das einzelne Individuum ist.
LanguageDeutsch
Release dateApr 9, 2014
ISBN9783957441065
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    Der kleine ›Heinrich‹ - Josef Skiba

    Josef Skiba

    DER KLEINE ›HEINRICH‹

    Eine Lebensgeschichte

    Engelsdorfer Verlag

    Leipzig

    2014

    Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

    detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

    Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

    Alle Rechte beim Autor

    Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

    www.engelsdorfer-verlag.de

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Prolog

    Meine Vorfahren

    Kindheit

    Jugendzeit

    Heimatflak

    »Befreiung«

    Internierung

    Im Bergbau

    Ausreise

    DDR-Zeit

    Prolog

    Wenn man Bürger in fünf verschiedenen Staaten war und von der Nachkommenschaft ständig gedrängt wird, doch seine Lebensgeschichte zu Papier zu bringen, muss man es am Ende schließlich tun.

    1929 im Jahr der großen Wirtschaftskrise geboren, war ich zunächst Bürger der Weimarer Republik, nach Hitlers Machtübernahme Bürger des Dritten Reiches, dann ab 1945 Bürger der Volksrepublik Polen, nach der Übersiedlung in die DDR wurde ich deren Bürger und nach ihrem Beitritt zur BRD Bundesbürger. Ich überlebte so 12 Jahre faschistischer und 44 Jahre kommunistischer Diktatur, ohne jemals in einer ihrer Parteien Mitglied gewesen zu sein. Dass dies für die sogenannte Technische Intelligenz in leitenden Stellungen nicht einfach war, brauche ich wohl nicht zu unterstreichen.

    Ich berichte in diesem Büchlein aber zunächst über eine trotz großer Armut freie und glückliche Kindheit, die teils schillernd, teils trist war. Schillernd war sie dadurch, dass wir Kinder uns in einer offenen, weiten Landschaft bewegen konnten und unserer Phantasie kaum Grenzen gesetzt waren.

    Weiter erzähle ich über meine Jugend, die anfangs eigentlich noch Kindheit war, in welcher ich sehr ungewöhnliche Erlebnisse hatte und in den weiteren Teilen über mein Leben in Polen, die Ausreise in die DDR, die Schikane und Erniedrigungen, dann über das Leben im Lande des »Realen Sozialismus« bis zur Wende und danach.

    Der erste Geburtstag

    Meine Vorfahren

    Noch als kleiner Junge kam es nicht selten vor, dass mich dieser oder jener Erwachsene im Dorf nach meiner Herkunft fragte. Nach ein paar Worten hieß es dann: »Ach, du bist der kleine ›Heinrich‹!« Zuerst war es mir lästig, denn schließlich hieß ich Skiba, aber dann gewöhnte ich mich daran. Es war ja auch keine Schande ein ›Heinrich‹ zu sein. Die Großeltern waren schließlich bekannte und ob ihres Fleißes und ihrer Rechtschaffenheit wegen auch allgemein geachtete Leute.

    Mein Großvater mütterlicherseits, Johann Heinrich, entstammte einem von westfälischen Siedlern gegründeten Dorf bei Leobschütz. Sein Vater war Dorfschulze. Als die vier Söhne erwachsen wurden erbte nach altem Brauch der Älteste den Hof, die anderen mussten sich eigene Wege suchen, wurden aber vom Hoferben mit einem Teil des restlichen Erbes bedacht.

    Johann ging zu den Soldaten und wurde Dragoner in der Garnison Cosel. Dort diente er bis zu seiner Heirat mit Franziska. Großmutter war die Tochter kinderreicher Bauern aus dem Umland und half öfter ihren Eltern auf dem Bauernmarkt in Cosel.

    Beide lernten sich kennen und lieben und heirateten, nachdem Großvater seinen Dienst quittiert hatte. Sie zogen ins damals industriell aufstrebende Zabrze – das spätere Hindenburg – wo sie im Ortsteil Zaborze Dorf eine Wohnung fanden und eine Familie gründen konnten.

    Die Wohnung bestand, wie viele in dieser Zeit um die Jahrhundertwende, aus Küche, Stube und Kammer. Sie kauften zwei halbe Morgen Acker und pachteten einige hundert Meter des in Dorfnähe gelegenen Bahndamms der sogenannten Sandbahn, um für sich und die Familie etwas anbauen zu können und Weidemöglichkeiten für die Ziegen sowie Futter für die Kaninchen zu haben.

    Großvater arbeitete zwölf Stunden täglich, wie es damals allgemein üblich war, als Gatterführer auf einem für den Bergbau produzierenden Sägewerk. Großmutter, ich nannte sie Oma Heinrich, brachte ihm täglich und zu jeder Jahreszeit sein Mittagbrot auf Arbeit. Wie das diese Frau mit fünf Kindern im Haus, mit Vieh und Feldarbeit schaffte, ist und bleibt ein Rätsel!

    Aus ihrer Ehe gingen elf Kinder hervor. Sechs davon starben im Säuglingsalter, fünf überlebten. Diese fünf, zwei Söhne und drei Töchter, waren die zweite Generation der Heinrichs. Trotz äußerst beengter Wohnverhältnisse und relativ karger Ernährung wuchsen die Söhne zu gesunden und kräftigen Männern und die Töchter zu begehenswerten jungen Frauen heran. Die Söhne erlernten Berufe, aber auch die Töchter mussten gemäß ihren Möglichkeiten hinzuverdienen. Damit halfen sie zum Teil auch bei der Anschaffung ihrer Aussteuer mit. Man erzählte sich im Dorf, dass die Heinrichstöchter Aussteuern wie Bauerntöchter hätten und das traf wahrscheinlich auch zu.

    Die Töchter heirateten, eine nach der anderen, Bergleute. Auch Onkel Paul, inzwischen verheiratet, war statt im Beruf als Schuhmacher zu bleiben, zum Bergbau gewechselt. Onkel Alois, der jüngste Heinrich, fand als Schlosser Arbeit bei den Junkers Flugzeugwerken in Dessau/Köthen und verbrachte seitdem viele Jahre fern von seiner Heimat. Nach dem Arbeitsdienst wurde er sofort zur Luftwaffe eingezogen und überlebte den Krieg als Bodenmechaniker und Stabsgefreiter.

    Erst nach dem Krieg konnte er nach Hindenburg, welches die nun präsenten Polen wieder in Zabrze umbenannt hatten. Obwohl hoch qualifizierter Flugzeugmechaniker landete auch er im Bergbau, dem größten Arbeitgeber der Umgebung.

    Nun ist die zweite Generation der Heinrichs leider ausgestorben, wie aber war es bei den Skibas, der Familie meines Vaters?

    Mein Vater, wurde im September 1902 als Sohn des Bergmanns Franz Skiba und seiner Frau Florentine geboren. Leider erlebte er seine Mutter als Kind nicht mehr. Sie starb am Kindbettfieber. So musste sich Florentines Schwester Josefa des Kleinen annehmen und ihn behutsam aufpäppeln. So kam es, dass Großvater dann Josefa ehelichte. Sie bekamen noch zwei Kinder, meine Tanten Emilie und Marie.

    Im ersten Weltkrieg eingezogen, fiel der Großvater 1916 bei Verdun in Frankreich. Oma Josefa zog nun von ihrer mageren Kriegswitwenrente die drei Kinder allein auf. Dass dort oft Schmalhans Kuchenmeister gewesen sein muss kann man sich gut vorstellen. Als Vater die Volksschule mit 14 Jahren beendete, musste er in einen Beruf einsteigen, um das knappe Haushaltsgeld aufzubessern. Das Nächste war wiederum der Bergbau. So begann seine ‘Karriere‹ im Untertagebetrieb.

    An Taschengeld beließ man ihm sicher anfangs nur ein paar Pfennige, später vielleicht ein paar Mark. Alles andere wurde bei Muttern abgegeben.

    Wie man mir erzählte, war er auch als Messdiener tätig, so gab es auch kaum Freizeit. So wuchs er zu einem jungen Mann heran.

    Da ich nicht weiß, wann und wie sich meine Eltern kennen lernten – es wurde niemals von ihnen erwähnt – kann ich nur anführen, dass sie am 3. Oktober 1927 geheiratet haben Es gab in der Ehe oft Streitereien, die mir in nicht nur einer Nacht den Schlaf geraubt haben. Denn wie soll ein Kind reagieren, wenn sich die geliebten Eltern gegenseitig lautstark beschimpfen? Anlass dieser Streitereien waren sicher Mutters Vorhaltungen zu Vaters ständigem beruflichen Abstieg. Anfangs ein angesehener Hauer, was im Bergbau etwa einem Meister in dem Beruf entsprach, rutschte er im Laufe der Jahre aus mir unbekannten Gründen am Ende in die Rolle eines unqualifizierten Übertagearbeiters mit sehr niedrigem Verdienst ab. Einerseits kann man verstehen, dass der ständig abfallende Lebensstandard meine ehrgeizige Mutter in Rage brachte. Andererseits musste es in dieser Zeit auch um das psychische Wohl meines Vaters nicht zum Besten gestanden haben. Bedenkt man, dass er kaum einer dominanten Mutter entronnen und ohne sich als junger Mann ein wenig ausleben zu können, einer ebenfalls recht dominanten Gattin begegnete, braucht man sich über gewisse Schnitzer späteren Datums nicht zu wundern. Wenn ich über sein recht kurzes und eigentlich mit wenig Freude gewürztes Leben nachdenke, war er alles in allem trotz seines von Natur aus fröhlichen Gemüts, doch ein bedauernswerter Mensch.

    Vaters ältere Schwester, Tante Emilie hatte ebenfalls einen Bergmann, den Onkel Theo, geheiratet. Sie hatten zwei Kinder, die Dorothea und den Werner.

    Tante Mariechen, die jüngere Schwester, hatte einen Maler geehelicht. Sie hatten einen Sohn, den Siegfried. Leider starben Siegfrieds Eltern an der Schwindsucht, so dass der Junge bei Oma Skiba aufwuchs. Das ist die Verwandtschaft väterlicherseits.

    Kindheit

    Mit meiner Geburt im September 1929, trat die dritte Generation ins Leben.

    Wir wohnten bei einem privaten Wirt, leider direkt über seiner Wohnung. Warum leider, erwähne ich später.

    Unsere Wohnung war wie die meisten um die Jahrhundertwende entstandenen, eine Drei-Raum-Wohnung bestehend aus Küche, Stube und Kammer. Weiter Außentoilette, das heißt Plumpsklo, Wasserhahn und Ausgussbecken im Hausflur, auf dem Hof für jeden Mieter ein Kohlenstall, in dem in Buchten über den Kohlen meist Kaninchen gehalten wurden. Ein Kinderzimmer lernte ich in meinem Leben nie kennen. Spielecken und Spielzeug überließ man unserer eigenen Phantasie, da hierfür kein Geld da war.

    So bastelte man eben das Spielzeug aus den unmöglichsten Materialien selbst. Es entstanden Lokomotiven, Flugzeuge, Kanonen, Pfeile und Bögen, Skier aus Fassbrettern und vieles andere.

    Für die Herstellung von Schleudern oder Katapulten mussten Weidenbüsche für die Gabeln, sowie alte Auto- oder Fahrradschläuche herhalten. Wer einen Autoschlauch ergatterte, war unter uns Jungen für gewisse Zeit ein ›gemachter Mann‹, denn für die säuberlich zurechtgeschnittenen Gummistreifen, war so mancher ›Schatz‹ zu tauschen.

    Wir spielten mit Murmeln, bezogen manchmal die gesamte Dorfjugend in »Ritter- und Räuber«-Spiele ein, spielten Indianer, Soldaten, Räuber und Gendarmen, kurzum alles, was die kindliche Phantasie hervorbrachte und waren auf unsere Art glücklich.

    Wenn wir Indianer spielten und uns unseren Häuptlingsschmuck basteln wollten, mussten die auf Bauernhöfen recht zahlreichen Gänse und Enten die benötigten Federn liefern. Diese wurden dann mit auftreibbaren Färbungsmitteln koloriert und in Wellpapierstreifen, die man diversen Verpackungskartons entnahm befestigt und fertig war der Schmuck.

    Bei Soldatenspielen, nähten wir uns die Uniformen und Käppis aus älteren Kleidungsstücken selbst. Vorlagen verschiedener Uniformen gab es ja vor und im Kriege genug. Diese Arbeiten nahmen oft viele Stunden in Anspruch, aber wir lernten dabei auch mit Nadel und Zwirn, sowie verschiedenen Farbmaterialien umzugehen.

    Wenn ich in der Wohnung spielen wollte, stand mir, bei Papas Abwesenheit, nur die Kammer zur Verfügung. Sie war nicht heizbar und so spielte ich darin im Winter oft stundenlang

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