Der größte Irrtum der Weltgeschichte: Von Isaac Newton 1689 entdeckt - bis heute unvorstellbar
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Book preview
Der größte Irrtum der Weltgeschichte - Hans-Erdmann Korth
HANS-ERDMANN KORTH
DER GRÖSSTE
IRRTUM
DER WELTGESCHICHTE
VON ISAAC NEWTON 1689 ENTDECKT
- BIS HEUTE UNVORSTELLBAR -
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.
Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Titelgrafik: Ricarda Kiel
INHALT
Cover
Titel
Impressum
Zitat
Zum Geleit – von Prof. W. Kaltenstadler
Vorwort
I. DIE ZEIT
Der Kalender und die Überlieferung
Gesicherte Erkenntnisse – gibt es so etwas?
Darf man an der Chronologie denn zweifeln?
Ad hoc-Annahmen allüberall – ein Anfangsverdacht
Wann lebte Kaiser Oktavian Augustus?
Der Untergang der Villa Augustea am Vesuv
Ara Coeli – Der Tempel auf dem Kapitol
Entstand die Sonnenuhr des Augustus vor 1700 Jahren?
Gregors Kalenderreform: 3 Tage zu wenig?
Jahreszahlen und Epochen
'Anno Domini' oder 'unsere Zeit' – AD oder uZ?
Dionysius Exiguus: Zählung nach Christi Geburt
Fredegar – zwei Zählweisen werden vermischt
Beda Venerabilis und die Osterrechnung
II. ZWEIFEL
Ein Dogma voller Widersprüche
Die Chronologie des Joseph J. Scaliger
Azaria ben Rossi und der jüdische Mondkalender
Die Chronologieberichtigung Isaac Newtons
Jean Hardouin und die Römischen Schriftsteller
Nikolai Morosow erklärt die Vision von Patmos
Chronologiekritiker des 20. Jahrhunderts
Unstimmigkeiten des Überkommenen
Gibt es schlüssige Erklärungen für alle Beobachtungen?.
Ganz nahe an des Rätsels Lösung
Die verhängnisvolle Abkehr von der Naturwissenschaft
Geschichte voller Verdopplungen
Römische Antike von Cäsar bis Gaius Julius Verus
Konstantin – der Herakleios
Die 'verspätete' Rezeption der Antike
Verdoppelte Hunnen, Goten und Awaren
Die Zeit Ludwigs des Frommen
Menapier und Karolinger
III. WAS KANN NATURWISSENSCHAFT BEWEISEN?
Astronomie
Astronomische Überlieferungen der Antike
Der Tag der 'Offenbarung Johannis'
Die Schlacht am Ponte Milvio und das Staurogramm
Eklipsen und Kometen des Frühmittelalters
Physikalische Zeitmarken und ihre Interpretation
'Radiokarbonjahre' – nur gut 10 Monate lang?
Dendrochronologie – aber warum ohne Sequoias?
Der Kirnsulzbach-Streit
Ein Eis-Bohrkern justiert das Radiokarbonalter
Vulkan-Staub im Grönlandeis
Die Bildtafeln von Tatarli
Die Eruption von Thera
1500 Jahre zwischen Anstieg von CO2 und Temperatur?.
Stratigraphie und Münzfunde
Als die Sonne erlosch – Die Katastrophe von 534
Der Niedergang des weströmischen Reiches
Spuren einer lang andauernden Krise
Wieviele Dunkle Jahrhunderte?
IV. IRRTUM – DILEMMA – TÄUSCHUNG
Ostrom – das christianisierte Imperium
Justinian – zwischen Trebonianus und Theodora
Die missbrauchten Sieben Schläfer von Ephesos
Konstantin VII. Porphyrogennetos
Die Jahre des Islam zählen ab 622 u.Z
Jahrtausendwende im Westen – Otto III
Das Schreiben Leo von Vercellis an den Papst
Umbruch zur Jahrtausendwende
Der Lapsus des Thietmar v. Merseburg
Das fragmentierte Frühmittelalter
Wann verstarben seine Protagonisten?
Das kleine schmutzige Geheimnis der Karolinger
Kaiser Karl – der 'Trismegistos'
Die Doppelreihe der Päpste
Verschleierung und Fälschungen
V. AUFLÖSUNG DES ZEIT-STREITS
Richtige Beobachtungen – falsche Erklärungen
Jahrhunderte alte Ansichten und Einsichten
Jahreszahlen wie bisher – mit besserem Verständnis!
Ein verfeinertes Modell der Erderwärmung
Und die Bibel hat auch Recht
Zeit-Streit um König David
Himmelsereignisse im Neuen Testament
Komet Halley's Stillstand vor den '3 Königen'
Das Messias-Projekt des Zacharias
Zum guten Schluss
Dank
ANHANG
Quellen und Literatur
Register
»..they have made the Antiquities of Greece three
or four hundred years elder than the truth.«
Sir Isaac Newton, 1689
Zum Geleit – von Prof. W. Kaltenstadler
In den letzten Jahren beherrschte die Phantomzeitthese von Dr. Illig das chronologische Schlachtfeld, auf welchem sich nicht nur Fachkundige, sondern auch reine Amateure tummelten. Diese These wurde erstmals in dem Buch „Das erfundene Mittelalter – Die größte Zeitfälschung der Geschichte" der Öffentlichkeit präsentiert und hat in Deutschland einige Jahre Furore gemacht. Dr. Illig und seine Mitstreiter, zu denen auch Prof. Heinsohn von der Universität Bremen gehört, vertreten die Auffassung, dass rund 300 Jahre im karolingischen Mittelalter schlicht und einfach erfunden und in den Geschichtsablauf nachträglich interpoliert worden wären. Für Illig und Heinsohn existiert also die karolingische Epoche nicht. Es gibt allerdings zwei große Schwachstellen in der Illig´schen These, welche die meisten Historiker zu Recht bemängeln:
• Illig muss 297 Jahre erfundene Zeit nicht nur für den christlichen, sondern auch für den Geschichtsablauf anderer Kulturen geltend machen, z.B. den Islam.
• Illig klammert naturwissenschaftliche Methoden der Astronomie, der Dendrochronologie, von C14 etc. aus und akzeptiert diese nicht, wenn sie seiner These widersprechen.
In Frage zu stellen wäre auch die maßgebende Ursache für die Zeitfälschung. Illig hat die Christlichkeit des frühen Mittelalters enorm überschätzt. Es gibt zahlreiche Völker, wie z.B. die Bajuwaren, die das Christentum erst im Laufe des Mittelalters annahmen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Es gibt wohl keinen Zweifel, dass es zwischen bestimmten Personen und Ereignissen vor allem des frühen Mittelalters große Widersprüche gibt und dass unsere heute verwendete, im Grunde christliche Chronologie somit nicht stimmen kann. Illigs Hypothese wird aber allein schon dadurch in Frage gestellt, dass zahlreiche Personen und Ereignisse – nicht bloß des Frühmittelalters – zu verschiedenen Zeiten vorkommen. Das spricht gegen Fälschung. Die 297 Jahre von Illig passen, doch er hat die falschen Schlüsse daraus gezogen bzw. die richtige Spur nicht erkannt.
Die Phantomzeitthese hat ohne Zweifel dazu beigetragen, Schwachstellen unseres Chronologiesystems aufzuzeigen und zu kritischen Diskussionen anzuregen. Ihrer Widersprüche und Ungereimtheiten ist sich auch ein so kundiger Mann wie Prof. Heinsohn bewusst. Es ist also kein Zufall, dass er sich dafür entschied, die von ihm erkannten Unwahrscheinlichkeiten genauer unter die Lupe zu nehmen und in seinem neuen Buch „Wie viele Jahre hat das erste Jahrtausend" sich daran machte, bessere Erklärungen zu bieten. Zentrales Problem dieses Werkes ist es aber, dass Illigs These nicht in Frage gestellt wird und echte Alternativen zur erfundenen Zeit von Illig nicht sichtbar werden.
Eine völlig neue Perspektive zur These von der 'erfundenen' Zeit bietet nun das hier vorliegende Buch des Physikers Hans-Erdmann Korth. Dieser wendet konsequent naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden auf die Analyse der Chronologie an. Er erklärt die Widersprüche des geltenden Chronologiesystems damit, dass es i.W. zwei Arten der Jahreszählung gibt, nach Inkarnationsjahren (AD), sowie nach unserer Zeitrechnung (u.Z.). Korth weist an zahlreichen Beispielen nach, dass gleiche bzw. gleichwertige Ereignisse in den beiden Systemen mit einer zeitlichen Differenz von etwa 300 Jahren doppelt notiert wurden. Gleiches gilt für viele duplizierte Personen, bei denen es sich zumeist um Regenten handelt, die oft sogar mit gleichen Namen in den Quellen erscheinen, nicht selten sogar die gleiche Anzahl von Regierungsjahren aufweisen und auch an den gleichen Orten gelebt haben.
Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Erkenntnisse sich aus dem Vergleich der Werke von Dr. Illig, von Prof. Heinsohn und Hans-E. Korth ergeben. Objektiven Lesern bleibt es vorbehalten, die Pro- und Contra-Argumente dieser drei Abhandlungen gegeneinander abzuwägen. Es war ein besonderes Desiderat der Chronologieforschung, dass endlich einmal einer wie Korth sich auf den Weg machte, naturwissenschaftliche Methoden kritisch auf einen Sachverhalt anzuwenden, welcher lange – buchstäblich jahrhundertelang – verdrängt und vernachlässigt worden ist.
Wilhelm Kaltenstadler 26. Juni 2013
Vorwort
»Um zwischen der Scylla vorgefasster Meinungen und der Charybdis des Wunschdenkens heil hindurchzusteuern, dazu gehört Glück.« ¹
In diesem Buch geht es um die Unstimmigkeiten in der überlieferten Geschichtsschreibung. Aber ist jene denn nicht bestens gesichert? Sind nicht allenfalls noch kleinere Korrekturen durch hochspezialisierte Historiker zu erwarten? Zweifel am Verlauf der Geschichte erscheinen zunächst absurd. Wer sollte sie auch ernst nehmen? Was aber, wenn unser Geschichtsbild tatsächlich auf einem Irrtum beruht?
Vor nun schon mehr als einem Jahrzehnt kam mir zufällig die Taschenbuchausgabe von Das erfundene Mittelalter in die Hände. Der Verfasser H. Illig lieferte dort vielfältige Begründungen für seine These, wonach die Überlieferungen des frühen Mittelalters keiner realen Zeit, sondern einer Art Phantomzeit angehörten. Einen überzeugenden Grund dafür, wie es zu diesem Bruch gekommen wäre, konnte er jedoch nicht angeben. Das klang doch sehr nach Verschwörungstheorie. Sollte sowas möglich sein? Bei mir überwogen die Zweifel.
Als Experimentalphysiker hatte ich gelernt, technische Tatbestände abzuklären. Aussagekräftige, mit Hilfe geeigneter Versuchsanordnungen gewonnene Messdaten lieferten mir dabei die gesuchten Antworten. War Illigs seltsame These falsch, das war mir sogleich klar, so wäre dies leicht nachzuweisen: Holzproben aus geschichtlicher Zeit, an denen sich sowohl das Alter, wie auch die Anzahl der seit ihrer Entstehung vergangenen Jahre anhand des C14-Gehaltes und der Jahresringe bestimmen lässt, waren ja in großer Zahl untersucht worden. Zeigte sich zwischen deren Alter und der Jahreszählung eine annähernd geradlinige Beziehung, so war Illigs These widerlegt – kurz und schmerzlos.
Knapp zwei Jahre später – so vorrangig erschien mir seinerzeit das Thema Geschichte nun auch wieder nicht – kam ich auf diese Überlegung zurück und besorgte mir die im Internet frei verfügbaren Daten der Kalibrierkurve für das Radiokarbon-Alter. Diese sog. IntCal¹-Kurve dient dazu, mit Hilfe von C14-Messungen ermittelte Alterswerte auf die Jahreszahlen der Dendrochronologie umzurechnen. Über Jahrtausende folgen die Messwerte tatsächlich recht gut einer Geraden. Zu meiner Verblüffung jedoch nur bis zum Mittelalter. Zur Gegenwart hin verlängert, erscheinen sie dagegen um drei Jahrhunderte versetzt – gerade so, wie es auch Illigs These erwarten ließe!
Die Bestätigung der geläufigen Jahreszählung war also erst einmal gescheitert. Aber meine Neugier war geweckt. Ich machte mich bald daran, weitere Informationen über plausible Zeitmarken zusammenzutragen, was sich als äußerst spannende Beschäftigung erwies. Kaum jemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, physikalische Zeitreihen auf die mögliche Übereinstimmung mit Illigs These hin zu untersuchen. Der Geschichtswissenschaft, überzeugt von ihrer über jeden Zweifel erhabenen Chronologie, dienten Absolutdatierungen ja allein zur Einschätzung der Verlässlichkeit ihrer Quellen und ihrer Hilfswissenschaften. Bei widersprüchlichen Befunden ließ sich dort stets eine halbwegs akzeptable Erklärung finden.
Ich wollte dagegen nach naturwissenschaftlich belastbaren Daten suchen. Dabei kamen mir die durch das Internet so dramatisch verbesserten Möglichkeiten der Recherche zu Gute. Sie führten im Lauf der Zeit zu unerwartet vielen hochinteressanten Funden und Verknüpfungen. Diese konnte ich dann in der Württembergischen Landesbibliothek sowie den Bibliotheken der Universitäten Stuttgart und Hohenheim überprüfen und vertiefen. Dort hatte ich umfassenden Zugriff auf Fachliteratur und Fachzeitschriften.
Hinzu kam über etliche Jahre hinweg der praktisch wöchentliche Austausch mit den Historikern Professor W. Kaltenstadler und Dr. M. Neusel, die aufgrund vieler widersprüchlicher Überlieferungen ebenfalls schon seit Längerem die traditionelle Chronologie äußerst skeptisch sahen. Dadurch ergab sich eine äußerst fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit, in der immer neue Beobachtungen diskutiert und in vielerlei Ansätzen auf ihre Plausibilität hin untersucht wurden. Auf diese Weise gelang es, die auf Überlieferungen und ihrer Glaubwürdigkeit basierende Methodik der Geschichtsschreibung mit dem auf wiederholbaren Messungen fußenden Ansatz der ergebnisoffenen naturwissenschaftlichen Überprüfung zusammen zu führen.
In diesem Buch, das als Produkt unserer Untersuchungen entstand, möchte ich Ihnen die Widersprüche der überlieferten Jahreszählung darstellen, von denen etliche schon seit Jahrhunderten ernsthaften Forschern aufgefallen waren, ohne dass sie dazu überzeugende Erklärungen hätten liefern können.
Alsdann sollen die Fakten dargelegt werden, die sich aus der Verknüpfung verschiedener Zeitreihen untereinander und gegenüber der Geschichtsschreibung ergeben. An ihnen ließe sich nur zweifeln, wenn die naturwissenschaftliche Methodik zur Disposition gestellt würde.
Schließlich möchte ich mich an eine Erklärung wagen, welche die mögliche Abfolge der Ereignisse des Frühmittelalters bei kritischer Würdigung der Überlieferung darstellt und das unlösbare Dilemma aufzeigt, dem die Protagonisten des Mittelalters gegenüber standen. Selbst wenn sich ein Wahrheitsbeweis prinzipiell nicht erbringen lässt: Meine naturwissenschaftlich untermauerte These enthält (wie es scheint) keine offenkundigen Widersprüche – ganz im Gegensatz zur überkommenen Geschichtsschreibung, aber auch zu den anderen Versuchen, die Überlieferungen zu erklären.
Jeder mag seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Für mich gilt: Das alte Paradigma einer intakten Jahreszählung, auf dem unser Geschichtsbild beruht, ist nicht mehr haltbar.
Aber überzeugen Sie sich davon bitte selbst!
Porto Valtravaglia, im Juni 2013
Die Zeit
»Wenn denn Vergangenheit und Zukunft sind, so möcht ich nun auch wissen, wo sie sind...«
Augustinus, Confessiones¹
Der Kalender und die Überlieferung
Der Lauf der Zeit entzieht sich der direkten Wahrnehmung. Die Sinnesorgane liefern uns lediglich Informationen über die Gegenwart – genau genommen noch nicht einmal über diese: Bis die Sinneseindrücke das Bewusstsein erreichen, sind schon wieder Zehntelsekunden vergangen...
Dessen ungeachtet ist die Orientierung in der Zeitdimension, das Erkennen von Veränderungen lebenswichtig. Jedwede Logik basiert auf Kausalität, der Unterscheidung zwischen einer Ursache und der darauf folgenden Wirkung, zwischen 'davor' und 'danach'.
Der Austausch über die Resultate logischer Überlegungen setzt folglich bei allen Beteiligten ein gleichartiges Verständnis von Zeit voraus. Um einzelne Ereignisse sinnvoll einzuordnen, ist zumindest eine relative Zeitangabe erforderlich ('...geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war'). Noch besser ist natürlich ein einheitlicher Maßstab, der es erlaubt, jedes Geschehen in der Vergangenheit eindeutig zu datieren.
Zu diesem Zweck boten sich schon früh die ins Auge fallenden zyklischen Vorgänge am Himmel an: Der Tageslauf der Sonne, sowie ihre Bewegung mit den Jahreszeiten. Einfacher zu erfassen war allerdings der fortlaufende Wechsel der Phasen des Mondes. Mit dem Neulicht der feinen Mondsichel ist der Tag leicht festzulegen, an dem ein neuer Monat begonnen hat.
Wie nicht anders zu erwarten, stehen Erdrotation, Mondlauf und Sonnenjahr in keinem ganzzahligen Verhältnis zueinander. Sollen Tage und Monate gleichbleibend über das Jahr verteilt werden, so sind in jedem Fall entsprechende Schaltregeln erforderlich.
Der Nutzen einer eindeutigen Jahreszählung wurde schon früh erkannt. Wurden als nahe liegender Bezug zunächst die Regierungszeiten der Herrscher herangezogen, so wurden diese bald über deren Tod hinaus fortgeführt. Der nächst Schritt bestand im Bezug auf singuläre Ereignisse. In dieser Hinsicht nicht zu übertreffen war die Erschaffung der Welt. Leider erwies es sich als praktisch unmöglich, deren Zeitpunkt zu bestimmen...
Auch wer sich nicht für die Feinheiten des Kalenders und der Jahreszählung interessiert, wird dessen allgemeine Gültigkeit als gegeben betrachten; denn nur auf dieser Grundlage ist letztlich die eindeutige Einordnung geschichtlicher Überlieferung möglich und damit deren Verständnis. Jeder Eingriff in diese wäre ein Frevel, der den logischen Zusammenhang vom Beginn der Zeit bis zur Gegenwart bedroht – und damit auch das Selbstverständnis des geschichtsbewußten Menschen.
Aus diesem Grund war es auch kein Wunder, dass selbst die vergleichsweise geringe Korrektur des Julianischen Kalenders durch Papst Gregor XIII. im Jahre 1582, mit der die aufgelaufene Abweichung der Tag-und-Nacht-Gleiche durch Überspringen von 10 Tagen ausgeglichen wurde, über lange Zeit auf den allerheftigsten Widerstand stieß:
Der Superintendent in Curland, Paul Einhorn, errung sich durch seinen Eifer, mit welchem er sich der Annehmung des gregorianischen Kalenders widersetzte, die Kalender-Märtyrerkrone, indem er im J. 1655 am 11ten Sonnt. nach Trinit. auf der Kanzel mitten in einer Kalenderpredigt blieb, und sein Leben mit den Worten: „verflucht sey der Kalender!" endigte.¹
Heute wird die Zeit mit Hilfe von Cäsium-Atomen gemessen. Man bezieht sich dabei auf die Periode von elektromagnetischen Wellen, die beim Übergang eines Atoms zwischen zwei seiner Energieniveaus ausgesandt werden. Auf diese Weise wurde im Jahre 1967 die Maßeinheit Sekunde neu definiert:
»Die Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids ¹³³Cs entsprechenden Strahlung.«
Ist es bei einem derart präzisen Maßstab für die Zeitmessung nicht völlig unvorstellbar, dass dieser irgendwo eine Lücke besitzt, die bislang übersehen wurde? Das ist es nicht! Wie wir sehen werden, wurde diese Lücke nicht übersehen: Sie wurde ignoriert – eben weil ihre Existenz unvorstellbar, weil schon der Gedanke an eine solche Möglichkeit unerträglich war!
Gesicherte Erkenntnisse – gibt es so etwas?
Woher können wir eigentlich wissen, wie lange wichtige Ereignisse zurück liegen? Besteht denn überhaupt eine Chance, zuverlässige Erkenntnisse über das Vergangene zu gewinnen? Zum Einen können wir uns auf Überlieferungen verlassen, wobei wir annehmen, die Darstellung entspräche zumindest weitgehend der Wahrheit und auch das Datum sei korrekt auf unsere Zeitrechnung umgerechnet. Zum Anderen lassen sich Artefakte und Ereignisse in vielen Fällen mit naturwissenschaftlichen Verfahren datieren. Aber auch die beruhen auf Grundannahmen. Messungen können ungenauer sein, als es die Fehlerabschätzung vermuten lässt. Schließlich besteht die Gefahr von Zirkelschlüssen, wenn unbeabsichtigt ein erwartetes Ergebnis die Untersuchung beeinflusst.
Eine die reale Welt betreffende Aussage oder Hypothese unmittelbar als wahr zu beweisen, ist prinzipiell nicht möglich. Das Gegenteil schon eher – sofern Einigkeit über die Prüfkriterien besteht. Deshalb besteht eine Kernforderung der modernen Wissenschaftstheorie in der prinzipiell möglichen Falsifizierbarkeit einer Aussage, d.h. anhand von experimentellen oder empirischen Befunden müsste es möglich sein, sie ggf. zu widerlegen. Leider lassen sich irrige Schlüsse aus der Beobachtung unserer Welt jedoch nicht streng widerlegen, da praktisch jede Vermutung durch zusätzliche Hypothesen als irgendwie doch möglich dargestellt werden kann. Nach Karl Popper¹ ist deshalb die 'konventionalistische Wendung', d.h. die Immunisierung eines widersprüchlichen Befundes durch Ad hoc-Hypothesen ausdrücklich verboten.
Der Philosoph Imre Lakatos modifizierte allerdings Poppers Methode.² Theorien müssen bei ihm nicht durch bessere ersetzt werden, wenn sie falsifiziert wurden, sondern sie dürfen unter gewissen Bedingungen mit einem Schutzgürtel aus Ad hoc-Hypothesen versehen werden. Dieser muss dazu dienen, bewusste oder auch unbewusste Grundüberzeugungen im Kern der Theorie zu schützen, die ein so genanntes Forschungsprogramm oder Paradigma bilden. Die Grundüberzeugungen, die den Kern eines Forschungsprogramms ausmachen, können und sollen nach Lakatos erst dann aufgegeben werden, wenn das Forschungsprogramm sich degenerativ entwickelt und durch ein besseres Forschungsprogramm ersetzt werden kann. Die Auffassung, dass Theorien sogleich aufgegeben werden müssten, sobald sie von experimentellen oder empirischen Resultaten widerlegt werden, verwarf Imre Lakatos als „naiven Falsifikationismus".
Werden solche Überlegungen der Situation des forschenden Wissenschaftlers gerecht, oder sind etwa auch sie naiv? Wissenschaftliche Motivation gilt vorrangig der Entdeckung bislang unbekannter Zusammenhänge, deren Einordnung in das große Theoriegebäude gern den weniger kreativen Fachkollegen überlassen wird. Einen Widerspruch zwischen Beobachtung und Theorie wird man zunächst einmal als Entdeckung von etwas Neuem, bis dahin nicht Beobachtetem sehen – als Erfolg der Arbeit des Forschers. In diesem Sinne wird jener nach einer erklärenden Hypothese suchen. Der Gedanke, dass er zum Schutz der allgemein anerkannten Theorie nun einer Ad hoc-Hypothese bedürfe, oder dass seine Erklärung des Beobachteten als eine solche angesehen werden könnte, dürfte den meisten Forschern wesensfremd sein und auch ihrem Sinn für wissenschaftliche Redlichkeit widersprechen.
Auf diese Weise kann es geschehen (und die Chronologie, deren Kern die angenommene Stimmigkeit der Jahreszählung bildet, ist hier das beste Beispiel), dass eine ganze Reihe von unabhängigen Befunden, die dem Paradigma eigentlich widersprechen, als unabhängige Entdeckungen anerkannt werden – ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, 'das Forschungsprogramm entwickle sich degenerativ'. Woran wäre dies denn überhaupt zu erkennen? Solange ein Paradigma akzeptiert ist, ist es nicht 'degeneriert'. Wird es von einem Großteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht mehr anerkannt, so wird man es schnellstens ersetzen. Werden jedoch mehrere Ad hoc-Hypothesen oder ihnen gleichwertige Erklärungen akzeptiert, so lässt sich der Wahrheitsgehalt eines Paradigmas nicht mehr bewerten. In diesem Falle verbleiben dem Wissenschaftler letztlich nur Aussagen unter Bezug auf den Erfahrungsschatz der Menschheit. Letzterer umfasst mit der kausalen Logik insbesondere das Wissen um den gerichteten, stetigen Verlauf der Zeit, sowie die Gesetze der Wahrscheinlichkeit.
Aussagen zur Chronologie müssen sich also ohne Zusatzannahmen als widerspruchsfrei erweisen, um glaubwürdig zu sein. Wie wir sehen werden, trifft dies für den uns überlieferten Ablauf der Geschichte jedoch nicht zu. Wo immer sich eine Möglichkeit zur Überprüfung bietet, stoßen wir auf Widersprüche und Vermutungen. So fehlen zu den für das Frühmittelalter überlieferten Personen und Ereignissen fast alle sicher datierbaren Artefakte. Dagegen finden sich zu einer Vielzahl von Berichten der Antike überprüfbare Bestätigungen – aber offenbar durchweg um drei Jahrhunderte verschoben. Bei diesem Befund erscheint nur eine Erklärung möglich: Unsere gebräuchliche Jahreszählung stimmt nicht mit den für das Römerreich tradierten Jahreszahlen überein. Allerdings haben sich in manchen Fällen neben den unstimmigen auch Hinweise auf das wahre Datum geschichtlicher Ereignisse erhalten. Zusammen mit den physikalischen Messwerten lässt sich aus diesen ein beweiskräftiges, überzeugendes Bild der Vergangenheit gewinnen.
Die extreme, von einigen Skeptikern vertretene Vorstellung einer etwa zur Zeit der Renaissance vollständig gefälschten Überlieferung ist dagegen unhaltbar, eben weil sie aller Erfahrung über menschliche Möglichkeiten und Motive widerspricht.
Und wer schließlich die Aussagekraft naturwissenschaftlich gewonnener Daten grundsätzlich anzweifelt, der muss sich fragen lassen, auf welche Weise sich seine Position dann überhaupt prüfen und bewerten ließe.
Darf man an der Chronologie denn zweifeln?
Unsere Jahreszählung erscheint sakrosankt. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Geburt Christi. Auf den ersten Blick schließt daher der Zweifel an der Stimmigkeit der Zahlenfolge auch den Zweifel am zentralen Ereignis des christlichen Glaubens ein. Wem ist schon bewusst, dass mit dieser Art, die Jahre zu benennen erst viele Jahrhunderte nach den im Neuen Testament beschriebenen Ereignissen begonnen wurde, dass sie erst im 14. Jahrhundert erstmals in einer päpstlichen Urkunde benutzt wurde? Unsere Jahreszählung beruht jedenfalls auf einer Rückberechnung des Geburtsjahres Christi durch fehlbare Menschen!
Sodann bildet die Abfolge der historischen Ereignisse die Voraussetzung dafür, sich ihr mit den Mitteln der Logik zu nähern. Dort wo Vorher und Nachher nicht mehr zu bestimmen sind, lässt sich keine Kausalität erkennen und daher auch kein Verständnis gewinnen. Wer könnte sich auf so etwas einlassen?
Ganz offensichtlich lässt sich die Jahreszählung auch nicht um einen bestimmten Wert verändern, ohne dass dies weitere Unstimmigkeiten zur Folge hätte: Das Zusammenspiel von Schaltjahren, Wochentagen und Mondlauf wiederholt sich erst nach 532 Jahren. Hinzu kommen weitere, offenbar nie geänderte Zyklen wie die jüdische Jahrwoche oder die 15-jährige Steuerperiode der Römer.¹
Schließlich bildet das, was wir von Eltern und Lehrern über die Vergangenheit gelernt haben, den Kern unseres gesicherten Wissens. Der Gedanke, dieses Wissen könnte der Korrektur bedürfen, ist vielen Menschen kaum erträglich – insbesondere dann, wenn davon auch noch ihre berufliche Reputation berührt wird.
Was aber hätte es zu bedeuten, wenn unsere Jahreszahlen nicht die Anzahl der seit der Geburt Jesu oder seit Kaiser Augustus vergangenen Jahre angäben? Etwas in uns sträubt sich gegen diese Möglichkeit. Worauf können wir uns dann überhaupt noch verlassen? Verständlich, dass fast jeder von uns erst einmal mit Abwehr oder gar mit Zorn auf eine solche Zumutung reagiert.
So stellt sich uns die Frage: Sind wir bereit, für unser Wissen – wenn es denn nötig ist –, uns von lieb gewonnenen Vorstellungen zu verabschieden und auch die dann nötige Trauerarbeit zu leisten? Wir müssten uns ja die Begrenztheit des Wissens einzugestehen, das wir vertrauensvoll von unseren Eltern und Lehrern übernommen haben. Zum Lohn dafür werden wir möglicherweise jedoch der Wahrheit ein Stückchen näher kommen.
Seit zwei Jahrzehnten sorgt die folgende These für Unruhe: »Zu Anfang des Mittelalters wurde die Jahreszählung des Abendlandes um fast dreihundert Jahre erhöht.«¹ Was davor geschah, so die Konsequenz, läge daher weniger weit zurück als überliefert! Die durch diesen Eingriff neu entstandenen dunklen Jahrhunderte des frühen Mittelalters wären in der Folgezeit mit erfundenen oder schlicht geklonten Überlieferungen gefüllt worden.
Sie werden jetzt fragen: Gibt es denn für eine derartige Unstetigkeit der Jahreszählung irgendeinen konkreten schriftlichen Hinweis aus jener fernen Zeit? Ja, den gibt es tatsächlich! Ein Schreiben des kaiserlichen Sprechers Leo von Vercelli an Papst Gregor V. aus dem Jahr 998 gipfelt in der Anweisung: 'Auf Befehl des Kaisers bereinigt der Papst die Jahrhunderte'.¹
Aber was wäre denn damals 'zu bereinigen' gewesen? Die Antwort fällt nicht schwer, wenn wir die überlieferte Geschichte des Oströmischen Reiches betrachten: Genau 304 Jahre beträgt der Abstand zwischen Herakleios I. und Konstantin dem Großen, den beiden bedeutendsten Kaisern Ostroms. Beide regierten mit jeweils 31 Jahren gleich lang. Gleich lang regierten auch ihre gleichnamigen Nachfolger, von denen, wie wir noch sehen werden, ebenfalls gleiche Taten berichtet werden. Geschichte wiederholt sich aber bekanntlich nicht! Die frühere der Überlieferungen (fast das ganze 4. bis 6. Jahrhundert der Geschichte Ostroms) erscheint als eine Verdoppelung der späteren. Nun gilt Konstantin der Große aber auch als einer der bedeutendsten Herrscher des Westens. Dessen Überlieferung musste durch sein zu frühes Erscheinen durcheinander geraten. Angesichts der geplanten 'Wiederherstellung des Römischen Reiches' bestand jedenfalls dringender Handlungsbedarf!
Beruht unser Schulwissen auf einem Irrtum?
Nur auf den ersten Blick scheint die überlieferte Geschichte stimmig zu sein und im Einklang mit allen Beobachtungen und Zeitreihen zu stehen. Das muss auch nicht verwundern: Bei unrichtigen Voraussetzungen scheint sich manchmal auch eine falsche Hypothese zu bestätigen. Hinzu kommt der menschliche Faktor: Widersprechen die Beobachtungen einem sicher erwarteten Ergebnis, so liegt es nahe, Vermutungen anzustellen, um doch noch Stimmigkeit zu erzielen. Auch die Möglichkeit fehlerhafter Datenerfassung oder Interpretation kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Wir wollen daher in den folgenden Kapiteln alle verfügbaren Beobachtungen auf ihre Aussagekraft hin überprüfen. Dabei wird sich zeigen, dass 'Beweisführungen' zu Gunsten der überlieferten Chronologie ohne Ausnahme auf unbewiesenen Annahmen beruhen. Mit jeder Zusatzhypothese zur Einordnung einer Beobachtung wird aber bekanntlich die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Ursprungshypothese den wahren Sachverhalt wiedergibt¹.
Sodann wollen wir prüfen, inwieweit sich die verfügbaren Daten mit der alternativen Erklärung einer um drei Jahrhunderte verschobenen Jahreszählung vertragen. Nur wenn dies in jedem Fall gegeben ist, lässt sich sagen, dass diese Erklärung mit hoher Wahrscheinlichkeit die wahre zeitliche Abfolge der geschichtlichen Ereignisse widerspiegelt.
Ad hoc-Annahmen allüberall – ein Anfangsverdacht
»Es regnet – aber ich glaube es nicht!« In dieser Form wird Moores² Paradoxon zumeist präsentiert. Hier stehen sich eine Sachaussage und eine diametral entgegengesetzte, auf Erfahrung begründete Meinung gegenüber. Eine solche Verknüpfung sich ausschließender Aussagen begegnet uns auch in dem Satz
»Naturwissenschaftliche