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Star Trek - Deep Space Nine: Sakramente des Feuers
Star Trek - Deep Space Nine: Sakramente des Feuers
Star Trek - Deep Space Nine: Sakramente des Feuers
Ebook541 pages7 hours

Star Trek - Deep Space Nine: Sakramente des Feuers

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Wenige Tage, nachdem die Präsidentin der Föderation, Nanieta Bacco, auf Deep Space 9 einem Attentat zum Opfer gefallen ist, sorgt die unerwartete Ankunft eines Fremden für ernsthafte Besorgnis. Er wirkt verstört und verwirrt und bietet nur unbefriedigende Antworten – die er zudem noch in einem eigentümlichen bajoranischen Dialekt gibt. Angeblich weiß er nicht, wo er sich befindet oder wie er auf die Station gekommen ist. Ein kurzer Scan belegt, dass der Besucher eine Projektilwaffe mit sich führt – eine Waffe, die zwar älter ist als die, mit der Präsidentin Bacco ermordet wurde, aber dennoch ähnlich.
LanguageDeutsch
PublisherCross Cult
Release dateSep 4, 2017
ISBN9783959812030
Star Trek - Deep Space Nine: Sakramente des Feuers

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    Book preview

    Star Trek - Deep Space Nine - David R. George III

    Feuer!«

    I

    Rauch

    Kapitel Eins

    Captain Ro Laren stand in dem kleinen, gerade mal vier Transporterflächen umfassenden Transporterraum. Er grenzte direkt an den Knoten, dem scheibenförmigen Befehlskomplex, der Deep Space 9 krönte. Sie starrte den gerade materialisierten Fremden an. Ros Chefingenieur, Miles O’Brien hatte den Mann allerdings nicht auf die Station gebeamt, sondern ein stundenglasförmiges, grün leuchtendes Objekt, das wie ein Drehkörper der Propheten aussah. Es war nur Augenblicke zuvor aus dem Wurmloch gekommen, und die Sensoren hatten darin eine Lebensform entdeckt. Kaum auf der Station erschienen, war es in einem Blitz weißen Lichts verschwunden und hatte stattdessen einen Bajoraner zurückgelassen. »Wer sind Sie?«, fragte Ro.

    »Mein Name ist Altek Dans.«

    Der Name sagte Ro nichts. Sie sah zu ihrem Sicherheitschef, Lieutenant Commander Jefferson Blackmer. In einer Hand hielt er einen Phaser, eine Sicherheitsmaßnahme, die Ro angeordnet hatte, bevor der Drehkörper auf die Station gebracht worden war. Ro nickte in Richtung der frei stehenden Konsole, von wo aus O’Brien den Transporter bedient hatte. Um den unausgesprochenen Befehl des Captains zu befolgen, ging Blackmer hastig durch den kleinen Raum. Er gab O’Brien seinen Phaser und gab an der sekundären Kontrolltafel der Konsole Befehle ein.

    Vom Zirpen der Eingaben begleitet, stellte sich Ro dem Fremden vor, nannte Rang und Namen. Er wirkte nicht, als könne er etwas mit den Informationen anfangen. Als er nichts erwiderte, betrachtete sie ihn eingehend. Sein Nasenkamm wies ihn eindeutig als Bajoraner aus, aber so was konnte man auch imitieren, und sie würde ihn für eine Bestätigung im Sector General untersuchen lassen. Er war ungefähr einen Kopf größer als Ro, hatte dunkles, kurz geschnittenes Haar und dunkle Augen. Sein bronzefarbener Teint unterstrich seine markanten Gesichtszüge, die ein Drei-Tage-Bart wiederum fast genauso erfolgreich verbarg. Seine Kleidung war schmutzig und unordentlich – eine schwere schwarze Hose und ein schwarzer Pullover mit langen Ärmeln – und dazu hatte er abgetragene Wanderstiefel an. Erde beschmutzte seine Hände und sein Gesicht. Insgesamt sah er aus, als hätte er die letzten Tage in der Wildnis verbracht.

    »Sind Sie Himmel?«, fragte der Mann plötzlich. Er sprach Bajoranisch, aber mit einem Akzent, den Ro nicht einordnen konnte. Das weckte ihr Misstrauen, möglicherweise hatte er es auf einer anderen Welt gelernt.

    Auf einer anderen Welt, beispielsweise auf Ab-Tzenketh, dachte Ro verbittert. Vor fünf Tagen hatte die Einweihungsfeier der neuen Station stattgefunden. Sie sollte unter anderem dabei helfen, für Frieden in der Region zu sorgen. Stattdessen hatten der Captain und der Großteil der Besatzung mit ansehen müssen, wie die Föderationspräsidentin Nanietta Bacco einem grauenvollen Attentat zum Opfer fiel. Ursprünglich hatte man eine Bajoranerin – Enkar Sirsy, Stabsleiterin der Premierministerin – für den Täter gehalten. Aber die nachfolgende Untersuchung hatte mehr Beweise zutage gefördert und sie entlastet. Dafür sah es nun so aus, als hätten die Tzenkethi etwas mit diesem abscheulichen Verbrechen zu tun.

    »Haben Sie gefragt, ob ich … Himmel bin?« Die Frage ergab keinen Sinn, und Ro zog in Erwägung, ob sie ihn aufgrund seines Akzents missverstanden hatte.

    Der Mann sah sich im Transporterraum um. Er wirkte verwirrt, möglicherweise sogar desorientiert, und zeigte allmählich Beunruhigung. Als er den Captain wieder ansah, plapperte er: »Ich bin kein Eis.« Diese Erklärung klang für Ro genauso absurd wie seine Frage.

    Ohne Vorwarnung ging er auf die zwei Stufen zu, die von der erhöhten Plattform führten. Ro hob hastig die Hand, um ihn aufzuhalten. »Wir haben ein Eindämmungsfeld der Ebene eins um den Transporter errichtet.«

    »Ich weiß … ich weiß nicht, was das bedeutet.«

    »Es bedeutet, dass sich um die Plattform, auf der Sie stehen, ein Kraftfeld befindet«, erklärte Ro.

    Verwirrt schüttelte der Mann den Kopf. »Wo bin ich? Wie haben Sie mich hierher gebracht?«

    Bevor Ro antworten konnte, meldete sich Blackmer von seiner Konsole. »Captain, ich kann in keiner unserer Datenbanken Aufzeichnungen über einen Altek Dans finden.«

    »Nun, Mr. ›Altek‹?«, setzte Ro an. »Würden Sie uns bitte Ihren echten Namen nennen, wo Sie herkommen und was Sie hier wollen?« Der Captain musste daran denken, dass das Wurmloch mit dem Gamma-Quadranten verbunden war – der Heimat des Dominion, einer interstellaren Großmacht, die einen langen und grausamen Krieg gegen die Föderation und andere Nationen des Alpha-Quadranten geführt hatte. So kurz nach dem Attentat und nur wenige Tage bevor die zehntausend Bewohner von Deep Space 9 auf die Station kommen würden, machte das Erscheinen eines Unbekannten Ro ernsthafte Sorgen.

    »Ich habe Ihnen gesagt, wie ich heiße. Ich komme aus Joradell und habe keine Ahnung, warum Sie mich hergebracht haben … oder wo hier überhaupt ist.«

    »Ist Joradell ein Planet im Gamma-Quadranten?«, fragte Ro. »Ist er Teil des Dominion?« Die Untersuchungen des Mords an Präsidentin Bacco hatte keine Verbindung zu den Gründern ergeben, aber der Captain würde keine Möglichkeit ausschließen, insbesondere keine gegenwärtigen oder früheren Feinde der Föderation.

    »Joradell ist kein Planet«, widersprach der Mann. »Es ist eine aleiranische Stadt auf Bajor.«

    »Ich wurde auf Bajor geboren und bin dort aufgewachsen und habe nie von dieser Stadt gehört«, entgegnete Ro. »Warum sagen Sie nicht die Wahrheit und …«

    »Captain!«, rief Blackmer, bevor er wieder an ihre Seite eilte. Ro sah, dass er seinen Phaser von O’Brien zurückbekommen hatte. »Die automatischen Sensoren haben keinen Alarm gegeben, aber ich habe einen manuellen Scan durchgeführt. Sie zeigen, dass der Mann eine Projektilwaffe mit sich führt.«

    Das beunruhigte Ro noch mehr. Präsidentin Bacco war mit einer solchen Waffe getötet worden. »Chief«, wandte sie sich an O’Brien, »können Sie ihn entwaffnen?«

    »Isoliere die Waffe jetzt«, meldete der Ingenieur, während seine stämmigen Finger über die Transporterkonsole huschten.

    »Beamen Sie sie in den Bunker«, befahl Ro. Die Sektion lag im äußeren Bereich der Station und stellte eine sichere Lagereinrichtung für potenziell gefährliche Objekte dar. Offiziell wurde sie Sprengkörper-Verwahrungsraum genannt. Verstärkte Schotten und dreifache, sich ergänzende Eindämmungsfelder grenzten den Bereich vom Rest der Raumstation ab, und fortschrittliche Transporter waren dazu in der Lage, die Wucht einer Explosion in das Vakuum des Weltraums umzuleiten.

    »Aye, Sir«, bestätigte O’Brien. Während er die Kontrollen bediente, hörte Ro ein gedämpftes, schrilles Summen. Der Mann hörte es offensichtlich auch, schien sich kurz darauf zu konzentrieren, griff dann hastig hinter sich – Ro vermutete, dass er dort seine Waffe trug. Als er sie wieder nach vorne brachte, war seine Hand leer.

    Ro ging bis zum Fuß der Stufen, die zur Transporterplattform hinaufführten. In ihrem Gesicht spürte sie das Kribbeln der aufgeladenen Luft zwischen ihr und dem unsichtbaren Eindämmungsfeld. »Mr. Altek, oder wie auch immer Sie heißen mögen, ich stelle Sie unter Arrest, weil Sie illegal eine Waffe auf diese Raumstation gebracht haben. Für den Zeitraum unserer Untersuchung und bis eine formelle Anklage verfasst wurde, werden Sie in Haft bleiben.«

    »Raumstation? Ich weiß nicht … Ich wusste …«

    »Chief«, sagte Ro, »beamen Sie unseren Gast in den Arrestkomplex.«

    »Aye.« Sekunden später formierten sich über der Plattform Strähnen aus weißem Licht, denen einen Augenblick später ebenso helle Flecken folgten. Während sie sich ausbreiteten und den Mann umschlossen, war ihm seine Panik deutlich anzusehen. Kurz darauf verschwand er.

    Ro drehte sich zu ihrem Sicherheitschef um. »Ich möchte, dass er ständig beobachtet wird.«

    »Verstanden, Captain.«

    Der ganze Vorfall beunruhigte Ro, aber ein Detail stach besonders hervor. »Warum haben die automatischen Scans die Waffe nicht entdeckt?« Nachdem für das Attentat auf die Föderationspräsidentin eine Projektilwaffe benutzt worden war, hatte sich der Captain nach Beratung mit Blackmer dazu entschlossen, Anweisung zu geben, die Protokolle der Station dahingehend zu ändern, auch nach solchen Waffen zu suchen, obwohl sie veraltet waren und nur selten benutzt wurden.

    »Ich muss das erst noch nachprüfen«, erklärte der Sicherheitschef, »aber ich glaube, es liegt daran, dass die Waffe unseres Besuchers noch viel primitiver ist, als …« Er beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig; Ro begriff, dass er versuchte, die eben auf die Station gelangte Waffe mit der zu vergleichen, die Präsidentin Bacco das Leben gekostet hatte.

    Der Captain nickte. »Lassen Sie die Waffe von Ihrem Sicherheitsteam untersuchen, und dann arbeiten Sie zusammen mit Nog daran, die internen Sensoren entsprechend einzustellen.« Lieutenant Commander Nog diente als Einsatzleiter und als Assistent des Chefingenieurs auf DS9. »Ich möchte wissen, wenn irgendeine Waffe auf die Station gebracht wird.«

    »Aye, Sir.«

    »In der Zwischenzeit suchen Sie noch mal gründlicher nach Informationen über unseren Besucher und dann verhören Sie ihn. Ich will wissen, wer er ist und wie und warum er in einem Drehkörper aus dem Wurmloch gekommen ist.«

    »Ich auch«, stimmte Blackmer zu. Seine Entschlossenheit war ihm deutlich anzusehen.

    »Chief«, wandte sich Ro an O’Brien, »überprüfen Sie die Waffe im Bunker. Wir wollen sichergehen, dass sie nicht mehr ist, als es den Anschein hat. Versuchen Sie auch herauszufinden, wo sie herkommt.«

    O’Brien bestätigte seine Befehle, und Ro verließ den Transporterraum in Begleitung ihrer beiden Offiziere. Sie befehligte eine nagelneue, hochmoderne Raumstation, konstruiert vom Ingenieurkorps und von der taktischen Abteilung so ausgestattet, dass sie so unüberwindbar war, wie es der aktuelle Stand der Föderationstechnologie zuließ. Trotzdem fühlte sich Ro verwundbarer als auf der alten Station … ungeachtet der Tatsache, dass abtrünnige Elemente des Typhon-Paktes die ursprüngliche Deep Space 9 vor zwei Jahren zerstört hatten.

    Als der Captain zusammen mit Chief O’Brien und Lieutenant Commander Blackmer aus dem Transporterraum kam, stand Colonel Cenn Desca, der Erste Offizier von DS9 und offizieller Verbindungsoffizier zur bajoranischen Regierung von seinem Sessel auf. Er erwartete, dass Vedek Kira nach ihnen hereinkommen würde, aber die Tür schloss sich hinter den drei Offizieren. Die beiden Männer gingen an ihre jeweiligen Arbeitsstationen am inneren Rand auf dem erhöhten Außenring des Kontrollzentrums. Sämtliche primären Konsolen des Knotens waren nach innen gerichtet, in Richtung der Senke, dem tiefer liegenden Areal, in dem sich auch der Hauptsystemmonitor befand. Während sich O’Brien an die Hauptmaschinenraumkontrolle setzte und Blackmer seinen Posten an der Sicherheitsstation einnahm, wandte sich Ro an die Kommandobesatzung.

    »Der Drehkörper hat einen Passagier befördert«, verkündete sie, »aber es war nicht Kira Nerys.«

    Der Captain berichtete, was im Transporterraum geschehen war, und von dem Bajoraner, der dort aufgetaucht war. Cenn hörte zu, versuchte aber auch seine Gedanken zu ordnen, die sich in einem wilden Durcheinander überschlugen. Er fühlte sich, als hätte ihn ein Schwinger in den Magen getroffen. Das Gefühl war nicht mit dem zu vergleichen, das er empfunden hatte, als der Himmlische Tempel mit Vedek Kira darin kollabiert war, aber es war dennoch ein Gefühl von Verlust.

    Wenn die Propheten beschlossen haben, jemanden nach Bajor zurückzuschicken, fragte er sich, warum haben Sie sich dann nicht für Nerys entschieden? Als sich der Himmlische Tempel nach zwei Jahren endlich wieder geöffnet hatte, war nicht nur Cenns Überzeugung, dass er es tun würde, bestätigt worden, er war außerdem kaum in der Lage gewesen, seine Freude im Zaum zu halten. Als dann ein Drehkörper der Propheten daraus hervorgekommen war und die Sensoren eine Lebensform darin empfangen hatten, hatte er einfach gewusst, dass Kira zurück war. Das Wurmloch war während eines Raumschiffgefechts im Inneren kollabiert. Und obwohl viele glaubten, dass Kira dabei ums Leben gekommen war, hatte die Vedek-Versammlung sie für vermisst erklärt und angenommen, sie sei in der Obhut der Propheten. Cenn war voll und ganz derselben Meinung gewesen.

    Aber wo ist sie dann?, fragte er sich frustriert. Cenn hatte während der etwas mehr als zwei Jahre, die Kira Befehlshaber von Deep Space 9 gewesen war, unter ihr gedient. Sie waren in Kontakt geblieben, nachdem sie ihren Dienst quittiert hatte, um sich der bajoranischen Religion zuzuwenden. Während Cenn so oft, wie es seine Pflichten zuließen, nach Bajor reiste, um Familie und Freunde zu besuchen, kam Kira nur selten auf die Station. Dennoch wurden sie während dieser Zeit immer bessere Freunde. Dank ihres Glaubens hatten sie viele Gemeinsamkeiten. Cenns Eltern waren sehr gläubig gewesen und hatten ihm schon sehr jung das Geschenk der Hingabe an die Propheten zuteilwerden lassen. Er hatte diese Religiosität nie abgelegt. Kira war ähnlich aufgewachsen und zu einer Anhängerin des bajoranischen Glaubens geworden, aber erst nach ihrem Eintritt in den Klerus war die Freundschaft zwischen ihr und Cenn erblüht. Mit der Zeit, während ihrer vielen theologischen Unterhaltungen, bei denen sie ihren eigenen Glauben beurteilten und einander tiefgründige Fragen stellten, kamen sie sich immer näher.

    Cenn fehlten diese Zeiten, und Nerys fehlte ihm. Er konnte sich einreden, dass er sich um ihretwillen wünschte, sie möge nach Bajor zurückkehren, aber welche Verbesserungsmöglichkeiten konnte ihre Existenz noch haben, nun da sie bei den Propheten war? Nein, er musste sich eingestehen, dass er aus rein selbstsüchtigen Gründen auf Kiras Rückkehr hoffte. Selbst für ihn war das ein schwacher Grund, die Wege der Propheten infrage zu stellen.

    Der Captain beendete den Bericht über den Unbekannten, den der Drehkörper auf der Raumstation abgesetzt hatte. Sie ging auf dem äußeren Ring des Knotens bis zu zwei nebeneinanderliegenden Stationen, an denen Lieutenant Kalanent Viss und Ensign Vendora deGrom arbeiteten. Bis vor Kurzem war für deGroms Aufgabe als Dockmeister eine zweitrangige Station am äußeren Schott des Kontrollzentrums konfiguriert gewesen, aber da Deep Space 9 nun den vollen Betrieb aufgenommen hatte und mit einem höheren Verkehrsaufkommen und größerem Aufwand bei der Wartung zu rechnen war, hatte man diesen Posten mit dem der Wissenschaftsstation getauscht.

    »Kalanent, nehmen Sie Verbindung mit Admiral Akaars Büro auf«, wies Ro Viss an der Kommunikationsstation an. »Ich muss ihn sprechen, in Echtzeit, so bald wie möglich. Berichte folgen.« Als Folge des Attentats hatte man die Ressourcen der Sternenflotte neu strukturiert, damit die im bajoranischen System befindliche Station ohne Verzögerung mit dem Oberkommando der Sternenflotte auf der Erde kommunizieren konnte.

    »Sofort, Captain«, bestätigte Viss. Für Cenn klangen ihre Worte immer ein wenig schief, da der Übersetzer im Helm ihres aquatischen Umweltanzugs den Worten einen mechanischen Klang verlieh.

    Während die Alonisierin die notwendigen Befehle in ihre Konsole eingab, setzte Ro ihren Weg am Rand des Knotens fort, vorbei an einem der Zugänge der vier Turbolifte, über die man das Kontrollzentrum erreichen konnte. Als sie an den Sesseln für den befehlshabenden und den Ersten Offizier links von sich vorbeikam, sagte sie: »Desca, kommen Sie mit.« Sie sah über die Schulter zurück und ergänzte: »John, Sie haben das Kommando.« Der leitende Wissenschaftsoffizier der Raumstation, Lieutenant Commander John Candlewood verließ seine Station am Rand.

    Cenn folgte Ro in ihr Büro. Drinnen trat der Captain hinter einen Schreibtisch, der auf der linken Seite mittig vor einem Schott stand. Cenn setzte sich in einen der beiden Sessel vor dem Möbelstück.

    »Was halten Sie von dem Ganzen, Desca?« An dem Schott hinter ihr hing eine runde Skulptur, die weitestgehend aus gebogenen Metallstangen bestand. Man hatte Cenn gesagt, dass sie dem Künstler zufolge eine moderne, flache Interpretation von Deep Space 9 darstellte, aber irgendwie konnte er das nicht darin erkennen.

    »Um ehrlich zu sein, habe ich geglaubt, Vedek Kira wäre in dem Drehkörper. Aber wir können die Pfade, die uns die Propheten weisen, nicht immer erkennen oder verstehen.«

    »Das ist es ja.« Ro schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin nicht sicher, ob es irgendwas mit den Propheten zu tun hat.«

    Cenn spürte, wie er unbeabsichtigt eine Augenbraue hob, und zwang sich wieder zu einer neutralen Miene. »Entschuldigen Sie, Captain, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, warum Sie das sagen. Das Wurmloch war zwei Jahre verschlossen – zwei Jahre, während derer Wissenschaftler der Föderation keinerlei Anzeichen gefunden haben, dass es überhaupt noch existiert. Und als es sich heute endlich wieder geöffnet hat, kam ein Drehkörper heraus. Wie kann das alles nicht mit den Propheten zusammenhängen?«

    »Ich weiß nicht. Es ist nur so ein Gefühl.«

    Cenn schätzte auf jeden Fall den Wert von Intuition, selbst im Angesicht von entgegengesetzten Beweisen. Aber der bloße Gedanke, dass die Propheten nichts mit der Erneuerung des Himmlischen Tempels oder mit dem darauffolgenden Erscheinen des Drehkörpers zu tun haben sollten, kam ihm unermesslich unwahrscheinlich vor. »Sir, ich weiß, dass Sie nicht gläubig sind. Könnte das möglicherweise Ihr Urteil in diesem Fall beeinflussen?«

    »Oh, Desca.« Ro stand auf. »Ich bin nicht sonderlich an Schubladen interessiert. Warum muss ich einordnen was ich denke und was ich empfinde?« Sie ging von ihrem Schreibtisch zur anderen Seite ihres Büros.

    Cenn hatte solche Argumente schon oft gehört, häufig von Leuten, die zuvor ihre Zweifel erklärt oder sogar demonstriert hatten. Jedes Mal fand er es traurig und seltsam ironisch. Solche Personen verleugneten die Göttlichkeit der Propheten, waren aber so wenig von ihren eigenen Zweifeln überzeugt, dass sie keinesfalls als Atheisten bezeichnet werden wollten. Er würde es Ro Laren nie gestehen, aber sie tat ihm wirklich leid. Sie versagte sich nicht nur die Freude und den Trost, die es mit sich brachte, ihr Vertrauen in die Propheten zu setzen, ihr fehlte auch auf fundamentale Weise der Glauben an sich selbst.

    Der Captain blieb vor dem äußeren Schott und dem rechteckigen Fenster mit seinen abgerundeten Ecken darin stehen, durch das sie den Weltraum sehen konnte und auch hinab auf den X-Ring der Station, der sich um ihren Äquator zog. Mit in die Hüften gestemmten Händen blickte Ro hinaus. Sie schwieg einen Moment lang, sodass Cenn befürchtete, er habe sie beleidigt, indem er ihre Denkweise infrage stellte. Er dachte darüber nach, sich zu entschuldigen, aber noch während sie hinaussah, sagte Ro: »Es geht nicht darum, ob ich gläubig bin oder nicht.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und kam zu ihm zurück. »Ich bestreite nicht, dass innerhalb des Wurmlochs Wesen leben oder dass sie in der Lage sind, es zu manipulieren. Wir wissen, dass die Drehkörper existieren und auf Personen einwirken können, und es ist unbestreitbar, dass die Propheten einen Einfluss auf die bajoranische Gesellschaft gehabt haben. Vielleicht haben sie sogar aktiv eingegriffen.«

    Ros Worte machten Cenn wütend, aber er bewahrte seine gelassene Miene. »Ich würde eher geführt sagen, anstatt eingegriffen, Captain, aber alles, was Sie sagen, stimmt. Im Vergleich zu meiner Denkweise wird in Ihrer Aussage die Wichtigkeit der Propheten für das bajoranische Volk geschmälert.«

    »Tut mir leid, Desca.« Sie stützte sich auf eine Ecke des Schreibtischs. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich unterschätze keineswegs die Auswirkung, die die Propheten auf Bajor gehabt haben, direkt wie indirekt. Ich weiß nur nicht, ob fremde Wesen, die sich ungefragt in die Angelegenheiten einer anderen Spezies einbringen, es verdient haben, für göttlich erklärt zu werden.«

    »Nun, zuerst würde ich argumentieren, dass viele Bajoraner, darunter auch ich, die Propheten nicht nur in unser Leben aufgenommen haben, sondern sie willkommen heißen würden, wenn dem nicht so wäre. Zum Zweiten habe ich sehr häufig das Argument gehört, dass die Propheten lediglich eine fremde Spezies sind. Das ist eine Behauptung, die besonders unter Sternenflottenpersonal beliebt ist, das seit dem Ende der Besatzung auf Bajor und Deep Space 9 stationiert war.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich fühle mich dadurch nicht beleidigt. Stattdessen ist es meiner Meinung nach eine Ansicht, der es an Informationen mangelt, oder eine kurzsichtige. Ich habe die Drehkörper nicht nur gesehen, ich habe sie erlebt. Ich habe Prophezeiungen gelesen, die von Gelehrten verfasst wurden, die schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden tot sind und die während meiner Lebenszeit eingetreten sind. Ich habe die Ankunft des Abgesandten miterlebt und ich habe die Erhabenheit des Himmlischen Tempels gesehen.«

    »Das weiß ich alles«, sagte Ro leise.

    »Sie können versuchen, das alles einfach als Taten einer fortschrittlichen fremden Spezies zu bezeichnen«, fuhr Cenn fort, »aber es ist nicht so, als hätten die Propheten die Drehkörper in irgendeiner Fabrik hergestellt oder das Wurmloch aus Thermozement und Duranium gebaut oder die Prophezeiungen niederschreiben lassen, nachdem sie bereits eingetreten sind. Was sie für das bajoranische Volk waren und was sie getan haben …« Er hob die Hände mit nach oben gerichteten Handflächen, als wollte er die unermessliche Geschichte der Propheten umfassen. »… kann man nicht anders als göttlich bezeichnen.«

    Der Captain schaffte es tatsächlich zu lächeln. »Ihre Leidenschaft ist verlockend.«

    »Ich fasse das als Kompliment auf.«

    »So habe ich es auch gemeint«, bestätigte Ro. »Ich beneide Sie um Ihre Überzeugung und um das, was Sie offensichtlich aus Ihrem Glauben schöpfen.« Sie stieß sich von der Schreibtischkante ab und ging wieder hinter das Möbelstück. »Aber falls ich mich undeutlich ausgedrückt habe«, fuhr sie fort, während sie sich setzte. »Was ich im Bezug auf die Propheten glaube oder auch nicht glaube, ist in diesem Fall ohne Bedeutung. Ich bestreite nicht, dass sie das Wurmloch wieder geöffnet oder einen Drehkörper mit einem Passagier an Bord hindurchgeschickt haben könnten. Aber vor gerade mal fünf Tagen wurde auf dieser Station Präsidentin Bacco mit einer Projektilwaffe getötet, und die erste Person, die wir wegen dieses Verbrechens verhaftet haben, war Bajoranerin. Jetzt taucht mysteriöserweise ein Bajoraner auf der Station auf – ein Mann, über den wir in unseren Datenbanken keinerlei Aufzeichnungen finden können – und er trägt eine ähnliche Waffe bei sich.«

    »Ich sehe da keinen Zusammenhang. Die Beweise, die Doktor Bashir gestern gefunden hat, haben Enkar Sirsy entlastet. Wir wissen, es waren keine Bajoraner, die den Mord an der Präsidentin begangen haben, sondern Tzenkethi.«

    »So sieht es im Moment zumindest aus, aber absolut sicher sind wir nicht«, entgegnete Ro. »Nur weil Enkar entlastet wurde und alles auf die Tzenkethi hinweist, ist nicht zwangsläufig ausgeschlossen, dass es keine bajoranischen Komplizen gibt.«

    »Und Sie machen sich wegen einer möglichen Verbindung zwischen diesem Altek Dans und dem Attentat Sorgen«, stellte Cenn eher fest, als dass er fragte.

    Ro nickte. »Irgendwas stimmt mit ihm nicht.«

    »Ich vertraue Ihren Instinkten, wenn es um Personen geht, Captain, aber wollen Sie andeuten, dass die Propheten diesen Mann als Komplizen an der Ermordung von Präsidentin Bacco hergeschickt haben?« Er konnte nicht glauben, dass er eine solche Frage stellen musste. So sehr er sich auch bemühte, gelassen zu wirken, sobald es um seinen Glauben ging, färbten dennoch Schrecken und Ablehnung seine Stimme.

    »Nein, nein, ganz und gar nicht«, versicherte ihm Ro hastig. »Aber das Wurmloch öffnet sich nicht nur in den Alpha-Quadranten.«

    Cenn versuchte, die Gedanken des Captains nachzuvollziehen. »Vermuten Sie eine Beteiligung des Dominion? Das sie … was? Einen falschen Drehkörper erschaffen und einen Weg gefunden haben, jemanden darin zu transportieren?«

    »Sollte Altek Dans wirklich ein Gründer sein …« Ro wurde leiser. Sie schwieg noch einen Augenblick, bevor sie sagte: »Das ergibt keinen Sinn, oder?«

    »Ich denke nicht«, stimmte Cenn zu. »Ich meine, es stellt kein großes Problem dar herauszufinden, ob Altek Dans ein Wechselbalg ist oder nicht. Aber wir hatten seit dem Ende des Kriegs keine Schwierigkeiten mehr mit dem Dominion. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sie etwas mit der erneuten Öffnung des Wurmlochs und der Erschaffung eines Drehkörpers zu tun haben, nur um ein Mitglied ihres Volks auf die neue Raumstation zu bringen.« Ihm fiel noch etwas anderes ein. »Dessen ungeachtet, wie sollten die Gründer irgendeine Rolle bei dem Attentat gespielt haben, wenn das Wurmloch bis heute seit zwei Jahren geschlossen war? Das Dominion ist siebzigtausend Lichtjahre entfernt, und sie verfügen nicht über den Slipstream-Antrieb. Also hätten sie nicht herkommen können.«

    »Sie haben recht«, pflichtete Ro bei. »Trotzdem gibt es noch immer etwas, was mich an dem Mann beunruhigt … etwas anderes als sein plötzliches Erscheinen aus dem Wurmloch oder das Fehlen von Informationen über ihn oder die Waffe, die er dabeihatte. Er wirkt … anders. Sogar die von ihm benutzten Worte, der Akzent, mit dem er spricht, es passte einfach nicht.«

    Cenn erinnerte sich an einen anderen Vorfall von vor ungefähr zwölf Jahren, den Himmlischen Tempel betreffend, obwohl dabei kein Drehkörper im Spiel gewesen war. »Kennen Sie Akorem Laan?«

    »Der Name kommt mir bekannt vor. War das nicht ein berühmter Schriftsteller?«

    »Ein Poet«, stellte Cenn richtig. »Tatsächlich gilt er als einer der großen klassischen bajoranischen Poeten. Er lebte vor zweihundert Jahren, aber eines Tages kam er mit seinem Leuchtschiff aus dem Wurmloch gesegelt und hat an Deep Space 9 angedockt.«

    »Was? Wieso weiß ich davon nichts?«

    »Das war vor unserer Zeit hier.« Cenn rechnete kurz nach. »Vor dreizehn Jahren.«

    Captain Ro sah zur Seite, als würde sie einen Blick in ihre eigene Vergangenheit werfen. »Vor dreizehn Jahren habe ich auf Galion gelebt.«

    Cenn wusste, dass der Planet Galion damals durch ein Abkommen zwischen der Föderation und den Cardassianern zum Teil der entmilitarisierten Zone erklärt worden war. Sofern ihn seine Erinnerung nicht täuschte, hatten sich viele Mitglieder der Maquis-Führungsebene – und allem Anschein nach auch Ro Laren – dort niedergelassen. Er erinnerte sich auch daran, dass während des Dominion-Kriegs der Großteil von Galions Bevölkerung durch Streitkräfte der Jem’Hadar ausgelöscht worden war. Das könnten alles Gründe dafür sein, warum Ro nichts von dem Leuchtschiff wusste, das durch das Wurmloch aus Bajors Vergangenheit gekommen war.

    »Akorems Schiff ist vor zweihundert Jahren in einen Ionensturm geraten, bei dem es beschädigt und er ernsthaft verletzt wurde«, erklärte Cenn. »Er hat damit gerechnet zu sterben, aber dann ist sein Schiff in den Himmlischen Tempel gestürzt. Die Propheten haben seine Verletzungen geheilt und ihn ins bajoranische System zurückgeschickt, aber zweihundert Jahre später.«

    Cenn konnte beobachten, wie der Captain begriff. »Das war der Mann, der sich für den Abgesandten gehalten hat und nicht Captain Sisko.«

    »Stimmt genau«, bestätigte Cenn. »Er hat geglaubt, dass die Propheten ihn nicht nur in der Zeit nach vorne geschickt haben, um als ihr Abgesandter zu dienen, sondern auch, um die D’jarras wieder einzuführen.« Während der Besatzung hatte man das bajoranische Kastensystem abgeschafft und danach nicht wieder eingeführt. »Captain Sisko hat Akorem den Posten als Abgesandter überlassen, aber als Bajor versucht hat, zu den D’jarras zurückzukehren – von meiner Familie hat man verlangt, Bauern zu werden –, wurde schnell deutlich, dass es nicht funktionieren würde. Captain Sisko und Akorem sind zusammen zurück ins Wurmloch geflogen. Die Propheten haben bestätigt, dass der Captain Ihr erwählter Abgesandter ist und dass Sie den Poeten als eine Art Ermahnung für ihn geschickt haben.«

    »Was ist mit Akorem geschehen?«

    »Captain Sisko zufolge haben ihn die Propheten in seine eigene Zeit zurückgeschickt, allerdings haben Sie ihm vorher die Erinnerung an seine Zeit im Himmlischen Tempel und an die Zukunft genommen.«

    »Wollen Sie behaupten, dass die Situation mit Altek Dans Sie an das erinnert, was mit Akorem passiert ist?«, wollte Ro wissen.

    »Das tut es. Dank seiner Werke kannte man Akorem, und weil er vor gerade mal zweihundert Jahren gelebt hat. Aber was, wenn Altek Dans ein Name ist, der in keinem Geschichtsbuch erwähnt wird? Oder wenn seine Zeit noch weiter zurückliegt?« Der Gedanke faszinierte Cenn. »Abhängig davon, woher und aus welcher Zeit er stammt, könnte er eine unschätzbare Informationsquelle über die bajoranische Geschichte sein.«

    »Vielleicht«, stimmte Ro zu. »Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, warum ihn die Wurmlochwesen hergeschickt haben.«

    »Es ist schwierig, die Absichten der Propheten zu erkennen. Ich würde Ihnen einfach raten, dass es genügt, ihnen zu vertrauen.«

    Cenn konnte sich denken, was für Probleme Captain Ro – eine Nichtgläubige, auch wenn sie sich gegen diese Bezeichnung verwehrte – damit haben würde. »Desca, der Bajoraner hatte eine Waffe bei sich, die der ähnelt, mit der Präsidentin Bacco getötet wurde.«

    »Wie ähnlich?«

    »Ähnlich genug, um Jeffersons Aufmerksamkeit zu wecken … und meine. Es handelt sich um eine Projektilwaffe.«

    Cenn verstand, warum es dem Captain schwerfiel, es für einen Zufall zu halten, dass Altek eine solche Waffe bei sich gehabt hatte. Nicht mehr lange, und Ro würde die Verantwortung für die Leben von fast dreizehntausend Personen übernehmen – zehntausend zivile Bewohner und zweitausendfünfhundert Besatzungsmitglieder. Und als ob das noch nicht genug wäre, war die Präsidentin der Föderation auf einer Raumstation ermordet worden, die Captain Ros Befehl unterstand.

    »Wenn Altek aus Bajors Vergangenheit stammt«, sagte Cenn ruhig, »dann wäre es nur natürlich, dass er eine solche Waffe besitzt.«

    »Könnte sein«, stimmte Ro wenig überzeugt zu. »Es ist zwingend notwendig, dass wir das klären, bevor wir ihn wieder laufen lassen müssen.«

    »Mit welcher Begründung halten Sie ihn im Moment fest?«, fragte Cenn.

    »Ich habe ihn wegen illegaler Einfuhr einer Waffe unter Arrest stellen lassen. Wenn man berücksichtigt, dass er nicht freiwillig nach Deep Space 9 gekommen ist, ist das ein äußerst dürftiger Vorwand.«

    »Das bedeutet, da wir ihn nicht tatsächlich irgendeiner Straftat anklagen können, können wir ihn höchstens drei Tage lang festhalten.« Die Föderationsgesetze waren in solchen Belangen sehr deutlich.

    »Genau so ist es. Desca, ich möchte, dass Sie mit Jeff zusammenarbeiten. Er wird …«

    Das Kommunikationssystem der Station fiel dem Captain ins Wort: »Viss an Captain Ro«, erklang die Stimme des Kommunikationsoffiziers.

    »Ro hier. Sprechen Sie.«

    »Captain, Admiral Akaar wird in vierzig Minuten mit Ihnen sprechen können.«

    »Sehr gut«, bestätigte Ro. »Bestätigen Sie das Gespräch und öffnen Sie zum angegebenen Zeitpunkt einen Kommunikationskanal.«

    »Ja, Captain.«

    »Ro Ende.« An Cenn gewandt sagte sie: »Jeff wird den Mann verhören und alle verfügbaren Aufzeichnungen durchsuchen, um seine Identität zu bestätigen oder herauszufinden, wer er wirklich ist. Ich weiß, dass Sie umfassendes Wissen über die Geschichte Bajors haben, also helfen Sie ihm, so gut Sie können.«

    »Ja, Sir.« Cenn wusste, dass ihr Gespräch damit beendet war, und er stand aus seinem Sessel auf. Als er zur Tür ging, sprach ihn der Captain noch einmal an.

    »Desca, bleiben Sie bei der Interpretation von dem, was Sie herausfinden, immer auf der sicheren Seite. Wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass dieser Mann eine Gefahr für diese Raumstation und die Leute darauf darstellt, kann ich ihn nicht laufen lassen.«

    Cenn war klar, Commander Gregory Desjardins von der Juristischen Abteilung der Sternenflotte hätte dazu bestimmt etwas zu sagen, aber er verstand, worauf der Captain hinauswollte. »Ich werde mein Bestes tun.« Dann kehrte er durch die Tür in den Knoten zurück.

    Kapitel Zwei

    Auf dem Raumschiff war es gerade simulierter Abend, weswegen die Korridore, durch die Odo dem Sicherheitsoffizier der Sternenflotte in seiner bajoranisch inspirierten Form folgte, nur schwach beleuchtet waren. Diese humanoide Form, die er vor Jahrzehnten zum ersten Mal angenommen und mit der Zeit verfeinert hatte, fühlte sich sowohl fremd als auch vertraut an. Seit er Deep Space 9 vor fast zehn Jahren in Richtung Dominion verlassen hatte, hatte er mehr als die Hälfte der Zeit in anderen Formen oder in überhaupt keiner verbracht. Aber er hatte so lange täglich diese bajoranische Form angenommen – während seiner vielen Jahre auf Terok Nor und DS9 –, dass sie anzunehmen und zu halten irgendwann fast schon mühelos vonstattengegangen war.

    Zu mühelos, zumindest Laas’ Meinung nach, dachte Odo. Laas war wie er ein Mitglied der Hundert und genoss seine Fähigkeiten als Formwandler, hielt eine Gestalt nur selten lange aufrecht und wiederholte sie auch nicht allzu häufig. Solange es nicht zwingend notwendig war, vermied er es auch, humanoide Gestalt anzunehmen. Viele der Gründer teilten diese Abneigung und zogen ihren eigentlichen, formlosen Zustand jedem anderen vor, hauptsächlich, um sich in der Großen Verbindung miteinander zu vereinen.

    Die Große Verbindung. Allein der Gedanke an das gemeinschaftliche Wesen seines Volkes weckte in Odo eine komplexe Mischung aus Gefühlen. Den Großteil seiner bewussten Existenz hatte er in dem Versuch verbracht, seinesgleichen zu finden. Und nachdem es ihm endlich gelungen war, hatte er Schwierigkeiten damit gehabt, ihre misstrauischen, engstirnigen Ansichten und ihre gewalttätigen und herrschsüchtigen Verhaltensweisen zu akzeptieren. Dank der unbeschreiblichen Freuden und Wunder, die er dadurch erfahren hatte, eins mit ihnen zu werden, hatte er ein besseres Verständnis für sie entwickelt und sich fast schon verzweifelt danach gesehnt, endgültig ein Teil von ihnen zu werden.

    Odos Traum, sich wieder mit seinem Volk zu vereinen, hatte selbst den Dominion-Krieg überstanden, obwohl er sich dazu entschlossen hatte, sich in diesem Konflikt gegen sie zu stellen. Er war nicht nur stolz darauf, dass sie dank seiner Hilfe nicht den ganzen Alpha-Quadranten in Schutt und Asche gelegt hatten, sondern auch darauf, dass er hatte helfen können, sie von einer schrecklichen Seuche zu heilen, die sie möglicherweise ausgerottet hätte. Eine Weile redete er sich ein, ihnen zeigen zu können, dass das Universum aus mehr als nur ihnen bestand. Ihm wurde viel zu spät klar, dass eine solche Veränderung von ihnen selbst ausgehen musste.

    Der Sternenflottenlieutenant, der Odo durch das Raumschiff führte, näherte sich dem Ende des Korridors, wo sich vor ihnen eine Tür teilte. Odo trat hinter dem Offizier in den Turbolift. Dem Befehl folgend, sie nach Deck neun zu bringen, bewegte sich der Lift augenblicklich aufwärts. Ohne darüber nachzudenken, richtete Odo die Flüssigkeitsverteilung in seinem Körper neu aus, um den Auswirkungen der Beschleunigung entgegenzuwirken.

    Nach dem Ende des Dominion-Kriegs war es Odo unglaublich schwergefallen, Kira Nerys zu verlassen, aber zu den Gründern zurückzukehren war die einzige vernünftige Entscheidung gewesen. Er liebte Nerys, aber er glaubte, dass seine Leute ihn brauchten, und das taten sie zweifellos. Obwohl er Deep Space 9 schweren Herzens verließ, tat er es in der Erwartung, dass ihm ein erfülltes Leben bevorstand.

    Nachdem sich Odo wieder den Gründern angeschlossen hatte, hatte er sehr viel mehr über sie erfahren und auch über sich selbst. Doch während er das allumfassende Gefühl von Gemeinschaft und das unvergleichliche Gefühl der Vollständigkeit der Großen Verbindung genoss, stellte er fest, dass er mehr wollte. Es hatte etwas von Unersättlichkeit, dass ihm die Erfüllung seiner drängendsten, sein Leben lang gehegten Wünsche nicht reichte. Aber die Zeit, die er unter »Solids« verbracht hatte, hatte ihn ebenso geprägt wie das, was er war. Für die Cardassianer, die Bajoraner und die Föderation hatte er als Gesetzeshüter gearbeitet, aber das hatte er aus einem höheren Zweck getan – Gerechtigkeit – und er spürte das Verlangen, damit weiterzumachen.

    Der Turbolift kam sanft zum Stehen, und der Lieutenant betrat einen weiteren Korridor. Odo folgte ihm. Seiner Meinung nach brauchte er keine Eskorte, aber er verstand auch das Bedürfnis nach Sicherheit, besonders nach den jüngsten tragischen Ereignissen auf Deep Space 9. Odo hatte früher an diesem Tag einen Bericht gehört, dass die Bajoranerin, die man des Mordes an Präsidentin Bacco beschuldigt hatte, entlastet worden war. Und nun fragte er sich, wer, falls überhaupt jemand, für dieses Verbrechen angeklagt werden würde.

    Im Dominion hatte sich Odos Auffassung von Gerechtigkeit auch auf das alltägliche Leben seiner Bürger ausgedehnt. Unter der Führung der Gründer waren die einzelnen Mitglieder wenig mehr als Sklaven. In manchen Fällen wie Rindamil III und Overne III übernahmen die Wechselbälger Welten und Bevölkerungen, um die Bedürfnisse des Dominion zu befriedigen. Die Rindamilier lieferten Nahrung für wichtige Mitglieder des Imperiums wie die Overner, die wiederum Raumschiffe und Waffen produzierten. In anderen Fällen züchteten die Gründer Spezies, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Die Vorta hatten sie genetisch verändert, die Fähigkeiten dieser niederen affenartigen Wesen verbessert, damit sie sich um viele der alltäglichen Angelegenheiten des Dominion kümmern konnten. Dazu gehörte auch, die Jem’Hadar zu beaufsichtigen, die mächtige, zielstrebige Spezies, die dank der Gründer von dem Enzym Ketracel-White abhängig war. Diese hatten sie geschliffen, um als Krieger des Imperiums zu fungieren. Beiden Spezies war auch der Drang eingegeben worden, die Wechselbälger als Götter zu verehren.

    Noch bevor er DS9 verlassen hatte und wieder Teil der Großen Verbindung geworden war, hatte Odo miterlebt, was für ein eingeschränktes und leeres Dasein die Vorta und die Jem’Hadar führten. Dennoch hatte er in ihnen Potenzial erkannt. Als zusammen mit einem Haufen Bergungsgut ein Jem’Hadar-Baby auf der Station aufgetaucht war, hatte Odo versucht es aufzuziehen, es zu entwickeln, um zu beweisen, dass ein Jem’Hadar mehr sein konnte, als sein genetischer Bauplan vorsah. Er hatte versagt, aber Jahre später, als ein Vorta-Klon die Föderation um Asyl gebeten hatte, weil er gegen den Dominion-Krieg war, fühlte sich Odo in seinem Glauben bestärkt, dass selbst Mitglieder solcher programmierter Spezies mehr erreichen konnten als das, wofür sie entwickelt worden waren.

    Nachdem Odo nach Kriegsende ins Dominion zurückgekehrt war, hatte er einen einzelnen Jem’Hadar – einen Älteren namens Taran’atar, der nicht von Ketracel-White abhängig war – als kulturellen Beobachter nach Deep Space 9 geschickt. Damit hatte er drei Dinge erreichen wollen: Für besseres Verständnis zwischen der Föderation und dem Dominion sorgen und dadurch den Frieden festigen. Den Bewohnern des Alpha-Quadranten ihr Misstrauen und ihre Angst gegenüber den Jem’Hadar nehmen. Und Taran’atars persönliche Entwicklung vorantreiben. Odo hoffte, dass es Taran’atars Horizont erweitern und möglicherweise sogar neue Interessen oder gar Sehnsüchte wecken würde, wenn er andere in ihrem Alltag sah und in einer anderen Umgebung lebte, in der er nicht nur ein entbehrlicher Krieger war.

    Im Dominion hatte sich Odo mit Rotan’talag befasst, einem anderen Jem’Hadar, der ebenfalls kein Ketracel-White brauchte, aber sehr viel jünger als Taran’atar war. Er suchte sich auch einen Vorta aus, den neuesten der Weyoun-Klone. Odo arbeitete mit diesen beiden mehr, als mit sonst jemandem, versuchte sie dazu zu bringen, mehr zu werden als Schutz und Führung des Imperiums. Bis zu einem gewissen Grad versuchte er sie neuen Erfahrungen auszusetzen, neuen Denkweisen, neuen Arten zu fühlen.

    Und ich habe jämmerlich versagt. Es war dumm von mir zu denken, dass ich die Jem’Hadar und die Vorta wirklich ändern könnte. Genau wie sich vor all den Jahren der junge Jem’Hadar auf DS9 schnell seiner Programmierung entsprechend entwickelt hatte, kehrten auch Rotan’talag und Weyoun gelegentlich dazu zurück. Manchmal dachte Odo, sein Einfluss hätte eine Wirkung, doch genauso oft konnte er bei beiden eine Art Korrekturmechanismus beobachten, der sie daran hinderte, zu sehr von dem Zweck abzuweichen, für den die Gründer sie geschaffen hatten.

    Aber was ist mit Taran’atar?, fragte er sich nicht zum ersten Mal. Odo konnte nicht bestreiten, dass sich an dem Jem’Hadar etwas Fundamentales verändert hatte. Alles in allem hatte er während seiner Zeit auf Deep Space 9 und im Alpha-Quadranten viel erdulden müssen. Berichten zufolge, die er von Kira Nerys erhielt, hatte Taran’atar mit den Freiheiten zu kämpfen, die ihm Odo und die Besatzung der Station gewährten. Offensichtlich tobte in ihm ein Konflikt zwischen seiner genetischen Kodierung und der Mission, mit der ihn Odo beauftragt hatte. Und zu allem Überfluss gelang es einer Cardassianerin, einer erfolglosen Agentin des Obsidianischen Ordens, Taran’atar einer Gehirnwäsche zu unterziehen, sodass er ihre Befehle befolgen musste. Allerdings konnte er sich von ihrem Einfluss letztendlich befreien. Er besuchte auch die Anführerin der Gründer, die von der Föderation als Kriegsverbrecherin festgehalten wurde. Sie erzählte dem Jem’Hadar mehr von seinen Göttern, als er verkraften konnte.

    Letztendlich hatten all diese Erfahrungen

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