Endstation Brühler Landstraße: Ein Peter-Merzenich-Krimi
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Endstation Brühler Landstraße - Gereon A. Thelen
1Dienstgruppenleiter
1. Kapitel: Tatortaufnahme
Brühler Landstr., Einmündung August-Wegelin-Str./Am Neuenhof, 50997 Köln-Höningen, Mittwoch, 17. November 2004, 23:41 Uhr
Wir erreichten das kleine Dorf Höningen, das zum Stadtteil Rondorf gehörte und sich entlang der breiten Brühler Landstraße Richtung Meschenich erstreckte.
Unmittelbar hinter einem weiß verputzten Hofgelände entdeckte ich an der v-förmigen Einmündung der kleinen Zufahrtswege August-Wegelin-Straße und Am Neuenhof einen kleinen Parkplatz. Eigentlich kein besonderer Ort – wenn nicht zwei silber-grüne Funkstreifenwagen, ein Zivilfahrzeug und nunmehr der weiße Mercedes Sprinter des Erkennungsdienstes den Platz halbkreisförmig umschlossen hätten. Im Handumdrehen hatten Alwin, Thomas und Markus, die Kollegen von der Spurensicherung, die Stativstrahler aufgestellt, die diesen kleinen Vorplatz taghell ausleuchteten.
Mehrere Pressevertreter, die das von einigen uniformierten Kollegen abgesperrte Areal mit dem Blitzlichtgewitter ihrer Kameras erhellten, machten die Flutlichtstrahler der Kollegen eigentlich überflüssig und warteten – wie die Geier auf das Ableben ihres Opfers – auf ihre Chance, von uns Infos aus erster Hand zu bekommen.
Wir stellten unsere beiden Zivilfahrzeuge neben dem ED-Sprinter ab. Ich sah, wie Kriminalhauptkommissar Thomas Schwadorf, ein erfahrener Spurensicherer, den Aluminium-Spusikoffer aus dem Laderaum des Kastenwagens nahm. Zu dritt gingen wir auf den Kollegen zu.
„Hey, Pitter, was ist hier genau passiert? War das die Mafia? Wer ist der Tote?, rief eine männliche Stimme, die aus dem Stimmengewirr der Reporter hervorstach und mich das Schlimmste erahnen ließ. Ich drehte mich um und sah in die listigen Augen eines untersetzten Mannes meines Alters. Hannes „Der Schnelle Schäng
Lüssem, Polizeireporter der Kölner Lokalredaktion der BILD, sah mich erwartungsvoll an – genauso wie sein Fotograf Matze Brandes, der seine Kamera im Anschlag hielt.
„Von mir erfährste ’nen Scheiß, Lüssem! Wende dich gefälligst an die Pressestelle, klar?! Das gilt für euch alle!", schrie ich den diversen sensationsgierigen Reportern entgegen. Ein enttäuschtes Murmeln ging durch die Menge.
„Aber MIR werden Sie doch was erzählen, Herr Merzenich, oder etwa nicht?! Ich würde Sie ja zu gerne mal unter anderen Umständen treffen. Die Nacht ist schließlich nicht nur zur Tatortaufnahme da …", gurrte eine Frau mit langen roten Haaren, die Hannes Lüssem unsanft beiseite geschoben hatte.
Aber ich verdrehte nur die Augen. Gaby Möltgen vom EXPRESS, von allen nur „Die Rote Zora genannt, war genauso penetrant und aufdringlich wie Hannes – nur, dass sie es immer wieder mit der „männermordenden
Masche versuchte.
„Wen wollen Sie denn mit dieser billigen Show beeindrucken, Frau Möltgen? Langsam wird’s langweilig. Sie wissen doch, dass das bei mir nicht zieht. Sehen Sie zu, dass Sie sich Ihre Informationen bei der Pressestelle holen! Aber Fakten interessieren Sie ja eigentlich eh nicht!"
Wir setzten unseren Weg zu den Kollegen der K-Wache fort. Ich sah den dunkelgrünen Jaguar XJ8, der mitten auf dem Parkplatz stand und sich im Zentrum der Flutlichtbeleuchtung befand. Der schwergewichtige Tatortfotograf Markus Büttgen hatte sich dort bereits an die Arbeit gemacht und fotografierte die noble englische Oberklasselimousine aus allen erdenklichen Perspektiven.
„Hallo Kollegen", sagte ein vollkommen ergrauter, großer Enddreißiger. Kriminaloberkommissar Dirk Matthias, einer der erfahrensten Sachbearbeiter der K-Wache 1, sah ziemlich genervt aus. Neben ihm stand mein sonstiger Zimmerkollege Dario Zimmermann, der ja für ein Jahr zur K-Wache abgeordnet war. Er nickte nur stumm, schien müde und wortkarg zu sein.
„Hallo Dirk, hallo Dario. Sagt uns doch mal bitte, was hier passiert ist", wollte Theo wissen.
KOK Matthias ergriff das Wort. „Also ein Typ namens Mario Volkert, der hier in dem Haus wohnt, Dirk nickte in die Richtung des älteren Mehrfamilienhauses, das unmittelbar hinter dem kleinen Parkplatz lag, „wollte mit seinem Pitbull durch den Ort Gassi gehen und hat beim Verlassen des Hauses den Toten hier im Auto entdeckt.
„Wann war das?"
Dirk blätterte sein Notizbuch durch. „Der Anruf ging in der Leitstelle um 22:28 Uhr ein. Ein paar Minuten später waren der Notarzt und die Kollegen der PI Südwest hier vor Ort. Aber leider zu spät. Den Zeugen haben wir zur K-Wache verbracht, der wartet dort auf seine Vernehmung."
Im Erdgeschoss des Gebäudes konnte ich ein altes Ladenlokal entdecken, dessen große Terrassenfenster verbarrikadiert worden waren. Auf Grund des grün-weiß-rot gestreiften Stoffvordachs, das den Eingangsbereich überspannte, und des Schriftzugs Krombacher Pils über dem Eingang drängte sich mir der Verdacht auf, dass sich hier in besseren Zeiten mal ein italienisches Restaurant befunden haben musste. Der kleine Vorhof, auf dem der Jaguar stand, musste demnach einst der Gästeparkplatz gewesen sein.
„Wissen wir schon irgendetwas über die Identität des Toten und die Todesursache?"
„Die Jungs vom Rettungsdienst haben sich leider wieder als Hobbydetektive betätigt und in den Taschen des Toten nach seiner Krankenversicherungskarte gesucht. Dabei haben sie sein Portemonnaie und seinen Pass gefunden."
„Gibt’s doch wohl nicht!", ereiferte sich Theo.
„Doch, leider schon. Aber immerhin wissen wir dadurch, wer der Tote war. Der Mann hieß Walter Dean Hamilton, US-amerikanischer Staatsangehöriger, geboren am 23. Juni 1945 in Portland im Bundesstaat Maine. Laut Eintrag in seinem US-Pass hat er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik und hier in Köln einen festen Wohnsitz: Grüngürtelstraße 70 in Rodenkirchen. In POLAS hat er keinen Bestand, ist also polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten. Wir haben auch den Jaguar schon abgeklärt, er ist auf ihn zugelassen. Hier: Diese ganzen Dokumente waren neben genau 675 Euro Bargeld in seiner Geldbörse."
„Womit wir einen Raubmord so gut wie ausschließen können", warf Theo ein.
Dirk reichte Theo einen Klarsichtbeutel, den dieser mir weitergab. Ich zog Latexhandschuhe an und öffnete den Beutel. Neben Hamiltons US-Reisepass, seinem Portemonnaie, einer im Bundesstaat Maine ausgestellten „Driver’s License, einem deutschen Führerschein und diversen American-Express- und Barclaycard-Kreditkarten fanden sich auch zwei scheckkartenähnliche „Membership Cards
aus Plastik. Die eine gehörte zum „Mount Desert Island Country Club und die andere zur „Naval Veterans’ Society of Maine
.
Weiterhin fand ich eine Payback-Premium- und eine ADAC-Mitgliedskarte sowie eine Visitenkarte, die Hamilton als Geschäftsführer der „ITCC – International Trade Consulting Cologne GmbH" mit Sitz im Kölner Stadtteil Marienburg auswies.
Darüber hinaus entdeckte ich eine Quittung der Aral-Tankstelle an der Kölnstraße in Sürth über 26,99 Euro für eine Fahrzeugkomplettreinigung. Sie stammte vom Nachmittag – genauer gesagt von 16:39