Neue Wege im Instrumentalunterricht: Lehr- und Prüfungsverfahren asiatischer Kampfsportarten in der Musik
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Woran liegt es, dass so viele professionell ausgebildete Musiker beim Probespiel scheitern? Macht es Sinn, gleiche Auswahlverfahren für alle Instrumente und Orchesterpositionen zu verwenden? Wie kann die Übertragung der Denkweise aus dem asiatischen Kampfsport Orchestern helfen, die richtigen Musiker zu finden?
Ulrich Haider, stellvertretender Solohornist der Münchner Philharmoniker, hinterfragt kritisch die aktuellen Lehr- und Prüfungssysteme - vom Instrumentalunterricht über die Prüfungen an Musikhochschulen, Musikwettbewerbe wie „Jugend musiziert“ bis hin zur Probespielpraxis der Berufsorchester.
Seine eigene Lehr- und Orchestertätigkeit sowie die Erfahrungen im Taekwondo brachten den aktiven Kampfsportler dazu, Unterrichts- und Prüfungsverfahren des asiatischen Kampfsports auf die Musik zu übertragen.
Praktische Beispiele zum Spielen, Hören und kreativen Musizieren regen dazu an, das eigene Unterrichten zu überdenken und neue Wege im Instrumentalunterricht zu entdecken.
Ulrich Haider
Ulrich Haider, 1971 in Erding geboren, wurde bereits mit 16 Jahren als Jungstudierender an der Musikhochschule München aufgenommen. Seine erste Stelle trat er mit 20 Jahren als Wechselhornist am Nürnberger Opernhaus an. Seit September 1993 ist er stellvertretender Solohornist der Münchner Philharmoniker und spielte so noch unter dem legendären Dirigenten Sergiu Celibidache. Durch seine Tätigkeiten als Orchestervorstand, Personalrat sowie im Team „Spielfeld Klassik“, dem Educationbereich der Münchner Philharmoniker, gewann er einen umfassenden Einblick in die Abläufe eines Orchesters und beschäftigte sich auch mit der Ausbildung und Auswahl von Musikern. Darüber hinaus rief er den „Orchesterrat“, ein Diskussionsforum innerhalb des Orchesters, ins Leben. Seit 2011 läuft erfolgreich das Familienmusical „Ristorante Allegro“, das Haider gemeinsam mit „Sternschnuppe" für die Philharmoniker initiiert und entwickelt hat. Auch die CD „Ehrensache“, bei der die Blasmusik der Münchner Philharmoniker Märsche unter der Leitung von Lorin Maazel und Zubin Mehta eingespielt hat, ist auf seine Initiative hin entstanden. 2013 rief er die Kooperation zwischen dem Musikbund von Ober- und Niederbayern (MON) und den Münchner Philharmonikern ins Leben und ist seit 2015 Dozent bei der Bläserakademie „advanced“. Als Autor schreibt er eine regelmäßige Kolumne für die Zeitschrift „Bayerische Blasmusik“ sowie Artikel für verschiedene Fachzeitschriften wie „CLARINO“ oder „Das Orchester“. Die koreanische Kampfsportart Taekwondo betreibt Haider seit 2003.
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Book preview
Neue Wege im Instrumentalunterricht - Ulrich Haider
Für Barbara, meine Liebe
Ulrich Haider
Neue Wege im Instrumentalunterricht
Lehr- und Prüfungsverfahren
asiatischer Kampfsportarten in der Musik
DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH
© DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH, Buchloe 2018
www.dvo-verlag.de
ISBN 978-3-943037-49-4
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags
Coverfotos: Ulrich Haider
Porträtfoto: Fabian Wildgrube
Covergestaltung, Herstellung und Satz:
DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH
Druck: Memminger MedienCentrum
Inhalt
Ulrich Haider
Vorwort
1. Musik und Kampfsport: Ein Vergleich
1.1 Musik in Kindheit und Jugend
1.2 Grundzüge des Kampfsports
Taekwondo-Unterricht
Taekwondo und Fehler
Die Prüfungen im Taekwondo
Die Prüfung als Entwicklungsschritt
1.3 Kann das Unterrichts- und Prüfungsprinzip des Taekwondo auf die Musik übertragen werden?
Anfängerunterricht
Fortgeschrittene
Prüfungen in der Musik
Wettbewerbe im Allgemeinen und »Jugend musiziert« als Beispiel
Musikstudium
Probespiele
Auftrittsängste
Konzentration im Unterricht
Taekwondo und Lernen
Flexibler Körper und flexibles Denken
Tradition
Beispiel Naturtöne auf dem Horn
2. Basisübungen zum Spielen, Hören und kreativen Musizieren
2.1 Das gegenseitige Zuhören
2.2 Basisübungen
Übung 1 (Naturtöne 4, 5 und 6)
Unterschiedliche Transpositionen
Gleichmäßiges Metrum
Übung 2 (7. Naturton)
Übung 3 (Erweiterung um mehrere Naturtöne)
2.3 Tonleitern und Skalen
Modifikationen bei Tonleitern
Gebrochene Dreiklänge
2.4 Klang- und Balanceübungen
Die Quint
Dreiklänge
Vier- und Mehrklänge
Fortgeschrittene Übungen
Improvisation
Einklänge
Das gemeinsame Spielen von Etüden und Konzerten
2.5 Das Üben
Pausen und Konzentrationsphasen
Ansatztraining einmal anders
Gesten als Hilfsmittel
3. Das Prüfungssystem – Anregungen für eine Veränderung
3.1 Probespiele
3.2 Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen
3.3 Zwischenprüfungen
3.4 Abschlussprüfung
3.5 Musikalische Prüfungen als Entwicklungsschritt
3.6 Der Wettbewerb »Jugend musiziert« als Beispiel
3.7 Erkenntnis und Entwicklung
4. Nachwort
5. Anhang
5.1 Allgemeine Übungen
Triolen und Punktierungen
5.2 Übungen für Horn
Höhe
Große Intervalle
Das Stopfen
Lippentriller
5.3 Gymnastik für den Morgen
Dank
Literaturempfehlungen
Ulrich Haider
Ulrich Haider, 1971 in Erding geboren, wurde bereits mit 16 Jahren als Jungstudierender an der Musikhochschule München aufgenommen. Seine erste Stelle trat er mit 20 Jahren als Wechselhornist am Nürnberger Opernhaus an. Seit September 1993 ist er stellvertretender Solohornist der Münchner Philharmoniker und spielte so noch unter dem legendären Dirigenten Sergiu Celibidache.
Durch seine Tätigkeiten als Orchestervorstand, Personalrat sowie im Team »Spielfeld Klassik«, dem Educationbereich der Münchner Philharmoniker, gewann er einen umfassenden Einblick in die Abläufe eines Orchesters und beschäftigte sich auch mit der Ausbildung und Auswahl von Musikern. Darüber hinaus rief er den »Orchesterrat«, ein Diskussionsforum innerhalb des Orchesters, ins Leben.
Seit 2011 läuft erfolgreich das Familienmusical »Ristorante Allegro«, das Haider gemeinsam mit »Sternschnuppe« für die Philharmoniker initiiert und entwickelt hat. Auch die CD »Ehrensache«, bei der die Blasmusik der Münchner Philharmoniker Märsche unter der Leitung von Lorin Maazel und Zubin Mehta eingespielt hat, ist auf seine Initiative hin entstanden.
2013 rief er die Kooperation zwischen dem Musikbund von Ober- und Niederbayern (MON) und den Münchner Philharmonikern ins Leben und ist seit 2015 Dozent bei der Bläserakademie »advanced«.
Als Autor schreibt er eine regelmäßige Kolumne für die Zeitschrift »Bayerische Blasmusik« sowie Artikel für verschiedene Fachzeitschriften wie »CLARINO« oder »Das Orchester«.
Die koreanische Kampfsportart Taekwondo betreibt Haider seit 2003.
Vorwort
Für mich stand schon sehr früh fest, dass ich den Beruf des Musikers ergreifen werde. Mit 16 Jahren war ich Jungstudierender an der Münchner Musikhochschule und wurde darauf vorbereitet, möglichst bald Probespiele absolvieren zu können. Einziges Ziel war, wie bei so vielen anderen Instrumentalisten, eine Stelle im Orchester zu bekommen, denn dort hat man ein regelmäßiges Auskommen – zumindest in deutschen Orchestern – und kann dem nachgehen, was man sich immer gewünscht hat, nämlich zu musizieren.
Der Unterricht an der Hochschule war weitgehend ein Studium der Konzerte und Orchesterstellen, die verlangt werden, wenn man eine Stelle als Musiker bekommen will. Einzelunterricht und das wöchentliche Vorspielen vor den Kommilitonen bildeten das Ausbildungsprogramm, das, sobald ich nach dem Abitur als Vollstudent an der Hochschule aufgenommen worden war, durch Theoriefächer ergänzt wurde.
Mein Studium liegt inzwischen mehr als 25 Jahre zurück und bestimmt hat sich an den Hochschulen vieles verändert. Trotzdem fällt mir bei den Probespielen auf, dass bei den meisten Kandidaten im Vordergrund steht, möglichst ohne Fehler und vor allem perfekt zu spielen. Man spürt die Angst und den Druck, der auf denjenigen lastet, von denen man eigentlich hören will, ob sie musikalisches Verständnis haben, die Fähigkeit gemeinsam zu musizieren und Freude an der Musik, die sie in Form ihres Berufes ein Leben lang ausüben wollen.
Vieles kann sich ändern, wenn man sich in der Welt der Musik auf den Weg macht, das Unterrichten und auch die Auswahlverfahren für die Musikerberufe zu hinterfragen.
In diesem Buch werde ich aufzeigen, dass es Wege gibt, die Unterrichtsweise und Prüfungsverfahren der asiatischen Kampfsportarten auf die Musik zu übertragen. Auch in der Musik wird dadurch möglich, was im Kampfsport selbstverständlich ist: individuelle, den eigenen Möglichkeiten entsprechende Höchstleistungen ohne Leistungsdruck entstehen zu lassen.
Zusätzlich werde ich für die Bereiche Wettbewerbe, Prüfungen und Aufnahmeverfahren Alternativen zur Diskussion stellen, die erfolgversprechender und auch menschlicher sind.
1. Musik und Kampfsport: Ein Vergleich
1.1 Musik in Kindheit und Jugend
Musiziert man mit kleinen Kindern, ist dies in der Regel mit dem Singen verbunden und geschieht in einer spielerischen Form. Musik ist ein neues, anderes Ausdrucksmittel und ermöglicht mehr als das Sprechen, seinen eigenen Körper wahrzunehmen. Auch ist sie eine Ausdrucksform, die ermöglicht, Gemeinschaft, Harmonie und Freude zu erleben.
Kinder lieben Musik und sie lieben es vor allem, sie aktiv auszuüben. Gerade das aktive Musizieren wird in unserer deutschen Gesellschaft aber sehr schnell aufgegeben. Musik wird meist mit dem Ende des Grundschulalters nur noch gehört, oft sogar nur unbewusst konsumiert. Das wohltuende Gefühl, Musik unmittelbar aus sich heraus zu erleben und vor allem zu empfinden, bleibt auf der Strecke. Ausnahmen sind Kinder und Jugendliche, die selbst ein Instrument erlernen und/oder in einem Chor singen oder einer Musikgruppe musizieren. Beides ist mit viel Engagement der Kinder, aber auch deren Eltern und Lehrer verbunden.
Es ist nicht leicht, die Pubertät zu überbrücken, ohne dass das aktive Musizieren in den Hintergrund gerät oder sogar ganz aufgegeben wird. Da aber kontinuierlicher und regelmäßiger Unterricht von großer Wichtigkeit für einen persönlichen Fortschritt ist, wird den Jugendlichen viel Disziplin abverlangt.
In einer sehr intellektualisierten, kopfgesteuerten Gesellschaft ist auch der Unterricht sehr auf die Methodik fixiert. Es wird suggeriert, dass das Üben ausschließlich mit Arbeit verbunden ist. Dass die Beschäftigung mit dem Instrument auch ein meditativer Akt sein kann und sein soll, wird selten vermittelt.
1.2 Grundzüge des Kampfsports
Im Folgenden möchte ich die Unterrichtsprinzipien des Kampfsports am Beispiel Taekwondo zeigen. Taekwondo deswegen, weil ich diesen koreanischen Weg der Kampfkunst für mich entdeckt habe und seit vielen Jahren ausübe.
Taekwondo wird in zwei unterschiedlichen Richtungen gelehrt: traditionell und olympisch. Diese unterscheiden sich in der Art und Weise der vorgegebenen Formen (Pomse 1 oder Hyongs 2) und in der Art der Zweikämpfe. Die Art zu unterrichten ist aber bei beiden Wegen sehr ähnlich und auch die Prüfungssituationen sind vergleichbar. Meine Beispiele werden mit der traditionellen Form zu tun haben, da ich diese Richtung für mich gewählt habe.
Taekwondo-Unterricht
Besucht man eine Taekwondo-Unterrichtsstunde, fällt auf, dass vom Anfänger bis zum Meistergrad alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden.