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Märchen von Füchsen: Zum Erzählen und Vorlesen
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Märchen von Füchsen: Zum Erzählen und Vorlesen

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Der Fuchs ist ein wahrhaft märchenhaftes Tier, das in den Volkserzählungen eine große Vielfalt an Funktionen und Bedeutungen übernehmen kann. Dass er in den unterschiedlichsten Kulturen in Geschichten vorkommt, liegt sicher auch daran, dass er als reales Tier weltweit verbreitet ist. Man findet ihn als Wüstenfuchs in den heißesten und als Polarfuchs in den kältesten Zonen. In Märchen und Fabeln ist er häufig schlau und listig, aber manchmal wird er auch überlistet. In den Zaubermärchen ist er geradezu ein magisches Tier und es gibt ihn als zauberkundigen und geheimnisvollen Wegbegleiter der Menschen.
Alle diese Eigenschaften des Fuchses werden in dieser Sammlung von internationalen Märchen spannend und vielfältig vorgestellt.
Die Herausgeber: Sabine Lutkat hat Erziehungswissenschaften, Germanistik und Psychologie studiert. Sie arbeitet freiberuflich in der Erwachsenenbildung mit Vorträgen und Seminaren zu Märchenthemen, als Märchenerzählerin sowie als Reiseleiterin in Irland. Seit 2004 ist sie Präsidiumsmitglied der Europäischen Märchengesellschaft e.V. (EMG), seit 2012 deren Präsidentin.
Wolfgang Schultze ist leidenschaftlicher Sammler von Märchen- und Sagenbüchern (Füchse liegen ihm dabei besonders am Herzen), Mitherausgeber mehrerer regionaler Sagenbücher und war lange Jahre der Schatzmeister der Europäischen Märchengesellschaft.
LanguageDeutsch
Release dateMar 27, 2017
ISBN9783868263428
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    Märchen von Füchsen - Sabine Lutkat

    1988.

    Der Fuchs in der Welt der Tiere

    Die Hochzeit der Frau Füchsin

    Erstes Märchen

    Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwänzen, der glaubte, seine Frau wäre ihm nicht treu, und wollte er sie in Versuchung führen. Er streckte sich unter die Bank, regte kein Glied und stellte sich, als wenn er mausetot wäre. Die Frau Füchsin ging auf ihre Kammer, schloss sich ein, und ihre Magd, die Jungfer Katze, saß auf dem Herd und kochte. Als es nun bekannt ward, dass der alte Fuchs gestorben war, so meldeten sich die Freier. Da hörte die Magd, dass jemand vor der Haustüre stand und anklopfte; sie ging und machte auf, und da war’s ein junger Fuchs, der sprach:

    »Was macht sie, Jungfer Katze?

    Schläft se, oder wacht se?«

    Sie antwortete:

    »Ich schlafe nicht, ich wache.

    Will er wissen, was ich mache?

    Ich koche warm Bier, tue Butter hinein:

    Will der Herr mein Gast sein?«

    »Ich bedanke mich, Jungfer«, sagte der Fuchs, »was macht die Frau Füchsin?« Die Magd antwortete:

    »Sie sitzt auf ihrer Kammer,

    sie beklagt ihren Jammer,

    weint ihre Äugelein seidenrot,

    weil der alte Herr Fuchs ist tot.«

    »Sag sie doch, Jungfer, es wäre ein junger Fuchs da, der wollte sie gerne freien.« »Schon gut, junger Herr.«

    Da ging die Katz die Tripp, die Trapp,

    Da schlug die Tür, die Klipp, die Klapp.

    »Frau Füchsin, sind Sie da?«

    »Ach ja, mein Kätzchen, ja.«

    »Es ist ein Freier draus.«

    »Mein Kind, wie sieht er aus?«

    »Hat er denn auch neun so schöne Zeiselschwänze wie der selige Herr Fuchs?« »Ach nein«, antwortete die Katze, »er hat nur einen.« »So will ich ihn nicht haben.«

    Die Jungfer Katze ging hinab und schickte den Freier fort. Bald darauf klopfte es wieder an und war ein anderer Fuchs vor der Türe, der wollte die Frau Füchsin freien; er hatte zwei Schwänze; aber es ging ihm nicht besser als dem ersten. Danach kamen noch andere, immer mit einem Schwanz mehr, die alle abgewiesen wurden, bis zuletzt einer kam, der neun Schwänze hatte wie der alte Herr Fuchs. Als die Witwe das hörte, sprach sie voll Freude zu der Katze:

    »Nun macht mir Tor und Türe auf

    Und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus.«

    Als aber eben die Hochzeit sollte gefeiert werden, da regte sich der alte Herr Fuchs unter der Bank, prügelte das ganze Gesindel durch und jagte es mit der Frau Füchsin zum Haus hinaus.

    Zweites Märchen

    Als der alte Herr Fuchs gestorben war, kam der Wolf als Freier, klopfte an die Türe, und die Katze, die als Magd bei der Frau Füchsin diente, machte auf. Der Wolf grüßte sie und sprach:

    »Guten Tag, Frau Katz von Kehrewitz,

    wie kommt’s, dass sie alleine sitzt?

    Was macht sie Gutes da?«

    Die Katze antwortete:

    »Brock mir Wecke und Milch ein:

    Will der Herr mein Gast sein?«

    »Dank schön, Frau Katze«, antwortete der Wolf, »die Frau Füchsin nicht zu Haus?«

    Die Katze sprach:

    »Sie sitzt droben in der Kammer,

    beweint ihren Jammer,

    beweint ihre große Not,

    dass der alte Herr Fuchs ist tot.«

    Der Wolf antwortete:

    »Will sie haben einen andern Mann,

    so soll sie nur heruntergan.«

    Die Katz, die lief die Trepp hinan,

    und ließ ihr Zeilchen rummer gan,

    bis sie kam vor den langen Saal:

    klopft an mit ihren fünf goldenen Ringen.

    »Frau Füchsin, ist sie drinnen?

    Will sie haben einen andern Mann,

    so soll sie nur heruntergan.«

    Die Frau Füchsin fragte: »Hat der Herr rote Höslein an, und hat er ein spitz Mäulchen?«

    »Nein«, antwortete die Katze.

    »So kann er mir nicht dienen.«

    Als der Wolf abgewiesen war, kam ein Hund, ein Hirsch, ein Hase, ein Bär, ein Löwe und nacheinander alle Waldtiere. Aber es fehlte immer eine von den guten Eigenschaften, die der alte Herr Fuchs gehabt hatte, und die Katze musste den Freier jedes Mal wegschicken. Endlich kam ein junger Fuchs. Da sprach die Frau Füchsin:

    »Hat der Herr rote Höslein an, und hat er ein spitz Mäulchen?«

    »Ja«, sagte die Katze, »das hat er.«

    »So soll er heraufkommen«, sprach die Frau Füchsin und hieß die Magd das Hochzeitsfest bereiten.

    »Katze, kehr die Stube aus

    und schmeiß den alten Fuchs zum Fenster hinaus.

    Bracht so manche dicke, fette Maus,

    fraß sie immer alleine,

    gab mir aber keine.«

    Da ward die Hochzeit gehalten mit dem jungen Herrn Fuchs und ward gejubelt und getanzt, und wenn sie nicht aufgehört haben, so tanzen sie noch.

    Deutschland

    Wie Meister Reineke sich eine Frau verschaffte

    Meister Reineke war bei seinem Stamme sehr schlecht angeschrieben. Seine Stammesgenossen erzählten sich Wunderdinge, die er in Wald und Feld, in Haus und Hof vollbracht haben sollte. Am Tanzplatz war er stets der Erste, der ankam und der Letzte, der fortging, besonders in der Neujahrsnacht, dem Hauptfest der Füchse, war Meister Reineke der Hauptheld und trieb seine tollen Späße mit Jung und Alt, mit Groß und Klein, mit Mann und Weib, mit Junggesell’ und Jungfrau, ihm war es ganz gleichgültig, mit wem er seine tollen Dinge trieb. Allen Jungfrauen seines Stammes schwor er ewige Liebe und Treue, und schließlich ließ er sie alle im Stich und hofierte nun den Frauen auf Leben und Tod, so dass endlich die Männer beschlossen, die Gegend zu verlassen und einen ruhigeren Ort aufzusuchen, um auf diese Weise von Reinekens Streichen verschont zu bleiben. Sie wanderten auch in mondheller Nacht aus der Gegend und Reineke merkte gar bald, dass er zwar nun alleiniger Herr dieses Gebiets sei, aber von Seinesgleichen verlassen, einsam und allein leben müsse.

    Doch gar bald tröstete er sich in seiner Einsamkeit mit dem Gedanken, dass er seinen Vetter Isegrimm, den Wolf und dessen junge Frau, die oben im Gebirge in einer elenden Höhle wohnten, zu sich auf Besuch einladen werde, und dass Frau Isegrimms glänzende Augen, ihr zierliches Mündchen, ihr schlanker Leib ihn reichlich für die Liebe aller seiner Stammesgenossinnen entschädigen werde. Er wusste es zwar recht gut, dass Freund Isegrimm sehr an Eifersucht litt und sein junges Frauchen Tag und Nacht bewachte, doch Zeit bringt Rat – dachte sich Reineke und trabte lustig pfeifend hinauf ins Gebirge, wo Herr Isegrimm mit seiner Frau allein herrschte. Als er die Wolfhöhle erreichte, klopfte er an die Türe. Eine Frauenstimme frug: »Wer ist da?« – »Ich, Frau Isegrimm, ich, Euer Vetter Reineke«, sprach der Fuchs. »Ach, lieber Herr Vetter«, sagte darauf die Wölfin, »ich möchte Euch ja gerne hereinlassen, aber mein Gemahl hat mir streng aufgetragen, niemanden ohne sein Wissen zu empfangen!« Der Fuchs antwortete: »Liebe Frau Isegrimm! Öffnet nur getrost die Türe. Euer Herr Gemahl, mein liebenswerter Vetter, wird uns nicht im Geringsten zürnen, selbst, wenn wir einige Stunden hindurch miteinander schäkern, uns küssen und kosen! Denn eine gar frohe Botschaft bringe ich Euch beiden!« Frau Isegrimm lachte hinter der Türe und dachte sich: »Ei was! Ich öffne ihm die Türe! Mein Mann schätzt Reineken gar hoch und wird mir ja seinetwegen den Pelz nicht ausklopfen und dann will ich mich auch hüten, mit dem Vetter zu schäkern!«

    Die Wölfin öffnete die Türe und Meister Reineke sprang lustig in die Stube. Gar bald saß unser Pärchen hinter dem Ofen auf der Bank und herzte und küsste sich. Da schlich Herr Isegrimm unbemerkt in die Höhle, sah die geöffnete Türe, sah seine Frau einen Fremden herzen und küssen und wütend ergriff er einen Knüttel und stürzte sich auf das kosende Pärchen. Erschreckt liefen sie auseinander, doch Reineke hatte gar bald seine verlorene Fassung wiedergewonnen, stellte sich vor den tobenden Wolf und sprach mit trauriger Miene: »Liebster Vetter, seid Ihr von Sinnen? Was tobt Ihr und lästert Euer krankes Weibchen? Ich kam her, um Euch wichtige Dinge mitzuteilen und fand die Türe gesperrt. Ich wollte schon weitergehen und meinem Onkel, dem Bären, die erfreuliche Kunde mitteilen, – da hörte ich Euer Weibchen lamentieren; rasch kehrte ich um und nach langem Bitten, ließ sie mich herein. Euer Weibchen, Vetter Isegrimm, hat furchtbare Zahnschmerzen, ein Zahn muss ihr gerissen und ein neuer eingesetzt werden, denn sonst stirbt sie noch vor Sonnenuntergang. Ich wollte eben sehen, ob nicht einer meiner Zähne passt in die Stelle des Zahnes, den ich ihr ausreißen muss; aber meine Zähne sind leider viel zu klein und passen nicht in ihr Gebiss.« Gerührt sprach darauf Isegrimm: »Verzeiht, guter Vetter! Ich wusste ja nicht, was ihr im Winkel miteinander verhandelt, auch habe ich Euch kaum erkannt!« Er wollte noch weiterreden, doch Meister Reineke unterbrach ihn und sprach: »Lasst nur Vetter! Denken wir jetzt daran, wie wir Eurem Weibchen helfen sollen, denn es wird bald Abend und Eure Gattin stirbt, wenn wir ihr nicht rasch helfen!«

    Darauf begann Herr Isegrimm, der seine Frau sehr liebte, laut zu heulen und zu jammern, bekreuzte sich als guter Katholik dreimal rasch und sprach: »Guter Vetter, helft! Ich will Euch mein Lebelang dienen! Den besten Bissen von meiner Beute sollt Ihr haben! Ihr sollt von nun an nur essen, trinken, rauchen und in der Sonne liegen! Helft nur meiner Frau!« Also jammerte der Wolf, während seine Gattin heimlich in der Ecke lachte. »Ich kann Eurer Frau nur so helfen«, sagte der Fuchs nach einer Weile, »wenn ich ihr den kranken Zahn ausreiße und Euren ihr einsetze.« Da klagte der Wolf: »Aber dann müsst Ihr ja auch mir einen Zahn ausreißen und was soll ich dann anfangen, wenn mir ein Zahn fehlt? Wie soll ich mir das Essen erjagen?« Darauf antwortete der Fuchs: »Ja, lieber Herr Vetter, da bleibt nichts anderes übrig, entweder – oder! Es wird bald Abend! Überlegt die Sache. Ich werde Euch beide zu mir in meine Hütte nehmen und an Speise und Trank, soll es Euch nicht mangeln, denn alle meine Verwandten sind in ein anderes Land ausgewandert und nun bin ich alleiniger Herr in meinem Revier. Und dann können wir Euch ja später schon irgendwie einen Wolfszahn einsetzen!« Herr Isegrimm willigte endlich mit schwerer Mühe ein und ließ sich den besten und stärksten Fangzahn ausreißen, mit welchem der Fuchs zur Wölfin rannte und so tat, als wenn er auch ihr einen Zahn reißen und den ihres Gatten einsetzen würde, während der arme Herr Isegrimm sich vor Schmerzen am Boden wälzte, denn Meister Reineke hatte ihm zwar nur einen Zahn ausgerissen, aber nebenbei das ganze Gebiss zerschmettert. Endlich klatschte der Fuchs in seine Pfoten und rief: »Nun seid Ihr, Frau Isegrimm, vom Tode gerettet!«

    Inzwischen wurde es Abend und sie legten sich nieder. Herr Isegrimm jammerte die ganze Nacht hindurch, während Meister Reineke, der sich anfangs auf die Bank neben den Ofen gelagert hatte, gar bald zu Frau Isegrimm schlich und sie herzte und küsste, bis es tagte. In der Frühe schlichen beide aus der Hütte ins Freie hinaus, verriegelten von außen die Tür und überließen den kranken Isegrimm seinem Schicksal, der gar bald den Hungertod starb, während der Fuchs und die treulose Wölfin lustig in den Tag hineinlebten, bis ihr Balg in die Hände des Kürschners gelangte.

    Transsilvanien

    Der Fuchs und der Löwe

    Der Fuchs ging einst aus, im Walde Nahrung zu suchen und erblickte einen großen Kalabassenbaum. Als er an ihm in die Höhe blickte, sah er einen Bienenstock mit Honig und kehrte sogleich zur Stadt zurück, um Genossen zu holen und den Bienenstock zu plündern. Als er an der Tür des Buku¹ vorbeikam, nötigte ihn dieser zum Eintreten. Er sprach zum Buku: »Mein Vater ist gestorben und hat mir einen Bienenstock hinterlassen, lass uns hingehen und essen.« Und sie gingen hin. Und der Fuchs sagte: »Klettere hinauf!« Und sie kletterten beide hinauf, hatten Brennstroh mitgenommen, räucherten die Bienen aus und fraßen den Honig. Plötzlich kam der Löwe dazu, blickte auf, sah die Leute essen und fragte, wer sie wären. Der Fuchs sprach zum Buku: »Schweig still, der alte Bursche ist toll.« Der aber frug wieder: »Wer seid ihr, könnt ihr nicht reden?« Da antwortete der Buku erschreckt: »Wir sind hier.«

    Nun sagte der Fuchs zum Buku: »Wickle mich ins Stroh und sage dem alten Löwen, er solle unten aus dem Wege gehen, damit du das Stroh hinabwerfen könntest, du würdest dann selber herabkommen.« Der Löwe trat beiseite, das Stroh wurde hinabgeworfen, der Fuchs befreite sich eilends daraus und lief davon.

    Und der Löwe sprach: »Nun, so komm doch herunter.« Als der Buku herunterkam, ergriff ihn der Löwe und fragte: »Wer war da noch mit dir auf dem Baume?« Er antwortete: »Ich und der Fuchs. Hast du ihn nicht gesehen, als ich ihn hinunterwarf?« Da fraß der Löwe den Buku auf und ging aus, den Fuchs suchen, fand ihn aber nicht.

    Einige Tage später ging der Fuchs zur Schildkröte und lud sie ein, Honig mit ihm zu essen. Sie fragte: »Wem gehört er?« Er antwortete: »Meinem Vater.« Da ging sie mit, sie räucherten die Bienen aus, setzten sich nieder und aßen.

    Plötzlich erschien der Löwe, dem der Honig gehörte, und fragte sie, wer sie wären. Der Fuchs sprach zur Schildkröte, sie sollte sich ruhig verhalten. Als der Löwe aber nochmals fragte, ward sie ängstlich und sprach zum Fuchs: »Ich werde antworten. Du hast mir doch gesagt, der Honig sei dein, gehört er denn dem Löwen?« Und der Löwe fragte zum dritten Mal. Da antwortete die Schildkörte: »Wir sind hier.« Darauf hieß er sie herabkommen und frohlockte bei sich: »Jetzt habe ich den Fuchs gefangen, den ich so lange gesuchte habe.«

    Der Fuchs aber sprach zur Schildkröte: »Wickle mich ins Stroh, sage dem Löwen, er solle aus dem Wege gehen, damit du das Stroh hinabwerfen könntest.« Die Schildkröte dachte bei sich: »Aha, er will sich aus dem Staube machen und mich dem Löwen zum Fraß lassen, der soll ihn aber zuerst fressen.« Und sie wickelte ihn ins Stroh, warf ihn hinab und schrie: »Der Fuchs kommt.«

    Der Löwe griff ihn mit seinen Tatzen und sprach: »Was soll ich mit dir anfangen?« Der Fuchs sprach: »Falls du mich fressen willst, so wisse, mein Fleisch ist sehr zähe.« »Nun, was soll ich denn mit dir anfangen?«, fragte der Löwe wieder. Er antwortete: »Greif mich beim Schwanz, wirble mich herum, dann schleudere mich zur Erde und friss mich.« Der Löwe ließ sich täuschen, und als er den Fuchs losließ, entsprang er hurtig.

    Da hieß er die Schildkröte herunterkommen und sprach zu ihr: »Was soll ich mit dir anfangen?« Sie spracht: »Lege mich in den Kot und reibe mich damit so lange, bis die Schale abgeht.« Und der Löwe ging mit ihr ans Wasser und rieb sie; sie entschlüpfte aber unbemerkt, und er rieb, bis ihm die Tatzen blutig waren. Da sah er, dass er geprellt war.

    Er fragte nun die Leute, wo der Fuchs wohne; sie sagten aber, sie wüssten es nicht. Der Fuchs sprach aber zu seinem Weibe: »Lass uns in ein anderes Haus ziehen.« Und sie zogen um. Als der Löwe zuletzt des Fuchses Wohnung erfragt hatte, verbarg er sich darin und dachte: »Wenn der Fuchs mit seinem Weibe heimkommt, werde ich sie fressen.« Der Fuchs und sein Weib kamen herzu; als sie aber die Fußspuren des Löwen sahen, schickte der Fuchs sein Weib zurück. Er selbst folgte den Fußspuren und sah, dass sie in sein Haus führten. Da dachte er: »Oho! Löwe, du bist darin!« Dann ging er vorsichtig zurück und rief aus einiger Entfernung: »Guten Tag Haus! Guten Tag Haus!« Er erhielt keine Antwort. Da sprach er laut: »Was ist das? Wenn ich sonst komme und dem Hause ›Guten Tag‹ wünsche, so antwortet es mir. Wahrscheinlich ist heute jemand darin.« Der Löwe ließ sich fangen und antwortete: »Guten Tag!«

    Da lachte der Fuchs und sprach: »Oho, Löwe, dacht’ ich’s doch, dass du darin wärst, um mich zu fressen. Wo hast du denn je gehört, dass ein Haus sprechen kann?« Der Löwe antwortete: »Warte ein wenig, ich komme und sage es dir.« Der Fuchs aber machte sich davon, und obwohl der Löwe ihn verfolgte, holte er ihn nicht

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