Psychologie für die Seele
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Diese kleine Einführung in die Welt der Psychologie baut Brücken zwischen allgemeinen psychologischen Erkenntnissen und dem individuellen Bedürfnis nach Seelenheilung. Sie gewährt Einblicke in ihre Entwicklung als Wissenschaft, liefert Grundlagen und Denkanstöße für Interessierte und erweist sich als eindringliche Untersuchung des Individuums und der Gesellschaft von heute.
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Book preview
Psychologie für die Seele - Thomas Peddinghaus
Religion
1. Einleitung
„Erkenne dich selbst!!" Dieser Satz gilt wohl nicht erst seit dem Orakel von Delphi für Menschen aller Epochen als grundlegende Aufforderung zur Bewusstwerdung der eigenen Rolle inmitten dieser irdischen Existenz. Als Adam dank Evas (und der Schlange) aktiver Mithilfe sich seiner selbst bewusst wurde, begann sich ein Rad der beständigen Selbsterforschung und -befragung zu drehen, das seitdem nicht mehr zur Ruhe gekommen ist.
Hölderlin sprach Jahrhunderte später noch immer vom Menschen als dem „letzten unerforschten Kontinent". Und selbst heute, in unserem vorgeblich so aufgeklärten Zeitalter, scheinen sich die Menschen mehr denn je mit den großen Sinnfragen des Lebens zu beschäftigen – trotz oder gerade wegen der vielen ‚bahnbrechenden’ Erkenntnisse der Wissenschaften. Die Bücher zum Thema ‚Spiritualität und Lebensberatung’ füllen meterweise die Regale in Bibliotheken und Buchhandlungen.
Die Frage, die sich bei jedem Erkenntnisgewinn dieser Art unweigerlich stellt, ist die Frage nach dem Nutzen für das eigene Leben: Wohin führt diese Erkenntnis? Führt sie zu einer inneren und äußeren Befreiung des Menschen von seinen Zwängen, Ängsten und Zweifeln hin zu seinen Wünschen, Hoffnungen und Visionen? Kann sie dazu beitragen, den Menschen zu befähigen, seine persönliche Entwicklung voranzutreiben, die in ihm schlummernden Potenziale freizusetzen?
Psychologie als wissenschaftliche Disziplin entstand am Ende des 19. Jahrhunderts, zur Blütezeit des industriellen Zeitalters. Deutet dieser zeitliche Zusammenhang auf die Zunahme der seelischen Nöte in einer sich immer schneller entwickelnden, technisierten Welt? Konnte der Einzelne mit der um ihn herum ablaufenden Entwicklung nicht mehr Schritt halten? Wurde seine Lage in einer immer anonymer werdenden Gesellschaft beklemmender und sinnentleerter? Verlagerte sich gleichzeitig die notwendige zwischen-menschliche Hilfe und Unterstützung weg vom Familienverband hin zu professionellen Helfern in Form von Psychiatern und Psychologen? An welchem Punkt der Geschichte stehen wir schließlich heute am Anfang des 21. Jahrhunderts?
Solcherlei Fragen stehen am Anfang dieser Reise durch die Möglichkeiten einer Wissenschaft und Lehre, deren wahres Potenzial heutzutage nur ansatzweise genutzt wird. Den Menschen als ein spirituelles Wesen wahrzunehmen, entsprechende Hilfestellung zur Wiedererlangung der Stimmigkeit mit sich selbst zu bieten und das Gefühl von einem Aufgehobensein in einem größeren Ganzen zu vermitteln – diese Art der ‚Seelsorge’ findet zumindest in den klassischen Psychologie- und Therapiekreisen nur selten und sehr bedingt statt. Der immense Zulauf, den so genannte esoterisch gefärbte Beratungs- und Therapieformen während der letzten Jahre in der industrialisierten Welt verzeichnen, ist wohl Ausdruck dieser mangelhaften Entsprechung des Angebots der klassischen Psychologie auf der einen mit den Bedürfnissen der ‚Klienten’ auf der anderen Seite.
Kann es daher gelingen, das zweifelsohne vorhandene Potenzial der Psychologie, mit all ihren brillanten Werkzeugen der Analyse und des besseren Verstehens, mit der Idee einer Hinführung zu Seelenheil und spirituellem Wachstum zu verbinden? In unserem Kulturkreis wird diese Aufgabe noch immer eher dem geistlichen, sprich kirchlichen Bereich zugewiesen.
Ich bin davon überzeugt, dass gerade in dieser Verbindung des Seelischen mit dem Geistlichen für jeden Menschen ein Schlüssel zur Erlangung und Wiederherstellung seiner ganzheitlichen Gesundheit und Intaktheit liegt. Wahrhafte Inspiration und Beseeltheit sind die beste Garantie für körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit, ganz gemäß dem wunderbaren Satz (wiederum von C.G. Jung)
„Nur das Bedeutende erlöst".
C.G. Jung, Psychologie und Religion
Begleiten Sie mich daher, liebe Leserin und lieber Leser, bei dieser Reise durch die verschiedenen Etappen psychologischer Erkenntnis, die ich mit einem kleinen Ausflug in die griechische Mythologie beginnen möchte. In der Geschichte von „Eros und Psyche" wird nämlich ein interessantes Licht auf das mögliche Wesen auch der menschlichen Psyche geworfen.
2. Die Geschichte der Psyche
Die von dem römischen Dichter Apuleius überlieferte Geschichte der Psyche, die als Königstochter den Liebesgott Eros zum Mann erhält, kann als bildhafte Darstellung der Suche der Seele nach der göttlichen Liebe gesehen werden. Gleichzeitig stellt sie wohl eine der tiefgründigsten Parabeln der Beziehung zwischen den Geschlechtern dar, die jemals verfasst wurden. Die Entdeckung einer neuen, bewussten Weiblichkeit und ihre Vereinigung mit der geläuterten Männlichkeit kann vielleicht gerade in der heutigen Zeit der ‚inneren und äußeren Befreiung der Geschlechter’ und der dazugehörigen allgemeinen Rollenverwirrung als wertvolle Orientierungshilfe dienen.
Als die jüngste der drei Töchter des Königs Apollon war Psyche von solcher Schönheit, dass sich die Menschen vom Kult der Göttin Aphrodite abwandten und das Mädchen zu verehren begannen. Sie selbst wünschte sich jedoch lieber Heiratsanträge, statt wie eine Göttin verehrt zu werden. Aphrodite war so erbost über diese Art von Konkurrenz, dass sie als Strafe ihrem Sohn Eros befahl, Psyche in das hässlichste Geschöpf verliebt zu machen, das er finden könnte.
Als Eros jedoch Psyche erblickte, war es um ihn selbst geschehen und er verzichtete darauf, den Befehl auszuführen. Er bat Apollon, Psyches Vater, ihr durch ein Orakel zu sagen, dass sie sich zur Ehe bereit machen und in ihr Hochzeitsgewand gehüllt auf eine einsame Bergspitze steigen solle, wo ein böser Geist sie zur Frau nehmen würde.
Psyche tat, wie ihr geheißen, wurde jedoch statt von einem „bösen Geist" von einer sanften Brise vom Berg gehoben und in ein verborgenes Tal geweht, wo sie vor einem Feenpalast mit Toren aus Edelsteinen und Fußböden aus Gold stand. Sie ging hinein und unsichtbare Geister waren ihr dienstbar. Eine freundliche Stimme führte sie umher und gebot ihr, sich nicht zu fürchten.
Als es Nacht wurde, ging sie zu Bett und Eros legte sich in menschlicher Gestalt zu ihr. Er sagte, dass er nun ihr Mann sei und dass sie glücklich und in Frieden leben werde. Dies allerdings sei nur dann der Fall, so lange sie nicht herauszufinden versuche, wer er sei und wie er aussähe. Wenn sie diesem Gebot zuwiderhandle, werde ihr gemeinsames Kind die Unsterblichkeit verlieren, die ihm von Geburt an verliehen sei.
Die ungetrübte Liebe zwischen Psyche und Eros währte nicht lange: Getrieben von eigener Neugier und beeinflusst vom zudringlichen Ratschlag ihrer eifersüchtigen Schwestern, nahm sie eines Nachts eine Öllampe mit zu Bett. Erschrocken vom Anblick der schönen Züge des schlafenden Liebesgottes verschüttete sie ein wenig vom heißen Lampenöl, woraufhin Eros erwachte. Er erkannte, dass Psyche nun wusste, wer er war und dass sein Geheimnis verraten war. Er erhob sich und flog davon.
Verzweifelt irrte Psyche in dieser Nacht umher auf der Suche nach Eros. Sie gelangte auf ihrer Suche schließlich zu dem Palast der Aphrodite. Diese erkannte in ihr die frühere Rivalin, machte sie zu ihrer Magd und stellte ihr aus Rache verschiedene, scheinbar unlösbare Aufgaben. Immer wieder kamen Psyche bei der Lösung dieser Aufgaben verschiedene „gute Geister" zur Hilfe, so dass sie am Ende selbst den Gang in die Unterwelt meisterte. Auf dem Weg zur Oberwelt öffnete sie dann gegen wohlmeinenden Rat den von Aphrodite eingeforderten, mit Schönheit gefüllten Krug der Persephone und wurde von tödlichem Schlaf erfasst.
Zur gleichen Zeit trat Eros, der seine Gattin schmerzlich vermisste, vor den Thron des Zeus. Er berichtete seinen eigenen Ungehorsam und bat den Göttervater, sie dennoch seine rechtmäßige Gattin werden zu lassen. Zeus willigte ein.
Daraufhin eilte Eros zu Psyche zurück, fand sie jedoch leblos nach der Öffnung des versiegelten Kruges. Er erweckte sie mit göttlicher Kraft wieder zum Leben und trug sie empor zum Olymp, dem Götterhimmel.
Dort vergaß sogar Aphrodite ihren Zorn und alle Götter feierten die Hochzeit von Eros und Psyche. Zeus selbst reichte ihr einen Becher Nektar, der sie unsterblich machte.
Im Laufe ihrer Ehe gebar Psyche eine Tochter, Voluptas, die Göttin der Lust.
Bei aller ornamenthaften Ausschmückung, die auch diese griechische Sage auszeichnet, ist die Geschichte der Psyche eine wunderschöne Parabel über die Höhen und Tiefen eines menschlichen Seelenlebens. Ausgangspunkt ist dabei die nahezu göttliche Schönheit, die der Psyche (=Seele) ursprünglich innewohnt und zu Eigen ist. Im übertragenen Sinn könnte man vermuten, dass diese Schönheit, Anmut und Reinheit ursprünglich jeder menschlichen Seele gegeben ist. Doch so, wie es Psyche im weiteren Verlauf der Geschichte widerfährt, so geht es wohl den meisten von uns: Getrieben von fast zwanghafter Neugier und beeinflusst von inneren und äußeren ‚Ratgebern’ versuchen wir den Schleier des Nichtwissens zu lüften und erschrecken schon beim bloßen Anblick der sich uns offenbarenden Realitäten. Jeder, der schon einmal etwas tiefer in sich selbst und seine Umgebung hineingeleuchtet hat, kennt vermutlich diesen Moment des Erschreckens angesichts des Erkennens der tatsächlichen Hintergründe. Schon in der biblischen Geschichte der Verführung Adams und Evas durch die Schlange und die dadurch ausgelöste Bewusstwerdung ihrer selbst (mit all den damit verbundenen Konsequenzen) wird deutlich gemacht, dass diese Bewusstseinserweiterung des Menschen ein durchaus zweischneidiges Schwert sein kann.
Und dennoch: Trotz aller scheinbaren Rückschläge auf dem Weg der Bewusstwerdung und Erfüllung der eigenen Bestimmung gelingt es sowohl Psyche als auch Eros, aufgrund ihrer Hartnäckigkeit und ihrer Unermüdlichkeit sich bis hinauf in den Olymp, den Himmel der Göttlichkeit, zu schwingen. Wird uns damit angedeutet, dass auch wir potenziell in der Lage sind, durch beständige Verfolgung unserer Ziele und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den menschlichen und damit auch unseren eigenen Abgründen und ‚Unterwelten’ zur göttlichen Erfüllung zu gelangen? Haben auch wir auf unserem Wege zu unserer eigenen Selbsterfüllung die Wahl zwischen den ‚bösen’ und den ‚guten’ Geistern, die uns begleiten und auf unser Tun hin reagieren? Ist unserer Seele ein göttlicher Funke eingehaucht, den es zu schüren und zu entwickeln gilt?
Fragen wie diese waren und sind es wohl, die Menschen schon immer bewegten. Sie stellen die eigene Existenz in Frage und lösen damit oft eine Lawine von inneren und äußeren Ereignissen aus. Ein Leben ohne diese Art von Lebenselixier ist kaum vorstellbar, die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Bewusstwerdung und der Weiterentwicklung.
Die Art und Weise dieser Bewusstwerdung unterscheidet sich im Laufe der Jahrhunderte, das Ziel war und ist wohl immer das gleiche: Die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz, auch