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100 Jahre Christian Broda: Ein Leben im Zeichen großer Justizreformen
100 Jahre Christian Broda: Ein Leben im Zeichen großer Justizreformen
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100 Jahre Christian Broda: Ein Leben im Zeichen großer Justizreformen

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Die Darstellung der größten Justizreformen von Christian Broda anlässlich seines 100. Geburtstags!

Die Beiträge dieses Bandes ehren das Lebenswerk des wohl bedeutendsten Justizministers der Zweiten Republik - Christian Broda. Anlässlich seines 100. Geburtstages widmete sich das Symposium seinen bemerkenswerten Leistungen, nämlich der Modernisierung von Staat und Gesellschaft sowie seinen juristischen und sozialpolitischen Errungenschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Christian Broda war ein Mann der Tat: Die meisten seiner Reformvorschläge wurden im Parlament einstimmig beschlossen. Im Rahmen derTagung wurde sein Einfluss auf verschiedenste Bereiche ebendieser außergewöhnlichen Justizreformen erörtert.

Die interessanten Abhandlungen dazu sind in der vorliegenden Publikation versammelt, u.a. die Eröffnungsreden von Justizminister Dr. Wolfgang Brandstetter und Altbundespräsident Dr. Heinz Fischer sowie zahlreiche weitere Beiträge der Wegbegleiter/innen Brodas, von Vertreter/inne/n der höchsten Justizbehörden und der Lehre.
Mit Beiträgen von: Wolfgang Brandstetter, Gertrude Brinek, Heinz Fischer, Rudolf Forster, Gerhard Hopf, Hannes Jarolin, Gottfried Korn, Peter Kostelka, Claudia Kuretsidis-Haider, Marcus Lutter, Roland Miklau, Alfred Noll, Daniel Pabst, Jürgen M. Pelikan, Susanne Reindl- Krauskopf, Sepp Rieder, Birgit Tschütscher und Maria Wirth
LanguageDeutsch
PublisherStudienVerlag
Release dateNov 8, 2017
ISBN9783706558938
100 Jahre Christian Broda: Ein Leben im Zeichen großer Justizreformen

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    Book preview

    100 Jahre Christian Broda - StudienVerlag

    2016

    I.

    100 Jahre Christian Broda – Festakt

    Birgit Tschütscher

    Symposium „100 Jahre Christian Broda" – Begrüßung

    Christian Broda, ein die Justiz prägender Name, der in seiner Bedeutung seinesgleichen sucht.

    Wie bedeutend dieser Name ist, sehen Sie, meine Damen und Herren, einerseits an der Größe der erschienen Gästeschar, andererseits an der Bedeutung derselben für die Justiz und Politik. Es hat noch nicht viele Veranstaltungen im BMJ gegeben, die so hochkarätig besucht waren.

    Die große Anzahl der Ehrengäste macht es mir unmöglich, alle zu begrüßen. Verzeihen Sie mir daher schon jetzt, dass ich den einen oder die andere nicht namentlich erwähnen werde. Seien Sie aber versichert, das Bundesministerium für Justiz freut sich über jeden und jede von Ihnen gleichermaßen.

    Allen voran darf ich jemanden begrüßen, von dem ich weiß, dass ihm dieses Symposium besonders wichtig ist. Lieber Herr Bundespräsident, ich bedanke mich ganz herzlich für die Ideen und Anregungen während der Vorbereitungszeit. Durch die Gespräche mit Ihnen durfte ich einiges mehr über Broda und die Zeit seines Wirkens erfahren. Ich freue mich sehr, dass Sie heute bei uns sind. Herzlich willkommen, Herr Bundespräsident Dr. Heinz Fischer.

    Ich freue mich, wenn bei Veranstaltungen der Justiz ressortfremde Minister teilnehmen, und ganz besonders freue ich mich, wenn mich Persönliches und eine gemeinsame Vergangenheit mit demjenigen verbindet. Wir haben gemeinsam zu Zeiten der Ministerschaft Brodas studiert und die eine oder andere durchaus politische und kontroversielle Diskussion geführt. In der Zwischenzeit haben sich unsere Wege getrennt, sind teilweise parallel verlaufen und haben sich manchmal auch wieder gekreuzt. Ich finde es sehr schön, dass wir uns gerade bei der heutigen Veranstaltung wieder begegnen. Herzlich willkommen, Dr. Josef Ostermayer.

    Dass Christian Broda nicht nur innerhalb seiner Partei oder bei Gesinnungsgenossen anerkannt war und ist, sondern weit darüber hinaus, zeigen Sie, Herr Bundesminister Dr. Brandstetter, als Gastgeber. Mit den Worten: „Das muss pfeifen, Frau Kollegin, haben Sie mich in den letzten Wochen während der Organisation dieses Symposiums immer wieder angefeuert. Sehen Sie sich um, Herr Minister. „Es pfeift. Ich darf mich bei Ihnen im Namen aller hier Anwesenden für die Möglichkeit, dieses Symposium zu veranstalten, und auch für die großzügige Einladung nach der Eröffnungsfeier bedanken. Vielen Dank.

    Ich freue mich auch sehr, dass viele ehemalige Repräsentanten des politischen Lebens heute Christian Broda die Ehre geben. Ich freue mich, die ehemalige Nationalratspräsidentin und Volksanwältin Dr.in Heide Schmidt und die ehemaligen Minister Dr. Caspar Einem, Dr. Willibald Pahr, Dr. Nikolaus Michalek und Dr. Harald Ofner begrüßen zu dürfen.

    Schon durch eine herausragend lange Amtsdauer von fast 19 Jahren nimmt Christian Broda eine besondere Rolle unter den Justizministern der Zweiten Republik ein. Da dürfen natürlich bei einer Feier zum 100. Geburtstag die Vertreter der Höchstgerichte und höchsten Justizbehörden nicht fehlen. Heißen Sie bitte mit mir den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Rudolf Thienel, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Eckart Ratz und den Generalprokurator Dr. Werner Pleischl herzlich willkommen.

    Seine Arbeit als Justizpolitiker ist in die Justizgeschichte eingegangen. Auf die einzelnen Themen werde ich heute nicht eingehen, davon gibt es in den nächsten Stunden und Tagen von berufener Seite mehr. Nur so viel: Sämtliche Reformen waren grundlegend und weichenstellend für die Modernisierung von Staat und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Broda war ein ausgesprochen konsensorientierter Minister. Die meisten seiner Reformen wurden einstimmig im Parlament beschlossen; möglich war das aber nur durch das Mitwirken der Abgeordneten aller Parteien. Begrüßen Sie mit mir – stellvertretend für alle Abgeordneten – den Justizsprecher der SPÖ Herrn Dr. Hannes Jarolim und den Leiter der Parlamentsdirektion Herrn Dr. Harald Dossi.

    Die Sektionschefs des Hauses sind alle anwesend. Auch das ist ein Zeichen der Wertschätzung des Werkes Brodas. Begrüßen Sie bitte Sektionschef Mag. Michael Schwanda, Dr. Georg Kathrein und Mag. Christian Pilnacek sowie den Generaldirektor Mag. Erich Mayer, LL.M MBA.

    Nicht nur die Höchstgerichte sind heute vertreten, sondern auch die Präsidenten der Oberlandesgerichte und die Leiter und Leiterin der Oberstaatsanwaltschaften, die teilweise weite Anreisen auf sich genommen haben, um an der heutigen Veranstaltung teilzunehmen. Herzlich willkommen, Dr. Gerhard Jelinek, Dr. Manfred Scaria, Dr. Klaus Schröder, Dr.in Brigitte Loderbauer, Dr. Karl Gasser und Dr. Friedrich Hintersteininger.

    Ein ganz wichtiger Teil von Ihnen fehlt natürlich noch: die Familie. Dass Sie von Mexiko über Großbritannien zum Symposium angereist sind, zeigt mir, wie stolz Sie auf Ihren Vater, Opa, Onkel, Cousin Christian Broda sind. Zu Recht, wie Sie nicht nur heute sehen können. Es sind viele aus der engeren und weiteren Familie heute hier, was mich besonders freut. Ich darf stellvertretend für sie alle die Tochter von Christian Broda, Frau Professorin Johanna Broda, begrüßen. Es ist eine große Ehre für mich, Sie heute willkommen zu heißen. Alle anderen, die heute gekommen sind und die ich nicht namentlich erwähnt habe, sind – das versichere ich Ihnen – genauso herzlich willkommen und für das Gelingen der Veranstaltung genauso unentbehrlich.

    Lassen Sie mich noch zwei Personen hervorheben, die einen wesentlichen Beitrag zum Zustandekommen dieses Symposiums geleistet haben. Zum einen Frau Dr.in Maria Wirth, die heute noch aus ihrer wunderbaren Broda-Biografie erzählen wird, und Sektionschef i.R. Dr. Michael Neider, der, glaube ich, alle Menschen kennt, die zur Zeit Brodas gelebt haben, und mir dankenswerterweise sein geradezu unerschöpfliches Wissen zur Verfügung gestellt hat. Sie beide sind mir sehr ans Herz gewachsen. Es war mir eine große Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.

    Und wenn ich Neider sage, dann gehören für mich untrennbar Keller und Rieder dazu. Herzlich willkommen, Dr. Heinrich Keller und Dr. Sepp Rieder. Während der Vorbereitung haben wir schon einige launige Gespräche geführt. Freuen Sie sich darauf.

    Lassen Sie mich noch ein paar Worte aus Sicht einer Mitarbeiterin des BMJ sagen, die Broda nicht persönlich erlebt hat, aber den Eindruck hat, dass der Geist seiner Arbeitseinstellung doch noch zu spüren ist.

    Bei seinen Mitarbeitern im Bundesministerium für Justiz war Broda berühmt für seine Disziplin, seine langen Arbeitstage und für die Intensität, mit der er Ergebnisse und Leistungen forderte. Noch spätabends studierte er regelmäßig die Zeitungen vom nächsten Tag und „seine" Sektionschefs waren vor frühmorgendlichen, also durchaus auch schon vor 7 Uhr früh einlangenden Telefonanrufen niemals sicher, bei denen er persönlich um Informationsbeschaffung oder um rasche weitere Veranlassungen ersuchte – und das zu Zeiten weit vor dem Handy.

    Christian Brodas Pünktlichkeit war legendär. Niemand hat ihn je zu spät kommen sehen. Für seine Chauffeure bestand die heikle Aufgabe darin, am Zielort keinesfalls zu spät, aber auch nicht zu früh einzulangen. Bei Überlandfahrten nicht wirklich leicht zu bewältigen – die Chauffeure verfügten aber bald über ein entwickeltes Wissen über ruhige Seitenwege und Nischen mit Wartemöglichkeiten in unmittelbarer Nähe von häufig anzufahrenden Zielorten, wo dann im Fall verfrühten Ankommens ungestört zehn Minuten gewartet werden konnte.

    Christian Broda war ein Arbeitstier und huldigte einem asketischen Lebensstil. Sein täglicher Arbeitstag begann wie erwähnt sehr früh und endete äußerst spät. Feiern, und überhaupt solche mit Alkoholzufuhr, liebte er nicht sonderlich. Ihn sah man immer nur mit einem kleinen Mocca und einem Gläschen Wasser.

    Sein Weltbild von der Gleichheit der Menschen lenkte seinen Blick auch auf die damals noch extreme Unterrepräsentation von Frauen in allen Bereichen des Justizressorts. Der Frauenanteil bei den Richter/innen betrug 1970 1 %. Broda lud zu Enqueten und förderte die Diskussion über diese Tatsache und ihre historischen Gründe und legte damit den Grundstein für die heute grundsätzlich nicht mehr in Frage stehende Frauenbeteiligung auf allen Ebenen der Justiz.

    Die nächsten zwei Tage werden dem Schaffen Brodas gewidmet sein, wir werden die wichtigsten Themen seiner Zeit besprechen, versuchen, Ihnen Broda auch menschlich näher zu bringen, und beleuchten, was davon heute noch fortwirkt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Tagung.

    Hannes Jarolim

    Begrüßung

    Sehr geehrte Familie Broda, sehr geehrter Herr Bundesminister, geschätzte Präsidenten der Oberlandesgerichte, sehr geehrte aktuelle und ehemalige MitabeiterInnen dieses Hauses in den unterschiedlichsten Funktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde!

    Ich darf hier namens der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion besten Dank dafür entbieten, dass wir diesen tollen Rahmen heute zur Feier eines der ganz großen Politiker und des größten Justizpolitikers der Zweiten Republik gefunden haben. Es ist in der Tat keine Selbstverständlichkeit, dass zu einem derartigen Anlass, dem 100. Geburtstag von Christian Broda, eine derartig große Anzahl ausgewiesener Experten und Politiker, Richter, Persönlichkeiten aus dem gesamten Leben hier erschienen ist. Lassen Sie mich ganz kurz, so wie es mein Auftrag ist, zu dieser Veranstaltung einleitend sagen:

    Christian Broda ist ein Name, eine Persönlichkeit; wir sehen ihn vor uns, aber wenn man länger darüber nachdenkt, dann wird diese Persönlichkeit eine Idee, eine Einstellung, eine Entwicklung, eine Weltanschauung – es ist Humanismus auf höchstem Niveau. Eine Persönlichkeit, die es wie wenige, ich würde im Justizbereich sagen, wie keine andere versucht und auch daran geglaubt hat, durch Überzeugungsarbeit, durch intensives Miteinanderumgehen, auf die Menschen zugehen, diskutieren und so die Justizpolitik zu gestalten, wie das in unser aller Sinne, also jenem der Gesellschaft und der Menschen, das Beste war. Er war ein Reformer im Interesse und zum Nutzen aller Menschen, und das hat ihn besonders ausgezeichnet. Aber nicht nur, dass er im theoretischen Bereich und auch im menschlichen Bereich besonders qualifiziert war, er war auch jemand, der gewusst hat, dass es nicht reicht, wenn das nur besprochen wird, es muss auch umgesetzt werden! Und daher waren die Worte von Erich Kästner auch sein Leitspruch: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."

    Und auf diese Art und Weise ist es Christian Broda gelungen, ganz wesentliche Fortschritte innerhalb seiner Wirkungszeit durchzuführen. Der Zugang zum Recht, das war sein großes Kredo, und dieser Zugang zum Recht hat auch dazu geführt, dass, wenn das Recht einmal gesetzt bzw. beschlossen worden war, es auch auf besondere Weise publiziert wurde. Sie kennen sicher alle die kleinen Büchlein, die in sehr großer Anzahl aufgelegt worden sind, aus denen dann die mehr oder weniger komplizierten Rechtsmaterien auch für die einfachen Menschen erkennbar und lesbar werden sollten.

    Wir wissen auch, dass es ihm ein großes Anliegen war, die Gleichheit nicht nur VOR dem Gesetz, sondern auch DURCH das Gesetz sicherzustellen. Er hat einmal Anatole France, den großen französischen Gelehrten, zitiert, der sagte: „Die großartige Gleichheit vor dem Gesetz verbietet den Reichen wie den Armen unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln oder Brot zu stehlen." Der Satz beweist eindrucksvoll, dass die Gleichheit vor dem Gesetz nicht reicht. Und das war, was Broda erkannt und auch umgesetzt hat, indem er eben die Gleichheit durch das Gesetz geschaffen hat und in einer Unzahl unterschiedlicher Rechtsmaterien – beispielhaft kann man da das Konsumentenschutzgesetz, das Mietrechtsgesetz und die Verfahrenshilfe nennen – umgesetzt hat, sodass jene, die über nicht so starke Ellbogen verfügten, auf Augenhöhe ihre Interessens- und Rechtskonflikte lösen konnten.

    Christian Broda hat immer drei Kredos gelebt bzw. angewandt, wenn es darum gegangen ist, sich einem Problem zu nähern.

    Das erste, das auch in den demokratiepolitischen Bereich sehr stark hineingespielt hat, war: „Die Demokratie steht und fällt mit dem Demokratiebewusstsein der Menschen und der Gesellschaft." Aber das Demokratiebewusstsein entwickelt sich nicht im luftleeren Raum, dahinter standen auch seine Erfahrungen aus den Jahren 1927 und 1934 und auch die Befürchtung und die Erkenntnis, dass all das, was man hier gemeinsam erarbeitet hat, dann nicht wirkt, wenn es nicht in der Gesellschaft insgesamt in der gesamten Breite ankommt, umgesetzt, nachvollzogen und auch als richtig empfunden wird. Diese Einstellung hat Christian Broda auch in seinem gesamten Wirken, in seinem Bestreben gelebt, womöglich immer einstimmige Gesetzesbeschlüsse zu erreichen. Es ging darum, Überzeugungsarbeit zu leisten, auch wenn es in dem einen oder anderen Fall auch mehrere Jahre waren; am Ende standen dann – mit einer Ausnahme – immer einheitliche Beschlussfassungen.

    Ein weiterer Spruch war: „Bei großen Vorhaben gibt es kein Überstimmen, sondern nur ein Übereinstimmen." Meine Damen und Herren, das klingt so selbstverständlich, aber es kommt auf die tatsächliche Toleranz an, es kommt auf die demokratische Selbstdisziplin in der angewandten Politik an. Diskussionen sollten so geführt werden, dass man – und das ist nicht immer leicht, und ich, der ich nicht erst seit kurzem im Parlament bin, kann das bestätigen – aufeinander zugeht, und zwar so, wie Broda das auch gelebt hat, nie vergessend, dass es auch ein Morgen gibt, nie vergessend, dass wir im Hohen Haus der Gesellschaft, der Bevölkerung verpflichtet sind, und nie vergessend, dass wir ein gemeinsames Ziel erreichen und nach außen auch präsentieren und erklären sollten.

    Ein weiterer Satz war: „Es kann kein Strafgesetz und kein Familienrecht von 51 % gegen 49 % der Bevölkerung beschlossen werden. Völlig klar, aber ab und zu ist es notwendig, sich dessen zu besinnen und zu sagen: „Ok, wir haben jetzt eine Diskussion, wir haben eine heftige Diskussion, wir haben – vielleicht auch weil sich die Verhältnisse geändert haben – eine besonders medial begleitete Diskussion, aber wichtig ist es doch, immer wieder auf die Metaebene zurückzugehen, nachzudenken, einen neuen Ansatz zu bringen und dann doch vielleicht eine gemeinsame Lösung zu finden. Und mit diesen Kredos war dann auch die Justizpolitik Christian Brodas ausgestattet.

    Die Familienrechtsreform 1975: Heini Keller hat einmal gesagt, diese Reform sei die tiefgreifendste von allen Reformen Christian Brodas, und vermutlich stimmt das auch. Wir alle assoziieren ihn ja hauptsächlich mit den Strafrechtsnovellen 1971 und 1975, aber diese Novelle, diese Familienrechtsreform war der eigentliche Aufbruch aus der Entmündigung in die Gleichberechtigung in der Keimzelle der Gesellschaft, wie Broda das gesagt hat. Diese Reform war richtungsweisend, weil wir umdenken mussten in der Gesellschaft, in der auf einmal nicht mehr der Mann das Haupt der Familie war, in der es die volle Gleichberechtigung – auch beim Unterhalt und bei den Lebensbedürfnissen – gab, als die unehelichen Kinder plötzlich gleichgestellt waren und am Ende des Tages, wenn eine Ehe nicht so funktionierte, wie die Partner sich das wünschten, nun auch die Möglichkeit bestand, wieder voneinander zu gehen. Auch jetzt diskutieren wir immer noch – man kann sagen im Geiste Brodas –, ob es sinnvoll ist, dem anderen bei der Auflösung der Ehe ein Verschulden nachweisen zu müssen, wie wir das ja teilweise noch immer haben und damit Situationen herbeiführen, die sehr oft noch das Letzte an gegenseitiger Wertschätzung nehmen und vielfach Kinder durch eine allfällige Zeugenschaft auch noch erheblich in ihrer weiteren Entwicklung schädigen. Diese Keimzelle war es, die Christian Broda gemeint hat, wenn er gesagt hat: „Demokratie in der Familie bedeutet natürlich auch Ausfluss auf die Demokratie in der Gesellschaft, aber auch umgekehrt." Und er hat Recht gehabt, wir können wohl nicht ernsthaft in einem Bereich Demokratie leben, nicht aber im anderen, und ich denke, dass wir hier schon ein schönes Stück weitergekommen sind.

    Der 7. Februar 1968 war dann einer seiner Glanztage, Christian Broda wird später sagen: „Mein schönster Tag im Parlament, – die Aufhebung der Todesstrafe. Als Ziel hat er auch die „gefängnislose Gesellschaft apostrophiert, und es ist nachvollziehbar und es ist wichtig und ihm zu verdanken, dass man abseits der Nebel des Alltages auch Möglichkeiten und Ziele stets zu verfolgen hat, die dann auch in Alltagsentscheidungen Korrelative sein können. Wenn Broda etwa sagte: „Es kann nicht die Qualität eines Staates in der hohen Anzahl von Gefängnissen und von Inhaftierten liegen", so hat er Recht gehabt, meine Damen und Herren. Und wir wissen alle, wenn man etwa die USA und Kanada vergleicht, so kommen in den USA – und das bei Existenz der Todesstrafe – auf 100.000 Einwohner 700 Häftlinge und in Kanada kommen auf 100.000 Einwohner 100 Häftlinge, also 1 zu 7. Es kann niemand, der die USA und Kanada persönlich oder aus den Medien kennt, sagen, dass in Kanada die absolute Verwüstung durch Kriminalität stattfindet und in den USA nicht. Es ist eher umgekehrt. Alleine schon durch diesen Umstand sieht man, dass die Anzahl von Haftplätzen eine Gesellschaft nicht wirklich weiterbringt, sondern es – und das hat auch Broda gesagt – darauf ankommt, wie eine Gesellschaft mit der Schaffung von Alternativen zu Haftstrafen umgeht. Ich erinnere hier etwa an die Diversion.

    Wir machen immer wieder große Fortschritte, aber es ist einer der wesentlichen Punkte, den Christian Broda uns hier gezeigt hat: der Stil. Er hat sich auch im Justizausschuss fortgesetzt. Es gelingt immer wieder, dass wir von der tagespolitischen Kleinstreitigkeit abgehen und in die Weite sehen und die Toleranz haben, miteinander so umzugehen, dass die meisten Materien einstimmig beschlossen werden. Es geht nicht immer schnell, es geht nicht immer von heute auf morgen, aber es ist der richtige Aufwand, in einer Demokratie und in Diskussionen miteinander so umzugehen, damit in der Öffentlichkeit erkennbar wird, dass man gemeinsam versucht hat, das Beste im Interesse der Republik Österreich zu erzielen. So ist Christian Broda in die Geschichte eingegangen, einerseits als Theoretiker durch seine zahlreichen Publikationen, andererseits als vorbildlicher Mensch. Eines darf ich vielleicht am Ende noch einmal erwähnen – etwas, das er uns mitgegeben hat und dessen wir uns immer wieder bewusst sein müssen. Es ist schön, zu diskutieren, nachzudenken und sich auszutauschen, aber am Ende des Tages ist es doch so, dass es nichts Gutes gibt, außer man tut es. Danke!

    Wolfgang Brandstetter

    Eröffnung

    Sehr geehrter Herr Bundespräsident, meine sehr verehrten Ehren- und Festgäste!

    Für mich ist es natürlich eine ganz besondere Freude, Sie heute hier im Bundesministerium für Justiz begrüßen zu dürfen, zur Eröffnung der Veranstaltungsreihe Justiz- und Zeitgeschichte, gewidmet dem 100. Geburtstag von Christian Broda.

    Er wurde 1916 geboren als Sohn des auch publizistisch tätigen Staatsbeamten und späteren Rechtsanwalts Ernst Broda und der Schauspielerin Viola Broda. Sein Onkel war der Filmregisseur Georg Wilhelm Papst. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Engelbert, der später Chemiker wurde, wuchs er in einem weltoffenen bürgerlichen Milieu auf, in dem unter anderem sein evangelischer Taufpate, der Rechtswissenschaftler Hans Kelsen oder der Sozialphilosoph Max Adler verkehrten. Nach dem Besuch der Volksschule besuchte er das Akademische Gymnasium. Der Kulturwissenschaftler Friedrich Heer war sein Mitschüler. Bereits in seiner Jugend war er politisch aktiv.

    Unter dem Eindruck der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Juli 1927 schloss er sich der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler an, später auch der Kommunistischen Jugendbewegung. Kurz vor der Matura wurde er im Februar 1934 wegen kommunistischer Betätigung verhaftet und musste eine Haftstrafe abbüßen. Zum Studium aus politischen Gründen vorerst nicht zugelassen, konnte er im Wintersemester 1936/37 an der Uni Wien Geschichte und Rechtswissenschaften inskribieren. Gleichzeitig gehörte er einer kommunistischen Widerstandsgruppe an.

    Nach kurzer beruflicher Tätigkeit in der administrativen Bibliothek des Bundeskanzleramtes promovierte er im März 1947 zum Doktor iuris und legte im Oktober 1948 die Rechtsanwaltsprüfung ab. Schon kurz darauf eröffnete er seine eigene Kanzlei. Zu seinen Klienten gehörten unter anderen Herbert von Karajan oder Hans Weigel. Über die Vereinigung Sozialistischer Juristen stieß er zur Mitarbeit in der Sozialistischen Partei Österreichs, die ihn im Juli 1957 in den Bundesrat entsandte. Im Juni 1959 wechselte er in den Nationalrat, dem er ohne Unterbrechung bis Mai 1983 angehörte.

    1960 wurde Broda Justizminister im dritten Kabinett von Julius Raab. Schon in dieser Zeit setzte er sich besonders für einen humaneren Strafvollzug ein. Das große Projekt einer Strafrechtsreform war in der damaligen Koalitionsregierung mangels Konsens nicht möglich – und der war Christian Broda ausgesprochen wichtig. Das wird heute meines Erachtens oft verkannt. Aber es gelang ihm, andere Vorhaben in dieser Zeit umzusetzen, dazu gehörten etwa das Jugendgerichtsgesetz, das Richterdienstgesetz und das Aktiengesetz. Es gab auch eine lange Auseinandersetzung in der Ära Broda auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Gruppierungen über die in der NS-Vergangenheit amtierenden Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Broda wurde vorgeworfen, die Beschäftigung damit und die notwendigen Konsequenzen nicht zuzulassen. Der Umgang mit diesem höchst sensiblen Thema war aus heutiger Sicht damals sicher nicht zufriedenstellend, aber das betraf nicht nur den damaligen Justizminister Christian Broda. Es soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Umgang der Justiz mit dem Verbotsgesetz auch gerade jetzt in diesen Tagen wieder ein breit diskutiertes Thema ist.

    Während der ÖVP-Alleinregierung 1966 bis 1970 wandte sich der Jurist Broda wieder verstärkt seiner Rechtsanwaltskanzlei zu. 1968, das wurde erwähnt, durfte er erleben, dass eines seiner größten politischen Ziele, nämlich die Abschaffung der Todesstrafe verwirklicht wurde. Nach dem Wahlsieg der Sozialdemokratischen Partei 1970 wurde er erneut Justizminister und behielt seine Funktion bis zum Ende der Alleinregierung im Mai 1983.

    Untrennbar mit Broda verbunden ist in dieser Zeit der Name Dr. Walter Hauser, der erfreulicherweise am Samstag an der Zeitzeugenrunde teilnehmen wird. Er war 1962 erstmals Abgeordneter, in späterer Folge Justizsprecher der Österreichischen Volkspartei und auch im Justizausschuss aktiv. Er war auch von 1970 bis 1983 durchgehend im Nationalrat. Man

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