The People's Scrum: Revolutionäre Ideen für den agilen Wandel
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About this ebook
Der Leser findet in 39 Essays viele Denkanstöße, Ideen und praktische Hinweise zu Agilität und Scrum mit den drei zentralen Themen: "Menschen", "Prozesse" und "Kultur". Hierbei geht es gleichermaßen um das Individuum, um Selbstorganisation, technische Schulden und Aufwandsschätzung wie um Firmenpolitik und die Agilität großer Organisationen.
Die Essays spiegeln ein breites Spektrum von Denkansätzen und Vorgehensweisen wider: Sie wurzeln im Pragmatismus oder Idealismus, gründen auf Erfahrung oder entspringen abstraktem Denken. Teils beziehen sie sich aufeinander, teils widersprechen oder ergänzen sie sich. Dabei nehmen die Autoren in Form von persönlichen Erfahrungsberichten und Anekdoten immer wieder eine kritische Sichtweise ein. Dadurch wird auch der Leser ermutigt, seine Handlungsweisen und Entwicklungspraktiken im Projektmanagement, in Arbeitsprozessen sowie in der Firmenpolitik kritisch zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.
Die 2. Auflage wurde vollständig überarbeitet und in zahlreichen Aspekten ergänzt.
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Book preview
The People's Scrum - Tobias Mayer
Tobias Mayer ist ein langjähriger Bürger der Agilen Welt, ein Schriftsteller, Mentor, Lehrer und Vortragender. Er hat sich der Befreiung der Arbeitswelt verschrieben und darüber denkt er oft nach, äußert sich dazu, publiziert und bietet Workshops zu Graswurzelinitiativen an. Tobias schaut auf eine abwechslungsreiche und wilde Vergangenheit zurück, inklusive vieler Jahre als Softwareentwickler und Tester. Er ist kontinuierlich auf der Suche nach einem integrierten Leben.
Olaf Lewitz hat sich vom Programmierer zum Chef zum Berater zum Coach entwickelt und dann den Trust Artist als seine Berufung entdeckt. Mit Christine Neidhardt gründete er die TrustTemenos Leadership Academy. Sie helfen Führungskräften, für sich selbst das zu entdecken und zu erleben, was sie für andere schaffen möchten. In dieser Arbeit mit sich wandelnden menschlichen Systemen integriert Olaf seine Leidenschaften: Freiheit, geteilte Macht und Respekt für menschliches Drama.
Urs Reupke ist Berater, Trainer und Coach für Agilität bei it-agile. In fast 15 Jahren Erfahrung mit Agilität hat er gelernt, dass Miteinander, Prozess und Technik Hand in Hand gehen müssen, damit das Ergebnis stimmt.
Heute gibt er diese Erfahrung weiter und hilft Unternehmen aller Größen, elegante Lösungen für ihre strukturellen Probleme zu finden.
Sandra Reupke-Sieroux ist seit 2010 agile Beraterin bei it-agile. Ende der 90er wurde sie während ihres Mathematikstudiums mit dem »agilen Virus« infiziert. Seither hat sie begeistert in zahlreichen kleinen und großen Projekten agile Entwicklungspraktiken und -werte gelebt und weitergetragen. Heute liegt ihr Hauptaugenmerk auf agiler Organisationsentwicklung.
Tobias Mayer · Olaf Lewitz · Urs Reupke ·
Sandra Reupke-Sieroux
The People’s Scrum
Revolutionäre Ideen für den agilen Wandel
2., überarbeitete Auflage
Lektorat: Miriam Metsch, Christa Preisendanz
Übersetzung: Olaf Lewitz, Urs Reupke, Sandra Reupke-Sieroux
Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg
Satz: Birgit Bäuerlein
Herstellung: Susanne Bröckelmann
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de
Druck und Bindung: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
2., überarbeitete Auflage 2018
Copyright © der deutschen Ausgabe 2018 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17 • 69123 Heidelberg
Die 1. Auflage der deutschen Übersetzung ist 2015 unter dem Titel »Des Volkes Scrum: Revolutionäre Ideen zur Agilen Umgestaltung« bei Dymaxicon als Kindle Edition erschienen.
Autorisierte Übersetzung der amerikanischen Originalausgabe mit dem Titel »The People’s Scrum« von Tobias Mayer, erschienen bei Dymaxicon, San Francisco, CA, ISBN 978-1-937965-15-0, www.dymaxicon.com, Copyright © 2013
Authorized translation from the American language edition, entitled »The People’s Scrum« by Tobias Mayer, published by Dymaxicon, San Francisco, CA, ISBN 978-1-937965-15-0, www.dymaxicon.com, Copyright © 2013.
Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.
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Scrum ist anstrengend und befreiend
Produkte sind heute erfolgreich, wenn sie begeistern. Häufiges, direktes Feedback macht das einfacher. Mit Scrum entwickeln wir Produkte in kleinen Schritten.
Scrum stellt die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Scrum wirkt gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Es befreit uns. Mit Scrum kommunizieren wir auf Augenhöhe.
Wir arbeiten in Scrum mit funktionsübergreifenden Teams, die sich selbst organisieren. Mit Vertrauen und Verbindlichkeit fördern wir jeden und jede und nutzen ihre Beiträge bestmöglich.
Wir entwickeln unser Produkt in kleinen, wertvollen Portionen, die wir direkt ausliefern. Dadurch können wir es uns leisten, zu experimentieren, und erfahren regelmäßig mehr über die Bedürfnisse aller. So maximieren wir den Ertrag und den Spaß bei der Arbeit.
Scrum nutzt bewährte Praktiken, inspiriert von Lean Thinking und empirischer Prozesskontrolle. Es passt zu unserer immer ungewisseren und schwerer vorhersehbaren Welt; es eignet sich für riskante, komplexe, kleine und große Vorhaben.
Scrum erlaubt uns zu erkennen, wo in unserer Organisation noch Verschwendung, Politik¹, Unterdrückung und andere Mängel die Entwicklung hemmen. Wir haben die Möglichkeit, diese Unzulänglichkeiten zu beheben, um die beste Organisation zu werden, die wir sein wollen.
Scrum ist so transparent und befreiend, dass es viele Organisationen in der Anwendung anstrengt. Diese Anstrengung auszuhalten und sich durch sie zu verbessern, ist Erfolg versprechender, als Scrum anzupassen und nur teilweise einzusetzen.
Scrum ist ein Katalysator des Wandels, keine Lösung. Als Menschen können wir uns nur selbst ändern, nicht andere. Unser Wandel lädt andere zum Wandel ein. In hierarchischen Organisationen wird der Wandel schneller und leichter sein, wenn er von oben gewollt und geführt ist.
Iterative und inkrementelle Entwicklung lädt uns ein, schwierige Dinge einfacher zu gestalten, weil wir sie häufiger tun. Damit ändert sich die technische Umsetzung auf der einen und der Dialog mit Kunden und Anwendern auf der anderen Seite.
Scrum ermuntert uns, weniger auf Vorhersagen zu vertrauen, sondern mutig zu experimentieren. Es lässt uns unseren Kontext aktiv beeinflussen, anstatt zu reagieren. Die leidenschaftliche Beteiligung aller Menschen an der Entwicklung der Produkte, der Organisation und ihrer Umgebung wird dabei gefördert.
Scrum hilft uns, Gewohnheiten infrage zu stellen. Es befreit uns von Zwängen und schafft so neue Wahlmöglichkeiten. So können wir immer neue Optionen zur Wertschöpfung erkennen und nutzen.
Loslassen des Bewährten erfordert Anerkennung. Reflektieren und Experimentieren bedürfen der Verzeihung. Scrum fördert und fordert eine Kultur der Wertschätzung und des Vertrauens. Wir behandeln Menschen als Erwachsene.
Inspiriert von Ken Schwaber, Scrum is hard and disruptive, 2006²
Geleitwort
Zuerst habe ich Tobias als jemanden wahrgenommen, der alles anders macht. Der sich nicht um Konventionen schert. Der hinterfragt. Den der große Ken Schwaber hinausgeworfen hat, weil er es gewagt hat, über die Weiterentwicklung von Scrum zu reden. Er hat damals Scrum 2.0 gesagt. Später wurde er – wie man hörte nach einem Vieraugengespräch – wieder in Gnaden aufgenommen.
Dann war er Creative Director im Board der Scrum Alliance, nachdem Ken Schwaber die Scrum Alliance im Streit verlassen hatte – dummerweise war er gleichzeitig für den zentralen Prozess zuständig: wie man akkreditierter Scrum-Trainer wird und bleibt. Das politischste und umstrittenste Thema der Scrum Alliance überhaupt. Das funktionierte nicht und Tobias ging wieder.
Inzwischen ist er wieder in der Scrum Alliance als Trainer aktiv. Scrum und die Agilität lassen ihn offensichtlich nicht los. Wie erwartet eckt er wieder an: Seine Ansichten kreisen um Menschen, nicht um Prozesse. Er stemmt sich gegen Standardisierung, bleibt ein Advokat der Kreativität und wehrt sich vehement dagegen, die Verbindung mit den agilen Werten, seinem Wertesystem, zu verlieren.
Ich bin fest davon überzeugt, dass das ein Resultat seiner Erfahrungen ist: Wer einmal als Sozialarbeiter die dunkle Seite gesehen hat, der kann nicht mehr Menschen als Ressourcen abstrahieren. Und wer im Theater gesehen hat, wie Kreativität entsteht, ist viel sensibler für die Versuchung, den Entwicklungsprozess zu taylorisieren.
Tobias hat für mich den Code geknackt, wie man Scrum, das für mich ursprünglich ein für Anfänger kompatibles Paket von Praktiken war, auf einer höheren Ebene beschreibt – auf eine höhere Ebene hebt. Für ihn ist Scrum nicht einfach ein Werkzeug oder gar ein Prozess, sondern fast eine Lebensweise und gleichzeitig verliert er nie die Verbindung zu der pragmatischen, nützlichen Seite von Scrum.
Ich hatte das Glück, eine Konferenz-Session von Tobias mitzuerleben. Er redete über die Seele von Scrum (im Wesentlichen der Inhalt des gleichnamigen Kapitels in diesem Buch). Er schafft es darin, gleichzeitig den Kern der Abläufe zu erklären, auf ihre Wurzeln zu verweisen, die Abläufe mit Werten zu verknüpfen und dabei auch nicht einmal belehrend zu werden. Ich versuche mir das in meinen Scrum-Trainings immer als Vorbild zu nehmen, diesem Ideal näherzukommen. Die Präzision und Leichtigkeit von Tobias werde ich aber niemals erreichen.
Das sind die beiden Seiten, die für mich dieses Buch so wunderbar machen. Tobias scheint dabei als Mensch durch, der Erfolg hat und dabei niemals die Schere in seinen Kopf lässt, sondern immer seine menschliche Sicht behält. Auf der anderen Seite schafft er es, spielerisch, fast nebenbei die zentralen Prinzipien und Zusammenhänge so präzise zu erklären, dass man es kaum bemerkt.
Krishan Mathis
München, August 2017
Vorwort
Olafs Geschichte
Ich lernte Tobias Mayer 2009 beim Scrum Gathering in München kennen; er hatte gerade die Position als Creative Director der Scrum Alliance übernommen. Ich hoffte, dass er diese Organisation erneuert, die mir schon damals zu sehr auf Gewinn bedacht war. Tobias inspirierte uns in den Pausen mit lehrreichen interaktiven und körperlichen Übungen. Er war ein Querdenker, unerschütterlich in seinem Fokus auf die Menschen. Ich bewunderte seinen Mut, zu polarisieren, und die Offenheit, mit der er Missstände ansprach, die seiner Vision von Freiheit und Menschlichkeit im Wege standen.
Mit neun Zeitzonen zwischen uns trafen wir uns nur wenige Male wieder. Twitter ermöglichte uns, in Kontakt zu bleiben. Wir wurden Freunde. Wir rieben uns an ähnlichen Dingen und teilten viele Ziele und Wünsche. Sein Beispiel gab mir Kraft, vom Unwillen zum Widerstand und weiter zur Führung zu kommen, auf meine Fähigkeiten und Instinkte zu vertrauen und nicht nachzugeben.
Als er 2013 The People’s Scrum veröffentlichte, schrieb er mir: »Ich möchte, dass mein Buch ins Deutsche übertragen wird. Ich kann mir dafür keinen Besseren vorstellen als Dich.« Heute, vier Jahre später, kann ich diese Aussage annehmen, ehrliche Dankbarkeit und Stolz empfinden. Damals konnte ich dieses Kompliment nicht an mich heranlassen … Aber natürlich fühlte ich mich geehrt und habe mich der Herausforderung gestellt.
Wie Tobias bin ich ein geborener Agilist. Ich musste nie Software nach einer festgelegten Spezifikation schreiben und habe nie in einem Projekt gearbeitet, in dem andere vorher die ganze Arbeit im Detail geplant hatten. Ich habe von »Software Engineering«¹ immer nur gelesen. Als Kent Beck und andere Ende der Neunziger auf dem C2-Wiki XP² entwickelten, atmeten meine Kollegen und ich erleichtert auf: »Endlich schreibt mal jemand auf, wie man wirklich Software entwickelt!«
Im Jahr 2000 wurde ich Entwicklungsleiter in Hamburg. Meine Kollegen hatten zur Begrüßung eine Leiter neben meinen Stuhl gestellt – ich war verunsichert. Ich hatte viel Leidenschaft, aber keine Lust, jemandem zu sagen, was er machen soll. Ich hatte auch keine Ahnung wie. Mein Vater hat mir eine rebellische Ader vererbt, Regeln und Anweisungen inspirieren mich zum Widerstand. Und jetzt sollte ich jemandem etwas vorschreiben?
Ich fand XP toll und führte es als Methode ein. Mein Boss fand das seltsam, aber er vertraute uns. Wir waren erfolgreich, bis die Investoren in einem politischen Ränkespiel den Boss durch zwei Jungspunde ersetzten und ein paar Monate später ihr Geld aus der Firma nahmen. Einer der Jungspunde war ich. Dreißig, Boss und keine Ahnung, wie das geht. Ein großes Herz, Mut und eine Gewissheit: Du darfst niemanden fragen, denn du bist ja der Boss. Schwäche zeigen ist nicht.
Ich habe eine Menge Empathie für Manager.
Mein nächster Boss war sehr ehrlich: »Ich kann Sie nur einstellen, wenn Sie im ersten Jahr mehr Geld einbringen, als Sie mich kosten. Sie müssen als Berater zum Kunden gehen.« Diese Erfahrung hat mich der Illusion beraubt, ich sei introvertiert. Sie hat mir auch bewusst gemacht, dass ich etwas ändern kann, dass die meisten Menschen sich das nicht zutrauen. Und dass Agilität wirklich funktioniert und Menschen befreien kann.
Ich lernte 2009 in München nicht nur Tobias kennen, sondern auch Mike Sutton, Rachel Davies, Andrea Tomasini, … Ich war unter Gleichgesinnten. Ich fand Freunde. Ich ging in der agilen Community auf. I had found my tribe³.
Ich wurde neugierig auf Coaching. Ich vernetzte mich und lernte, wurde neugieriger und lernte mehr. Ich gewann Klarheit über meine Berufung: Menschen Vertrauen schenken. Vertrauen in sich selbst, in andere, um neue Möglichkeiten zu erkennen, die Freiheit zu wagen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Ich fand meinen Weg als Trust Artist.
Tobias’ Angebot hat mich geehrt, riesig gefreut und völlig überfordert. Ich hatte mich gerade selbstständig gemacht. Die Übersetzung kam schleppend voran. Im Februar 2014 traf ich Alan Cyment bei der Play4Agile⁴. Ein Rebell und Menschenfreund wie Tobias und ich und der Autor der spanischen Version dieses Buches. Er inspirierte mich zu tun, was ich dauernd anderen empfehle: Ich bat um Hilfe! Sandra und Urs waren spontan interessiert, Alan gab uns ein paar Tipps … Innerhalb der ersten Woche dieser Teamarbeit stieg die Anzahl übersetzter Essays von 9 auf über 20: Ich hatte mehr geschafft als in dem Dreivierteljahr zuvor. So sehr kann ein Team die Produktivität steigern. :-)
Wir lernten, wie wir uns gut ergänzen, wer welche Stärken und Schwächen hat und wie wir diese ausgleichen. Den größten Einfluss auf meine Produktivität hatte die simple Tatsache, dass ich nicht mehr allein war: Ich wusste, jemand liest,