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Höllisches Intermezzo
Höllisches Intermezzo
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Höllisches Intermezzo

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About this ebook

Was geschieht, wenn ein gefallener Engel Alkohol und Drogen missbraucht, um Luzifers Gegenwart zu ertragen? In Azzaels Fall der Super-GAU: Er verfängt sich im Netz einer begehrenswerten Vertreterin der verhassten Spezies Mehlfratze. Nicht genug, dass die Vampirin ihm die heißeste Nacht seines Daseins auf Erden beschert – nein, durch sie gehen Luzifer obendrein ein paar ergatterte Seelen durch die Lappen. Ehe er sich versieht, landet sein Mädchen damit auf der Abschussliste des Teufels, also quasi auf seiner eigenen Agenda. Mit losem Mundwerk und triefendem Sarkasmus balanciert Azzael fortan auf dem schmalen Grat zwischen Loyalität, Verrat, Liebe und der Omnipräsenz seines Bosses. Der ist zwar wegen des G2-Gipfels mit Gott nicht ganz bei der Sache, doch reicht das aus, um den Teufel zu überlisten?
LanguageDeutsch
Release dateMay 26, 2017
ISBN9783946376309
Höllisches Intermezzo

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    Book preview

    Höllisches Intermezzo - Bo Leander

    Inhaltsverzeichnis

    Höllisches Intermezzo

    Impressum

    Über die Autorin

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Danksagung

    Höllisches Intermezzo

    Bo Leander

    Impressum

    Bo Leander

    Höllisches Intermezzo

    ISBN

    978-3-946376-30-9 (ePub)

    978-3-946376-31-6 (mobi)

    978-3-946376-29-3 (Softcover)

    Copyright © 2017 by Lysandra Books Verlag

    Lysandra Books Verlag

    Inh. Nadine Reuter

    Overbeckstr. 39

    01139 Dresden

    www.lysandrabooks.de

    Coverdesign/Umschlaggestaltung: Takezo Graphic Dirk Schröck, www.takezo-design.de;

    Fotos via Depositphotos http://de.depositphotos.com (I_g0rZh, sborisov, dundanim)

    Lektorat/Layout/Satz: Lysandra Books Verlag

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Lysandra Books Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung - auch auszugsweise - durch Film, Funk, Fernsehen, elektronische Medien und sonstige öffentliche Zugänglichmachung.

    Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    Kurzvita:

    Bo Leander, 1975 in Berlin geboren, reiste einige Jahre als Choreographin umher. Der Liebe wegen verschlug es sie nach Gran Canaria, wo sie seit sechs Jahren mit Mann und Kind lebt. Während ihres Journalismus-Studiums hat sie sich mit dem Schreibvirus infiziert. Seither ist sie nicht mehr zu bremsen und widmet ihre freie Zeit dem Schreiben, vorzugsweise Romantasy mit einem Schuss Humor und einem Hauch Erotik. Unter ihrem zweiten Pseudonym Ava Blum schreibt sie Liebesromane und romantische Fantasy für Jugendliche.

    https://www.facebook.com/ava.blum.5

    Kapitel 1

    Jenseits von Gut und Böse fläzte Azzael auf einer samtroten Chaiselongue in der Villa des Teufels und stieß Rauchkringel in die Luft. Den Kopf auf der Armlehne abgelegt, sah er andächtig ihrem wabernden Tanz hinterher, während er sich seinem Rausch hingab.

    Wie aus dem Nichts erschien Luzifer mit versteinerter Miene in seinem Sichtfeld - nichts weiter als eine Halluzination aufgrund des exzessiven Drogenkonsums. Azzael blinzelte ein paar Mal hintereinander, um das Trugbild loszuwerden.

    Porca Miseria! Noch immer umwölkten Schwaden Luzifers Antlitz, wichen jedoch augenblicklich zurück, als sie gewahr wurden, mit wem sie es zu tun hatten.

    Der Boss rümpfte die Nase und wedelte theatralisch mit der Hand vor seinem Gesicht. „Schwarzer Afghane", diagnostizierte er und durchbrach damit endgültig Azzaels Kokon aus Stille und Gleichmut.

    Nur mühsam wanden sich Gedanken durch den wirren Nebel in Azzaels Hirn, brachten in Erinnerung, wer er war und wo er sich befand: Luzifers Handlanger, verdammt zur Ewigkeit ... in der ewigen Stadt. Offenbar hatte er mal wieder maßlos übertrieben und sich mit Feenstaub und Dope die letzte Ölung verpasst. Sein Instinkt riet ihm, aus dem Energiesparmodus aufzuwachen, daher wuchtete er sich in eine aufrechte Position und zog gemächlich seine Stiefel vom Polster. Cazzo! Die hässlichen Flecken, die er auf dem roten Samt hinterlassen hatte, waren nicht zu übersehen.

    Ein liebliches Lächeln zupfte an Luzifers Mundwinkeln. „Na, hast du es auch bequem genug, oder soll ich dir vielleicht noch ein zusätzliches Kissen besorgen? Von einem Atemzug zum nächsten verdunkelten sich seine Augen, und seine Stimme schwoll zu einem ohrenbetäubenden Brüllen an. „Anstatt den ganzen Tag auf der faulen Haut und mir auf der Tasche zu liegen, erwarte ich von dir, mir zur Weltherrschaft zu verhelfen! Das Dasein, das du hier fristest, ist eines gefallenen Engels nicht würdig. Wie oft schon habe ich dir ...

    Azzael seufzte innerlich, schloss die Augen und ließ Luzifers Gebrüll wie einen kalten Guss über sich ergehen. Die Laune seines Herrn und Meisters schien nicht die beste zu sein, das konnte nichts Gutes verheißen.

    „Um was geht's denn?" Er bereute die Frage, noch während er sie aussprach.

    „Um was es geht? Wie ein sich entladendes Gewitter donnerte Luzifers Stimme durch den Raum. „Na, sicherlich nicht darum, einen Kokainschmugglerring hochgehen zu lassen und das Zeug zu beschlagnahmen, um es sich dann selbst durch die Nase zu ziehen! Abfällig strich sein Blick über die zahllosen Kokslines, die in Form eines Spinnennetzes über den Glastisch verteilt waren. Luzifer rückte seine Krawatte zurecht und strich sich über sein schütteres Haar. Sein energisches Räuspern vertrieb die hochexplosive Spannung und ermunterte Azzael dazu, den angehaltenen Atem entweichen zu lassen.

    Mit fachmännischer Miene nahm der Boss die Whiskyflasche in beide Hände, drehte sie und las mit hochgezogenen Augenbrauen das Etikett. Azzael saß stocksteif auf der Kante der Chaiselongue und rührte sich nicht, denn er wusste, was es bedeutete, der Häme seines Herrn und Meisters ausgesetzt zu sein.

    „Wie kannst du nur immer diesen Billigfusel trinken? Angewidert verzog Luzifer das Gesicht und stellte die Flasche auf den Glastisch zurück, dass es nur so donnerte. Dann beugte er sich vor und senkte die Stimme, als wolle er ihn in ein Geheimnis einweihen. „Da du ein kreatives Kerlchen bist, wird es dir zur Abwechslung auch einmal gelingen, einen Teufelspakt an den Mann zu bringen.

    Cazzo! Azzael knirschte mit den Zähnen. Nur im Notfall hatte er bisher diesen lästigen Vertreterjob übernehmen müssen. Er war der Mann fürs Grobe und vollends mit seinen betrauten Aufgaben ausgelastet. So beförderte er hauptsächlich die Teufelsbündner ins Jenseits, die sich weigerten, Luzifers Anweisungen zu folgen oder versuchten, ihn hinters Licht zu führen. Meist zwang er sie dazu, Selbstmord zu begehen, wodurch ihre Chancen gegen Null gingen, in den Himmel zu gelangen.

    Angespannt klemmte Azzael sich eine fettige Haarsträhne hinters Ohr und zog zum letzten Mal am Joint, um ihn dann im Aschenbecher auszudrücken.

    „Die Zeiten sind nicht die besten, und mir mangelt es an Untergebenen. Die Hände lässig in die Taschen gesteckt, schlenderte Luzifer um den Glastisch herum. „Ich selbst werde mir ein paar Tage Ruhe gönnen. Du weißt, so kurz vor dem G2 - Gipfel muss ich mit meinen Kräften haushalten.

    Nur zu gut wusste Azzael das. Trotz seiner Fähigkeit, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein, erschien Luzifer bei diesen Treffen ausschließlich in Gottes Gegenwart. Und für ihn selbst bedeutete die Abwesenheit seines Herrn immer Erholung pur.

    „Ach, und Azzael ... Seife wurde nicht erfunden, um sie im Aquarium zu versenken und die Fische ersticken zu lassen, sondern um sich damit zu waschen. Es wäre ratsam, wenn du das so schnell wie möglich beherzigst ... sonst stinkst du mir noch den ganzen Salon voll."

    Luzifer blieb stehen und betrachtete ihn in gespielter Sorge. Er beherrschte die ganze Palette unaufrichtiger Gefühle und konnte Azzael damit bis aufs Blut reizen. „Lass dich doch nicht immer so hängen." Sein Gegenüber schürzte die Lippen, um seinem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen, aber es wirkte eher, als wollte er ein beleidigtes Kleinkind imitieren.

    „Nicht umsonst habe ich dir schon mehrmals angeboten, dich in gewisse Etablissements mitzunehmen, damit du endlich mal aus deiner Lethargie erwachst. Luzifer schlug ihm wohlwollend auf die Schulter. „Die Huren könnten dich bestimmt aus deinem Sumpf des Selbstmitleids ziehen.

    Azzael verdrehte die Augen und stieß einen leisen Seufzer aus. Wie oft hatte er sich diese Litanei schon anhören müssen. Aber in diese Puffs bekamen ihn keine zehn Pferde mehr, nachdem er sich dort vor gut dreihundert Jahren Syphilis zugezogen hatte, die ihm selbst heute noch manchmal zu schaffen machte. Hautausschlag oder stechende Hodenschmerzen plagten ihn dann und verhinderten längeres Sitzen. Als gefallener Engel war er zwar unsterblich, aber noch lange nicht immun gegen Seuchen und auch nicht gegen Schmerz gefeit.

    „Avanti! Avanti!, scheuchte Luzifer ihn mit einer Handbewegung hoch. „Lüpfe dein entzückendes Gesäß und erhebe dich aus deinem Drogenpfuhl.

    Kapitel 2

    Die Nebelschleier über dem See lichteten sich langsam, als Azzael aus dem Dunst heraus ans Ufer glitt. Rings um ihn reckten sich riesige Bäume wie hölzerne Skelette in den Himmel. Er schüttelte sein schwarzes Gefieder und watschelte über die Rasenfläche den Hügel hinauf, bis ein prachtvolles Gebäude im Kolonialstil vor ihm aufragte.

    Es wurde Zeit, das lästige Schwanenkleid abzulegen, bevor ihn jemand dabei beobachten konnte.

    Kurz vor dem beleuchteten Springbrunnen spreizte er seine Flügel und verwandelte sich zurück. Der raue Wind riss an seinem Mantel, dennoch war er froh, seine menschliche Gestalt wiedererlangt zu haben. Nichts war schlimmer, als vierbeinigem Getier schutzlos ausgeliefert zu sein. Azzael presste wütend die Kiefer aufeinander: zu präsent war die Erinnerung an den widerlichen Köter, der ihm bei seinem letzten Auftrag hinterhergehetzt war.

    Mit schweren Schritten folgte er dem von beschnittenen Buchsbaumsträuchern gesäumten Weg, als sich ihm aus heiterem Himmel die Nackenhaare sträubten. Abrupt hielt er inne, denn diese äußerst ungewohnte Empfindung ging immer einher mit einer bösen Vorahnung. Er wandte sich um und blickte zurück auf den See. Just in diesem Moment brach der Vollmond hinter den Wolken hervor und hinterließ eine schimmernde Lichtspur auf dem Wasser.

    Porco dio! Das war kein gutes Omen für seinen bevorstehenden Auftrag! Bei Vollmond wurden die Menschen wankelmütig und ließen sich nicht so schnell etwas aufschwatzen.

    Einen Moment verharrte er noch, dann sog er scharf die Luft ein, konzentrierte sich auf sein Ziel und setzte seinen Weg fort.

    Azzael war Luzifers Wink nachgekommen, sich nach Ewigkeiten mal wieder eine Dusche zu genehmigen. Es war mehr eine Drohung gewesen, schließlich wusste er, was es bedeutete, nicht den gut gemeinten Ratschlägen seines Herrn zu folgen. Eine Woche ohne Fernsehen, Dope und seine Freunde Jimmy und Johnny wäre unerträglich. Nichts widerstrebte ihm mehr als die Welt ohne diesen nebligen Zustand ertragen zu müssen. Wenn er allein an die verliebten Pärchen im Park dachte, die Hand in Hand bei Sonnenschein umherspazierten, wurde ihm schlecht – diese öffentliche Zurschaustellung des Glücks anderer war zu viel für sein sensibles Gemüt.

    Langsam näherte er sich der Terrasse. Leuchtende Kürbisfratzen flankierten den Eingang und musterten ihn mit hämischen Blicken. Warum suchst du dir auch den einzigen Tag im Jahr aus, wo hier der Teufel los ist? schienen sie zu fragen.

    Durch die riesige Fensterfront konnte Azzael den erleuchteten Festsaal erkennen. Lachende Skelette und Gestalten mit Messerattrappen im Kopf schwebten über das Parkett. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie einer Geisterbahn entsprungen. Azzael schnaubte verächtlich. Hoffentlich würde die Angelegenheit rasch erledigt sein. Allein viermal zählte er das Kuttenkostüm mit Scream-Maske. Wie sollte er unter all den Schießbudenfiguren jemals den Hausherren finden?

    Hastig schob Azzael den Ärmel seines Ledermantels hoch. Die Leuchtziffern seiner Armbanduhr zeigten 22:47 Uhr. Er stieß einen gereizten Seufzer aus. Ihm blieben nur noch eine Stunde und dreizehn Minuten zur Erledigung seines Auftrags.

    „Azzael, ich rate dir, die Sache bis Mitternacht abgeschlossen zu haben", äffte er den blasierten Ton seines Herrn nach. Der Gedanke daran ließ ihn innerlich vor Wut kochen. Manchmal behandelte ihn der Boss wie einen dummen Jungen, obwohl Azzael ihm schon tausende Jahre treu zur Seite stand. Selbst als rechte Hand des Teufels war er nicht davor gefeit, im Fegefeuer zu landen.

    Gelächter und die Klänge des Ghostbusters-Songs wehten zu ihm herüber. Azzael knurrte vor sich hin. Wie er dieses lächerliche Lied hasste! Er zog eine Zigarettenschachtel aus seiner Innentasche hervor, sein Blick blieb dabei starr auf einer Person haften. Durch Schnippen von Daumen und Mittelfinger entfachte er aus der Kuppe seines Zeigefingers eine Flamme, um die Zigarette daran zu entzünden. Er nahm einen tiefen Zug. Seine Lunge stach, der Rauch brannte in seiner Brust, dennoch behielt er ihn so lange wie möglich in sich, bevor er ihn durch die Nase ausstieß. Er hatte den Hausherrn entdeckt.

    Der Mann trug einen langen, schwarzen Umhang mit rotem Innenfutter und hohem Stehkragen - Dracula höchstpersönlich. Was für eine Lachnummer. Daneben tanzte ein Bursche eng umschlungen mit einer rothaarigen Hexe und beanspruchte schlagartig Azzaels Aufmerksamkeit, als er ihren Hals fixierte und sich gierig über die Lippen leckte.

    Azzael atmete tief ein, um seinen aufkeimenden Hass unter Kontrolle zu bekommen. Dieser Bursche mit bleichem, hohlwangigem Gesicht und schwarz umschatteten Augen trug kein Kostüm. Die Mehlfratze hatte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und den einzigen Abend im Jahr ausgewählt, an dem er unter Menschen nicht auffiel. Doch für Azzael war er leicht zu durchschauen, denn seine leeren Augen spiegelten seine unstillbare Blutgier.

    Es wäre nicht das erste Mal, dass die Mehlfratzen einen seiner Aufträge durchkreuzten. Im Gegensatz zu ihm zeichneten sich die Vampire nur durch Brutalität und Selbstüberschätzung aus. Er konnte es mit zehn von ihnen aufnehmen, wenn es sein musste. Sie waren nicht mehr wert als Stechmücken, und genauso sollte man auch mit ihnen verfahren. Wenn die Seelen ihrer Opfer wenigstens dem Teufel in seinem Kampf gegen Gott zugutekämen. Aber nein, stattdessen verpufften sie einfach im Nichts. Was für eine Verschwendung!

    Auf das Schicksal des Mädchens konnte er trotz allem keine Rücksicht nehmen. Er hatte einen Auftrag zu erledigen. Was kümmerte ihn das Leid der Anderen? Mitleid war ein Zeichen von Schwäche, und das ganze barmherzige Getue war ihm zuwider. Als gefallener Engel durfte man derlei Sentimentalitäten keine Beachtung schenken. Nicht umsonst hatte er sich seinerzeit dazu entschlossen, Luzifers Reihen beizutreten.

    Lässig schnippte er den Zigarettenstummel in hohem Bogen davon und schritt auf die Fensterfront zu. Er spürte ein Kitzeln im Ohr, schüttelte sich und legte den Kopf schräg, ehe er eine Daunenfeder zum Vorschein brachte. Porca puttana! Es steht ein Unglück bevor. Einen Moment lang starrte er entgeistert auf den schwarzen Flaum, dann wanderte sein Blick auf die spiegelnde Glasfläche. Sein grobschlächtiges Gesicht wirkte durch die Bestürzung, die darüber huschte, geradezu grotesk. Schnell besann er sich und ließ die Feder zu Boden segeln. Dann holte er aus der Brusttasche des Mantels seine Sonnenbrille hervor und setzte sie auf die Nase. Mit gestrafften Schultern trat er durch den Spalt der Terrassentür. Es wäre doch absurd, sich durch abergläubischen Unsinn beeinträchtigen zu lassen.

    Gelächter, Gegröle und das Klirren von Gläsern empfingen Azzael. Er nahm einen tiefen Zug von der stickigen Luft, bevor er sich einen Weg durch die schwatzenden Menschen bahnte. Unzählige Kerzen tauchten den Raum in warmes Licht, die Schatten der Feiernden tanzten an den Wänden.

    Hitze stieg in ihm hoch. Er überlegte, ob er sich erst einmal einen Drink genehmigen sollte.

    Die Zeit musste sein. Er öffnete seinen Mantel, unter dem ein schwarzes T-Shirt mit dem Schriftzug seiner Lieblings-Death-Metal-Band zum Vorschein kam, und stapfte Richtung Bar.

    Niemand beachtete ihn. Auch ohne Kostüm wirkte Azzael wie einer der geladenen Gäste, abgesehen von den Fußabdrücken, die er auf dem weißen Marmor hinterließ und die eindeutig davon zeugten, dass er durch den Garten gekommen war.

    Sein Blick schweifte durch den Raum, um nach Dracula Ausschau zu halten. Da stand er, schöpfte gerade einem Gast im Skelettkostüm blutrote Bowle ins Glas.

    Der Drink musste warten! Ohne den Hausherrn aus den Augen zu lassen, drängte Azzael sich an den Umstehenden vorbei. Unvermittelt wurde er von der Seite angerempelt. Ein als Freddy Krüger Verkleideter mit unverkennbarer Schnapsfahne torkelte und lallte unverständliches Zeug.

    Azzael überkam der unbezwingbare Drang, ihm einen Satz heiße Ohren zu verpassen. Doch es zeugte nicht gerade von Fingerspitzengefühl, die Aufmerksamkeit derart auf sich zu lenken. „Geh mir aus den Augen, Amöbenhirn, oder es qualmt!", blaffte er. Grob stieß er Freddy zur Seite, der daraufhin taumelnd zu Boden ging.

    Etliche Gäste scharten sich um den Betrunkenen, reichten Hände und halfen ihm wieder auf die Beine.

    Azzael verabscheute nichts mehr als eine Ansammlung von hilfsbereiten Menschen.

    Porca Puttana, so eine verdammte Scheiße! Nun hatte er den Gastgeber aus den Augen verloren.

    Sein Blick schweifte umher, bis er ihn neben einer Blondine mit riesiger Fleischwunde im Gesicht entdeckte. Lässig stützte Dracula sich mit einer Hand an der Wand ab und versperrte ihr den Weg. Ganz Mann von Welt plauderte er auf sie ein, ohne dabei ihre prallen Brüste aus den Augen zu lassen.

    Azzael seufzte und nutzte die Zeit, um sich mit den Fingern eine Erdbeere aus dem Bowlegefäß zu fischen. Prompt erntete er einen empörten Blick eines schwabbelgesichtigen Kürbisses.

    „Für dich auch eine?", fragte Azzael zuvorkommend und zeigte ihm sein gewinnendstes Lächeln, worauf der Kürbis schluckte, sich auf dem Absatz umdrehte und die Flucht ergriff.

    Azzael sah wieder zu Dracula hinüber, der die Blondine gerade neckisch in den Po zwickte. Ihrerseits ertönte ein quiekendes Lachen, was den Hausherrn dazu verleitete, mit ihr an der Hand hinter der nächsten Tür zu verschwinden.

    Figlio di puttana! Die Geilheit dieses Hurensohns machte ihm noch einen Strich durch die Rechnung. Azzael eilte hinterher, zwängte sich durch den Spalt und sah gerade noch, wie sie kichernd die dunkle Treppe hochwankten. Vor Ärger ballte er die Fäuste und trat mit dem Fuß gegen die Wand. Bis Mitternacht musste sein Auftrag ausgeführt werden, doch er konnte jetzt unmöglich dazwischengehen. In Begleitung dieses Blondchens würde Dracula ihm keine Beachtung schenken. Es blieb ihm nichts anderes übrig als abzuwarten.

    Azzael setzte seine Sonnenbrille ab und schob sie in die Brusttasche seines Mantels. Wie gewöhnlich passten sich seine Augen den Lichtverhältnissen anstandslos an.

    Schmatz- und Sauggeräusche ließen ihn innehalten. Eine Gestalt trat aus dem Schatten hervor. Das Bleichgesicht von vorhin!

    Die leeren Augen des Vampirs bohrten sich in seine, neben ihm die Rothaarige, mit der die Mehlfratze zuvor getanzt hatte. Ihre Augen starr ins Nichts gerichtet, rutschte sie die Wand hinunter, bevor ihr Körper dumpf auf dem Boden aufschlug. Mausetot lag sie in der Ecke des Treppenhauses, eine beeindruckende Bisswunde klaffte an ihrem Hals.

    Der Vampir fletschte die Zähne, schnellte vor und landete mit einem Sprung neben Azzael. Dessen Arm schoss hervor und fasste den Jungen am Kragen. „Du bist aber ein munteres Kerlchen." Der kleine Scheißer wollte sich tatsächlich mit ihm anlegen, obwohl Azzael ihn um einen Kopf überragte. Fast imponierte ihm sein Übermut.

    „Ich schlage vor, du lässt mich sofort los", sagte der Vampir mit eisigem Blick, ehe er herausfordernd mit dem Handrücken das Blut von den Lippen wischte.

    „Besser, du hörst mit dem Vorschlagen auf, greifst dir das Mädchen und gehst mir aus den Augen, oder es hat sich ein für allemal ausgeschlürft für dich!"

    „Drohst du mir etwa? Ein irres Kichern drang aus dem Mund des Vampirs. „Du wirst meinen Blutdurst bestimmt stillen, Dickerchen.

    Empörung machte sich in Azzael breit. Wie hatte die Mehlfratze ihn genannt? Das ging nun wirklich zu weit. „Ich halte seit vier Jahrhunderten mein Idealgewicht!"

    Ein gehässiges Lachen schlug ihm entgegen.

    „Ok, du hattest deine Chance, jetzt bin ich dran." Ohne zu zögern griff Azzael in seine Seitentasche, zückte seine Klinge und stach sie dem Blutsauger zwischen die dritte und vierte Rippe.

    Das weiße Rüschenhemd des Vampirs färbte sich dunkelrot. Cazzo, das ging einfacher als gedacht! Der Bursche hatte wohl nicht mit einem blitzschnellen Angriff des phlegmatischen Mammuts gerechnet - er kam nicht mal dazu, Piep zu sagen. Öffnete zwar den Mund, gab aber keinen Ton mehr von sich. Stattdessen drang Blut heraus, und er sackte zu Boden.

    Ein Fünkchen Schadenfreude glomm in Azzael auf, und ein hämisches Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Seine Scharade hatte sich einmal mehr ausgezahlt. „Du hast mir gerade meinen Tag versüßt, Stinker!"

    Gut, er musste zugeben, das wäre nicht nötig gewesen. Ihm eine Lektion zu erteilen, hätte auch gereicht. Doch sein Temperament war einfach aus ihm hervorgebrochen.

    „Ich hasse es, mein Messer für Mücken wie dich zu beschmutzen. Angewidert wischte Azzael es am Hemd des Vampirs ab und blickte sich suchend um. „Cazzo, was mach‘ ich jetzt mit dem Milchgesicht? Er schloss die einen Spalt breit geöffnete Tür zum Festsaal und inspizierte den Raum. Als er unter der Treppe eine Tür entdeckte, schulterte er rasch den Vampir, schritt darauf zu und drehte den Knauf.

    Steile Stufen führten hinab in den Keller. Er warf den reglosen Körper hinunter und winkte ihm so lange hinterher, bis er polternd am Fuß der Treppe landete. Danach ging er zur Leiche der Rothaarigen, um mit ihr ebenso zu verfahren.

    Unvermittelt hörte er hinter sich das Knarren der Tür. Ohne Umschweife stellte er das Mädchen auf die Füße, umklammerte es und drückte seinen Mund auf ihre kalten Lippen.

    Ein Lichtstreif fiel in den Flur, Gelächter ertönte von draußen. Einen Augenblick später wurde es wieder ruhig. Dunkelheit umgab ihn, wurde zu seiner Verbündeten, so dass er die Leiche auf gleiche Art im Keller entsorgen konnte, bevor er in den Ballsaal voller Menschen zurückkehrte.

    Jetzt konnte er einen Whisky gebrauchen. Er setzte seine Sonnenbrille wieder auf, stapfte schwer atmend zur Bar und ließ sich auf einem Hocker nieder. Ein herunterhängendes Spinnennetz baumelte vor seiner Nase. Unwirsch zerriss er es, ehe er den als Zombie verkleideten Barkeeper zu sich winkte.

    „Bring mir einen Whiskey, Kumpel." Was sollte er auch sonst mit der verlorenen Zeit anstellen. Während des Wartens starrte er hinter den dunklen Gläsern seiner Ray Ban ins Leere und dachte über den Sinn des Lebens nach. Die Ewigkeit lag noch vor ihm, dabei fühlte er sich jetzt schon des Lebens überdrüssig. Er seufzte wehmütig bei der Erinnerung daran, wie zuversichtlich er gewesen war, als er sich einst Luzifer angeschlossen hatte.

    Mit einem wortlosen Nicken nahm er den Tumbler entgegen und leerte ihn in einem Zug. Wie flüssiges Gold rann die Flüssigkeit seine Kehle hinab und breitete sich wohlig in seiner Brust aus. Als er das Treiben um sich herum beobachtete, kam das starke Bedürfnis nach einer Zigarette in ihm auf. Doch jetzt eine Flamme aus seinem Finger zu entfachen wäre zu auffällig, er musste sich wohl oder übel Feuer besorgen.

    Azzael klemmte eine Strähne seines schwarzen Haares hinters Ohr und näherte sich einer großgewachsenen Frau, die ihm den Rücken zukehrte. Blauer Zigarettendunst umwaberte sie. Er ließ ein vernehmliches Räuspern hören.

    Als sie ihn fragend ansah, klaffte zwar sein Mund auf, aber es war ihm nicht möglich, ein Wort hervorzubringen.

    Ein schwarzer Schleier zierte ihr Gesicht, unter dem rote, schulterlange Haare hervorlugten. Azzael musste bei ihrem Anblick unwillkürlich an Cannabis denken - herb und süß zugleich. Durch die tief ausgeschnittene Korsage, die sie trug, kam ihre Alabasterhaut besonders gut zur Geltung.

    Azzael schluckte trocken, als sein Blick an ihren kirschroten Lippen hängen blieb. Seine Hände wurden feucht, die Zeit stand mit einem Mal still. Nur noch schemenhaft nahm er die Menschen um sich herum wahr.

    Wie versteinert hielt er seine Zigarette zwischen den Fingern, während ihre smaragdgrünen Augen ihn unverhohlen musterten. Eine ihrer geschwungenen Brauen ging prüfend

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