Eine dreiste Entführung: Der kleine Fürst 186 – Adelsroman
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Es ist so schön, wieder einmal hier zu sein«, sagte Angelika Gräfin Maritz, als sie an diesem sonnigen Wintertag mit ihrer Schwester, Baronin Sofia von Kant, durch den Sternberger Schlosspark spazierte. »Ich liebe meine Arbeit, das weißt du, aber ich muss gestehen, dass ich euch alle in den vergangenen Monaten sehr vermisst habe.«
Angelika war eine bekannte Archäologin, die mit ihrem Team zurzeit eine alte Inkastadt in Peru freilegte, nicht nur in Fachkreisen eine Sensation. Früher hatten sich Sofia und Angelika nicht gut verstanden, doch das letzte Jahr hatte ihre Beziehung zueinander verändert. Sofia hatte erfahren, dass Angelika im Alter von siebzehn Jahren heimlich ein Kind zur Welt gebracht hatte. Nur die Großeltern hatten ihr dabei geholfen, die übrige Familie war nicht eingeweiht gewesen. Dieses Erlebnis hatte Angelikas weiteres Leben und auch ihren Charakter geprägt, verständlicherweise.
Im letzten Jahr nun hatte sie ihre Tochter wiedergefunden, die seinerzeit sofort zur Adoption freigegeben worden war – oder besser: Ihre Tochter hatte sie gefunden, nachdem ihre Adoptiveltern beide verstorben waren. Sie hieß Isabella von Bolanden und war eine sehr schöne und kluge junge Frau geworden, ebenfalls Archäologin. Und nicht nur sie war jetzt ein Teil von Angelikas Leben, sondern auch ihre Jugendliebe Clemens von Hasselfeld, Isabellas Vater. Es war eine langwierige Familienzusammenführung gewesen, die nun mit einer Doppelhochzeit auf Sternberg ihren Höhepunkt finden sollte: Angelika und Clemens würden heiraten, ein gutes Vierteljahrhundert nach ihrer durch seine Eltern erzwungenen Trennung, und Isabella würde ihrem Verlobten Ulrich von Thakhen das Ja-Wort geben.
»Wir haben euch auch vermisst«, erwiderte
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Book preview
Eine dreiste Entführung - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 186–
Eine dreiste Entführung
Es geschah unter den Augen einer schönen Frau
Viola Maybach
»Es ist so schön, wieder einmal hier zu sein«, sagte Angelika Gräfin Maritz, als sie an diesem sonnigen Wintertag mit ihrer Schwester, Baronin Sofia von Kant, durch den Sternberger Schlosspark spazierte. »Ich liebe meine Arbeit, das weißt du, aber ich muss gestehen, dass ich euch alle in den vergangenen Monaten sehr vermisst habe.«
Angelika war eine bekannte Archäologin, die mit ihrem Team zurzeit eine alte Inkastadt in Peru freilegte, nicht nur in Fachkreisen eine Sensation. Früher hatten sich Sofia und Angelika nicht gut verstanden, doch das letzte Jahr hatte ihre Beziehung zueinander verändert. Sofia hatte erfahren, dass Angelika im Alter von siebzehn Jahren heimlich ein Kind zur Welt gebracht hatte. Nur die Großeltern hatten ihr dabei geholfen, die übrige Familie war nicht eingeweiht gewesen. Dieses Erlebnis hatte Angelikas weiteres Leben und auch ihren Charakter geprägt, verständlicherweise.
Im letzten Jahr nun hatte sie ihre Tochter wiedergefunden, die seinerzeit sofort zur Adoption freigegeben worden war – oder besser: Ihre Tochter hatte sie gefunden, nachdem ihre Adoptiveltern beide verstorben waren. Sie hieß Isabella von Bolanden und war eine sehr schöne und kluge junge Frau geworden, ebenfalls Archäologin. Und nicht nur sie war jetzt ein Teil von Angelikas Leben, sondern auch ihre Jugendliebe Clemens von Hasselfeld, Isabellas Vater. Es war eine langwierige Familienzusammenführung gewesen, die nun mit einer Doppelhochzeit auf Sternberg ihren Höhepunkt finden sollte: Angelika und Clemens würden heiraten, ein gutes Vierteljahrhundert nach ihrer durch seine Eltern erzwungenen Trennung, und Isabella würde ihrem Verlobten Ulrich von Thakhen das Ja-Wort geben.
»Wir haben euch auch vermisst«, erwiderte die Baronin, »aber ich sage dir: Sei froh, dass du nicht hier warst. Wir hatten ja wieder einmal unruhige Zeiten.«
»Du meinst die Sache mit eurem Stallmeister?«
Sofia stieß einen Seufzer aus. »Zum Glück arbeitet Herr Wenger wieder, und er hat alles so gut im Griff wie zuvor, aber wir haben uns große Sorgen um ihn gemacht. Ein Hirntumor ist eine ernste Sache, und es war ja nicht nur das.«
Angelika war über alles im Bilde, die Schwestern hatten regelmäßig miteinander telefoniert. »Ich weiß«, sagte sie daher. »Er sollte ja auch noch erpresst werden, dann die Diebstähle und der Anschlag auf euer teuerstes Pferd. Wenn man weit entfernt ist, klingt das natürlich eher nach Abenteuer, aber wenn man mittendrin steckt, ist es sicherlich schrecklich.«
»Ja, deshalb denke ich möglichst wenig daran zurück, aber ich weiß, dass auch Fritz sich immer noch Sorgen macht, ob Herrn Wenger die Arbeit nicht zu viel wird. Wir wollen ihn auf keinen Fall verlieren.«
»Was macht denn seine Verlobte? Du hattest mir doch erzählt, dass es bei euch eine überraschende Verlobungsfeier gegeben hat, nachdem Herr Wenger aus der Klinik entlassen worden war.«
»Ja, er hat sich in Annina von Helsingfors verliebt, die wir als seine Vertretung engagiert hatten, weil wir sie gut kannten und ihr zutrauten, die Aufgabe zu bewältigen. Und sie hat sich in ihn verliebt, obwohl es zunächst nicht danach aussah. Wir haben ihnen angeboten, dass sie beide hier im Gestüt arbeiten können, aber das haben sie ausgeschlagen. Annina hat eine andere Stelle gefunden, hier in der Nähe. Sie meinten, so sei es besser. Jedenfalls tut es Herrn Wenger gut, dass er jetzt auch sein privates Glück gefunden hat. Er ist gelassener als vorher. Immer noch streng, sagen seine Leute, aber er ist zugänglicher geworden. Vorher hat er immer sehr darauf geachtet, Distanz zu wahren, jetzt sieht man ihn gelegentlich sogar lachen.«
»Das klingt doch alles nach einem guten Ende der Geschichte«, stellte Angelika fest.
»Ja, und deshalb freuen wir uns ja auch so, dass wir jetzt endlich wieder einmal ein rauschendes Fest im Schloss feiern können. Es ist lange her seit dem letzten Mal.«
Angelika blieb stehen. Früher hatte sie eher strenge Züge gehabt, doch seit sie Clemens wieder begegnet war und, nach anfänglichem Zögern, eine enge Beziehung zu ihrer Tochter entwickelt hatte, war ihr schmales Gesicht weicher geworden. Sie hatte viel von ihrem Egoismus und ihrem herrischen Verhalten abgelegt. Ohne beides wäre sie wohl niemals so erfolgreich auf ihrem Gebiet geworden, doch jetzt hatte sie es nicht mehr nötig. Sie ruhte in sich, und seitdem verstand sie sich auch mit Sofia.
Sie hängte sich bei ihrer Schwester ein. Sie waren zwar beide blond, sahen sich aber nicht ähnlich. An Sofia war, anders als bei Angelika, alles rund, auch ihr hübsches Gesicht, das von blonden Locken eingerahmt und von den lebhaften blauen Augen beherrscht wurde.
»Am Samstag heiraten wir, Clemens und ich«, sagte Angelika verträumt. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Als ich damals nach Isabellas Geburt wieder nach Hause kam, traumatisiert und vollkommen durcheinander, und dann denken musste, dass er mich vergessen hatte … Ich glaube, das war das Schlimmste von allem. Schlimmer noch als die Geburt und der Moment, als ich Isa hergeben musste.«
»Dabei hat seine Mutter dahintergesteckt, aber das konntest du ja nicht wissen.«
Angelika schüttelte den Kopf. »Ihn nach China zu Verwandte zu schicken! Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Aber ich habe trotzdem Glück gehabt, dass ich damals so schnell meinen Grafen gefunden habe. Er liebte mich und hat alles für mich getan. Ich habe aufrichtig um ihn getrauert, er ist viel zu früh gestorben.«
Angelika hatte als sehr junge Frau den Grafen Maritz geheiratet, vor allem, wie sie jetzt freimütig zugeben konnte, um von ihrer Familie wegzukommen: Den Eltern, die nichts von ihrer ältesten Tochter wussten und ihre Nöte nicht sahen oder sehen wollten, und den beiden jüngeren Schwestern, die enge Freundinnen waren und sie, die Ältere, von allen gemeinsamen Unternehmungen ausschlossen.
Sofia fragte sich noch immer, wie es möglich war, dass sie und ihre Schwester Elisabeth, die spätere Fürstin von Sternberg, nicht gemerkt hatten, was mit Angelika los war, dass sie sich so bereitwillig hatten täuschen lassen. Als die Großeltern auf der Reichenau Angelika zu sich genommen hatten, war sie doch mindestens im fünften Monat gewesen! Doch sie erinnerte sich nur noch sehr vage und durchaus ungern an diese Zeit, wusste sie doch jetzt, wie sehr Angelika sich als Außenseiterin gefühlt hatte den beiden jüngeren Schwestern gegenüber.
»Ja, dein Mann war ein Glück für dich. Damals haben wir uns alle gewundert, dass du so früh heiratest, wo du doch so ehrgeizig warst und wir alle gedacht haben, du machst eine blendende Karriere.«
»Das wollte ich ja auch, aber zuerst musste ich weg von euch und von unseren Eltern.« Angelika drückte Sofias Arm. »Ich bin froh, dass wir heute offen über früher sprechen können. In mir hatte sich so viel Unglück und Verzweiflung angesammelt, aber auch Neid und Missgunst. Es wurde höchste Zeit, das