Duell mit dem Teufel: Klaus Störtebeker 10 – Abenteuerroman
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Der Sturm hatte sich ausgetobt, als der »Rote Teufel« die Schärenbucht an der jütländischen Küste verließ. Dort hatten Klaus Störtebeker und seine Mannschaft in sicherer Hut abgewartet, bis sich das Unwetter legte. Haushoch waren die Wellen gegangen, hatten als Brecher krachend gegen die felsige Küste geschlagen. Die Gischt war bis hoch in den Himmel geschäumt, von einem rauhen und heulenden Wind getragen, der an Wotans wilde Jagd erinnerte.
Es war ein schweres und grauenvolles Unwetter gewesen.
Nun lag die vorher tobende See wieder ruhig, und jeder wußte, daß sie oft ihr Gesicht wandelte. Nordsee, Mordsee wurde sie nicht von ungefähr genannt.
»Schönes Wetter, Gerrit«, sagte Störtebeker zu seinem Bootsmann Gerrit Wigbald, der für ihn durchs Feuer ging. »Und ein günstiger Wind. Wir werden das Skagerrak bald erreichen, wo Goedecke Micheel und die anderen auf uns warten. Dann suchen wir uns ein bequemes Winterquartier.«
»Ich dachte, du willst rasch wieder zurück nach Strand, wo Beret auf dich wartet?« fragte der Bootsmann, der wie Störtebeker einen wetterfesten Wams trug und enge Kniehosen und hohe Stiefel anhatte.
Das Schwert, das Wahrzeichen des freien und wehrhaften Mannes, hing ihnen an der Seite. Störtebeker steuerte die Kogge mit dem hohen Mast, den das Krähennest, der Ausguck, krönte.
Am Mast oben flatterte ein neutraler Wimpel, der einen Adlerkopf zeigte. Den Totenkopf mit den zwei gekreuzten Knochen, die Piratenflagge, mußte man nicht unbedingt gleich vorweisen.
»Ja«, antwortete Störtebeker auf Wigbalds Frage, »es zieht mich zurück zu Beret und ihrer Sippe. Ich kann sie nicht ohne Schutz lassen. Aber zuerst muß ich mit Goedecke und
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Duell mit dem Teufel - Gloria von Felseneck
Klaus Störtebeker
– 10 –
Duell mit dem Teufel
Gloria von Felseneck
Der Sturm hatte sich ausgetobt, als der »Rote Teufel« die Schärenbucht an der jütländischen Küste verließ. Dort hatten Klaus Störtebeker und seine Mannschaft in sicherer Hut abgewartet, bis sich das Unwetter legte. Haushoch waren die Wellen gegangen, hatten als Brecher krachend gegen die felsige Küste geschlagen. Die Gischt war bis hoch in den Himmel geschäumt, von einem rauhen und heulenden Wind getragen, der an Wotans wilde Jagd erinnerte.
Es war ein schweres und grauenvolles Unwetter gewesen.
Nun lag die vorher tobende See wieder ruhig, und jeder wußte, daß sie oft ihr Gesicht wandelte. Nordsee, Mordsee wurde sie nicht von ungefähr genannt.
»Schönes Wetter, Gerrit«, sagte Störtebeker zu seinem Bootsmann Gerrit Wigbald, der für ihn durchs Feuer ging. »Und ein günstiger Wind. Wir werden das Skagerrak bald erreichen, wo Goedecke Micheel und die anderen auf uns warten. Dann suchen wir uns ein bequemes Winterquartier.«
»Ich dachte, du willst rasch wieder zurück nach Strand, wo Beret auf dich wartet?« fragte der Bootsmann, der wie Störtebeker einen wetterfesten Wams trug und enge Kniehosen und hohe Stiefel anhatte.
Das Schwert, das Wahrzeichen des freien und wehrhaften Mannes, hing ihnen an der Seite. Störtebeker steuerte die Kogge mit dem hohen Mast, den das Krähennest, der Ausguck, krönte.
Am Mast oben flatterte ein neutraler Wimpel, der einen Adlerkopf zeigte. Den Totenkopf mit den zwei gekreuzten Knochen, die Piratenflagge, mußte man nicht unbedingt gleich vorweisen.
»Ja«, antwortete Störtebeker auf Wigbalds Frage, »es zieht mich zurück zu Beret und ihrer Sippe. Ich kann sie nicht ohne Schutz lassen. Aber zuerst muß ich mit Goedecke und den anderen Kapitänen besprechen, was es im nächsten Frühjahr zu tun gibt und wie wir die Zeit bis dahin verbringen wollen. – Für mich ist es klar.«
»Ist der Schutz, den du der schönen Beret angedeihen lassen willst, der einzige Grund, weshalb du zurück zu der Insel Strand willst?« neckte Gerrit Wigbald den Kapitän.
Störtebeker lächelte in seinen blonden Bart. Er sehnte sich sehr nach Beret, die er nach altem friesischem Ritus geheiratet hatte. Es hatte sich so ergeben, und außerdem war er ihr zugetan. Doch bei ihr bleiben und auf den friesischen Inseln leben konnte er nicht.
Es zog ihn auf See, und er würde ruhelos sein solange er lebte.
Er beantwortete die Frage des Bootsmanns diesmal nicht, er lächelte nur. Er dachte an Berets Liebe, an ihre Leidenschaft. An ihre Wärme und Zärtlichkeit. Wie sich ihre Augen verschleierten, wenn sie sich ihm hingab. An den Klang ihrer Stimme, ihr Lachen, die Art, wie sie sich bewegte oder mit einem Schwung das blonde Haar zurückwarf.
Zuletzt hatte er sie gesehen, als das Schwarze Schiff der tom Brokes, jenes mächtigen friesischen Clans, am Hafen von Strand ablegte. Störtebeker und der Schiffsjunge Hajo, den es mit ihm nach Strand verschlagen hatte, waren an Bord gewesen. Und Beißer, der Bastardhund, mit dem sich Störtebeker auf Strand anfreundete.
Beret hatte ihm nachgeschaut, die Häuser des Dorfs Brokebüll und den Himmel mit den ziehenden Wolken hinter sich. Stolz und einsam war sie ihm erschienen, doch er konnte sich denken, wie sie die Trennung schmerzte. Das Schwarze Schiff, das geheime Piratenschiff der tom Brokes, brachte Störtebeker nach Jütland, wo ihn der »Rote Teufel«, sein Schiff, erwartete.
Eigentlich war alles anders geplant gewesen, hatte er einen Hamburger Kauffahrer den Likedeelern in die Hände spielen wollen. Doch nun war es anders gekommen. Der Abschied von Keno tom Broke, dem rauhen Friesenhäuptling, seinem wenn auch nicht nach kirchlicher und Reichssitte Schwiegervater, war rauh und herzlich gewesen.
»Laß dich bald wieder sehen, Klaus«, hatte ihm der Hüne Keno gesagt und seine derbe Faust auf seine Schulter krachen lassen. »Bei uns hast du immer einen Platz.«
»Genau wie am Galgen.«
Mit rauhem Gelächter trennten sie sich. Acht Tage war das nun her. Nach dem Treffen mit seinen Gefährten im Skagerrak wollte Störtebeker zurück auf die Insel Strand, um dort bei Beret und seinen Verwandten den Winter zuzubringen. Wer ihm von seiner Mannschaft dabei Gesellschaft leisten wollte, konnte das.
Die meisten würden jedoch in eins der Seeräubernester an der schwedischen Küste wollen oder an der deutschen, um dort in Saus und Braus mit Marketenderware und käuflichen Frauen ihr Beutegut zu verprassen. Bei den Friesen auf Strand ging es weniger ausschweifend zu.
Störtebeker rechnete also damit, den »Roten Teufel«, sein Stammschiff, nur notdürftig besetzen zu können. Im Frühjahr konnte er seine Mannschaft dann wieder aufstocken oder die alten Kameraden an Bord nehmen. Während des Winters war es zu kalt und stürmisch für die Seeräuberei, zudem lohnte es nicht, weil die Hanse allgemein ihre Schiffe im Winter nicht segeln ließ.
Zuviele wären zugrunde gegangen.
Das also waren Störtebekers Gedanken, als er dem Skagerrak entgegensegelte, dem Meeresarm der Nordsee zwischen Jütland und Norwegen. Der hochgewachsene, breitschultrige Mann mit dem kühnen, wettergegerbten Gesicht war noch jung, doch er hatte schon mehr hinter sich und erlebt wie drei achtzigjährige Männer.
Er spürte die Decksplanken unter sich, das Schaukeln des Schiffes, den kalten Wind, der sein halblanges Haar wehen ließ. Und er fühlte sich stark und lebendig. Möwen flogen kreischend über ihm.
Störtebeker hielt das Steuerruder, was bei dem Wetter und Seegang keine Mühe war. Ich habe es weit gebracht, dachte er, seit ich als Sohn eines Gutsbesitzers im Mecklenburgischen die Heimat habe verlassen müssen. Der Landesherr, der Graf von Brackmühlen, und andere waren ihm feindlich gesinnt gewesen.
Zudem waren ihm die heimischen Verhältnisse zu eng. Er konnte den Nacken nicht beugen, sein Starrsinn, sein Stolz und seine Gerechtigkeits- und Freiheitsliebe hätten ihm einen schändlichen frühen Tod gebracht. So war er auf See gegangen. Dort bewährte er sich rasch und stieg in den Reihen der Likedeeler oder Vitalienbrüder, wie sich die Seeräuber um Goedecke Micheel, Magister Wigbald und Hennig Wichmann nannten, rasch aufgestiegen.
Trinkfest, obwohl er kein Säufer war, aus überschäumender Lebensfreude, mit gewaltigen Körperkräften, kühn, großherzig, den Frauen zugetan, ein Helfer der Armen, Schwachen und Unterdrückten, so war Klaus Störtebeker. Den Kaufleuten und Schacherern von der Hanse verhaßt, den Mächtigen und Tyrannen ein Feind.
Geliebt und vergöttert vom einfachen Volk, obwohl es auch da Neider und Verräter gab. Gottes Freund und aller Welten Feind, lautete sein Motto, und alle Welten, das waren für ihn die Unterdrückung, Ausbeutung und Tyrannei.
Seinen Freunden ein treuer Freund, seinen Feinden ein mörderischer Feind und ein Schrecken. Seefahrer und Pirat.
Er pfiff vor sich hin, als aus dem Ausguck der Ruf erschallte: »Schiffstrümmer backbord.«
Die Küste war außer Sicht. Die See erstreckte sich bis zum Horizont und verschmolz mit ihm. Tief stand schon die Sonne.
Störtebeker spähte empor zum Krähennest, in dem Hajo, der Schiffsjunge, hockte.
»Was für Wrackteile sind es?«
»Paar Planken und Trümmer!« rief Hajo zurück. »Nichts von Bedeutung. Aber halt, da schwimmt eine große Truhe. Sie hat Beschläge und ist mit Schnitzereien verziert. Sie könnte aus Edelholz sein.«
Hajo hatte scharfe Augen. Es wurde gemunkelt, weit, weit weg in Arabien und China würde es Fernrohre geben, durch die man, wenn man hindurchschaute, alles vergrößert sah. Aber hierzulande war ein paar Jahre vor Ende des 14. Jahrhunderts noch keines vorhanden.
»Vielleicht enthält die Truhe etwas Wertvolles, Klaus«, sagte Gerrit Wigbald. »Einen Schatz.«
Störtebeker schaute ihn belustigt an.
»Bettwäsche halte ich für wahrscheinlicher. Oder Kleider. Frauenwäsche vielleicht.«
Wigbald, der fast einen Kopf kleiner als er war und eine schiefe Schulter hatte, empörte sich.
»Du machst dich über mich lustig, Klaus!« rief er. »Ich bin noch immer der Ansicht, es ist ein Schatz in der Truhe. Wertsachen auf jeden Fall. Laß das Boot aussetzen, wenn wir nicht nachschauen, werden wir es nie wissen. – So viel Mühe ist es nun nicht.«
Ein paar Matrosen, die sich an Deck befanden, stimmten ihm zu. Rasch wurde das Boot zu Wasser gelassen. Groß war es nicht, im Fall eines Schiffbruchs hätten nicht alle Besatzungsmitglieder darin Platz gefunden. Störtebeker ließ das Segel reffen, damit sich der »Rote Teufel« nicht zu rasch von der Stelle des Schiffsunglücks entfernte.
Störtebeker bedauerte diejenigen, die hier ihr Ende gefunden hatten. Allerdings vergoß er keine Tränen über ihr Los, dafür hatte er schon zuviel erlebt und gesehen. Das war Seemannslos.
Sechs starke Matrosen, angeführt von Gerrit Wigbald, ruderten zu der Truhe, die auf den Wellen schaukelte. Als sie sie erreichten, zog einer sie mit dem Bootshaken heran. Wigbald beugte sich aus dem Boot und brach mit seinem Dolch die Schlösser auf, die die Truhe verschlossen.
Er setzte die Klinge als Hebel an, weil der Truhendeckel immer noch sperrte, und brach ihn krachend auf.
Dann schaute er in die Truhe.
»Na, was ist drinnen?« fragten die Matrosen, die den Inhalt noch nicht sehen konnten, neugierig. »Hat es sich gelohnt,