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Factoring-Handbuch
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Factoring-Handbuch

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Factoring boomt, und dies seit Jahren in einem Umfang wie kaum eine andere Finanzdienstleistung in Deutschland: Derzeit werden knapp sieben Prozent des gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktes über Factoring abgewickelt, und die Mitgliedsunternehmen im Deutschen Factoring-Verband e.V., welche rund 98 Prozent des Marktvolumens abdecken, bedienten 2016 über 27000 Kunden. Als Factoring vor fast 50 Jahren von wenigen Anbietern in Deutschland erstmals angeboten wurde, war diese anhaltende Erfolgsgeschichte noch nicht in Ansätzen abzusehen. Doch die Unternehmensfinanzierung hat sich in den letzten Jahren zunehmend einem starken Wandel unterzogen, und bankenergänzende Finanzierungsalternativen sind mehr und mehr gefragt.

Die zunehmende Bedeutung des Factoring zeigt sich auch dadurch, dass Anbieter der Finanzdienstleistung Factoring seit Ende 2008 der Finanzaufsicht durch BaFin und Deutsche Bundesbank unterstehen. Die Autoren des "Handbuch Factoring" haben diese Entwicklung zum Anlass genommen, die Finanzdienstleistung Factoring zusammenfassend sowohl aus historischer, rechtlicher als auch ökonomischer Sicht darzustellen und in dieser zweiten Auflage um gewisse Aspekte zu ergänzen. Diese Übersicht zum Factoring geht somit nicht nur auf Entwicklungen der letzten Jahre ein, sondern zeigt auch aktuelle Fragestellungen zum Factoring auf und bietet sich somit als grundlegende und umfassende Informationsquelle zum Factoring an.
LanguageDeutsch
Release dateJul 9, 2018
ISBN9783831408917
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    Factoring-Handbuch - Thomas Hartmann-Wendels

    2011.

    1Factoring – was ist das?

    1.1Historischer Abriss

    Die erste Frage, die sich viele Personen stellen, wenn sie zum ersten Mal von Factoring hören oder lesen, betrifft die Definition des Factoring: Was bedeutet beziehungsweise beinhaltet Factoring eigentlich? Vereinfacht und verkürzt zusammengefasst bezieht sich der heutige Begriff des Factoring in Deutschland auf eine Finanzdienstleistung, bei der ein Unternehmen seine (Geld-)Forderungen aus dem Verkauf von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen gegen seine Kunden fortlaufend an ein Factoringinstitut verkauft und auf diese Weise sofort Liquidität unmittelbar aus seinen Außenständen erhält.

    Diese moderne Form des Factoring basiert auf einer Entwicklung über mehrere Jahrhunderte hinweg, die im Folgenden zusammengefasst werden soll, da auch dieser historische Kontext für das Verständnis des heutigen Factoring wichtig ist.

    Der Begriff „Factoring basiert auf dem lateinischen Verb „facere, welches unter anderem tun, handeln, ausüben oder herstellen bedeutet. Interessanterweise besteht hier eine Ähnlichkeit zum Wort „Agent, das vom lateinischen Verb „agere abgeleitet ist, welches unter anderem ebenfalls tun, ausführen, handeln oder tätig sein bedeutet. In der historischen Übersicht zeigt sich zeitweise ein ähnliches Verständnis der beiden Begriffe „Factor und „Agent – beide vertreten eine andere (natürliche oder juristische) Person, vor allem in Handelsangelegenheiten.

    Doch auch wenn der Begriff des Factoring lateinische Ursprünge aufweist und aus dem Englischen entlehnt ist, da das moderne Factoring seine Wurzeln im anglo-amerikanischen Rechtsraum der letzten ungefähr 250 Jahre hat, so reicht die Geschichte des Factoring weiter zurück, da sich die Idee des Factoring noch viel weiter zurückverfolgen lässt.

    Gläubiger haben sich mutmaßlich schon immer darum bemüht, den Zeitraum bis zum Eingang der Zahlungen auf ihre Forderungen möglichst kurz zu halten. Bereits vor 5 000 Jahren sollen babylonische Händler ihre Forderungen aus Warenverkäufen zu Finanzierungszwecken abgetreten haben.⁶ Genauso sollen ähnliche Finanzierungsformen im alten Rom, also vor gut 2 000 Jahren, praktiziert worden sein.⁷ Die Idee hinter dem Factoring bestand somit unabhängig vom Begriff und dem modernen Konzept des Factoring, welche sich mutmaßlich erst viele Jahrhunderte beziehungsweise Jahrtausende später entwickelten.

    Im 13. bis 15. Jahrhundert wurden in Norditalien Kommissionsagenten zum Warenverkauf eingesetzt, wobei diese Agenten nach und nach gegenüber den Händlern auch eine Vorfinanzierungsfunktion sowie das Ausfall- oder Delkredererisiko der Abnehmer übernahmen.⁸ Über den Handel mit dem europäischen Festland, vor allem dem Textilhandel, gelangte dieses Modell offenbar nach England, wo zum Ende des 14. Jahrhunderts in Blackwell Hall in London ein regelrechtes Zentrum für das Factoring im Handel mit Textilwaren entstand, welches bis ins frühe 19. Jahrhundert Bestand hatte.⁹ Hier erfüllten Factors die Funktion von Agenten oder Mittelsmännern zwischen den Textilfabrikanten und Abnehmern, gewährten Vorschüsse auf die Waren und standen für die Zahlungsfähigkeit der Abnehmer ein.

    Diese Entwicklungen in Norditalien und England überschneiden sich zumindest teilweise zeitlich mit der mittelalterlichen Hanse, bekanntlich eine Vereinigung von Kaufleuten mit dem Ziel des sicheren Warentransports und der Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen. Auch hier wurde Factoring genutzt, jedoch noch nicht unter dieser Bezeichnung. Zur Zeit der Hanse unterhielten viele Kaufleute „Kontore" in verschiedenen europäischen Städten, über die der Warenhandel sowohl praktisch als auch finanziell abgewickelt wurde.

    Die Kontore aus der Hansezeit lassen sich von ihren Aufgaben und Tätigkeiten her in vielen Punkten mit den portugiesischen Handelsstationen im 15. Jahrhundert, den sogenannten „feitorias, sowie mit den „factorijen der Niederländischen Ost-Indien Kompagnie und den „factories" der British East India Company im 17. Jahrhundert vergleichen. In diesen Handelsstationen wurden Handelswaren inspiziert, ausgewählt, gewogen und für den Seetransport passend verpackt. Die Agenten dieser Handelsstationen waren als Handelsvermittler tätig und vertraten somit sowohl den Händler als auch den Abnehmer. Aus dieser Vermittlerstellung wurde mutmaßlich der Begriff des Factoring abgeleitet, wobei sich die Tätigkeit des Vermittlers, Agenten oder Factors über die folgenden Jahrhunderte hinweg insofern veränderte, als dass sie sich vom direkten Warenverkehr weg und zur Finanzierung des Warenhandels hin entwickelte.

    Das moderne Factoring, wie wir es heute kennen, entwickelte sich aus den Geschäfts- und Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den USA,¹⁰ welche gerade zum Ende des 19. Jahrhunderts florierten: Die Bevölkerung der USA nahm zu und breitete sich vor allem in westlicher Richtung aus, was auch einen zunehmenden Importhandel mit Waren aus Großbritannien und anderen europäischen Ländern nach sich zog, gefolgt von einem Exporthandel in die entgegensetzte Richtung. Die Händler aus Großbritannien setzten dabei Verkaufskommissionäre beziehungsweise „mercantile agents vor Ort in den USA ein, welche auch „factors genannt wurden. Diese „factors nahmen die Waren in Empfang, übernahmen den Vertrieb in Vertretung des (zumeist) britischen Händlers, kümmerten sich um die Beitreibung der Kaufpreisforderungen und leiteten die Zahlungen nach Abzug einer Gebühr für ihre Tätigkeit weiter an den (zumeist) britischen Händler. Nach und nach wurde diese Tätigkeit der „factors ergänzt um die Garantie für die Bezahlung der Ware sowie um Vorschüsse zur Finanzierung der entstandenen, aber lang laufenden Forderungen.

    Als der Warentransport aufgrund des technischen und infrastrukturellen Fortschritts zügiger wurde, wurden Kommission und Lagerhaltung von Waren durch die „factors" überflüssig, der Bedarf nach Finanzierung und Absicherung gegen Zahlungsausfälle blieb jedoch bestehen. Aufgrund dieser Veränderung ersetzte die Forderungsabtretung den Verkauf auf Kommission: Der britische Händler beziehungsweise Exporteur trat seine Forderungen gegen die Abnehmer in den USA an den dortigen Factor ab, erhielt dafür Finanzierung und Ausfallrisikoschutz durch den Factor, und der Factor kümmerte sich um die Beitreibung der nunmehr ihm zustehenden Forderungen.¹¹

    In Deutschland fasste das Factoring in seiner modernen beziehungsweise heutigen Form erst Ende der 1950er beziehungsweise Anfang der 1960er Fuß: Als „Factoring-Pionier" in Deutschland gilt die Mittelrheinische Kundenkreditbank Dr. Horbach & Co. KG aus Mainz, die 1958 oder 1959 den ersten Factoringvertrag Deutschlands abgeschlossen haben soll.¹² In den 1960ern wurden daraufhin weitere Factoringinstitute gegründet, viele davon in Mainz und unmittelbarer Umgebung, so zum Beispiel die Internationale Factors Deutschland AG & Co. oder die Heller Factoring Bank AG, welche auch heute noch (wenn auch unter anderer Firma) im Factoringgeschäft aktiv ist.

    Im Anfangsstadium des deutschen Factoringgeschäfts stand vor allem die Übernahme von Dienstleistungsfunktionen, allen voran die Debitorenbuchhaltung, im Zentrum der Aufmerksamkeit der Factoringkunden, da Maschinenbuchhaltungen Anfang der 1960er sehr kostenintensiv waren und entsprechend qualifiziertes Personal erforderten.¹³ Das Angebot an verschiedenen Factoringarten wurde jedoch über die Jahrzehnte hinweg erweitert und verfeinert, genauso wie auch die Anzahl der Factoringinstitute und -kunden konstant zunahm.

    Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Factoring und der zunehmenden Anzahl an Anbietern wurde 1974 der Deutsche Factoring-Verband e.V. in Mainz gegründet.¹⁴ Heute gibt es 186 Factoringunternehmen,¹⁵ von denen aktuell rund 40 Mitgliedsunternehmen des Deutschen Factoring-Verbands e.V. sind, welche am Umsatz gemessen ungefähr 98 % des gesamten deutschen Factoring-Markts vertreten.

    1.2Das Factoring-Dreieck (Factoringkunde, Debitor, Factor)

    Die historische Übersicht vermag die Entwicklung des Factoring etwas zu beleuchten, jedoch erklärt sie den Inhalt des Factoring als moderne Finanzdienstleistung in Deutschland eher unzureichend. Um den Fragen, was Factoring eigentlich genau bedeutet beziehungsweise beinhaltet und welche Parteien im Factoring involviert sind, genauer nachzugehen, sind weitergehende Erläuterungen des Factoring im heutigen Kontext erforderlich.

    Die gesetzliche Klassifizierung beziehungsweise Definition des Factoring bietet einige erste Erklärungsansätze: Bis Ende 2008 wurde das Factoring (aufsichts-)rechtlich als „entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 KWG) eingestuft, danach wurde eine gesetzliche Definition des Factoring eingeführt. Diese Legaldefinition des Factoring findet sich ebenfalls im KWG und umschreibt Factoring als „der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff (vgl. § 1 Abs. 1 a Nr. 9 KWG).

    Einfacher und etwas ausführlicher dargestellt beinhaltet Factoring, dass ein Unternehmen seine (Geld-)Forderungen aus dem Verkauf von Warenlieferungen und der Erbringung von Dienstleistungen gegen seine Kunden oder Abnehmer fortlaufend an ein Factoringinstitut verkauft, welches ihm einen entsprechenden Kaufpreis für diese Forderungen zahlt. Auf diese Weise erhält das Unternehmen aus seinen Außenständen sofort und unmittelbar Liquidität und braucht nicht darauf zu warten, dass der Debitor die Forderung zum Ende der vereinbarten Zahlungsfrist von zum Beispiel 60 Tagen begleicht. Zudem kann das Factoringunternehmen noch weitere Dienstleistungsaspekte für den Factoringkunden erbringen, je nach Factoringart. Zu diesen weiteren Dienstleistungen gehören zum Beispiel buchhalterische Services wie das Debitorenmanagement. Im Gegenzug für diese Dienstleistungen erhält der Factor eine Vergütung beziehungsweise ein Entgelt.

    Diese Definitionen und Erklärungen helfen bei der Abgrenzung des Factoring zu anderen und ähnlichen Finanzierungsformen, unter anderem zum Wechseldiskontgeschäft und zur Forfaitierung. Obwohl es auch bei diesen Finanzierungsformen um die Überbrückung der Wartezeit des Gläubigers zwischen Entstehung der Forderung und ihrer Bezahlung durch den Forderungsschuldner beziehungsweise um die Minimierung oder Übertragung des Delkredererisikos geht, so bestehen doch Unterschiede zum Factoring.¹⁶

    Abbildung 1: Das Factoring-Dreieck

    (Quelle: Deutscher Factoring-Verband e.V.)

    Die vorgenannten Definitionen des Factoring zeigen, dass im Factoring grundsätzlich drei Parteien involviert sind:

    •Forderungsverkäufer

    •Forderungskäufer

    •Forderungsschuldner

    Forderungskäufer ist dabei das Factoringunternehmen beziehungsweise der Factor. Das Unternehmen, welches die Forderungen verkauft und abtritt, wird im Factoring als Anschluss- oder Factoringkunde bezeichnet. Die Kunden beziehungsweise Abnehmer des Factoringkunden, also die Schuldner der verkauften und abgetretenen Forderungen, werden im Factoring als Debitoren bezeichnet. Es handelt sich beim Factoring somit um eine Dreieckskonstellation, die sich grafisch in Form des sogenannten „Factoring-Dreiecks" besonders gut darstellen lässt (vgl. Abbildung 1). Auch über diese Dreieckskonstellation lässt sich das Factoring von vielen anderen Finanzierungsformen und Finanzdienstleistungen gut unterscheiden. Sie führt zudem sowohl zu rechtlichen als auch zu tatsächlichen Besonderheiten, die beim Factoring zu beachten und in den folgenden Kapiteln noch näher zu erläutern sind.

    1.3Arten des Factoring und Definition

    Auch wenn die im Kapitel 1.2 dargestellte Grundkonstellation des Factoring auf alle Factoringarten zutrifft, so gibt es unterschiedliche weiterführende Ausgestaltungen des Factoring.¹⁷ Zu den in Deutschland häufigsten Factoringarten gehört das Standard-Factoring, das Inhouse Factoring und das Fälligkeits-Factoring sowie das Reverse Factoring,¹⁸ wobei das Inhouse Factoring mit Abstand am häufigsten vorkommt.¹⁹

    Das Standard-Factoring umfasst neben der umsatzkongruenten Finanzierung durch den Factor auch eine vollständige Risikoabsicherung des Factoringkunden für den Delkrederefall sowie die Übernahme des Debitorenmanagements durch den Factor. Wegen des vollumfänglichen Services des Factors wird diese Factoringart auch Full-Service-Factoring genannt.

    Im Inhouse Factoring, auch Bulk-Factoring genannt, verbleibt das gesamte Debitorenmanagement treuhänderisch für den Factor in der Hand des Factoring-Kunden. Das Factoringunternehmen übernimmt schwerpunktmäßig die Finanzierungs- und die Delkrederefunktion. Hieraus lässt sich erkennen, dass diese Factoringart speziell für solche Factoringkunden in Frage kommt, die selbst über ein zuverlässiges Debitorenmanagement verfügen. Daher kommt diese Factoringart eher bei größeren Unternehmen in Betracht.

    Beim Fälligkeitsfactoring nutzt der Factoringkunde die Vorteile der vollständigen Absicherung des Delkredererisikos und der Entlastung beim Debitorenmanagement, verzichtet aber auf eine sofortige Zahlung des Kaufpreises. Fälligkeits-Factoring eignet sich besonders für Factoringkunden, die weniger auf sofortige Liquidität angewiesen sind, sondern vielmehr eine Entlastung beim Debitorenmanagement und eine Erleichterung der Finanzplanung anstreben, da mit dem Factor bestimmte Zahlungstermine vereinbart werden können, unabhängig von Zahlungen der Debitoren.

    Das Reverse Factoring zielt im Gegensatz zum klassischen Factoring auf die Einkaufsseite eines Unternehmens ab: Initiator dieses Factoringverfahrens ist nicht der Lieferant, sondern der Abnehmer von Waren oder Dienstleistungen, das heißt der Debitor. Obwohl die Anbahnung des Factoringvertrags bei dieser Factoringart somit durch den Debitor erfolgt, schließen weiterhin Factor und Factoringkunde den eigentlichen Factoringvertrag ab. Das „Umgekehrte" an dieser Factoringart bezieht sich somit auf die Anbahnung des Factoringverhältnisses durch den Debitor, der sich hierdurch zum Beispiel verbesserte Konditionen seines Lieferanten, dem Factoringkunden, erhofft.

    Zudem kann zwischen echtem und unechten, offenem und stillen Factoring unterschieden werden:²¹

    Echtes Factoring meint Factoringverfahren, bei denen der Factor das Ausfallrisiko übernimmt (Delkredereschutz), also unter Gewährung vollen Delkredereschutzes. Im Gegensatz hierzu bezeichnet unechtes Factoring Factoringverfahren ohne Übernahme des Ausfallrisikos, also ohne Delkredereschutz. In Deutschland überwiegt seit Jahren das echte Factoring.²²

    Beim offenen Factoring-Verfahren wird der Debitor über den Forderungsverkauf an das Factoringunternehmen informiert und aufgefordert, direkt an den Factor zu zahlen. Das Gegenteil hierzu bildet das stille Factoring: Es leitet seinen Namen daraus ab, dass die Forderungsabtretung vom Factoringkunden an den Factor nicht offengelegt wird. Eine stille Forderungsabtretung ist nach deutschem Zivilrecht wirksam, einer Benachrichtigung oder gar Zustimmung des Forderungsschuldners beziehungsweise Debitors bedarf es bei der Abtretung nach deutschem Recht nicht.²³

    Factoring kann auch bei Forderungen aus dem grenzüberschreitenden beziehungsweise internationalen Handel eingesetzt werden (internationales Factoring):²⁴

    Nehmen inländische Unternehmen als Exporteure die Leistungen eines Factoringunternehmens in Deutschland für ihre grenzüberschreitenden Geschäfte in Anspruch, spricht man vom Export-Factoring. Handelt es sich um Importgeschäfte, bei denen ausländische Unternehmen die Leistungen eines Factors in Deutschland nutzen, bezeichnet man dies als Import-Factoring.²⁵

    1.4Besondere Factoringvarianten: B2C-Factoring und Factoring im Healthcare-Bereich

    Zu den besonderen Factoringvarianten zählen unter anderem das Factoring im Bereich des B2C-Marktsegments sowie im Bereich des Gesundheitswesens.

    Im Gegensatz zum klassischen B2B-Factoring, welches Forderungen zwischen Unternehmern umfasst, stehen im B2C-Segment regelmäßig Forderungen gegenüber Verbrauchern im Mittelpunkt.

    Abbildung 2: Das B2C-Factoring-Dreieck

    (Quelle: Deutscher Factoring-Verband e.V.)

    Der Umsatz des erst seit einigen Jahren seitens des Deutschen Factoring-Verbands e.V. erfassten B2C-Factoring wächst stetig und konnte sich zuletzt in 2016 um weitere 9,6 % auf 6,3 Milliarden Euro steigern (2015: 5,78 Milliarden Euro, 2014: 4,93 Milliarden Euro, 2013: 1,68 Milliarden Euro, 2012: 1,5 Milliarden Euro, 2011 963,5 Millionen Euro). Dies lässt sich nicht zuletzt auf den immer attraktiver und moderner werdenden Absatzweg des Online-Handels zurückführen.

    Das B2C-Factoring umfasst neben dem E-Commerce (Online-Handel) insbesondere den Ankauf von Forderungen aus der Telekommunikationsdienstbranche, das Sepulkralfactoring in Bezug auf Forderungen aus dem Bestattungsbereich, Forderungen von Steuerberatern und Rechtsanwälten aus der StBVV, BRAO und dem RVG, Forderungen aus Bauleistungen gemäß VOB sowie Forderungen aus Energielieferverträgen. B2C ist letztlich auch der Oberbegriff für die damit zusammenhängenden Besonderheiten und Problematiken beim Ankauf von Forderungen gegenüber Verbrauchern. Vorgenannte Besonderheiten ergeben sich unter anderem durch AGB-Kontrollen, das Verbraucherschlichtungsverfahren, dem Widerrufsrecht sowie allen weiteren rechtlichen Facetten des Verbraucherschutzes und anderer Normen in Bezug auf natürliche Personen. Die EU-Datenschutzgrundverordnung sowie das Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG-EU) welche zum 25. Mai 2018 in Kraft treten, werden insbesondere Auswirkungen auf das B2C-Factoring²⁶ sowie auf B2B-Factoringverhältnisse, in denen die Debitoren zum Beispiel Einzelkaufleute oder sogenannte Ein-Personen-GmbH sind, haben. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die zuständigen Datenschutzbehörden und Gerichte die neuen Regelungen tatsächlich auslegen und praktisch handhaben werden.

    Im Bereich des Healthcare-Factorings ist grundsätzlich zwischen zwei Formen zu unterscheiden, und zwar zwischen Factoring bei Forderungen von Leistungserbringern gegenüber Privatpatienten, für die kein sonstiger, sozialrechtlicher Kostenschuldner (gesetzliche Krankenkasse, Sozialhilfe et cetera) existiert (also auch ein Fall des B2C-Factoring)

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