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Die psychoanalytische Hypnosetherapie: Über den erfolgreichen Einsatz der Hypnosetechnik in der psychoanalytischen Behandlung. Fünf Fallgeschichten
Die psychoanalytische Hypnosetherapie: Über den erfolgreichen Einsatz der Hypnosetechnik in der psychoanalytischen Behandlung. Fünf Fallgeschichten
Die psychoanalytische Hypnosetherapie: Über den erfolgreichen Einsatz der Hypnosetechnik in der psychoanalytischen Behandlung. Fünf Fallgeschichten
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Die psychoanalytische Hypnosetherapie: Über den erfolgreichen Einsatz der Hypnosetechnik in der psychoanalytischen Behandlung. Fünf Fallgeschichten

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About this ebook

Der Psychoanalytiker und Hypnosetherapeut Juan-José Rios ist einer der wenigen ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet der psychoanalytischen Hypnosetherapie. In diesem Buch zeigt der Autor wie man Hypnose in der psychoanalytischen Praxis einsetzen kann, um Heilungsprozesse zu beschleunigen. Anhand von fünf Fällen beschreibt Rios die erfolgreiche Behandlung von Patienten mit der von ihm weiterentwickelten psychoanalytischen Hypnosetherapie. Gerade durch die Fallgeschichten, die einen tiefen Einblick in die psychoanalytische Arbeit geben und sich wie Romane lesen, ist das Fachbuch auch für einen breiten Leserkreis von Interesse. Ausführlich wird in einem ersten Teil auch die Geschichte der Hypnose erklärt, die als die „Mutter der Psychoanalyse“ gilt, sowie die konfliktreiche Auseinandersetzung Sigmund Freuds mit dieser umstrittenen Technik. Dabei geht Rios auch auf den Missbrauch der Hypnosetechnik in der NS-Zeit ein.
LanguageDeutsch
Release dateJul 31, 2018
ISBN9783903229051
Die psychoanalytische Hypnosetherapie: Über den erfolgreichen Einsatz der Hypnosetechnik in der psychoanalytischen Behandlung. Fünf Fallgeschichten

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    Die psychoanalytische Hypnosetherapie - Juan José Rios

    Über den erfolgreichen Einsatz der Hypnosetechnik in der psychoanalytischen Behandlung. Fünf Fallgeschichten

    © 2018 Delta X Verlag

    Herstellung und Verlag: Delta X Verlag, Wien

    E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Einleitung und theoretische Bezüge

    Teil I – Die historische Entwicklung von Hypnose und Psychoanalyse in ihrem Zusammenspiel

    1 Zur Geschichte der Hypnose

    2 Psychoanalyse und Hypnose bei Sigmund Freud (1856–1939)

    3 Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit

    4 Länderspezifische Entwicklungen in Europa

    5 Methodische Verbindung von Psychoanalyse und Hypnose – die Hypnoanalyse

    6 Hypnosetherapieformen ohne tiefenpsychologische Elemente – die Hypnotherapie

    Teil II – Das Konzept der „Psychoanalytischen Hypnosetherapie"

    7 Theoretische Bezüge und Merkmale der psychoanalytischen Hypnosetherapie

    8 Empirische Beforschung – Aufbau und Vorgehen

    Teil III – Fünf Fallgeschichten

    9 Patient L**: Zur Behandlung einer stotternden Person

    10 Patientin K**: Behandlung einer Adipositas-Patientin

    11 Patient T**: Ein Fall von psychosomatischen Beschwerden mit Zwangsgedanken

    12 Patientin P**: Ein Fall von Angststörung und Vaginismus

    13 Patient V**: Ein psychosomatisch erkrankter Patient

    14 Zusammenfassung

    15 Literaturverzeichnis

    16 Ausführliches Inhaltsverzeichnis

    Anmerkungen

    Einleitung und theoretische Bezüge

    Vor meiner Ausbildung als Hypnosepsychotherapeut wollte ich Psychoanalyse studieren, aus finanziellen Gründen musste ich die Verwirklichung meines Traums jedoch auf später verschieben. Nach meiner Eintragung als Psychotherapeut war die Zeit gekommen, meine Träume zu realisieren.

    Ich begann meine Lehranalyse und nahm danach das Studium der Psychoanalyse an der Sigmund Freud Universität in Wien auf. Seit ich Psychotherapeut bin, erlebe ich meine Arbeit als intensiv und interessant. Durch zahlreiche Weiterbildungen und die durch meine Praxis gewonnenen Erfahrungen bemerkte ich, wie komplex und interessant die Psyche ist. Ich bin von der Hypnosetherapie sehr begeistert und vor allem von der Bedeutung der Technik überzeugt.

    Da die Hypnosepsychotherapie eine tiefenpsychologische Methode ist, war es für mich nicht so schwierig, mehr und mehr mit der analytischen Technik in der Hypnose zu arbeiten. Ich bemerkte in der Behandlung der Patienten, dass nicht nur die Therapie vertieft, sondern die Behandlung insgesamt beschleunigt erschien.

    Die neurotischen Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse schienen sich schneller einzustellen und auch zu vertiefen. Beeindruckend festzustellen war, dass man vor allem die positive Übertragung mit der Hypnose schneller hervorrufen kann. Aber nicht nur diese, sondern auch die negative Übertragung und somit allgemein die konflikthaften Übertragungen zeigten sich beschleunigt. In der Folge war auch die Behandlungsdauer verkürzt. Ich hatte das Gefühl, dass der Übertragungswiderstand sehr gering war, in welchem die Patienten selber ihre inneren Konflikte in der äußeren Welt, vor allem auch anhand der analytischen Beziehung mit meiner Person, erleben konnten.

    Schwierig war es, geeignete Literatur für meine Arbeit zu finden, besonders, was die Geschichte der Hypnose betrifft – auch in der englischsprachigen Literatur. Die meisten Quellen führten immer wieder zu Ellenbergers „Die Entdeckung des Unbewussten" zurück.

    Die Stundenprotokolle für den empirischen Teil dieser Arbeit wurden während der Behandlungen am Computer angefertigt. In den Behandlungen selbst habe ich nur geringfügig mit Geschichten oder hypnotischen Metaphern gearbeitet. Nach der Hypnoseinduktion begannen die Patienten frei zu assoziieren, genauso wie in der klassischen Psychoanalyse, und vertieften sich mehr und mehr in die eigene unbewusste Welt. Für mich war es in diesem Prozess wichtig, dass die Deutungen nicht nur von mir kamen, sondern dass die Patienten im Hypnosezustand selbst zu verstehen begannen, was Symbole, Gefühle sowie körperliche Empfindungen, Emotionen und wiederkehrende Narrative mit ihnen zu tun hatten. Wenn man dieses wichtige Phänomen außer Acht ließe, könnte man die Protokolle als reine psychoanalytische Arbeit verstehen, aber sie spiegeln das Geschehen im hypnotischen Zustand wider.

    Wenn Patienten ihre Traumbruchstücke in die Behandlung mitbrachten, dann konnten sie diese in der Hypnose bearbeiten. Oft gelang es ihnen, sie zu vervollständigen und sie waren in der Folge fähig, sie ohne meine Hilfe zu deuten. Patienten fielen meist sehr schnell in Regressionszustände und fanden dadurch in kurzer Zeit den Grund des Konfliktes. Sie lernten selbst, ihre eigenen „Ich-Anteile" zu sehen, in der Hypnose eine Selbstanalyse durchzuführen und damit das Ich zu stärken.

    Ich werde in meiner Studie Patienten präsentieren, mit denen ich zu Beginn der Behandlung ausschließlich mit Hypnose gearbeitet habe. Nach einigen Sitzungen lernten sie, sich ganz allein in die innere Welt zu vertiefen, also eine Art Selbsthypnose zu vollziehen, während der ich die Patienten mit der Atmung begleitete, bis sie in einen tieferen Hypnosezustand geraten (Pacing). Die Patienten traten sofort in ihre unbewusste Welt. Sobald sie sich auf die Couch gelegt hatten, erlebten sie Fantasien und innere Konflikte, versuchten diese zu verstehen und entwickelten Formen der Selbstanalyse.

    In tieferen Regressionen gelang es manchen Patienten, Bindungen mit Beziehungspersonen aus ihrer Vergangenheit wieder zu erleben und zu korrigieren. Manche traumatisierten Patienten durchlebten ihre eigene Geburt, manche das Trauma reflexiv in Distanz, vergleichbar mit einem Film, auch wenn sie emotional sehr betroffen waren. Sie konnten sogar die Täter erkennen und die bedrohlichen Situationen im Unbewussten modifizieren.

    Ich werde immer wieder damit konfrontiert, dass die Hypnosetherapie in der psychoanalytischen Szene geringgeschätzt wird, genauso wie in der hypnosetherapeutischen Szene die Psychoanalyse. Ich versuche mit dieser Arbeit einen neutralen Boden zwischen Psychoanalyse und Hypnosetherapie zu schaffen. Es ist nicht meine Absicht, eine Methode in Frage zu stellen, sondern vielmehr, meine Arbeitsmethoden der Behandlung mit beiden Techniken, nämlich mit Hypnose und Psychoanalyse, zu präsentieren. Diese gleichberechtigte Verknüpfung der beiden Techniken lässt sich, insbesondere theoretisch reflektiert, aktuell nicht finden: So gibt es zwar die von Erika Fromm bezeichnete Hypnoanalyse, wie sich aber auch über die theoretische Betrachtung in meiner Arbeit zeigen wird, stimmt der Begriff Hypnoanalyse mit der „Psychoanalytischen Hypnosetherapie" (PHT), die ich verwende, nicht überein. Der Begriff Hypnoanalyse wird gegenwärtig weitläufig als Methode von Therapeuten verwendet, welche keine Ausbildung oder Selbsterfahrung in der Psychoanalyse haben. Das war zu Beginn der Hypnoanalyse, als sie von Erika Fromm und ihren frühen Nachfolgern praktiziert wurde, nicht der Fall, was sich jedoch mit der Zeit verändert hat.

    Die vorliegenden empirischen Daten sollen dabei einen Forschungsbeitrag für die Anwendung der Hypnose als Methode im psychoanalytischen Prozess ermöglichen. Ein Feld, zu dem Freud die Türen geöffnet, sie aber nicht durchschritten hat. Dieser Punkt wird in dem Kapitel über „Freud und Hypnose" genauer behandelt.

    Auch in der psychoanalytischen Hypnosetherapie geht es darum, dass sich unbewusste Prozesse frei entfalten und gestalten: So verzichte ich auf alle Arten von Suggestionen, ich führe die Patienten in den Trancezustand und beginne sodann mit der psychoanalytischen Behandlungstechnik. Die Interventionstechnik der Hypnose erscheint mir dabei auch besonders geeignet, wenn der Patient sich in einer tiefen Regression befindet, bei Dekompensationen oder auch bei schweren Traumatisierungen sowie in Situationen, in denen ich das Gefühl habe, dass die Therapie stagniert (Widerstand). Meinen Erfahrungen nach stößt die Psychoanalyse bei gewissen psychischen Störungen, wie zum Beispiel Persönlichkeitsstörungen, auch an ihre Grenzen. So habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass manche Patienten nach vielen Jahren der Psychoanalyse zwar sehr genau über ihre eigene Biografie Bescheid wissen, aber viele Emotionen immer noch nicht integriert haben.

    „Ohne Emotionen kann man Dunkelheit nicht in Licht und Apathie nicht in Bewegung verwandeln", meinte Carl Gustav Jung ¹ . Ich schließe mich der Meinung von Jung an und wage zu vermuten, dass meine psychoanalytische Hypnosetherapie neue Wege aufzeigen kann. Vielleicht gelingt es, über den Einsatz der Hypnose diese Prozesse unter Umständen zu befördern.

    Teil I –

    Die historische Entwicklung von Hypnose und Psychoanalyse in ihrem Zusammenspiel

    1 Zur Geschichte der Hypnose

    „Die Geschichte der Hypnoseinduktion ist die Geschichte der Medizin, sie ist auch die Geschichte des Okkultismus, der magischen Riten und Rituale, sie begann mit den Naturvölkern in der Antike" (Zilboorg 1941, zit. nach Edmonston 1986, S. 1). Dieses Zitat verweist bereits auf die archaischen Ursprünge der Hypnose und ihre damit einhergehende Geschichte. Im folgenden Abschnitt soll nun ein kurzer Blick auf die wichtigsten Etappen gelegt werden.

    1.1 Archaische, antike und mittelalterliche Belege für Hypnosepraktiken

    Der Begriff „Hypnose wird vom griechischen Wort „Hypnos (Schlafen) abgeleitet und wurde erstmals von dem Schotten James Braid eingeführt. Hypnos war in der hellenistischen Mythologie der Gott, der die Personifikation des Schlafes darstellt. Hypnos ist Vater unter anderem des Phantasos sowie des (Haupt-)Traumgottes Morpheus, den er mit Hilfe seiner Harfe in einen tranceartigen Zustand spielt (vgl. Kossak 1993, S. 28).

    Trance und Hypnose sind als uralte Heilverfahren allen Kulturen der Menschheit vertraut. Die Hypnose ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Der Begriff führte zu vielen Missverständnissen, da es sich nicht wirklich um einen Schlafzustand handelt. Hypnose wird durch Suggestion ² herbeigeführt. Sie ist ein kulturwissenschaftliches Phänomen, das zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Kulturen erklärt, praktiziert und erlebt wurde. Wir finden Arten von Hypnose in der Medizingeschichte von Indien, Tibet, China (Qi-Gong), Japan (Zen-Buddhismus) und Bali (Kecak-Tanz, Massenhypnose).

    Laut den uralten Keilschriften der Sumerer ³ gab es damals schon ein Wissen über Hypnose. Das Sumerische wurde in Südmesopotamien bis etwa 1700   v.   Chr. gesprochen. Nach seinem Aussterben als Alltagssprache wurde es in ganz Mesopotamien bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. als Literatur-, Wissenschafts- und Sakralsprache verwendet. Die sumerische Keilschrift ist die bis heute älteste bekannte Schrift. Sie entstand etwa um 3500   v.   Chr. Es handelt sich dabei um Keilschrifttafeln. Jene Keilschrifttafeln verweisen auch auf früheste Anwendungen von Hypnose und hypnoseähnlichen Zuständen:

    „Durch diese wissen wir, dass sich die Sumerer, Babylonier und Akkader gewisse Kenntnisse in der Anatomie erworben hatten, die sie beim Hellsehen zur Anwendung brachten. Diese Urahnen der heutigen Anatomen waren also Zauberer, Hellseher." (Illustrierte Geschichte der Medizin 1986, Bd. II, S. 854)

    Zauber und Hellsehen haben sich bis in die Gegenwart mit ihrer Faszination erhalten, und diese Elemente werden auch heutzutage stark mit Showhypnose assoziiert.

    „Von Alters her sind Darbietungen zur Unterhaltung sehr beliebt, in denen das Unfassbare, Unerklärbare dargestellt wird. Dazu gehören Zauber, Illusionen […]. Es ist wichtig, die Erklärungen von Zauberkunststücken und Bühnenillusionen nicht zu veröffentlichen, um hier ein kleines Stück an Verzauberung und naivem Staunen zu bewahren." (Kossak 1997, S. 408)

    Die Sumerer übernahmen vermutlich ihr Wissen über Hypnose aus Sanskrit-Urkunden (vgl. Uhlig 2002, S. 18). Die Hypnose wurde als Heilverfahren von Priestern zwischen Euphrat und Tigris angewendet. In Indien unterschied man auch schon vor Jahrtausenden drei Formen der Hypnose. In einer der ältesten Sanskrit-Urkunden werden „Wachschlaf, „Traumschlaf und „Wonneschlaf" genannt und als Heilverfahren gegen die unterschiedlichsten Krankheiten genutzt (vgl. Tepperwein 2009, S. 7).

    Die Anfänge der auch heute noch verbreiteten Fixationsmethode finden sich im Alten Ägypten. Auch das mit heilenden Suggestionen verbundene Handauflegen sieht man auf Höhlenzeichnungen der Steinzeit oder alten ägyptischen Zeichnungen. Es war bereits in der griechischen Antike als anerkannte Heilmethode bekannt. Berühmt sind auch die ägyptischen und griechischen Schlaftempel. In ihnen wurde der Kranke nach eingehender Vorbereitung in einen mehrere Tage andauernden Heilschlaf versetzt, in dem ihm im Traum die Göttin Isis ⁴ erschien, seine Krankheit diagnostizierte und Anweisung für die Behandlung gab. Die Griechen haben den Isis-Kult im Hellenismus übernommen (vgl. Assmann/Bommas 2002, S.   27–32).

    Als erste Ära der Hypnose dürfen die alten hinduistischen Meditationspraktiken der Fakire und Yogis gesehen werden, die bis ins 2. vorchristliche Jahrtausend zurückverfolgt werden können. Das bis heute verbreitete Yoga hat in der Induktion und dem Zielzustand des ungetrübten Bewusstseins (Trance) starke Ähnlichkeit mit der Hypnose. Das Papyrus Ebers (zirka 1500 v. Chr.) aus dem antiken Ägypten gilt als ältestes schriftliches Zeugnis für hypnotische Induktionstexte (vgl. Dirk Revenstorf / Uwe Prudlo 1993, Hypnose und Hypnotherapie, Psychologisches Institut der Universität Tübingen ⁵ ).

    Der hinduistische Mahabharata wird von Kossak als wahrscheinlich ältester Hypnosebericht beschrieben:

    „Danach will sich Vipulas Lehrer auf Pilgerfahrt begeben und hat Bedenken, dass Gott Indra (dem viele Frauengeschichten nachgesagt werden, ähnlich dem griechischen Göttervater Zeus) in der Zwischenzeit seine Frau verführen könnte. Dieser Lehrer fragt seinen Schüler Vipula um Rat, mit der Bitte, seine Frau, standhaft‘ zu machen:, indem er die Strahlen seiner Augen mit den Strahlen ihrer Augen vereinigte, drang er in ihren Körper ein wie der Wind die Lüfte durchdringt‘. Als dann später der verführerische Gott Indra ihr Zimmer betritt, ist sie immobil, wie versteinert, und kann kein Wort sprechen. Sie bleibt so ihrem Mann in dessen Abwesenheit treu." (Kossak 1997, S. 16)

    Das hier beschriebene Geschehen ist heutzutage in der Hypnose als Technik der Augenfixation bekannt. Anscheinend hat Indra die Technik der Katalepsie mit Entspannung gekannt:

    „Er hefte seine Augen auf die äußerste Spitze seiner Nase, lege beide Hände zusammen, bringe beide Füße zusammen, das Herz halte er frei von überkommenden Gedanken, und im Herzen nenne er den großen Namen Pranon: beim Nennen dieses Namens stelle er sich das Wesen, das dadurch bezeichnet wird, in Gedanken vor." (Tietze 1980, S. 13, zit. nach Kossak 1997, S. 16)

    Doch auch in der griechischen und römischen Antike finden sich diese Elemente. Der Isis-Kult wurde im antiken Griechenland in den Tempeln des Asklepios ⁶ praktiziert. Dieser Gott erschien den Kranken in Trance und gab entweder Anweisungen für die Behandlung oder vollzog die Heilung selbst. Die Römer vollführten ähnliche Riten in den Tempeln des Gottes Aesculapius. Der Patient sollte eine Nacht auf dem Boden liegen und man hoffte, er würde durch einen Traum oder eine Vision geheilt. Diese Methode wurde auch als Inkubation ⁷ bezeichnet und geht vermutlich auf sehr alte magisch-religiöse Praktiken zurück. Priester legten die Patienten in eine heilige unterirdische Höhle, um die Heilung zu erwirken. Die Kranken mussten sich einer besonderen Vorbereitung unterziehen. Dazu zählte das Trinken des Wassers aus der „Quelle des Vergessens und der „Quelle der Erinnerung. Im Tempel beziehungsweise in der Höhle hatten sie schreckliche Visionen und hörten oder sahen das heilige Orakel im Traum. Der Höhepunkt der Behandlung war die „Inkubation" (das heißt, der Schlaf im Sanktuarium mit dem Erlebnis des Orakels), bei der ein Kranker das Heiligtum eines Gottes oder eines Heros aufsuchte und dort manchmal in Verbindung mit einem entsprechenden Ritual und mehr oder weniger aufwändiger Vorbereitung darauf hoffte, dass er im Traumschlaf einen Hinweis auf eine wirksame Therapie seiner Krankheit erhielte (vgl. Ellenberger 1973, S. 63 ff.).

    In der späteren Antike mussten die Patienten nicht mehr auf dem Boden liegen, man benutzte Ruhebetten (Kline ⁸ ). Im Gegensatz zur Couch des Analytikers von heute war die Kline zum Schlafen und Träumen gedacht (vgl. Ellenberger 1973, S.   66). Hier zeigen sich erstaunliche hypnotische Parallelen zu den schamanistischen Heilverfahren der Shipibos im Amazonasgebiet, wo ich im Dezember 2011 an einem rituellen Reinigungsprozess teilgenommen habe. Das Volk der Shipibos verwendet ein Getränk aus den Wurzeln des Ayahuasca-Baumes, welches heilungsbedürftigen Personen im Rahmen eines Rituals von einem Schamanen verabreicht wird. Dieses Getränk versetzt in einen tiefen Schlaf und führt bei allen Betroffenen zu ähnlichen archetypischen Visionen: Krokodile, Schlangen, Panther und Geister des Urwalds fordern den Träumenden zum Kampf heraus mit dem Ziel, innere Konflikte im Traum austragen und bewältigen zu können. Danach fühlen sich die Betroffenen entspannter und in Harmonie mit sich selbst (vgl. Adelaars/Rätsch/Müller/Ebeling 2010, S.   150).

    Bei vielen schamanistischen Heilverfahren, aus denen sich auch jene der Antike entwickelt haben, kommen zweifellos bei den Patienten häufig hypnotische oder halbhypnotische Zustände vor. Ellenberger unterscheidet dabei jedoch die Funktion der Hypnose:

    „Dies deutet anscheinend darauf hin, dass Hypnose lediglich als ein Mittel benützt wurde, um einen hellseherischen Zustand herbeizuführen und nicht als Mittel der Therapie. Man hat auch behauptet, die entsetzlichen Visionen in der Trophonios-Höhle und die heilenden Visionen in den Asklepien seien hypnotischer Natur gewesen; das ist sehr wohl möglich, aber es fehlt an Beweisen." (Ellenberger 1976, S. 68)

    Die Patienten mussten sich gewissen Ritualen unterziehen und danach einige Tage im Inkubationsraum, einem Schlafraum, verbleiben. Anschließend begann das Ritual namens „Abaton. Abaton entspricht der Induktion in der Hypnose. Der Ausdruck bedeutet „das Unbetretbare. Während die Kranken den Schlaf erwarteten, sollte ihr Blick auf einer silbernen Scheibe ruhen, in der sich der flackernde Feuerschein widerspiegelte. Gleichzeitig flüsterten ihnen Priester Suggestionen zu, damit sie Entspannung und erholsamen Schlaf fänden. In diesem Schlaf bekamen sie Antworten auf ihre Fragen und hatten am nächsten Tag viel von diesen Träumen zu erzählen (siehe Heinegg/Sirichuenvijit 2010, S. 23).

    Der ägyptische Papyrus Ebers als Wiege der modernen Hypnotherapie

    Der ägyptische Papyrus Ebers (zirka 1500 v. Chr.) stammt aus der ältesten Ära der Hypnose. Er gilt als das älteste schriftliche Zeugnis für hypnotische Induktionstexte ⁹ . „Aufgeschrieben wurde der Papyrus in schwarzer und roter Tinte […]" (Scholl 2002, zit. nach Heinegg/Sirichuenvijit 2010, S.   23). Ich würde nach unserem Wissensstand sagen, dass darin eine Art von Autogenem Training oder Körperentspannung in der Hypnose beschrieben wird. Der Arzt oder Hypnotiseur vermittelt die Überzeugung, dass er über eine Macht verfügt, die von Gott oder einer höheren Instanz kommt.

    Es scheint im Papyrus Ebers 1 / 1 eine Art von Selbsthypnose angewandt zu werden, indem die Kranken wiederholen: er „wird von den Göttern vor seinen Feinden und Krankheiten beschützt. Die Götter bewirken mit ihrer Zauberkraft, dass die Kranken regredieren, und es wird über den Leib der Götter geredet. Gleichzeitig entstehen Bilder von Feuer und Wasser und das „Ich wird gestärkt, weil es sich in den Göttern geborgen und von ihnen beschützt fühlt.

    Es erscheint mir sehr bemerkens- und darstellenswert, wie detailgenau die angeführten Ansätze und Methoden bis in die Gegenwart für die Hypnosetherapie ihre Gültigkeit und Anwendung finden. Aus diesem Grund möchte ich diesen Abschnitt im Folgenden wortgetreu aufzeigen.

    Der Papyrus Ebers beginnt mit drei Vorbemerkungen:

    (Quelle: http://www.medizinische-papyri.de/​PapyrusEbers)

    „Vorbemerkung 1. Stärkung und Schutz durch kurze Body-Scan-Induktion (Papyrus Ebers 1 / 1.1–1.11):

    Beginn von Spruch für das Auflegen eines Heilmittels auf irgendein Körperglied des Mannes: Ich bin herausgekommen aus Heliopolis zusammen mit den Großen des großen Hauses, den Herren des Schutzes, den Herrschern der Ewigkeit. Schließlich bin ich (auch) herausgekommen aus Sais zusammen mit der Mutter. (1.3)

    Der Götter. Sie gaben mir ihren Schutz. Es sind Sprüchen bei mir, die der Allherr gemacht hat, um zu beseitigen die Einwirkung.

    Eines Gottes, einer Göttin. Eines Toten einer Toten – beliebig fortzusetzen – [wörtlich:, Kunstfertigkeit des Spruches‘. Der Redekunst des Sprechers ist hier freigestellt, die Aufzählung zu ergänzen. Daher die freiere Übersetzung als, beliebig fortzusetzen etc. usw.‘] […] in diesem meinem Kopf, in diesem meinem Nacken, …

    In diesen meinen Schultern, in diesem meinem Fleisch, in diesen meinen Körpergliedern, und um zu bestrafen den Verleumder (als Krankheitsdämon).

    Der Obersten derer. Die eintreten lassen eine Störung in dieses mein Fleisch. Dumpfheit (Übersetzung unsicher) in diese meine Körperglieder, als etwas, das eintritt …

    In dieses mein Fleisch, in diesen meinen Kopf, in diese meine Schultern, in (diesen) meinen Körper, in diese meine Körperglieder. Ich gehöre dem Ra wörtlich:, Ich bin ein dem Ra Zugehöriger‘ er hat gesagt: ich bin es, der ihn (den Erkrankten) schützen wird vor seinen Feinden. Sein Führer ist Thot; denn er ist es, der die Schrift reden lässt …"

    „Vorbemerkung 2. Lösung, Reinigung, Schutz und Bitte um Beistand (Papyrus Ebers 2 / 1.12–2.1):

    (1.12) Ein anderer Spruch für das Lösen irgendeines Verbandes: Gelöst wird einer, gelöst wird einer von Isis, gelöst wird Horus durch Isis von dem

    (1.13) Schlechten, das gegen ihn gemacht wurde durch seinen Bruder Seth, als er seinen Vater Osiris tötete. O Isis

    (1.14) Die Du groß bist an Zauberkraft, mögest Du mich lösen. Mögest Du mich lösen von allen bösen, schlechten

    (1.15) roten Dingen, von der Einwirkung eines Gottes, der Einwirkung einer Göttin, von einem Toten, einer Toten, von einem Widersacher, einer Widersacherin

    (1.16) der sich in mir entgegenstellen wird, ebenso wie Du gelöst wurdest. Von Deinem Sohn Horus. Denn ich bin eingetreten

    (1.17) in das Feuer, ich bin herausgekommen aus dem Wasser, nicht werde ich hineingeraten in die Schlinge (Übersetzung unsicher) an diesem Tag. Ich sprach

    (1.18) als ich noch ein Kind war. O Ra, rede über Deinen Leib; Osiris (atypische Schreibung; eigentlich Isis; jedoch aufgrund der Wiederholung in der nächsten Zeile und des Sinnzusammenhangs als, Osiris‘ übersetzt), klage über das, was aus Dir herausgekommen ist.

    (1.19) Es redet Ra über seinen Leib. Es klagt Osiris über das, was aus ihm herausgekommen ist. Und Du hast mich gerettet vor

    (1.20) allen bösen, schlechten, roten Dingen, vor der Einwirkung eines Gottes, der Einwirkung einer Göttin vor einem Toten,

    (2.1) einer Toten – beliebig fortzusetzen. Eine erfolgreiche Methode, Millionen Mal (bewährt)."

    Im Papyrus Ebers 3 / 2 gibt es Suggestionen und Bilder von Ich-Stärkung, zum Beispiel das Bild vom großen Palast von Heliopolis. Heutzutage wird das Bild von Schlössern eingesetzt, um das Ich zu stärken, dass durch dieses Bild verkörpert wird; oder das Symbol des Trinkens eines Heilmittels im Sinne der Heilung des Kranken (2.6).

    Weiters gibt es Zaubersprüche zu den Organen sowie Rezepturen für die Schönheit.

    Ähnliche Suggestionen werden heutzutage bei chronisch Kranken gegeben.

    „Vorbemerkung 3: Reinigung und Wirkung der Suggestion in Verbindung mit dem Heilmittel (Papyrus Ebers 3 / 2.1–2.6)

    Spruch für das Trinken eines Heilmittels: Es kommt (2.2) in Verbindung mit dem Heilmittel und umgekehrt. Erinnerst Du Dich denn daran, dass Horus zusammen mit (2.4) Seth zu dem großen Palast von Heliopolis gebracht wurde. Als man über die beiden Hoden des Seth mit Horus verhandelte? Dann war er (2.5) frisch, wie er auf Erden war. Er macht (nun wieder) alles, was er will. Wie diese Götter, die (2.6) dort sind. Zu sprechen während des Trinkens eines Heilmittels eine erfolgreiche Methode, Millionen Mal (bewährt)."

    Nach diesen drei Vorbemerkungen folgt eine Sammlung von Heilmitteln, Zaubersprüchen und Behandlungsanweisungen für Störungen und Krankheiten des Verdauungssystems, der Augen, von Verletzungen wie Tierbissen, Riemenschlägen, Brandwunden, Herzerkrankungen, Ohrenerkrankungen usw. Gelegentlich werden auch Hinweise zur Schönheitspflege gegeben, so zum Beispiel Rezepturen gegen „Üble Schweiß-Absonderungen, „Falten, „graue Haare" …

    In der Stelle Papyrus Ebers 252 / 48.3–48.5 geht es um das Handauflegen am Kopf: „[…] wenn der Kopf des Mannes zittert, dann sollst Du (48.4) auflegen Deine Hand auf seinen Kopf, indem er sie nicht spüren wird."

    Die Verbindung mit hypnotischen Suggestionen wird besonders an zwei Stellen deutlich. Es erfolgt eine Suggestion von Wasser, wo es um die Behandlung von Verbrennungen geht. An der Stelle Papyrus Ebers 499 / 69.3–69.55 heißt es:

    „(69.3) Eine andere Beschwörung der Verbrennung (Flamme) beim ersten Mal. Dein Sohn Horus verbrannte sich in der Wüste. Ist Wasser da? Wasser ist nicht da, Wasser ist (69.4) in meinem Mund ¹⁰ . Ein Nil ist zwischen meinen Oberschenkeln. Ich bin gekommen, um das Feuer (die Verbrennung) zu löschen. Worte zu sprechen über (69.5) Milch von einer, die einen Knaben geboren hat, Gummiharz, Haar des Widders, geben an die Verbrennung." (Heinegg/Sirichuenvijit 2010, S.   30   ff.)

    Der Papyrus Leiden

    Der Papyrus Leiden stellt chronologisch betrachtet die nächste Dokumentation von Hypnoseinduktionen dar. Er wurde 1500 v. Chr. geschrieben und enthält Heilmittel und Rezepte, die bis 3000 v. Chr. rückverfolgbar sind. Er wurde in verschiedenen Sprachen geschrieben: Hieratisch, Demotisch und Griechisch.

    Dabei wird beschrieben, dass mittels Blickfixierung auf eine Lichtquelle das Bewusstsein verändert und eine mentale Grenze überschritten wird. Dieser Vorgang findet sich wie ein klassisches Trancephänomen beschrieben und wird mit Edmonston den aktuell angewandten Technikformen der Hypnotherapie gegenüberstellbar. „Die Hypnose-Induktion wird durch Blickfixierungen und gleichzeitig von Suggestionen durchgeführt" (Edmonston 1986, S. 7).

    Hypnose in der Moche-Kultur

    Die peruanische Keramik der Moche-Kultur (Mochica-Kultur) zeigt, dass die Schamanen Hypnose angewendet haben. „Das Gefäß entstammt der Moche-Kultur (Mochica-Kultur), die dem 1. bis 7. Jahrhundert zugeordnet wird. Die Moche besiedelten im nördlichen Peru eine sich über elf Täler erstreckende Fläche und hatten eine stark strukturierte Gesellschaft, an deren Spitze ein Fürst stand.

    Die Moche erbauten mehrere Tempel. Zwei der von ihnen errichteten Pyramiden gehören zu den größten Bauwerken des vorspanischen Südamerika. Die eine Pyramide ist dem Mond geweiht und heißt, Huaca de la Luna‘. Die zweite liegt 500 Meter entfernt gegenüber. Sie ist der Sonne geweiht und heißt, Huaca del Sol‘" (vgl. Heinegg/Sirichuenvijit 2010, S. 21).

    Beschreibungen von Hypnose ab der frühchristlichen Antike

    Im Alten Testament werden in der Genesis mehrere Aktivitäten mit hypnotischem Charakter beschrieben. Das hebräische Wort für Adams Schlaf im Paradies ist „tardemah. Genesis 2:21: „Gott der Herr ließ einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, um ihm die Rippe für die Erschaffung Evas zu entnehmen (Edmonston 1986, S. 21).

    Ein weiteres Beispiel für eine Art von Hypnose ist der Schlaf von Saul (I Sam 26:12): „So nahm David die Lanze und den Wasserkrug von Sauls Häuptern weg […], denn sie schliefen alle, weil ein tiefer Schlaf von Jahwe auf sie gefallen war."

    Auch die Offenbarung Hiobs, „im Traum der Nacht beim Spiele der Gedanken", (Hiob 4:13, 33:15) erscheint als die Beschreibung einer hypnotischen Spur. Dabei finden wir keine Details eines Induktionsverfahrens, aber Gott den Herrn, der einen tiefen Schlaf auf die Menschen fallen ließ (siehe Edmonston 1986, S. 21).

    Wir finden auch an anderen Stellen in der Bibel Beschreibungen von Magie, wie zum Beispiel im Buch Exodus. Moses verfügte anscheinend über magische Kräfte. Er konnte einen Stab in eine Schlange verwandeln und durch das Heben seiner Arme den Israeliten Kampfkraft verleihen. Diese Kräfte könnten auch eine Art von Hypnose dargestellt haben ¹¹ (vgl. Exodus 4:4, 7:9, 17:11; Numeri 17:20, 24:4, 24:16). Der Begriff, prophetisch‘, beschreibt eine weitere eigenartige Verbindung zwischen der Bibelauslegung und alter Folklore, weil eine Reihe von Autoren vorgeschlagen haben, dass dieses Wort auf Verhaltensweisen wie Raserei hinweist, die für massenhypnotische Phänomene typisch sind (vgl. Lloyd 1847, S. 273), ebenso die posthypnotische Suggestion.

    „[…] [Sobald du] in die Stadt kommst, wird dir eine Schar von Propheten begegnen, die von der Höhe herabkommen, und vor ihnen her Harfe und Pauke und Flöte und Zither, und sie werden in Verzückung sein […] dass du mit ihnen in Verzückung gerätst; da wirst du umgewandelt und ein anderer Mensch werden […] und der Geist Gottes geriet über ihn, dass er mit ihnen in Verzückung geriet." (I Sam 10:5–10)

    „Da sandte Saul Boten, um David zu holen. Und sie sahen die Schar der Propheten in Verzückung und Samuel an ihrer Spitze. Da kam der Geist Gottes auf die Boten Sauls, so dass auch sie in Verzückung gerieten. Als das Saul angesagt wurde, sandte er andere Boten; die gerieten auch in Verzückung. Da sandte er die dritten Boten; die gerieten auch in Verzückung." (I Sam 19:20–23)

    Weiters sehen wir in I Könige 18 eine Art von Massenhypnose, die entsteht, als die Menschen den Namen des Priesters Baals rufen:

    „[…] und riefen den Namen Baals an vom Morgen bis zum Mittag und sprachen: Baal, erhöre uns! Aber es war da keine Stimme noch Antwort. Und sie hinkten um den Altar, den sie gemacht hatten […] er ist in Gedanken oder hat zu schaffen oder ist über Land oder schläft vielleicht, dass er aufwache. Und sie riefen laut und ritzten sich mit Messern und Spießen nach ihrer Weise, bis ihr Blut herabfloss. Als aber der Mittag vergangen war, waren sie in Verzückung bis um die Zeit, zu der man das Speisopfer darbringt; aber da war keine Stimme noch Antwort noch einer der aufmerkte." (I Könige 18:26–29)

    Es gibt Stellen im Alten Testament, die nicht nur das Handauflegen auf den Kopf zeigen ¹² , sondern das Auflegen der Hände auf den ganzen Körper. In 1 Könige 1:2–4 steht, dass die Diener des hochbetagten Königs David ein Heilmittel für ihn empfahlen:

    „Man muss für den Herrn und König ein Mädchen suchen […] damit sie dem König aufwarte und ihm als Pflegerin diene; wenn sie dann an deinem Busen liegt, wird es dem Herrn und König warm werden. […] der König jedoch wohnte ihr nicht bei."

    Ohne Zweifel erzeugte das Handauflegen Wärme und man vermutete, dass es eine magisch heilende Kraft, eine Art unsichtbarer Flüssigkeit oder Magnetismus übertragen könne. Ein wichtiges Element der Übertragung scheinen auch die Augen und besonders auch der Blick zu sein, so wie ihn die Alten Ägypter in den Schlaftempeln als visionäre Technik benutzt haben, um die Heilung zu bewirken. Auch im Alten Testament finden wir viele Geschichten, in denen die Augen Visionen ankündigen (zum Beispiel Hesekiel 1:16, 1:18, 10:12; Daniel 7:8, 7:20; Zacharias 3:9) (vgl. Edmonston 1986, S. 22).

    In Jesaja 29:10 finden wir die Erzählung, wie Gott mit den Augen Phänomene einer hypnotischen Blindheit produzierte. Solche Phänomene finden wir auch in der Genesis, genauso wie in 1 Samuel. Daraus entwickelten sich vermutlich Techniken, die heute in der Hypnose gut bekannt sind. Wenn beispielsweise zu lesen ist: „Denn der Herr hat über euch einen Geist des tiefen Schlafs ausgegossen und eure Augen – die Propheten – zugetan, und eure Häupter – die Seher – hat er verhüllt." So stellt dies nach Edmonston einerseits eine interessante historische Anekdote dar, andererseits beschreibt die Passage auch hypnotische Phänomene ¹³ (vgl. Edmonston 1986, S.   22).

    In dem Buch „The Induction of Hypnosis (Edmonston 1986), versetzte König David mittels Handauflegen „alle Knechte des Herrn / die ihr steht des Nachts im Hause des Herren in Hypnose. „Sie legen ihre Hände an ihre Freunde und entheiligen ihren Bund (Psalm 55:21). „Hebet eure Hände auf im Heiligtum (Psalm 134:2).

    Hypnotische Phänomene Im Frühchristentum

    Im Frühchristentum finden wir ebenfalls Beispiele für hypnotische Phänomene: In den Heilungsberichten im Neuen Testament erfahren wir sowohl bei Jesus als auch bei den Aposteln etwas über die Verwendung der Augenfixation, des Handauflegens sowie der verbalen Suggestion. „Und als die Sonne untergegangen war, brachten alle ihre Kranken mit mancherlei Leiden zu ihm. Und er legte die Hände auf einen jeden und machte sie gesund (Lk 4:40). Der Apostel Petrus bewirkt die Heilung eines gelähmten Mannes durch eine Augenfixationstechnik (Apostelgeschichte 3:2–10, 9:32–34). „Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: […] steh auf und geh umher! (Apg 3:4–6).

    Paulus tat angeblich das Gleiche bei der Heilung eines verkrüppelten Mannes (Apg 14:8–10): „Dieser hörte Paulus predigen. Und als dieser ihn ansah und merkte, dass er glaubte, ihm könne geholfen werden, sprach er mit lauter Stimme: Stell dich aufrecht auf deine Füße! Und er sprang auf und ging umher."

    Auch das Handauflegen war den Aposteln nicht unbekannt. Es wurde an Saulus selbst durch Hananias angewendet: „Und Hananias, […] legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege erschienen ist, den du gekommen bist. Du sollst wieder sehend und vom Heiligen Geist erfüllt werden. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; […] (Apg 9:17–18). Später setzte Paulus die gleiche Technik ein (Handauflegen): „Es geschah aber, dass der Vater des Publius am Fieber und an der Ruhr darniederlag. Zu dem ging Paulus hinein […] und legte seine Hände auf ihn und machte ihn gesund (Apg 28:8).

    Paulus verwendete offensichtlich direktive hypnotische Techniken oder hypnoseähnliche Phänomene. In der Apostelgeschichte 13:6–11 wird erzählt, wie er durch eine Kombination von Augenfixation und Handauflegen hypnotische Blindheit produzierte ¹⁴ : „Saulus […] sprach: Du Sohn des Teufels, voll aller List und aller Bosheit, du Feind aller Gerechtigkeit, hörst du nicht auf […], die Hand des Herrn kommt über dich, und du sollst blind sein und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen! Auf der Stelle fiel Dunkelheit und Finsternis auf ihn, und er ging umher und suchte jemanden, der ihn an der Hand führte" (Apg 13:9–11).

    Jesus verließ sich hingegen mehr auf das Handauflegen und auf verbale beruhigende Suggestionen. Matthäus beschreibt sein Handauflegen in Bezug auf die Aussätzigen (Mt 8:1–14), ebenso Markus (Mk 1:40–45) und Lukas (Lk 5:12–14). Die Passage ist im Wesentlichen in allen drei Evangelien dieselbe: „Und Jesus streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will’s tun; sei gereinigt!" (Lk 5:13; Mk 1:41; Mt 8:13).

    Lukas erzählt uns auch von Jesu Nutzung des Handauflegens bei der Heilung einer Frau mit körperlichen Verkrümmungen: „Und er legte die Hände auf sie, und sogleich wurde sie gerichtet (Lk 13:13). Jesu Heilungstechnik durch die Berührung wird im folgenden Bericht über eine Blinde evident: „Da berührte Jesus, von Mitleid ergriffen, ihre Augen, und gleich sahen sie wieder und folgten ihm nach (Mt 20:34; siehe auch Mt 9:27–31).

    Weitere Beispiele lassen sich anführen. In einem Fall von Wassersucht (Ödeme) ¹⁵ ist es schwierig festzustellen, ob das Auflegen der Hände stattgefunden hat: „Und er fasste ihn an und heilte ihn und ließ ihn gehen (Lk 14:04, 14:01). Allerdings wird der Einsatz von Berührung im Fall von Fieber deutlicher: „Und er berührte ihre Hand, und das Fieber verließ sie (Mk 1:31; Mt 8:15). Die gleiche Geschichte findet sich ausführlicher bei Lukas (4:38–39), sie lässt auf einen körperlichen Kontakt im Zuge der Heilung bei einer Frau mit Blutungen schließen: Die kranke Frau berührte den Saum der Kleidung Jesu, woraufhin er beruhigende Worte sprach. Hier kann man auch auf eine Frühform der späteren Verwendung von magnetisierten Gegenständen schließen (Kleidungsstücke, Bäume und so weiter): Die Aufmerksamkeit des Patienten wurde mit Gegenständen erregt (vgl. Lk 8:43–48, 5:25–34; Mt 9:20–22). In wenigen Fällen benutzte Jesus die direkte verbale Suggestion allein, man findet ihren Einsatz allerdings zum Beispiel bei Lähmungen: „Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm das Bett und geh (Joh 5:8). oder im Fall einer verdorrten Hand: „Dann spricht er zu dem Menschen: Strecke deine Hand (Lk 6:10; Mk 3:5; Mt 12:13). Die gleiche Technik wurde bei Blinden benutzt: „Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend" (Lk 18:42). Wie in diesem Falle, so begann Jesus meist, ohne Zeit und Mühe zu scheuen oder die Konventionen zu beachten, sofort mit der Behandlung und benutzte eine direktive Induktion.

    In zwei Fällen wird in der Bibel von Behandlungen erzählt, in denen Jesus seinen eigenen Speichel benutzt. Die Kombination von Speichel und Handauflegen scheint zu funktionieren: „[…] Tat Speichel auf seine Augen, legte seine Hände auf ihn und fragte ihn: Siehst du etwas? (Mk 8:23). In einem anderen Fall von Blindheit vermischte er seinen Speichel mit Erde zu Brei: „Er spuckte auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden (Joh 9:6). Diese Salbe wirft die Frage auf, ob der Einsatz einer „magnetischen Flüssigkeit" nicht eine weitere frühe Form des magnetischen Wassers war.

    Nach der Forschung von Imber (1910) ¹⁶ enthält der Talmud einen direkten Bezug zur hypnotischen Induktion mittels Augenfixation in der Phrase „achisath aynayim („das Halten der Augen) (Edmonston 1986, S.   24).

    Die Rabbiner des frühen Christentums kannten ebenfalls den Einsatz verschiedener hypnotischer Phänomene, obwohl viele der Praktiken in die Kategorie der „Hexerei" verbannt worden sind.

    Christus und seine unmittelbaren Jünger waren die ersten, die in die neue Religion das alte sogenannte „Heidnische" integrierten. Diese Rituale wurden in ihrer eigenen Form des Gottesdienstes am Beginn des Christentums übernommen. Viele der frühchristlichen Heiligen waren der Meinung, dass die Inkubation beziehungsweise der Schlaf heile. Zum Beispiel finden wir das Auflegen der Hände, beschrieben in den Texten der heiligen Zwillingsbrüder und Ärzte Kosmas und Damian (gest. 303), als das am meisten verwendete Ritual der Inkubation. Es gab drei Formen der Inkubation in den ersten Jahrhunderten des Christentums (vgl. Edmonston 1986, S. 24):

    a) freiwillige, wo der Patient in den Tempel kam, um zu schlafen, und geheilt wurde,

    b) die Chance, bei der dem Patienten beziehungsweise der Patientin zufällig beim Einschlafen eine Vision erschien, und

    c) unfreiwillige, in denen der Patient einen Zustand der Bereitschaft, Empfänglichkeit durch Autosuggestion, Hypnose oder wunderbares Eingreifen erreicht.

    Die Aufgaben der Priester in den frühen christlichen Ritualen waren folgende drei: Sie sorgten sich um die Vernachlässigten (einschließlich der Irren), sprachen Fürbitten für die Betroffenen aus und exorzierten Dämonen.

    Augustinus berichtet in seinem Werk „Über den Gottesstaat" (413–425 n. Chr.) von einem Priester, der sich mit einer autosuggestiven Methode in einen speziellen Bewusstseinszustand versetzte, indem er völlig schmerzunempfindlich gegenüber Kniffen und Nadelstichen war – gleichzeitig jedoch für sein Umfeld voll ansprechbar blieb (siehe Kossak 1993, S. 20).

    Basilius, Bischof von Seleukia (4. Jahrhundert n. Chr.), berichtet, dass die hl. Thekla, deren Biografie er niederschrieb, ihn von seinen Ohrenschmerzen durch Berührung heilte, als sie vor ihm in einer Vision erschien. Aber das Handauflegen war nicht das einzige Ritual, welches in christlichen Riten seine Aufnahme fand. Die Bereitstellung spezieller Wasserbecken, durch welche die Kranken geheilt wurden, ist ebenfalls in der Überlieferung der hl. Thekla beschrieben. Die meisten Gemeinden pflegten auch die Verehrung des hl. Michael, über dessen erfolgreiche Heilungen viele Legenden berichten. Mittels der heiligen Brunnen wurden wundersame Heilungen von Krankheiten erreicht (siehe Edmonston 1986, S. 24).

    Legenden über die heilenden Werke der heiligen Männer Cyrus und Johannes im 7. Jahrhundert n. Chr. waren besonders verbreitet. Es wird erzählt, dass es zahlreiche Hinweise von Heilungen in der Inkubationszeit gibt. Die Menschen schliefen in den Kirchen manchmal nur eine Nacht, manchmal mehrere Jahre, bis zum Erhalt der kurativen Gesten der Heiligen. Meist beinhaltete das Ritual ein Auflegen der Hände. Ähnlich wie in den Schlaftempeln in Ägypten waren auch die Menschen in der Zeit des Cyrus und Johannes verpflichtet, etwas zu geben. Sie übertrugen ihr Geld und all ihr Hab und Gut vom Zeitraum der Inkubation bis zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit der Kirche. Der Wohlstand und wachsende Reichtum der frühen Kirchen wurde zum Teil auf diese Geschehnisse zurückgeführt. Es gab sogar ganze Tage der Heilung für reiche Bürger, während die finanziell weniger gut Ausgestatteten Monate oder Jahre auf den Balsam der heiligen Berührung warten mussten (siehe Edmonston 1986, S. 26).

    Während des ersten Jahrtausends erschienen den Kranken in der Inkubation (Schlaf) christliche Heilige und Märtyrer. Auf diese Weise konnte die Gesundheit durch direkten Kontakt oder durch den Einsatz von speziell dotiertem Wasser (heiliges Wasser der Kirche) wiederhergestellt werden.

    Zusätzlich praktizierten die Heiligen Julian, Martin, Maximinus und Fides in den Kirchen Griechenlands und Kleinasiens die gleichen überlieferten Rituale mit Handauflegung. Ihre Gesten und Praktiken werden im Grunde bis zur Gegenwart als Techniken in der Hypnose fortgesetzt ¹⁷ . Vor allem zwei Aspekte sind festzuhalten: Heilige Quellen oder Brunnen dienten sowohl in den Tempeln des Asklepios als auch in den Kirchen (und das bis ins späte 19. Jahrhundert) der Heilung und spielten eine wichtige Rolle in den Kuren. Außerdem entstanden sowohl in den Tempeln des Asklepios als auch in den späteren Kirchen Kurorte und Heilbäder in Verbindung mit religiösen Strukturen (vgl. Edmonston 1986, S.   21–25).

    Die „Verteufelung von Unerklärlichem" – Kampf gegen Zauberei und Hexerei im Mittelalter

    Unter Herzog Amadeus VIII. (1416–1434) kam es in Savoyen zu einer verstärkten Bekämpfung von Zauberei, Hexerei und generell dem, was nicht erklärbar war.

    1437 hetzte Papst Eugen IV. alle Inquisitoren auf die Sekte der Teufelsanbeter und Zauberer (vgl. Rabanser 2006, S. 14). Die Folgen sind weitläufig als fortschrittsfeindliches und „dunkles Zeitalter" mit seiner Hexenverfolgung bekannt:

    „1440 hatte die Hexensekte schließlich einen von den Waldenserverfolgungen im Pays de Vaud ¹⁸ geprägten und nun amtlich anerkannten Namen erhalten: Vaudenses. In den deutschsprachigen Gebieten setzte sich allerdings der schweizerdeutsche Begriff Hexereye durch. Damit nahm das Zeitalter der legalen Hexenverfolgungen ab zirka 1430   /   40 im französisch-italienisch-westschweizerischen Grenzbereich seinen Anfang und breitete sich bis Ende des 15. Jahrhunderts über den Großteil Europas aus; dieser Wahn sollte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts andauern." (Rabanser 2006, S.   14)

    Menschen mit psychotischen Störungen galten in Europa nicht nur in archaischen und antiken Gesellschaften bis ins 15. Jahrhundert (und darüber hinaus) als von Geistern und Dämonen besessen. Schamanen, Zauberer, Derwische und Priester bedienten sich magischer Rituale, um den Opfern zu helfen. Man glaubte, alle Krankheiten seien von Geistern oder Dämonen verursacht, wobei man speziell im Christentum oft der Meinung war, dass man aufgrund einer sündhaften Lebensführung und der darauffolgenden Strafe durch Gott selbst am besessenen Zustand schuld war (vgl. Nissen 2005, S. 26).

    Im späteren Mittelalter befassten sich gelehrte Geistliche zunehmend mit der Möglichkeit, dass der Teufel durch untertänige Wesen wie Dämonen und böse Geister ins Leben der Menschen eingreifen könne und dabei von Hexen und Hexenmeistern unterstützt wurde. So entstand die Dämonopathie, welche über die Seelsorge die Vorstellungswelt der ungebildeten Laien beeinflusste und einen Dämonen- und Hexenwahn hervorrief. Die weit verbreiteten Ängste vor bösen Mächten beförderten letztlich die Entstehung exorzistischer Rituale und Teufelsaustreibungen, welche oft in Verbindung mit Folter durchgeführt wurden. Teufelsaustreibungen sind als längere Prozesse zu betrachten, die Fasten und Beten der Gläubigen erforderten, während der Exorzist auf den bösen Geist einredete, um ihn mit Gottes Hilfe zu bezwingen (vgl. Nissen 2005, S. 27).

    „Besessen konnte jeder werden, der in Kontakt mit bösen Menschen trat und von ihnen irgendwie berührt, verwünscht oder verflucht wurde. Aber auch wer den Hauch eines Sterbenden einatmete, war gefährdet, oder generell jeder, den schlechtes Gewissen bedrückte. Zeichen der Besessenheit waren unter anderem epileptische Anfälle, Koliken, „Hexenschuss, Impotenz, Schlaflosigkeit und Albträume. Obwohl im Mittelalter der psychiatrische Ansatz vollkommen undenkbar schien, bewahrte man bestimmte Ideen im islamischen Glauben. Der persische Arzt Rhazes (864–925) ¹⁹ schrieb eine kurze Abhandlung, in der er die aristotelische Einteilung der Seele in drei seelische Bereiche darstellte: die vegetative, die animalische und die rationale Seele. Die „vegetative Seele wurde mit der Suche nach Vergnügen und Lust assoziiert, die „animalische Seele mit Arroganz und Herrschsucht, die „rationale Seele" mit exzessiver Wissbegier und Melancholie (vgl. Nissen 2005, S.   28).

    Abhängig von der Schwere des Falles setzten die Priester verschiedene exorzistische Techniken ein:

    Eine anerkannte Methode war das Handauflegen, das auch Sigmund Freud später bei seinen ersten hysterischen Patienten anwandte.

    Die Kraft der Musik, vor allem Harfenmusik, sollte die Dämonen vertreiben. Hin und wieder wurde die Behandlung durch Kräuter und Steine mit besonderen Kräften ergänzt.

    Fischherz und

    -leber

    wurden zu einer Pastete vermischt und verabreicht. Bei schwierigeren Fällen sollte der Rauch die Dämonen vertreiben. Wenn nichts wirkte, setze man die letzten Hoffnungen auf Weihrauch. Dazu musste die Person aber vorher ein Geständnis abgelegt haben und wurde nackt an eine heilige Kerze angebunden, um von einem Exorzisten behandelt zu werden (vgl. Bankart 1997, S.26).

    Der „Hexenhammer" (lat. Malleus Maleficarum) war ein Handbuch für Hexenjäger und wurde im Jahr 1486 von Heinrich Kramer und Jakob Sprenger veröffentlicht. Das Buch löste eine Welle von Hexenmorden aus, die insgesamt vermutlich bis zu 100.000 Menschen, die angeklagt und hingerichtet wurden, das Leben kostete (vgl. Bankart 1997, S. 27).

    Johannes Weyer ²⁰ (1515–1588) veröffentlichte im Jahr 1563 sein Buch „De Praestigiis Daemonum" und löste damit eine Welle der Kritik aus. In seinem Werk schränkte er die Macht des Teufels ein und führte unerklärliche Phänomene auf natürliche Ursachen zurück. Hexen, erklärte er, wären leicht beeinflussbar und psychisch gestört. Weyer forderte dringend, auf die Folterung solcher Menschen zu verzichten und sie lieber in ärztliche Behandlung zu geben (vgl. Nissen 2005, S.   37).

    Auf Seiten der Kirche wurden im Mittelalter Trancezustände zum Teil in Massenzeremonien durch kirchliche Würdenträger beziehungsweise weltliche Fürsten induziert, zum Beispiel bei Weihungen romanischer und gotischer Kathedralen, aber auch bei Hexenverfolgungen und während der Exorzismen, an welchen verängstigte Bevölkerungsgruppen emotional stark Anteil nahmen (vgl. Jovanovic 1988, S. 76).

    Die Rolle der Druiden …

    Im frühen Mittelalter galten die keltischen Druiden als einflussreich und machtvoll. Sie wurden von den keltischen Königen aufgrund ihres hohen Bewusstseinsstandes in wichtige Entscheidungen eingebunden. Ihnen wurde sogar nachgesagt, in der Lage zu sein, Kriege zu verhindern (vgl. Edmonston 1986, S. 26).

    In den Schriften der Druiden gibt es immer wieder Annäherungen an die Methoden der Hypnose, auch in Bezug auf Hexen. Ein Text erzählt die Geschichte von Sin, die sich bei König Muichertach Mac Erca am Tod ihrer Familie rächen möchte. Sie betört den König durch Farnkraut, das zu Halluzinationen führt und ihn in seiner Einbildung zu einem Schwein werden lässt. Sin soll auch Wein mit einem Schlafzauber belegt haben, der den König in einen langen Schlaf versetzte (vgl. Edmonston 1986, S. 26 f.).

    Neben Wein galten auch Wasser und Milch als Flüssigkeiten mit besonderen magischen Fähigkeiten. Milch war mit einer heilenden Wirkung verbunden. Wasser kam bei druidischen Ritualen oft zur Anwendung und wurde zu einem Vergessenheitstrank weiterverarbeitet, der den druidischen Schlaf herbeiführen sollte. Bestimmte Holzarten, zum Beispiel Eiche, Eberesche und Eibe wurden ebenfalls in Ritualen eingesetzt. In Irland wurde Holz von der Eibe als Zaubermittel verwendet, um Wege der Gegner vorherzusagen oder versteckte Dinge zu finden. Hier findet sich eine Parallele zum späteren Mesmerismus und der Verwendung von magnetischen Bäumen. Auch Metall spielte eine bedeutende Rolle, insofern es vor launischen Hexen schützen sollte. Bevor man eine Höhle betrat, in der man eine Hexe vermutete, legte man ein Stück Metall zum Eingang, da dieses schädlich auf die Hexe wirken sollte (vgl. Edmonston 1986, S. 27).

    Die erwähnten Substanzen (Wasser, Holz, Metall) schienen in Bezug auf Hypnose einen interessanten Einfluss auszuüben. Sie ermöglichten den Druiden, einen spezifischen Zustand oder sogar eine Trance zu erreichen, wodurch sie in der Lage waren, wichtige medizinische, politische oder militärische Informationen zu erhalten. Das Wissen wurde auch in Form von Träumen vermittelt. Die Druiden mussten nicht selbst träumen, sondern konnten mittels eines Mediums (also einer anderen Person) solche Träume als Informationsquellen benützen. In einigen Fällen wurden verbale Beschwörungsformeln so oft wiederholt, bis der Schlaf einsetzte (vgl. Edmonston 1986, S. 28).

    Die Beschwörung fand in einer bestimmten Körperhaltung statt. Zum Beispiel musste man auf einem Bein stehen oder einen Arm gestreckt und zugleich ein Auge geschlossen halten ²¹ . Die wirkliche Macht lag allerdings in der verbalen Beschwörung selbst. Der Fokus auf die verbale Induktion wurde erst im 19. Jahrhundert wiedergefunden, wobei die Druiden hier als Vorläufer genannt werden können. Nicht selten war die verbale Induktion gereimt, konnte aber auch musikalisch unterstrichen werden und letztlich zum magischen Schlaf führen (vgl. Edmonston 1986, S.   29).

    Nicht nur bei den keltischen Druiden konnten erste Formen der Hypnose nachgewiesen werden. Die Finnen beschreiben eine Induktionstechnik, durch welche bei anderen Menschen Schlaf induziert werden sollte: „Sleep he scatters on their eyelids, Locking fast their lids and lashes, Closing with a lock the eyelids" (Satow 1923, S. 29, zit. nach Edmonston 1986, S. 29 f.).

    Die Idee, dass die Berührung einer machtvollen Person heilende Wirkung besäße und Krankheiten vertreiben könnte, war im Mittelalter fest verankert. Charles II. von Frankreich und Philipp von Valois halten die Rekorde für die größten „Berührungszeremonien", bei der 1500 Personen von Philipp von Valois berührt wurden. Wie Edmonston mit einer schriftlichen Erzählung aus 1660 zeigt, ließ Charles II. seine Zeremonien folgendermaßen ablaufen:

    „His Majesty began to touch for the Evil according to custom, thus: His Majesty sitting under his state in the banqueting house, the chirugeons cause the sick to be brought, or led, up to the throne, where they kneel; the King strokes their faces or cheeks with both hands at once, at which instance a chaplain in his formalities says, ,He put his hands upon them, and he healed them.‘ (John Evelyn’s Diary, July 6, 1660; see Marks 1947, pp. 135 f.)" (Edmonston 1986, S. 31)

    Des Weiteren finden sich keine bemerkenswerten Dokumentationen zu Hypnoseanwendungen. Im Folgenden wird das Augenmerk auf Personen, die als bedeutsame Vertreter im Laufe der Entwicklung der Hypnose gelten können, gelegt.

    1.2 Theophrastus Bombastus von Hohenheim – hypnotische Kräfte bei Paracelsus

    Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493–1541), Arzt und Naturforscher, besser bekannt als Paracelsus, wurde 1493 in der Nähe von Zürich geboren und studierte an der Universität Basel. Seine Lehren beziehen sich auf Alchemie und Medizin und waren von einem freien, offenen Denken charakterisiert. Obwohl seine Theorien weit von der Wahrheit entfernt lagen, spielten sie in einer Zeit, in der sich über Jahrhunderte lang menschenverachtende Ideen angesammelt hatten, eine wichtige Rolle. Er kontaktierte nicht nur Ärzte und Schwarzkünstler, sondern Mönche, Alchemisten, Adelige sowie einfache Leute. Abergläubische Vorstellungen und Praktiken spielten zu seiner Zeit eine wichtige Rolle in der Lebensbewältigung (vgl. Rabanser 2006). Paracelsus wird bis heute mit der Entwicklung der Hypnose in Verbindung gebracht. Er legte das Fundament für Mesmers Induktionstechniken und seine Nachfolger (siehe Edmonston 1986, S. 35 ff.).

    Paracelsus meinte, das ganze Weltall sei von geheimnisvollen, aber doch „natürlichen" Kräften erfüllt, durch deren Beeinflussung der Mensch die unglaublichsten Dinge vollbringen könne. Er vermutete eine Energie, die alle Sterne und Lebewesen miteinander verbindet. Diese nannte er Archäus (lat. spiritus vitae) und beschrieb sie als Kraft, die die Essenz des Lebens beinhalten würde. Er führte weiter aus, dass Archäus von magnetischer Natur sei und zwar nicht im Menschen verankert, jedoch ihn umgebend. Diese natürliche Kraft sollte durch Magnetismus übertragen werden und dabei heilsame Kräfte vermitteln. Paracelsus ging davon aus, dass Menschen magnetisch anziehende Kräfte besäßen, die genauso wie Magnete arbeiten würden. Der Magnet wurde auf eine erkrankte Stelle des Körpers gelegt, um einen Austausch der vitalen Kräfte herbeizuführen (vgl. Edmonston 1986, S. 37 f.).

    In seinem Werk „Über Krankheiten, die einen Menschen seiner Vernunft berauben" beschreibt Paracelsus seine eigens kreierte Nosografie. Darin unterscheidet er Epilepsie, Mania, Veitstanz, Erstickung des Verstandes sowie fünf Formen des Wahnsinns (Mondsucht, Irrsinn, Vesania, Melancholia, übernatürliche Krankheiten). Seiner Meinung nach waren Geisteskrankheiten natürliche Krankheiten und nicht durch böse Geister verursacht (vgl. Lessing 1839, S. 179).

    Man findet bei Paracelsus auch die Vorstellung von der heilenden Wirkung der positiven Suggestion. Der weit gereiste Mediziner erkannte, dass der beste Arzt der „innere Arzt" sei, und war allein mit dieser Behauptung seiner Zeit schon weit voraus. Die Behandlung des Arztes wirkt nicht ohne die positive Vorstellung des Erfolgs (zit. nach Revenstorf 2001, S. 91).

    Er beschrieb in seinem Werk „Opera" die von Mönchen praktizierte Fixation auf eine Kristallkugel und den dadurch eintretenden tiefen Schlaf. Ein Arzt konnte dann durch Handauflegen den krankheitsverursachenden Magnetismus unschädlich machen, indem Heilungssuggestionen einen außergewöhnlichen Erfolg erzielten. Diese Behandlung empfahl er insbesondere bei Nervenkrankheiten (Ed. Straßburg 1646, Bd. 2, S. 553, zit. nach Völgyesi 1938, S. 37).

    1.3 Johann Joseph Gaßner – die Anwendung erster Ansätze von Hypnose im heutigen Verständnis

    Johann Joseph Gaßner (1727–1779) praktizierte, was wir heute in der Psychotherapie als Hypnose bezeichnen. Er führte als Pfarrer in einem kleinen Dorf in der Ostschweiz Exorzismen durch. Der Dämon wurde mit Hilfe verschiedener Techniken beschworen. Gaßner berichtet, dass während seiner Behandlungen die heute gut untersuchten Phänomene wie Katalepsie ²² , Konvulsion, Hellsehen aber auch Schmerzunempfindlichkeit sowie Amnesie auftraten. Viele Erscheinungen können heute unter anderem als Hysterie diagnostiziert werden (vgl. Ellenberger 1973, S.   89–94).

    1.4 Franz Anton Mesmer – der „Urvater" der modernen Hypnose

    Franz Anton Mesmer (1734–1815) gilt als Urvater der modernen Hypnose. Er war der Sohn eines einfachen Bauern. Mit ihm wird die Hypnose endgültig aus den mystisch-religiösen Domänen und aus der Nähe von Magie, Okkultismus und Hexerei ins medizinische Feld verschoben. Mesmer erklärte die exorzistischen Heilungen des Paters Gaßner für naturgesetzlich ergründbar und hielt sie keinesfalls für Teufelsaustreibungen. Damit setzte die zweite Ära der Hypnose beziehungsweise die Geschichte der modernen Hypnose ein. Im Gegensatz zu den dämonologischen Annahmen des Priesters Gaßner entwickelte Mesmer seine eigenen Theorien im Rahmen wissenschaftlicher Rationalität. Dennoch muss man anerkennen, dass die Ursprünge der modernen Hypnose und Psychotherapie in der Zeit der magischen, mystischen Rituale, für die Gaßners Exorzismus beispielhaft steht, zu finden sind (Revenstorf/Peter 2001 S. 699 f.). In dem Buch „A History of Hypnotism" beschreibt Gauld, dass über Mesmer sehr viel geschrieben wurde. Manche Biografen bezeichnen ihn auch als Scharlatan. Andere geben ihm den Rang eines Pioniers des Hypnotismus, der Psychotherapie oder der dynamischen Psychiatrie, da er als Erster das Unbewusste denken konnte und großen Einfluss auf die Erziehungswissenschaften und die Pädiatrie ausübte (siehe Gauld 1995, S. 3 f.).

    Ab 1750 studierte Mesmer im Alter von 16 Jahren Theologie und Philosophie an der Jesuitenuniversität in Dillingen, ab 1754 an der Bayerischen Universität Ingolstadt, wo er zum Doktor der Philosophie promovierte. Er studierte Medizin und Jurisprudenz in Wien (1759) und schloss das Studium mit seiner Doktorarbeit „De influxu planetarum in corpus humanum, auf Deutsch „Über den Einfluss der Planeten auf den menschlichen Körper ab. Danach studierte er Mathematik, Physik, alte Sprachen und Französisch.

    1775 strömten Reiche und Arme, Adelige, Bauern sowie Kranke aller Art in die kleine Stadt Ellwangen in Württemberg zu Mesmer. Er ersuchte Pater Gaßner um Hilfe bei der Heilung der Patienten. Gaßner exorzierte seine Patienten in Gegenwart katholischer und protestantischer kirchlicher Würdenträger. Seine Protokolle wurden von Augenzeugen unterschrieben. Bis ins 18. Jahrhundert waren aufgrund der Hexenverfolgung durch die Kirche und der allgemein verbreiteten Ängste vor teuflischen Mächten und schädlicher Magie unzählige Menschen gequält und hingerichtet worden. Mesmer demonstrierte nun seine Fähigkeiten und zeigte öffentlich, dass er mit seinem Magnetismus ebenso viel vermochte wie Pater Gaßner. Dadurch wurde ihm die Mitgliedschaft der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zuteil. Biografen verglichen Mesmer sogar mit Christoph Kolumbus, weil sein Forschungsweg vom Exorzismus zur dynamischen Psychotherapie führte und wie die Entdeckung eines neuen Kontinents erschien (siehe Ellenberger 1973, S. 95).

    1767 heiratete er eine reiche Witwe und ließ sich in Wien als Arzt nieder. Seine Freunde waren Joseph Haydn und Wolfgang A. Mozart ²³ .

    In den Jahren 1773–1774 behandelte Mesmer in seinem Haus eine

    27-jährige

    Patientin, die unter 15 schwierigen Symptomen litt. Mesmer studierte den Fall und bemühte sich, den Krankheitsverlauf zu verändern. In England gab es einen Arzt, der mit Hilfe von Magneten behandelte. Mesmer hatte daher den Einfall, seine Patientin in ein „künstliches Hochwasser" zu versetzen. Er gab ihr ein Präparat zum Einnehmen und befestigte drei eigens entworfene Magnete an ihrem Körper. Einen am Bauch, die anderen beiden an den Beinen. Die Patientin begann bald zu fühlen, wie ungewöhnliche Ströme eines geheimnisvollen Fluidums durch ihren Körper abwärts flossen und all ihre Beschwerden für ein paar Stunden hinwegschwemmten. Der 28. Juli 1774 war somit ein historisches Datum für Mesmer. Zur Zeit dieser Entdeckung war er 40 Jahre alt und

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