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Um Spaniens Freiheit: Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg
Um Spaniens Freiheit: Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg
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Um Spaniens Freiheit: Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg

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About this ebook

Walter Gorrishs Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg zeigt die Entwicklung des Bauernjungen Pablo zum bewußten Kämpfer in den Reihen der spanischen Volksarmee: Im Kampf gegen die Großgrundbesitzer erkennt er, dass der Widerstand gegen den franco-faschistischen Putsch Teil des internationalen Kampfes gegen Faschismus und Krieg ist. Am Beispiel seines Werdegangs erlebt der Leser die verschiedenen Stufen des bewaffneten Kampfes des spanischen Volkes von 1936 bis 1939 mit.
Viel ist seit dem Tode Francos von "schrittweiser Rückkehr zur Demokratie", vom "spanischen Wunder" und "schrittweiser Revolution" die Rede. Die Veränderungen haben aber weder etwas mit einem "Wunder" noch mit einer "Revolution" zu tun. Vielmehr versuchen die alten Kapitalisten, die alten Großgrundbesitzer, die "Granden" mit dem Schachzug der "Demokratisierung" noch einmal ihre Herrschaft zu retten. "Um Spaniens Freiheit" zeigt anschaulich, dass allein der Kampf des Volkes gegen die Spalter und Verräter, gegen diejenigen, die den Weg der Zusammenarbeit mit den Feinden des Volkes gehen wollen, die Garantie für den Sieg der Demokratie bietet. Der bewaffnete Kampf des spanischen Volkes hat welthistorische Bedeutung. Er war ein Brennpunkt des weltweiten Kampfes gegen den Vormarsch des Faschismus und seine Weltkriegspläne. Auch heute zeigt er uns, wie auf der Grundlage der kämpferischen Einheit des ganzen Volkes, der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft einzig ein erfolgreicher Kampf gegen Faschismus und Kriegsgefahr geführt werden kann.
LanguageDeutsch
Release dateJul 26, 2018
ISBN9783880215184
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    Um Spaniens Freiheit - Walter Gorrish

    Erster Teil

    José war ein Pistolero. Also ein Subjekt, das bereit war, für eine gewisse Summe Pesetas auf Menschen zu schießen. Trotz seines rohen Berufes war er ein Mann mit ehrbaren Grundsätzen. Einer der vortrefflichsten war, sich niemals unnötige Feinde zu schaffen. Nie verfluchte er die heilige Madonna oder schoß auf Menschen, die man auf Grund ihres Einkommens zu den anständigen Bürgern rechnen konnte. Daß er trotzdem nur noch eine knappe halbe Stunde leben sollte, lag daran, daß er nicht wußte, daß Pablo Perales, der siebzehnjährige Landarbeiter, den Hunger kannte.

    Mißmutig starrte José auf das Wasserbecken, das er im Auftrage des Großgrundbesitzers Don Philippe Ascasso zu bewachen hatte.

    José machte sich, keine Sorgen um die Felder der Bauern, denen sein Auftraggeber das Wasser entzog. Das einzige, was ihm an der Geschichte mißfiel, war, daß gerade er in dieses verdammte Nest verschlagen wurde. Sein Mißmut war durchaus begreiflich. José war aus der Stadt und gewohnt, auf streikende Arbeiter zu schießen im Schutze der Häuser oder der Polizei. Hier war es anders. Nirgends boten ihm die offenen Felder Schutz, wenn er mal gehetzt werden sollte. Im stillen berechnete er die Entfernung, die ihn vom Gutshof trennte. Es war nicht allzu weit, nur daß er dabei durchs ganze Dorf mußte, bereitete ihm schweren Kummer. Sein Mißtrauen schlug in offene Furcht um, seitdem alle zwei Stunden ein Bauer erschien und sich stumm und reglos neben dem Bassin niederließ.

    Wenn auch José nicht den Hunger kannte, so kannte er doch einige von den Gesetzen, nach denen er sich äußerte. Und er zitterte bei dem Gedanken, daß die demütig hungernden Bauern eines Tages kühn und entschlossen auf die Schuldigen zeigen könnten.

    In gleißenden Reflexen schleuderte ihm der Wasserspiegel die aufprallenden Sonnenstrahlen in die Augen.

    „Geh weg", sagte er, auf Pablo zugehend.

    Der Junge saß auf der platten Erde. Die grell scheinende Sonne zwang ihn, den Kopf gesenkt zu halten. Darum sah er auch den Mann nicht, aber den Schatten, der auf ihn zukam.

    „Du sollst gehen", wiederholte José, als er dicht vor dem Jungen stand.

    Pablos Blick kroch von der Schuhspitze des Mannes bis zu dessen Gesicht hinauf. Die gequollene Visage und die merkwürdige Hautfarbe ekelten ihn. Er kannte diesen grauen verwaschenen Bronzeton. Er hatte ihn oft bei Säufern beobachtet.

    „Señor, gehen Sie doch zu dem Apfelsinenhain hinüber, sagte er zu dem schwitzenden Wächter. „Es ist wirklich kühl und angenehm dort.

    Das Gesicht des Pistoleros wurde plötzlich fleckig. „Du willst die Schieber öffnen, du Schuft", schrie er den Jungen an.

    „Señor. Pablos Stimme wurde sanft und schmeichelnd. „Unsere Felder verdursten, und wir werden nichts zu essen haben. Sie sind ein guter Mann, fuhr er fort, „und ich weiß, daß Sie das nicht wollen."

    „Nichts weißt du, unterbrach ihn der Wächter brutal. „Zahlt dem Herrn die Wasserpacht und ihr habt alles, was ihr wollt.

    In Pablo nagte die Furcht vor dem Hunger. „Señor, begann er von neuem. „Sie sind von Malaga, sicherlich kennen Sie Taga Marin.

    In seiner Naivität versuchte er, den Pistolero durch die Erinnerung an eine gemeinsame Bekanntschaft umzustimmen.

    „Er hat lange Jahre die Handfessel getragen. Sie wissen doch, damals die Geschichte in Asturien. Und dann hat er ein Jahr in Malaga gearbeitet, am Hafen. Vor einigen Monaten kehrte er zu uns zurück."

    Die Gestalt des Wächters schob sich einen Schritt vor. „Ach so, sagte er sanft. „Am Hafen hat er gearbeitet? Er hat den Huren ihr sauer verdientes Geld abgenommen. Und eines Tages werden wir ihn dafür umlegen.

    Pablo liebte Taga. Seine Verehrung für diesen schon in den Fünfzigern stehenden Mann hatte verschiedene Ursachen. Trotz der Verleumdungen, die damals über ihn im Dorf aufgetaucht waren, wußte heute jeder, daß er in jenen Tagen in Asturien gegen die Granden gekämpft hatte. Und war Taga, trotzdem er nur ein Bauer war, nicht ein gelehrter Mann, der außer dem Padre Bücher besaß, aus denen er den Bauern vorlas? Gewiß, es waren seltsame, nie gehörte Worte, die ihm den Zipfel einer strahlenden Zukunft zeigten. Und die Bilder, die vor Pablos geistigen Augen erstanden, erregten ihn. Sie besaßen die Macht, die tierische Ergebenheit gegenüber seinem Dasein in eine sprachlose Sehnsucht zu verwandeln. Selbst auf dem Acker konnte er sich plötzlich aufrichten und, mit leerem Blick in die Weite starrend, über Tagas Worte nachdenken. Und während er gleichzeitig auf das Singen der sich öffnenden Blüten lauschte, stand am Ende seiner Träume immer die Gier nach dem Stück Land, das er bearbeitete und darum auch ihm gehören mußte. So hatte es Taga gesagt. Tatsächlich brachte er es in Verbindung mit täglich einem Stück Fleisch, der neuen schwarzen Manchesterhose, die beim Krämer hing, und sonntags, wenn alles gut ging, fünf Pesetas in der Tasche.

    Langsam stand Pablo auf. „Du hast den Huren ihr Geld abgenommen, nicht Taga", sagte er mit der Überzeugung eines Wissenden.

    Der Pistolero sah die kräftigen Schultern und die schlanken Hüften des Siebzehnjährigen. Mit dem Instinkt des geübten Provokateurs fühlte er, daß ihm dieser Junge gefährlich werden konnte.

    „Geh weg, du Bestie", sagte er und hielt Pablo die Pistole vors Gesicht.

    Und Pablo ging. Er ging dicht an der Mündung vorbei in die offenen Felder hinein. Seine Hand glitt über die dünnen kraftlosen Maisstengel.

    „Er läßt euch verhungern, der Schuft", murmelte er mit einem Blick auf das Schloß.

    In der schwirrenden Luft erschien ihm Don Ascassos Stammsitz merkwürdig klein, gleichsam als sei er meilenweit von ihm entfernt. Ein stechender Druck im Nacken ließ ihn den Kopf zurückbeugen. Für eine Sekunde blinzelte er zu der Sonne hinauf, die unaufhörlich heiße Lichtwellen gegen die Erde schleuderte. Und was er geahnt hatte, wurde ihm zur Gewißheit.

    „El viento della sahara", flüsterte er. Schwer und drückend strich der Saharawind über die Felder, umspielte kosend die Pflanzen und brachte sie zum Vertrocknen. Pablo hatte Erfahrung genug, um zu wissen, daß nur noch sofortige Berieselung die Frucht retten konnte. Hilflos schaute er nach dem großen Bassin hinüber. Dann neigte er ein wenig den Kopf und lauschte auf das Sterben der Frucht. In der tödlichen Umarmung der heißen Winde schlug ihre Qual dröhnend gegen sein Gehör.

    Und ihre Not war seine Not. Die Frucht gehörte ihm. Und er gehörte ihr. Von Sonnenauf- bis -untergang verlangte sie nach ihm. Durch seine unermüdliche Arbeit hatte er ihr seinen Atem eingehaucht, und wiederum würde sie ihm Kraft geben, neues Leben zu erzeugen. Er liebte sie wie das Leben selbst. Wie den Gesang der Mädchen, an den stillen Abenden am Brunnen, wo eine erregende Sehnsucht sein Blut zum Klopfen brachte. Entschlossen richtete er sich auf und ging auf das Becken zu.

    José kam ihm einige Schritte entgegen. „Na", grinste er höhnisch.

    Mit einem unerwarteten Satz warf sich der Junge auf den Gegner. Noch im Sprung griff er nach der Hand, welche die Pistole hielt. Er bog das Handgelenk des Mannes zurück. Die Mündung der Pistole zeigte auf die Stirn des Wächters. Als Pablos Zeigefinger den Hahn fand, drückte er ab. In wenigen Sprüngen war er bei den Schiebern und riß sie hoch. Brausend füllten sich die Bewässerungsgräben. Auf den Knien liegend, starrte er in das strömende, glucksende Wasser. Eine wilde Freude durchzitterte ihn, als die Flut die ersten Maisstengel erreichte. „Sauft, flüsterte er! „Sauft.

    Im Wasser sah er sein zerrissenes Hemd. Ernüchtert stand er auf.

    „Du Vieh", sagte er, als er an dem Toten vorbeiging. Gleichzeitig bemerkte er, daß vom Gutshof eine Gruppe Carabineros auf die Felder zustürmte.

    Pablos Beklemmung wich einer kühnen Angriffslust, als er sah, wie sich zwischen ihn und die Carabineros eine Anzahl Bauern schob. An ihrer Spitze ging Taga. Der Junge erkannte ihn an seinem nach vorne fallenden Gang. Noch während er auf die Menge zulief, fielen Schüsse. Wie von einer schweren Faust getroffen, wichen die Bauern zurück. Aber dann stürzten sie vor, und Pablo lief mitten im Haufen.

    Ganz vorne lief Taga, der ihn führte. Die Anhöhe zum Schloß war steil, und die Männer keuchten. Doch Pablos Herz und Lungen waren jung, und fast hatte er Taga eingeholt.

    An der Seite des Schornsteins auf dem Schloßdach stiegen weiße Wölkchen hoch. Pablo hörte das Singen der Geschosse, aber er sah den Mann nicht, der auf ihn schoß. Mit Befriedigung stellte er fest, daß er keine Angst hatte, und lief aufrecht weiter. Er wunderte sich, daß der Mann dort oben gerade auf ihn schoß, der nur einen Knüppel trug.

    Auf dem halben Wege zum Schloß starb Vincenz, der Weinbauer. Pablo sah nur einen dunklen Tropfen über dem Auge des Bauern. Scheu, fast widerwillig, nahm er das Gewehr des Toten. Hinter einem Felsblock liegend, lugte er zu dem Dach hinauf. Für einen Augenblick sah er an der Seite des Schornsteins den Kopf und die Schulter eines Carabineros. Er hatte das Gefühl, noch nicht ganz abgedrückt zu haben, als der Mann dort oben vorneüber fiel.

    „Hast du es gesehen, Vincenz", schrie Pablo dem toten Bauern zu und stürmte weiter. Jetzt lief er Seite an Seite mit Taga. Er hörte das schwere Keuchen des Anführers.

    „Auf die Fenster, schieß auf die Fenster", schrie er Pablo zu.

    Plötzlich verließ ein Personenauto den Schloßhof. Am Steuer saß Pedro, der Aufseher. Hinter ihm, tief gebückt, Don Ascasso und Padre Bernardo.

    Mit ihrer Flucht hörte auch die Schießerei auf. Während eine Gruppe Bauern die Carabineros entwaffnete und sie davonjagte, schleppten andere Stroh herbei und versuchten, das Schloß in Brand zu stecken.

    „Nieder mit dem Staat! Nieder mit der Disziplin! Es lebe die Freiheit!" brüllten sie.

    „Ihr seid verdammte Narren", schrie Taga zurück und trampelte auf dem Stroh herum. Einen Augenblick zögerten die Bauern, dann stürzten sie sich auf den brennenden Strohhaufen und löschten ihn.

    „Wir werden in den nächsten Tagen über alles sprechen", wandte sich Taga an die schwitzenden Bauern. Dann drehte er sich nach Pablo um.

    „Komm, wir wollen gehen", forderte er den Jungen auf.

    Taga schien Sorge zu haben. Erst in seiner Wohnung taute er auf.

    „Du hast die Frucht gerettet", wandte er sich an den Jungen.

    Vorsichtig schob der ehemalige Sträfling ein Schachbrett mit Figuren zur Seite. „Das ist ein Schachbrett; wenn ich Zeit habe, werde ich dir die Spielregeln erklären. Vorläufig spiele ich noch alleine."

    Sie sprachen noch lange zusammen. „Vor allem mußt du lesen und schreiben lernen. Ich werde dir helfen", versprach er dem Jungen.

    „Kann ich dann auch all deine Bücher lesen?"

    Taga nickte. „Alle", versicherte er mit einem Lächeln.

    Verlegen drehte Pablo die Mütze in den Händen. Noch nie hatte er soviel auf einmal gedacht wie in diesem Augenblick. Der Kampf seines Dorfes stieß ihn vorwärts, ohne daß er es wußte.

    „Lesen und schreiben lernen", murmelte er, als er ging.

    Taga stand am Fenster und schaute dem Jungen nach. Sein Blick streifte zu den Kuppen der Sierra hinauf. Die Strahlen der untergehenden Sonne prallten an den Schneefeldern ab. Rotes Licht überflutete das Dorf und die Felder. Als Pablo um die Ecke bog, ging Taga auf das Schachbrett zu. Behutsam nahm er einen der Bauern und schob ihn vor.

    „Ich werde einen Offizier aus ihm machen", sagte er.

    II

    Der Wind hatte sich gedreht. Wie eine sanfte Frauenhand strich er über die Stirnen der Bauern. Die Menschen atmeten auf. Irgendein schwerer Druck schien von ihnen gewichen zu sein, und ihre sonst stummen Gesichter lächelten.

    Über den Äckern stieg in flimmernden Wellen die erhitzte Luft nach oben. Sie war feucht vom verdampfenden Wasser. Satt und wie im Rausche wiegten sich die Maiskolben auf den kräftigen Stengeln. Es war offensichtlich, daß die Abwesenheit des Paters nicht im geringsten den Segen Gottes beeinträchtigt hatte. Die alte Pilar, die den kleinen Tabakladen an der Plaza führte, schlug vor Schreck und Verwunderung die Hände über dem Kopf zusammen.

    „Es kommt nicht oft vor, daß die Kolben so groß und dick sind wie in diesem Jahr", gestand sie Barbara, der Witwe des Weinbauern. Und ihre Ansicht, daß es ohne Don Ascasso weder Fleiß noch Ordnung geben könne, erlitt einen argen Stoß, als die Dörfler einige Tage später noch früher zur Arbeit gingen als sonst.

    Wie wahllos hingestreute dunkle Punkte standen die Bauern auf den Feldern. Trotzdem herrschte eine strenge Arbeitseinteilung.

    Rodrigez, der grauhaarige Anarchist, bearbeitete mit seiner Brigade die Felder der gefallenen und verwundeten Dörfler.

    „He, ihr lahmen Mulas, schrie der lustige Alte den Männern und Frauen seiner Brigade zu. „Habt ihr vergessen, daß Sanchez ein Loch im Bein hat? Wollt ihr seine Kinder verhungern lassen und ehrlos vor der heiligen Madonna stehen?

    Die listigen Äuglein des Anarchisten glänzten vor Zufriedenheit. Selten war der scharrende Rhythmus der. Jäthacken so intensiv, wie seit dem Tag, wo Don Ascasso zu seinesgleichen nach Badajoz geflohen war.

    Hart am Olivenhain arbeitete Pablo mit seiner Gruppe auf dem ehemaligen Besitz des Granden. Weit auseinander standen die Jungen und Mädchen zwischen den Furchen des Maisfeldes. Geschickt fuhren sie mit den flachen Jäthacken an den Stengeln der Früchte vorbei. Unter der dünnen rissigen Erdrinde, die sie mitsamt dem Unkraut abhoben, glänzte saftig der Acker.

    Der Schatten der Olivenbäume hatte fast den Rand des Feldes erreicht. Bald mußte Feierabend sein. Für einen Augenblick ließ Pablo die Hacke sinken und starrte zu dem Schloß hinauf. Auf dem Dach saß Pedro, der Schreiberlehrling vom Alkalden. Der Junge schaute nach Westen. Es war dieselbe Richtung, in der Don Ascasso geflohen war, und Pablo wußte, daß Pedro ein Gewehr trug.

    „Macht Feierabend", schrie er seinen Kameraden zu, als er sah, daß die Bauern die Felder verließen. Unterwegs rechnete er aus, wieviel sie verdient hatten.

    „Wir haben jeder sieben Furchen bearbeitet, erklärte er den Jungen und Mädchen. „Und vom Ernteertrag bekommen wir auch noch etwas.

    Andreas, ein etwa neunjähriger Junge, wollte wissen, warum das Land nicht aufgeteilt wurde. „Wir sind betrogen worden, protestierte er altklug. „Vor der Wahl hat man uns Land versprochen, und was tut die neue Regierung? Nichts! Rodrigez hat es selbst gesagt, hielt er Pablo vor.

    Pablo wußte, daß Andreas abends auf der Plaza gern um die Erwachsenen herumstrich und dabei manches Wort von ihren Diskussionen aufschnappte.

    Erwartungsvoll schauten die Jungen und Mädchen auf ihren Anführer. Mit einigen Redensarten versuchte Pablo, sich aus der Klemme zu ziehen. Konnte er denn gegen Rodrigez auftreten? Plötzlich fiel ihm eine Unterhaltung ein, die er vor einigen Tagen mit Taga gehabt hatte. Erleichtert atmete er auf.

    „Du bist ein Narr, entgegnete er. „Was willst du mit Land, wenn nicht genug Mulas vorhanden sind. Sollen wir sie in Stücke reißen?

    Andreas schien noch immer nicht zufrieden zu sein. „Vom Reingewinn bekommen wir auch noch was? fragte er. „Der Dorfrat hat es beschlossen. Das Land gehört ja uns allen, antwortete Pablo kurz. Mit einem Blick streifte Andreas das Schloß.

    „Ich habe Don Ascasso noch nie arbeiten sehen, begann er wieder. „Sag mir doch, wie es kommt, daß er so schrecklich reich war und wir nichts hatten.

    Pablo wollte schon sagen: ,Weil ihm alles gehörte!‘, aber dann besann er sich. Er kannte Andreas und wußte, daß sich der Junge mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben würde. Todsicher hätte er sofort gefragt: ,Wie kam es denn, daß ihm alles gehörte?‘ Und so würde er immer weiter fragen.

    Pablo runzelte die Stirn. Er tat es immer, wenn er über etwas nicht im klaren war.

    „Alles kommt heraus, sagte er drohend, „und eines Tages werden wir es wissen.

    Am Dorfeingang kam ihm Taga entgegen.

    „Morgen kommt ein Spieltrupp aus Malaga, wandte er sich an die Jungen und Mädchen. „Es sind lauter junge Leute wie ihr, ich glaube, sie würden sich freuen, wenn ihr sie abholen würdet. Pablo, sagte er zu dem Jungen, „sorg’ dafür, daß der große Schloßsaal in Ordnung gebracht wird, damit auch alle hineingehen, die das Stück sehen wollen."

    Noch am selben Abend gingen die Jungen zum Schloß hinauf. Die Arbeit war leicht und schnell getan. Über ein paar Weinfässer legten sie Bretter, und die Bühne war fertig. Pedro befestigte ein Transparent über der großen Saaltür. „Verteidigt den Boden, den die Republik Euch gegeben", buchstabierte er seinen Kameraden vor.

    Am anderen Morgen, es war ein Sonntag, holten sie den Agitationstrupp am Dorfeingang ab.

    Pablo sagte einige Worte des Willkommens. Zu seinem Ärger versprach er sich häufig, überhaupt fand er nicht die richtigen Worte. Seine eigene Stimme verwirrte ihn, sie kam ihm so fremd vor, wie die Jungen und Mädchen aus der Stadt, die ihm gegenüberstanden. Der Anblick der gutgekleideten Gruppe erzeugte in Pablo ein bisher unbekanntes Gefühl. Zum ersten Male empfand er es beschämend, daß er barfuß war und eine geflickte Hose trug.

    „Du hast gute Worte für uns gefunden", sagte ein Mädchen, als er geendet hatte, und gab ihm die Hand.

    Pablo versuchte ein Lächeln. „Ich werde euch jetzt in die Quartiere bringen", wandte er sich an die übrigen. Gemeinsam gingen sie ins Dorf zurück. Das Mädchen hielt sich an der Seite Pablos.

    „Ich heiße Magdalena", teilte sie ihm im. Laufe ihrer Unterhaltung mit.

    Gierig nahm er den vollen weichen Klang ihrer Stimme in sich auf. Noch nie hatte er seine Muttersprache so schön sprechen gehört wie von diesem Mädchen. Einige Schritte vor ihm ging Rosita, die Tochter des Weinbauern. Schwerfällig tappten ihre Füße in den Straßenstaub. Er ahnte in ihrer müden Haltung die verkümmerten Gefühle eines Menschen, der jahrelang für den Granden schwer gearbeitet hatte. Unwillkürlich verglich er das Mädchen an seiner Seite mit Carmen, der Tochter Don Ascassos. Magdalena hatte dieselbe aufrechte Haltung, denselben sicheren, lässigen Schritt wie Carmen. Pablo wußte, daß Carmen ein Mädchen hatte, das sie ankleiden half. Mit einem Seitenblick versuchte er, die Gestalt Magdalenas voll zu erfassen. ,Sicher hat auch sie noch nie gearbeitet‘, urteilte er. Seine Meinung wurde noch dadurch befestigt, daß Magdalena zu dem cremefarbenen Tüllkleid ebensolche Handschuhe trug, die ihr bis zu den Ellenbogen reichten. Verächtlich schnaubte er durch die Nase. ,Sie wird wohl allen Grund haben, ihre Hände

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