Last Exit: Poetry # 2: Poesie, Kunst, Fotografie
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Book preview
Last Exit - Books on Demand
Der Mensch, der seine Verbindung mit den Göttern verloren hat, weiß keinen andern Ausweg mehr, die Vereinzelung aufzuheben, the last exit: poetry. (Wolfgang Rohner-Radegast)
Inhalt
POESIE
Gertrud Maria Macher, Frage
Markus Bundi, Zuckerwatte und Lebkuchenherz
Ana Lang, Nomade sein
Ingeborg Kaiser, altersruh
romie lie, neue poesie
Zsuzsanna Gahse, Großkörper
Irena Habalik, Wenn Tausende ertrinken
Doris Mauthe, Notate zum Tage
Nana Pernod, Wasserfallnacht
Gabriele Loges, Gefunden
Leonor Gnos, Tagestöne
Nikolaus Cybinski, Einige Aphorismen aus einem alten Kopf
Peter Salomon, Aus meinem Stundenbuch
Gianni Kuhn, Amplifikationen
Elsbeth Maag, Neue Gedichte
Margrit Brunner, kein satz ohne sehnsucht
Brigitta Klaas Meilier, Fundsachen
Hedy Brusa & Elisabeth J. Stirnimann, herbeigeträumt
Markus Manfred Jung, Alemannische und hochdeutsche Gedichte
Peter Frömmig, Schnellbahn
Jürgen Stelling, Die Schlieren der Dämmerung
Elmar Schenkel, In der Hand
Kevin-Rick Doß, Fremde
FOTOGRAFIE
Jürgen Rebmann, Industrie-Impressionen
Sabina Costede, Fotografische Fundstücke
Inge Straub, Die Poesie der Kombinationen
ESSAY
Albrecht Rasche, Einige Gedanken zum Thema »Fotografie und Text«
Rainer Stöckli, »Wer ist du?« – »Ich ist ein Anderer!«
Übers Abbilden seiner selbst in Malerei, Graphik, Photographie seit 1900
25 Fragen zur Poesie, zur Zeit, zur Person: Dominik Riedo
Gertrud Maria Macher
Frage
was tun rosen
in der badewanne
sie machen sich frisch
für dich
*
Prägend
nicht dass er sich schämt
zum durchschnitt
zu gehören
der haftet an ihm
seit seiner kindheit
*
Ohne Aufsehen
sommers
unter dem regen
verstreut die wandrose
ihr letztes lächeln
und niemand
zählt die blätter
Am Tisch
milchglanzmorgen –
du sagst das erste wort
ich ringe nach einem satz
unsere uns vertrauten gestalten
sind die umgebende welt
immer noch
*
Als wärs ein Gedicht
kleinlaut –
mein volk aus wörtern
rudert durch trübe tage
gleich flüchtlingen
sind sie da
ungewollt
*
Weimar
sehe
die verschwindende sonne
am Ilmpark
höre
Goethe
ist noch da
allumfänglich
Taumelspuk
noch träumt mir
von sommers glut
vom buch
mit unserer schrift
wohlgeordnet
nein –
ich schlage ein tuch
über feuer und sprachspiel
ein papierenes schloss
brennt leicht nieder
*
Verlegen
wenn er den seidenen schal ablegt
riecht es anders um mich
als sässe der duft
auf fingerspitzen
und macht verlegen
*
herzhaft
tanzt laub
im herbstwind
willst es anhalten
wie ein jüngling seine geliebte
was verweht
der wind –
weniger als nichts –
bewegte schattenmuster
am haus
drinnen
schreibt es jemand auf
*
mit uns
schlüpft die zeit
in herzritzen
wir atmen
bücherstaub
für den hunger
gegen den durst
*
strassen
die mit sich
alleine sind
verbinden
wo sonst
kämen wir hin
freund
gräbst
du dich
in asche
für mich
brennst du
immer
*
jage im herbstwind
den blättern nach –
jemand ruft:
kindskopf
*
schatten
sammelt sich
im verwesenden laub
wind streift
blasse wangen
von einem
der von letzten dingen spricht
gegen das ziehende licht
im weiss
am unteren rand
steckt ein wort
allzu höflich
kein satz
heute nacht
kümmert sich meiner
am unteren rand
*
tauperlen im gras
und weite im blick
erheiterndes
bleib
ein schattenriss
gräbt mir
die sprache der halme
zu früh ins dunkle
Markus Bundi
Zuckerwatte und Lebkuchenherz
I.
Ich habe etwas im Kopf, von dem ich nicht weiß woher es kommt, etwas, das mich bewegt, mich antreibt, doch ich weiß nicht, wohin und wozu ohne Zweifel habe ich etwas im Kopf, das sich bewegt und mir keine Ruhe lässt, was es auch immer ist, es hält mich auf Trab, womöglich ist es Zeit, denn es streunert, treibt sein Unwesen in meinem Kopf, etwas zeitigt sich, ha! Habe gehört, dass es vergeht, dass sie vergeht, die Zeit etwas ist, das sich nicht aufhalten lässt, weil sie ist, etwas ist, das zugleich nicht ist, sich im Verstreichen erst bemerkbar macht, stets entwischend ein Scheibenwischer, der seinen Dienst tut, ohne dass ich einen Knopf gedrückt hätte, wie ich auch nichts für den Regen kann; er fällt oder fällt nicht das ist Augenwischerei! – Wirkt das Klima, hat die Zeit längst eingesetzt, behauptet sich als unumgänglich, immerzu die Fortsetzung des Augenblicks, uneinholbar. – Das ist es doch, was ich im Kopf hatte und noch immer habe, den Schein und die Notwendigkeit …
II.
… einer Fortsetzung, weil daran das Leben hängt, was aber doch wieder auf dasselbe hinausläuft, auf dieses Etwas, das ich habe, über das ich mich in Worten und Fetzen erschöpfe, die alle mit Warum beginnen, obzwar es doch nicht ich war, der diese Fragen stellte jedoch von allem Anfang an deren Träger bin habe mich womöglich auf dem falschen Fuß erwischen lassen, als das Denken einsetzte oder der aufrechte Gang, gleichviel, doch das glaube ich nicht, sage ich jetzt, einerlei, denn es gibt keine Schuld, keine Verantwortung, dafür hätte ich die Möglichkeit haben müssen, nichts zu denken. Schwöre also: Ich habe etwas im Kopf wofür ich nichts kann, es denkt sich fort und manifestiert Zeit; dieses Etwas führt von vorneweg das Vergehen im Gepäck, ist das Vergehen und ist das Gepäck, und ich möchte gern wissen wer diesen Rucksack für mich packte, denn ich war’s nicht, weiß ich, sage ich jetzt, auch auf die Gefahr hin, dass …
III.
… mein Gedächtnis nicht ausreicht, ich diesen Makel eingestehen muss, nein