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Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 3 (Kapitel 51-75)
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 3 (Kapitel 51-75)
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 3 (Kapitel 51-75)
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Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 3 (Kapitel 51-75)

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About this ebook

Liebe und Liebesverrat, Haß, Intrige, Giftmord, Entführung und zum Schluß ein Happy End - Frankenburgs Roman läßt kein Spannungselement aus. Das ideale Lesefutter für aufregende Stunden. Dies ist Teil 3 von 8 Teilen (insgesamt über 3.000 Seiten!)
LanguageDeutsch
Release dateSep 1, 2018
ISBN9783921249543
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 3 (Kapitel 51-75)

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    Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn - Robert Frankenburg

    Kapitel

    Düstere Schatten

    »Allen tut es weh’ im Herzen,

    Die den bleichen Knaben seh’n,

    Dem die Leiden, dem die Schmerzen

    Auf’s Gesicht geschrieben steh’n.«

    Carol warf bei Rolands Nahen dem blassen Mädchen noch einen warnenden Blick zu, dann entfernte er sich eilig, denn nun, das fühlte er, war seine Beherrschung zu Ende.

    Wie schwer war es ihm geworden, Helena zu erzählen, daß Roland geisteskrank sei und doch – es mußte sein, er fühlte instinktiv, daß er eine Scheidewand zwischen den beiden jungen Leuten aufrichten mußte, um sie voneinander fernzuhalten. Roland hatte noch nie ein Weib gesehen – war es da nicht natürlich, daß Helenas liebliche Schönheit sein jugendliches Herz in Flammen setzte?

    Und was sollte daraus werden?

    Carol war nicht der Mann, die beiden zu hüten, ihnen nachzuschleichen auf Schritt und Tritt, dazu war er schon zu alt und zu müde.

    Und er hatte doch seinem Meister geloben müssen, ihm dereinst den Knaben unversehrt an Leib und Seele, wie er ihn aus dessen Hand empfangen hatte, auch wieder zurückzugeben.

    Nein, nein, es durfte nicht sein, die beiden, jungen Herzen durften sich nicht finden!

    Ein harter, fast grausamer Ausdruck lag in seinem Gesicht, als er sich jetzt hinauf zur Höhle wandte. –

    Geisterhaft bleich und mit weitgeöffneten Augen blickte Helena dem Näherkommenden entgegen.

    Als Rolands aufstrahlender Blick sie traf, schauerte sie bang zusammen, während es in ihrem Herzen laut und angstvoll aufschrie: »er ist irrsinnig, barmherziger Gott!«

    Ahnungslos war Roland herangekommen und auf das Meer hinausdeutend sprach er:

    »Seht doch, wie ruhig heute die Wellen sind, wie schnell, wie spurlos solch’ ein Unwetter verschwindet. Wollt Ihr mir einmal mit dort hinauffolgen, dort werdet Ihr einen herrlichen Rundblick haben. Oder seid Ihr müde?«

    Sie schüttelte mechanisch das Haupt, sie konnte seinem bittenden Blick nicht widerstehen und wollte sich eben erheben, als plötzlich ein heftiges Zittern sie befiel und die Füße ihr den Dienst versagten.

    Er sah sie wanken und wollte stützend seinen Arm um sie legen, doch sie wehrte ihn heftig ab.

    »Es geht schon vorüber, ich bin doch noch ein wenig matt!« stammelte sie, leise erschauernd.

    Er geleitete sie hinüber nach einem vor dem Wind geschützten Plätzchen, auf den Helena sich, aufs Tiefste etschöpft, niederließ.

    Rolands Blick ruhte besorgt auf ihr.

    »Ihr fühlt Euch nicht wohl?« fragte er leise, in innigem Ton, »Ihr seht viel müder und blasser aus als vorher?«

    Nein, sie konnte ihm nicht in die Augen schauen, sie wußte, daß das Weh’ sie dann überwältigen und sie in Tränen ausbrechen würde.

    »Es ist wohl die Erzählung, die einen so ergreifenden Eindruck auf mich gemacht hat und mich so traurig stimmte, der Gedanke, hier an diese öde Klippe gebannt zu sein und nicht zu wissen, wann uns Erlösung winkt!«

    Er nickte ihr bewegt zu.

    »Ich kenn’ es ja nicht anders!« sprach er gedrückt. »Ich bin hier aufgewachsen und an die Einöde gewöhnt, Ihr aber kommt aus der herrlichen Welt, die mir wie ein lockend’ Paradies vor Augen schwebt – Ihr werdet das Leben hier kaum ertragen können! Nicht wahr, die Welt da draußen ist schön? O, erzählt mir von Eurer Heimat, ich möchte so gern wissen, wie es da draußen ist – Ihr ahnt ja nicht, wie ich mich in Sehnsucht nach der mir fremden Welt verzehre!«

    Es blitzte leidenschaftlich in seinen Augen auf.

    Ein heftiger Schauer rann durch ihre Glieder – sein aufglühender Blick ließ sie erbeben – sie dachte an die Worte des Alten – und senkte schnell das Haupt.

    »Was soll ich Euch erzählen«, sprach sie hastig, »die Welt da draußen ist nicht so schön, wie Ihr sie Euch vielleicht im Geist vorstellt – ich hab’ wenig glückliche Stunden in ihr gefunden!«

    »Und doch sehnt Ihr Euch dorthin zurück?« sprach er vorwurfsvoll und traurig.

    Sie zuckte betroffen zusammen und schwieg.

    Sie wagte es nicht, den Blick zu erheben, aus Furcht, in seinen Augen einen irren Ausdruck zu sehen, der ihr vor Angst und Weh’ das Herz zusammenschnüren mußte.

    Ein leises Stöhnen an ihrer Seite ließ sie ihre Vorsicht vergessen.

    Sie sah ihn mit zur Seite gewendetem, totenblassem Gesicht, in welchem es in leidenschaftlichem Weh’ zuckte.

    Wie gebannt blickte sie auf ihn hin, wie qualvoll war der Ausdruck seines Gesichtes, wie entsetzlich mußte er leiden.

    »Was ist Euch?« fragte sie endlich.

    Er wandte ihr sein blasses Gesicht zu und blickte sie verstört an.

    »Helena«, stieß er dann schweratmend hervor, »auch Ihr seid nicht offen gegen mich, Ihr sucht, wie Carol, mir alles zu verheimlichen. Ich bin kein Kind mehr«, fuhr er heftig auf, »ich will endlich auch Teil haben am Leben – und als ich Euch sah, jubelte es hell in mir auf: ›sie wird Dir die unbekannte Welt erschließen!‹ und Ihr – seid ebenso zurückhaltend wie Carol, auch Ihr wollt mein dürstend und nach Klarheit ringend Herz nicht verstehen – o Helena, Ihr ahnt nicht, wie weh Ihr mir damit tut.«

    Mit ersticktem Schrei war sie emporgesprungen, die düstere Verzweiflung, die in seinem Blick lag, erschreckte sie, und ohne selbst zu wissen, was sie tat, raffte sie sich auf und eilte, der Angst ihres Herzens folgend, nach dem Platz vor der Höhle hin, auf welchem Carol saß.

    Der alte Mann sah sie kommen und als sie, erschöpft und an allen Gliedern zitternd, neben ihm niedersank, ohne ein Wort zu sprechen, da nickte er befriedigt vor sich hin, er sah, daß er klug gehandelt hatte.

    Doch würden die düsteren Schatten, die er zwischen die beiden jugendlichen Herzen gestellt, um sie voneinander fernzuhalten, nicht doch noch einmal weichen?

    Konnte nicht eine einzige Stunde alles das, was er so künstlich und berechnend aufgebaut hatte, niederreißen und er doch noch sein Spiel verlieren?

    Roland hatte dem dahinstürmenden Mädchen fassungslos und bleich nachgeblickt, er verstand den Ausdruck vor Furcht und Grauen in ihren Zügen nicht.

    Was hatte er denn gesagt, daß sie so entsetzt vor ihm floh?

    Konnte sie ihm das nicht nachfühlen, daß er sich mit seinem feurig empfindenden Herzen hinaus ins frische, freie Leben sehnte, um seine Jugendkraft, seinen Mut dort zu erproben? War dies untätige Leben nicht eine Pein für seinen lebhaften Sinn?

    Und da er ihr sein Sehnen kunfgegeben und Verständniß bei ihr zu finden gehofft, floh sie vor ihm?

    Aufstöhnend richtete er sich empor, er fühlte plötzlich ein so brennendes Weh’ in seinem Herzen, das er bisher noch nicht gekannt.

    Es litt ihn nicht mehr hier unten, mit seinem stürmenden Leid flüchtete er sich hinauf auf die Felsen und saß dort stundenlang, ohne sich zu rühren, den Kopf in die Hand gestützt, und rang mit seinem unverstandenen Sehnen.

    »Laßt’ ihn nur ruhig dort oben sitzen«, erwiderte Carol auf Helenas bange Frage, »das ist das Beste für ihn, und wenn er herunter kommt, dann ist er wieder ruhig!«

    »Welch’ ein entsetzliches Geschick!« rief das junge Mädchen erschüttert, während helle Tränen in ihren Augen funkelten. »Und Ihr erhofft wirklich keine Heilung für ihn?«

    »Nein«, sprach der alte Mann hart, »er hat die Krankheit von seinem Vater geerbt und mit den Jahren wird es noch viel schlimmer!«

    Sie hatte sich abwenden müssen, um den Tränenstrom zu verbergen, der ihren Augen entstürzte.

    Es dunkelte bereits, als sie, müde am Felsen lehnend, plötzlich Rolands Schritt hinter sich vernahm.

    Sie biß die Zähne aufeinander, um ruhig zu bleiben, sie wandte sich auch nicht nach ihm um, denn nun legte sich auch schon wieder diese lähmende Angst auf ihr Herz.

    Schweigend ließ er sich neben ihr nieder und plötzlich erfaßte er mit leidenschaftlichem Druck ihre kleine, kalte Hand.

    »Helena«, klang es leise und flehend an ihr Ohr, »o verzeiht mir, daß ich Euch heute so erschreckt habe, ich will nun auch viel, viel ruhiger sein, damit Ihr nicht wieder vor mir fliehen braucht! Zürnt Ihr mir noch?«

    Tiefe Erschütterung bemächtigte sich ihrer.

    Sie neigte sich zu ihm hin.

    »Nein, Roland, ich bin Euch nie, niemals böse gewesen, es tut mir nur so unendlich weh’, Euch so unglücklich zu wissen!«

    Ein leiser, jubelnder Aufschrei entfuhr seinem Mund, sein aufstrahlender Blick leuchtete in der Dunkelheit zu ihr herüber.

    »Nun bin ich nicht mehr unglücklich, Helena – nein, o nein, fühl’ ich doch, daß Ihr mich verstehen müßt, denn es zieht mich etwas zu Euch hin – ein Gefühl, das ich selbst nicht mit Namen zu nennen vermag. Ich will ja still und geduldig warten, Helena, bis der Allmächtige es fügt, daß ich die mir fremde Welt soll kennen lernen – wenn Ihr nur bei mir bleibt, wenn ich Euch nur schauen und Euch alles das sagen darf, was meine Seele bewegt. Helena, wollt Ihr nun meine Welt, meine Vertraute sein?«

    Sie konnte nicht zu ihm reden, ein Gefühl, eine Glückseligkeit flutete in ihr auf, die auch sie bisher noch nie gekannt.

    Ihr stummer Händedruck sagte ihm alles, er fühlte den Zauber ihrer Nähe – und war so glücklich!

    Das Mädchen hatte alles, alles vergessen, sein innig bittender Ton hatte den rechten Weg zu ihrem Herzen gefunden, alle die düsteren Schatten waren geschwunden, vergessen die mahnenden Worte des Alten, sie dachte nicht mehr an das drohende Gespenst des Irrsinns, ihre Seele fühlte sich jetzt eins mit ihm.

    Hand in Hand, eng aneinandergeschmiegt, saßen die beiden, lauschten dem ungestümen Pochen ihres erwachenden Herzens und gaben sich ganz den seligen Gefühlen hin, die ihre Seelen durchfluteten.

    Dunkel war es um sie her.

    Zu ihren Füßen rauschte das große, gewaltige Meer – sie fühlten in diesem geheiligten Moment den Odem des Herrn um sich wehen.

    Droben, vor der Höhle, saß der einsame Alte, versunken in Bilder der Vergangenheit.

    Er vergaß alles um sich her und lebte wieder in der fernen Welt, die er einst müden Herzens verlassen.

    Ein Zukunftsbild stieg vor seiner Seele auf.

    Er stand vor seinem Meister und sprach zu ihm:

    »Hier bringe ich Euch den mir anvertrauten Knaben so rein und schuldlos zurück, wie Ihr ihn einst in meine Hand gegeben habt! Ich tat ihn sorglich hüten – den Jahren nach schon ein Mann, ist er doch ein Kind geblieben!« –

    O, Du törichter, kurzsichtiger Mann, Du glaubst, Du habest alles so fein ersonnen, bist Deiner Sache so gewiß und hast doch eins noch vergessen – die alles überwältigende Macht der jungen Liebe!

    52. Kapitel

    Auf drei Burgen

    »Schmerz und Freude liegt in einer Schale, 

    Ihre Mischung ist der Menschen Los.«

    Gräfin vom Strahl stand am Fenster und blickte in den herrlichen, klaren Morgen hinaus.

    Sie hatte so viel, so seltsam geträumt und das zog wieder durch ihren Sinn, während sie den Blick gedankenvoll über den weiten, herrlichen Park schweifen ließ.

    Heute erwartete sie ihren Friedrich von seinem Jagdausflug zurück und bei diesem frohen Gedanken erhellte sich ihr ernstes Gesicht und sie schritt schnell hinüber nach den Gemächern ihres Sohnes, um sich selbst davon zu überzeugen, daß auch alles so hergerichtet war, wie er es liebte.

    Wie sie sich sehnte, wieder in sein jugendlich frisches Gesicht schauen zu können, es war doch recht einsam und still auf der Burg ohne ihn.

    Sie seufzte leise. Er war in letzter Zeit immer recht viel fort gewesen – wie anders würde das sein, wenn ein geliebtes, junges Weib ihn an sein Heim fesselte!

    Die Gräfin war eben wieder in ihr Gemach zurückgekehrt, als plötzlich leise an die Tür geklopft wurde und gleich darauf der alte Diener Wolf den Ritter Flammberg bei ihr meldete.

    Bestürzt eilte die Gräfin dem Eintretenden entgegen, eine bange Ahnung durchzuckte sie, daß etwas vorgefallen sei. –

    »O gnädigste Herrin«, rief der alte Ritter erregt, der nur mit Mühe seine Bewegung dämpfen konnte, »Ihr blickt mich so entsetzt, so fassungslos an, doch beruhigt Euch, gnädigste Gräfin, Euer Sohn ist munter und gesund –«

    »Dem Himmel sei Dank, Herr Ritter«, rief die Gräfin, wie von einem Alp befreit, aus, »glaubte ich doch schon, meinem Friedrich sei ein Unfall auf der Jagd zugestoßen, denn Eure plötzliche Heimkehr verkündete mir nichts Gutes – wie froh bin ich, daß meine Angst unbegründet war!«

    »Hm, gnädigste Gräfin – etwas Unangenehmes komm’ ich freilich, Euch zu melden«, begann der Ritter zögernd, indem er besorgt zu der alten Dame aufblickte.

    Die Gräfin war totenbleich geworden, namenlose Angst lag in ihren Zügen.

    »Mein Gott, Herr Ritter, sprecht – weshalb kommt mein Sohn nicht selbst?«

    »Frau Gräfin«, rief der alte Mann jetzt bewegt, »wär’ ich dabei gewesen – bei Gott, sie hätten den jungen Grafen nicht gefangengenommen – nur über meine Leiche hinweg hätten sie ihn fortführen können!«

    »Barmherziger Gott – was sagt Ihr da, Flammberg mein Sohn gefangen? – Von wem?« schrie die Gräfin, entsetzt zurücktaumelnd.

    »Vom Burggrafen von Freiburg, Frau Gräfin! Ich vernahm die trübe Kunde erst, nachdem das Hüfthorn uns auf den Sammelplatz berief und wir unsern jungen Herrn vermißten. Sofort zerstreuten wir uns nach allen Richtungen, ihn zu suchen – bis wir einen von den Leuten des Burggrafen trafen, der uns die Gefangennahme des Grafen erzählte!«

    In dem Gesicht des alten Mannes zuckte es in heftigstem Schmerz.

    Die Gräfin starrte ihn mit weitgeöffneten Augen an, dann sank sie mit bangem Schrei auf einen Sessel.

    »Mein Gott, Flammberg – wie können wir ihn retten?«

    Sie war eine starke Natur, sie erging sich nicht in Jammergeschrei und Klagen, ihr erster Gedanke war –wie ihm helfen?

    In stummer, ratloser Verzweiflung blickte sie zu ihm auf.

    Der Ritter hatte das Haupt gesenkt.

    Er bewunderte den Charakter dieser Frau, die selbst im herbsten Schmerz sich so beherrschen konnte.

    Er hatte einst, als junger Ritter, die Gräfin heimlich geliebt und als sie sich mit Friedrichs Vater vermählte, war er in dessen Dienst getreten, nur um in der Nähe der vergötterten Frau bleiben zu können.

    Er hatte ihrem Gemahl treu gedient, war ihrem Sohn ein treuer Berater geworden und ihr selbst stand er so nahe wie keiner sonst, ohne daß die stolze Frau jemals geahnt, was sein Herz für sie empfunden.

    »Gnädigste Gräfin«, begann er jetzt bekümmert, »ich weiß hier auch keinen Rat. Wir können mit Gewalt nichts ausrichtem, wir würden doch nur den Kürzeren ziehen, denn der Burggraf hat sich, wie ich erfahren, schon bei Zeiten vorgesehen und ist gegen jeden Angriff gewappnet! Wir müssen erst auf friedlichem Wege die Befreiung des Grafen zu erwirken suchen!«

    Die blasse Frau richtete sich plötzlich energisch auf.

    »Was meint Ihr, Flammberg – wenn ich selbst zu dem Burggrafen ginge und ihn anflehte, mir den Sohn wiederzugeben? Den Bitten einer Mutter kann er doch nicht widerstehen, er müßte denn kein Herz haben! Nein, nein, Flammberg, blickt nicht so sorgenvoll, so bedenklich drein – frisch gewagt, ist halb gewonnen, und dann – ich hätte auch daheim keine Ruh’, sollte ich hier untätig sitzen! Nicht wahr, Ihr laßt den Reisewagen herrichten?«

    Es lag etwas so Bestimmtes in ihren Worten, daß er ihr nicht zu widersprechen wagte, und noch einen bewundernden Blick auf die im Alter noch schöne Frau werfend, verließ er nach tiefer Verneigung das Gemach.

    Das Haupt der stolzen Frau sank tief herab, sie dachte an die Demütigung, die ihr nun bevorstand – den Burggrafen um des Sohnes Freiheit anzuflehen.

    Doch gleich darauf hob sie das Haupt und ein Strahl zärtlichster Mutterliebe brach aus ihren Augen.

    »Für Dich, mein Friedrich – alles!« flüsterte sie leise.

    ***

    Zu derselben Stunde trat Graf Sylvester in das Gemach ein, in welches man den Junker Johann gebracht hatte.

    Er fand den jungen Mann grübelnd, den Kopf in die Hand gestützt, am Tisch sitzend.

    Bei seinem Nahen erhob er sich.

    »Ah, Ihr kommt, um mich von dem Geschehenen zu unterrichten, Herr Graf – daß Euer Vetter in dieser Nacht in Eure Burg einzudringen suchte, gerade so, wie ich es Euch prophezeite? Ich hab’ es wohl vernommen, ich hab’ die ganze Nacht hindurch gewacht und auf den Lärm draußen gehorcht!«

    »Ich bin gekommen, um Euch zu danken, Junker«, sagte Graf Sylvester ernst, »denn wer weiß, was geschehen wäre, hättet Ihr mich nicht auf den Überfall vorbereitet!«

    »Ihr habt die Rossitzer vertrieben, nicht wahr?«

    »Ja, sie eilten nach kurzem Kampf in wilder Flucht davon. Wir haben, dem Himmel sei Dank, nur wenige Opfer zu beklagen, einige meiner Leute sind verwundet worden –wie aber würde es jetzt hier aussehen, wenn die Absicht meines Vetters gelungen wäre –«

    Er brach jäh ab und wandte das ernste Gesicht zur Seite.

    »Habt Ihr Euren Vetter gesehen, Herr Graf?«

    »Nicht nur gesehen – er ist gefangen und befindet sich in meiner Gewalt!«

    Ein Schrei, halb Staunen, halb Jubel, entfuhr des Junkers Mund.

    »Euer Gefangener, Herr Graf – o, das wird ihn rasend machen, schwerer hätte die Strafe für seine Heimtücke, seine Bosheit ihn nicht treffen können, als daß Ihr nun über ihn triumphiert!

    Haha«, lachte der Junker wild und unheimlich auf, »wenn Graf Rupert ahnte, daß ich es war, der seinen Plan vereitelte! Erzählt es ihm nur, Herr Graf, ich mache durchaus kein Hehl mehr daraus, daß ich ihn hasse, und dann wird er auch erkennen, daß er selbst den Grund dazu in mir gelegt hat!«

    Graf Sylvester beschlich wieder jenes leise Grauen, als er den dämonischen Ausdruck in des Junkers Zügen gewahrte.

    Doch das Gefühl der Dankbarkeit überwog die Abneigung, die er im Geheimen gegen den Junker empfand, und deshalb sprach er jetzt freundlich zu ihm:

    »Ich bin auch gekommen, um Euch die Freiheit wiederzugeben, Junker, Ihr sollt nun nicht länger der unfreiwillige Gast meines Hauses sein! Wenn ich Euch noch einen Dienst erweisen kann, Johann, so sprecht, denn Ihr wißt, daß ich Euch verpflichtet bin!«

    Kein Zug veränderte sich in des anderen Gesicht, als ihm die Kunde ward, daß für ihn die Stunde der Freiheit geschlagen, und eine geraume Weile verging, ohne daß er etwas darauf erwiderte.

    Endlich stieß er schweratmend, stockend hervor:

    »Ich hätt’ schon eine Bitte, Herr Graf, deren Gewährung Euch nicht schwer fallen dürfte! Weiß Eure Tochter Agnes darum, daß ich Euch vor Eurem Vetter warnte?«

    »Gewiß, auch ihr ist bekannt, daß wir Euch unsere Rettung verdanken!«

    »So laßt mich, bevor ich von hier scheide, Eure Tochter, und sei es auch nur für wenige Minuten, allein sprechen, ich möcht’ ihr Lebewohl sagen!«

    Betroffen wich Graf Sylnester zurück und starrte jenen verdutzt an.

    »Hört’ ich auch recht – Ihr wollt von meiner Tochter besonders Abschied nehmen, Junker? Wie kommt Ihr darauf, meine Agnes ist Euch doch fremd, Ihr kennt sie ja gar nicht und deshalb erscheint mir Euer Ansinnen gar so wunderlich!«

    »Ich – sie nicht kennen?« Der Junker lachte seltsam auf. »Hat Euch Eure Tochter niemals von den Tagen ihrer Gefangenschaft auf Rossitz erzählt?«

    »Nein, Junker, kein Wort, sie weicht uns stets aus, wenn wir sie danach fragen, und deshalb dringen wir nicht mehr in das arme Kind!«

    »Seltsam«, murmelte der Junker halblaut vor sich hin.

    Dann hob er schnell das Haupt und ein fast flehender Blick traf den Grafen.

    »Wollt Ihr Eure Tochter fragen, Herr Graf, ob sie mir wohl ein Abschiedswort vergönnen will?«

    »Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch den Willen tun«, nickte der Graf nach kurzem Zögern, wobei sein Blick noch einmal forschend über den Junker dahinflog.

    Während er dann hinüberging, um Agnes aufzusuchen, grübelte er darüber nach, weshalb sein Kind so ängstlich über die Zeit der Gefangenschaft auf Rossitz schwieg.

    Als er zu seiner Tochter trat und ihr den Wunsch des Gefangenen mitteilte, schrie sie laut auf vor Angst und barg das totenblasse Gesicht in den Händen.

    »Nein, nein, ich kann ihn nicht sehen, mein Vater!« ächzte sie leise.

    »Agnes, ich verstehe Dich nicht, was soll nur diese kindische Angst? Ich weiß nun aus Deinem und des Junkers Wesen, daß Ihr Euch nicht fremd seid, doch wie dem auch sei – Böses dürfte er Dir wohl nie zugefügt haben, das beweist doch, daß er uns jetzt vor Ruperts Überfall warnte. Also sei vernünftig, Kind, bedenke, wie sehr wir ihm zu Dank verpflichtet sind!«

    Es entging ihm nicht, wie sie heftig zusammenschauerte.

    Er sah auch, wie sie im Geheimen mit sich kämpfte, bis sie dann endlich das totenbleiche Gesicht zu ihm erhob.

    »Gut denn, es sei, mein Vater, da Ihr es wünscht, ich werd’ ihn empfangen«, nickte sie tonlos.

    Kopfschüttelnd kehrte der Graf zu dem Junker zurück.

    Als er diesem die Botschaft brachte, daß seine Tochter bereit sei, ihn zu sprechen, flog eine so unaussprechliche Glückseligkeit über dessen Gesicht, daß dieses dadurch einen ganz anderen, fast weichen Ausdruck erhielt.

    »Ich dank’ Euch, Herr Graf«, rief er leidenschaftlich, »das ist die einzige Gunst, die ich von Euch erbitte!«

    Mit seltsam glühendem Blick folgte er dem Schloßherrn nach dem Gemach von dessen Tochter und dort ließ dieser ihn allein eintreten. Im ersten Augenblick schauten die beiden sich schweigend in die Augen.

    Agnes machte den Versuch, sich zu erheben, doch ihre Aufregung war so groß, daß sie wieder in den Stuhl zurücksank. Der Junker kam langsam auf sie zu, den verzehrenden Blick auf sie geheftet.

    »Ihr wißt es durch Euren Vater, Agnes, daß ich heute die Burg wieder verlasse?« fragte er leise, atemlos vor Erregung.

    »Ja, so sagte mein Vater!«

    »Wißt Ihr auch, daß ich mich mit Graf Rupert Euretwegen entzweite, daß ich nun heimatlos bin, Agnes, und müde und freudlos die Welt durchirren werde?«

    »Um meinetwillen?« Jähes Erschrecken flog über ihr blasses Gesicht. »Wie soll ich das verstehen?«

    »Laßt das«, bat er gequält, »es ist nun vorbei und nicht mehr zu ändern und ich bereu’ es auch nimmer. Doch Euch mußte ich noch einmal sehen, bevor ich von hier ging – Ihr seid ja die Einzige, die ich liebe!«

    Sie erbebte unter seinem glühenden Blick, dann, sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, sprach sie leise, ohne den Blick wieder zu ihm zu erheben:

    »Wir haben Euch viel zu danken, Junker, meine Eltern und ich – wir werden Euch das nie vergessen und Euch ein gut Gedenken bewahren!«

    Ein bitterschmerzliches Lächeln flog um seinen Mund, er lechzte nach einem einzigen Sonnenstrahl der Liebe in seiner Verlassenheit. Schweigend stand er vor ihr, sie mit seinem Blick verschlingend, während der Schmerz ihm fast die Kehle zusammenschnürte.

    »Agnes«, stieß er plötzlich heiser hervor – »o sagt es mir – wer ist es, den Ihr liebt? Jetzt, da ich scheidend vor Euch stehe, könnt Ihr offen zu mir reden, wer weiß, ob wir uns noch einmal im Leben begegnen!«

    Mit leisem Schrei sprang sie empor, ohne jedoch zu antworten.

    »Ihr wollt mir’s nicht sagen, Agnes, auch jetzt nicht?« fuhr er wild auf, als sie sich von ihm wandte. »Jerome kann es nicht gewesen sein, den Ihr liebtet, denn sonst müßtet Ihr größere Kümmernis hegen über seinen Tod – wer also ist es, den Ihr liebt?«

    Er war hart zu ihr herangetreten, sein Atem streifte ihre Wange.

    Entsetzt bog sie sich zurück.

    »Nein, nein, laßt mich«, stieß sie angstvoll hervor. »Was soll ich Euch auch sagen, Junker, o quält mich nicht, kenn’ ich doch selber seinen Namen nimmer, weiß auch nicht, wer er ist – ich traf ihn öfters im Wald –und dann fühlten wir beide, daß wir uns liebten!«

    Der Junker starrte sie fassungslos an.

    Dann aber blitzte es mißtrauisch und finster in seinen Augen auf.

    »Ihr wißt nicht, wer er ist?« lachte er heiser auf. »Wenn ich Euch nicht kennte, würde ich glauben, Ihr erzähltet mir ein Märchen. Wahrhaftig das ist romantisch! Wie aber, wenn er Eurer Liebe nicht wert, Euch nicht ebenbürtig wäre, sondern –«

    »Junker Johann, sprecht so nicht weiter, Ihr sollt und dürft ihn nicht schmähen, ich duld’ es nicht!«

    Hochaufgerichtet, mit düster flammendem Blick, stand sie vor ihm.

    »Doch nun lebt wohl«, fügte sie jetzt ruhiger hinzu, »hört Ihr, meine Frau Mutter klopft, sie verlangt nach mir! Der Himmel behüte Euch, Junker, möchtet Ihr friedfertigeren Sinnes werden und dereinst noch das Glück finden, das Ihr hier vergeblich suchtet. – Um dessentwillen, was Ihr jetzt für meine Eltern getan, werd’ ich ohne Groll Eurer gedenken!«

    Sie reichte ihm, ihre Scheu überwindend, ihre kleine Hand zum Abschied.

    Wie aus einem Traum erwachend, fuhr der Junker auf. Er hatte kaum verstanden, was sie zu ihm gesprochen, er fühlte nur das eine, daß er jetzt scheiden sollte von ihr, die er bis zum Wahnsinn liebte.

    Wie das Blut durch seine Adern stürmte, welch’ verzehrende Angst und Qual lag in dem Blick, mit welchem er die Heißgeliebte umfing.

    Vor seinen Augen schwand alles – er sah nur sie – sie allein.

    Dumpfes Stöhnen entrang sich seiner Brust.

    In namenloser Qual preßte er die Hände an die pochenden Schläfen, als fürchte er, daß der Kopf ihm springen könne.

    Und dann – verlor er die Beherrschung über sich selbst. Nur einmal noch, bevor er freudlos von dannen zog, sie in seinen Armen halten, einmal noch den rosigen Mund küssen – nur eine Sekunde lang das süße Glück kosten, das war’s, was ihn erfüllte.

    Ein Schrei entfuhr seinem Mund und schon im nächsten Augenblick hatte er die holde Gestalt an sich gerissen und preßte sie in leidenschaftlichem Weh an seine Brust.

    Agnes wollte schreien, um Hilfe rufen, doch die heiße Angst schnürte ihr die Kehle zu, kraftlos lag sie in seinen Armen.

    Ein verzweifeltes Weh packte ihn, nun da er sein Glück, seinen Himmel in den Armen hielt – und doch von ihm scheiden sollte.

    Mehr denn je fühlte er es in diesem Augenblick, daß sie einen anderen aus ihm hätte machen können, daß sie sein besseres Selbst geworden wäre.

    Und ihm war’s, nun da er sich von ihr, seinem guten Engel, wenden sollte, als taumle er dem Abgrund, der Hölle zu.

    »Ich kann nicht, ich kann nicht«, stammelte er verzweifelt, »warum soll ich denn alles, alles missen?«

    Er beugte sich hinab und bedeckte ihr totenblasses Gesicht mit heißen, glühenden Küssen.

    Das unglückliche Mädchen fand nicht die Kraft, ihn von sich zu stoßen.

    »Leb’ wohl, Geliebte«, stieß er atemlos hervor, »ich lasse nicht von Dir, die Du mein alles, mein Höchstes bist – ich harre dennoch auf mein Glück und gebe die Hoffnung nicht auf, Dich dereinst noch mein zu nennen! Ich werde den zu finden wissen, den Du liebst – und wenn er Dich verlassen sollte oder Deiner nicht ebenbürtig ist – dann wirst Du mich nicht mehr zurückstoßen –«

    Schritte nahten – der Junker fuhr empor.

    »Leb’ wohl – Dein Bild soll mich begleiten – Du wirst –«

    Er kam nicht weiter – das Rauschen eines seidenen Gewandes wurde im Nebenzimmer hörbar.

    Hastig gab er sie frei und floh zur Tür hinaus.

    Als gleich darauf Gräfin Gertrude ins Zimmer trat, fand sie ihr armes Kind besinnungslos am Boden liegen.

    Der Junker aber war spurlos verschwunden.

    ***

    Nachdem Graf Sylvester den Junker zu seiner Tochter geführt hatte, lenkte er seine Schritte hinüber nach dem Turmzimmer, wohin man seinen gefangenen Vetter gebracht hatte.

    Je näher er demselben kam, desto langsamer wurde sein Schritt. Düstere Schatten breiteten sich über seine edlen Züge, aufrichtiger Kummer sprach aus seinem umflorten Blick.

    Als er zu dem Grafen Rupert ins Zimmer trat, fand er diesen, den Kopf in die Hand gestützt, am Tisch sitzen.

    Er rührte sich nicht, verharrte auch trotzig in derselben Stellung, als Graf Sylvester mit festen Schritten sich ihm näherte. Nun blieb derselbe vor ihm stehen.

    Heißer Groll wallte doch in ihm empor, nun da er den vor sich sah, der ihn schon seit Jahren mit seinem Haß, seiner Feindseligkeit verfolgte, ohne daß er ihm den geringsten Anlaß dazu gegeben.

    »Graf Rupert, ich habe mit Euch zu reden!« sprach er laut.

    Langsam, nachlässig richtete der Angerufene sich empor und schleuderte seinem Vetter einen so grimmigen Blick zu, daß dieser unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.

    Dann blickte der Gefangene geringschätzig an ihm vorüber, ohne ein Wort zu erwidern.

    Edler Unwille stieg in Sylvester auf, doch er bezwang sich, atmete tief auf und sprach dann ernst und eindringlich:

    »Graf Rupert, ich frage Euch, wessen klagt Ihr mich an? Wie kommt Ihr dazu, mir Jahr für Jahr durch Eure Feindschaft das Leben zu verbittern? Weshalb ließet Ihr mir mein einzig Kind rauben und wolltet, gleich einem Mordbrenner, meine Burg überfallen – sagt, weshalb habt Ihr das getan? Desgleichen verlange ich auch Rechenschaft von Euch über Jeromes, Eures und meines Vetters Tod – sprecht, wodurch hat auch er Euren Haß auf sich geladen?«

    Ein leises, höhnendes Auflachen war des Rossitzers Antwort, achselzuckend wandte er den Kopf zur Seite, ohne den Vetter auch nur einer Antwort zu würdigen.

    Sylvester wurde bleich vor Entrüstung.

    In seinen Augen flammte es zornig auf, sein Stolz empörte sich über die nichtachtende Behandlung, die Rupert ihm zuteil werden ließ.

    Er trat vor ihn hin und rief ihm jetzt drohend zu:

    »Hütet Euch, Graf Rupert, auch meine Geduld hat ein Ende! Eure Handlungsweise gab mir das Recht, nachdem Ihr mir in die Hände gefallen, mich an Euch für alle Unbill zu rächen, doch ich tat es nicht, ich hetzte meine Leute nicht auf Euch, sondern schonte Euer Leben!

    Wer aber hindert mich, so frag’ ich jetzt, Euch das heimzuzahlen, was Ihr mir zugefügt? Wie – wenn Ihr die Warwander Burg lebend nicht wieder verließet?«

    Das zündete.

    Mit dumpfem Schrei drehte der Rossitzer sich jetzt um, reckte seine hohe Gestalt und ballte in maßlosem Grimm die Hände.

    »Wagt es nicht, ich rat’s Euch«, schrie er wild, »es könnte Euch das teuer zu stehen kommen, denn die Rossitzer warten nur darauf, Eure Burg dem Erdboden gleichzumachen! Sie hassen Euch wie die Sünde«, fuhr er zischend fort, »denn sie wissen, daß all’ unser Unheil aus Eurer Hand gekommen, daß Ihr nur mein Verderben sinnt!«

    »Ich – Graf Rupert, was fällt Euch ein – was hab’ ich Euch getan?«

    »Ha, wie Ihr Euch verstellt, Euch geberdet wie ein unschuldig Kind«, hohnlachte der Rossitzer, »als wenn es nicht jedermann wüßte, daß Ihr meine beiden Kinder ermorden ließet –«

    »Graf Rupert – besinnt Euch –«

    »Meine beiden Kinder«, fuhr der andere keuchend, mit wildrollenden Augen fort, »auch ihn, meinen lieben Knaben, meinen Peter – o«, er stöhnte verzweifelt auf und fuhr dann fast schreiend fort:

    »HölIe und Teufel, das soll Euch noch das Leben kosten, das schwör’ ich Euch zu, ich, der Rossitzer! Denkt Ihr, ich durchschaute Euch nicht, wüßte nicht, daß es Euch nach meinem Erbe gelüstet, daß Ihr Herr beider Gruafschaften werden wollt? Deshalb, deshalb allein ließt Ihr meine beiden unschuldigen Kinder ermorden –«

    »Graf Rupert – mäßigt Euch, hütet Euch, noch einmal solche Anklage wider mich zu erheben, bei Gott, Ihr würdet’s bereuen!«

    Hochaufgerichtet und bleich, in tiefster Entrüstung, stand der Burgherr von Warwand vor dem Gefangenen.

    Eine seltene Hoheit lag über Sylvesters ehrfurchtgebietender Erscheinung ausgegossen, und der Blick, den er voll heißer Empörung auf den Vetter gerichtet hielt, zwang diesen doch, die Augen zu Boden zu schlagen.

    Gleich aber richtete er sich wieder wild und trotzig auf.

    »Ihr wollt es leugnen? Natürlich, Ihr möchtet Euch reinwaschen, doch es gelingt Euch nicht«, höhnte er in grimmiger Wut. »Hat man bei meinem Peter nicht Eure Leute gefunden? Trug sein Körper nicht dasselbe unheimliche Merkmal wie der meines erstverstorbenen Kindes und da wagt Ihr noch zu leugnen?

    Hahaha«, lachte er wie wahnsinnig auf, »Ihr mögt es wissen, daß ich an der Leiche meines Peter Euch den Untergang geschworen habe, nicht ich allein, auch mein ganzes Haus!«

    Jetzt brach sich

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