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Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 5 (Kapitel 101-125)
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 5 (Kapitel 101-125)
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 5 (Kapitel 101-125)
Ebook473 pages6 hours

Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 5 (Kapitel 101-125)

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About this ebook

Liebe und Liebesverrat, Haß, Intrige, Giftmord, Entführung und zum Schluß ein Happy End - Frankenburgs Roman läßt kein Spannungselement aus. Das ideale Lesefutter für aufregende Stunden. Dies ist Teil 5 von 8 Teilen (insgesamt über 3.000 Seiten!)
LanguageDeutsch
Release dateSep 1, 2018
ISBN9783921249499
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung, Teil 5 (Kapitel 101-125)

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    Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn - Robert Frankenburg

    Kapitel

    Gen Rossitz

    »Das Schwerste, das Dich treffen kann, 

    Ist – wenn von des eigenen Blutes Hand 

    Dich die Vergeltung einst ereilt. 

    Die Wunde, so geschlagen Dir, 

    Vermag niemals zu heilen.«

    Acht Tage etwa waren vergangen seit der Ankunft der Greisin Hildegard aus der Burg des Junker Johann.

    Was die unglückliche Frau veranlaßt hatte, Rossitz zu verlassen, wußten weder der Junker, noch Barnabe, und da die Gräfin anhaltend darüber schwieg, so fragten die beiden auch nicht weiter danach.

    Immerhin sagte sich Johann, daß der Grund ein sehr schwerwiegender sein mußte, denn er kannte die Geduld und Langmut der Gräfin und wußte zur Genüge, was sie unter der rauhen, harten und gefühllosen Behandlung ihres Gatten früher erduldet und schweigend hingenommen hatte.

    Vor drei Tagen hatte der Junker sich von der Burg entfernt, ohne hinterlassen zu haben, wohin er sich begebe, noch wie lange er fern zu bleiben beabsichtige.

    Barnabe hatte sich allmählich an dies Alleinsein gewöhnt, aber weh tat es ihr, daß Johann so verschlossen gegen sie war und ihr von seinen Plänen und Absichten nichts verriet.

    Das junge Mädchen saß in dem Wohngemach am Tisch mit einer Arbeit beschäftigt, doch nur langsam kam es mit dieser vorwärts und endlich ließ es die Hände in den Schoß sinken und blickte träumend vor sich nieder.

    Nicht weit von ihr saß die Gräfin und schaute unausgesetzt zu dem Mädchen hinüber, dessen eigenartige Schönheit sie täglich mehr bewunderte.

    Sie kannte auch Barnabes Vergangenheit, wußte, daß diese von der alten Ursula erzogen worden war, und hatte von dem jungen Mädchen selbst gehört, weshalb es die Alte verlassen und dem Junker gefolgt war.

    »Was sinnt Ihr, Barnabe – Ihr seid so traurig?«

    Die Gerufene fuhr empor.

    »Es ist nichts, Frau Gräfin«, erwiderte sie dann, mit der Rechten langsam über Stirn und Augen fahrend, »ich dachte nur –«

    »An den Junker?« fragte Hildegard, als jene plötzlich abbrach und wieder vor sich nieerblickte.

    Das junge Mädchen antwortete nicht.

    Plötzlich aber schlug sie beide Hände vors Gesicht und ein heißer Tränenstrom brach aus ihren Augen.

    Langsam glitt die Gräfin zu ihr heran.

    Tiefes Mitleid sprach aus ihrem feinen, edlen Gesicht, und als die Tränen des jungen Mädchens nach einer Weile langsamer zu fließen begannen, legte sie ihre Hand auf dessen Scheitel und sagte in mildem, gütigen Ton:

    »Was ist Dir, mein Kind – weshalb sprichst Du nicht und erleichterst Dein Herz? Dir wird leichter werden, wenn Du das, was Dich quält, von Dir wälzt und andere teilnehmen läßt an Deinem Kummer.«

    Müde hob Barnabe den Kopf und blickte mit ihren tränenfeuchten Augen so unsagbar traurig zu der Gräfin auf.

    »Andern? Wem sollte – wem könnte ich mich anvertrauen, Frau Gräfin? Wer steht mir denn nah’ genug, daß ich meine Seele ihm anvertrauen dürfte?«

    Die Gräfin zog einen Sessel heran und ließ sich auf denselben nieder, die Hand des Mädchens in die ihre nehmend.

    »Wenn ich auch zugebe, daß Du bisher keinen Menschen hattest, der Dich verstanden hätte – mußt Du denn auch jetzt noch nach einem solchen suchen, Barnabe? Willst Du mir nicht sagen, was Dich bedrückt?«

    »Euch – Euch, Frau Gräfin?« Barnabe schüttelte traurig den Kopf. »Ihr spottet meiner, Frau Gräfin – was kann denn Euch daran liegen, ob ich Freude oder Schmerz empfinde, ob ich glücklich bin oder vergehen möchte vor Leid und Trauer? Ihr – die vornehme Frau und ich – das eltern– und heimatlose Mädchen?«

    »Und wenn ich Dich nun bitte, Barnabe – hörst Du, Dich bitte – Dich mir anzuvertrauen?« erwiderte die Gräfin in warmem Ton.

    Das junge Mädchen öffnete die Augen weit in namenloser Verwunderung:

    »Euch – wirklich Euch?« fragte sie atemlos. »So meint Ihr es doch wahr und aufrichtig?«

    Statt zu antworten, zog Hildegard sie zu sich heran und drückte einen leisen Kuß auf des Mädchens Stirn.

    »Mir hat der große und gewaltige Gott dort droben alles genommen, was ich besaß«, flüsterte sie, während zwei schwere Tränen ihr über die Wangen rollten, »und das Unglück bringt die Menschen schneller einander näher als die größte Freude! Daß Du nicht glücklich bist, mein – Kind, trotz der Pracht, die Dich hier umgibt, im Gegensatz zu der Armut und Dürftigkeit, in der Du groß geworden bist, das sah mein Auge auf den ersten Blick und auch, was Dich quält, glaube ich erraten zu haben!«

    Ein dunkles Rot flog über Barnabes Gesicht und schnell wendete sie das Gesicht zur Seite – die Gräfin hatte es aber doch gesehen.

    Die Hand unter das Kinn des jungen Mädchens legend, hob sie dessen Kopf in die Höhe, sodaß Barnabes Antlitz ihr voll zugerichtet war, und fragte jetzt, ihr scharf ins Auge blickend:

    »Du liebst den Junker, Barnabe?«

    Mit einem leisen Schrei sprang das Mädchen in die Höhe.

    »Wer – wer hat Euch – das – gesagt?« stammelte sie, angstvoll auf die Gräfin blickend.

    »Mit Worten – niemand, mein Kind!« erwiderte Hildegard. »Aber deren bedarf es auch gar nicht, denn Deine Augen reden eine zu deutliche Sprache, als daß man sie falsch verstehen könnte! Aber ich habe noch mehr gesehen! Der Junker ist kalt, oft hart gegen Dich – Du fürchtest, daß er nicht das Gleiche für Dich empfindet – sage mir, Kind, hab’ ich das Rechte gefunden?«

    Barnabe fand nicht gleich eine Antwort.

    Daß die Gräfin so klar in ihr Herz hatte blicken können, hätte sie nimmer für möglich gehalten und ebenso wenig, daß sie selbst sich verraten hatte.

    Aber bald hatte sie sich gefaßt.

    »Nicht das allein ist es, Frau Gräfin, was mich so traurig macht«, erwiderte sie. »Was kann ich dafür, daß ich ihn liebe, und was er – daß sein Herz nichts für mich empfindet? Mehr wie das, tut es mir so weh, daß er mich bei allem so gleichgültig behandelt, mir nicht sagt, was er treibt und was ihn so oft und so lang von hier fernhält! Rauh und hart mag er sein, auch finster und oft zornig – doch das alles wollt’ ich gern tragen, wenn er nur nicht so oft hinwegsehen wollt’ über mich. Ihr kennt das nicht, Ihr wißt nicht, Frau Gräfin, wie das so weh tut da drinnen im Herzen!«

    Ein herzzerreißendes Lächeln flog um der Gräfin Mund.

    »Doch, Barnabe – ich kenne es doch – ich kenne es gar nicht anders –«

    »Still, Frau Gräfin – ich höre Hufschlag drunten –«, unterbrach sie Barnabe plötzlich und eilte schnell ans Fenster.

    Da sah sie des Junkers Rappen im Hof, über und über mit Schaum bedeckt, den eben einer der Knappen in den Stall führte, und schnell trocknete sie ihre Tränen, denn Johann konnte jeden Augenblick hereinkommen und weinen mochte er sie nicht sehen.

    Schon vernahmen die beiden Frauen seinen schnellen Schritt in der Halle drunten, dann hörten sie ihn die Treppe heraufkommen und nun auf dem Gange, der nach dem Gemach führte, in dem sie sich befanden.

    Barnabe hatte sich aufgerichtet und stand, das Antlitz der Tür zugewendet, am Tisch, ihn erwartend – Da plötzlich erbleichte sie – der Junker schritt vorüber und begab sich in seine Gemächer, ohne sie oder die Gräfin erst zu begrüßen.

    Das war ein böses Zeichen.

    Barnabe kannte ihn zu genau, um nicht zu wissen, daß er sich entweder in einer hochgradigen Aufregung befand oder aber auf sie erzärnt war, denn nimmer unterließ er es sonst, bei seiner Heimkehr zu ihr hereinzukommen.

    Gräfin Hildegard hatte das Erschrecken in dem Gesicht des jungen Mädchens bemerkt und ahnte auch den Grund dafür.

    Sie erhob sich von ihrem Platz und sagte, zu dem jungen Mädchen herantretend:

    »Sorge Dich nicht, mein Kind, wenn er zu Dir kommt und dann vielleicht rauh ist und finster! Die Männer sind anders geartet wie wir, der Junker wird Verdruß gehabt haben und der mag wohl noch an ihm zehren. Sei freundlich, Barnabe, wenn Du ihm begegnest, suche durch heiter Geplauder die Sorgenfalten von seiner Stirn zu scheuchen, doch – frage ihn nicht nach dem, was ihm geschehen, Du würdest dann gerade das Gegenteil von dem erreichen, was Du bezweckst!«

    Sie streichelte leicht den dunklen Scheitel des Mädchens, dann ging sie langsam hinaus.

    Kaum aber hatte sie das Gemach verlassen, da trat ein Diener ein und ersuchte Barnabe, zu dem Junker hinüberzukommen.

    Verwundert blickte sie auf, das war, so lange sie auf der Burg weilte, noch niemals geschehen, daß Johann, statt sie aufzusuchen, sie zu sich entboten hatte – aber ohne zu zögern, folgte sie dem Diener.

    Als sie bei dem Junker eintrat, schritt dieser sinnend in dem Gemach auf und nieder und schweigend blieb sie eine Weile an der Tür stehen.

    Als er sie jedoch gar nicht bemerkte, fragte sie leise:

    »Ihr habt mich rufen lassen, Junker?«

    Da hob er den Kopf und kam schnell auf sie zu.

    Er faßte sie bei der Hand und zog sie in die Mitte des Zimmers.

    »Du magst Dich gewundert haben, Barnabe, daß ich nicht wie sonst zu Dir hinüber gekommen bin, doch tat ich es absichtlich. Sag’, ist die Gräfin im Wohngemach?«

    »Sie war es, als Ihr heimkehrtet, Johann – jetzt ist sie in den Flügel hinüber gegangen.«

    »So tat ich recht«, sagte Johann, »ich mochte sie nicht hören lassen, was ich Dir zu sagen habe!«

    In Barnabes Augen leuchtete es hell auf.

    »Ist das der Grund, Junker, weshalb Ihr nicht zu mir kamt?« fragte sie schüchtern.

    »Wie Du fragst, Barnabe – was sonst sollte mich getrieben haben, Dich nicht wie sonst zu begrüßen?«

    Sie schlug die Augen zu Boden.

    »Verzeiht mir, Junker, daß ich in Gedanken Euch unrecht tat, bat sie, »ich meinte, daß ich Euch irgendwie gekränkt und Ihr darob auf mich erzürnt wärt.«

    Der Junker machte eine Bewegung, als wenn er sie an sich reißen wollte, dunkle Glut stieg auf einmal in sein Gesicht – aber sein schon halb erhobener Arm sank wieder herab und sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, sagte er:

    »Ich hab’ es längst schon Dir angemerkt, daß es Dich traurig stimmte, weil ich Dir über das, was mein Sinnen beschäftigt und was so oft und so lange mich fernhielt von der Burg, nicht Auskunft gab. Doch es taugt nicht, wenn Frauen im Rat der Männer sitzen, sie vermögen sich nicht zurechtzufinden in vielem, was der rauhen Männer Sinn bewegt. Deshalb auch beschloß ich, Dir nicht eher von dem zu sagen, was ich willens bin zu tun, als bis ich alles erledigt hatt’, um endlich an die Ausführung zu gehen!«

    »Und habt Ihr es nun so weit gebracht?«

    »Ja, Barnabe – jetzt bin ich endlich am Ziel!«

    »Und was habt Ihr mir zu sagen, das die Gräfin nicht hören dürft’?« fragte das junge Mädchen gespannt.

    Der Junker ging, statt zu antworten, einige Male auf und nieder, dann plötzlich blieb er wieder vor ihr stehen und stieß kurz hervor:

    »Daß ich gen Rossitz ziehe.«

    »Junker –«

    »Noch diese Nacht!«

    »Junker, Junker – gegen Euren – Vater!«

    Ein heiseres Lachen klang von Johanns Mund.

    »Mein Vater?« rief er, »ist er das, weil er mich in die Welt gesetzt? Er hat nimmer Anspruch darauf gemacht, daß ich ihn so nenne und auch in meinem Herzen lebt nichts, das das Gefühl des Hasses gegen ihn in mir ertöten könnt’!

    »Aber er ist doch Euer Vater, Junker, ob er auch nicht als solcher gegen Euch gehandelt! Wenn der Rossitzer Graf Euch auch verletzet hat – so entspringt daraus doch nimmer für Euch das Recht, die Hand gegen Euren Vater zu erheben!«

    Ein spöttisches Lächeln flog über sein Gesicht.

    »Wenn’s Dich beruhigt, Barnabe, so will ich Dir gefällig sein und abstehen von meinem Vorhaben; ich ziehe nicht gegen meinen Vater –«

    »Johann –«, jubelte sie glückselig auf und streckte ihm unwillkürlich ihre Arme entgegen.

    Doch er achtete dessen nicht.

    Unbeweglich vor ihr stehen bleibend, mit demselben spöttischen Lächeln, fuhr er fort:

    »– nicht gegen meinen Vater, sondern gegen – den Grafen von Rossitz!«

    Einen Augenblick sah sie ihn groß, verständnislos an, dann sanken ihre Arme schlaff herab – sie hatte zu früh gejubelt.

    »Glaubtest Du wirklich, daß ich auf ein paar Worte von Dir das aufgeben werde, was ich beschlossen und zu dem ich die Vorbereitungen nun getroffen habe? Glaubst Du, daß ich Lust hätte, den Glanz und Reichtum, der mich umgibt, wieder zu verlieren, wieder in das Nichts zurücksinken zu wollen, aus dem ich hervorgegangen?« fuhr der Junker, wieder ernst werdend, fort. »Hast Du geglaubt, daß ich meinen Schwur vergessen hätt’, mich an denen von Rossitz zu rächen für den Schimpf, den man mir angetan? Nein«, rief er, sich hoch aufrichtend, »herrschen will ich und mächtig sein, gebieten, nachdem ich so lange hab’ gehorchen müssen, und was ich mit Hilfe der alten Ursula jetzt besitze, gebe ich nicht dahin – um ein paar Weibertränen!«

    Und weshalb wolltet Ihr nicht, daß die Gräfin von Eurem Zug erfahre? Sie gehört doch auch zu denen von Rossitz?«

    Im Nu verfinsterte sich das Gesicht des Junkers und ein harter Blick traf Barnabe.

    »Das kümmert Dich nicht«, erwiderte er rauh und setzte dann noch hinzu, als fühle er sich doch verpflichtet, ihr eine Erklärung zu geben: »Ich mag ihr Gejammer nicht hören – ich –« dann brach er plötzlich ab und trat ans Fenster.

    Ohne sich umzuwenden, sagte er, von seinem Platz aus:

    »Ich wollt’ Dir das nur sagen, damit Du weißt, weshalb ich vielleicht für längere Zeit fortbleibe und euch ist es möglich, daß mir etwas – zustößt, das Kriegsglück könnt’ sich auf seine Seite wenden! Aber ich will nicht, daß Du der Gräfin die Wahrheit sagst, weil – weil sie vielleicht versuchen könnt’, ihn zu warnen, oder –Hast Du mich verstanden, Barnabe?« brach er kurz ab.

    Ein Lächeln, das er gar nicht bemerkte, verschönte ihr Gesicht, als sie leise antwortete:

    »Ja, Junker – ich habe Euch sehr gut verstanden!«

    Wie er sein Innerstes vor ihr zu verbergen suchte!

    Nicht, daß sein Plan verraten, sein Vorhaben vereitelt werden könnte, war der Grund, daß er ihr Schweigen gegen die Gräfin forderte – sie wußte es besser.

    Nicht ein einziges Mal hatte er gegen dieselbe einen harten Ton angeschlagen, wie es so oft seine Art war, ein einziger Blick aus ihren tiefblauen Augen hatte genügt, das scharfe Wort, das er zu sprechen im Begriff gewesen, auf seinen Lippen zu bannen, er war machtlos gegen den warmen, sanften Ton ihrer Stimme.

    Barnabe hatte das wohl bemerkt und jetzt wußte sie auch, daß er der Gräfin Hildegard nicht weh tun wollte durch die Nachricht, daß er den Rachezug gen Rossitz unternahm.

    Wie rauh und finster war seine Außenseite und wie viel seltsamer dies gegen den weichen Zug, der in dieser Schonung gegen die schwergetroffene Frau hervortrat.

    An seinen Worten aber wie auch an seinem Gesicht hatte sie erkannt, daß nichts ihn von seinem einmal gefaßten Vorhaben würde abbringen können, daß ihr weiteres Bitten zwecklos bleiben würde.

    Als er jetzt schwieg, trat sie zu ihm heran und fragte:

    »Schon diese Nacht, sagt Ihr, wollt Ihr aufbrechen, Johann?«

    »Ja«, erwiderte er, »meine Mannen, die ich angeworben habe, sammeln sich diese Nacht an einem von mir bestimmten Platz. Wenn wir die Nachtstunden benutzen, uns dagegen morgen am Tag im Verborgenen halten – damit der Rossitzer nicht etwa vorzeitig Nachricht bekommt von unserem Anmarsch – und wir dann morgen mit Anbruch der Dunkelheit uns wieder auf den Weg machen, so dürften wir morgen Mitternacht am Ziel sein.

    Der Aufbruch der Knappen, das dadurch entstehende Geräusch, wird die Gräfin wohl aufmerksam machen – doch ist das nicht zu vermeiden. Du magst ihr dann sagen, daß ich mit dem Freiburger Grafen gemeinsam zu Felde ziehe gegen dessen Feind, den Strahlburger Grafen – sie dürfte wissen, daß die beiden miteinander in Fehde liegen und so klingt das sehr wahrscheinlich!«

    In diesemAugenblick trat einer der Knappen mit einer den Ausbruch betreffenden Meldung ins Zimmer und so entfernte sich Barnabe, da sie wußte, daß er bei solchen Dingen allein sein wollte.

    Während des ganzen übrigen Tages ging sie unruhig hin und her.

    Er ahnte nicht, wie ihr das Herz so gewaltig pochte vor Angst, wie sie sich um ihn sorgte, da er hinausziehen wollte in den Kampf – in den Kampf gegen den eigenen Vater und wie sie zu der heiligen Jungfrau flehte daß sie mit ihm sein, daß sie ihn beschützen möge und daß der allmächtige Gott ihn nicht strafen solle für den Frevel, den er begehen wollte. –

    Der Abend kam heran.

    Früher als sonst war heute auf Johanns Gebot das Mahl aufgetragen worden, da er in einer Stunde aufzubrechen beabsichtigte.

    Gräfin Hildegard hatte, nachdem sie sich von Barnabe getrennt, ihre Gemächer, welche sie auf der Burg bewohnte, inzwischen nicht wieder verlassen und kam erst jetzt herüber, nachdem die Dienerin ihr gemeldet hatte, daß aufgetragen sei.

    Zu gleicher Zeit mit ihr trat Johann von der anderen Seite ins Zimmer und Barnabe sah, wie er beim Anblick der Gräfin leise zusammenfuhr.

    Aber er nahm sich zusammen; nur vermochte er, wenn Hildegard zu ihm sprach, die Augen nicht zu ihr zu erheben und blickte bei seinen kurzen Antworten immer scheu zur Seite.

    Das Mahl wurde fast schweigend eingenommen, die Gräfin merkte wohl, daß ein Druck auf den anderen beiden lastete, ahnte jedoch nicht im Entferntesten die Ursache desselben.

    Plötzlich horchte sie auf.

    Vom Hof herauf erklang dumpfes Stimmengewirr und dann ein Geräusch wie Waffengeklirr.

    Im gleichen Augenblick erhob sich der Junker.

    »Was geht denn vor dort drunten, Johann?« fragte sie gespannt.

    Ohne sie anzusehen, erwiderte er:

    »Es sind die Knappen, Frau Gräfin – sie rüsten zum Aufbruch!«

    »Zum Aufbruch – zur Nachtzeit? Gilt es eine Jagd, Junker, die Ihr vorbereitet habt, daß Ihr die Nacht zum Tag macht?«

    »Eine Jagd, Frau Grafin – Ihr habt es erraten!« erwiderte Johann sarkastiseh.« Und ich hoffe, daß mir das Glück günstig ist und es mich das Wild finden läßt, das ich zu jagen gedenke!«

    Sein beißender Ton ließ sie aufhorchen.

    »Wie seltsam Ihr sprecht, Junker! Ist es der Bär, dem Ihr nachspüren wollt oder gilt es einem anderen Wild?«

    »Einem edleren, Frau Geäfin – einem Menschen!« Und als wolle er ihr zu weiteren Fragen die Gelegenheit nehmen, fuhr er schnell fort: »Es gilt dem Grafen vom Strahl, gegen welchen der Burggraf von Freiburg zu Felde zieht und mit letzterem habe ich mich verbündet. Ihr dürftet wissen, daß die Fehde, welche zwischen den beiden besteht, ihre Ursache hat in dem Haß des Burggrafen gegen seinen Nebenbuhler, da der Graf vom Strahl sich der Herrin von Thurneck, des Fräulein Kunigunde, angenommen hat in einem Zwist zwischen dieser und dem Freiburger Grafen!«

    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte die Gräfin, »und ich glaube auch, gehört zu haben, daß das Fräulein von Thurneck dem Grafen vom Strahl sich verlobt hat.«

    »So ist es, Frau Gräfin! Doch soll sich der Graf vom Strahl, wie der Burggraf mir berichten ließ, unlauterer Mittel zur Erlangung der Hand des Fräuleins bedient und ihn, den Burggrafen, bei dem Fräulein verläumdet haben!«

    Die Gräfin schüttelte zweifelnd den Kopf.

    »Mir ist der Graf vom Strahl anders geschildert worden, Johann – als ein charakterfester, ehrlicher Mann und scheint er mir demnach einer solchen Handlung durchaus nicht fähig! Doch gleichviel! Aber weder Ihr noch Barnabe hattet mir bisher gesagt, daß Ihr derartiges im Sinn führt, und nun brechet Ihr so plötzlich auf?«

    »Ich war mit dem Burggrafen übereingekommen, daß ich mit ihm ziehe, sobald er die Aufforderung an mich würde ergehen lassen – ich habe diese erst heute morgen erhalten!«

    Wieder klang jetzt das Geräusch der Knappen, das Wiehern der Pferde vom Hof herauf und der Junker wurde unruhig.

    Im gleichen Augenblick wurde auch die Tür geöffnet und in voller Rüstung trat einer der Leute herein.

    »Es ist alles bereit, gestrenger Herr – wir können aufbrechen!« meldete er.

    Der Junker nickte ihm kurz zu und jener entfernte sich wieder.

    Mit den Worten: »Ich komme noch einmal zurück!« verließ auch Johann das Gemach und begab sich in das Zimmer, in welchem sein Schildknappe ihn bereits erwartete.

    Barnabe war, als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, ans Fenster getreten und blickte auf den Hof hinab.

    Aber doch sah sie nichts.

    Ein Tränenschleier hatte sich vor ihre Augen gelegt und fest krampfte sie die Hände zusammen und bezwang sich, um das Schluchzen zu unterdrücken, das sich in ihr empordrängte.

    Die Gräfin, der die Erregung des Mädchens nicht entgangen war, ließ dieses ruhig gewähren; sie wußte, daß es der Schmerz der Trennung war, der Barnabe erfaßt hatte und – womit sollte sie dieselbe trösten?

    Da kam auch der Junker schon wieder zurück.

    Hastig ging er zu Barnabe hinüber, die sich bei seinem Eintritt wieder umgewendet hatte, und reichte ihr die Hand.

    »Die Knappen warten, es ist Zeit zum Ausbruch, Barnabe – leb’ wohl!«

    Ihre eisig kalte Hand lag in der seinen – aber kein Wort kam über ihre Lippen.

    Einen Augenblick wartete der Junker – dann gab er ihre Hand frei und wandte sich finster ab.

    Gräfin Hildegard kam ihm entgegen, in ihren Augen glänzten Tränen.

    »Ich kann’s Euch nicht lohnen, Johann, was Ihr an mir getan«, sagte sie mit leise bebender Stimme, »ich kann Euch nicht anders als mit Worten danken für Euren Edelmut, den Ihr mir bewiesen habt, denn ich bin ein armes, hilfloses Weib, das nichts sein eigen nennt, das allein der Milde und Güte Fremder preisgegeben ist.

    Aber Gott, der Herr im Himmel und die heilige Jungfrau werden doch mein Gebet erhören, das ich aus tiefstem Herzen zu ihnen emporsende! Sie mögen Euch geleiten auf Eurem Weg! Sie mögen Euch beschützen vor Not und Gefahren, denen Ihr entgegengeht, und sie mögen Eure Feinde Euch in die Hände liefern, daß Ihr sie straft für den Frevel –«

    Ein lauter, herzzerreißender Schrei klang durch das Zimmer. Erschrocken hielt die Gräfin inne und blickte auf Barnabe, die jetzt mit flehend erhobenen Händen auf sie zuflog.

    »Um Gott, um der heiligen Jungfrau willen – versündiget Euch nicht, Frau Gräfin, Ihr wißt nicht, was Ihr tut!«

    In sprachloser Verwunderung starrte Hildegard auf das junge Mädchen und dann traf ihr Blick wieder den Junker, der bei ihren letzten Worten plötzlich zurückgetreten war und mit finsterem Gesicht zu Boden blickte.

    Einen Augenblick herrschte Totenstille in dem Gemach.

    »Was ist Dir, Barnabe – wie redest Du so seltsam?« stammelte die Gräfin endlich, nicht wissend, wie sie sich deren Worte erklären sollte.

    »Nein, nein – sprecht nicht weiter, Frau Grafin«, rief das totenblasse Mädchen, »wenn Ihr nicht wollt, daß Euer Segen sich in Fluch für ihn verwandeln soll!«

    Und dann, nicht imstande, sich länger zu beherrschen, fürchtend, daß sie nicht länger würde schweigen können, wandte sie sich ab und stürzte aus dem Zimmer.

    Aber ehe die Gräfin sich noch zu fassen vermochte, eilte auch Johann, dem der Boden unter den Füßen zu brennen schien, mit einem kurzen: »Lebt wohl, Frau Gräfin!« von dannen.

    Bleich, fassungslos starrte die Gräfin ihm nach.

    »Was haben sie nur?« murmelte sie. »Weshalb dieses Entsetzen, da ich vom Himmel den Sieg für ihn erflehte? Was sprach dieses Mädchen von Fluch, in den mein Segen sich verwandeln könne? Hat etwa dieAngst um ihn, um den Mann, den sie liebt, ihr die Sinne verwirrt, daß sie nicht wußte, was sie sprach?«

    In dem Augenblick, da sich die Tür hinter dem Junker geschlossen hatte, wich auch von diesem der Bann, den er in Gegenwart der Gräfin auf sich ruhen gefühlt –er war wieder der Alte!

    An der Treppe wartete der Schildknappe auf ihn – ein kurzer Wink und jener folgte ihm auf den Hof hinab.

    Beim Erscheinen ihres Gebieters stieg dessen Gefolge sofort zu Pferde und auch dem Junker wurde das seine jetzt vorgeführt.

    Schnell schwang er sich hinaus – ein kurzer Zuruf und der Zug setzte sich in Bewegung.

    Eben, als Johann an die Spitze reiten wollte, erschallte plötzlich hinter ihm ein lautes: »Halt, Junker – haltet noch!« und als er sich umwandte, sah er Barnabe hastig auf ihn zueilen.

    Blitzartig leuchtete es in seinen Augen aus – da stand sie auch schon neben ihm und blickte flehend zu ihm auf.

    »Hier, Junker – nehmt das von mir, es wird Euch schützen und ich werde zur heiligen Jungfrau für Euch beten, daß sie Euch behüte vor Ungemach und Gefahren!«

    Es war ein gülden Kreuz, das sie ihm aufs Pferd hinaufreichte und nach dem er nur zögernd die Hand ausstreckte.

    » »Nehmt’s, Junker, nehmt’s mir zuliebe!« bat sie.

    »Daß ich es vorhin wagte, der Gräfin ins Wort zu fallen, das werdet Ihr mir verzeihen, denn ich konnt’s nimmer dulden, daß Ihr nach der Lüge, die Ihr der armen Frau gesagt hattet, auch ihren Segen noch an Euch nahmt. Denn hättet Ihr’s getan, so könnte nimmer dieser an Euch in Erfüllung gehen – der allmächtige Gott dort droben hätt’ Euch in seinem Zorn für Euren Frevel sicher getroffen! Nehmt’s, Junker, das Kreuz – und der Himmel sei mit Euch auf Eurem Zuge!«

    Schon war ihre Fassung wieder zu Ende, die Tränen rannen ihr bereits übers Gesicht – da nahm er das Kreuz, beugte sich hastig vom Pferd hinab und umschlang das weinende Mädchen.

    Ehe Barnabe wußte, wie es geschehen, hatte er einen Kuß auf ihre Lippen gedrückt – dann richtete er sich empor, gab seinem Pferd die Sporen und mit einem: »Leb wohl, Barnabe! –« sprengte er den anderen nach, die den Hof bereits verlassen hatten.

    102. Kapitel

    Ein gravierender Beweis

    »Den Pfad des Rechtes laß’ mich ruhig schreiten, 

    Ob still die Luft, ob wild die Stürme weh’n, 

    Und eines gib mir, Herr, zu allen Zeiten, 

    Laß, den ich liebe – ihn nur glücklich seh’n!«

    Der alte Pförtner aus Thurneck war eben im Begriff, das Tor sowie die Eingangspforte zu schließen, als er im Hinaustreten in kurzer Entfernung eine dunkle Gestalt am Boden liegen sah.

    Erschrocken eilte er darauf zu und kaum hatte er sich hinabgebeugt, da rief er betroffen aus:

    »Bei Gott, das ist das Käthchen von Heilbronn! Aber wie kommt sie nur hierher – ich hab’ doch gesehen, wie sie vor einer guten Stunde mit ihrem Bündel den Hof verließ? Schade nur, daß der alte Gottschalk mit seinem Herrn schon davongezogen ist, er war doch so sehr um das arme Kind besorgt!«

    So sprechend, nahm er die schlanke Mädchengestalt in seine Arme und schritt nun keuchend mit seiner Last hinein in sein kleines Häuschen.

    In seinem Zimmer angekommen, legte er sie fürsorglich nieder.

    Als er dann wieder hinaustrat, um nun das Tor zu schließen, stand plötzlich Junker Hans atemlos vor ihm.

    »Wen trugt Ihr soeben dort hinein?« herrschte er ihn an.

    »Um Vergebung, Herr, es war das Käthchen von Heilbronn, ich fand es ohnmächtig am Tor!«

    Ein leiser, frohlockender Ruf kam von des Junkers Mund und schon im nächsten Augenblick stand er drinnen im Zimmer neben der Ohnmächtigen und ließ seinen funkelnden Blick befriedigt auf ihr ruhen.

    »Hahaha«, lachte er dann schadenfroh auf, »wenn sie ahnte, daß ich hier bei ihr bin, da würde sie wieder schön in Angst geraten! Nun wohl«, fügte er, sich mit hämischem Lächeln an den gleich darauf zurückkommenden Pförtner wendend, hinzu, »bchaltet nur das Mädchen einstweilen hier, aber sorgt mir dafür, daß meine Base, das Fräulein, nichts davon erfährt, denn Ihr wißt wohl, daß sie das Mädchen nicht leiden mag, sie wäre imstande, es mit den Hunden wieder hinauszujagen!«

    »Nein, nein, um Gottes willen nicht, Junker, ich will gewißlich schweigen!« versicherte der alte Mann erschrocken, »es würde mir wahrhaftig leid sein, wenn man dem armen Kind, das uns vor dem Burggrafen gewarnt hat, auch noch so mitspielen wollte!«

    »Nun – dann umso besser! Ich werde mich jeden Tag überzeugen, wie es dem Mädchen geht, und Ihr versprecht mir mit Handschlag, daß Ihr dafür sorgen wollt, daß das Käthchen ohne mein Wissen Euer Haus nicht verläßt!«

    Verwundert blickte der Alte auf; er zögerte, doch ein finsterer, drohender Blick des Junkers bewog ihn, diesem das Versprechen zu geben.

    Dann verließ Hans mit einem hämischen Lächeln das kleine Haus.

    Als Käthchen endlich aus ihrer Ohnmacht erwachte, stammelte sie so seltsam verworrene Reden, daß der Alte glaubte, sie läge im Fieber, und er beschloß, am anderen Morgen gleich den Heilkünstler zu rufen.

    Sie sprach immerfort von einem alten Mann, der im Walde läge, sodaß es dem Pförtner zuletzt ganz bang ums Herz wurde und er sich heimlich in das Nebenzimmer stahl.

    Welch’ eine bange Nacht war das für das arme Mädchen!

    Mit weit geöffneten Augen lag Käthchen da und immer und immer wieder stand die Schreckensszene im Wald vor ihrem Geiste.

    Mehrmals versuchte sie, sich aufzurichten, doch immer wieder sank sie kraftlos auf ihr Lager zurück, die Aufregungen der letzten Tage hatten sie völlig erschöpft.

    Als endlich der Tag graute, atmete sie erleichtert auf und nun kam auch wieder frischer Lebensmut über die Verzagte.

    Als der Pförtner am Morgen bei ihr eintrat, blickte sie ihm ängstlich entgegen und wollte durchaus aufstehen, um ihre Wanderung wieder aufzunehmen.

    Doch ihr Körper hielt ihrem Willen nicht stand – kaum hatte sie wenige Schritte getan, da brach sie kraftlos zusammen und schleppte sich mühsam wieder nach dem Lager zurück.

    »Bleibe nur noch einige Zeit hier, Kind, bis Du wieder kräftiger bist, so kannst Du Dich doch unmöglich auf den Weg machen!« meinte der Alte gutmütig, während er gleichzeitig an sein Versprechen dachte, Käthchen ohne Vorwissen des Junkers nicht fortzulassen.

    Kaum hatte er das gesagt, da vernahm er draußen am Tor dumpfe Schläge und sofort eilte er hinaus, seines Amtes zu walten und nachzusehen, wer Einlaß begehrte.

    Kummervoll flog sein Blick über die Trümmerhaufen auf dem Hofe dahin und obgleich eine Anzahl Leute damit beschäftigt war, die Spuren des Brandes zu vertilgen, bot der Hof doch immer noch ein Bild arger Verwüstung.

    Als der alte Mann das Tor geöffnet hatte, prallte er entsetzt zurück – denn draußen standen mehrere Männer, die auf einer Bahre einen regungslosen Mann mit sich führten.

    »Den haben wir im Wald gefunden«, bedeuteten sie dem Pförtner, auf den Toten zeigend, »es scheint ein Verbrechen an ihm verübt worden zu sein!«

    Dabei schritten sie auch schon mit ihrer Bürde an ihm vorüber, mitten auf den Hof.

    Das Fräulein Kunigunde, das eben im Begriff war, einen Morgenspaziergang zu unternehmen, um sich nach der durchwachten Nacht ein wenig zu erfrischen, kam gerade herzu, als die Männer die Bahre auf dem Hof niedersetzten.

    Ein Ausruf des Entsetzens entfuhr ihrem Mund, als sie nähertretend den alten Hermann aus dem Turmhaus erkannte.

    Jähe Blässe überzog ihr Gesicht, sie besaß kaum noch soviel Fassung, den Männern zu befehlen, daß sie den Toten in ein Gemach im Erdgeschoß bringen sollten.

    Als die Leute ihren Befehl ausgeführt hatten, folgte sie ihnen dorthin und blieb dann bleich und in geheimer Erregung neben dem Toten stehen.

    »Dies Messer hier fanden wir neben dem Toten«, berichtete einer der Männer, »es ist mit Blut befleckt, also hat man damit den Mord ausgeführt!«

    Schaudernd wich Kunigunde zurück, als der Mann ihr die Stichwaffe vor die Augen hielt, doch gleich darauf haftete ihr Blick starr an der Klinge und ein heftiges Zittern flog durch ihre hohe Gestalt.

    Alle Scheu vergessend, neigte sie sich plötzlich über das Messer, nahm es dann sogar in die Hand und bohrte nun ihren Blick auf das Wappen, das an der Klinge sichtbar war.

    »Mein Gott, es ist kein Zweifel möglich, es ist das Messer – des Grafen vom Strahl!«

    Nur noch mit Mühe vermochte sie sich aufrecht zu halten, diese Entdeckung beraubte sie fast ihrer Sinne.

    Dann aber richtete sie sich willensstark empor, wieder glitt ihr Blick forschend über den Toten dahin und schweigend winkte sie dann den Männern, sie allein zu lassen.

    Kaum hatten diese sich entfernt, da begann sie die Leiche abermals scharf zu mustern und leise, abgerissene Sätze kamen von ihrem Mund.

    »Sollte der Graf dazu gekommen sein, wie Hermann das Mädchen überfiel? Hat er etwa, um das Käthchen zu schützen, den Alten niedergestoßen?«

    Niemand konnte ihr Antwort auf diese Fragen geben und wieder glitten ihre Augen scharf forschend über den Toten dahin.

    Da blieb ihr Blick plötzlich an seiner zusammengeballten Hand haften – sie sah, daß diese etwas umkrampft hielt und schon hatte sie sich hinabgebeugt und bemühte sich nun mit aller Gewalt, die starre Hand des Ermordeten zu öffnen.

    Endlich, nach sehr langer Anstrengung und heftigem Schaudern gelang ihr dies.

    Im gleichen Augenblick aber fuhr sie mit einem leisen Schrei zurück, nahm hastig das, was der Tote mit seiner geballten Hand gefaßt hielt, an sich und ein Ausruf des Schreckens entfuhr ihrem Mund.

    Es war ein unscheinbares Stückchen grüner Samt, – das sie jetzt mit seltsam glühendem Blick betrachtete und das eine unsagbare Aufregung in ihr hervorrief.

    ’«Nein, nein, das ist nicht vom Wams des Grafen, ich sah ihn, als er aufbrach, er trug ein graues Gewand.

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