Das Missverständnis: Der kleine Fürst 200 – Adelsroman
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Du bist so still«, sagte Christian von Sternberg während der Großen Pause zu seiner Freundin Stephanie von Hohenbrunn. »Was ist los, Steffi?Normalerweise sprachen sie in der Schule nur das Nötigste miteinander, sie wollten kein Aufsehen erregen. Aber seit Christian gemeinsam mit Stephanies Großmutter Emilia von Hohenbrunn zu den Geiseln von vier Bankräubern gehört hatte, standen sie ohnehin im Blickpunkt der Öffentlichkeit, denn Christian war, gemeinsam mit ein paar Kindern und zwei Verletzten, zuerst freigelassen worden. Das hatte ein sensationslüsterner Reporter zum Anlass genommen, ihn zu beschuldigen: Wieso war Prinz Christian von Sternberg, auch 'der kleine Fürst' genannt, nicht auf die Idee gekommen, anderen Geiseln, die älter und weniger gesund waren als er, den Vortritt zu lassen? Stephanie war in einem Fernsehinterview leidenschaftlich für ihn eingetreten, seitdem waren sie in aller Munde und wurden häufig von Fotografen belagert.»Ich kann das nicht, Chris«, antwortete sie unglücklich.»Was meinst du damit? Was kannst du nicht?»Dieser ganze Wirbel ist mir zu viel. Ich will nicht jedes Mal, wenn ich auf die Straße gehe, fünfzig Mikrofone vor die Nase gehalten bekommen. Neulich standen ein paar Fotografen die ganze Nacht vor unserem Haus. Das macht mir Angst.Stephanie war vierzehn Jahre alt, sie ging mit Christians Cousine Anna von Kant in eine Klasse. Über Anna hatte er sie kennengelernt und sich bald in sie verliebt: in ihre schönen grauen Augen, ihre roten Haare, die Sommersprossen auf ihrer Nase, ihr hübsches, weiches Gesicht. Vor allem aber hatte er in ihr eine verwandte Seele erkannt. Sie war ruhig und zurückhaltend wie er selbst, aber sie konnte auch fröhlich, sogar albern sein, wenn die Umstände danach waren. Mit ihr konnte er über alles reden. Sie hörte ihm zu und verstand ihn, selbst wenn ihm die richtigen Worte fehlten, um auszudrücken, was er fühlte.Bei ihren Worten bekam er Angst, sie zu verlieren, bevor er sie überhaupt richtig hatte kennenlernen dürfen, denn sie waren noch nicht lange zusammen.
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Das Missverständnis - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 200–
Das Missverständnis
Der große Schmerz kam in flagranti
Viola Maybach
»Du bist so still«, sagte Christian von Sternberg während der Großen Pause zu seiner Freundin Stephanie von Hohenbrunn. »Was ist los, Steffi?«
Normalerweise sprachen sie in der Schule nur das Nötigste miteinander, sie wollten kein Aufsehen erregen. Aber seit Christian gemeinsam mit Stephanies Großmutter Emilia von Hohenbrunn zu den Geiseln von vier Bankräubern gehört hatte, standen sie ohnehin im Blickpunkt der Öffentlichkeit, denn Christian war, gemeinsam mit ein paar Kindern und zwei Verletzten, zuerst freigelassen worden. Das hatte ein sensationslüsterner Reporter zum Anlass genommen, ihn zu beschuldigen: Wieso war Prinz Christian von Sternberg, auch ‚der kleine Fürst’ genannt, nicht auf die Idee gekommen, anderen Geiseln, die älter und weniger gesund waren als er, den Vortritt zu lassen? Stephanie war in einem Fernsehinterview leidenschaftlich für ihn eingetreten, seitdem waren sie in aller Munde und wurden häufig von Fotografen belagert.
»Ich kann das nicht, Chris«, antwortete sie unglücklich.
»Was meinst du damit? Was kannst du nicht?«
»Dieser ganze Wirbel ist mir zu viel. Ich will nicht jedes Mal, wenn ich auf die Straße gehe, fünfzig Mikrofone vor die Nase gehalten bekommen. Neulich standen ein paar Fotografen die ganze Nacht vor unserem Haus. Das macht mir Angst.«
Stephanie war vierzehn Jahre alt, sie ging mit Christians Cousine Anna von Kant in eine Klasse. Über Anna hatte er sie kennengelernt und sich bald in sie verliebt: in ihre schönen grauen Augen, ihre roten Haare, die Sommersprossen auf ihrer Nase, ihr hübsches, weiches Gesicht. Vor allem aber hatte er in ihr eine verwandte Seele erkannt. Sie war ruhig und zurückhaltend wie er selbst, aber sie konnte auch fröhlich, sogar albern sein, wenn die Umstände danach waren. Mit ihr konnte er über alles reden. Sie hörte ihm zu und verstand ihn, selbst wenn ihm die richtigen Worte fehlten, um auszudrücken, was er fühlte.
Bei ihren Worten bekam er Angst, sie zu verlieren, bevor er sie überhaupt richtig hatte kennenlernen dürfen, denn sie waren noch nicht lange zusammen. »Das hört bald wieder auf«, beteuerte er hastig. »Im Augenblick ist das nur deshalb so schlimm, weil dieser Überfall auf die Bank noch ganz frisch ist. Aber sobald etwas Neues passiert, verlieren sie das Interesse an uns.«
Sie versuchte zu lächeln, was ihr nicht gelang. »Es ist lieb von dir, dass du mich trösten willst. Aber du hast mir doch selbst erzählt, wie lange ihr von Fotografen und Reportern verfolgt worden seid … damals.«
Christian biss sich auf die Lippen. Leider stimmte, was sie sagte. Er dachte nur sehr ungern daran zurück. Er hatte seine Eltern im vergangenen Jahr durch einen Hubschrauberabsturz verloren, bei dem auch der Pilot ums Leben gekommen war. Wenig später war sein Vater aufs Schlimmste verleumdet worden, die Medien hatten sich förmlich auf diese Geschichte gestürzt und sehr lange an ihr festgehalten.
»Das hier ist anders«, sagte er. »Die Bankräuber sind gefasst und werden verurteilt werden, es gibt vielleicht noch Interviews mit einigen Geiseln, und dann erlischt das Interesse.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach sie leise. »Solange Omi schwer verletzt in der Klinik liegt …« Sie brach ab. Emilia von Hohenbrunn war angeschossen worden in der Bank, zu einem Zeitpunkt, als die Befreiung der letzten Geiseln durch die Polizei schon unmittelbar bevorstand. Zwei Kugeln hatten Schulter und Brust getroffen, weshalb sie sehr viel Blut verloren hatte. Erst jetzt konnten die Ärzte daran denken, sie zu operieren, denn zunächst war ihr Zustand nicht stabil gewesen.
»Sie wird operiert, es geht ihr bald besser, und dann kommt die nächste aufregende Geschichte, und niemand interessiert sich mehr für uns, glaub mir.« Er griff nach ihrer Hand und war froh darüber, dass sie sie ihm nicht entzog.
»Es sind ja nicht nur die Fotografen, die mir im Augenblick das Leben schwermachen, Chris. Ich habe auch Angst um Omi. Es geht ihr immer noch ziemlich schlecht, und sie ist ja nicht mehr jung. Sie hat so viel Blut verloren, und sie sieht so … so krank aus, wenn wir sie besuchen. Dabei kann ich mich nicht erinnern, dass sie vorher irgendwann einmal krank gewesen wäre.«
Christian dachte an die langen Stunden in der Bank, in denen Emilia von Hohenbrunn an seiner Seite gewesen war. »Sie ist sehr stark«, sagte er. »Sie hat nicht eine Sekunde lang die Nerven verloren, im Gegenteil. Du hättest einige von den anderen Geiseln sehen sollen. Die haben überhaupt keine Haltung gezeigt. Sie war ein Vorbild. Und hätte sie nicht diesen Albtraum gehabt am Schluss, wo sie dann geschrien hat, wäre es nicht zu den Schüssen gekommen.«
»Ich weiß, dass sie stark war, aber jetzt ist sie es nicht mehr. Deshalb habe ich Angst um sie«, flüsterte Stephanie.
In diesem Augenblick schellte es zum Ende der Pause. Christian ließ Stephanies Hand nur ungern los, als sich die Schüler in Bewegung setzten, um ins Schulgebäude zurückzukehren. Neben ihnen tauchte Anna auf, kurz darauf auch Annas älterer Bruder, Christians Cousin Konrad.
Beide bemerkten Stefanies Blässe und Christians unglückliches Gesicht, aber sie stellten keine Fragen, konnten sie sich doch in etwa denken, was in beiden vorging. Sie sahen die Fotografen vor der Schule ja selbst, und Anna wusste ohnehin, wie sehr Stephanie unter der augenblicklichen Situation litt.
Sie hakte sich bei ihrer Freundin unter und stellte ihr eine Frage zur jetzt folgenden Biologiestunde. Das Ablenkungsmanöver gelang, Stephanie ging ernsthaft auf die Frage ein. Christian warf Anna einen dankbaren Blick zu.
Die beiden Jungen ließen sich ein wenig zurückfallen. Konrad sagte mit gedämpfter Stimme: »Mich nerven die Fotografen auch, muss ich sagen. Das ist ja fast wie damals, du weißt schon …«
Christian nickte. Es war eine schreckliche Zeit gewesen, keiner von ihnen sehnte sich danach zurück, er am allerwenigsten. Er konnte nur hoffen, dass das öffentliche Interesse an ihm und Stephanie bald wieder nachließ. Denn wenn nicht … Er wagte den Gedanken kaum zu Ende zu denken, aber ihm wurde klar, dass ihrer noch so jungen Liebe dann ernsthafte Gefahr drohte.
»Uns nerven die Fotografen und Reporter«, erwiderte er, »aber Steffi hält sie nicht aus. Das ist ein großer Unterschied.«
Konrad warf ihm einen forschenden Blick zu. »Du denkst doch nicht etwa, dass sie sich deshalb von dir trennt?«
»Wenn es noch schlimmer wird als jetzt, vielleicht doch.«
»Das ist Quatsch!«, entgegnete Konrad im Brustton der Überzeugung. Er war jetzt siebzehn, ein Jahr älter als Christian. »Ihr seid so verliebt ineinander! Sie hat das ganze Land zu Tränen gerührt mit ihrem Interview, in dem sie gesagt hat, was für ein toller Kerl du bist, als noch viele dachten, du hättest in der Bank bleiben und lieber dafür sorgen sollen, dass die Gangster ein paar Frauen freilassen. Da kommt sie doch nicht auf die Idee, sich von dir zu trennen!«
»Ich sage ja nicht, dass sie mich nicht mehr liebt. Ich sage nur, dass sie es vielleicht nicht