Totgemacht: Mølgaards zweiter Fall
By K. A. Winter and Finisia Moschiano
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Book preview
Totgemacht - K. A. Winter
K. A. Winter
Totgemacht
Mølgaards zweiter Fall
Mondschein Corona – Verlag
Bei uns fühlen sich alle Genres zu Hause.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
1. Auflage
Erstauflage September 2017
© 2017 für die Ausgabe Mondschein Corona
Verlag, Plochingen
Alle Rechte vorbehalten
Autorin: K. A. Winter
Lektorat/Korrektorat: Michael Lohmann
Grafikdesigner: Finisia Moschiano
Buchgestaltung: Finisia Moschiano
Umschlaggestaltung: Finisia Moschiano
© Die Rechte des Textes liegen beim
Autor und Verlag
Mondschein Corona Verlag
Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR
Teckstraße 26
73207 Plochingen
www.mondschein-corona.de
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 1
Eine hauchdünne Eisschicht bedeckte den Teich. Der Landwirt beugte sich vor, um einen Blick auf seine Goldfische auf dem Boden des Teichs zu erhaschen. Jeden Tag um die exakt selbe Zeit besuchte er seine Lieblinge, die in dem Teich hinter seinem Landgut den Winter überlebten.
Knut Hulgaards Gelenke schmerzten in der Kälte. Er blies in seine Handflächen. Sein Blick fiel auf etwas, das hier nicht hergehörte. Er lehnte sich weiter vor und starrte in ein bleiches Gesicht, das dicht unter dem Eis schwebte. Mit einem Ruck richtete sich der Landwirt auf. Dabei rutschte sein linker Fuß an der steilen Uferkante durch die dünne Eisschicht ins Wasser. Knut breitete seine Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. Er ruderte eine Weile hilflos in der Luft, bis er das Gleichgewicht endgültig verlor und mit seinem gesamten Gewicht durch die Eisdecke brach und in das eiskalte Wasser tauchte. Er schnaufte, fluchte, ruderte mit den Armen, spürte die Kälte durch seine Kleidung dringen und das Wasser in seine Stiefel laufen.
Zu seinem Entsetzen fand er sich zwischen zwei leblosen Körpern wieder, die sich dicht an ihn drängten. Das lange Haar der Leiche zu seiner Linken schwebte über Knuts Gesicht wie die Fangarme eines Kraken. Er meinte zu schreien, aber seinem Mund entwichen nur Luftblasen. In Panik drückte der Landwirt die Körper zur Seite und strampelte im Wasser wie ein schwimmender Hund, bis er mit seinen Stiefeln Halt auf dem schlammigen Teichboden fand. Er kämpfte sich aus dem Wasser und kroch ans Ufer. Der Landwirt keuchte, richtete sich auf und rannte los, ohne zurückzublicken. Der tiefe Schnee, die nassen Stiefel und die durchnässte Kleidung bremsten seinen Vorwärtsdrang. Sein Atem dampfte. Die Kälte spürte er nicht mehr.
Es klingelte Sturm an meiner Tür. Ich zog mir die Decke über den Kopf. Es war Sonntag. Ich hatte definitiv frei und wollte ausschlafen. Das Klingeln ging in Schläge über, Faustschläge wohl. Nicht klopfen, nein, irgendein Ignorant hämmerte gegen meine Haustür. Ich hörte unseren Welpen Perry über den Flur tapsen. Sie bellte. So weit, so gut, aber mit ihrem fiepsigen Gekläffe würde sie kaum jemanden abschrecken. Ich quälte mich aus dem Bett und griff nach meinem Rollkragenpullover, der ganz praktisch vor dem Bett lag und zog ihn über die Jogginghose, in der ich geschlafen hatte. Dann stapfte ich zur Tür, riss sie auf und stand meinem Nachbarn Knut Hulgaard gegenüber, der mich mit geweiteten Augen anblickte. Knut war völlig durchnässt.
»Du musst dir was ansehen!«
»Guten Morgen, Knut.« Meine Augen wanderten an ihm auf und ab. »Was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht. Du musst sofort mitkommen.«
»Knut, komm doch erst mal rein. Du bist völlig durchnässt. Du wirst dir den Tod holen«, sagte ich mit einem Blick über seine Schulter auf den frisch gefallenen Schnee.
Knut, nicht mehr der Jüngste, lehnte sich an den Türrahmen und keuchte. Wir kannten uns nicht besonders gut, aber er war nun mal mein nächster Nachbar hier auf dem Land. Ich wohnte mit meinen Kindern auf einem alten Hof etwas außerhalb der Stadt und genoss die Abgeschiedenheit. Knut und seine Frau standen kurz vor der Rente, und manchmal halfen wir uns gegenseitig, wie man das als Nachbarn eben so macht.
»Du musst dir was bei mir im Teich angucken.«
»Ja, mach ich, aber jetzt kommst du erst mal rein und du bekommst trockene Sachen und einen Kaffee.«
Knut sah an sich herunter und begann zu frösteln. »Gut.« Er folgte mir in die Küche.
Ich schob das dreckige Geschirr vom Vorabend zur Seite und griff nach der Kaffeekanne. Knut setzte sich an meinen Küchentisch und starrte auf seine Stiefel, von denen das Wasser auf den Dielenboden tropfte und zwei kleine Seen bildete. Ich ließ den Kaffee durchlaufen und ging aus der Küche, um einigermaßen passende Sachen aus dem Schrank meines sechzehnjährigen Sohnes Jeppe zu stibitzen.
Der rührte sich nicht, während ich seinen Schrank durchwühlte. Ich hätte auch mit einem Blasorchester durch sein Zimmer marschieren können, ohne dass er es registriert hätte. Mit einem Stapel Klamotten kehrte ich in die Küche zurück und drückte sie Knut in die Arme. Ich nickte in Richtung Badezimmer und goss uns Kaffee ein. Knut zog sich um.
Die Menschen in diesem Landstrich waren nicht sehr gesprächig. Ich fragte mich, wie viele Informationen ich wohl aus ihm herauskitzeln könnte, bevor ich ihm in die eisige Kälte würde folgen müssen. Mein Blick fiel auf die Wanduhr. Viertel vor acht. Sonntags! Klasse!
Knut kam zurück in einer Jeans, die ihm mehr oder weniger in den Kniekehlen hing, und einem Sweater mit der Aufschrift Ich bin geil, niveaulos und versaut. Na ja, der Geschmack meines Sohnes ließ keinen Zweifel aufkommen. Knut ließ sich auf den Stuhl fallen und griff nach dem Kaffee. Ich wartete. Es kam nichts. Knut schlürfte seinen Kaffee.
»Was soll ich mir denn ansehen?«
»Was in meinem Teich.«
»Und was?«
»Das musst du selber sehen.«
Aha.
Wir tranken schweigend unseren Kaffee.
»Wie geht’s deiner Frau?«
»Gut.«
»Ist was mit deinen Fischen?«
Knut stellte seine Tasse ab und erhob sich abrupt. »Hast du eine Jacke für mich?«
»Ja, klar.« Ich stand auch auf und schüttete den Rest des Kaffees in mich hinein. Für dieses Gespräch wäre ein Espresso auch ausreichend gewesen. Ich folgte meinem Nachbarn in den Flur und gab ihm eine von Jeppes Jacken. Knut streifte sie über und verließ mein Haus.
Wir stapften wortlos durch den Schnee, der in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne glitzerte. Zu meinem Ärger bemerkte ich, dass ich meinen Schal vergessen hatte. Die eisige Luft kroch am Kragen unter meine Jacke. Ich zog den Reißverschluss noch etwas höher. Es half nichts, da musste ich durch.
Keine zehn Minuten später blieb Knut einige Meter vorm Ufer seines Teichs stehen. Ich auch.
»Was genau soll ich mir ansehen?«
Er nickte wortlos in Richtung Teich. Ich seufzte. Der Teich lag in einer Senke am Ende von Knuts Grundstück, fast hundert Meter vom Gutshof entfernt. Er war nicht sehr groß, ich schätzte ihn auf acht Meter in der Breite und knapp zwölf Meter in der Länge. Zu meiner Rechten ragte vertrocknetes Schilf aus dem Schnee. Direkt vor mir sah ich ein großes Loch im Eis. Hier musste Knut ins Wasser gefallen sein. Ich näherte mich langsam, um nicht an der Böschung auszurutschen und blickte konzentriert ins Wasser.
Knut hatte recht gehabt. Er hatte durchaus etwas Sehenswertes gefunden. Zwei Leichen schwammen still an der Wasseroberfläche. Ein Mann mittleren Alters, braunes Haar, bleiche Haut und trübe Augen. Gleich daneben eine Frau, ihr Gesicht teilweise von langem hellem Haar verdeckt. Einige Goldfische umkreisten die Leichen und stupsten sie sanft an. Eigenartig, ich dachte, Fische würden eine Art Winterschlaf halten, wahrscheinlich hatten die Leichen den Schlaf gestört. Ich drehte mich halb zu Knut um.
»Wann hast du die Leichen gefunden?«
»Jetzt gerade. Dann bin ich gleich zu dir rüber.«
»Warum hast du nicht die Polizei gerufen?«
»Du bist doch die Polizei.«
Richtig. Aber heute war Sonntag und ich hatte ausnahmsweise mal frei. Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Reviers.
Kim Andersen meldete sich. »Mølgaard, was gibt’s?«
»Ich will den Fund von zwei Leichen melden. Eine männliche, eine weibliche. So wie es aussieht, ertrunken. Mein Nachbar Knut Hulgaard hat sie auf seinem Grundstück gefunden, Kattegatvej 273. Schickst du jemanden raus und rufst bei der Rechtsmedizin an?«
»Hier ist keiner außer mir. Jonas hat