Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Die Vollendung: Erzählungen
Die Vollendung: Erzählungen
Die Vollendung: Erzählungen
Ebook198 pages2 hours

Die Vollendung: Erzählungen

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Sie wandte sich ihm zu. "Wer ist das?", wiederholte sie.
Richard sah sie an, ein Lächeln umspielte seine Lippen,
dann sah er zu dem gerahmten Bild hoch.
Er sagte: "Das ist dein Sohn."
Sie stockte, lachte, hörte wieder auf zu lachen. "Was?",
sagte sie.
"Dein Sohn. Dein Enkel. Dein Urenkel." Er zeigte es mit
dem Finger an. "Und so weiter." Der Finger führte die
Linie ins Unbestimmte weiter.
"Ich habe keinen Sohn", sagte Charlotte.
"Noch nicht."

Ein Phantomzeichner, der das eigenartige Talent entwickelt, Freunde aufzuspüren, die man noch gar nicht kennengelernt hat; eine junge Frau, die entdeckt, dass in der Ahnengalerie ihres frisch angetrauten Mannes nicht nur die verstorbenen, sondern auch die künftigen Mitglieder der Familie porträtiert sind; ein Musiker, dessen Biographie sich mit der eines längst verstorbenen Chansonniers zu vermischen beginnt; ein Kameramann, der die Rechte über sein Leben unwissentlich an eine Filmfirma abgetreten hat.

Maurus Federspiel erzählt Phantastisches, in dessen Licht die Realität ungewohnte Facetten enthüllt. Seine im Tonfall wunderbar lakonischen Geschichten haben immer - mindestens - einen zweiten Boden und öffnen neue Räume im Kopf.
LanguageDeutsch
Release dateSep 28, 2018
ISBN9783990125281
Die Vollendung: Erzählungen

Related to Die Vollendung

Related ebooks

General Fiction For You

View More

Related articles

Reviews for Die Vollendung

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Die Vollendung - Maurus Federspiel

    DIE VOLLENDUNG

    MAURUS FEDERSPIEL

    DIE VOLLENDUNG

    Erzählungen

    Lektorat: Teresa Profanter

    Umschlaggestaltung: Daniela Seiler

    Satz: Daniela Seiler

    Fotocredit Cover: shutterstock 63938134

    Hergestellt in der EU

    Maurus Federspiel: Die Vollendung

    Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Liechtenstein

    Alle Rechte vorbehalten

    © HOLLITZER Verlag, Wien 2018

    www.hollitzer.at

    ISBN 978-3-99012-528-1

    INHALT

    Phantome

    Die Ahnengalerie

    Die Kanzlei

    Der Imitator

    Der Wachsame

    Der Käufer

    Die Vollendung

    Danksagung

    PHANTOME

    Es war der einzige freie Platz im Waggon. Ein Zufall also. Oder vielleicht auch kein Zufall: Den Mann umgab eine fast physisch spürbare Aura, eine Hülle der Unnahbarkeit.

    Er trug trotz der Wärme im Zug einen etwas abgewetzten Kamelhaarmantel, Lackschuhe mit polierten Schnallen, eine weiße Krawatte. Das Auffälligste an ihm war aber sein Bart: Breite Koteletten, die abrupt in ein schmales, behaartes Band übergingen, das wiederum entlang dem Kiefer zu einem dichten, dunklen, quaderartigen Gewebe führte. Für den Mund war eine schmale Klinse herausgeschnitten, die Lippen sahen aus, als wären sie sorgfältig aufgeklebt worden.

    Ich war verblüfft.

    „Ist hier frei?", fragte ich.

    Der Mann hatte die Beine übereinandergeschlagen und war dabei, etwas auf einen kleinen Zeichenblock zu kritzeln, und die Hand mit dem Fallminenstift schien sich auf dem Blatt wie ferngesteuert einfach weiterzubewegen, als er zu mir aufsah, mich kurz musterte und „Bitte" sagte.

    Eine tiefe, kehlige Stimme, etwas metallisch. Er zeichnete weiter.

    Die Krawatte war, genau besehen, schwarzweiß, aber über dem dunkelblauen Hemd stach vor allem ein senkrechter weißer Streifen vor seiner Brust heraus, wie eine leuchtende Öffnung zu seinem Innersten. Keine, die man berühren wollte, eher eine Schramme, vor deren Empfindlichkeit man zurückschreckte.

    Ich setzte mich, meine Zeitschrift in der Hand, neben ihn in das Viererabteil des offenen Waggons. Zwei ältere Damen saßen uns gegenüber und unterhielten sich halblaut. Die Skizze auf seinem Zeichenblock zeigte keine von beiden.

    Der Zug fuhr an, es ratterte und holperte etwas, die Bleistiftspitze hielt inne, um dann vom gleichen Punkt aus weitergeführt zu werden, als der Zug die Bahnhofshalle verließ und beschleunigte.

    Ich sah mich um, machte die Frau mit den tiefen Augenringen und der weißen Mütze dann im übernächsten Abteil auf der anderen Seite des Mittelgangs aus.

    „Gut getroffen", sagte ich.

    Ihre Nase, die Mütze, die abfallende Falte neben dem Mund, der müde Blick der Frau waren sehr genau erfasst, aber er hatte die einzelnen Elemente neu zusammengesetzt; diskret, nicht wie es Picasso mit seinen Geliebten gemacht hatte, deren er überdrüssig geworden war, sondern wohlwollend, so kam es mir vor, das Gesichtsoval war etwas vergrößert, die Augen ein klein wenig gegeneinander versetzt, das Haar schien unter dem Mützenrand zu schweben. Insgesamt schien es, als würde der Frau in der Zeichnung durch die ungezwungene Umsetzung eine Heiterkeit geschenkt, die in ihrem realen Vorbild schlummerte.

    Ich erwartete eine abwehrende Reaktion – dass er den Block zuklappen würde vielleicht, weil er es nicht mochte, dass man ihm über die Schulter schaute, oder dass er mich mit kühler Bescheidenheit auf Distanz hielte. Stattdessen sagte er einfach: „Danke" und neigte die Zeichnung kurz zu mir her, um mich einen genaueren Blick darauf werfen zu lassen.

    Mit einer raschen Linie fügte er den Umriss des Sitzes hinzu, wie einen Rahmen, der vom Pompon ihrer Mütze durchbrochen wurde, dann schlug er das Blatt um. Im oberen Drittel der nächsten Seite setzte er einen einzelnen Punkt, dann hielt die Hand mit dem Stift inne.

    „Beruf oder Hobby?", fragte ich.

    Er warf mir einen Blick zu, ohne mich anzusehen, drückte auf den Knopf am Stiftende und ließ die Spitze der Mine verschwinden.

    „Zeichnen ist mein Beruf, sagte er. „Seltsam, dass ich bei der Antwort auf diese Frage stocke. Vielleicht weil sie mir missverständlich vorkommt. Die Antwort, meine ich.

    „Inwiefern?"

    „Woran denken Sie denn, wenn Ihnen jemand als Zeichner vorgestellt wird?"

    Ich rollte meine Zeitschrift zusammen, überlegte. „An Werbegraphik vielleicht. Oder an Hochbauzeichnung. Comics. Natürlich an die Pastellkreidehausierer, die vor einer Kathedrale Touristen verewigen."

    Er warf einen Blick aus dem Fenster auf die Vororte, in denen sich die Stadt hinter uns rasch auflöste, nickte. „Die Zeichnung hat oft etwas Kaltes, Unzweideutiges. Auch Lumpen können zeichnen."

    „Viele Maler waren Lumpen."

    „Das ist eine andere Sorte Lump. Anders als die Malerei hat die Zeichnung gerade wegen ihrer Unzweideutigkeit aber auch etwas Zweckdienliches. Ich bin ein zweckdienlicher Zeichner."

    Die Luft im Waggon war feucht von den regennassen Kleidern der Passagiere. Ich roch Seife, war aber nicht sicher, von wem der Duft stammte.

    „Sie sprechen in Rätseln", sagte ich.

    „Sie haben recht. Dabei gehört es eigentlich zu meiner Aufgabe, Rätsel zu lösen. Er nahm einen tiefen Atemzug, schien zu überlegen, ob er mir Genaueres mitteilen wollte; aber natürlich konnte er jetzt nicht mehr zurück, ohne sich über Gebühr wichtig zu machen. „Ich bin Phantomzeichner.

    „Bei der Polizei? Interessant."

    „Bei der Polizei", bestätigte er zögerlich und nickte dabei tief, als würde er sich unter etwas hindurchducken.

    „Sie zeichnen also schlimme Menschen."

    „Richtig, schlimme Menschen."

    „Dann wird sich Ihr Zeichenstift bestimmt freuen, wenn er hin und wieder unschuldige und sympathische Zugpassagiere zeichnen darf."

    Er lachte und betrachtete den Fallminenstift, den er zwischen den Fingern hielt. „Vielleicht braucht mein Arbeitsinstrument tatsächlich dann und wann eine kleine Aufheiterung, um bei Laune zu bleiben. Er sah mich von der Seite an. „Glauben Sie an das Leben der Dinge?

    „Warum nicht. Ich handle mit Antiquitäten. Und da kommt es mir manchmal vor, als hafte an einem Gegenstand seine Geschichte noch als Erinnerung. An einer Schatulle etwa oder an einem Tisch, an dem Leute zusammensaßen, von denen ich nichts weiß, oder an einem Ring. Man setzt sich an den Tisch oder steckt sich den Ring mit dem Mondstein an den Finger, und schon wehen Stimmungen heran, wie Erinnerungen an andere Orte, andere Menschen. In Ihrem Beruf spielt die Erinnerung auch eine bedeutende Rolle, nicht wahr?"

    Er nickte. „Einer Dame wird die Handtasche geraubt. Es dämmert schon, eigentlich spürt sie nur den groben Ruck an ihrem Arm, sie erschrickt, wird herumgerissen, und bevor sie stürzt, erhascht sie einen einzigen Blick auf das Gesicht des Räubers. Dieses Gesicht soll sie mir dann beschreiben. Oder der Mann, der am Rand des Spielplatzes steht und nur aus der Ferne von zwei Müttern bemerkt wurde. Überhaupt, der Fall, wenn ein Täter von mehreren Zeugen gesehen wurde und jeder von ihnen dann seine Kennzeichnung liefert!" Er schüttelte den Kopf.

    „Die Beschreibungen weichen voneinander ab?", fragte ich.

    Die beiden alten Damen uns gegenüber waren verstummt und blickten den Phantomzeichner an. Sie mussten etwas von unserer Unterhaltung mitangehört haben.

    Er nickte ihnen freundlich zu, und sie wandten sich wieder einander zu.

    „Die Unterschiede in den Beschreibungen sind oft haarsträubend, bestätigte er. „Und wenn man den Kerl dann erwischt, muss man feststellen, dass drei von drei Zeugen falsch lagen. Natürlich nicht immer. Ich übertreibe. Manchmal ist auch ein guter Beobachter dabei.

    „Das bedeutet natürlich, dass auch ein einzelner Zeuge komplett danebenliegen kann."

    „Sicher." Er klang irgendwie zufrieden.

    „Aber stellt das nicht die Aufgabe des Phantomzeichners überhaupt in Frage?"

    „Tja. Er berührte mit dem Ende des Stiftes seine Nasenspitze, merkte wohl, dass er dabei komisch aussehen musste, zeigte mit dem Stift dann ins Ungefähre der lautlos vorbeiziehenden Landschaft, als läge da draußen eine Antwort auf den Einwand. „Da kommt dann das besondere Talent des Zeichners ins Spiel. Haben Sie das Magazin abonniert? Er wies auf die Zeitschrift in meiner Hand.

    Ich schüttelte den Kopf, entrollte sie und strich sie glatt, um ihm das Titelbild zu zeigen, etwas enttäuscht darüber, dass er so abrupt das Thema wechselte. „Am Kiosk gekauft. Hier." Ich reichte ihm das Heft.

    Aber er wehrte ab. „Ich lese keine Zeitungen, sagte er. „Beschreiben Sie mir den Verkäufer.

    „Den Mann am Kiosk? Ich rollte die Zeitschrift wieder zusammen, klopfte mit dem Papierrohr in die offene Hand, überlegte. „Schwierig. Hager war er. Ich kniff die Augen zusammen, um mir das Gesicht in Erinnerung zu rufen, aber das Wenige, das sich mir zeigte, vermischte sich sogleich mit den Gestalten anderer Leute. „Irgendwie gefällig aussehend, falls das etwas zu sagen hat. Ich zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls ist das ein Eindruck, der zurückblieb. Dunkles Haar. Ich glaube, die Lider hingen etwas herunter. Vielleicht waren die Augen blau. Sein Blick ging leer durch mich hindurch, geschäftsmäßig halt.

    Er hatte schon angefangen zu zeichnen. „Glattes oder krauses Haar?"

    „Nicht glatt. Nicht glatt. Ich war nicht sicher. „Hatte er ein Grübchen im Kinn?, fragte ich mich selber. „Ich glaube schon."

    „Die Brauen?"

    „Nichts Besonderes, würde ich sagen. Nicht sehr buschig, nicht besonders gewölbt oder dergleichen. An seine Hand kann ich mich erinnern, als er mir das Wechselgeld reichte. Aber das nützt nichts, oder?"

    „Was war es denn für eine Hand?" Die Skizze schien sich sehr rasch zu formen.

    „Knotig, sehr schmal, mit krummen Fingern."

    „Aha. Ich war nicht sicher, ob er sich über mich lustig machte. Er zeichnete einfach weiter. „Hervortretende Wangenknochen?, fragte er. „Das muss man bei einer hageren Figur annehmen, nicht wahr?"

    „Ja. Ja, bestimmt."

    „Ich will Ihnen nichts in den Mund legen. Lassen Sie sich von mir nicht beeinflussen." Das klang eingelernt.

    Er stellte mir noch zwei oder drei Fragen, und ich versuchte, so genau wie möglich darauf zu antworten, aber ich war nicht sicher, ob er mir richtig zuhörte. Er schien ganz auf seine Arbeit konzentriert zu sein.

    Ich fügte an: „Die Lippen waren ziemlich breit, fällt mir gerade ein. Ja, da bin ich mir ziemlich sicher."

    „Mhm. Er schraffierte, strichelte, zog da und dort eine Linie doppelt nach, wirkte gedankenverloren. Plötzlich hielt er inne, besah die Zeichnung, indem er sie ein Stück weit von sich weghielt, und streckte sie mir dann hin. „So?

    Das Männergesicht auf der Zeichnung hatte kein Kinngrübchen, und die Lippen waren eher schmal. Andererseits hatte der Phantomzeichner ihm Züge gegeben, die ich bestimmt nicht erwähnt hatte – weil sie mir gar nicht in Erinnerung gewesen waren: Die Augen standen etwas schräg, und die Stirn war übermäßig hoch, die Kopfform ziemlich spitz. Aber genau so hatte der Kioskverkäufer ausgesehen.

    „Das ist … erstaunlich", sagte ich.

    Der Phantomzeichner lächelte zufrieden.

    „Aber woher wussten Sie, dass …" Ich wusste nicht, wie ich fragen sollte.

    „Man muss sich manchmal über die Aussagen der Zeugen hinwegsetzen. Jedenfalls darf man sich nicht immer auf den Nennwert des Gesagten verlassen. Es gilt, zwischen die Worte hindurchzuspähen auf das eigentliche Bild, das im Gedächtnis haften blieb."

    „Aber wie geht das?", fragte ich.

    Er neigte seinen Kopf hin und her, sagte: „Berufserfahrung. Und dann: „Vielleicht gelingt es mir manchmal, einen Blick zu erhaschen auf den Projektionsvorgang im Inneren des Denkapparates oder so. Er schlug das Blatt mit der neuen Zeichnung um und steckte den Block und den Stift dann in die Ledermappe, die an sein Bein gelehnt auf dem Boden gestanden war. „Erzählen Sie mir etwas von sich. Sie sind also Antiquitätenhändler?"

    „Antiquitätenhändler klingt groß. Es ist nur ein erfreuliches Hobby, das mir gelegentlich etwas Geld einbringt. Aber das ist reine Glückssache."

    „Das klingt sehr bescheiden."

    „Es stimmt. Wenn ich etwas ankaufe, dann nicht mit dem Kalkül, es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Ich habe auch keinen bestimmten Käufer im Sinn oder dergleichen. Ich kaufe, was mir gefällt. Ich reise viel. Eigentlich sind es eher Streifzüge, die ich unternehme. Und hier und da treffe ich in einem Trödelladen eben auf ein Fundstück, das mich begeistert. Es ist seltsam, meistens weiß ich schon vorher, dass mich etwas erwartet. Ich fühle ein Kribbeln, wie ein dünner elektrischer Kriechstrom, und dann weiß ich schon: Jetzt verliebe ich mich gleich. In einen Beistelltisch mit eingelegtem Bandelwerk. Oder in ein Paar Kaminböcke. Oder in eine lächerliche kleine Jardinière mit schwarzen Tauben und Kränzen auf senfgelbem Grund, Sie wissen schon, einen Blumenbehälter." Wirklich ergriff mich sogar, während ich jetzt davon sprach, wieder die heitere Erregung, die ich verspürt hatte, als ich die Schale in einem Kellerlager entdeckte.

    „Gerade in französischen Altwarenstuben finden sich nach wie vor bisweilen vergessene und verstaubte kleine Schätze. Und dann hat es sich eben oft so ergeben, dass ich für die jeweilige Trouvaille auch einen interessierten Käufer fand. Günstige Zufälle eben. Meine Exfrau ist zu Besuch und sagt, ah, die Kommode würde wunderbar ins Haus ihrer Cousine passen oder so. Und so kommt es zum Geschäft."

    „Verstehe, sagte der Phantomzeichner. „Sie scheinen vom Glück begünstigt zu sein.

    „Nicht in jeder Hinsicht."

    „Gescheiterte Ehe?"

    „Zweimal." Ich räusperte mich.

    „Kinder?"

    „Zwei Töchter. Von jeder Frau eine."

    „Das ist Glück. Er sah aus dem Fenster. „Wir konnten keine Kinder haben. Ich öffnete den Mund, schloss ihn wieder; fragte nicht nach.

    Er wandte sich wieder mir zu. Mir fiel auf, dass seine Nasenflügel ungleich groß waren; die krumme Linie der Nase glich aber diese Disharmonie aus. „Verstehen Sie sich gut mit den Müttern?", fragte er.

    „Ja, selbst wenn ich nicht weiß weshalb. Auch die beiden Frauen waren Trouvaillen. Aber ich war zu unstet. Vielleicht bin ich es noch. Wissen Sie, da ich es mit einem Phantomzeichner zu tun habe – vielleicht bin ich selbst eine Art Phantom. Verraten Sie mir übrigens Ihren Namen?" Ich rückte etwas zurück, um ihm meine Hand anbieten zu können.

    Er zögerte, betrachtete meine Hand irgendwie erstaunt, dann ergriff er sie. „Freiling heiße ich."

    Ich nannte ihm meinen Namen.

    Er sah mich prüfend an, dann nickte er. „Sie sagten, Sie hätten das Gefühl, selber ein Phantom zu sein?"

    Ich zuckte mit den Schultern. „So könnte ich mir vorkommen, wenn ich mich aus der Perspektive meiner beiden Exfrauen betrachte. Ich tauchte auf, zog weiter. Sie blieben."

    „Und bekamen ein Kind."

    „Das ist natürlich sehr verkürzt ausgedrückt. Aber ich entstammte nicht dem gleichen Milieu wie die beiden, wir hatten keine gemeinsamen Bekannten."

    „Milieus können sich ja berühren. Oder verschmelzen", wandte Freiling ein.

    „Ich befürchte, mein Milieu besteht nur aus mir allein. Irgendwie bin ich aus allen Zusammenhängen herausgeglitten. Sehr sanft übrigens. Aber ich scheine zeitweilig unsichtbar geworden zu sein. Ich fiel aus

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1