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Ardeen: Das Artefakt
Ardeen: Das Artefakt
Ardeen: Das Artefakt
Ebook517 pages7 hours

Ardeen: Das Artefakt

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About this ebook

Selbst ein Hochmagier wie Prinz Raiden rettet nicht ständig sich und andere vor großem Übel.

Nein, auch für ihn gibt es den ganz normalen Alltag, in dem er sich um die kleinen Dinge im Leben eines Magiers kümmert... wie zum Beispiel das Sammeln von wertvollen Artefakten.
Solche Schätze kann man selbst erschaffen (viel zu anstrengend), kaufen (viel zu teuer), geschenkt bekommen (passiert viel zu selten) oder umverteilen.

Eine Umverteilung ist gerechtfertigt, wenn der Besitzer ein einzelnes Artefakt schon viel zu lange sein Eigentum nennt und dem guten Stück kaum mehr Beachtung schenkt.
So will es das ungeschriebene Gesetzt in den Kreisen der Magier und voller Tatendrang begibt sich Prinz Raiden zusammen mit Ravenor auf die Reise nach Andavera.
LanguageDeutsch
Release dateOct 4, 2018
ISBN9783941436367
Ardeen: Das Artefakt

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    Book preview

    Ardeen - Sigrid Kraft

    www.ArdeenShop.de

    Inhalt

    Inhalt

    Karte von Andaverra

    Ein diebischer Plan

    Die Anwerbung

    Ankunft in Andavera

    Dienstantritt

    Alanders Zug

    Huhu

    Der erste Auftrag

    Die Parade

    Die Nöte der Bauern

    Feinde und Verbündete

    Diener der Dunkelheit

    Der Außenposten

    Die drei Türme

    Übereifer lohnt sich nicht

    Dunkle Abgründe

    Die Gerechtigkeit der Götter

    Das Vermächtnis des Mechanikers

    Offizieller Besuch

    Karte von Andaverra

    Ein diebischer Plan

    „Wir sollten uns auf eine gültige Anrede einigen, die Eure Position gebührend hervorhebt, Lord Ravenor", forderte Meister Eriwen vor dem versammelten Rat im Palast in Arvon. Er hatte zu dem stattlichen Mann gesprochen, der auf dem Thron von Ardeen saß. Groß, mit breiten Schultern und langem schwarzen Haar, das er im Nacken zusammengebunden hatte. Trotz seiner teuren Kleidung schien dieser Mann mehr ein Kriegsherr als ein durchtriebener höfischer Ränkeschmied zu sein. Nun aber wirkte er nachdenklich, während sich aus den anwesenden acht Personen ein Stimmengewirr erhob.

    „‚König Ravenor‘ sollte es heißen."

    „Das würde ich nicht vorschlagen. Prinz Raiden könnte dies ungünstig aufnehmen."

    „Dann eben ‚Regent von Ardeen‘."

    „Also das ist doch dasselbe. Darf ich Euch darauf hinweisen, dass Lord Ravenor nur so lange die Regentschaft des Landes innehat, bis sich Prinz Raiden wieder anders besinnt? Und Ravenor ‚König‘ zu nennen, könnte Prinz Raiden außerdem als Hochverrat auslegen. Ihr wisst doch, wie schnell Seine Hoheit derlei Dinge in den falschen Hals bekommen kann."

    „Was spricht denn gegen ‚Lord‘ Ravenor?"

    „Diese Bezeichnung ist doch viel zu schwach. Jeder einfache Kommandant führt heutzutage schon den Titel eines Lords."

    „Und was schlagt Ihr dann vor?"

    „Wenn König Raiden seinen Titel endlich akzeptieren würde, dann wäre Ravenor der Kronprinz."

    „Tut er aber nicht."

    Im Hintergrund stöhnte Ravenor leise. Als ob das Reich keine anderen Sorgen hätte... Er schwieg, während sich seine Berater munter weiter stritten.

    „Und wenn wir einen neuen Titel erfinden? ‚Inthronator‘ zum Beispiel."

    „Das ist doch lächerlich."

    „Interimsregent!", rief ein anderer dazwischen, dem die Idee eines neuen Titels wiederum ganz gut gefiel.

    In einer Beratung schreit man nicht wild durcheinander. Ich sollte sie zur Ordnung rufen, stellte Ravenor müde fest. Als er schon dazu ansetzte, wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich abgelenkt. Am Eingang der Halle war ein Bote erschienen, den die Wachen zunächst aufhielten. Nach einem kurzen Wortwechsel ließen sie ihn passieren. Um die heftig diskutierende Versammlung nicht zu stören, hielt sich der Bote auf seinem Weg nahe an der Wand und steuerte dann direkt auf Lord Ravenor zu. In ungefähr drei Schritt Entfernung blieb er dann stehen und suchte Blickkontakt mit dem derzeitigen Lenker der Geschicke Ardeens. Nach einem aufmunternden Nicken kam er näher, verbeugte sich und flüsterte Ravenor anschließend zu:

    „Lord Ravenor, Seine Hoheit, Prinz Raiden, wünscht Eure sofortige Anwesenheit." Das hörte sich dramatisch an und Ravenor fragte alarmiert nach:

    „Ist etwas vorgefallen? Gibt es ein Problem?"

    „Das entzieht sich meiner Kenntnis. Doch man sagte mir, Prinz Raiden habe die Dringlichkeit deutlich herausgestrichen."

    Inzwischen hatte jeder im Saal das Auftauchen des Boten mitbekommen und die hitzige Diskussion war ganz von selbst zum Erliegen gekommen. In Erwartung einer Erklärung ruhten nun alle Augenpaare auf Ravenor. Der erhob sich nun und räusperte sich.

    „Es tut mir leid, meine Herren, aber ich muss diese Beratung umgehend verlassen. Seine Hoheit, Prinz Raiden, wünscht meine sofortige Anwesenheit. Doch ich sehe keinen Grund, diese Sitzung deswegen auch gleich zu beenden. Auf der Tagesordnung stehen noch fünf weitere und durchaus wichtige Punkte. Zu einer Entscheidung wird es heute zwar nicht mehr kommen, aber gegen eine eingehende Beratung ist nichts einzuwenden." Sollen sie sich doch ohne mich stundenlang zerfleischen. Und wenn sie dann alles totdiskutiert haben, sammle ich die wenigen überlebenden Fakten ein und fälle meine Entscheidung. So gesehen war Ravenor seinem Vater sogar durchaus dankbar für die überraschende Störung.

    Ravenor fand seinen Vater dort, wo dieser sich tagsüber meistens aufhielt. In seinem Arbeitszimmer in Naganor. Als er hereinkam, legte Prinz Raiden die Schreibfeder aus der Hand und lehnte sich zurück.

    „Ah, da bist du ja endlich. Du siehst abgespannt aus." Prinz Raiden deutete einladend auf den einzigen freien Stuhl im Raum. Die anderen wurden bereits von Stapeln von Büchern und Schriften in Besitz genommen. Ravenor zog sich den einfachen Holzstuhl zurecht und setzte sich seinem Vater gegenüber.

    „Und, haben dich die endlosen Palaver schon gänzlich aufgerieben? Dieses sinnlose Geschwätz, welches einen keinen Schritt weiterbringt, und doch muss man den Beratern das Gefühl geben, ihr Rat wäre gefragt. Einfach grauenvoll. Kein Mann, der ganz bei Verstand ist, hält das lange durch, ohne dass er… Urlaub braucht."

    Urlaub? Wie meint er das jetzt? Will er mir durch die Blume zu verstehen geben, dass er nun wieder Regent sein möchte? Ravenor wusste, dass dieser Moment einmal kommen würde. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geschehen würde. Aber ganz kampflos wollte er nicht aufgeben und ging so zum Schein auf das Urlaubsspiel ein.

    „Mein Prinz, ich habe mich in die Staatsgeschäfte doch gerade erst eingearbeitet. Da wäre es sicherlich etwas verfrüht, jetzt schon eine Auszeit zu nehmen."

    „Ach was, eine kleine Auszeit kann man immer einschieben. Außerdem solltest du an deine Gesundheit denken. Du siehst wirklich abgekämpft aus." Prinz Raidens Besorgnis klang täuschend echt.

    „Sicherlich bin ich nur übernächtigt wegen gestern. Das Treffen der Gilden dauerte bis spät in die Nacht hinein", gab Ravenor zu und Prinz Raiden triumphierte:

    „Ha, da haben wir es doch schon: gänzlich überarbeitet."

    Er ist der Regent und wenn er das Amt wieder zurückhaben möchte, dann kann ich nichts dagegen tun. Ich hatte nur gehofft, ich könnte wenigstens ein bisschen länger Monarch sein, dachte Ravenor wehmütig und frei zu denken, konnte er sich gerade erlauben. Zu den Verhandlungen trug er stets eine Halskette, die Schutz vor dem Gedankenlesen bot. Aus gutem Grund hatte er dieses besondere Artefakt auch noch nicht wieder abgelegt. War es doch sogar so gut, dass es auch Prinz Raidens Spionageversuche unterbinden konnte. Das erlaubte Ravenor eine unzensierte Meinungsfindung, doch vor den Wünschen seines Vaters konnte es ihn nicht bewahren. So seufzte er resigniert.

    Ich gebe mich geschlagen, bevor er wütend wird. Dann bot er freiwillig an:

    „Mein Prinz, die Regentschaft überlasse ich Euch gerne wieder, wenn Ihr das wünscht."

    Doch Prinz Raiden hob abwehrend die Hände und wirkte geradezu erschrocken.

    „Aber was redest du denn da. Ich schlage dir freundlicherweise ein paar Tage Urlaub vor – will dir damit etwas Gutes tun und und du bedrohst mich mit dieser langweiligen Arbeit. Nein, mit der Regentschaft will ich mich wahrlich nicht belasten. Aber wenn du frisch und erholt wiederkommst, dann darfst du gerne in diesem alltäglichen Possenstück weiterwursteln."

    Er will das Amt also gar nicht zurückhaben? Aber was will er dann? Um mein Wohlbefinden war er doch noch nie besorgt. Berechtigtes Misstrauen war angebracht.

    „Aber was wollt Ihr dann von mir?"

    „Nur wir zwei gönnen uns ein paar Tage Auszeit, weitab von Ardeen..."

    Oh nein, ich soll ihn irgendwohin begleiten.

    „...Eine Abenteuerreise, wenn du so willst. Du erholst dich gut, und ich besorge mir ein kleines Souvenir als Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit."

    „Was wollt Ihr besorgen?" Ich werde aus seinem Gerede einfach nicht schlau.

    „Nun ja, ein kleines Artefakt. Noch befindet es sich schnöde vergessen im Haus eines anderen, doch ich finde, es gehört vielmehr hierher."

    „Stehlen?!"

    Prinz Raiden schnaubte verächtlich. „Was für ein hässliches Wort. Man stiehlt doch keine Artefakte. Obwohl du ein unwissender Unmagischer bist, will ich versuchen, es dir jetzt zu erklären: Das Problem ist ‚zeitliche Abnutzung‘. Also wenn solch ein Artefakt zu lange im Besitz ein und derselben Person verbleibt, dann weiß diese das gute Stück gar nicht mehr richtig zu würdigen. Im schlimmsten Fall vergisst besagte Person sogar, dass sie im Besitz des wertvollen Artefakts ist. Dann aber ist es mehr als an der Zeit, dass das Artefakt seinen Besitzer wechselt."

    Hmm, für mich klingt das immer noch wie Diebstahl. „Darüber wird sich der Besitzer aber wenig freuen", gab Ravenor zu bedenken und Prinz Raiden verdrehte kurz die Augen.

    „Wieso? Er hat doch bereits vergessen, dass er dieses Artefakt besitzt."

    „Und wenn nicht, mein Prinz? Ist jetzt der Diebstahl von Gegenständen etwa straffrei?", strich Ravenor provozierend heraus, wollte er mit dieser Sache doch nichts zu tun haben.

    „Pha, wir reden hier doch nicht von einfachen Gegenständen. Natürlich ist der Diebstahl simpler Güter ein Verbrechen. Doch mir scheint, du hast vorhin nicht richtig zugehört. Die Frist der zeitlichen Abnutzung muss abgelaufen sein, dann ist es lediglich eine – Umverteilung."

    „Aha, da eröffnet sich mir gerade ein ganz neues Rechtsverständnis. Und wie lang ist denn solch eine Abnutzungsfrist?"

    „Ein halbes Jahrhundert, behauptete Prinz Raiden. Aber da Ravenor nicht sonderlich überzeugt wirkte, besserte er nach: „Ach was, sagen wir achtzig Jahre. Du siehst, somit ist das ohnehin keine Problematik, die Unmagische betrifft.

    Diese unglaubwürdige Geschichte ist komplett erfunden. Deswegen beschloss Ravenor seinen Vater mit den harten Fakten zu konfrontieren.

    „Ihr wollt also, dass ich Euch begleite, damit wir einer armen, unschuldigen Person ihr Hab und Gut entwenden. Wenn Ihr es befehlt, dann werde ich gehorchen. Doch habe ich die freie Wahl, dann möchte ich lieber nicht zum Mittäter bei einem Verbrechen werden."

    Prinz Raiden schüttelte geradezu mitleidig den Kopf. „Du willst es einfach nicht verstehen. Zanderos ist weder eine arme, unschuldige Person, noch habe ich vor, ihn zu bestehlen. Ich verteile lediglich ein abgenutztes Artefakt um, weil es hervorragend in meine Sammlung passen würde. Das ist die übliche Vorgehensweise. Ein Sport, wenn du so willst."

    „Ihr meint, Ihr habt das schon öfter gemacht?" Ravenor konnte seine Verwunderung nicht verbergen.

    „Natürlich, oder wie glaubst du denn, bin ich zu meiner Artefaktensammlung gekommen?"

    Kaufen, schenken, erben… halt auf ehrliche Art und Weise. „Mein Prinz, diese Seite an Euch kenne ich ja noch gar nicht. Bisher hielt ich Euch stets für... rechtschaffen."

    Junge, da gibt es einiges, was du nicht über mich weißt. „Bin ich doch auch. Aber abgenutzte Artefakte müssen umverteilt werden", behauptete Prinz Raiden im Brustton der Überzeugung, während Ravenors Gesicht keinerlei Verständnis erkennen ließ. Darum sah sich Seine Hoheit genötigt, die Zauberworte zu sprechen:

    „Ich befehle dir, mich zu begleiten, weil ich deiner Hilfe bedarf."

    Ich will nicht. „Aber das Reich. Wer soll denn solange..."

    „Jetzt hör schon mit dem Gejammere auf. Das Reich regiert sich ganz gut von selbst. Die Verwalter, die Gilden und der Hochadel zerfleischen sich weiterhin in endlosen Diskussionen und merken gar nicht, dass du abwesend bist. Nur von Zeit zu Zeit musst du ein paar neue Gesetze unterzeichnen und ein paar alte außer Kraft setzen. Aber was du dazwischen machst, interessiert doch keinen."

    „Warum ich?" Er will mein Leben ruinieren und mich zu einem Verbrechen anstiften. Wie sieht das bloß aus, wenn herauskommt, dass der ehrenhafte Held Ravenor jemanden bestohlen hat.

    „Weil ich einen Unmagischen brauche, der Erfahrung in militärischen Dingen hat und dem ich außerdem vertraue. Darüber hinaus sollte er sich gut verstellen können. Siehst du, vier Gründe, die die Auswahl erheblich einschränken und dich eindeutig qualifizieren."

    Das mit dem Vertrauen ehrt mich. Die Behauptung, ich könne mich gut verstellen, weniger.

    „Wer ist dieser Zanderos? Und wo wohnt er?"

    „Sehr gut, sehr gut. Sich gleich einarbeiten zu wollen, ist die richtige Einstellung. Also hör gut zu:

    Zanderos ist ein Zauberer der alten Garde. Er war schon vor den Drachenkriegen eine Legende. Dann aber hat der Nimrodzauber ihn von der Außenwelt abgeschnitten und er saß im Land der Drachen fest. Aber wie du ja weißt, wurde dieser Zauber wieder beseitigt und seither kommt das eine oder andere Übel aus diesem Gebiet zu uns herüber... Wie zum Beispiel der Forscherdrache. Aber mit dem dummen Viech möchte ich dich jetzt nicht langweilen. Also, Zanderos ist wieder aufgetaucht und ich habe ihn sogar schon einmal kurz getroffen. In Elverin, bei Meister Ador. Krötengesicht war dort zu Gast, als ich zufällig vorbeikam. Wir haben bei diesem kurzen Treffen nicht viele Worte miteinander gewechselt, doch seither ging mir die Sache nicht mehr aus dem Kopf. Ich erinnerte mich dadurch nämlich an die Geschichten, die sich um Zanderos ranken. Und eine davon handelt von eben diesem besagten Artefakt. Übrigens hat Zanderos das gute Stück auch nicht ehrlich erworben, wenn dich das beruhigt."

    Tut es nicht. Allerdings sinkt dadurch meine Meinung über Magier noch ein wenig mehr. „Dieser Zanderos scheint sehr mächtig zu sein. Wie sollte Euch da ein Unmagischer nützen können?"

    „Gemach, dazu komme ich noch. Doch in der Tat sollte man Krötengesicht nicht unterschätzen." Das war nun schon das zweite Mal, dass Prinz Raiden den Mann so nannte und Ravenor wunderte sich.

    „Krötengesicht? Ist er so hässlich?"

    Prinz Raiden zuckte leichthin mit den Schultern. „Wie man es nimmt. Doch ich nenne ihn so, weil seine Haut tatsächlich einen dunklen grünlichbraunen Farbton hat. Man sagt, das käme von einer missglückten Wandlung. Andere Geschichten wiederum behaupten, er wäre das Produkt einer gewagten Kreuzung zwischen Amphibie und Mensch. Doch letztendlich spielt das keine Rolle. Lass uns lieber zu meinem Plan kommen. Artefakte sind stets gut behütete kleine Biester und ich kann schlecht in Zanderos’ Burg in Andavera eindringen und anfangen dort herumzusuchen. Ich brauche einen Grund, um mich eine Weile dort aufhalten zu können. Möglichst unauffällig natürlich. Schließlich will ich keinen Krieg vom Zaun brechen, sondern nur ein Artefakt umverteilen. Darum sollte Zanderos von dieser Aktion am besten gar nichts mitbekommen. Also habe ich Nachforschungen angestellt und bin da auf etwas gestoßen. Eine glückliche Fügung sozusagen, die ich in meinen Plan mit eingebaut habe. Zanderos siedelt jetzt schon seit mehreren Jahren Unmagische in Andavera an. Die Siedlung soll inzwischen sogar die Größe einer kleinen Stadt erreicht haben, und er hält sich außerdem ein Heer aus Unmagischen."

    Ja sicherlich, die Magischen halten sich Unmagische wie Vieh. „Warum unterhält ein derart mächtiger Magier ein solches Heer? Ich dachte immer, für die großen Magier sind die Unmagischen nur hinderlich."

    „Weil es Mode ist. Jahrelang konnten sich die Magier des Mittellandes nur mit ein paar grotesken Monstern umgeben. Aber seit die Barriere gefallen ist, sehen sie neidvoll zu uns herüber. Du wirst nicht glauben, wie mich manche von denen um mein blühendes Ardeen beneiden. Sie wollen auch ein wenig von diesem Glanz zu sich in diese Monstereinöde holen und erschaffen dabei doch nur billige Imitationen."

    „Das ist absurd", empörte sich Ravenor, der sich dadurch noch mehr auf den Status eines Herdentieres herabgewürdigt fühlte.

    „Ja allerdings. Wüsste dieser Möchtegern-Monarch, wie viel Arbeit die Verwaltung eines ganzen Landes voller Unmagischer macht, dann würde er tunlichst die Finger davon lassen. Doch ich will mich nicht beklagen, eröffnet diese Marotte uns doch die Möglichkeit, ganz unverdächtig in seine Nähe zu kommen.

    Heil dem Froschkönig und seiner Vorliebe für Unmagische."

    Es macht keinen Sinn, sich über die Arroganz der Magischen aufzuregen. Also schluckte Ravenor die Kröte und hakte sogleich bei einem anderen Punkt ein, der ihm bitter aufstieß:

    „Ihr wollt doch nicht etwa, dass ich alleine dorthin gehe? Schließlich kann man Euch ja kaum unmagisch nennen." Die ganze Sache ergab noch reichlich wenig Sinn, aber tatsächlich hatte sich Prinz Raiden schon tiefgreifendere Gedanken gemacht.

    „Ich kann das verbergen. Die Wandlung zum Unmagischen ist ein bitterer Rückschritt. Doch auch das nehme ich für dieses begehrenswerte Artefakt in Kauf."

    Durch seine langjährige Erfahrung mit den großen Magiern hatte Ravenor inzwischen ein recht passables Wissen über die Zusammenhänge dieser Kunst erlangt, was sich nun auch in seiner erstaunten Äußerung zeigte:

    „Ihr lasst Eure Adern ausbrennen?!"

    „Nun, nicht direkt. Ich verberge sie und das auch nicht gänzlich. Der Trick beim Verbergen liegt darin, dass man dem anderen ein wenig zeigt. Also degradiere ich mich zu einem einfachen Kampfmagier mit einer annehmbaren Ader Rot, doch nicht viel mehr. Werde ich nun gescannt, wird man die mächtige Ader Rot sehen und nicht vermuten, dass dahinter noch ein anderes Muster verborgen liegt."

    Ein Feuermagier ist also auch unmagisch. Ab welchen Fähigkeiten zählt er dann jemanden zu den Magischen? Mir gefällt dieser Plan nicht. Er hat zu viele Haken. „Es sei denn, Ihr benutzt die anderen Kreise?", mutmaßte Ravenor, was auch sogleich bestätigt wurde.

    „In der Tat. Das wäre sehr auffällig, darum muss ich hier verteufelt gut achtgeben und kann nur zaubern, wenn es sicher ist. Zanderos darf nichts ahnen, sonst könnte ich ja gleich seine Burg stürmen und ihn zum Duell fordern." Ein wenig wunderte sich Ravenor, warum sein magisch so überragender Vater hier den offenen Kampf scheute und stattdessen den Weg der Täuschung und der Heimlichkeit beschritt. Die Erklärung folgte umgehend.

    „Ein offensives Vorgehen verbietet sich leider auch aus einem anderen Grund. Die Bruderschaft und ihre moralischen Bedenken. Ich dachte immer, nach dem Ende von Meister Elderons tyrannischer Herrschaft würden die in ihren Ansichten deutlich liberaler werden. Aber auch Meister Ador spricht sich für eine Politik der vornehmen Zurückhaltung aus. Zumindest, wenn keine seiner eigenen Angeleinheiten davon betroffen sind. Seid lieb und nett zu allen dort draußen, damit die Bruderschaft keine Probleme bekommt. Anstatt dass wir zusammenstehen und jeden anderen auf dieser Welt in seine Schranken verweisen, verhalten wir uns schwächlich friedfertig. Mir scheint bald, dass Tellenorsche Ansichten hier die Gemüter vergiften. Kurzum, Meister Ador möchte keinen Unfrieden mit seinen Nachbarn. Diesem Sammelsurium an grotesken Wesen, die mit ihm das Mittelland bevölkern. Offenbar sieht er sich als Mittler zwischen den Welten.

    Du siehst, diese Engstirnigkeit zwingt mich zu einem verdeckten Vorgehen."

    Ravenor pries die Weisheit Adors. Verhinderte sie doch, dass Prinz Raiden einen offenen Raubzug unternahm und das alleine aus dem niederen Beweggrund heraus, sich ein Artefakt anzueignen. Da war eine verdeckte Operation allemal die bessere Wahl, auch wenn sich dadurch der niedere Beweggrund nicht entschuldigen ließ.

    „Aber mir erschließt sich immer noch nicht, welche Aufgabe Ihr nun mir zugedacht habt."

    „Rückendeckung und Ablenkung. Du bist einfach der glaubwürdigere Unmagische von uns beiden und musst das Augenmerk der anderen auf dich ziehen, während ich ein wenig herumschnüffle."

    „Der Köder sozusagen. Aber wie ist das mit dem Ausspähen der Gedanken? Man kann seinen Geist nicht immer unter Kontrolle halten. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir schließlich enttarnt werden. Und auch Artefakte würden nur Aufmerksamkeit erregen."

    „Heute überraschst du mich mit deiner Sachkenntnis wahrlich. Trotz des Makels der unmagischen Begabung stellst du genau die richtigen Fragen. Wirkungsvolle Artefakte sind hier keine Lösung. Allenfalls ganz simple, deren Besitz man gewöhnlichen Leuten zutrauen würde. Doch die sind in solch einer Situation kein hinreichender Schutz.

    Ich werde zwar ein paar Ringe mitnehmen, doch alleine zu dem Zweck, unsere Verkleidung glaubhaft zu vervollständigen. Schließlich trete ich als magisch Begabter auf. Hier zwinkerte Prinz Raiden spöttisch und fügte dann an: „Im Rang eines Kommandanten. Durch ein gemeines Intrigenspiel diskreditiert und aus dem Heer Seiner Hoheit, des Prinzen von Ardeen, entlassen. Du übrigens auch. Dafür brauchen wir noch die nötigen Papiere mit einer passenden Geschichte dazu. Worum du dich übrigens gleich kümmern kannst. Und dann bewerben wir uns bei dem Heer Seiner Majestät, dem Froschkönig. Lordkommandant Alander von der Magischen Kompanie XY und Kommandant Dunis von den Regulären.

    Im Rang eines Kommandanten gab es Abstufungen. Der niedrigste Grad kommandierte eine Hundertschaft. Der nächsthöhere Rang war der des Lordkommandanten und führte den Oberbefehl über fünf Hundertschaften. Ravenor nahm anstandslos zur Kenntnis, dass sein Vater sich den höheren Rang zugedacht hatte, doch mit einer anderen Sache hatte er deutlich mehr Probleme.

    Meinen Decknamen suche ich mir diesmal selber aus, und der ist nicht Dunis, Runor oder sonst irgendeine andere verunglückte Kombination aus Buchstaben.

    „Und wie habt Ihr das jetzt mit der Gedankenspionage gelöst?" Wenn er hier nichts in der Hinterhand hat, dann hat sich dieser glorreiche Plan sowieso schon erledigt. Doch Ravenors Hoffnung wurde jäh zerstört.

    „Ja genau, das wollte ich dir eigentlich erklären. Nebenbei bemerkt, bin ich ziemlich stolz auf meine geniale Lösung. Magische Unterwäsche, die uns ganz unmagisch denken lässt." Prinz Raiden machte hier eine gewichtige Pause, als wolle er Ravenor Zeit für eine angemessene Bewunderung geben. Doch der blinzelte zunächst nur irritiert, denn ihm drängten sich dazu gerade ganz andere Gedanken auf.

    Unmagisch wie unzüchtig oder wie unfähig? „Und worin liegt jetzt darin die Genialität?"

    Prinz Raiden stöhnte verächtlich und murmelte dann: „Doch nur ein unmagischer Ignorant." Dann ließ er sich zu einer ausführlichen Erklärung herab:

    „Alles, was man üblicherweise bezaubert, fällt schnell ins Auge. Ringe, Ketten, Rüstungsteile, Gürtel und Handschuhe, das prüft jeder Magier zuerst. Außerdem wird es auch beim Froschkönig militärische Vorschriften geben. Darum nehme ich an, werden wir kaum unsere eigene Kleidung tragen dürfen, geschweige denn Schmuck und anderen Schnickschnack. Aber niemand wird sich um Unterwäsche kümmern und man trägt sie obendrein ständig. Darum ist das ein so genialer Zug, auch wenn das Bezaubern von Stoff deutlich schwieriger ist als das von Mineralien. "

    „Aber waschen darf man das Zeug noch? Ich meine, Wasser kann doch sehr negative Auswirkungen auf die Magie haben."

    „Das betrifft nur magische Spuren, nicht Permanentbezauberungen. Trotzdem müssen wir vorsichtig sein. Denn sobald wir das gute Kleidungsstück ablegen, sind wir anfällig für jede Art der Spionage. Allerdings bedarf es beim Gedankenlesen Sichtkontakt, deswegen muss das Waschen in einem unbeobachteten Moment erfolgen. Aber solche Gelegenheiten werden sich doch sicherlich ergeben. Als Kommandant wird man schließlich nicht in Mannschaftsunterkünfte gepfercht."

    „Ihr habt vorhin erwähnt, dass uns die Unterbekleidung unmagisch denken lässt. Wie darf ich mir das vorstellen?"

    Der passt heute aber gut auf. Allerdings ist es wichtig, dass er über die Details Bescheid weiß.

    „Es funktioniert folgendermaßen: In den Zauber werden haufenweise banale Aussagen und Überlegungen eingespeist. Je allgemeingültiger, umso besser. Zum Beispiel Aussagen wie: ‚Das Wetter könnte sich bald ändern‘; ‚Mir ist heiß‘; ‚Ich habe Hunger‘; ‚Am liebsten würde ich jetzt schlafen gehen‘. Dergleichen denken die Leute andauernd und ein Magier wird deswegen nicht gleich Verdacht schöpfen. Außerdem werden wir uns von diesen bösen Gesellen ohnehin fernhalten. Unauffälligkeit ist die oberste Devise."

    Ravenor nickte. In der Tat – diese Magier sind böse Gesellen.

    Dann ereiferte sich Prinz Raiden in einem weiteren Detail seines Planes:

    „Aber bevor du fragst, wie wir nach Andavera kommen... Wir werden uns in Orin anwerben lassen. Der Froschkönig unterhält dort ein Rekrutierungsbüro. Es gibt noch zwei weitere, aber Orin halte ich für den geeignetsten Ort. Nur nebenbei bemerkt: Falls jemals eine Anfrage kommt, solch eine Anwerbungsstelle auch in Ardeen einzurichten, dann wird das schlichtweg abgelehnt. Ich verbitte mir derlei Blödsinn in meinem Land. Das bringt junge Leute nur auf dumme Gedanken. Die glauben den leeren Versprechungen und rennen blindlings in ihr Verderben, während uns hier die unmagischen Arbeitskräfte ausgehen."

    Und wie ist das mit mittelalten Leuten? Die haben schon zuvor reichlich dumme Gedanken und lassen sich dann anwerben. Ich habe da so ein ungutes Gefühl. Dieser lückenhafte Plan wird auffliegen und Prinz Raiden wird mit Schimpf und Schande aus Andavera hinausgejagt – wenn nicht noch Übleres passiert.

    Prinz Raiden ahnte nichts von diesen Zweifeln, schließlich war er selbst ganz begeistert von seinem Plan.

    „So weit müsste jetzt alles klar sein. Noch Fragen?"

    „Nein, mein Prinz." Ich bin fraglos unglücklich.

    „Nun, dann bereiten wir jetzt alles vor und stürzen uns in dieses aufregende Abenteuer – in diesen tollen Urlaub, wollte ich sagen."

    Die Anwerbung

    Ihre Reise führte sie zunächst nach Orine. Groß, laut und dreckig lag die Hauptstadt Orins an einem Flussdelta. Orin selbst war ein recht kleines Land, und wenn man es genau betrachtete, dann gab es dort außer der Handelsstadt Orine keine weiteren nennenswerten Städte mehr.

    Drei Tage waren sie nun schon unterwegs, denn Prinz Raiden war der Ansicht, sie müssten sich in ihre Rollen erst ein wenig einleben. Zwei aus dem Dienst entlassene Offiziere, die sich nicht viel angespart hatten, sodass ihr gesamtes Hab und Gut auf zwei Packpferde passte. Ihre Reittiere waren ganz stattliche Rösser. Darauf hatte Prinz Raiden bestanden. Außerdem ließ es sich durchaus glaubwürdig erklären, dass ein Kommandant ein gutes Pferd besaß. Obendrein trugen sie falsche Papiere in der Tasche, die sie als Lord Alander und Sir Galden auswiesen. Genau genommen waren die Papiere sogar echt, denn Prinz Raiden hatte dafür gesorgt, dass Lord Haerkin, der Kommandant von Brieg, sie persönlich unterzeichnete.

    Aber mit den falschen Namen war die Tarnung noch nicht perfekt. Prinz Raiden befürchtete, Zanderos könnte ihn wiedererkennen, schließlich waren sie sich schon einmal kurz begegnet. Doch dagegen unternahm er erst etwas, als sie bereits unterwegs waren.

    Die passende Gelegenheit für eine Umgestaltung ergab sich schon am ersten Tag in einem einsamen Waldstück. Nun war sein Haar von einem hellen Grau und etwas Wandlungsmagie hatte seine Gesichtszüge geringfügig verändert. Das und die Kleidung gaben dem Herrn von Naganor ein erstaunlich unscheinbares Aussehen. Dann wurde auch Ravenor zu einer Änderung seines Äußeren gezwungen. Er betonte zwar noch, dass Zanderos ihn ja gar nicht kennen würde, doch sein Vater ging darüber einfach hinweg.

    „Selbst in einem popeligen Land wie Andavera kann man vom großartigen Ardeen und dem Helden des Volkes gehört haben. Als Sohn des weitläufig bekannten Schwarzen Prinzen bist auch du nicht gänzlich unbekannt."

    Dann faselte er noch etwas von Kristallen und wie unzureichend Illusionsmagie sei, bevor es kurz ‚knack‘ machte und Ravenor einen stechenden Schmerz im Gesicht verspürte. Erschrocken griff er sich an die Nase. Die war nun seltsam krumm.

    „Aua, das hat wehgetan!", beschwerte sich Ravenor und Prinz Raiden gab sogar zu, dass er den Betäubungszauber bei der Wandlung geringfügig verpatzt hätte. Dann nötigte er seinen Sohn noch zu einem neuen Haarschnitt. Zwei Zentimeter Maximallänge und an den Seiten ganz kurz.

    Die veränderte Stirnpartie bemerkte Ravenor erst später, als er sich in einem Spiegel sah. Diese Gelegenheit bot sich ihnen in einer Herberge der mittleren Klasse, wo sie ihre erste Nacht verbrachten.

    Er macht mich immer hässlicher. Ob das Absicht ist?

    Die weitere Reise verlief ohne größere Zwischenfälle und nun ritten sie nebeneinander in gemächlichem Schritt die staubige Straße entlang.

    Ravenor befingerte seine krumme Nase. „Geht das wieder weg?", fragte er, ohne einen Titel anzufügen. Bei diesem Detail hatte er sich nämlich durchgesetzt. Denn wenn sie alte Freunde sein sollten, musste er seinen Vater duzen. Seine Hoheit empfand das am Anfang als sehr irritierend, doch langsam schien er sich daran zu gewöhnen.

    „Wenn du ständig daran herumfingerst, wahrscheinlich nicht, zog er Ravenor auf, hatte dann aber selbst eine Frage: „Warum Galden? Runor hätte es doch auch getan. Den Namen haben wir schon einmal benutzt, und ich könnte ihn mir auch besser merken. Weil niemand sich in ihrer unmittelbaren Nähe befand, konnten sie so unbeschwert reden.

    Runor hätte es nicht getan. Der Name hat mir schon damals nicht gepasst. Der klingt irgendwie einfältig.„Nach meinem damaligen Zugführer, Sir Galden. Du erinnerst dich noch an ihn?"

    Prinz Raiden brummte: „Ist lange her. Kann jetzt nicht sagen, dass ich noch ein Gesicht dazu hätte. Bei der Garde ist er jetzt nicht mehr, oder?"

    „Ich glaube, er ist inzwischen nach Belis versetzt worden." Diese Stadt lag ganz im Südosten von Ardeen und wurde von der Adelsfamilie Darkir verwaltet. Dort unten herrschten Ruhe und Frieden, womit Prinz Raiden sich auch nicht darum kümmerte, wer dort welche Position bekleidete.

    „Also, Galden, er betonte den Namen nun explizit, „Es kann nun nicht mehr weit sein. An der vierten Kreuzung links, hat der Gemüsehändler gesagt, und das ist gleich dort vorne. Prinz Raiden deutete auf eine Lücke zwischen zwei heruntergekommenen Häusern. „Ist nicht die beste Gegend hier", bemerkte er und Ravenor konnte ihm darin nur beipflichten.

    „Reiche Leute werden sich wohl kaum auf ein Abenteuer im gefährlichen Mittelland einlassen. Das ist mehr was für abgebrannte Glücksritter, so wie uns." Er grinste breit, ganz im Gegensatz zu seinen frustrierten Gedanken. Mein Leben war absolut in Ordnung und nun sind wir reiche Leute, die sich auf ein dummes Abenteuer einlassen, nur weil es meinem alten Herrn so gefällt. Aber was soll ich machen.

    Er beschloss das Beste daraus zu machen und das bedeutete, dass er alles tun würde, damit sie Erfolg hatten. Schnellen Erfolg und nebenbei würde er damit auch Sir Galdens Namen alle Ehre machen.

    „Lass mich bitte die Verhandlungen führen."

    „Warum?" Prinz Raiden war es gewohnt, das Heft stets selbst in der Hand zu halten und tat sich schwer damit, anderen das Kommando zu überlassen. Ravenor zuckte mit den Schultern.

    „Weil ich die Welt der Unmagischen besser verstehe als du." Und weil ich viel glaubwürdiger rüberkomme. Er verplappert sich immer noch viel zu oft.

    „Also gut, aber sieh zu, dass wir die Stellen auch bekommen. Ich will endlich wieder etwas Sinnvolles zu tun haben, und vor allem will ich Geld verdienen." ‚Geld verdienen‘ war ihre geheime Bezeichnung für den wahren Grund ihrer Reise – das Stehlen des Artefakts.

    „Wer will das nicht", entgegnete Ravenor, als er sein Pferd nach links schwenken ließ, und dann konnte er ein paar Häuser weiter auch schon das Schild sehen, welches groß und breit über dem Eingang hing und das Gebäude als Rekrutierungsstelle auswies. Eine elende Bruchbude, die aus groben Holzbrettern zusammengezimmert war.

    Sie saßen ab und banden die vier Pferde an eine schiefe Querstange direkt vor der Rekrutierungsstelle. Die Stange war nicht allzu lang und so standen die Tiere eng zusammengedrängt. Ravenor sah sich prüfend um und entdeckte in der näheren Umgebung gleich ein paar zwielichtige Gestalten.

    „Einer sollte bei den Pferden bleiben." Natürlich meinte er damit Prinz Raiden, den er drinnen auch gar nicht dabeihaben wollte. Aber Seine Hoheit erkannte sogleich die Schwachstelle dieses Vorschlags.

    „Wie willst du denn verhandeln, wenn du hier draußen wartest. Aber ich denke, wir können es riskieren, unser Hab und Gut für einen Moment unbewacht zu lassen. Erstens haben wir nichts von Wert dabei und zweitens sind wir sicherlich nicht allzu lange dort drinnen beschäftigt."

    Wenn er das sagt, dann hat er wahrscheinlich mit Magie nachgeholfen. Ravenor nickte, nahm jedoch die Satteltaschen mit dem Geld und seinen Papieren an sich, dann betrat er die Rekrutierungsstelle.

    Gleich nach dem Durchgang stand man in einem kleinen Raum, der durch einen brusthohen Tresen auch noch halbiert wurde. Auf ihrer Seite befand sich nur ein altersschwach aussehender Stuhl, während rechts hinter dem Tresen eine Tür weiter ins Gebäude führte. Sie stand halb offen. Angewidert bemerkte Prinz Raiden den schmierigen Dreck und die dicken Staubschichten. Dann meinte er trocken:

    „Offensichtlich hält sich der Andrang hier in Grenzen."

    „Sieht so aus, als wäre niemand hier", sprach Ravenor das Offensichtliche aus, während Prinz Raiden so nahe an den Tresen herangetreten war, dass er sich hinüberbeugen konnte. Neugierig schnüffelte er herum und sofort fiel ihm eine Apparatur ins Auge. Nicht zuletzt, weil ein helles rotes Leuchten von ihr ausging.

    Sie hatte eine längliche Form und eine beträchtliche Anzahl viereckiger Glasstückchen reihte sich aneinander. Aber nur eines davon leuchtete. Was diese Apparatur war musste man Prinz Raiden nicht erklären. Ach sieh an, ein Unmagischer will wissen, wer ihm gegenübersteht. Nun, zumindest funktioniert meine Verschleierung hervorragend.

    Dann fiel sein Blick auf eine Glocke mit einem Handgriff und ein Notizzettel lag daneben.

    Ein Hinweis für die Kundschaft. Ist ja geradezu ein glücklicher Zufall, dass ich das kleine Fitzelchen Papier gefunden habe.

    „Bitte klingeln", las er nun den Inhalt des Zettels laut vor und nahm dann die Glocke an sich.

    „Hallo, jemand da!?", rief Ravenor inzwischen in Richtung des zweiten Ausgangs. Dann setzte das helle Gebimmel der Glocke ein. Ein penetrantes Klingeln, welches nun gar nicht mehr verstummen wollte. Prinz Raiden schien an dem Geklingel gefallen gefunden zu haben, so wie er die Glocke eifrig schüttelte.

    Woraufhin Ravenor flapsig meinte:

    „Willst du jemanden mit diesem Ding da erschlagen?" Seit er seinen Vater duzte, schien die Distanz zwischen ihnen deutlich geschrumpft zu sein. Auch wenn sich Ravenor einredete, dass dies nur zu ihrer Tarnung gehörte. Aber Prinz Raiden schien ihm die Bemerkung nicht krumm zu nehmen, sondern deutete mit der Glocke als Zeigestock auf den Durchgang nach hinten.

    „Schau, es hat gewirkt!" Von dort kam gerade ein Mann mittleren Alters hereingeeilt und rief:

    „Gemach, ich komme ja schon."

    Die Glocke klingelte ein letztes Mal, bevor sie verstummte und wieder auf den Tresen zurückwanderte. Inzwischen hatte sich der Mann auf einen Stuhl gesetzt, den sie von ihrer Seite aus nicht sehen konnten. Dann stützte er die Ellbogen auf dem Tresen ab und faltete die Hände ineinander. Er musterte seine Kundschaft mit freundlicher Miene.

    „Den Göttern zum Gruße, die Herren. Sicherlich wollt Ihr Euch anwerben lassen? Ihr seht aus wie zwei altgediente Kämpen in den besten Jahren. Das ist gut. Wirklich gut, denn den Jungen, die hier hereinkommen fehlt es oft an Erfahrung."

    „Ähm ja", bestätigte Prinz Raiden etwas überrumpelt, während sich Ravenor nur dachte:

    Was für eine plumpe Schleimtirade. Dann drängte er sich an seinem Vater vorbei in den Vordergrund.

    „Wir wollen uns erst mal erkundigen und dann wird man sehen. Wichtige Entscheidungen sollte man nie übereilen."

    „Ganz recht, schließlich will keiner die Katze im Sack kaufen." Er lachte, dann stellte er sich erst einmal als Oberrekrutierungsmeister Gilmord im Dienste Seiner Magierifizenz Zanderos von Andavera vor.

    Je länger der Titel, umso weniger Befugnisse, urteilte Ravenor und Prinz Raiden fragte ungläubig nach:

    „Seiner was?"

    Gilmord wiederholte das Wort nun langsamer und betonte es sehr deutlich: „Magierifizenz. Leitet sich von Magier ab. Kurzum ein Magier, der auch König seines Landes ist."

    „Aha!", äußerten Ravenor und Prinz Raiden nun gleichermaßen ihr Erstaunen. Dann schüttelte sich Prinz Raiden kurz, während er ein abfälliges Schnauben ausstieß.

    „Wir hörten, dass Magiii... Meister Zanderos auf der Suche nach fähigen Männern ist, und nun wollen wir uns genauer über die Einstellungsbedingungen erkundigen, nahm Ravenor die Verhandlungen wieder auf. „Was wird denn als Sold bezahlt?

    „Ganze 1.000 Goldstücke im Monat", verkündete Gilmord und wirkte dabei, als habe er ihnen gerade ein umwerfendes Angebot unterbreitet.

    „Klingt mir nach recht wenig", bemerkte Prinz Raiden, der gar nicht genau wusste, wie hoch der Sold eines Soldaten so üblicherweise war. Doch Ravenor wusste darüber genau Bescheid und entrüstete sich nun:

    „Was? Nur 1.000! Dafür mache ich keinen Finger krumm. Als Provinzkommandant bekomme ich gut und gerne das Dreifache davon."

    Gilmord wirkte brüskiert, so als hätten sie sein gutes Angebot gar nicht zu würdigen gewusst.

    „Wenn Ihr meint, dass Euch jemand in einem dementsprechenden Rang einstellt..."

    „Wieso nicht? Ich bin Lordkommandant Alander und das ist Kommandant Galden. Der Posten eines Provinzkommandanten sollte da allemal drin sein", ereiferte sich Prinz Raiden, dem seine angebliche Position als Lordkommandant schon sehr gering erschien, von einem Stadtkommandanten gar nicht erst zu reden.

    Nun zeigte sich Verständnis in Gilmords Gesicht. „Ach so, Ihr seid Offiziere. Entschuldigt das Missverständnis. Ich habe Euch vorhin den Sold eines einfachen Soldaten genannt. Das hier ist die Anlaufstelle für einfache Rekruten und weniger die für Offiziere. Irgendetwas schien ihm Kopfzerbrechen zu bereiten, dann kniff er misstrauisch die Augen zusammen. „Ich nehme mal an, Ihr seid nicht mehr aktiv im Dienst? Ein Nicken bestätigte das, doch Gilmord war noch nicht gänzlich zufrieden mit dieser Aussage.

    „Dann könnt Ihr mir sicherlich Eure Entlassungspapiere zeigen. Seine Magierifizenz wünscht schließlich keine gesuchten Personen in seine Dienste aufzunehmen."

    Unter Geraschel wurden jetzt die präparierten Papiere hervorgeholt und von Gilmord einer eingehenden Prüfung unterzogen. Dann befand er die falschen Papiere für in Ordnung.

    „Ich bitte nochmals um Entschuldigung, doch alleine aufgrund des Erscheinungsbildes ist es schwer, den einfachen Söldner von einem honorigen Offizier zu unterscheiden. Schließlich tragt Ihr keine Rangabzeichen mehr an Eurer Kleidung. Offiziere aus Ardeen also. Hervorragend. Der Ruf dieser Armee ist ausgezeichnet. Prinz Raiden lächelte selbstgefällig, was Gilmord jedoch entging. Dann betrachtete der Oberrekrutierungsmeister die Altersangaben. „40 und 55. Im besten Dienstalter und somit voll tauglich. Sehr gut. Doch plötzlich hob er den Blick und fixierte Prinz Raiden.

    „Sie sind Magier?"

    „Äh ja. Kampfmagier. Eine mächtige Eignung im Kreis Rot bei einer signifikanten Minimierung der anderen Adern."

    Ravenor beobachtete indessen Gilmords Reaktion. Etwas missfiel dem Rekrutierungsmeister und Ravenor vermutete, dass es sich dabei um Prinz Raidens hochtrabende Erklärung handelte. Unmagische mochten es nämlich nicht, wenn ihnen mit magisch-wissenschaftlichen Begriffen auch noch mangelnde Bildung unter die Nase gerieben wurde. Darum mischte er sich nun schnell ein:

    „Ach, Alander ist immer so bescheiden. Dabei ist er ein verdammt guter Kampfmagier, der unglaublich starke Feuerlanzen verschießen kann. Feuer, so mächtig wie der Atem eines Drachen." So versteht es jeder und den Krampf mit einer ‚signifikanten Minimierung‘ lassen wir gleich weg.

    Doch Gilmords Missfallen hatten einen ganz anderen Grund.

    „Ein Feuermagier seid Ihr also. Das Problem ist nur, Seine Magierifizenz möchte keine anderen Magier in Andavera." Dann deutete er mit einer einladenden Handbewegung auf Ravenor. „Doch Ihr könnt Euch

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