Noras Herz: Aus der Reihe "Zärtliche Stunden"
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Noras Herz - Alexa Löwenburg
Fotolia.com
1
Ein Tippen auf ihrer Schulter veranlasste Nora, sich umzudrehen und erstaunt die Luft anzuhalten. Ihr stand eine blonde Schönheit mit smaragdgrünen Augen gegenüber. Volle, sanft geschwungene Lippen lächelten ihr zaghaft entgegen.
»Entschuldigung, ist hier noch frei?« Sie deutete auf den Barhocker neben Nora.
Nora erkannte die Frau, die ihr schon zuvor einige Blicke zugeworfen, aber immer verstohlen weggesehen hatte, wenn Nora sie bemerkte.
Die Antwort auf die Frage kennt sie doch schon. Sie hat mich schließlich lange genug beobachtet.
Nora nickte, da sie für einen Moment nicht wusste, was sie sonst tun sollte. Normalerweise war sie diejenige, die den ersten Schritt machte. Dass sich nun umgekehrt eine Frau für sie interessierte und das auch ziemlich direkt zeigte, brachte sie ins Stolpern. »Natürlich. Nehmen Sie Platz«, kam es automatisch aus ihrem Mund.
Das offene Lächeln der Fremden, als sie sich auf dem Hocker niederließ, fand Nora sehr charmant. Sie musterte die Frau genauer, was von ihr nicht unbemerkt blieb. Ein leichter Rotton erschien auf den Wangen ihres Gegenübers, der die zarte Haut noch zauberhafter aussehen ließ. Glücklicherweise war das Licht in der Kneipe nicht zu dämmrig, sonst wäre er Nora glatt entgangen.
»Darf ich Sie auf ein Getränk einladen?«, fragte Nora.
Die Frau nickte. »Gern. Was nehmen Sie denn?«
Nora zeigte auf den Tresen vor sich, auf dem ein halbleeres Bierglas stand. Das Glas war bereits mit Kondenswasser überzogen.
Die Fremde folgte ihrer Geste und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nichts für mich. Ich nehme lieber eine Weißweinschorle.«
Nora gab die Bestellung auf, und es dauerte nur einen Augenblick, bis der Barmann das Glas vor der Fremden auf den Tresen stellte.
»Danke sehr.« Erfreut schlug sie die Augen nieder. Sie griff nach dem Glas und nahm einen Schluck. »Lecker. Ein guter Wein. Sie haben Geschmack.«
Nora schmunzelte. »Das war vielmehr der Barkeeper.« Sie atmete tief durch, während sie überlegte, ob sie einen Vorstoß wagen sollte. »Aber ich denke, ich kann das Kompliment erwidern.«
Fragend schaute die Fremde Nora an. »Wieso?«
»Weil Sie sich neben mich gesetzt haben«, erklärte Nora mit einer Geste. »Das zeugt von gutem Geschmack bei Frauen.«
Die Frau errötete erneut und fuhr sich durch die langen Haare. Nora nippte an ihrem Bier und nutzte die Gelegenheit, die Fremde ein weiteres Mal genauer in Augenschein zu nehmen. Ein schwarz-weiß gemustertes Oberteil betonte das Dekolleté der Fremden. Der Saum steckte in engen, schwarzen Jeans, die die Vorzüge ihrer Beine betonten. Farblich passende Pumps rundeten das Bild ab.
Nora hielt ihr die Hand hin. »Ich bin übrigens Nora.«
Der verlegene Ausdruck im Gesicht der Fremden war richtig niedlich. »Alex. Eigentlich Alexandra. Aber alle meine Freunde sagen Alex. Den langen Namen mag ich gar nicht so sehr.« Sie verzog das Gesicht. »Alexandra hieß es immer nur, wenn ich was angestellt hatte.«
Als sich ihre Hände berührten, glaubte Nora, einen leichten Stromschlag zu spüren, der wie ein angenehmer Schauer über ihren Körper zog. Sie strich sich ihre Bluse glatt und krempelte die Ärmel hoch. Das Bier kühlte zwar, die Luft im Lokal wurde aber zunehmend wärmer, was wohl daran lag, dass immer mehr Gäste hereinkamen.
»Kam das denn oft vor?« fragte Nora.
Alex lachte auf. »Überhaupt nicht neugierig, wie?«
Nora erwiderte ihren Blick. »Ich bin von Berufs wegen neugierig.«
»So so.« Alex wiegte den Kopf hin und her. »Ich würde sagen, nicht öfter als sonst jemand.« Sie nippte an ihrem Wein. »Meine Schwester und ich waren nicht gerade Engel.« Mit langen Fingern strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Wie das eben bei Geschwistern so ist.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Da kann ich nicht mitreden. Ich habe keine Geschwister.« Nora griff nach einer der Schalen mit Nüssen, die überall herumstanden, steckte sich einige in den Mund und kaute genüsslich. Sie liebte den Mix aus Erdnüssen und Cashewkernen. »Willst du auch welche?«
Alex hob abwehrend die Hände. »Nein, auf gar keinen Fall. Ich bin allergisch.« Dann nahm sie den vorherigen Gesprächsfaden wieder auf. »Wenn du von Berufs wegen neugierig bist, was machst du dann?« Sie musterte Nora. »Polizistin oder Journalistin?«
»Nein. Ganz was anderes.« Nora grinste. Es war selten der Fall, dass jemand ihren Beruf erriet. »Die Auflösung will ich noch nicht verraten. Ist es nicht spannender, sich kennenzulernen, wenn noch ein Detail im Dunkeln bleibt?«
Alex legte einen Finger ans Kinn. »Hmmm, gehört zum Kennenlernen nicht viel mehr das Gegenteil? Dass man sich Dinge erzählt, anstatt sie für sich zu behalten?«
Aha, sie ist wohl ernster interessiert als nur an einem kleinen Flirt. Schön, das geht mir genauso. »Geheimnisse liebe ich. Ihnen könnte ich den ganzen Tag lang auf den Grund gehen.« Nora merkte, wie sie ins Schwärmen geriet.
»Du scheinst deine Arbeit ja sehr zu lieben.« Alex rückte näher an sie heran. »Gibt es sonst noch jemanden, den du so sehr liebst?«
Himmel, jetzt legt sie aber ein ganz schönes Tempo vor! Nora merkte, wie sich ihre Augen weiteten. »Du bist ziemlich direkt. Und nein, ich bin Single.« Der verführerische Duft von Alex stieg ihr in die Nase. Er löste ein angenehmes Gefühl in Nora aus.
»Na ja, ich klopfe die Möglichkeiten ab.« Alex zwinkerte ihr zu. »Außerdem ist es noch in der Schwebe, ob ich dich näher kennenlernen will. Bisher stehen die Chancen für eine Beziehung schon mal nicht schlecht.«
»Beziehung? Du denkst jetzt schon über eine Beziehung nach?« Nora sah Alex entgeistert an. Jetzt hat sie aber den Turbogang eingelegt. Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Jetzt fühle ich mich ziemlich überfahren.« Aufgeregt klopfte ihr Herz in der Brust. Es hatte offensichtlich Gefallen an der Idee einer Beziehung mit Alex gefunden.
»Keine Sorge, ich will nicht sofort bei dir einziehen.« Alex’ Mundwinkel zuckten schelmisch. »Vorher gibt es nämlich eine Kleinigkeit, die für mich den Ausschlag dafür gibt, ob wir uns überhaupt näherkommen.« Sie nippte an ihren Wein und schaute auf den Grund des Glases vor ihr.
Obwohl Nora erstmal Alex’ Reden über eine Beziehung verdauen musste, fühlte sie sich, als wäre sie mit dieser Andeutung an den Haken der Neugierde geraten und würde dort jetzt zappelnd hängengelassen. Alex hatte sich nun einfach in Schweigen gehüllt. Sie sah nachdenklich aus. Nora hielt es schließlich nicht mehr aus. »Und was ist das?«
Alex sah zur Seite. »Vergiss bitte, was ich gesagt habe. Wir sollten es einfach bei einem unkomplizierten Abend belassen.« Sie wirkte plötzlich unsicher, als sie das Weinglas in ihren Fingern am Stil hin- und herdrehte. »Du lachst mich sicher aus, wenn ich dich frage.«
»Nein, das mache ich bestimmt nicht.« Aus einem Impuls heraus griff sie nach Alex’ freier Hand und drückte sie bestärkend. Das Kribbeln, das dabei wieder auftauchte, versuchte sie zu ignorieren, damit sie sich auf Alex konzentrieren konnte.
Lange sah Alex in Noras Augen. Dann hatte sie wohl gefunden, was sie gesucht hatte, denn sie nickte und straffte die Schultern. »Nun gut. Ich . . . ich möchte gern wissen, welches Sternzeichen du bist.« Sie ließ Nora nicht aus den Augen, während sie den Satz formulierte.
Nora runzelte verwundert die Stirn. »Was spielt das denn für eine Rolle?«
»Es ist eben wichtig für mich.« Alex guckte sie ernst an.
»Wirklich? Das ist doch alles bloß Aberglaube.« Sie trank ihr Bier aus und stellte das Glas geräuschvoll auf dem Tresen ab. Mit Astrologie konnte sie nichts