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Noch manche Nacht wird fallen: Kriminalroman (Michael Held Krimi - Reihe Band 2)
Noch manche Nacht wird fallen: Kriminalroman (Michael Held Krimi - Reihe Band 2)
Noch manche Nacht wird fallen: Kriminalroman (Michael Held Krimi - Reihe Band 2)
Ebook198 pages2 hours

Noch manche Nacht wird fallen: Kriminalroman (Michael Held Krimi - Reihe Band 2)

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About this ebook

Die Mordandrohung mittels einer fingierten Traueranzeige reißt Pfarrer Michael Held aus seiner vorweihnachtlichen Stimmung. Angekündigt wird der Tod einer Person, die am 28. September Geburtstag hat und am 24. Dezember sterben soll. Held geht die Liste seiner Gemeindeglieder durch, die am 28. September Geburtstag haben. Darunter ist seine Tochter Johanna. Er trifft Vorsichtsmaßnahmen. Und doch geschieht an Heiligabend in der Flemhausener Kirche das Unfassbare. Held sucht nach einer Antwort und sieht zunehmend Parallelen zu einem aktuellen englischen Kriminalroman. Auch hier erhält ein Pfarrer die Drohung, dass im Heiligabendgottesdienst ein Mord geschehen wird...

LanguageDeutsch
Release dateNov 6, 2015
ISBN9783869115214
Noch manche Nacht wird fallen: Kriminalroman (Michael Held Krimi - Reihe Band 2)

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    Book preview

    Noch manche Nacht wird fallen - Christian Hartung

    ...

    Advent

    Es schneite heftig in großen Flocken, als Michael Held morgens die Haustür öffnete. Doch auf der Dorfstraße und den Schieferdächern Flemhausens schimmerte noch viel Schwarz durch den frischen Schnee; er würde wahrscheinlich nicht lange liegen bleiben. An der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite versuchten einige der wartenden Schulkinder vergeblich, aus dem nassen Schnee Bälle zu formen.

    Held schaute seinem Sohn und seiner Tochter nach. Die zwölfjährige Johanna trug eine bunte Mütze und einen noch bunteren Schal. Sie ging aufrecht und gesellte sich gleich zu zwei Kameradinnen. Die drei legten kurz ihre Köpfe in den Nacken und ließen sich den Schnee ins Gesicht fallen, dann schüttelten sie ihn lachend wieder ab. Ihr drei Jahre älterer Bruder Aaron schleppte sich mit hochgezogenen Schultern und schweren Schritten über die Straße, eine Pudelmütze schief auf den langen, zerzausten Haaren. Drüben angekommen, stand er für sich, die Hände tief in den Taschen seiner weiten Jeans vergraben. In den Bus würde er sicher als Letzter einsteigen.

    Nachdem Held entschieden hatte, dass es noch keinen Sinn hatte, Schnee zu räumen, schloss er die Tür des Pfarrhauses wieder hinter sich. Jetzt brauchte er nur noch die Zeitung und einen Kaffee und ein ruhiger Montag konnte beginnen. Im warmen Licht des rotgelben Sterns, den er wie jedes Jahr in der Adventszeit im Eingangsflur anstelle der Lampe aufgehängt hatte, öffnete er den Briefkasten, um die Zeitung herauszuholen. Bevor seine Frau Doris zum Buchladen nach Simmern fuhr, in dem sie vormittags arbeitete, saßen sie immer mit einem Becher Kaffee zusammen in der Küche, teilten sich die Zeitung und unterhielten sich noch ein wenig.

    „Schneit’s doll?, fragte sie, als er in die Küche trat, wo sie gerade den Kaffee in zwei Becher schenkte. Die erste Kerze an dem kleinen Adventskranz auf dem Küchentisch brannte. „Es geht, antwortete er und setzte sich. „Mehr Wasser als Schnee, glaube ich. Sie setzte sich ihm gegenüber und seufzte: „Na gut, einen Moment habe ich ja noch.

    Wenn Held ein Kater gewesen wäre, dann hätte er jetzt zufrieden geschnurrt. Die Küche war warm, der Kaffee heiß und gut und die ohne viel Bedeutung hingeworfenen Montagmorgensätze wärmten ihn zusätzlich auf. Die Adventszeit hatte eben erst begonnen, doch an diesem Tag lag nicht viel an – die richtige Hektik würde er noch ein wenig vor sich herschieben können. Er schaute einen Moment in das Licht der Kerze, das sich noch nicht durch zu viel gewaltsam herbeigeführte Stimmung abgenutzt hatte. Es genügte doch so wenig: Er hatte gerade alles glücklich beisammen! Das Geraschel des Zeitungspapiers rundete es zur Vollkommenheit ab.

    Seine Frau vertiefte sich in die Artikel auf der ersten Seite und er nahm sich das Feuilleton vor. Diese Art, sich die Zeitung zu teilen, war ihnen längst zur Gewohnheit geworden. Während er nach Möglichkeit jeden Abend die Nachrichten im Fernsehen verfolgte, zog sie es vor, sich über das Weltgeschehen lesend zu informieren. Im Feuilleton interessierten sie fast nur die Buchbesprechungen, mit denen er in besonderen Fällen ihre Lektüre unterbrechen durfte.

    „Hier, hör mal!", sagte er, nachdem er die Überschrift einer Rezension gelesen hatte. „Unheilige Nacht in englischer Landidylle. Der neue Kriminalroman von Raymond D. Syers verwandelt Weihnachten in einen gepflegten Albtraum. – Kennst du den?"

    Sie ließ ihren Teil der Zeitung sinken und warf ihm einen leicht gequälten, abwehrenden Blick zu. „Mit dem hat mein Chef mich neulich auch schon genervt. Und jetzt du! Syers an sich ist ganz lesenswert. Aber du weißt, dass ich keine Krimis mehr mag. Erst recht keine, wo Leute in Kirchen ermordet werden! Und wenn dann auch noch nichts ahnende Dorfpfarrer mit anonymen Briefen traktiert werden, mag ich sie schon ganz und gar nicht!"

    Er nickte. Auch ihm war im vergangenen Jahr die Lust auf Kriminalromane oder -filme vergangen. Damals hatte er selbst eines Morgens im Briefkasten einen anonymen Brief gefunden, der ein gerade beerdigtes Gemeindeglied als Mordopfer bezeichnete. An die darauf sich überstürzenden Ereignisse, an deren Ende einer seiner Konfirmanden um ein Haar als Nächstes umgebracht worden wäre, erinnerte sich Held nur ungern. Wahrscheinlich würde er den hier vorgestellten Roman nicht lesen. Doch seine Neugier war geweckt.

    ,Sehr geehrter Herr Pfarrer!

    Sie kennen mich nicht. Sie werden mich vermutlich auch nie kennenlernen. Dennoch werden sich unsere Wege an einer Stelle kreuzen. Sagen wir: Heiligabend. In Ihrer Kirche. Ich werde einen Ihrer Gottesdienstbesucher töten. Ich weiß selbst noch nicht, wen. Überlassen wir das doch dem Zufall! Oder, wie Sie vielleicht sagen würden: Gott! – Nur eine Kleinigkeit noch: Dies ist keine Warnung, sondern eine Ankündigung. Ich kann meinen Auftritt selbstverständlich auch an eine andere Zeit und einen anderen Ort verlegen. Nur würde ich diese nicht mehr vorher bekannt geben, was Sie sicher nachvollziehen können.’

    Dieses Schreiben erhält Rector Auldwyn, der in Ehren ergraute und allseits beliebte Geistliche der kleinen nordenglischen Gemeinde Morton St. James, der sich bald mitten in einem Albtraum wiederfindet: Soll er den Gottesdienst absagen? Doch wo wird der Mörder dann zuschlagen? Und wen aus der Gemeinde wird es treffen? Ein ungleicher Wettlauf beginnt. Inspector Woolrich, der rasch wachsenden Fangemeinde von Raymond D. Syers schon aus den vier vorangegangenen Romanen bekannt, ahnt bald, dass er das Rennen verlieren wird. Mord aus Hass, aus Eifersucht, aus Rache oder zur Vertuschung anderer Straftaten: alles ist dem sympathischen rotgesichtigen Inspector schon begegnet. Aber nicht Mord als Spiel des Zufalls! Was steckt dahinter?

    „Kannst du’s nicht lassen?! Nun, wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen! Tschüß, ich muss los!" Seine Frau beugte sich lächelnd zu ihm herab und verabschiedete sich mit einem Kuss.

    Als Michael Held allein war, schenkte er sich noch einen Becher Kaffee ein, bestrich sich nachdenklich eine Scheibe Brot und las die Besprechung zu Ende.

    Wie würde er auf eine solche Ankündigung reagieren, wie sie der bemitleidenswerte Kollege in jenem englischen Kriminalroman bekommen hatte? Gewiss, er konnte die Polizei einschalten, das tat Auldwyn auch. Von den Ereignissen des vorletzten Frühjahrs her kannte er Kriminalhauptkommissar Dieter Langes von der Simmerner Polizeiinspektion. Doch auch der Roman-Inspektor verlor den ungleichen Wettlauf gegen den Mörder.

    Er überflog ein paar weitere Artikel, legte die Zeitung zusammen, stellte das Geschirr in die Spülmaschine und verließ die Küche. In seinem Arbeitszimmer sortierte er einige Dinge auf seinem Schreibtisch. Dann stellte er sich ans Fenster und schaute in den Garten, der sich bis zu dem kleinen, asphaltierten Wirtschaftsweg hinter dem Dorf zog, den Hang hinauf, der Flemhausen und das Nachbardorf Enckelshausen von Walhausen und Sonnenbach auf der anderen Seite trennte. Sieben Dörfer gehörten insgesamt zu den beiden pfarramtlich verbundenen Kirchengemeinden Flemhausen und Mörsberg – und jeder der kleinen Orte hatte seine eigenen und besonderen Traditionen, die zu kennen und zu respektieren man von ihm als Pfarrer erwartete. Inzwischen kannte er die meisten der rund zwölfhundert Gemeindeglieder, wenn er es auch längst aufgegeben hatte, seine Gemeinde so umfassend kennenlernen zu wollen, wie es seinen Vorgängern früher möglich gewesen war, als sich fast das gesamte Leben der Menschen noch im Dorf und drumherum abgespielt hatte.

    Rector Auldwyn hatte sich mit der Frage gequält, wen aus seiner Gemeinde es treffen würde. Nur kurz ließ Michael Held diese Frage an sich heran, doch vermochte er sie auch nicht mehr völlig fortzudrängen. Woche um Woche würde er durch seine Gemeinde gehen und in jedem, der ihm begegnete, ein mögliches Mordopfer sehen. Der Heiligabendgottesdienst würde in der mit erwartungsfrohen Menschen voll besetzten Kirche beginnen, der Blick des zu diesem Zeitpunkt schon ganz zermürbten Pfarrers würde über die Bänke gleiten, den Kirchenchor, schließlich die Kindergottesdienstkinder – und er würde sich nur noch wünschen, es möge endlich vorbei sein, die wenn auch entsetzliche Gewissheit möge endlich die nicht minder entsetzliche Ungewissheit ablösen.

    Inzwischen war es richtig hell geworden und es hatte aufgehört zu schneien. Eine ganz dünne Schicht Schnee war auf den kahlen Ästen der Obstbäume liegen geblieben; auch auf dem Dach der kleinen barocken Kirche, das er von hier aus teilweise sehen konnte, lag etwas. Held wünschte sich, dass es richtig viel schneien möge, sanft und beständig den ganzen Tag und die Nacht hindurch – so lange, bis alles weich und schützend eingehüllt war, alle Geräusche gedämpft wurden und selbst das Licht der Wintersonne, die dann darüber scheinen müsste, in all dem stillen Weiß gewissermaßen zur Ruhe kommen würde.

    Als er etwa zwei Stunden später zu einem Hausbesuch aufbrach, ging sein Wunsch gerade in Erfüllung: Es hatte wieder begonnen zu schneien; und war der Schnee am Morgen noch eher wässrig gewesen, so waren es jetzt Schneeflocken, die einen sofort an Schneemänner, Schlitten und Bratäpfel denken ließen – die Zutaten zu einem Bilderbuchwinter. Kurz entschlossen kehrte er wieder ins Haus zurück, zog sich Stiefel, eine Wollmütze und dicke Handschuhe an und machte sich zu Fuß auf den Weg nach Walhausen, wo Inge Gerber wohnte, die an diesem Tag ihren achtzigsten Geburtstag feierte.

    Zufrieden wanderte er durch den sanft fallenden Schnee und nahm sich wieder einmal vor, das Auto häufiger stehen zu lassen. Die Pfarrer früher, von denen die alten Leute gerne erzählten, hatten doch wirklich eine geruhsamere Arbeit gehabt! Allerdings hatten sie auch den größten Teil der Gemeindeglieder zu Gesicht bekommen, wenn sie zu Fuß durch die Dörfer gingen.

    Auf dem Wirtschaftsweg blieb er kurz stehen; von hier aus konnte er Flemhausen und Enckelshausen gut überblicken. Immer wieder waren in den letzten Jahren Neubaugebiete ausgewiesen und rasch bebaut worden. In den großen Häusern, die noch sehr nackt in den gerade erst angelegten Gärten lagen, würde er um diese Uhrzeit nur vereinzelte Mütter mit kleinen Kindern antreffen oder ältere Leute, die ihre alten Bauernhäuser im Ortskern verlassen hatten und zu ihren Kindern gezogen waren.

    Walhausen auf der anderen Seite des kleinen Höhenzugs war eines der kleineren Dörfer der Kirchengemeinde; es machte noch einen recht geschlossenen Eindruck und besaß nur einzelne Neubauten. In einem der alten Höfe wohnte Inge Gerber. Die Wirtschaftsgebäude standen schon lange leer und das Wohnhaus musste dringend renoviert werden. Die alte Dame hatte hier bis vor kurzem alleine gewohnt, nachdem ihre gleichfalls verwitwete Schwägerin vor einigen Jahren gestorben war. Jetzt war einer ihrer Söhne wieder zu ihr gezogen und schien die Renovierung des Anwesens ernsthaft in Angriff nehmen zu wollen. Held erinnerte sich, dass sie vor vielen Jahren eine ihrer Töchter verloren hatte; ihr Foto hing im Wohnzimmer.

    Er drückte auf die Klingel, die offenbar gerade erst installiert worden war; das letzte Mal hatte er noch kräftig geklopft und war dann einfach eingetreten. Eine Frau mittleren Alters öffnete ihm mit einer Platte belegter Brote in der Hand, stellte sich als Tochter der Jubilarin vor und führte ihn in das bereits überfüllte Wohnzimmer, wo ihre Mutter in einer fröhlichen Runde anderer alter Frauen und Männer aus dem Dorf saß. Auf dem Tisch standen dicht gedrängt Gläser. Der kürzlich zugezogene Sohn und der Schwiegersohn schenkten fleißig Wein, Sekt, Schnaps und in seltenen Fällen Mineralwasser nach.

    Held gratulierte der alten Dame und wünschte ihr Segen und Gesundheit, was aus der Runde mit dem Ruf „Ja, Hauptsache gesund! quittiert wurde. Inge Gerber bedankte sich lächelnd und sagte: „Man muss zufriede sinn! Man muss et hole, wie et kimmt, un zufriede sinn! Jetzt, wo der Rolf ja hier is!

    Glücklich betrachtete sie ihren Sohn, der antwortete: „Gell, Mudder, jetzt bringen wir hier mal alles auf Vordermann! – Morje, Herr Pfarrer! Jetzt sagen Sie bloß, Sie sind zu Fuß hier runter!"

    Der Pfarrer bekam einen Stuhl neben das Geburtstagskind hingestellt, wehrte freundlich, aber bestimmt alkoholische Getränke ab – „Sie sind doch zu Fuß hier, Herr Pfarrer, da könne Sie doch was trinke! – „Trinkt Wasser wie das liebe Vieh! – „Sie müsse doch wieder hoch – da muss man doch was im Bauch haben, was wärmt! –, gab jedoch den lauen Widerstand gegen die belegten Brote bald auf – „So, jetzt greife Sie aber wenigstens zu! – und beantwortete einige gutmütig spöttische Bemerkungen zu seinem Fußmarsch, dann begann er ein Gespräch mit Inge Gerber, das jedoch gleich durch einen Telefonanruf unterbrochen wurde. „Dat war dat Sauersch Hiltrud von Ohlwiller, informierte ihn die glückliche Jubilarin hinterher, „mir zwo, mir sind zusamm’ zur Schul gang’! Eich sinn ja von Biebere, und dat Hiltrud aach. Dann honn eich nach Flemese geheirat’ und zwo Woche später hot dat Hiltrud nach Ohlwiller geheirat’. Da hätte mir aach gleich zusamme feiere könne. Dat war ja noch die schlecht’ Zeit! Neunzehnhunnertdreiundfuffzich war dat. Danach is et ja langsam besser wor’. Aber wat honn mir müsse schaffe! Dat könne die junge Leit sich heut gar nimmie vorstelle! – Und jetzt is meine Richard schon so lang tot. Mir hätte ja Goldhochzeit habe könne, jetzt hätte mir schon fast bald Diamanthochzeit, aber er hot ja so früh sterbe müsse. Ich sag immer, der hot dat nit verwunde mit ’m Martina. Dat dat tot war und war noch so jung, dat hot ihm dat Herz gebroch’! Obwohl er ja noch mehr wie zehn Jahr gelebt hot danach. Trotzdem. Wenn der Mann stirbt, dat is schon schlimm. Aber wenn ein Kind vor einem geht, dat is einfach gegen die Natur, dat wird nie wieder gut! Und nun honn eich sie beide verlor’, der Mann und dat Kind. – Na ja, dat is alles lang her. Und eich honn ja noch drei liebe Kinder! Dat Sabine hier, dat lebt ja in Stuttgart; und der Gernot in Wiesbaden – die komme nachher auch noch! Ja, und der Rolf, der ist jetzt wieder bei mich komm’. Ach, Sie wisse ja, wie dat heut is mit dene junge Leut: die Eh’ hot nit gehall’, für ihn is et schon dat zwote Mol, er war so glücklich nach dieser schlimme Zeit damals, seine erste Frau, die hat ja die Kinn’ behall’, er durft sie gar nimmie sehn, diesmal habe sie ja wenigstens kei Kinn’…

    „Mutter, das will der Herr Pfarrer alles gar nicht so genau wissen!, unterbrach ihr Sohn sie lächelnd, aber mit Nachdruck. „Das kennt der bestimmt rauf und runter aus so vielen anderen Familien! – Mal was ganz anderes, Herr Pfarrer: Haben Sie hier eigentlich einen Kirchenchor? Michael Held bestätigte, dass es einen Chor gebe, den der Organist, der pensionierte Lehrer Wehmeyer, leite. „Ach, der alte Wehmeyer macht das noch? Bei dem sind wir ja alle in die Schule gegangen! Das war ja damals so: eine Schulklasse für alle Kinder im Dorf. Wir haben ja damals noch in Flemhausen gewohnt, bis der Vater gestorben ist und wir dann nach und nach alle aus dem Haus sind. Unser Onkel ist dann auch gestorben und da ist die Mutter nach Walhausen zur Tante. Ich wusste jetzt sowieso erst einmal nicht recht, wo ich hinsollte; da hab ich mir gedacht: Lässt du die Mutter nicht ganz allein in dem Riesenhaus! Inge Gerber nickte glücklich. „Aber Sie müssen wissen, ich hab immer gerne im Chor gesungen. Aber lieber im gemischten Chor als im Männerchor. Im Männergesangverein haben sie mich auch schon angeworben. Mal sehen, wie ich Zeit hab.

    Held sagte, dass er seit einiger Zeit selbst in dem Chor mitsinge, dass sie aber dringend Verstärkung bei den Männerstimmen bräuchten. „Dasselbe wie überall!", lachte Gerber. Seine offene Art war dem

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