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Böfflamord: 29 Krimis und Rezepte aus Niederbayern
Böfflamord: 29 Krimis und Rezepte aus Niederbayern
Böfflamord: 29 Krimis und Rezepte aus Niederbayern
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Böfflamord: 29 Krimis und Rezepte aus Niederbayern

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About this ebook

Erdäpfelkas, Böfflamott, Gwichste und saurer Gickerl – Niederbayern hat nicht nur eine wunderschöne Landschaft, sondern auch schmackhafte Spezialitäten zu bieten. Eine Region in Bayern, die so richtig zum Wohlfühlen und Urlauben einlädt. Wenn nur nicht die Mordlust wäre!
Die Krimiautorin Ingrid Werner hat Kolleginnen und Kollegen dazu angestiftet, die kriminellen Energien Niederbayerns aufzuspüren. In 29 skurril-heiteren, abgründigen und spannungsgeladenen Geschichten wird betrogen, verraten und gemordet, garniert mit köstlichen Rezepten aus der Region.
Mit dabei sind: Janet Clark, Doris Fürk-Hochradl, Lisa Graf-Riemann, Gesine Hirtler-Rieger, Nicole Neubauer, Ottmar Neuburger, Manuela Obermeier, Edith Anna Polkehn, Regina Ramstetter, Dagmar Isabell Schmidbauer, Lothar Wandtner und Ingrid Werner.
An Guadn!

LanguageDeutsch
Release dateJul 19, 2016
ISBN9783954286416
Böfflamord: 29 Krimis und Rezepte aus Niederbayern

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    Book preview

    Böfflamord - Edith Anna Polkehn

    II

    Rezepte

    Niederbayerischer Kartoffelsterz

    Hasenöhrl

    Gwichste

    Auszogne (Kiachln, Bauernkrapfen) süß

    Donis Datschi

    Liwanzen

    Erdäpfelkas

    Ente mit Blaukraut und Reiberknödeln

    Rahmschwammerl mit Semmelknödeln

    Rahmwirsing mit Speck und Mandeln

    Saurer Gickerl

    Rohrnudeln

    Aufgeschmalzene Brotsuppe

    Brennnesselsuppe

    Derfaulte Erdäpfel

    Dampfnudeln

    Krautwickel

    Deggendorfer Knödel

    Reiberdatschi

    »Friede-Freude-Quittengose«

    Kalbstafelspitz mit Petersilien-Meerrettich-Pesto und Wurzelgemüse

    Maitaschen (Erdäpfelzelten)

    Surhaxn

    Böfflamott (Boeuf à la mode)

    Pichelsteiner Eintopf

    Kartoffelnudeln

    Schweiners

    Weiße Steinhauer-Brezen

    Leberknödel

    Maria hilf

    Passau

    Lisa Graf-Riemann

    Geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.

    Er sitzt … er sitzt …

    zur Rechten … natürlich zur Rechten, wo denn sonst, zur Linken vielleicht …

    Gottes … und …

    von dort wird Er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube … ja, Sackl Zement ...

    Simon hat es sich nicht so schwierig vorgestellt. Er hat sich alles ganz genau angeschaut zu Hause. Hat sich sogar eine Anleitung im Internet herausgesucht und ausgedruckt. Jetzt hat er schon zum dritten Mal auf seinen Spickzettel schauen müssen. So wird das nichts mit der Besinnung und dem religiösen Eifer. Die ganze Ernsthaftigkeit, mit der er hier antreten wollte, geht zum T… Ja, kr…türken! Das kann doch nicht so schwer sein.

    Er hebt den Blick nach oben. Ungefähr dreihundert Stufen hat er jetzt noch vor sich. Ja, wird das denn gar nicht weniger? Dabei tun ihm jetzt schon die Knie weh, als hätte er ein ganzes Schwimmbad gefliest oder einen Garten in Selbstversorgergröße gejätet. Er dreht den Oberkörper und schaut nach unten. Der Abstand zu den zwei alten Ladys, die nach ihm gekommen sind und eigentlich ziemlich gebrechlich ausgesehen haben, als sie sich hinknieten, schrumpft zusammen. Körperlich ist er ihnen überlegen, aber geistlich sind sie natürlich fitter als er. Sie üben bestimmt das ganze Jahr und dann läuft das wie am Schnürchen. Dagegen hat so ein Newcomer wie er keine Chance.

    Er hat die eine Hälfte vergessen und die andere Hälfte verloren. Seinen Rosenkranz zum Beispiel, den er zur Kommunion, oder wars zur Firmung, geschenkt bekommen hat. Immer ist die Schachtel davon irgendwo herumgelegen, aber jetzt, wo er ihn gebraucht hätte, war er weg und nicht mehr zu finden. Im Domladen hat er sich glatt einen neuen kaufen müssen. Er hat sich kaum entscheiden können bei dem riesigen Angebot, und hat erst den einen in die Hand genommen, dann den anderen. Die Verkäuferin hat ihn noch belehrt, dass die fei alle genau 59 Perlen und ein Kreuz haben, einer wie der andere. So schnippisch war dieses Weib. Jetzt ist die Alte hinter ihm schon wieder eine Stufe näher aufgerückt. Und er weiß gar nicht mehr, wo er stehen geblieben ist. Auch diese Konzentration musst du ja erst einmal aufbringen können. Außer den dreihunderteinundzwanzig Stufen vor und das leise Rosenkranzgemurmel um dich herum hast du ja hier praktisch keine Ablenkung.

    Ich glaube an den Heiligen Geist,

    die heilige katholische Kirche,

    das wirst doch jetzt noch schaffen, jetzt konzentrier dich gefälligst! Bei der Oma ist bald das Essen fertig und Hunger krieg ich langsam auch.

    »Griaß di, Alois. Du sag amoi, hast du den Simon gsehn? Hockt der vielleicht noch bei dir in der Wirtschaft?«

    »Na, den Simmerl hab ich heut noch gar ned gsehn. Kommt der ned am Dienstag immer zu dir zum Essen?«

    »Ja scho, aber heut hat er noch nix hören lassen, der Bua.«

    »Kannst ihn ned anrufen?«

    »Des hob i ja scho gmacht, aber der rührt sich ned. Is vui los bei eich?«

    »Ja, der Ladn is voll, deswegen muss i jetzt wieder auflegn, Mari, gell?«

    »Ja, is scho recht, Alois. Und wenn da Simon auftaucht, dann schickst ihn zu mir.«

    »Was gibts denn heut bei dir? Hast wieder recht gut kocht?«

    »An Kartoffelsterz hat sich der Simon gwünscht. Er sagt, den hat er schon zehn Jahr nimmer gessen.«

    »Is des was Niederbayerisches?«, fragt der Alois, Küchenchef im Gasthaus Fünferlsteg. Heute heißt die Fußgängerbrücke hinüber in die Innstadt offiziell Innsteg. Bis in die 70er-Jahre musste man eine Fußgängermaut von fünf, später zehn Pfennigen bezahlen für den Übertritt. Daher der Name, der dem Steg bei vielen Einheimischen bis heute geblieben ist.

    »Ja freilich. Dahoam im Bayerischen Woid hats oft an Sterz geben, aus kochten Kartoffeln.«

    »Und was gibts da dazu?«, will der Alois wissen.

    »A Sauerkraut und a kochts Ripperlfleisch.«

    »Des musst für mich auch amal machen, gell? Jetzt pfiat di, Mari, ich muss hier weitertun, gell?«

    »Ja, is scho recht. Pfiat di. Wenn nur da Simon bald kemmad.«

    Neunundfünfzig Perlen. Wie viele hab ich denn jetzt schon? Was, so wenige? Das sind ja immer noch, Moment amal, des sind ja jetzt noch, ja genau, immer noch fünfundvierzig.

    Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,

    der Herr ist mit dir.

    Du bist gebenedeit unter den Frauen …

    Hat des früher nicht Weiber gheißen? Weiber, nicht Frauen. Aber so stehts da auf dem Zettel. Is ja egal, wie. Hauptsach, ich komm jetzt amal voran mit den Perlen. Ich mein, vielleicht könnt ma auch mal was weglassn, des wird ja auch ned gleich so schlimm sein. Oder gilt dann der ganze Rosenkranz nix, wenn ma da was auslasst?

    … und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus ...

    Ja, was ist jetzt des wieder? Hier wird das jeweilige Geheimnis eingefügt. Ja, und was is jetzt des für ein Geheimnis? Ui, ui, ui. Da wennst ned von klein auf aufpasst hast. Des is schon was Verrecktes. Ich lass jetzt des Geheimnis einfach aus. Bis ich des find, ist des alte Weiberl auch schon auf meiner Stufe heroben.

    ... Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

    »Was is denn, Mari? Is der Simmerl immer no ned da?«

    »Na, nix. Jetzt wird mein schönes Essen kalt.«

    »Da kann ich jetzt auch nix machen.«

    »Hast du des mitkriegt, Aloisi, dass s’ bei uns in der Innstadt einen umbracht ham?«

    »Ja freilich, des war doch der, den s’ auf der Innbrückn gfunden ham, mitten in der Nacht. Ich hab den ned kennt. Aber des is doch schon wieder zwei Monat her. Hams den Täter jetzt gfunden?«

    »Na, immer noch ned. Die Kriminaler tappen immer noch im Dunkeln, weißt eh. Mit ihrer ganzen Kriminaltechnik und Computer und allem Zeug. Und wo sind s’? Immer noch im Dunkeln.«

    »Ja, dann musst ihnen halt du helfen, Mari. Hättst ja Zeit an ganzn Tag. Und kennen tust auch an jeden drübn in da Innstadt. Wie lang lebst du jetzt schon da?«

    »Sechsundvierzig Jahr«, sagt Maria Elisabeth Burger, genannt Mari. Nicht Marie, sondern Mári, mit Betonung auf dem a. Und dabei ist sie erst mit dreißig in die Innstadt gezogen, nachdem ihr Mann verstorben und sie Witwe geworden war. Sie hatte eine Stelle bei der Verwaltung des Innstadtfriedhofs bekommen. Eine sichere Lebensstellung. Nicht im Büro, sondern draußen, an der frischen Luft, Sommer wie Winter. Mit den Toten hat sie dabei eigentlich nicht direkt etwas zu tun gehabt, nur mit den Lebenden, die noch gewisse Bedürfnisse haben. Maria Elisabeth Burger war die Toilettendame am Innstadtfriedhof. Sie selbst bezeichnete ihren Beruf aber stets ohne Umschweife als Klofrau. Weil ihr bei ihrer Tätigkeit oft langweilig war – wenn das Wetter schlecht war, Nässe, Kälte, schneidender Wind, Schneegestöber, das hielt immer viele Besucher davon ab, ihre lieben Verstorbenen aufzusuchen – begann sie eine Wellensittichzucht. Ihre halbe Wohnung war eine Vogelvoliere. Wellensittiche hatte die Mari bald so viele, dass sie die jungen Sittiche verkaufte. Der Nachwuchs wurde jeweils in einer Kleinanzeige in der Passauer Neuen Presse annonciert. Um die Jungvögel handzahm zu machen, trug Mari sie in den Schürzentaschen mit sich herum. Es war in der ganzen Stadt bekannt, dass die Klofrau am Innstadtfriedhof nur brave Vögel abzugeben hatte.

    »Sechsundvierzig Jahr!« Der Alois Zitzelsberger pfeift durch die Zähne. »A lange Zeit!«

    »Und was da Leut gstorben sind in der Zeit! Aber, ich sag dir eins, Alois. Der vor zwei Monat, des war des bisher einzige Mordopfer, des ich in all den Jahren erlebt hab. Und dann ist es auch noch eines, von dem man den Namen des Mörders nicht kennt. Jetzt stell dir mal vor, der lebt ja vielleicht noch hier mitten unter uns! Ja, das ist doch möglich, oder nicht? Der kann ja neben mir an der Edeka-Kasse stehen, drüben in der Kapuzinerstraße. Oder bei der Norma. Hoffentlich ist des kein Serienmörder.«

    »Ein Serienmörder in der Innstadt.« Der Zitzelsberger Alois lacht die Mari aus.

    »Du wart nur. Wenn der noch einen packt, dann vergeht dir dein Lachen.«

    »Ja, du, ich muss jetzt weitertun mit dem Essen. Sind grad neue Gäste kommen, gell?«

    »Ja, is scho recht. Wird doch dem Simon nix passiert sein?«

    »Wegen dem Mörder, meinst? Geh Schmarrn. Es ist doch helllichter Tag und der Simon is doch kein Krischperl. Vielleicht hat er ein Pantscherl. Weißt du da was?«

    »Ich? Ich denk, der hängt immer noch an der Christine.«

    »Sind die zwei wieder zsamm?« Als die zwei beim letzten Mal bei ihm im Lokal waren, zusammen, da ist die Christine noch vor der Nachspeise aufgestanden und gegangen, und der Simon hat den ganzen Kaiserschmarrn, der für zwei Personen war, allein aufessen müssen. Aber er hats gschafft.

    »Ja, ich weiß es ned. Sicher is des ned. Aber ich glaub, der Simon möcht schon gern wieder mit ihr. Na, ich misch mich da nicht ein. Also, dann pfiat di, gell?«

    »Pfiat di, Mari.«

    Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

    Das Ehre sei dem Vater ist der Teil des Rosenkranzes, den der Simon ganz ohne zu stocken hinbekommt. Er murmelt jetzt genauso vor sich hin wie die alten Weiblein, die ihm auf den Fersen sind und von denen eine ihn bereits eingeholt hat. Immer gehts um schneller, höher, weiter, denkt der Simon. Sogar beim Rosenkranzbeten. Er schätzt, dass er jetzt ungefähr auf halber Höhe ist. Das wären dann, Moment, 321 geteilt durch 2 sind 160 oder 161 Stufen. Gut, dass die Stiege überdacht ist. Dann wird man wenigstens nicht nass und man kann nicht dauernd hinunterschauen auf den Inn und den Schaiblingsturm, die Türme der Jesuitenkirche und des Stephansdoms und die Ortsspitze, wo Inn und Donau zusammenlaufen. Zweifärbig ist die Donau dann ein ganzes Stück, die eine Seite grün vom Inn, die andere braun von der Donau, aber das Grün aus dem Inn überschwemmt die viel tiefere Donau und dringt in ihr Wasser ein.

    Das alles kann man von der umhausten Stiege gar nicht sehen. Der Simon stellt es sich nur vor, was er jetzt sehen würde, wenn er etwas sehen könnte. Auf welche Ideen man beim Rosenkranzbeten kommt. Im Kopf jagt ein Gedanke den nächsten und die Lippen murmeln weiter die Gebete, die, so hofft der Simon, zu den Perlen passen, die durch seine kräftige Männerhand mit den kurzen dicken Fingern gleiten. Jetzt ist er in Gedanken bei der Christine. Sie hat so geweint, richtig geschüttelt hat es sie. Schwarze Bäche sind ihr übers Gesicht gelaufen, weil sie ja nie ohne ihr halbes Pfund Wimperntusche aus dem Haus geht. Nur, dass sie nicht wasserfest ist. Das war ihr alles egal, so fertig war sie. Aber sie hat sich von ihm in den Arm nehmen und trösten lassen, und das war mehr, als er sich selbst erhofft hat. Er hat gedacht, sie wird mehr Zeit brauchen. Lass mich in Ruh, ich brauch mehr Zeit für mich, das hat sie doch damals auch zu ihm gesagt, und dann war plötzlich er da, der andere, und für den hat sie dann doch Zeit gehabt. Das war so schlimm für den Simon. Richtig aus der Bahn hat ihn das geworfen. Er wollte ihr nicht nachspionieren, wirklich nicht. Aber plötzlich ist er hinter dem Bus hergefahren, in den sie eingestiegen war. Das kommt von dieser blöden Arbeitslosigkeit, da hast du einfach den ganzen Tag lang Zeit für sowas. Nächsten Monat fängt er in der Zahnradfabrik an. Dann ist es vorbei mit dem Spionieren, wobei, das hat sich jetzt eh aufgehört. Weil, die Christine ist ja jetzt wieder solo, und im Moment schaut es gar nicht so schlecht aus für ihn. Schön war das, als sie sich an ihn gedrückt hat. Ganz warm ist ihm dabei geworden.

    Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

    Die Wände hängen voller Gnadenbilder, auch die schwarze Madonna aus Altötting ist darunter. Zwischen den Bildern hölzerne Rosenkränze mit Perlen groß wie Schusser. Und oben sieht der Simon schon das Licht. Nur noch zehn Perlen, zehn gegrüßet seist du Maria. Bald ist es vorbei.

    »Ja, wo bleibst denn so lang, Bub? Lasst deine Oma einfach mit dem Essen stehen und rührst dich nicht! Wo warst denn bloß?« Mari hat sich Sorgen gemacht und noch ein drittes Mal beim Alois angerufen. Aber der hat gar keine Zeit mehr gehabt zum Ratschen, denn sie haben eine Bewerbung gehabt und dafür hat er sich Zeit nehmen müssen. Ohne gutes Personal kannst du heutzutage einpacken, sagt der Alois.

    »Und deinen Mobilfunk hast auch nicht eingeschaltet ghabt«, beschwert die Mari sich.

    »Was gibts zum Essen?«, fragt der Simon. »Mei, hab ich an Hunger!«

    »Den Kartoffelsterz, den du wollen hast. Ich mach ihn jetzt nochmal warm. Und die Ripperl leg ich gleich ins Sauerkraut zum Aufwärmen. Wo bist denn gwesen?«

    »Des glaubst du mir ned, wenn ich dir des erzähl, Oma.«

    »So? Warum denn ned?«

    »In Mariahilf war ich.« Simon zieht zum Beweis seinen Rosenkranz aus der Hosentasche. »Auf den Knien von ganz unten bis ganz oben.« Der Stolz blitzt ihm aus den Augen.

    »Ja, Bub, was ist denn mit dir los? Des hast du ja noch nie gmacht. Weißt du überhaupt, wie des geht?« Mari gibt noch ein Stück Schmalz in die Pfanne, damit der Sterz schön saftig wird, und wendet ihn mit dem Holzlöffel.

    »Weißt, Oma, ich hab mir des vorgenommen, wie ein Gelübde«, sagt der Simon. »Wenn die Christine wieder zrückkommt zu mir.«

    »Du hast doch gsagt, die Christine hat einen andern«, sagt die Mari und schaltet zum Stromsparen die Herdplatten aus.

    »Den andern gibts nimmer«, sagt der Simon und zieht den Duft von dem dampfenden Sauerkraut und dem Sterz ein, der schön braun und resch gebraten ist.

    »Ach so, dann ist der dahin«, murmelt die Mari. »Du, hast du ghört, dass sie jetzt wegen dem Toten auf der Innbrücke eine Reihenuntersuchung machen wollen? Grad haben sies im Radio durchgsagt. Bei uns in der Innstadt fangen s’ an. DNA oder wie des heißt.«

    »Was?«, fragt der Simon, »wann denn?«

    »Ja, heut noch. Die werden bald da sein, weil ich sie vorhin schon ghört hab, wie sie vorne bei der Verwaltung klingelt ham.« Die Mari nimmt die Ripperl aus dem Sauerkraut und schneidet sie mit einem scharfen Messer auseinander, damit der Simon sie einzeln in die Hand nehmen und abnagen kann, so wie er es immer schon gern gemacht hat. Als sie sie fertig zerteilt hat, will sie dem Simon das Fleisch auftragen. Aber der Simon sitzt nicht mehr auf seinem Stuhl. Am Tisch liegt noch sein Rosenkranz. Ein billiger Tand aus dem Souvenirladen, denkt die Mari, bestimmt nicht der, den er von seinem Firmpaten, dem Onkel Sepp, bekommen hat. Sie ruft nach ihm, klopft an die Badtür, aber da ist er auch nicht. Das schöne Essen, denkt sie. Und das gute Schmalz, das sie verbraten hat. Mit dem Simon stimmt doch was nicht. Irgendwas passt nicht mehr mit dem Buben. Sie mischt sich da ja nicht ein, aber in letzter Zeit wird er immer komischer. Vielleicht ist es, weil er keine Arbeit hat, oder es hat mit der Christine zu tun. Das Mädel spielt doch Katz und Maus mit dem Buben. Einmal will sie ihn, dann wieder nicht. Dann hat sie einen andern und dann gibts den nicht mehr und sie kommt doch wieder zum Simon. Bis der nächste daherkommt.

    Schließlich setzt Mari sich an den Tisch und isst von Simons Teller. Schad um das gute Essen. Sie probiert grad den ersten Bissen Sterz, als es klingelt. Es ist nicht der Simon, sondern ein Pärchen Polizisten, eine Frau und ein Mann, beide blutjung. Von der Mari brauchen sie keine DNA, sagen sie. Ob noch jemand anderer hier wohnt. »Früher bis zu siebenundsechzig Wellensittiche, aber jetzt bin ich wieder allein hier. Ist auch ruhiger«, antwortet Mari.

    Die beiden Polizisten müssen auch gleich weiter. Das sei die erste Reihenuntersuchung in Passau, sagen sie, und sie hätten noch viel vor sich. Aber irgendwo müsse er ja stecken, der Mörder von dem jungen Mann auf der Brücke. Wenn er noch hier in Passau sei, dann würden sie ihn kriegen. Todsicher.

    Niederbayerischer Kartoffelsterz

    Zutaten:

    1 kg mehlige Kartoffeln

    ca. 200 g Mehl, evtl. etwas mehr

    2 Eier

    1 EL Salz

    80 g Schmalz oder anderes Fett bzw. Öl zum Ausbacken

    Zubereitung:

    Die geschälten Kartoffeln im Salzwasser kochen und noch heiß durch die Kartoffelpresse drücken. Kalt werden lassen. Am besten über Nacht stehen lassen und am nächsten Tag weiterverarbeiten.

    Die Kartoffeln salzen, mit Mehl bestreuen und die Eier dazugeben. Alles mit den Händen locker vermischen. Es entsteht eine bröselige Masse, als würde man Streusel für einen Kuchen machen. Evtl. etwas mehr Mehl zugeben, wenn die Masse zu feucht ist.

    In einer (Edelstahl-)Pfanne das Butterschmalz erhitzen und die Kartoffelmasse darin anbraten, bis sich eine braune Kruste bildet. Mit einem Pfannenwender durchmischen und dabei noch zerkleinern. Braten, bis er goldgelb bis braun und bröselig ist.

    Man kann den Sterz wie eine Mehlspeise mit Apfelmus, Zwetschgen- oder anderem Kompott servieren. Wenn man es deftig mag, gibt es Sauerkraut zum Sterz. Man kann ihn auch als Beilage zu Fleisch servieren. Anderswo, z. B. in Oberbayern, heißt der Sterz Schmarrn.

    Griesbacher Familiengeschichten

    Bad Griesbach

    Ingrid Werner

    Wenn man beim Brummer im Café sitzt und aus dem Fenster schaut, dann hat man den Stadtplatz gut im Blick. Ohne dass man selber gleich gesehen wird. Das ist praktisch. Deshalb hab ich mich auch heute wieder an dem kleinen Tisch häuslich eingerichtet. Eine Portion Kaffee steht vor mir und ein Hasenöhrl. Ich bestelle immer nur Hasenöhrl, weil, die mach ich für mich selber nicht. Aber es gibt sie hier nicht jeden Tag. Leider. Es muss auch eine Abwechslung im Sortiment sein, hat mir die Bedienung erklärt. Wegen meiner müssten sie nichts abwechseln. Etwas Gutes soll man nicht ändern. Finde ich zumindest. Ist eh schon genug anders geworden in den letzten Jahren. Da kommt man als alter Mensch schon fast nicht mehr mit. Den Stadtplatz haben sie umgebaut. Schief ist er jetzt. Und einen blauen Brunnen haben sie aufgestellt, einen modernen. Aber wenigstens die Rotbuche steht noch an ihrem Fleck. Auch wenn sie einer mal meucheln wollte. Hat er aber nicht geschafft. Sie lebt immer noch. Gott sei Dank! Wie einer drauf kommen kann, einem so schönen großen Baum einfach die Rinde rundherum aufzuschneiden, weiß ich wirklich nicht. Sogar der Staatssekretär war damals da und hat sich das angeschaut. Wahrscheinlich war der Baumverhunzer derselbe, der auch dem Bürgermeister immer seinen BMW verkratzt. Leute gibt’s! Aber ich kümmer mich nicht drum. Um die Leut.

    Also normalerweise. Aber seit letztem Dienstag beschatte ich einen. Ja, wirklich. Und ich stell mich nicht blöd dabei an. Er hat nämlich noch nichts gemerkt davon.

    Jetzt sitzt er da vorn. Auf dem Stadtplatz auf einer Bank. Er nimmt immer die erste Bank von links, von mir aus gesehen. Er kommt um halb zehn von unten, von der Apotheke, schlurft hoch an der Kurverwaltung vorbei, schaut sich in den Schaukästen die Plakate an und setzt sich dann auf die Bank. Da brauch ich mich gar nicht anstrengen, das seh ich alles ganz deutlich hier von meinem Ausguck aus. Da sitzt er dann und liest die PNP. Auf jeden Fall tut er so. Denn mich kann er nicht täuschen. Ich weiß ganz genau, was er da macht. Er wartet.

    Ich warte auch. Beiß daweil von meinem Hasenöhrl ab, wisch mir den Puderzucker von der Blusn und trink einen Schluck Kaffee. Die machen hier einen guten Kaffee. Da kann man sich nicht beschweren. Und das Hasenöhrl schmeckt auch beinah so gut wie früher daheim.

    Er hat immer die gleiche dunkelgrüne Jackn an und braune Hosn. Seine grauen Haare sind hinten zu lang, die liegen auf dem Kragen auf. Dafür ist er oben blattert und kämmt sich die Haare über die Glatzn. So einer ist das. Meint, man merkt nicht, wenn er was verheimlicht. Ja. Aber da hat er sich verrechnet. Wenigstens bei mir.

    Er hat die Zeitung aufgeschlagen und linst dadrüber hinweg quer über den Springbrunnen zu dem Kleidergeschäft. Das gibt’s noch nicht so lang. Vorher war da der Jedermann drin, eine Kneipn. Daneben ein Teeladen, der jetzt leer steht. Noch viel früher gab’s ein Filmtheater in dem Haus. Da haben wir uns für ein paar Mark die neusten Filme angeschaut gehabt. Aber dann hat’s brennt und aus war’s mit dem Kino. Schade. Sehr schade.

    Auf jeden Fall beobachtet er das Geschäft mit den modernen Klamotten. Für mich ist das ja nichts mehr, aber die Jüngeren, die gehen da ganz gern rein.

    In dem Kleidergeschäft arbeitet seit ein paar Wochen die Franzi. Das ist meine Nichte. Die Tochter von meiner Schwester Hilde, Gott hab sie selig. Vierzehn Jahre jünger als ich, aber schon tot. So kann’s gehen manchmal. Seit die Hilde nicht mehr ist, hab ich mich um das Mädel gekümmert. Hab ja selbst keine eigenen Kinder gehabt. Woher auch?

    Ja, die Hilde ist letztes Jahr an Krebs verstorben, und weil der Vater von der Franzi sich schon lang aus dem Staub gemacht hat, schon damals vor der Geburt von dem armen Wurm, hab ich sie bei mir aufgenommen. Sie ist zwar schon neunzehn, aber ein braves Kind. Die Lehre als Verkäuferin hat sie nicht geschafft, aber da kann sie nichts dafür. Nicht jeder ist für so viel Lernen geschaffen. Und in unserer Familie, da haben wir’s nicht so mit dem Studieren. Dafür können wir arbeiten. Und fleißig ist die Franzi. Sie hat jetzt eine Arbeit in dem Kleidergeschäft gekriegt. So einen 400-Euro-Job oder wie man da sagt. Gutes Geld. Auf jeden Fall mehr als wie meine Rente. Und dann geht sie noch putzen. So nebenher. Das Geld liefert sie bei mir ab. Weil sie ja auch umsonst wohnt bei mir und isst. Die Wäsche wasch ich ihr auch. Und natürlich geb ich ihr ein Taschengeld.

    Einmal im Monat geht sie mit ihrer Freundin tanzen. Im Haslinger. Also nicht bei

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