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Unfriedliche Kleinseligkeit: Provinzkrimi Österreich
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Unfriedliche Kleinseligkeit: Provinzkrimi Österreich

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About this ebook

Drei Buben finden auf einer Waldlichtung im beschaulichen Pinzgau eine nackte Frauenleiche, die vergiftet, in der Jesus-am-Kreuz-Position und mit einem seltsamen Kratzer auf der Brust am Waldboden liegt. Die Einwohner des geruhsamen Dörfchens fragen sich, wie so etwas nur in ihrem Ort passieren kann. Dieser Frage geht der Bröch - seines Zeichens Polizeikommandant des Ortes - nach. Der Bröch hatte in seiner Laufbahn schon öfters mit Morden zu tun gehabt, da er früher in Wien stationiert war und erst durch eine zerbrochene Liebe den Weg in den Pinzgau gefunden hatte. In diesem Fall ist er jedoch ratlos. Keine Spur, keine Verdächtigen, keine Motive. Lange hat er aber nicht Zeit um zu verzweifeln, denn schon kurze Zeit später taucht die nächste Leiche auf. Auch sie wurde vergiftet und hat diesen komischen Kratzer auf der Brust.

LanguageDeutsch
Release dateJun 30, 2015
ISBN9783903092075
Unfriedliche Kleinseligkeit: Provinzkrimi Österreich

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    Book preview

    Unfriedliche Kleinseligkeit - Stephan Forster

    PMPC

    1. Kapitel

    Als der große Schrecken in dem beschaulichen Ort am Fuße des Sonnbergs begann, ahnte noch niemand, wie sich das Dorf in den nächsten Wochen verändern würde. Aber als dann die Ersten von der gefundenen Leiche erfuhren, dauerte es nur wenige Stunden, bis jeder davon wusste. In einem kleinen Dorf ist das nun mal so. Neuigkeiten verbreiten sich in Windeseile.

    Vielleicht lag es auch genau an dieser Geschwindigkeit, mit der die Nachricht sich verbreitete, oder vielleicht waren die Uttendorfer auch einfach nur besonders fantasievoll, aber jeder gab die Geschichte dann ein wenig anders wieder, und so kam es, dass man am Anfang noch ausschließlich von einer Toten erzählte, es sich später schon um eine nackte Leiche handelte, der Nächste schon von Vergewaltigung sprach, wieder der Nächste erzählte, dass sie an einen Baum gefesselt war, und am Ende machte sogar das Gerücht die Runde, dass es sich um einen Ritualmord handelte. Was aber wirklich passiert war, das wussten anfangs nur eine Handvoll Leute. Es fand weder eine Vergewaltigung statt, noch wurde jemand an einen Baum gefesselt. Aber wie das mit Gerüchten oft so ist, der Kern der Geschichte war schon richtig. Man hatte im Wald eine nackte Frauenleiche gefunden.

    Einer der Ersteren, der von der sensationellen Neuigkeit erfuhr, war der Bröch. Er war der Polizeikommandant im Ort, und von daher war es gar nicht verwunderlich, dass er umgehend von dem Fund verständigt wurde. Es war aber schon ein wenig seltsam, dass vor dem Bröch schon mindestens fünfzehn andere Personen von dem Leichenfund wussten.

    Dass es die drei Buben, die die Leiche beim Räuber-und-Gendarm-Spielen im Wald gefunden hatten, vor dem Bröch wussten, war nicht seltsam. Auch, dass die Eltern vom Pauli, dem ältesten der drei Buben, schon vorher Bescheid wussten, war nicht verwunderlich, weil die Buben sind ja gleich zu dem Pauli seinen Eltern heimgelaufen, um von ihrer schrecklichen Entdeckung zu erzählen. Dass der Mann in der Notrufzentrale auch schon vor dem Bröch Bescheid wusste, leuchtete sowieso ein. Die Buben wussten ja nicht, dass es eine Leiche war, sondern sie haben nur erzählt, dass da eine nackte Frau im Wald liegt, und so haben die Eltern umgehend die Rettung verständigt. Die war es dann auch, die die Polizei und damit den Bröch verständigte. Dass aber vor dem Bröch schon die halbe Nachbarschaft über den Vorfall Bescheid wusste, war dann doch ein wenig seltsam. Was aber auch schnell erklärt war. Die Mutter vom Pauli ist nämlich, gleich nachdem sie die Rettung angerufen hatte, zu den Nachbarn gerannt, um sie zu informieren. Brandheiße Neuigkeiten eben. So ist das halt in einem kleinen Dorf.

    Als der Bröch zum Mordtatort fuhr – vorher wusste er natürlich noch nicht, dass er jetzt zu einem Mordtatort fährt, aber das ist ihm dann ganz schnell klar geworden – waren die Rettungsärzte schon da. Von der Hektik, die normalerweise vorherrscht, wenn Rettungsärzte und Sanitäter im Einsatz sind, war nichts zu sehen. Sie standen einfach nur da, und als der Bröch dann die tote Frau sah, wusste er auch, warum die Sanitäter und der Rettungsarzt ihrer eigentlichen Berufung nicht nachgegangen sind. Da gab es einfach nichts mehr zu retten.

    Die Leiche lag in der Mitte einer kleinen Waldlichtung. Nicht nur umrandet von jahrzehntealten Birkenbäumen und einem Dickicht aus Rosensträuchern, sondern eben auch von den Sanitätern und dem Rettungsarzt. Als der Bröch sich neben die Leiche hinkniete, um die tote Frau genauer zu begutachten, spürte er plötzlich wieder dieses Brennen in der Halsgegend. Seit Tagen plagte den Bröch ein fürchterliches Sodbrennen, aber egal, was er auch machte, es wurde einfach nicht besser. Er ließ sich aber nichts davon anmerken.

    »Als wenn sie Jesus höchstpersönlich gewesen wäre!«

    Der Bröch neigte seinen Kopf ein wenig zur Seite in Richtung des Sanitäters und schaute ihn verärgert an. So überflüssig die Meldung des Sanitäters auch war, recht hatte er ja damit. Die Lage der Leiche erinnerte schon stark an Jesus am Kreuz, und die Hände und Füße der Frau schauten auch so aus, als ob sie die Tochter eines Zimmermannes gewesen sein könnte, aber Stigmata konnte der Bröch keine erkennen, und soweit der Bröch es bis jetzt beurteilen konnte, wurde ihr auch kein Speer in die Leber gestoßen.

    Man sah da aber auch sofort, dass der Bröch nicht so viel für die Kirche übrig hatte, weil seine erste Assoziation war nicht Jesus am Kreuz, sondern eine ganz andere. Die Lage der Leiche erinnerte ihn an seine Kindheit in Wien. Mit der Zeit vergisst man ja vieles aus seiner Kindheit, aber ein paar Erinnerungen bleiben für immer. Der Bröch konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie viel Spaß es ihm damals immer gemacht hat, im Schnee zu liegen und mit den Händen und Füßen Schneeengerl in die weiße Pracht zu zeichnen. Genau wie damals der Bröch lag jetzt auch die Frau da, wobei sie sicher nicht so viel Freude verspürte wie er damals.

    Und auch wenn die tote Frau den Bröch jetzt an ein paar schöne Kindheitsmomente erinnerte, so wie sie hätte er sich da nie hingelegt, weil da waren schon unzählige Tierchen zugegen, die ein ganz anderes Interesse an der Leiche hatten als der Bröch und die anderen Leute am Tatort. Von Fliegen bis kleinen Maden war da alles vertreten, was Rang und Namen hatte. Richtig appetitlich sah das nicht gerade aus, eigentlich sogar ziemlich eklig, aber trotzdem waren diese Tierchen doch unheimlich wichtig für die Kriminalarbeit, weil einem die Maden, Fliegen, Würmer etc. wichtige Hinweise über Tatzeit und Tatort liefern konnten.

    Dass der Bröch sich da nicht dazulegen wollte, war angesichts des Insektenauflaufs nur allzu verständlich, und auch die Frau hatte sich da natürlich nicht zum Schneeengerl-Machen hingelegt. Das wäre ja auch gar möglich gewesen. Es war Hochsommer und hatte jetzt schon sicher um die 30 C°.

    Heiß war auch diese Neuigkeit vom Leichenfund und somit Gesprächsthema Nummer eins im Ort. Wenig verwunderlich. Sonst hatte die Polizei höchstens mit Diebstählen zu tun. Ein Mord war in so einem kleinen Dorf sowieso etwas Außergewöhnliches, aber dieser eben ganz besonders. Nicht nur, dass die Leiche nackt war und so hingelegt wurde wie Jesus am Kreuz, es gab noch eine weitere Seltsamkeit. Die Leiche hatte einen zirka 30 Zentimeter tiefen Kratzer auf ihrem Oberkörper, der von ihren Brüsten bis zum Bauchnabel reichte. Die Verletzung geschah postmortal, da die Wunde augenscheinlich nicht mehr geblutet hatte, aber man konnte nicht feststellen, ob die Verletzung von einem Kampf herrührte, oder ob vielleicht eines der Waldtiere schon vor den drei Buben auf die Leiche gestoßen war.

    Außer diesem Kratzer konnte man aber keinerlei Verletzungen an der Leiche feststellen. Es war nicht ersichtlich, woran die Frau gestorben war, aber allein der Fundort und die Tatsache, dass die Frau nackt war, deuteten stark auf einen gewaltsamen Tod hin.

    Jetzt sollte man meinen, dass in so einem kleinen Dorf jeder jeden kennt, also, dass der Bröch die Frau gleich erkannte, weil sie war, wie sich herausstellte, aus Uttendorf, aber er war ja noch nicht so lange im Pinzgau und hatte keine Ahnung, wer die Tote war. Es war aber kein Problem, die Identität der Frau herauszubekommen, weil der wortkluge Sanitäter von vorhin wusste, wer sie war. Das Opfer hieß Maria Gruber und wohnte, seit ihr Ehemann vor einigen Jahren gestorben ist, abgeschieden auf einem Bauernhof, den sie von ihren Eltern übernommen hatte. Der Sanitäter erzählte dem Bröch auch vom tragischen Tod ihres Ehemannes. Zuvor musste er ihm aber noch schildern, was für ein genialer Stürmer der Peter früher war. Mit dem spielte er nämlich früher in einer Mannschaft zusammen. Der Sanitäter konnte gar nicht mehr aufhören, von den Freistößen vom Peter zu schwärmen. Wichtigste Nebensache der Welt eben. Wahrscheinlich würde der Sanitäter heute noch von dem Spiel erzählen, in dem der Peter fünf Tore erzielte, wenn der Bröch ihn nicht wieder mit einem vielsagenden Blick in die Realität zurückgeholt hätte. Der Sanitäter erklärte ihm, dass die beiden ein glückliches Paar gewesen waren. Immer freundlich und gut in das Ortsleben integriert. Die Maria spielte bei der Musikkapelle Querflöte, und früher war sie bei der Landjugend dabei. Da hat sie auch den Peter kennengelernt. Die haben einfach zusammengepasst wie Pech und Schwefel, und nach drei Jahren läuteten dann auch schon die Hochzeitsglocken. Sie haben ein perfektes Leben geführt, aber halt nur bis zu dem Tag, als der Peter vom Blitz getroffen worden ist. Jetzt lernt man schon als kleines Kind, dass man sich bei einem Gewitter nicht unter Bäume stellen soll, und der Peter wusste das natürlich auch, aber der Mensch ist halt oft ein bisschen ein Ignorant, und da dachte der Peter sich wohl, dass die Wahrscheinlichkeit genauso gering ist, als dass er im Lotto den Jackpot abräumt. Beim Lotto hatte er nie wirklich Glück. Mehr als ein Dreier mit Zusatzzahl war da nie drinnen. Rein glückstechnisch gesehen, aber immer noch bei Weitem besser, als vom Blitz erschlagen zu werden. Damals im Juli vor einigen Jahren.

    »Maier«, rief der Bröch zu einem seiner Kollegen. »Sperr den Wald im Umkreis von 150 Metern ab. Ich will nicht, dass mir irgendwelche Schaulustigen den Tatort zerstören!«

    Der Maier schaute ein wenig verdutzt drein, aber der Bröch hatte doch ein wenig Erfahrung mit solchen Fällen aus seiner früheren Zeit in Wien, und er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis die ersten Schaulustigen auftauchen würden.

    »Können wir die Leiche jetzt mitnehmen?«, fragte einer der Sanitäter, aber der Bröch würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen ging er zu dem kleinen Weg, der zu der Waldlichtung führte.

    »Verdammt!«

    Irgendwie musste die Leiche ja hierhergekommen sein, und wenn man sich nicht von den Rosensträuchern zerkratzen lassen und somit der Spurensicherung ein Sammelsurium an DNA-Spuren bieten wollte, dann stellte der schmale Weg die einzige Möglichkeit dafür dar, doch auch falls es hier jemals irgendwelche Spuren gegeben haben sollte, so waren sie jetzt nicht mehr verwertbar. Zu viele Leute sind in der Zwischenzeit schon über den Weg getrampelt. Der Bröch kehrte wieder um und sagte den Sanitätern, dass sie fahren können, aber ohne der Leiche. Zuerst musste die Spurensicherung kommen, um den Tatort genauestens zu untersuchen.

    Der Bröch konnte es noch immer nicht so richtig fassen. Hatte er es hier wirklich mit einem Mord zu tun? Es war zwar bei Weitem nicht die erste Leiche, die er je zu Gesicht bekommen hatte, und er hatte auch schon öfters mit Mordfällen zu tun, aber das war alles, bevor er hierhergekommen war. Er musste herausfinden, was hier passiert war.

    Bevor sich die Sanitäter verabschiedeten, ließ der Bröch sich noch erklären, wo genau die Maria zu Hause gewesen war. 80 Prozent der Morde geschehen im Bekanntenkreis. Von daher musste der Bröch so schnell wie möglich alles über die Maria in Erfahrung bringen. Er übertrug dem Maier die Aufsicht und fuhr dann zum Bauernhof von der Maria. Die Adresse konnte der Sanitäter ihm zwar nicht genau sagen, aber er gab ihm eine ungefähre Wegbeschreibung, und das reichte dann auch. Er konnte den Bauernhof ohne Probleme finden.

    Vom Ort aus führte eine Straße zu einem Schigebiet mitten in den Hochalpen. Im Vergleich zu den anderen Schigebieten in der Gegend war es winzig, aber die Einwohner liebten es, und auch der Bröch wusste es zu schätzen, abseits der großen Touristenströme dieses kleine Eiland zu haben. Eiland deswegen, weil im Vergleich zu den anderen Schigebieten kam man sich hier wirklich ein wenig verlassen vor. Nachdem der Bröch eine Weile die Straße in Richtung Schigebiet entlangfuhr, tauchte nach etwa zehn Minuten der Bauernhof von der Maria auf der linken Seite des Tales auf.

    Anfangs wirkte das kleine Bauernhaus ziemlich unscheinbar auf den Bröch, aber je näher er kam, umso eindrucksvoller wurde es. Das Dach und die Hauswand bestanden komplett aus Holzschindeln, die in liebevoller Kleinstarbeit angebracht worden waren. An den Hauswänden entlang war das Brennholz für den Winter aufgestapelt, und vom Dach krönte ein Wetterhahn herunter. Der Bauernhof wirkte so urig, da hätte man meinen können, dass der Hansi Hinterseer nicht weit sein kann. Um zum Hof zu gelangen, musste man über eine kleine Brücke fahren. Der Bröch blieb dann etwa 30 Meter vor der Hütte kurz stehen. Es war niemand zu sehen. Weit und breit nicht. Für ihn war das immer wieder faszinierend. Wenn man nur 10 Minuten ins Seitental hineinfuhr, dann war man plötzlich fern von jeglicher Zivilisation. Gerade am Anfang hatte er damit schon ziemliche Umstellungsschwierigkeiten. Der Ort hatte ja gerade mal so viele Einwohner wie ein paar Gemeindebauten in Wien zusammen. Mittlerweile gefiel es dem Bröch hier aber recht gut, und nach Wien wollte er sowieso nicht mehr zurückkehren. Er stellte sein Auto auf dem Parkplatz vor dem Haus ab. Direkt neben einen grünen Skoda.

    Der Bauernhof war nicht allzu groß, und trotzdem konnte der Bröch sich bildlich vorstellen, wie viel Aufwand es sein musste, den Bauernhof alleine weiterzuführen. Daher kamen wohl auch die rauen Hände von der Maria. Die Tür war nicht verschlossen. Normalerweise würde man denken »sehr verdächtig«, aber auf dem Land ist das gar nicht so ungewöhnlich. Da wird einander noch vertraut. Obwohl, damit sollte es dann ja auch bald vorbei sein.

    Als er das Haus betrat, musste er sogleich daran denken, was der Sanitäter ihm noch über die Maria erzählt hatte. Nach dem Tod von ihrem Mann wurde die Maria durch und durch religiös. Jetzt sollte man meinen, dass man sich nach so einem Ereignis eher von Gott abkehrt. So auf die Art: ›Du hast mir nicht nur meinen Mann genommen, sondern auch meinen Glauben‹, aber bei der Maria war das umgekehrt. Der Sanitäter schilderte ihm, dass sie nach dem Unfall streng gläubig wurde, und das war dann auch nicht zu übersehen.

    In der Küche neben dem Holzofen war ein kleiner Altar aufgebaut. Schön mit Blumen geschmückt und in der Mitte stand ein Bild von der Jungfrau Maria. Neben dem Altar hing ein Foto von der Maria und ihrem Peter, und der Sanitäter hatte recht, die haben wirklich gut zusammengepasst. Sonst fiel dem Bröch aber nichts Außergewöhnliches auf.

    Das Bett im Schlafzimmer war schön aufgebettet, und auch im Wohnzimmer und im letzten Raum, der als Lager für diverse Dinge von Essen bis Gartengeräte diente, war alles sehr ordentlich. Es deutete nichts darauf hin, dass es hier einen Kampf gegeben hätte, und auch die Spurensicherung – der Bröch hat sie nachher natürlich beauftragt, das Haus zu durchsuchen, denn man kann ja nie wissen – konnte nicht die leiseste Spur eines Verbrechens feststellen.

    Der Bröch war ein wenig enttäuscht, dass er rein gar nichts fand. Also weder etwas, das ihm bei seinen Ermittlungen weitergeholfen hätte, noch den Hansi Hinterseer. Aber irgendwo musste eine Spur zu finden sein. Er musste einfach weitersuchen.

    Natürlich gab es für die Untersuchung von Mordfällen eine vorgeschriebene Vorgehensweise, und deshalb stieg der Bröch jetzt in seinen Dienstwagen und fuhr ins Wirtshaus.

    Jetzt wirst du denken, dass der Bröch kein allzu eifriger Polizist ist. Ein Mord passiert, und der fährt einfach ins Wirtshaus. Aber das hatte schon seinen Grund. Die normale Vorgehensweise ist, dass man mit der Familie spricht, um mehr über das Opfer zu erfahren. Ein Polizist kennt das Opfer im Regelfall ja nicht, und deshalb muss man sich erst einmal ein Bild machen. Familie, Freunde, Feinde, Beruf, Hobbies, Liebesgeschichten etc. Eben alles, was zu einem Leben dazugehört. Am wichtigsten war es aber herauszufinden, wer ein Motiv gehabt haben könnte, das Opfer umzubringen, und da ein Großteil der Verbrechen im Bekanntenkreis geschehen, ist es nur verständlich, dass man sich als Erstes mit der Familie des Opfers unterhält. Die Maria hatte aber keine Familie mehr. Ihre Eltern sind noch vor ihrer Hochzeit mit dem Peter verstorben. Deshalb fuhr der Bröch jetzt zum Liesenwirt, denn das war so etwas wie der Umschlagplatz für alle Neuigkeiten, die das Dorf zu bieten hatte.

    Als der Bröch das Lokal betrat, war er zuerst einmal ziemlich überrascht. Jetzt nicht überrascht, weil mehr Leute als sonst im Lokal waren. Es war schon ziemlich gut gefüllt, obwohl es erst fünf Uhr am Nachmittag war. Nein, überrascht hat ihn, dass der Huber Franz einem Reporter gerade ein Interview gab, und da der Bröch ja eigentlich nichts über die Maria wusste, spitzte er einfach einmal seine Ohren. Der Franz lehnte ganz lässig an der Bar und erzählte dem Reporter alles, was er über die Maria wusste. Auch wenn er ganz cool zu wirken versuchte, ein bisschen nervös dürfte er aber schon gewesen sein, denn obwohl das Interview keine zehn Minuten dauerte, mussten in dieser Zeit zwei Zigaretten dran glauben. Richtig Interessantes hatte er aber nicht zu vermelden. Der Franz erklärte dem Reporter, dass er sich überhaupt nicht vorstellen konnte, wer der Maria etwas antun hätte wollen. Sie war eine so freundliche Frau gewesen, betonte er immer wieder. Er erzählte dem Reporter auch von der Geschichte mit ihrem Mann, so auf die Art: »Irgendeine interessante Geschichte musst du jetzt schon liefern.«

    Der Reporter war nicht der Einzige, der enttäuscht war, weil er nichts Interessantes herausgefunden hatte, sondern auch der Bröch. Nachdem er den Reporter abwimmeln konnte – der wollte jetzt natürlich von ihm die neuesten Informationen haben – hörte er sich noch ein wenig bei den anderen Gästen um, aber auch die konnten ihm nicht so richtig weiterhelfen, und das war jetzt schon ein wenig komisch, denn normalerweise hat ja jeder so ein bisschen eine dunkle Seite oder zumindest das eine oder andere kleine Geheimnis, von dem der Bröch erhofft hatte, dass es jetzt ans Tageslicht gekommen wäre, aber da war anscheinend nichts, oder keiner wusste davon.

    Am nächsten Morgen fuhr der Bröch gleich als Erstes zur Weber Hilda. Die Hilda war so etwas wie die »Kräuterhexe« des Ortes und war berühmt für ihr Wissen über Homöopathie. Jetzt wirst du dich fragen, was der Bröch da schon wieder zu suchen hatte, aber du musst wissen, dass der Gerichtsmediziner ihn in der Früh angerufen hatte und ihm erzählte, dass die Maria vergiftet worden ist. Bei dem Gift handelte es sich offenbar um Strychnin, und das wird hauptsächlich in der Homöopathie verwendet, wenngleich

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