Der Mittwochsmann: Als Helfer im stationären Hospiz. Ein Bericht.
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About this ebook
Seit sechzehn Jahren hilft der Autor den hauptamtlichen Palliative-Care-Fachkräften bei der Pflege und Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen. Einmal in der Woche. Am Mittwoch. In der Spätschicht am Nachmittag.
Was er auf der Station erlebt, in der Begegnung mit den Patienten und ihren Angehörigen, beschreibt er in seinem sehr persönlichen und engagierten Bericht, der einen einfühlsamen Blick auf die Realität und Vielschichtigkeit einer menschlichen Grenzsituation wirft. Dabei macht er deutlich, was mit der Palliative Care, der umfassenden Fürsorge von Menschen auf ihrem letzten Weg gemeint ist, bei der ein Team von Fachkräften beteiligt ist, die den Betroffenen Hilfe und Trost bieten.
Sein Bericht - sensibel und informativ!
Notker Karcher
Notker Karcher, Jahrgang 1938, Diplomtheologe und Sonderpädagoge, arbeitet seit sechzehn Jahren als Helfer in einem stationären Hospiz. Im EOS-Verlag erschien vom gleichen Autor 2005 "Stummer Flug - Texte über Erfahrungen im Hospiz". ISBN 3-8306-7218-7
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Book preview
Der Mittwochsmann - Notker Karcher
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Anfänge
Offene Tür
Keine Suppe
Hintergrund
Einblicke
Antwort an Rilke
Ein besonderer Moment
Eine Abschiedsfeier
Frau B.
Bei Herrn Z.
Kehrseite
Psalm 22
Nochmal Kehrseite
Kehrseite III
Klage
Eine Herausforderung anderer Art
Inzwischen …
Merkwürdig
Zu spät
Die Tochter
Geschwister
Die Mutter
Auch das ist möglich
Letzter Dialog
Allein
Das Mädchen
Der Bub
Der Junge
Die dritte Tochter
Biografie
Jugendliche Helferinnen
Schwestern und Pfleger
Pflege kreativ
Der Arzt
Die Musiktherapeutin
Der Seelsorger
Trost
Endgültig
Das Ehepaar
Alltag
Die Mutter
Der rätselhafte Vers
Angst
Nähe
Tausch
Morbus Hunter
Bedrückend
Bescheiden
Stütze
»Es ist, was es ist«. (Erich Fried)
Epilog
Prolog
» S ie rennen offene Türen ein«, meinte die Augsburger Vinzentinerin lapidar auf die Frage nach meiner Eignung als männlicher Helfer im stationären Hospiz. Zwei ihrer Mitschwestern arbeiteten auf dieser Station, die vom St. Vinzenz-Hospiz-Verein getragen wird, der sich auch ambulant um Schwerkranke und Sterbende kümmert. Der Verein hatte vor wenigen Jahren ein solches Haus im Süden der Stadt eröffnet. Davon hatte die klösterliche Frau in einem Referat berichtet, zu dem ich nach einigem Zögern gegangen war, begegnete mir doch das Wort 'Hospiz' immer wieder und signalisierte mir auf diese Weise, ich müsse mich endlich für einen entsprechenden Einsatz entscheiden. Seit längerem spielte ich mit dem Gedanken. Die Schwester schickte mich zur Leiterin des Hospizhelfer-Kurses, der in nächster Zeit beginnen sollte. Ich käme gerade zur rechten Zeit.
Ihre Mitschwester erklärte mir erfreut, ich sei der vierte Mann, der sich, in einer Gruppe von insgesamt sechzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern, für den Kurs interessiere. Das habe sie bisher noch nie erlebt. Es seien in der Mehrzahl Frauen, die sich als Hospizhelferinnen engagierten. Nach einem längeren prüfenden Gespräch zeigte sich die verantwortliche Frau zuversichtlich und meinte, sie traue mir das Vorhaben zu und nahm mich in ihre Liste auf.
Ich absolvierte daraufhin, zusammen mit den anderen Interessenten, einen gut halbjährigen Lehrgang, der von einem einwöchigen Praktikum auf der Hospiz-Station unterbrochen wurde. In einer ausgewogenen Mischung erfuhren wir Grundlegendes aus der Medizin, der Psychologie, der Gesprächsführung, der Spiritualität, der Pflege und aus weiteren, verwandten Disziplinen, wir übten nonverbale Kommunikation und aktives Zuhören, Achtsamkeit und Geduld und konnten uns darüber klarwerden, ob wir den Anforderungen des Dienstes gewachsen sind. Jeweils am Freitagabend hörten wir Referate von Fachleuten, redeten in der Gruppe über unser Befinden und bekamen Antworten auf unsere Fragen. Es herrschte eine gute, manchmal ausgelassene Stimmung, konnten wir uns doch aktuell nicht immer konkret vorstellen, welche Schwierigkeiten in den drei in Frage kommenden Bereichen auftreten können. Denn es ging sowohl um ambulanten Dienst in Familien und in Pflegeheimen, als auch um stationäre Mithilfe, Arbeiten, die sich der inneren Struktur und dem Anspruch der Einsatzorte entsprechend unterscheiden. Doch wurden uns die Tätigkeiten und Aufgaben klar vor Augen gestellt. Ausdauer, Kreativität, Flexibilität und persönliche Festigkeit waren in allen Bereichen gefordert.
Immer klarer wurde mir dabei, und meine Erfahrung in den kommenden Jahren bestätigte es, was die Mitte unseres Dienstes ausmacht. Sie wird kurz und bündig im Namen ausgedrückt: Helferin und Helfer zu sein in den verschiedensten Variationen von Hilfe, sei es die Zubereitung einer Tasse Kaffee oder die Unterstützung bei der Pflege oder die Hinwendung und Präsenz bei den Kranken. Jede, auch die einfachste Helfertätigkeit, ist Teil des umfassenden Hospiz-Dienstes, sie unterstützt und entlastet die hauptamtlichen Fachkräfte, ermöglicht diesen den Freiraum, den sie für die Pflege und für die damit verbundenen Pflichten benötigen. Darüber hinaus wurde deutlich, welch hoher Anspruch an jede und jeden von uns gestellt wird, entsprechend den Zielen, die sich die Hospizbewegung gesetzt hat.
Der Abschluss des Kurses bildete ein Wochenende im Kloster des Ordens, in dem in Gesprächsrunden Meinungen und Erfahrungen der Teilnehmer zur Sprache kamen. Hatte sich an unseren Entschlüssen etwas geändert? Sind wir überzeugt, uns den Dienst zumuten zu können? Wie geht es uns beim Gedanken an unsere zukünftigen Einsätze?
Es wurde meditiert, gefeiert und gesungen. Wir übten uns im autogenen Training und machten lange Spaziergänge. In einem abschließenden, persönlichen Gespräch mit der Leiterin ging es wesentlich darum, wie weit unsere Entscheidungen gereift waren und um unsere Wünsche, in welchem der drei Bereiche wir tätig werden wollten. Natürlich war uns klar, dass nicht alle persönlichen Vorstellungen erfüllt werden konnten.
Wenige Wochen danach wurde mir, meinem Wunsch entsprechend, ein Platz im stationären Hospiz angeboten, den ich bis heute als Glücksfall empfinde. Seit nunmehr sechzehn Jahren bin ich einmal in der Woche im Einsatz, am Mittwoch, in der Spätschicht.
Anfänge
Es ist eine bescheidene Station mit sechs Betten, in der ich meinen Dienst an jenem ersten Nachmittag im November 2002 begann, bestens betreut von einer jungen Ordensschwester mit einer Palliative-Care-Qualifikation, deren muntere Gestimmtheit mich recht ermutigte. Sie erklärte ausführlich und genau, gab mir Ratschläge und Tipps. Es wurde ein guter Anfang, an den ich mich gern erinnere.
Die Schwester stellt mich den Patienten vor, den ‚Gästen‘, wie diese im Haus auch genannt werden. Ich bin angespannt. Das Mitgehen in die Zimmer wird mir jedoch durch meine Betreuerin erleichtert. Vor einem der Räume, dessen Tür halb geöffnet ist, schweigt die Nonne. Die Patientin liegt schlafend mit kaum wahrzunehmenden Atemzügen, über eine Infusion mit Medikamenten versorgt. »Sie ist auf dem Weg«, erklärt mir die Begleiterin leise. Die Frau ruht gebettet, auf der einen Seite von Polstern gestützt, um einem Wundliegen vorzubeugen.
Der Begriff ‚Gäste‘. Ich erinnere mich, wie lebhaft, ja geradezu ehrfürchtig die klösterliche Kursleiterin über diesen alternativen Ausdruck für die Schwerkranken gesprochen hat. Ich hatte damals als Neuling den Eindruck, dass sie dem Begriff eine besondere, gar spirituelle Bedeutung beimisst. Das Wort bringt die Verweildauer der Kranken auf der Station zur Sprache. Sie sind als Gäste vorübergehend im Haus. Doch verlassen sie dieses Haus anders als Gäste eines Hotels oder eines familiären Festes. Das Weggehen und Sich-Verabschieden der Stationsgäste ist von einer