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A negativ: Wenn das Blut versiegt. Österreich Krimi
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Ebook324 pages4 hours

A negativ: Wenn das Blut versiegt. Österreich Krimi

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About this ebook

Innerhalb von Sekunden wird alles Bisherige über den Haufen geworfen. Heinz Kokoschanskys kleiner Sohn baut einen fürchterlichen Fahrradunfall, verletzt sich schwer, schwebt in Lebensgefahr, braucht dringend Bluttransfusionen. Zu allem Unglück gehört der Junge zu jenen drei Prozent der Menschheit mit der seltenen Blutgruppe A negativ. Bislang hat der Vater diesem Umstand keine Bedeutung zugemessen, was sich nun bitter rächt. Weder Kokoschansky noch andere Personen im Umfeld seines Buben kommen als Spender in Frage. Die vorhandenen A negativ-Blutkonserven in den Krankenhäusern reichen nicht aus. Zumindest versucht man es so dem Journalisten Heinz Kokoschansky weiszumachen, der wiederum Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um seinen Sohn zu retten. Dann erhält der Journalist ein fragwürdiges, unmoralisches Angebot. Lehnt er ab, bedeutet es das Todesurteil für seinen Jungen. Nimmt er an, bleibt sein Sohn am Leben, doch der Preis ist extrem hoch. Kokoschansky gerät in die Fänge der Blutmafia, die in eng mit der Pharmaindustrie verwoben ist. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, da sein Junge ums Überleben kämpft.

LanguageDeutsch
Release dateNov 2, 2018
ISBN9783990740354
A negativ: Wenn das Blut versiegt. Österreich Krimi

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    A negativ - Günther Zäuner

    1955)

    PROLOG

    Sommer 2018 – Der Unfall

    Wien ist eine einzige riesige Freiluftsauna. Die Stadt kocht, und entsprechend leiden ihre Bewohner unter der brütenden Augusthitze. Seit mehr als siebzehn Tagen halten Temperaturen knapp unter der Vierzig-Grad-Marke die Hauptstadt und das Land fest in ihrem Glutgriff, und kein Ende ist abzusehen. Die Gemäuer wirken wie Heizstrahler. Der Klimawandel verschont auch das angeblich beschauliche Österreich nicht.

    Wer sich im Urlaub befindet, schätzt sich glücklich. Entweder in kühlere Gefilde entfliehen oder sich in den eigenen vier Wänden, in der abgedunkelten Wohnung verkriechen. Wer arbeiten muss und die Ferien noch vor sich hat, zählt jeden Tag, jede Stunde, bis es endlich so weit ist.

    Klimaanlagen und Ventilatoren sind Mangelware geworden, laufen im Dauerbetrieb. In den Medien werden Tipps veröffentlicht, wie sich diese Hölle halbwegs ertragen lässt. Getränke- und Eis­produzenten reiben sich die Hände, das Geschäft boomt.

    Freibäder werden gestürmt, doch in den Becken bleibt kaum Platz für ein paar Schwimmlängen. Man fühlt sich wie in China oder Japan. Wer einen Pool sein Eigen nennt, ist auf der sicheren Seite. Selbst die Gewässer des Entlastungsgerinnes auf der Donauinsel und in der Alten Donau, den Wiener Naherholungsgebieten, taugen nicht mehr zur Abkühlung. In einer Badewanne ist es angenehmer. Die Donau erreicht einen Tiefstand, Schlepperverbände können nur mit halber Ladung unterwegs sein. Die Gefahr, auf Grund zu laufen, ist viel zu hoch. Ausflugsschiffe können kaum mehr auslaufen, Flusskreuzfahrtschiffe sind gezwungen, vor Anker zu gehen, ihre Passagiere sitzen fest.

    Die Schäden in der Landwirtschaft sind enorm, und kein Ende ist abzusehen.

    Was dieser Klimawandel, die abnormen Hitzewellen in diesen Breiten künftig für Auswirkungen auf ihr späteres Leben haben werden, darunter kann die Rasselbande, die sich in dem Garten rund um und in dem Swimmingpool austobt, sich kaum noch etwas vorstellen. Dafür sind sie noch zu jung und zu klein. Die Kinder genießen ihre Schulferien in vollen Zügen.

    Der Lärmpegel ist enorm. Ein Glück, dass nicht nur die Eltern dieses Schulkameraden, sondern auch die unmittelbaren Nachbarn in der Reihenhaussiedlung tolerant sind. Artet die Herumtollerei doch zu sehr aus, reicht ein mahnendes Wort von der Mutter des Freundes, in deren Garten die Kinder sich vergnügen dürfen.

    Zwar scheint die Sonne weiterhin strahlend, doch ein unsichtbarer dunkler Schatten schwebt über einem der Jungs, ohne dass er davon das Geringste ahnt. Der Zehnjährige, der für sein Alter ziemlich groß ist, zieht sich am Beckenrand hoch und steigt aus dem Wasser.

    »Na, hast du schon genug?«, fragt Jasmin Dellhahn, die von ihrem Liegestuhl aus im Schatten eines mächtigen Nussbaumes das muntere Treiben im Auge behält.

    »Ja«, antwortet Günther Kokoschansky, »heute muss ich ein bisschen früher nach Hause, weil ich am Abend mit meinen Eltern ins Kino gehe.«

    »Fein! Trotzdem schade, jetzt gibt es gleich noch Eis für euch. Dauert nur ein paar Minuten.«

    »Danke, Frau Dellhahn, aber ich muss mich wirklich sputen.«

    »Wie du meinst, Günther. Was seht ihr euch denn an?«

    »Ich weiß noch nicht. Mein Papa hat gesagt, ich darf einen Film aussuchen.«

    »Wenn du magst, Günther, kannst du gerne morgen wiederkommen. Jonas und die anderen freuen sich bestimmt.«

    »Sehr gerne«, sagt der wohlerzogene Junge, während er sich abtrocknet. Die nasse Badehose lässt er gleich an, zieht sich nur sein T-Shirt über, »und danke.«

    »Wofür denn?«, lächelt Jonas’ Mutter, »Ihr seid doch immer willkommen. Willst du dich nicht umziehen? Nicht, dass du dich noch in dem feuchten Zeug verkühlst.«

    »Das geht schon, ich bin gleich daheim«, meint Günther, »und im Fahrtwind ist es ohnehin gleich trocken.« Er dreht sich nochmals um, winkt seiner Clique. »Macht’s gut! Bis morgen!«

    Sein Fahrrad lehnt neben dem Gartentor. Während er seine Badetasche auf dem Gepäckträger festklemmt, überlegt er, ob er bereits jetzt seinen Helm aufsetzen soll oder erst draußen, wo keiner ihn mehr sieht. Ein Großteil seiner Kumpels findet es uncool. Doch die Vernunft siegt. Sein Vater sagt immer, lieber uncool sein, aber dafür bleibt die Birne heil.

    Der Junge schwingt sich aufs Rad, tritt in die Pedale, benützt vorschriftsmäßig den Radweg. Die momentane Abkühlung hält nur die ersten paar Hundert Meter, die Sonne brennt unbarmherzig. Im Gedanken sitzt er bereits im kühlen Kinosaal, genießt einen Ac­tionfilm und vernichtet einen Pott voll Popcorn. Konzentriert fährt Günther, beachtet Regeln und Verkehrszeichen.

    Unbemerkt in seinem Rücken nähert sich plötzlich das Unheil mit rasender Geschwindigkeit. Mitsamt seinem Rad wird der Bub regelrecht vorwärts katapultiert, fliegt über seinen Lenker wie ein kraftvoll getretener Ball, kracht mit dem Kopf voran mit voller Wucht in ein parkendes Auto am Straßenrand, zertrümmert die Windschutzscheibe, bevor er mehr drüben als hüben bewusstlos über die Motorhaube rutscht und hart auf dem Asphalt aufschlägt.

    *

    »Das Angebot kommt etwas zu spät«, meint Kokoschansky zu seinem Partner, »vor einem Jahr hätte ich wahrscheinlich noch intensiv darüber nachgedacht. Doch nach unserer hervorragend funktionierenden Fusionierung scheidet es nun aus. Was meinst du?«

    »Jedenfalls ist es kein Fake. Das wissen wir inzwischen. Und die Summe, die sie uns bieten … Davon können andere nur träumen. Da kann man schon schwach werden.«

    »Locken dich die Millionen in harten Dollars, Freitag?« Kokoschansky grinst bis über beide Ohren. »Ein völlig neuer Wesenszug an dir, den ich gar nicht kenne.«

    »So hart sind die grünen Scheinchen schon lange nicht mehr.«

    Freitag ist der selbstgewählte Spitzname von Kokoschanskys Partner, der ursprünglich aus Nigeria stammt und eigentlich Moses Quentarino heißt. In der Branche ist er allgemein als Freitag bekannt.

    Der um einiges jüngere Schwarze vertritt die Meinung, dass sein afrikanischer Name Knoten in weißen Zungen verursacht. Daher entschied die Frohnatur, sich nach Robinson Crusoes Gefährten zu nennen. Offiziell bei Behördengängen und anderen Erledigungen sollen die Leute sich ruhig die Zähne verstauchen.

    »Ein Trip ins Silicon Valley würde mich dennoch reizen«, sagt Freitag. »Mal sehen, wie Google, Yahoo und all die anderen, die uns dominieren, dort arbeiten. Vielleicht können wir uns etwas abkupfern?«

    »Also«, folgert Kokoschansky, »bist du ebenfalls dagegen, dass wir unser Baby versilbern.«

    »Hast du etwas anderes angenommen?« Einer der wenigen Momente, in denen Freitags ansonsten stets fröhliche Mimik ernst wird. »Wir haben FNews zusammen aufgebaut, wir sind seit Jahren eine große Nummer in der Nachrichtenbranche. Wegen der Kohle sollen wir jetzt den Amis das gemachte Nest überlassen? Nie und nimmer. Noch dazu, wo jetzt ein Wahnsinniger im Weißen Haus hockt. Am Ende wird FNews noch zu einem rechten Portal wie Breitbart von diesem Steve Bannon umgekrempelt. Ich sag dir etwas, Koko, dahinter steckt Kalkül. Vielleicht ist es nur ein Hirngespinst und reine Spekulation? Aber dieser rechtsextreme Bannon will doch sämtliche europäischen rechtspopulistischen Parteiführer unter einen Hut bringen. Wir sind ein ernst zunehmendes Medium mit bester Technik und Infrastruktur. Erspart viel Aufbauarbeit, es muss nur die Richtung radikal geändert werden, unsere Leute werden gefeuert.«

    »Hm, wahrscheinlich liegst du damit gar nicht so falsch. Vorstellbar ist es allemal. Immerhin gibt es bereits seit 2009 eine rechtspopulistische Plattform mit unzensuriert.at, die damals vom FPÖ-Politiker Martin Graf, dem ehemaligen dritten Nationalrats­präsidenten, initiiert wurde. Naturgemäß steht dieses Portal den Blauen sehr nahe, hat inzwischen nach Deutschland expandiert. Betrieben werden beide Seiten, laut Impressum, von der Medienvielfalt Verlags GmbH mit Sitz im achten Bezirk. Im Zeitalter der Fake News ist das nicht zu unterschätzen. Ich möchte nur zu gerne wissen, woher dieser Haufen Kohle für die Übernahme von FNews stammt. Das müssen wir noch recherchieren.«

    Heinz »Koko« Kokoschansky und Freitag, ein unschlagbares Duo, das sich vor einigen Jahren genau zum richtigen Zeitpunkt begegnet ist.

    Damals stand der Wiener Fernsehjournalist Kokoschansky an einem Scheideweg. Beruflich wie privat. Ausgestiegen aus dem ORF, weil investigativer Journalismus so, wie er es verstand und praktizierte, nicht mehr erwünscht war, er die ständigen Interventionen der Politik satthatte und nicht mit Hofberichterstattung seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Keiner in der Branche konnte glauben, dass Kokoschansky, für viele eine lebende Journalistenlegende, plötzlich das Handtuch geworfen hatte.

    Dafür knallten bei seinen Konkurrenten und zahlreichen Feinden, vor allem in der Politik, in der Wirtschaft und deren Seilschaften, die Champagnerkorken. Der Journalist hatte gewissen Herrschaften so manche Magengeschwüre beschert, einige von ihren Postamenten stoßen können und andere sogar hinter Gitter gebracht. Kokoschansky, der schlimmer als ein scharf abgerichteter Pitbull sein kann, hat er sich einmal in eine Story verbissen, war in den Knien eingeknickt.

    Sein Privatleben verlief nicht minder turbulent. Zuerst eine Ehe in die Binsen gegangen, weil seine Frau mit dem unsteten Journalistenleben auf Dauer nicht mehr klarkam. Danach eine weitere Beziehung zerbrochen, und der gemeinsame Sohn verblieb bei der Mutter. Zu viele Tiefschläge in Folge für den Hünen.

    Seine neuen Freunde wurden die Flasche und unterschiedliche Drogen. Ein Engel in Polizeiuniform, der seine Tochter hätte sein können, las ihn an einem ehemaligen berüchtigten Wiener Junkie-Treffpunkt auf. Zuerst sträubte Kokoschansky sich gegen jegliche Hilfe. Schließlich sah er ein, dass nur mehr ein winziger Schritt in den endgültigen Abgrund ohne Wiederkehr fehlte.

    Lena Fautner wich nicht mehr von seiner Seite. Trotz seiner anfänglichen Abneigung und Abwehr kapierte er, diese junge Polizistin war das Beste, was ihm in seiner nahezu ausweglosen Situation passieren konnte. Schließlich wurde es Liebe.

    Inzwischen leben sie seit Jahren in trauter Harmonie zusammen. Ohne Trauschein, Kokoschansky ist ein gebranntes Kind. Auch Lena braucht für eine gut funktionierende Beziehung weder amtliches Siegel noch kirchlichen Sanctus.

    Selbst aus tristen Verhältnissen stammend, fand sie in Kokoschansky den Mann fürs Leben. Der große Altersunterschied ist ihr völlig gleichgültig, und ihm kann es nur mehr als recht sein. Obwohl es anfänglich nicht immer leicht war, für Kokoschanskys Tochter gehalten zu werden. Für ihn, den späten Vater, ebenso eine Belastung, oft genug als Günthers Großvater angesprochen zu werden. Heute stehen sie darüber und amüsieren sich köstlich, wenn sie Außenstehende über die tatsächliche Situation aufklären.

    Längst ist Kokoschansky clean und trocken. Sein einzige Sucht sind Zigaretten, dem Nikotin frönt er weiterhin leidenschaftlich. Nachdem er eindeutig bei den zuständigen Behörden nachweisen konnte, sein Leben wieder vollständig im Griff zu haben, kam er glimpflich davon, erhielt auch das Sorgerecht für seinen Sohn Günther zugesprochen. Das war dringend notwendig geworden, da die leibliche Mutter dem Wahnsinn verfallen ist und bis an ihr Lebensende in psychiatrischer Obhut bleiben muss.

    Zum Glück war der Bub damals noch viel zu klein, um zu verstehen, was vor sich ging. Lena und Günther verstanden sich von Beginn an prächtig. Für ihn ist sie seine Mama, die er abgöttisch liebt, und für sie ist der Junge wie ihr eigenes Kind.

    Zwar hätte sie gerne weiteren Nachwuchs, doch Kokoschansky bremst. Er vertritt die Meinung, dass er dafür inzwischen zu alt ist und es aus seiner Sicht unverantwortlich wäre. Ihr und dem Kind gegenüber.

    Auch Lena war nicht länger mit ihrer beruflichen Situation zufrieden. Innerhalb der Polizei laufend Reformen, viele davon sinnlos und unnötig. Wirklich Wichtiges wurde auf die lange Bank geschoben. Internes Machtstreben und Kompetenzstreitigkeiten verleideten zusehends die tägliche Arbeit. Draußen im Dienst ständig neuen Gefahren ausgesetzt, die Autorität vor der Uniform und der Polizei an sich gleich null. Schließlich quittierte sie den Dienst, hatte Glück, da Kokoschansky ihr rasch einen Job bei seinem Freund Wolfram Panker vermitteln konnte.

    Ebenfalls ein ausgestiegener Staatsbeamter, ein hoch angesehener, bestens qualifizierter, vernetzter Wirtschaftskriminalist, der aus ähnlichen Motiven der Exekutive den Rücken gekehrt hatte und sich mit einer florierenden Detektei selbstständig machte, die sich ausschließlich mit großen Fällen national und international beschäftigte.

    Zwischen Kokoschansky und ihm bestand immer eine hervorragende Zusammenarbeit. Im vergangenen Jahr wurde er während Recherchen in einem internationalen Fall, in deren Mittelpunkt die Türkei stand, ermordet.

    Der alleinstehende Panker ahnte sein bevorstehendes Ende und sorgte vor. Besonders an Günther hatte er einen Narren gefressen. Für ihn waren Lena, Kokoschansky und der Junge seine Ersatzfamilie. Deshalb wurden sie auch reichlich in seinem Testament bedacht. Lena erbte seine Detektei, und es war naheliegend, diese Firma in FNews zu integrieren.

    Dass dieses Nachrichtenportal überhaupt existiert, hat Kokoschansky indirekt Freitag zu verdanken. Nachdem Kokoschansky wieder zurück in den Journalistenberuf gefunden hatte, war ihm klar, dass er nicht mehr für eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder einen Privatsender arbeiten wollte.

    Im Internet, überhaupt in den neuen Medien, sah er die Zukunft für eine unabhängige, freie Berichterstattung. Dann lief ihm der Zufall in Person des Nigerianers über den Weg. Während einer Taxifahrt erzählte ihm Moses Quentarino, dass er ebenfalls Journalist wäre, es aber in Österreich sehr schwer hätte, in seinem Beruf wieder Fuß zu fassen.

    Er musste mit seiner Familie aus seiner Heimat flüchten, da er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Gegen die Machenschaften von Shell und gegen die korrupte Regierung, die mit den Amis unter einer Decke streckten, publizistisch wettern wurde lebensgefährlich. Umgehend landeten er und viele seiner Kollegen auf einer Todesliste.

    Da sich Kokoschansky und der Nigerianer von Anfang an bestens verstanden, gingen sie das Risiko ein und wagten den Sprung ins kalte Wasser. Natürlich war der Beginn mühsam und zäh, schließlich wartete niemand auf sie.

    Doch ihre harte, aber faire Berichterstattung, ihr Einsatz für Aufdeckungsjournalismus, der besonders Kokoschansky oft in lebensgefährliche Situationen brachte, vor denen auch seine Familie nicht verschont blieb, ließ die Branche aufhorchen. Nahezu gleichzeitig stieg die Zahl der Bewunderer und Förderer wie auch der Feinde, die mit allen Mitteln bis heute versuchen, FNews endgültig aus der Cyberwelt zu verbannen.

    Doch weder Kokoschansky noch sein Partner lassen sich kaufen. Geraten sie unter Druck, wachsen sie oft genug über sich hinaus. Man könnte meinen, dass es ihnen umso mehr Spaß macht. Aber gestandene Journalistengehirne ticken nun einmal anders.

    Auf ihre sorgfältig ausgewählte, handverlesene Redaktionsmannschaft und ihren technischen Support können sie sich blind verlassen. Eine verschworene, mit allen Wassern gewaschene Gemeinschaft, die sich von nichts und niemandem einschüchtern lässt. Genau wegen der FNews-Qualitätsarbeit ist dieses Nachrichtenportal weltweit bekannt geworden.

    Im eigenen Land bekommen viele Entscheidungsträger in allen Bereichen Krämpfe und Beschwerden, sobald sie nur den Namen Kokoschansky hören oder lesen. Die meisten dieser Leute haben ihre Leichen gut im eigenen Keller versteckt. Zumindest glauben sie es, doch sie können sich sicher sein, dass Kokoschansky mit seinem Team nur darauf lauert, eine nach der anderen auszugraben.

    Nun liegt das Angebot der Amis auf dem Tisch, und die Summe, die sie bieten, ist wahrlich kein Pappenstiel für die Typen da drüben in Austria.

    Kokoschansky muss zugeben, dass er doch ins Wanken geriet, als er den vorgeschlagenen Betrag sah, der für österreichische Verhältnisse die Dimensionen sprengt. Ab und zu liest man im Wirtschaftsteil, dass dem einem oder anderen österreichischen Start-up-Unternehmen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Coup gelingt, für zwei- bis dreistellige Millionenbeträge den Besitzer zu wechseln.

    Er liebäugelte mit dem Gedanken, tatsächlich den Krempel hinzuschmeißen, zu verkaufen, den Patzen Geld gerecht unter allen Beteiligten aufzuteilen und danach nur mehr hauptberuflich Schriftsteller zu sein, sich mehr um seine Familie zu kümmern, ein geruhsameres Leben zu führen.

    Was wird aus den Angestellten, den Freelancern und dem technischen Stab? Jeder von ihnen hat mit seinem Elan, seinem Können mit hohem Risiko zum Erfolg beigetragen. Nun die Leute einfach vor den Kopf stoßen? War nett mit euch, aber ich haue jetzt ab in die Karibik und hinter mir die Sintflut.

    Unmöglich!

    Ebenso undenkbar, eine Reihe von heimlichen potenten Financiers, die die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser scheuen, zu verprellen. Jedoch alles legal, obwohl immer wieder Steuerprüfungen und die Finanzpolizei unangemeldet auf der Matte stehen, akribisch suchen, jedoch wieder unverrichteter Dinge abziehen müssen. Jeder Cent ist nachvollziehbar und in den Büchern vermerkt.

    Abgesehen davon, dass es inzwischen in Österreich nahezu aussichtslos ist, einen adäquaten und fair bezahlten Job im Journalistengeschäft ohne Knebelverträge zu ergattern.

    Dann würde genau das eintreten, wogegen Kokoschansky und sein Team sich stets entschieden dagegenstemmen: eben nicht käuflich und bestechlich zu sein. Ein Sieg für Hofberichterstattung und Gefälligkeitsjournalismus.

    »Mit anderen Worten«, bringt Freitag es auf den Punkt, »business as usual. Noch dazu, wo es in diesem Land mehr als genug unter dem Teppich hervorzukehren gibt.«

    Kokoschansky grinst breit.

    »Wir spielen weiter im Lotto und bei den Euromillionen mit. Wir werden den Amis ein freundliches, aber ablehnendes Dankesmail schreiben. Das war es. Und herausfinden, woher die Millionen für uns stammen.«

    »Ich getraue mich fast zu wetten«, entgegnet Freitag, »sie werden uns ein neues Übernahmeangebot mit einer noch höheren Summe schicken. Schon um abzuchecken, wie viel sie noch drauflegen müssen, bis wir weich werden.«

    »Lassen wir es darauf ankommen. Dann will ich aber auch wissen, warum sie so scharf auf uns sind. Weshalb sie nicht ihr eigenes Ding aufziehen. Wir sind zwar ganz gut, aber wir haben keine bahnbrechende Erfindung gemacht, die der Weltmarkt unbedingt braucht, und das Rad nicht neu erfunden. Wir können uns auf ein Spielchen mit ihnen einlassen. Warum nicht? Im Sommer herrscht doch wie immer in unserem Gewerbe Saure-Gurken-Zeit.«

    »Ja, das Ungeheuer von Loch Ness ist inzwischen Schnee von gestern.«

    »Dafür sorgt nun Uncle Sam für Abwechslung.«

    »Es wird Zeit, einmal mehr unserer Regierung gehörig auf die Nerven zu gehen«, findet Freitag, »sonst denkt sie vielleicht am Ende noch, wir sind zahm geworden.«

    »Da müsste der Tag achtundvierzig Stunden haben, und wir bräuchten eine Verdoppelung unseres Personals«, bemerkt Kokoschansky sarkastisch, »wenn wir sämtlichen Schwachsinn aufarbeiten wollen, der bisher von der Kurz-Truppe, oder soll ich besser Strache-Partie sagen, auf uns alle losgelassen wurde, seit sie im Amt ist.«

    »Aber, Koko, warum denn so negativ?« Freitag ist nicht minder zynisch. »Das siehst du völlig falsch. Das sind doch durchwegs enorme Leistungen und Erfolge, wie der Ballhausplatz2 uns täglich weiszumachen versucht.«

    »Ich frage mich ernsthaft, für wie blöd uns eigentlich diese Regierung hält?«

    »Blöd genug, um sie nicht mit Schimpf und Schande aus dem Amt zu jagen. Nun zeigt sie jeden Tag ein Stückchen mehr ihr wahres Gesicht, präsentiert uns die tatsächlichen Absichten.«

    »Ja, zu viele sind Kurz und Co. auf den Leim gegangen.« Kokoschansky wird zunehmend ärgerlicher. »Doch wer kann es ihnen verdenken? Der frische Wind, den der junge Mann in dieses verkrustete System bringen sollte, und Österreich wieder nach vorne bringt, entpuppte sich rasch als laues Lüftchen und Camouflage. Eine vorprogrammierte Enttäuschung, die uns als neuer Messias verkauft wurde.

    Davor ein ehemaliger sozialdemokratischer Vorstandsvorsitzender der ÖBB Holding AG3 als Bundeskanzler, der genauso regierte, wie seine Züge fuhren, nämlich mit Verspätung. Die Grünen haben sich selbst in die Luft gesprengt, und die restlichen Splitterparteien sind nicht ernst zu nehmen. Die einzig ernst zu nehmende Opposition wären die Sozis. Doch mit ihren internen Streitereien und Querelen reiben sie sich gegenseitig auf und merken gar nicht, wie sie damit dieser Koalition in die Hände spielen. Und der oberste ehemalige Eisenbahner verkraftet es bis heute nicht, dass er die Wahl verloren hat.«

    »Zumindest sitzt in der Hofburg ein Bundespräsident, der nicht nur laviert und um den heißen Brei herumredet, sondern auch mal mit der Faust auf den Tisch haut.«

    »Das sollte er viel öfters tun. Gründe dafür gibt es ausreichend.« Jetzt ist Kokoschansky in seinem Element, wenn er Dingen auf den Grund gehen und sie analysieren kann. »Es geht doch allen, egal, welcher Partei, nur um die eigenen Befindlichkeiten, die Absicherung ihrer Machtbefugnisse und Privilegien. Von wegen für das Wohl Österreichs, ein Lügenmärchen par excellence. Doch solange es das Volk frisst, ist es für diese Herrschaften geritzt und alles in Butter. Als die Sozis noch an der Macht waren, zeterte die damalige Opposition wütend gegen Postenschacher und Freunderlwirtschaft. Jetzt ist sie am Ruder und praktiziert nichts anderes. Paradebeispiel Harald Mahrer. Wie viele bestens dotierte Posten will er sich noch unter den Nagel reißen? Diese Damen und Herren müssen eine andere Zeitrechnung haben, denn mit einem Arsch auf siebzehn Kirtagen zu tanzen, kann sich nicht ausgehen. Obendrein sind sie allesamt Experten für alle Bereiche. Auf jeden Fall Abcashspezialisten.

    Als Schüssel seinerzeit die Roten über den Tisch zog und die unsägliche Wenderegierung ans Ruder kam, gingen die Menschen noch auf die Straße und protestierten lauthals dagegen. Jetzt hat man das Gefühl, dass der Großteil sich in die innere Emigration zurückgezogen hat, nur noch das zu schützen und zu bewahren, was ihm geblieben ist, und alles andere wird stillschweigend, vielleicht auch mit Zähneknirschen akzeptiert und erduldet.

    Da wird rasch der Pinsel in den Farbtopf getaucht, aus Schwarz wird Türkis, und den Deppen draußen verklickern wir es als neues Nonplusultra für eine wunderbare Zukunft, für eine Erneuerung Österreichs und als gewichtige Stimme in der EU. Und schon sitzt man im Bundeskanzleramt, zaubert ein paar Unbekannte ohne jegliche politische Erfahrung aus dem Hut, nennt die Truppe Regierung, und nach der Angelobung wird munter drauflos regiert. Voran mit einer jungen, völlig unbedarften Galionsfigur, die weder als vorheriger Abgeordneter, Staatssekretär und Bundesminister kaum aufgefallen ist und noch viel weniger bleibende positive Spuren hinterlassen hat.«

    »Umgefärbt ist der bessere Ausdruck«, meint Freitag, »dafür haben wir jetzt einen Innenminister, dessen wahre Gesinnung offenkundig ist, der seinem Parteichef und nunmehrigen Vizekanzler stets die Treue hält, sich als drittklassiger Reimeschmied gegen alles und jeden einen gewissen Ruf erworben hat. Den Türkisen, vormals Schwarzen ist doch nur die eigene Macht und deren Erhalt wichtig. Um jeden Preis und mit allen Mitteln. Dafür überlassen sie dem Koalitionspartner sämtliche wichtigen Ministerien, begeben sich damit in

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