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Die Liebe des Plato: Eine galizische Geschichte
Die Liebe des Plato: Eine galizische Geschichte
Die Liebe des Plato: Eine galizische Geschichte
Ebook106 pages1 hour

Die Liebe des Plato: Eine galizische Geschichte

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About this ebook

Das Geschlecht zu wechseln, um dem Geliebten zu gefallen, ist seit Shakespeare ein ergiebiger Gegenstand der Literatur. Sacher-Masoch unterlegt das Motiv mit seiner eigenen Typologie der Geschlechter, die auch der berühmten Erzählung Venus im Pelz zugrunde liegt: Die Frauen sind zu wahrer Liebe nicht fähig. In "Venus im Pelz" ersetzt der Held deshalb Liebe durch Unterwerfung, in "Die Liebe des Plato" entsagt der junge Graf Tarnow vollständig der Liebe der Frauen – und wird deshalb zum Gegenstand einer raffinierten Täuschung. Schließlich spielt er wider besseres Wissen sogar mit in diesem Spiel, da er seinen "Anatol" nicht verlieren will.
Michael Gratzke hat mit viel Sorgfalt eine Neuausgabe dieser seit langem nicht mehr lieferbaren Erzählung besorgt und kenntnisreich kommentiert. Aufgrund seiner galizischen Wurzeln verkörpert Sacher-Masoch eine literarische Tradition, die im modernen Europa verschüttet ist. So ist vor allem eine zauberhafte Prosa wiederzuentdecken, die den Leser auf ihre eigene Weise in die Welt schneidiger Offiziere, rauschender Ballkleider und flackernder Kerzen entführt.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 1, 2012
ISBN9783863001117
Die Liebe des Plato: Eine galizische Geschichte
Author

Leopold von Sacher-Masoch

Leopold Von Sacher-Masoch was an Austrian writer of fiction and short stories, who inspired the clinical category of ‘Masochism’. His complex sexual fantasies, involving the love of pain and submission, ignited a once secretive pursuit into that of a recognised fetish. His masterpiece inspired a famous song of the same name by The Velvet Underground, and continues to be referred to as a defining work within the realm of erotic literature.

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    Die Liebe des Plato - Leopold von Sacher-Masoch

    2012

    «MAN MUSS DIE AN DER SEELE

    HAFTENDE SCHÖNHEIT

    FÜR KOSTBARER HALTEN

    ALS DIE LEIBLICHE.»

    PLATO, GASTMAHL

    RAHMENHANDLUNG

    Ich besuche so gern das Tarnowische Haus, weil in demselben eine eigenthümliche Gemüthlichkeit um die kleinsten Dinge webt, diese Gemüthlichkeit scheint dort in der Luft zu liegen, denn sie durchdringt Alles, die grauen Mauern des Edelhofes, die alten, verschossenen Möbel, die Menschen, die Thiere und man wird von ihr ergriffen und selbst friedlich und heiter, sobald man sie einige Zeit eingeathmet hat. Es ist dies auch eine Art Wärme und eine Art Licht, und dieses Licht und diese Wärme wird, wie ich glaube vor Allem von der alten Gräfin Karoline Tarnow* ausgestrahlt. Ich habe dort unter den großen Schränken mit dem altväterischen Holzmosaik, den Dienstleuten, welche alle wie Halbverstorbene aussehen, die schwarze Katze auf dem Schooße, die Gräfin mir gegenüber an dem flackernden Kamin, unter dem milden warmen Lichte ihrer Augen mehr als einmal meinen Kummer, meine Sorgen, mehr als einen quälenden Zweifel, mehr als einen tiefen Schmerz vergessen, ja überwunden.

    Auch heute ist mir wohl bei ihr. Ich war lange von der Heimath fort und mein erster Gang war zu der Gräfin Tarnow, und nun sitzt sie mir wieder gegenüber und hält meine Hände und blickt mit ihren blauen Augen in meine Seele, denn was bliebe diesen Augen verborgen?

    Es ist ein frostiger Winterabend, hell aber kalt, sehr kalt sogar, von draußen flimmern ein paar Sterne herein, das Feuer im Kamin wirft seine rothen Zungen über den Teppich und wir plaudern. Ich habe viel zu erzählen und sie hat mir manche Frage zu beantworten.

    Die Gräfin ist die einzige Frau, die mir je außer meiner Mutter und meiner Frau Achtung eingeflößt hat; diese Frau aber, welche Jedem so sehr imponirt, ist in keiner Weise gebieterisch, sie ist nicht einmal groß, es ist eine ganz kleine, zarte Frau, mit einem kleinen Gesicht, das noch im Alter von grauem Haare ehrwürdig eingerahmt die größte Feinheit und Schönheit zeigt, aber diese Schönheit ist eine geistige und geistig ist auch die Macht, welche die Frau übt, und diese Macht liegt vor Allem in ihren großen blauen Augen, welche gleichsam aus einer andern Welt in die unsere herüber blicken. Dieses geistige Wesen hat sie auf ihren Sohn, den Grafen Henryk, übertragen und wie sie mich ansieht, ist es mir auch einen Augenblick, als ruhe das Auge meines Freundes auf mir.

    «Was macht unser Plato?» frage ich rasch, «ich habe seit mehr als einem Jahre keine Nachrichten von ihm.»

    «Seit einem Jahre,» sprach die Gräfin, «es ist Manches geschehen in diesem Jahre. Er hat sich von seiner Frau getrennt –»

    «Von seiner Frau?» – rief ich und stand unwillkürlich auf – «Henryk hat eine Frau – Plato eine Frau – das ist ja gar nicht möglich.»

    «Sie wissen also nicht einmal, daß er geheirathet hat?»

    «Nichts weiß ich, nichts.»

    «Aber setzen Sie sich doch,» sagte die Gräfin.

    «Ja er hat vor einem Jahre geheirathet und hat sich vor wenigen Wochen von seiner Frau getrennt.»

    Ich setzte mich. «Plato verheirathet, getrennt,» sprach ich, «ich kann es nicht fassen. Er – dieser Weiberfeind.»

    «Das war er nie,» unterbrach mich die Gräfin.

    «Also dieser Philosoph, dieser Idealist, der sich von nichts Irdischem nähren wollte, der immer wie der heilige Denis in Voltaire’s Pucelle* auf einem Regenbogen ritt und in dem Weibe nur den geistreichsten und schönsten Affen sah, verheirathet – es ist nicht zu glauben. Ich sehe ihn noch vor mir, als ich ihm vor drei Jahren zuletzt die Hand drückte. Damals hatte er noch kein Weib berührt, oder doch? Ich fragte ihn einmal: hast du noch nie ein Weib geliebt? und er erwiederte: doch – aber es war ein Mann.» Die Gräfin lächelte.

    «Ich sehe ihn noch vor mir,» fuhr ich fort, «wie er dabei lächelte mit seinem schönen Gesichte und seinem kindlich malitiösen Lächeln, er kam mir immer wie ein verkleidetes Mädchen vor, so zart und anmuthig war seine Erscheinung, er ging immer auf den Fußspitzen, wurde leicht roth, schloß die Augen, wenn er sprach und hatte eine Bewegung mit den Händen, wie wenn er schwimmen würde. Er wich den Frauen gerne aus und behandelte die Männer mit einer Zartheit und Liebenswürdigkeit wie die Andern unsere Damen. Ein Freund war er wie kein zweiter, er konnte sich opfern für die, die seinem Herzen nahe standen –»

    Ich erhielt keine Antwort, denn während ich dies sprach, war langsam würdevoll die schwarze Katze eingetreten, auf ihren sammtenen Pfoten unhörbar bis zu dem Kamin gekommen und mit einem Sprunge auf dem Schooße der Gräfin, wo sie mit zugedrückten Augen zu schnurren und den Schweif zu rollen begann. Diese Katze hieß Mimi und war die vollkommenste, die ich in meinem Leben gesehen, eine wahrhafte Katzenschönheit und dabei lag in ihren runden gelben Augen so viel Seele, eine Katzenseele natürlich, und so viel Geist und Güte, und sie hatte ihre Geschichte diese Katze und ihre Schicksale und ihren Weltschmerz, sie hatte das Unglück, eine Katze zu sein und sich in einen Menschen zu verlieben.

    Nachdem sie der Gräfin ihren Gruß gebracht, sprang sie auf mein Knie herüber und wie ich sie streichelte, war ihr prächtiges Fell noch ganz kalt von dem Winterfrost draußen und strömte eine angenehme Frische aus.

    «Seine Abneigung gegen die Frauen war also mehr Schüchternheit,» begann ich wieder.

    «Nein, es sind Principien bei ihm,» entgegnete die Gräfin. Die Katze setzte sich in diesem Augenblicke auf den Sims des Kamins, wo sie sitzen blieb und mit großer Spannung an unserem Gespräche Teil zu nehmen schien.

    «Principien?»

    «Ja, es gibt überhaupt mehr ideale Naturen, mehr reine Herzen,» sprach die Gräfin, «als man glauben will. Nur schämt sich Mancher seiner Güte und verbirgt sie wie etwas, was ihn bloßstellen könnte, ja wie ein Verbrechen. Auch Sie – spielen Sie mir nur nicht den Pessimisten, den Libertiner* – ich kenne Sie. Nun gut. Um Ihnen aber zu erklären, wie dies Alles kam, müßte ich sehr weit ausholen, und wenn ich Ihnen auch Alles erzählen wollte, Sie würden die Geschichte seiner Ehe doch nicht verstehen. Was soll ich also thun?» Sie sann nach.

    «Aber ich bin sehr neugierig.»

    «Sie müßten ein früheres Erlebniß kennen,» begann die Gräfin wieder, «nur dann werden Sie meinen Sohn nicht ungerecht verurtheilen. Es ist also am Besten –» sie erhob sich, öffnete einen der großen Schränke und holte ein Heft hervor, in dem sie einen Augenblick blätterte.

    Dann sprach sie: «Lesen Sie diese Briefe, aber vergessen Sie nie dabei, daß sie vor acht Jahren geschrieben sind und daß mein Henryk damals nicht mehr als zwanzig Jahre zählte, und lesen Sie dieselben genau in der Reihenfolge, in welcher sie hier zusammengeheftet sind. Henryk selbst hat, als er das letztemal da war, von mir eine Nadel verlangt und einen Faden blauer Seide und hat sie zusammengenäht und den Titel geschrieben.»

    Es war spät, als ich nach Hause kam, aber meine Neugierde war zu groß; so verschlang ich denn das Heft sofort, ohne es nur für eine Sekunde aus der Hand zu legen.

    BRIEFE AN MEINE MUTTER

    Den 7. December.

    Liebe

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