Die bös Vernunfft der Anna Grün: Tragikomödie für zwei Frauen und einen Beamer.
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Zu deutschen Zeiten einer "koordinierten Begeisterung für Grünewald und Hitler" war das unpässliche "Juden-Ennchin" ein Problem, das mit der Arisierung des (schlimmstenfalls selber jüdischen) Kirchenmalers zu "Mathis Gothart Nithart" ganz im harten Zeitgeist Lösung fand. Das Juden-Ännchen freilich wurde im elften Ehejahr als geistig krank erkannt, weshalb das historisch präzise Stück im Heilig-Geist-Spital zu Frankfurt spielt. Warum endete die Jüdin, deren Taufe anno 1512 mit großer Präsenz von Präfekten und Prälaten, mit Wein aus dem Ratskeller gefeiert wurde, im Irrenhaus? Sie selbst und ihre Freundin Magda Reblin, Witwe des Advokaten Adam Schönwetter, spielen's vor: mit den berühmten Bildern, ihren Körpern und den Horas des brasilianischen Komponisten Dorival Caymmi.
Konrad Yona Riggenmann
Konrad Yona Riggenmann chegou em 1952 neste planeta, começou plantando árvores já em 1960 e aprendendo o português em 1968. Com pesquisa sobre Bertolt Brecht tornou-se professor em 1978, publicou uma dúzia das suas peças para teatro escolar, foi premiado no ano 1994 por seu drama New Heimat sobre emigrantes suábios e judeus aos EUA, pós-graduado em 2001 com Escola Nova, Escola Ativa sobre o sistema escolar brasileiro, honrado em 2002 com o prêmio Ossip-Kurt-Flechtheim da União Humanista para sua coragem civil a respeito da cruz obrigatória (e anti-constitucional) nas salas de aula bávaras, assunto que o freiou por muito tempo no outro tema da vida dele, a écologia. Desde 2011 ele vive veg-orgânico no país que seus ancestrais marranos portuguêses, na era quente das fogueiras, chamavam a Terra Prometida ...
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Book preview
Die bös Vernunfft der Anna Grün - Konrad Yona Riggenmann
Inhalt dieses Textbuchs:
Vorwort
1. Akt
2. Akt
Dem Krypto Grün sein Juden-Ennchin
Quellen
Horas
Aufführungsrechte
Danksagung
Zu Franckfort ...
Die Kreuzigung des kleinen Simon von Trient (1475) wurde schon um 1476 über der „Judensau" an den Frankfurter Brückenturm gemalt. Der Seitentext dieser gedruckten Darstellung aus dem 17.Jahrhundert lautet:
„Zu lob und gedenckwürdigen ehren dem gantzen wolriechenten jüdischen volck zu Franckfort an tag gegeben. Anno 1476 haben die Juden zu Trient ein Knäblein mit Namen Simon dritthalb jar alt gestolen und am grienen donerstag gemartert zerstochen unnd entlich gar umbgebracht."
Vorwort
„Eine Tochter hab ich, und zum Ehemann
Gäb ich ihr lieber einen aus Barabbas’ Stamm
als einen Christen."
Shakespeare, Der Kaufmann von Venedig, 4. Akt, 1. Szene
Lieber einen Ehemann aus Jud’ Barabbas’ Stamm als einen Christen: dieses Veto, das Shakespeare anno 1598 dem Shylock bezüglich dessen Tochter Jessica in den Mund legte, kontrastiert zur lebenslangen Liebe, die eine Judentochter Anna anno 1512 just einem christlichen Kirchenmaler versprach, bei beider Hochzeitsmesse im Hohen Dom zu Frankfurt. Und dies zu einer Zeit, als die Judensau am Brückenturm schon 36 Jahre lehrte was Juden so beschäftigt, nämlich Schweine, Teufel und das Kreuzigen des Christ(en)kinds.
Der malende Bräutigam mit dem farbfrischen Namen Grünewald kam aus Aschaffenburg nach Frankfurt. Mehr als 8000 Menschen, die das Grün des Waldes im Namen trugen, waren 1945 Opfer der Nazis geworden, davon 56 aus Frankfurt: meist alte Menschen, die nicht rechtzeitig geflohen, somit wohl nur ein Teil der Juden dieses Namens waren, die vor 1933 dort – als Juden freilich – gelebt hatten, nicht als Christen wie der „größte deutsche Malergeist"¹ und expressivste Maler der Kreuzigung, der doch sicher – unser deutscher Grünewald! – Shylocks Bedingung nicht erfüllt hätte?
Dass der Grünewald von Jüdenholz sein könnte, dieser schlimme Verdacht führte im „Grünewaldboom des 20.Jahrhunderts und speziell zu Zeiten, in denen sich „eine koordinierte Begeisterung für Grünewald und Hitler aufspüren
ließ, zu einer allzu gerne rezipierten Theorie, die ihr Schöpfer W.K. Zülch mit gutem Zeitgefühl am 20.April 1938 – dem 49.Geburtstag des kunstbegeisterten Adolf Hitler – proklamierte und in der er Grünewald als „Mathis Gothart Nithart" arisierte.² Erst nach 1970 konnte Rieckenberg diese Theorie als „eine durch nichts begründete Konstruktion entlarven: „Ihre Erfinder wollten in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen nicht eingestehen, dass der wirkliche Schöpfer des Isenheimer Altars Grünewald/Grün eine getaufte Jüdin geheiratet hat.
³
Getauft, nun ja, was heißt das schon? Und warum zitiert der Maler mit dem verdächtig jüdisch riechenden Namen Grünewald in seinen Bildern so häufig aus dem jüdischen, dem Alten Testament? Zum Beispiel jenes „Er ist um unser Sund willen geschlagen, das seit den Paulusbriefen Jesu Kreuzigung als Erfüllung und Ablösung des alten Judentums beweisen sollte? Ist dies, fragt skeptisch Rieckenberg, „das Bekenntnis eines gläubigen Christen, der dann in der Aschaffenburger Beweinung seinen Frieden gefunden hat?
⁴
Einen Frieden, den er „übel verheuratet mit dieser Jüdin nicht finden konnte? Ist auch die „bös Vernunfft
, der „Wahnsinn des „Juden-Ennchin
Anna Grün als tendenziöse Sicht christlicher Zeitgenossen zu dekonstruieren? „Des Bildschnitzers frau eyn getaufft Juddin und boeser vernunft ist, die in Spital nemen bis auff Besserung" – so wurde der Beschluss noch am 12.Februar 1523, im elften Jahr von Annas neuem Leben als Christin, in das Bürgermeisterbuch eingetragen.
Angesichts der Erfahrungen, die Juden spätestens seit den Kreuzzügen mit der ihnen angelasteten Kreuzigung gemacht hatten, angesichts der den Inquisitoren bekannten Widerständigkeit jüdischen Wesens gegen Taufwasser und auch in Anbetracht von Simon Wiesenthals prägnanter Nachkriegsbilanz von „1900 Jahren Rache für den Tod des Juden Jesus"⁵ wäre es naiv zu meinen, in der Ehe des Juden-Ännchens mit dem Kirchenmaler hätte zwischen Küche, Bett und Kirche dieses religiöse Bild keine Rolle gespielt. Im Gegenteil: Wenn Lücking urteilt, dass „überhaupt erst nach 1511 jene Bilder entstanden, die ihn in den Augen der Nachwelt zu einem der größten Maler der mitteleuropäischen Kultur gemacht haben", dann eröffnet dies einen wertenden Blick auf die Wirkung des weiblichen Wesens, das Mathis Grün ab 1511 wohl fast täglich sah⁶, das sich im August 1512 wohl unter seinem Einfluss taufen ließ und ihn im Dezember dann zum Mann nahm.
Insofern ist mein Stück die Rehabilitierung einer Jüdin – ähnlich wie ich schon 1988 der berühmten, 1788 hingerichteten Diebin Elisabeth Gassnerin – auch sie war jüdischer Herkunft – im Volkstheater zum Recht verhalf und 1994 der 1848 emigrierten jungen Näherin Gitele Ullmann in meinem preisgekrönten Mundartstück „New Heimat die Ehre gab. Wo die berüchtigte „Schwarze Liesel
und die im Nachmärz