Vertrauen gegen Vertrauen: Heimat-Heidi 2 – Heimatroman
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»Du, Heidi?« Luise Berger kam aus der Gaststube in die Küche und sah ihre Schwiegertochter irritiert an. »Ja…?« »Draußen ist der neue Senn von der Steiner-Alm. Er will dich sprechen.« »Ja und?« Die Berger-Heidi wischte sich die Hände an der Schürze trocken und ging zur Tür. »Er hat gesagt, er wollt' dich fragen, ob du ihm was zu essen mitgeben könntest. Er könnt' jetzt aber net zahlen, das würd' er später tun.« Heidi zog die Augenbrauen zusammen. »Bist du sicher, daß es der Senn von der Steiner-Alm ist?« Luise Berger nickte. »Sicher bin ich sicher.« Heidi nickte, dann betrat sie das Gastzimmer. Der neue Senn der Steiner-Alm hatte sich nicht niedergesetzt, sondern stand in der Nähe der Theke. Er war nicht länger als drei oder vier Monate droben auf seiner Hütte, und Heide war ihm erst ein paarmal begegnet. Hubert Leiner, so hieß der Senn, war ein großgewachsener, sehr schlanker, um nicht zu sagen schmaler Mann. Wie er da stand, machte er einen etwas abgekommenen Eindruck, und war sicher nicht so alt, wie er im Moment aussah, Heidi schätzte ihn nicht älter als dreißig. Er hatte große dunkle Augen, und als Heidi auf ihn zuging, sahen sie diese Augen aufmerksam an. »Grüß dich«
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Vertrauen gegen Vertrauen - Stefanie Valentin
Heimat-Heidi
– 2–
Vertrauen gegen Vertrauen
Der neue Senn – ein Wildschütz?
Stefanie Valentin
»Du, Heidi?« Luise Berger kam aus der Gaststube in die Küche und sah ihre Schwiegertochter irritiert an.
»Ja…?«
»Draußen ist der neue Senn von der Steiner-Alm. Er will dich sprechen.«
»Ja und?« Die Berger-Heidi wischte sich die Hände an der Schürze trocken und ging zur Tür.
»Er hat gesagt, er wollt’ dich fragen, ob du ihm was zu essen mitgeben könntest. Er könnt’ jetzt aber net zahlen, das würd’ er später tun.«
Heidi zog die Augenbrauen zusammen. »Bist du sicher, daß es der Senn von der Steiner-Alm ist?«
Luise Berger nickte. »Sicher bin ich sicher.«
Heidi nickte, dann betrat sie das Gastzimmer. Der neue Senn der Steiner-Alm hatte sich nicht niedergesetzt, sondern stand in der Nähe der Theke. Er war nicht länger als drei oder vier Monate droben auf seiner Hütte, und Heide war ihm erst ein paarmal begegnet.
Hubert Leiner, so hieß der Senn, war ein großgewachsener, sehr schlanker, um nicht zu sagen schmaler Mann. Wie er da stand, machte er einen etwas abgekommenen Eindruck, und war sicher nicht so alt, wie er im Moment aussah, Heidi schätzte ihn nicht älter als dreißig. Er hatte große dunkle Augen, und als Heidi auf ihn zuging, sahen sie diese Augen aufmerksam an.
»Grüß dich«, sagte sie und lächelte ihn freundlich an. »Du wolltest mich sprechen?«
Verlegen sah der Senn sie an, dann nickte er. »Es ist normal net meine Sach’, jemand um was zu bitten. Aber ich hab’ jetzt schon seit Tagen nix Gescheites mehr gegessen und da wollt’ ich dich fragen…«
»Gibt der Steiner dir nix hinauf auf deine Alm?« fragte Heidi, während sie Hubert Leiner die Speisenkarte zuschob. »Außerdem hat ein Senn doch immer Milch und Käse da.«
»Entschuldigung, ich woll’ net aufdringlich sein«, murmelte Leiner, dann drehte er sich um und schien gehen zu wollen.
»Aber was ist denn?« rief Heidi hinter ihm her. »Sicher kannst was zu essen haben. Du kannst dir auch Geselchtes und Wurst mitnehmen. Ich will dich auch net ausfragen, aber komisch ist es schon, wenn ein Senn auf einer Alm net satt zu essen hat.«
Hubert Leiner kam zurück. Heidi sah ihm deutlich an, daß es ihm nicht leichtfiel, sie um Essen zu bitten.
»Der Steiner«, sagte er, »verlangt jeden Liter Milch, den die Kühe geben. Käs’ produzier’ ich keinen, und wenn ich täglich den einen oder anderen Liter Milch abzweig’, dann hab’ ich schon ein schlechtes Gewissen.«
»Und zu essen schickt er dir nix hinauf?« Heidi sah den Senn verständnislos an.
Der schüttelte den Kopf. »Außer einer Seite Speck und einem Brot ganz am Anfang hab’ ich noch nix bekommen.«
»Ja, ist der Steiner denn völlig übergeschnappt?« Die Berger-Heidi sah ärgerlich drein. »Man kann doch keinen Menschen ohne Essen lassen. Du kannst aber doch hinunter nach Hinterjoch gehen, und dir was kaufen.«
Verlegen wich Leiner Heidis Blick aus, dann schüttelte er den Kopf. »Ich kann mir nix kaufen«, sagte er leise, »weil ich bisher auch noch keinen Lohn bekommen hab’.«
»Ja, Herrschaftszeiten«, brummelte Heidi. »Frißt der Geiz den Steiner inzwischen denn ganz auf? Er ist einer der reichsten Bauern der Gegend und seine Bediensteten behandelt er, als wenn sie Leibeigene wären.«
Einige Augenblick standen der Senn der Steiner-Alm und Heidi stumm nebeneinander, dann forderte sie ihn auf, Platz zu nehmen.
»Was möchst denn trinken?« fragte sie. »Ein Bier? Und was du essen magst, das suchst dir auf der Karte aus. Einen sehr schönen Schweinsbraten könntest zum Beispiel haben, dazu Semmelknödel und Kraut. Aber auch alles andere, ganz wie du magst.«
»Ich kann aber net zahlen…!«
»Dann zahlst halt, wenn du es kannst«, antwortete Heidi. »Ich pack dir inzwischen noch bissel was ein. Du mußt doch was zu essen haben. Und zu trinken auch. Hast du einen Rucksack dabei?«
Hubert Leiner schüttelte den Kopf.
»Dann geb’ ich dir einen mit«, sagte die fesche Wirtin, »den hat mal wer hier hängen lassen. Ganz neu ist er nimmer, aber die Sachen hinüber zur Alm tragen, das kannst schon noch damit.«
»Ich will nix mitnehmen«, murmelte der hoch aufgeschossene Senn. »Ich…!«
»Du nimmst es mit«, erwiderte Heidi, und wie sie es sagte, ließ keinen Widerspruch zu.
Hubert bestellte ein Bier und den Schweinsbraten. Dann sagte er, daß er, wenn es recht sei, in die alte Gaststube gehe.
»Sicher ist’s recht«, antwortete Heidi, dann ging sie in die Küche.
Dort bat sie ihre Schwiegermutter, eine Portion Schweinsbraten zuzubereiten.
»Du darfst ihm mehr als üblich geben«, sagte sie, »der arme Bursch’ ist vollkommen ausgehungert.«
»Wieso hat ein Senn denn nix zu essen?« fragte Luise, die dies ebensowenig verstand wie Heidi.
»Der Steiner hat ihm für annähernd vier Monate eine Seite Speck und ein Brot mitgegeben«, erklärte sie. »Das war alles. Die Milch muß der arme Kerl ganz abliefern und Käs’ macht er keinen, so daß er sich mit Milch, die er quasi abgezweigt, durchgeschlagen hat. Jetzt ging’s wohl nimmer. Zum Glück hat er sich hergetraut, er tut mir richtig leid.«
Luise schüttelte den Kopf. »Typisch Steiner-Alfons. Die eigenen Leut’ total mies behandeln, aber am Sonntag immer als Allervorderster mitten in der ersten Reih’ in der Mess’ hocken. Daß ja alle sehen, was für ein gottesfürchtiger Mann er ist. Der kriegt den Rachen auch net voll.«
Zuerst brachte Heidi Hubert ein großes Bier, zwanzig Minuten später den Schweinsbraten.
»Da kannst gern noch mehr haben«, sagte sie, »aber die Luise hat schon ordentlich aufgepackt.«
»Oje«, Hubert starrte auf den Teller, man sah ihm an, daß ihm das Wasser im Mund zusammenlief. »Soviel bekomm’ ich gar net gegessen, beim besten Willen net.«
»Red net, was du net essen kannst«, sagte Heidi, »schau lieber zu, daß es dir schmeckt.« Dann zeigte sie auf das viertelvolle Bierglas. »Trink aus, ich bing dir noch eins.«
Als sie es brachte, aß Hubert mit großem Appetit.
»So was Gutes hab’ ich noch nie gegessen«, murmelte er, dann zeigte er an die holzgetäfelten Wände, wo außer alten und schon vergilbten Fotos noch ein paar Kruzifixe und viele Trophäen hingen. »Wer hat denn die Gams, Hirsche und Rehböck’ geschossen?«
»Hauptsächlich mein Schwiegervater«, antwortete Heidi, »ein paar auch mein Mann.«
»Geht dein Mann noch jagen?« wollte Hubert Leiner wissen.
Heidi schüttelte den Kopf. »Er ist seit neun Jahren tot. Beim Holzschlägern verunglückt.«
»Oh, das… das tut mir leid.«
»Ist schon recht«, sagte Heidi, dann wünschte sie weiterhin guten Appetit.
Eine halbe Stunde später klopfte Hubert an die Küchentür und brachte den Teller zurück. Er hatte alles aufgegessen, weshalb er verlegen dreinschaute und sich entschuldigte.
»Ich hab’ noch nie so gut gegessen wie heut’«, sagte er, »aber auch noch nie so viel. Ich kann kaum noch gehen.«
Luise lächelte zufrieden, wie immer, wenn man ihre Küche lobte.
Heidi zeigte auf einen prall gefüllten Rucksack. »Den nimmst du mit. Da ist was drin für die nächsten Tage. Und wenn du wieder was brauchst, du weißt, wo wir sind.«
Hubert Leiner stand da und wußte nicht, was er tun sollte. Er sah zuerst die Luise