Mami 1947 – Familienroman: Wenn Kinder wieder glücklich sind
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Der bläuliche Schimmer der versteckt angebrachten Strahlerlampen ließ die Gesichtshaut der am Tresen sitzenden Gäste fahl erscheinen. Toni, der seit mehr als drei Jahren im ›Irish Pub‹ die Gäste bediente, hatte seinen Chef schon etliche Male darauf hingewiesen, daß die Beleuchtung von den weiblichen Gästen nicht sehr geschätzt wurde. Doch der Besitzer der kleinen Kneipe war stolz auf seine typisch irische Einrichtung. "Alle Pubs in Irland haben solches Licht", behauptete er stur, obwohl er Irland überhaupt nicht kannte. Seit zwanzig Jahren verbrachte er seinen Urlaub regelmäßig auf Mallorca. Wenn er zurückkam, lief er einige Wochen lang mit mißmutiger Miene herum. "Die schreiben Umsatzzahlen bei den ›Ballermännern‹", erzählte Toni voller Neid. "Am liebsten möchte ich den Laden hier schließen und dort eine Kneipe eröffnen." Sein Barkeeper machte sich weiter keine Gedanken darüber. Er wußte, daß sein Job sicher war, auch wenn der Chef ständig über zuwenig Umsatz maulte. Heute abend war Toni allerdings heilfroh, daß der Besitzer sich nicht blicken ließ. Nur drei Männer saßen am Tresen und starrten gelangweilt in ihr Bier. Mit gewandten Bewegungen polierte Toni die Gläser und warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr an der rechten Wandseite. Vor Mitternacht wurde ein Boxkampf im Fernsehen übertragen. Er seufzte unterdrückt. Trotz der wenigen Gäste konnte er nicht hoffen, den Pub schon so früh schließen zu können. Die nur schleppende Unterhaltung erstarb ganz, als die Tür geöffnet wurde. Ein kalter Luftschwall kam herein, und die Rauchschwaden zerstoben im milchigen Licht der von außen leuchtenden Straßenlaterne.
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Mami 1947 – Familienroman - Kathrin Singer
Mami
– 1947–
Wenn Kinder wieder glücklich sind
Die turbulenten Zeiten sind vorbei
Kathrin Singer
Der bläuliche Schimmer der versteckt angebrachten Strahlerlampen ließ die Gesichtshaut der am Tresen sitzenden Gäste fahl erscheinen.
Toni, der seit mehr als drei Jahren im ›Irish Pub‹ die Gäste bediente, hatte seinen Chef schon etliche Male darauf hingewiesen, daß die Beleuchtung von den weiblichen Gästen nicht sehr geschätzt wurde. Doch der Besitzer der kleinen Kneipe war stolz auf seine typisch irische Einrichtung.
»Alle Pubs in Irland haben solches Licht«, behauptete er stur, obwohl er Irland überhaupt nicht kannte. Seit zwanzig Jahren verbrachte er seinen Urlaub regelmäßig auf Mallorca. Wenn er zurückkam, lief er einige Wochen lang mit mißmutiger Miene herum.
»Die schreiben Umsatzzahlen bei den ›Ballermännern‹«, erzählte Toni voller Neid.
»Am liebsten möchte ich den Laden hier schließen und dort eine Kneipe eröffnen.«
Sein Barkeeper machte sich weiter keine Gedanken darüber. Er wußte, daß sein Job sicher war, auch wenn der Chef ständig über zuwenig Umsatz maulte.
Heute abend war Toni allerdings heilfroh, daß der Besitzer sich nicht blicken ließ. Nur drei Männer saßen am Tresen und starrten gelangweilt in ihr Bier.
Mit gewandten Bewegungen polierte Toni die Gläser und warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr an der rechten Wandseite. Vor Mitternacht wurde ein Boxkampf im Fernsehen übertragen. Er seufzte unterdrückt.
Trotz der wenigen Gäste konnte er nicht hoffen, den Pub schon so früh schließen zu können.
Die nur schleppende Unterhaltung erstarb ganz, als die Tür geöffnet wurde.
Ein kalter Luftschwall kam herein, und die Rauchschwaden zerstoben im milchigen Licht der von außen leuchtenden Straßenlaterne.
»Guten Abend«, der neue Gast grüßte mit nachlässig gehobener Hand. Er ließ sich am Tresen nieder, und augenblicklich erlosch das Interesse der wenigen anderen Männer an ihm. Zögernd wurde die Unterhaltung wieder aufgenommen.
»Was darf’s denn sein?« Dienstbeflissen beugte Toni sich vor und schaute den Neuankömmling an.
»Ein großes Glas Guinness«, bestellte der und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
Toni zapfte das dunkle Gebräu in ein Original aus Irland importiertes Glas. Der Gast bedankte sich mit einem Lächeln, als er es vor ihm hinstellte.
»Zum Wohl«, durstig nahm er einen großen Schluck und wischte sich genießerisch den Schaum von der Oberlippe.
»Das Bier ist wirklich vorzüglich«, meinte er anerkennend.
Der neben ihm sitzende Mann nickte zustimmend.
»Ja, Toni ist ein Meister in seinem Fach. Das Bier ist genau richtig gezapft. Außerdem schüttet er jeden Abend die ersten Gläser aus dem Hahn weg, wie es sich gehört.«
Toni lächelte geschmeichelt.
»Danke, Martin.« Mit einem bedauernden Lächeln setzte er hinzu: »Leider kommst du so selten zu uns.«
Martin Scholz zuckte mit den Schultern. »Du weißt, daß ich es mir zeitlich kaum leisten kann.«
Das Gesicht des Barkeepers nahm einen mitfühlenden Ausdruck an.
»Klar, Martin, das kann ich verstehen.« Er griff nach dem leeren Glas des Gastes. »Willst du noch eins?« Der nickte nach kurzem Zögern.
Auch der neben ihm Sitzende schob sein Glas auf dem Tresen ein Stück vor. »Für mich auch noch eins, bitte.«
Die beiden anderen Männer saßen zwei Barhocker entfernt und unterhielten sich halblaut miteinander. Martin schaute seinen Nebenmann an. »Das Wetter ist scheußlich, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen«, der andere seufzte.
»Eigentlich müßte es schon viel wärmer sein«, fuhr Martin fort. »Wir haben eine Menge Schwierigkeiten. Wegen des gelegentlichen Nachtfrostes können wir einige Aufträge nicht termingerecht ausführen. Und Sie können sich ja vorstellen, wie die Kunden toben, wenn es nicht nach ihrem Wunsch geht.«
Sein Nebenmann lachte verhalten. »Ja, das ist wohl in jeder Branche so.« Er trank einen Schluck Bier. »Übrigens, ich heiße Dietmar Renka, und ich bin in der Computerbranche tätig.«
Martin erwiderte sein freundliches Lächeln.
»Ich bin Martin Scholz und arbeite, wie Sie, ach was«, unterbrach er sich, »wie du schon ahnst, im Baugeschäft. Prost!« Er hob sein Glas.
»Zapf uns bitte noch zwei«, wandte er sich an Toni.
Bald schon waren die beiden Männer in eine lebhafte Unterhaltung vertieft. Martin Scholz war selbständiger Architekt, und es stellte sich heraus, daß er genau mit dem Computersystem arbeitete, das von Dietmars Firma vertreten wurde.
Toni wunderte sich, Martin war ein seltener Gast und wenn er schon einmal kam, dann blieb er niemals lange.
Heute war die Unterhaltung mit dem neuen Gast offensichtlich so interessant, daß er nicht mehr an die Zeit dachte.
Während einer Gesprächspause bestellte Dietmar eine neue Runde.
»Sind Sie neu hier in der Gegend?«, erkundigte sich der Barkeeper.
Dietmar nickte. »Ja, wir sind vor vier Wochen in die Gärtnerstraße gezogen.«
Martin beugte sich interessiert vor. »In das Eckhaus mit dem großen Grundstück?«
»Ja«, Dietmar seufzte. »Meine Frau hat schon immer von einem parkähnlichen Garten geträumt. Aber jetzt fragt es sich, wer die ganze Arbeit machen soll.«
»Setz eine Kleinanzeige in die Zeitung!«, riet Martin ihm. »Dann melden sich bestimmt irgendwelche jungen Leute. Studenten...«, er brach ab und hieb leicht mit der Außenkante seiner Hand auf den Tresen. »Stefan könnte euch eigentlich helfen. Er verdient sich immer gern ein paar Mark nebenbei.«
Dietmar schaute ihn interessiert an. »Ich vermute, Stefan ist dein Sohn.«
Martin nickte. »Ja, Stefan ist jetzt dreiundzwanzig. Er studiert Betriebswirtschaftslehre.« Ein versonnener Ausdruck erschien auf Martins Gesicht. »Er ist sehr vernünftig, eigentlich viel zu vernünftig für sein Alter«, setzte er seufzend hinzu.
Dietmar lachte kurz und trocken auf. »Meine Älteste ist zwanzig.« Er trank einen Schluck Bier. »Und oftmals wünschte ich mir, sie wäre ein bißchen realistischer.«
»Na, in dem Alter haben sie doch noch ein Recht auf Träume.«
»Sicher«, stimmte Dietmar zu. »Aber manchmal habe ich Angst um Sonja. Und gerade jetzt...«, er brach ab. Ein verzweifelter Ausdruck lag auf seinem männlich markanten Gesicht. Unvermittelt ballte er beide Hände zu Fäusten. Es sah aus, als wolle er auf den Tresen einschlagen. Doch im letzten Augenblick stoppte er seinen Temperamentsausbruch.
Mit einem leisen, reuigen Lächeln schaute er Martin an. »Entschuldige bitte meine Unbeherrschtheit. Aber ich kann es einfach noch nicht fassen.«
Beide Männer waren sich sehr sympathisch. Martin hatte gewöhnlich keinen besonderen Bezug zu Kneipenbekanntschaften. Er fühlte, daß Dietmar ein Problem hatte. Aber er war zu taktvoll, um ihn daraufhin anzusprechen.
Nach einigen Minuten beklemmenden Schweigens trank Dietmar sein Glas aus. Er winkte den Barkeeper. »Ich möchte gern zahlen.«
Während Toni die Rechnung zusammenstellte, wandte Dietmar sich wieder an Martin. »Ich würde mich freuen, wenn wir uns wieder einmal treffen.«
»Das ist eine prima Idee.« Martin überlegte einen Augenblick lang. »Wie wär’s, wenn du mit