Was verbirgt der junge Graf?: Der kleine Fürst 220 – Adelsroman
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Ich finde es bedauerlich, dass du mich nicht zu meinen Eltern begleitest, sondern es vorziehst, nach Sternberg zu reisen«, sagte Albrecht von Sandheim. Sabrina von Havenbeeck sah ihn an und fragte sich wieder einmal, ob sie ihn schon jemals locker und ungezwungen erlebt hatte. Sie waren seit dem vergangenen Jahr verlobt, aber wenn er mit ihr sprach, redete er noch immer so, als seien sie allenfalls entfernte Bekannte. Wer sonst redete so mit seiner Verlobten: ›Ich finde es bedauerlich…‹? ›Schade, dass du nicht mitkommst zu meinen Eltern‹ – so hätte sie es ausgedrückt, aber Albrecht war Lässigkeit ein Gräuel, auch in der Sprache. Als sie ihn kennengelernt hatte, war ihr genau das sehr anziehend vorgekommen. Aber da hatte sie ja auch gerade ihre erste große Enttäuschung mit einem Mann hinter sich gehabt, der das genaue Gegenteil von Albrecht gewesen war, nämlich locker und charmant, in jeder Situation. Zu locker und zu charmant, wie sie nach einiger Zeit erfahren hatte. Sie war nie die Einzige gewesen, seine Liebe hatte er auch anderen Frauen geschworen und was seine ernsten Absichten anging, nun, die hatte es nie gegeben. Da war ihr Albrecht natürlich wie ein Geschenk des Himmels erschienen. Bei ihm musste sie sich keine Sorgen machen, dass er andere Frauen auch nur ansah. Nie würde er sie belügen, er würde überhaupt nie etwas tun, was gegen die Regeln verstieß. Die erste Zeit mit ihm war tatsächlich schön gewesen, sie hatte ihre Wunden geleckt, sich in seiner Bewunderung, Liebe und Fürsorge gesonnt und den charmanten Filou nach und vergessen. Albrecht und sie hatten sich verlobt, alles war in Ordnung gewesen. Doch ihr kamen mehr und mehr Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Albecht war so… überkorrekt. Man konnte ihn berechnen wie eine mathematische Formel. Nie tat er etwas, das sie überraschte, sie wusste meistens im Voraus, was er sagen würde. So wie jetzt.
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Was verbirgt der junge Graf? - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 220–
Was verbirgt der junge Graf?
Ein Geheimnis wird nach Sternberg getragen
Viola Maybach
»Ich finde es bedauerlich, dass du mich nicht zu meinen Eltern begleitest, sondern es vorziehst, nach Sternberg zu reisen«, sagte Albrecht von Sandheim.
Sabrina von Havenbeeck sah ihn an und fragte sich wieder einmal, ob sie ihn schon jemals locker und ungezwungen erlebt hatte. Sie waren seit dem vergangenen Jahr verlobt, aber wenn er mit ihr sprach, redete er noch immer so, als seien sie allenfalls entfernte Bekannte. Wer sonst redete so mit seiner Verlobten: ›Ich finde es bedauerlich…‹? ›Schade, dass du nicht mitkommst zu meinen Eltern‹ – so hätte sie es ausgedrückt, aber Albrecht war Lässigkeit ein Gräuel, auch in der Sprache.
Als sie ihn kennengelernt hatte, war ihr genau das sehr anziehend vorgekommen. Aber da hatte sie ja auch gerade ihre erste große Enttäuschung mit einem Mann hinter sich gehabt, der das genaue Gegenteil von Albrecht gewesen war, nämlich locker und charmant, in jeder Situation. Zu locker und zu charmant, wie sie nach einiger Zeit erfahren hatte. Sie war nie die Einzige gewesen, seine Liebe hatte er auch anderen Frauen geschworen und was seine ernsten Absichten anging, nun, die hatte es nie gegeben.
Da war ihr Albrecht natürlich wie ein Geschenk des Himmels erschienen. Bei ihm musste sie sich keine Sorgen machen, dass er andere Frauen auch nur ansah. Nie würde er sie belügen, er würde überhaupt nie etwas tun, was gegen die Regeln verstieß. Die erste Zeit mit ihm war tatsächlich schön gewesen, sie hatte ihre Wunden geleckt, sich in seiner Bewunderung, Liebe und Fürsorge gesonnt und den charmanten Filou nach und vergessen. Albrecht und sie hatten sich verlobt, alles war in Ordnung gewesen.
Doch ihr kamen mehr und mehr Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Albecht war so… überkorrekt. Man konnte ihn berechnen wie eine mathematische Formel. Nie tat er etwas, das sie überraschte, sie wusste meistens im Voraus, was er sagen würde. So wie jetzt. Sie hatte gewusst, er würde enttäuscht sein, wenn sie ihn allein zu seinen Eltern fahren ließ, aber er würde diese Enttäuschung in wohlgesetzte Worte fassen und äußerlich so gelassen bleiben wie immer. Selbst wenn sie Zärtlichkeiten austauschten, blieb er beherrscht, das fand sie beinahe ein wenig unheimlich.
Sie fragte sich, ob seine Reaktion anders ausgefallen wäre, wenn sie ihm den Grund für ihre Reise nach Sternberg genannt hätte. Baronin Sofia von Kant war eine Frau, die sie schätzte und der sie vertraute, und so hoffte sie, Sofia würde ihr einen Rat geben können: Sollte sie die Verlobung mit Albrecht lösen oder nicht? Wegen dieses Gesprächs wollte sie nach Sternberg reisen, alle anderen Gründe, die sie vorgebracht hatte, waren nur vorgeschoben.
»Es tut mir leid, dich zu enttäuschen, Albrecht«, erwiderte sie, fast so förmlich wie er. »Aber ich habe Sofia und ihre Familie lange nicht gesehen, ich war schon ewig nicht mehr auf Sternberg. Ich habe so viel gearbeitet in der letzten Zeit, ich brauche eine Auszeit, von allem. Wenn wir bei deinen Eltern sind, bedeutet das gleich wieder jede Menge gesellschaftlicher Verpflichtungen, das weißt du.«
»Als meine Frau wirst du ihnen gerecht werden müssen«, sagte Albrecht. »Es wäre also besser, dich eher früher als später daran zu gewöhnen.«
Das war auch so ein Punkt, der sie mit Schrecken erfüllte: Die Sandheims waren ungeheuer vermögend und einflussreich. Als Albrechts Frau würde sie tatsächlich mehr ins Rampenlicht rücken, als ihr lieb war. Sie war kein schüchterner Mensch und konnte sich auf gesellschaftlichem Parkett sicher bewegen, aber sie hatte keine Freude an großen Einladungen zum Essen, an Bällen und glitzernden Empfängen. Sie war lieber in der Natur, redete, wie es ihr in den Sinn kam und kleidete sich sportlich.
Sie hatte gerade ihr Studium der Tiermedizin abgeschlossen und ihre erste Stelle in einer großen Tierarztpraxis in Hamburg angetreten. Die Arbeit machte ihr Freude, aber natürlich wusste sie, dass Albrecht nicht glücklich darüber war.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, setzte er hinzu: »Und ich denke auch nicht, dass deine gesellschaftlichen Aufgaben mit deiner Arbeit in Einklang zu bringen sein werden. Wir haben ja schon öfter darüber gesprochen. Ich weiß, du bist gern Tierärztin, aber als meine Frau wirst du die Zeit dafür nicht mehr finden.«
Er drückte es sehr zurückhaltend und nicht ganz zutreffend aus. Von den Frauen der Sandheims wurde erwartet, dass sie vor allem schön und stilsicher waren, perfekte Gastgeberinnen, geübt in kultivierten, aber niemals kritischen Gesprächen. Wenn sie arbeiteten – was die meisten nicht taten – dann waren sie Teilzeit-Juristinnen in teuren Kanzleien oder arbeiteten bei Finanzdienstleistern, aber das waren Ausnahmen. Keinesfalls machten sie etwas so Unappetitliches, wie kranke Hunde und Katzen zu behandeln. Und schon gar nicht arbeiteten sie, weil sie es gern taten und weil ihnen ihre Selbstständigkeit wichtig war.
»Wir werden sehen, Albrecht«, sagte Sabrina. Diese Diskussion wollte sie jetzt nicht führen. Es war beinahe unmöglich, mit Albrecht zu streiten, aber wenn es um ihre Berufstätigkeit ging, waren sie schon einige Male kurz davor gewesen.
»Ich hoffe sehr, du überlegst es dir noch einmal. Mama wollte dich bei ihren Damen einführen.«
Er betonte ›Mama‹ auf der zweiten Silbe, so dass es beinahe französisch klang. Sie hatte das von Anfang an albern gefunden. Auch ›Papa‹ betonte er auf diese Weise, und genau so machten es seine Geschwister.
»Bei welchen Damen denn?«, fragte sie, unwillkürlich erschrocken.
»Sie ist ehrenamtlich tätig, das habe ich dir doch erzählt. Es ist ein kleiner Kreis, der sich regelmäßig trifft und bespricht, welche Institutionen in den Genuss des gesammelten Geldes kommen.«
»Beim nächsten Mal«, sagte Sabrina. »Ich habe mich auf Sternberg schon angemeldet, ich überlege es mir sicher nicht anders.«
Er bewahrte auch jetzt seine Haltung, nichts an seinem unbewegten Gesicht verriet, ob er verärgert oder verletzt war, und plötzlich ertappte sie sich bei dem Wunsch, er möge, ein Mal wenigstens, aus der Haut fahren. Aber natürlich tat er das nicht. Er war der perfekte Gentleman, wie immer.
*
»WER ist am Apparat?«, fragte Baron Friedrich von Kant ungläubig, als ihm Eberhard Hagedorn, der Butler auf Schloss Sternberg, ein Gespräch ankündigte.
»Graf von Schönhausen, Herr Baron. Benjamin Graf von Schönhausen.«
»Ich fasse es nicht«, murmelte Friedrich. »Stellen Sie das Gespräch bitte durch, Herr Hagedorn.«
Gleich darauf meldete sich eine Stimme, die der Baron im ersten Moment nicht erkannte. »Fritz, bist du dran? Hier ist Ben.«
»Du hast dir ja Zeit gelassen, mein lieber Freund. Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, bei einem Pferderennen, hast du, wenn ich mich recht erinnere, hoch und heilig geschworen, dich bald zu melden und uns hier vielleicht sogar einen Besuch abzustatten. Da lag dein letzter auch schon drei oder vier Jahre zurück.«
»Tut mir leid, dass es doch wieder etwas länger gedauert hat. Aber nun löse ich mein Versprechen ja ein und