Der zugetextete Engel: Beispiele aus religiösem Bilderalltag
By Kurt Dröge
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Einige gesammelte Zeugnisse für den vor-digitalen, religiös (mit-)bestimmten Bilderalltag aus der Phase des Übergangs werden in Gestalt von 'analogen Objektgeschichten' dargestellt. Als kleine, unscheinbare Einzelfälle verweisen sie auf einen grundlegenden kulturellen Wandel vor dem Hintergrund, dass die Geschwindigkeit im Umgang mit Bildern unter der Digitalisierung immer rasanter wird. Die virtuelle Bilderwelt besitzt mit ihrer Abwendung von materiell fassbarer und haptisch greifbarer Visualität, wie sie hier in 'historischen' Beispielen dokumentiert wird, eine fragile, fliehende Grundstruktur.
Kurt Dröge
Sammler und Autor, der vornehmlich an historischer Alltags- und Regionalkultur interessiert ist.
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Book preview
Der zugetextete Engel - Kurt Dröge
Das niedere Bild
Inhalt
Einführung
Befiehl dem Herrn deine Wege
Ein Weihnachtsgedicht
Die Flucht nach Ägypten durch das Riesengebirge
Der zugetextete Engel
Stellvertreter
Die Bilderwelt des Buben Joseph Ratzinger
Gotische Type
Sei getrost und unverzagt
Einführung
Religiöse Bilder als Bestandteile von Glaubensausübung im Sinne des Grundgedankens „Das Wort im Bild" sind im Verlauf der letzten Jahrzehnte bis hin zur Gegenwart immer seltener geworden. In der aktuellen, unüberschaubaren und höchst fragilen Bilderwelt spielen sie trotzdem noch eine Rolle, indem ihre visuellen Signale und deren inhaltliche Bestandteile in verfremdeten, zumeist instrumentalisierenden Formen auftauchen. Häufig wird ihre Herkunft mit den religiösen, moralischen oder sozialen Botschaften des christlichen Zeicheninventars aus vorindustriellen Gesellschaftsformationen nicht oder kaum noch erkannt – und dennoch genutzt oder besser: benutzt.
Das 20. Jahrhunderts hat eine Phase des Überganges auf diesem Weg dargestellt. Als es begann, gab es eine historisch gewachsene, feste, verständliche und verstehbare religiöse Bilderwelt, die als solche zwar auch bereits kommerzialisiert wurde, für satirische, karikierende oder sonstwie verfremdende oder infragestellende Darstellungen jedoch kaum zur Verfügung stand. Als das Jahrhundert endete, waren sämtliche Tabus auch im Umgang mit religiösen Zeichen gebrochen. Deren massenhafte „Anwendung", die man wohl populistisch nennen darf, geschah und geschieht in allen nur denkbaren Lebens- und Wahrnehmungsbereichen und deren Bedeutung ist immer stärker in Bereiche entweder einer verbreiteten Oberflächlichkeit oder des Suggestiven und der unbewussten Beeinflussung hinüber gewechselt. Das Kreuz etwa als zentralstes Symbol christlicher Religion bedarf seitdem immer dringender eine neuen, aktuellen bildanalytischen Aufarbeitung.
Die Phase des Überganges ist gekennzeichnet gewesen von einer, recht pauschal formuliert, Indienstnahme religiöser Zeichenhaftigkeit und Symbolik in alltäglicher Bildproduktion mit immer stärkeren Tendenzen zur kulturalen Säkularisierung. Beispiele für eine solche Entwicklung werden im vorliegenden Bändchen vorgestellt. Sie entstammen disparaten kulturellen Bereichen. Gemeinsam ist ihnen freilich ihr „analoger" Charakter in Gestalt ihrer zeitlichen Fassbarkeit und Abhängigkeit sowie ihrer Materialität auf Papier oder auch Leinwand. Die Beschäftigung mit ihnen ist, obgleich die schlichten Bildobjekte durchweg kein besonders hohes Alter haben, inzwischen historisch zu nennen und geht also in gewisser Weise zurück hinter die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, in welchen die Digitalisierung sich wirkmächtig auf alle Aktivitäten bildanalytischer Art gelegt und diese dominiert hat.
Nachdem der iconic oder pictorial turn als eine heftige Modeerscheinung in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, die in einer Phase um das Jahr 2000 phasenweise hype-artige Züge angenommen hatte, wohl endgültig überwunden zu sein scheint, sollte es möglich sein, zu einer Stetigkeit im neugierigen Umgang mit Bildern zurück zu finden. Zu den Voraussetzungen und zum Profil gegenwärtiger Bildwissenschaft gehört unter anderem, dass der tägliche Umgang mit einer digitalen, internetbasierten Bilderwelt so selbstverständlich für alle Generationen geworden ist, dass Blicke auf den vor-digitalen Bilderalltag (der älteren Generationen, vor allem aber in historischen Zeitabschnitten) deutlich weniger selbstverständlich erscheinen, zwar keiner Rechtfertigung bedürfen, aber vielleicht demnächst auch einer Art erneuerter Begriffsbestimmung harren. (Die Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft in Tübingen mit ihrem virtuellen Institut und ihrer Zeitschrift deutet hier einen möglichen Weg an.)
Hoffentlich wird dies zukünftig nicht nur im Rahmen von sich ständig ablösenden Turns erfolgen, was unter anderem zur Konsequenz hätte, dass bildgeschichtliche Betrachtungen generell zu modischen Trends degenerieren würden. Stattdessen ist wünschenswert, die „Visualisierung der Wissensgesellschaft, etwa unter dem Motto „mit Bildern leben
, als ein stetiges und selbstverständliches Untersuchungsfeld historisch-kulturkundlicher Wahrnehmung zu bestimmen – oder: die traditionell so genannte Bild-Kunde tatsächlich als integralen Bestandteil der Alltagskulturforschung zu begreifen.
Eine Zeitlang haben sich nahezu alle nur möglichen Wissenschaftsdisziplinen auf die Bilder und ihre „Macht im Sinne des Einflusses nonverbaler Kommunikation auf Kultur und Gesellschaft geworfen, bevor, wie derzeit, wieder einmal die Sachen „dran
waren im Sinne einer „Macht der Dinge. Wie ein ergebnisartiger Extrakt aus dieser Tatsache zu formulieren wäre, wird sicherlich an anderer Stelle weiter diskutiert werden, auch im Anschluss an die bereits bestehende Forderung, Kunst (auch) unter Aspekten einer Sachkulturforschung zu betrachten (bereits 1970 wurde die „Kunstpopularisierung als volkskundliches Dokumentationsproblem
beschrieben).
So wichtig die die zahlreichen theoriegeleiteten Beiträge einer Bildwissenschaft sind, die zuweilen allerdings zum Schlagwort zu verkommen droht, so wichtig dürfte heute die überblicksartige Auswertung von konkreten Einzelfallstudien sein. Sie sind zumeist in der (sozialwissenschaftlich beeinflussten) Kunstwissenschaft und in der Volkskunde entstanden. Ihr Feld ist der „Bilderalltag", der über relativ klare Abgrenzungen gegenüber den Arbeitsfeldern der Archäologie, Kunstgeschichte und Geschichte sowie weniger klare gegenüber der Kultursoziologie und Psychologie oder den Medienwissenschaften verfügt.
Eine Schnittmenge zwischen volkskundlicher und psychologischer Bildbetrachtung besteht in der Erinnerung in Gestalt von Bildern und bildlichen Vorstellungen, denen keine irgendwie geartete Materialität innewohnt und die sogar kaum erzähl- und reproduzierbar sind, obgleich ihnen reale Ereignisse zugrunde liegen können. Zu ihnen können traumatisierende Schreckensbilder des Holocaust gehören, die Betroffene lebenslang mit sich tragen, aber auch individuelle Paradiesbilder, die als Glaubensbilder ebenso zeit des Lebens Bestand haben. Beider Verhältnis zu erlebter, erzählerisch vermittelter oder gelernter Bildlichkeit samt Inhalt bleibt grundsätzlich schwer zu fassen. Hier liegen Schwierigkeiten, aber auch Chancen im Umgang (auch und gerade) mit religiösem Bildgut, gerade wenn es gilt, so etwas wie ein „kollektives Bildgedächtnis" heraus zu arbeiten.
In der heutigen alltäglichen Bilderflut, die digital bestimmt ist und in globalen Dimensionen abläuft, vermischen sich alle nur denkbaren visuellen Elemente miteinander. Ob der diesen Prozess leitenden riesigen Geschwindigkeit wird es immer schwieriger, einzelne Elemente herauszufiltern sowie in ihrer (ursprünglichen) Bedeutung und aktuellen Wirkung zu betrachten.
Das ist noch vor wenigen Jahrzehnten anders gewesen. Bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hat die überkommene „traditionelle" Bilderwelt, trotz Fotografie, Film und Internet als umwälzenden Novationen dieses Zeitabschnittes, eine wesentliche Rolle in Erziehung, Bildung, Erlebnis, Erinnerung und – individuellem wie kollektivem – Bildgedächtnis gespielt. Miteinander verwoben waren dabei stets mehrere Bereiche visueller Kultur und unter ihnen besaß das religiös bestimmte oder zumindest mitbestimmte Bild einen maßgeblichen Stellenwert. Religiöse Symbolik aus der christlichen Ikonographie wurde als solche erkannt und zielgerichtet in die kulturellen Bereiche des Alltagslebens eingebracht: in Gestalt von medial massenhaft verbreiteter Glaubensverkündigung, aber auch als kommerzielle Werbung, Kirchenkritik und Satire oder auch politisches Statement.
Die materiell greifbare Bildwelt der Generationen, die im 20. Jahrhundert gelebt haben, war durchsetzt von einer Vielzahl druckgraphischer Erzeugnisse, die sich nicht nur an ästhetischen aus der Kunst, sondern auch an religiösen Vorstellungen und Vorbildern orientiert haben, oft an einer Kombination aus beiden. Die Liste aller hierher gehörigen Formen von Bildern aller Art kann nur angedeutet werden: Fotografien aus dem Lebenslauf, papierene Zeugnisse von Lebensübergängen, Andachts- und Erinnerungsgraphik unterschiedlichster Art und Wandschmuck diversester Herkunft gehörten ebenso dazu wie Umschläge von Büchern, Schallplatten und CDs, schulische Lehr- und Lernmittel oder auch Post- und Glückwunschkarten in millionenfacher Variation.
Angesichts des heftig fortschreitenden Abkommens vom „stehenden Bild, der materiell fassbaren und häufig als aufbewahrenswert angesehenen Abbildung, zugunsten einer nur noch digital rezipierbaren und erhaltenen „papierfreien Bilderwelt
sind fast alle Bilder des 20. Jahrhunderts sowie auch diejenigen, die ihnen vorausgegangen sind, unversehens zu historischen visuellen Artefakten mit starken Musealisierungstendenzen