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vom Zufall geküsst
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vom Zufall geküsst

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About this ebook

Nicht daran zu glauben, bedeutet nicht, dass es nicht existiert. Der Mensch glaubt nichts, was er nicht selbst erlebt hat.

New York City: Zufall passiert, Schicksal bestimmt. Der Roman »vom Zufall geküsst« erzählt die Geschichte eines erfolgreichen, jungen Mannes, der durch einige Entscheidungen sein Leben drastisch verändert. Anlass zur Veränderung ist der Zufall, verkörpert durch die lebensfreudige, charismatische Clair. Das junge Liebespaar lässt die Stadt hinter sich. Die Erzählung spielt auf einer weltumfassenden Bühne - eine Reise um die Welt beginnt, auf der Suche nach dem Glück. Der Protagonist erwacht weggesperrt hinter eisernen Gittern. Gibt ihm das Schicksal eine zweite Chance oder endet seine Suche in dieser Zelle?

»Liebe, innige Liebe, vergängliche Liebe, die Schwierigkeiten des Lebens, folgenschwere Entscheidungen, Selbstfindung auf dem Weg zum Glück und alles versehen mit einem Hauch Zufall.«
LanguageDeutsch
Release dateApr 1, 2019
ISBN9783749439911
vom Zufall geküsst
Author

Jonathan Schoppa

Jonathan Schoppa, Jahrgang 1999, gehört trotz seines jungen Alters zu den Autoren, die mit viel Professionalität und Rhetorik den Leser in ihren Bann ziehen können. Der Roman »vom Zufall geküsst« ist das erste Werk des jungen Autors aus dem Landkreis Göppingen in der Nähe von Stuttgart, der schon immer ein großer Verfechter der Sprache war und es liebt in seiner Freizeit zu reisen und Zeit mit seiner Familie und Freunden zu verbringen. (Autorentext: Jacqueline W.)

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    Book preview

    vom Zufall geküsst - Jonathan Schoppa

    Wer sucht, findet zwischen tausend Wörtern Millionen Welten.

    Für Mama, Papa, Sophie und A.

    Ich blickte in ihre Augen; das eine grüner als die Hoffnung

    höchst persönlich, das andere so blau wie die ägäische See im

    Antlitz der unvermeidbaren göttlichen Wut des Poseidons.

    Und beide dem endlosen Universum gleich.

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Teil

    Kapitel I: Alltag

    Kapitel II: Rückblick

    Kapitel III: Tycoon

    Kapitel IV: Erster Brief

    Kapitel V: Ich

    Kapitel VI: Rücktritt

    Kapitel VII: Sie

    Kapitel VIII: Zweiter Brief

    Kapitel IX: Wir

    Kapitel X: Sonne

    Kapitel XI: Mond

    Teil

    Kapitel I: Zurück

    Kapitel II: Fort

    Kapitel III: Auf Geschäftsreise

    Kapitel IV: Familie

    Kapitel V: Zusammen

    Kapitel VI: Dritter Brief

    Kapitel VII: Allein

    Teil

    Kapitel I: Nach Hause

    Kapitel II: Seine Augen

    Kapitel III: Vierter Brief

    Teil

    Kapitel I: Ihre Augen

    Prolog

    New York City, 8. August 2016

    Eintönig, drückend heiß. Die Hitze schwebte flimmernd über dem Asphalt und gelbe Taxis schoben sich aus dem Nichts, einer Fata Morgana ähnlich, durch die wabernde Wand aus Hitze und Abgasen.

    Meine Wenigkeit fand ich in einem kleinen, engen Wartezimmer wieder, das von einem Ventilator an der Deckenmitte kärglich gekühlt wurde. Das Geräusch des unrund laufenden Ventilators störte meine Aufmerksamkeit.

    Mir stand der Schweiß auf der Stirn und ich spürte, wie mein Hemd an meinem Rücken kleben blieb. Ich rutschte bis an die Kante des Stuhles um so wenig wie möglich mit der Lederoberfläche in Kontakt zu kommen. Mein schweißiges Leid teilte ich mit einem weiteren Mann, der seinem Äußeren nach zu urteilen, etwas jünger als meine Persönlichkeit zu sein schien. Dennoch, er erinnerte mich an jemanden, den ich sehr gut kannte.

    Aus Scham erkannt zu werden, hielt ich mein Gesicht mit einem vom Zeitungsstapel wahllos gewählten Magazin bedeckt und tat so, als wäre ich in einen interessanten Artikel vertieft. Ich blätterte durch die Zeitschrift und überflog die großen Überschriften und Schlagzeilen und schaute mir einige, über eine Doppelseite gedruckte, bunte Bilder an. Bilder von großen, weißen Yachten, imposanten Villen mit Meerblick und den schönsten tropischen Inseln umgeben von türkisblauem Wasser, die einem jedem Besucher das Paradies auf Erden darboten. Bilder einer längst vergessenen Liebe, ein sich küssendes Paar, das glücklicher nicht hätte sein können, stand sich nun im Gerichtssaal gegenüber. Typischer Klatschblatt-Inhalt. Eines von diesen Bildern ließ mich innehalten. Es war anders als die anderen. Es passte nicht zu den anderen. Es war wie gemalt, gezeichnet von göttlicher Hand und Perfektion in den schillerndsten Farben des Regenbogens. Hauptsächlich dominierten Grüntöne und das strahlende Blau des Himmels. Das Bild hinterließ einen spontanen, natürlichen Eindruck, es war nicht gestellt wie der Großteil der anderen Fotos.

    Das Bild zeigte eine braunhaarige Frau, die ein weißes Sommerkleid mit blauen Farbakzenten trug. Ihr espressobraunes Haar wies einige von der Sonne geküsste Strähnen auf. Sie trug ihr Haar offen und der leichte Wind spielte damit, gebändigt wurde es von einem hellen Sommerhut mit blauer Schleife. Ihren Blick hatte sie in die Ferne gerichtet, sie war vom Betrachter abgewandt. An ihrem Rockzipfel klammerte sich ein kleines Mädchen fest, das sich in den Rockfalten des Sommerkleides zu verstecken versuchte. Wer ist diese Frau? Ich hatte den Eindruck, diesen Park zu kennen. Ich konnte jedoch in der gesamten Zeitschrift keine Angaben zu diesem Bild finden. Ich blätterte die gesamte Zeitschrift durch. Und ein weiteres Mal. Letztendlich nutzte ich einen kurzen Augenblick der Unachtsamkeit des jungen Mannes gegenüber aus und riss die beiden Seiten behutsam aus dem Magazin. Zusammengefaltet verschwand das Bild in meiner Hosentasche. Der Rest des Magazins interessierte mich nicht weiter. Ich legte es zurück auf den Stapel zu den anderen.

    Was mich aber tatsächlich noch interessierte, war das auf ein dunkelblaues Klemmbrett gespannte Formular auf dem Stuhl neben mir, welches mir zum Unterzeichnen ausgehändigt worden war. Am linken unteren Ende des Formulars stand mein vorgedruckter Name mit dem heutigen Datum unter einer langen schwarzen Linie mit gehörig viel Platz für meine Signatur, mit der ich einer Vielzahl von Bedingungen und Verzichten zustimmte beziehungsweise darauf verzichtete.

    Der Kugelschreiber lag schreibbereit auf dem Formular und wartete nur darauf weitere Buchstaben und Wörter zu schreiben. Als ich das Formular und den Kugelschreiber aus dem Winkel meiner Augen streifte, fragte ich mich, was mich eigentlich daran hinderte, es nicht schon längst unterschrieben zu haben. Also faltete ich die Zeitung zusammen, legte sie beiseite und griff nach dem Klemmbrett samt Kugelschreiber.

    Ich überflog es kurzer Hand und blieb wie schon davor am dreizehnten Absatz hängen, der sich mit dem Verzicht auf die Kontaktaufnahme, sowie auf das Recht auf die Bereitstellung der Informationen des Empfängers meiner Samenspende befasste.

    Nichtsdestotrotz tat ich es meinem Gegenüber gleich und unterzeichnete schwungvoll das Formular und legte es wieder auf den Stuhl neben mir. Ich wartete weitere fünf Minuten, die Luft schwebte im Raum, ab und zu streifte mich ein winziger Windhauch des Ventilators, vergeblich, die Schweißperlen verrieten mich. Die jüngere Frau von der Anmeldung trat in das Wartezimmer und nahm dankend mein Formular und das meines Gegenübers entgegen, wobei sie mir sichtlich erleichtert zulächelte, da ich nun endlich beim dritten Versuch unterzeichnet hatte. Sie teilte mir mit, dass ich ihr folgen sollte und den Mann gegenüber bat sie um etwas zusätzliche Geduld bis ihre Kollegin zu ihm kommen würde.

    Janina. Die junge Frau hieß Janina und war 24 Jahre alt, hatte blondes langes Haar und ein liebevolles Gesicht. Sie führte mich durch eine Tür neben der Anmeldung in einen hell erleuchteten Gang zu dessen beiden Seiten sich jeweils zwei weitere Türen befanden. Vor der ersten Tür zu ihrer Linken blieb sie stehen und öffnete diese. Ich schaute mich in dem kleinen, steril wirkenden Raum um. Sie zeigte auf einen kleinen Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem sich ein durchsichtiger Plastikbecher mit gelbem Deckel, Tücher und einer Schritt-für-Schritt-Erklärung lag, sowie einem Stapel anzüglicher Magazine.

    Sie erklärte mir, dass ich die Tür hinter mir verschließen, das Anleitungsblatt durchlesen und mir so viel Zeit nehmen sollte, wie ich bräuchte. Ich sagte nichts und lächelte ihr nur höflichkeitshalber dankend zu.

    Ich nahm auf dem mit einer Plastikfolie abgedeckten, gepolsterten Stuhl Platz und schaute mir das Anleitungsblatt flüchtig an um es wenige Augenblicke später wieder auf den Tisch zurückzulegen und es gegen eines dieser Magazine mit einer äußerst leichtbekleideten Frau auf dem Cover zu tauschen. Ich begann darin zu blättern.

    Nach einer ungewissen Zeit - ich hatte wohl in dem kleinen, sterilen Raum jegliches Zeitgefühl verloren - wusch ich mir die Hände und trat aus dem kleinen Zimmer, zog die Tür hinter mir zu und ging zur Anmeldung, wo ich nun mit einer anderen jungen Dame vorlieb nehmen musste. Ich teilte ihr meinen Namen mit und überreichte ihr einen Aufkleber, auf dem ein Barcode, ein Datum und mein Name stand, das Gegenstück zu dem Aufkleber, der auf dem kleinen Plastikbecher zu finden war.

    Daraufhin verabschiedete ich mich. Sie informierte mich noch im Hinausgeleiten, dass sich das Institut bei mir postalisch melden würde, wenn meine Samenspende erfolgreich für einen Fortpflanzungsversuch verwendet wurde.

    Die Glastür schob sich auf. Ich wurde von einer Wand aus schmelzender Hitze, Abgasen und dem kläglichen Orchester jedmöglicher Verkehrsmittel, die hupend im Stau an roten Ampeln stehend ein Meer aus metallenen Wellen in allen möglichen Farben darboten, empfangen.

    Die Hitze stieg mir allmählich zu Kopfe, weshalb ich die Ärmel meines Hemdes hochkrempelte und die beiden obersten Knöpfe umständlich mit einer Hand öffnete. Ich gliederte mich in den Menschenfluss des hektischen Treibens jener Großstadt ein, der mich ohne jegliches Interesse aufnahm.

    Einige Häuserblocks weiter riss ich mich los und bog in eine Seitenstraße ein, die geradewegs auf den Central Park zuhielt. Ich erhoffte mir eine kühle Brise im Schatten eines großen Baumes, die mich wenigstens etwas erfrischen würde.

    Auf dem Weg ins Innere der grünen Oase, inmitten einer grauen Betonwüste, kaufte ich mir eine Kugel Zitroneneis an einem kleinen Verkaufsstand, das schneller schmolz, als ich es genießen konnte, weshalb die Hälfte auf den Boden tropfte und sich eine Spur aus klebrigen weißen Tropfen hinter mir herzog. Kein Wunder, dass das Polareis schmilzt. Ich schritt über die hölzerne Bow Bridge, auf deren Mitte ein nettes Pärchen stand und sich über das Geländer lehnend unterhielt. In der Ferne, hinter dem grünen Sommerkleid der Bäume, ragten die Häusergiganten der Upper West Side in die Höhe. Sie schienen glücklich zu sein, zumindest für diesen Moment. Glück sollte man teilen.

    Weiter. Ich spazierte den kleinen Weg entlang und drehte mich kurz um, bevor ich mich an den Aufstieg, über einen versteckten Trampelpfad, hinauf auf meinen kleinen Hügel machte. Ich schob die Zweige zur Seite, damit sie mir nicht ins Gesicht schlugen und meine Kleidung verschonten. Das Blätterwerk lichtete sich und vor mir eröffnete sich die schönste Aussicht über die südliche Hälfte des Central Park in Richtung Downtown.

    Erschöpft setzte ich mich unter den einzigen freistehenden Baum, der mich komplett in einen kühlenden Schatten hüllte und vor den beißenden Strahlen der glühenden Sonne schützte.

    Das Beste an meinem geheimen Plätzchen, war zwar auch die wohltuende, kühlende Brise, die einem durchs Haar fuhr, aber die Tatsache, dass man den Platz und insbesondere mich nicht von unterhalb des Hügels sehen konnte, denn das ringsherum wuchernde Gestrüpp schützte vor neugierigen Blicken und lästigen Touristen, die einen auf der Suche nach dem perfekten Bild für jegliche sozialen Medien stören könnten. Dieses kleine Paradies war wohl mein Stück vom Glück, wie mir nun auffiel.

    Gedankenverloren ließ ich meinen Blick über die rauschende See aus grünen Blättern schweifen. Ich genoss jeden einzelnen Moment der ruhigen Stille. Nur vereinzelt drang ein Fetzen vom Stadtlärm durch das dichte, sonst undurchdringliche Blattwerk an mein Ohr, was mich allerdings nicht weiter störte.

    Ich entfaltete die beiden Zeitungsseiten und betrachtete das Kunstwerk aus verschiedenen Blickwinkeln. Central Park.

    I

    Alltag

    Ein Menuett aus verschieden klingenden Melodien, die Tonleiter auf- und abfahrende Tonlagen spielend, erschallte jeden Tag pünktlich zum Glockenschlag, um sieben Uhr. Der Wecker versuchte von sich zu überzeugen, jeden Tag aufs Neue. Jedoch kam ich dem Wecker zuvor und wachte wie jeden Morgen, schon vor dem Chronometer auf. Jetzt wartete ich spannungserfüllt wie ein in der ersten Reihe sitzender Opernenthusiast, auf dessen ersehntes Konzertstück.

    Schwungvoll warf ich die Decke zur Seite, setzte mich auf und griff nach der Fernbedienung für die elektrischen Rollläden meines Apartments. Sofort wurde die gesamte Wohnung vom Sonnenlicht durchflutet und in jedem erreichbaren Winkel erhellt.

    Ich schaute dem Lichtspiel aus tanzenden Sonnenstrahlen, die sich durch die Lamellen der Rollläden quetschten und ein Wirrwarr aus Lichtstreifen an den Wänden hinterließen, so lange zu, bis sie gänzlich verschwanden und der gesamte Raum gleichmäßig beleuchtet war.

    Auf dem Weg ins Bad blieb ich an den großen, bodentiefen Fenstern stehen und schaute hinaus auf die Skyline von New York und anschließend hinab auf die kleinen Menschen und Fahrzeuge, die wie Spielzeugautos aussahen.

    Ich streckte mich. Im Bad wusch ich mir das Gesicht, ging auf die Toilette und zog mir den Morgenmantel über. Auf dem Weg in die Küche scrollte ich durch mein Smartphone. Ich bereitete mir einen aromatischen Kaffee und ein kleines Frühstück zu, wie jeder Mensch auch, der sich alltäglicher Normalität bediente. Währenddessen las ich in der New York Times den Artikel auf dem Titelblatt. Jedoch legte ich die Zeitung relativ schnell wieder beiseite. Ich las wie immer nur zwischen den Zeilen, wenn mich etwas nicht komplett interessierte.

    Während ich im Stehen meinen Kaffee trank, starrte ich an die weiße Wand hinter dem Küchentresen. Die Bilder wechselten vor meinem geistigen Auge durch, aneinandergereiht und abgehackt wie bei einer Präsentation mit einem Diaprojektor. Einige Bilder waren verschwommen und nicht ganz deutlich, andere zeigten nur eine schwarze, einheitliche Fläche. Bilder einer ausgelassenen Feier, einer Vielzahl von geleerten Flaschen, Champagner, Wodka sowie Bilder von Gesichtern, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Ich musste den gesamten Sonntag verschlafen haben. Mein Smartphone lag auf dem weißen Marmor des Küchentresens mit dem Bildschirm nach unten. Es vibrierte. Ich griff danach und drehte es um. Eine Benachrichtigung meines Kreditinstituts. Die Gesichtserkennung entsperrte den Bildschirm, die Bank-App öffnete sich. Ich blickte auf den Kontostand und auf die darunter aufgelisteten Ausgaben. Das Tages-Resümee von Samstag und Sonntag belief sich auf eine fünfstellige Zahl. Ich blinzelte und rieb mir die Stirn. Ich scrollte durch die Fotos in der Bildergalerie. Die schwarzen Lücken der Diashow füllten sich allmählich. Frauen mit langen blonden Haaren in schwarzen, kurzen Abendkleidern; je zwei auf einer Seite in meinen Armen. Bilder mit einigen berühmten Persönlichkeiten, die sich im VIP-Bereich der bekanntesten Clubs der Stadt die Nacht um die Ohren schlugen. Ich musste grinsen. Das Smartphone verschwand in der Außentasche meines Morgenmantels. Mit jedem weiteren Schluck des braunen Gebräus schärften sich meine Sinne. Die Tasse leerte sich und am Boden blieb der Rest des Kaffeesatzes zurück, ein seltsames Gebilde. Ich drehte die Tasse und betrachtete den Rest meines Kaffees aus verschiedenen Perspektiven. Es sah aus allen Richtungen gleich aus. Eine Acht bleibt wohl immer eine Acht.

    Mein Blick wanderte mein Handgelenk entlang und kam auf dem Zifferblatt meiner Armbanduhr zur Ruhe - es war Viertel vor Acht. Verdammt! Noch fünfzehn Minuten. Duschen, anziehen, Sachen zusammensammeln, Haare kämmen. Genau eine Minute vor acht Uhr zog ich meine Schuhe an und schnürte sie zu. Ich war wieder im hektischen Alltag einer nie stillstehenden Großstadt angekommen.

    Ich riss die Tür auf und sah eben noch, wie Lisa ihren Zeigefinger ausstreckte und die Klingel drücken wollte.

    Überrascht schaute sie auf.

    »Da bist du ja! Woher die Pünktlichkeit?«

    Ich grinste sie an.

    »Einfach mal was Neues ausprobieren.«

    »Hast du gut geschlafen?«, ihr Blick verriet mir den Hintergedanken, den sie dabei hegte.

    »Wie ein Bär im Winter.«

    Wir gingen zum Aufzug und fuhren nach unten in die Tiefgarage, währenddessen hielt Lisa einen Vortrag über die wichtigsten Neuigkeiten des amerikanischen Marktes. Sie erzählte von Verschmelzungen mehrerer kleiner Konzerne zu einer größeren Gesellschaft, von der Insolvenz eines großen, multinationalen Unternehmens und natürlich von den aktuellen Finanzen und dem aktuellen Stand der Marktkapitalisierung meines eigenen Unternehmens. Sie schaute immer wieder auf ihr Smartphone, als würde sie all das von diesem Ding ablesen.

    In der Garage wartete schon der Chauffeur auf uns, wir stiegen ein und fuhren los. Die Straßen von New York City waren wie immer vollgestopft, die Luft flimmerte zwischen den Autos, doch hier drin war es schön kühl und ruhig.

    Ich lehnte mich in meinem Sitz nach hinten, schaute aus dem Fenster den vorbeifahrenden Autos nach und fragte mich, wer sich wohl hinter den dunkel getönten Scheiben versteckte. Verloren in meiner Welt aus Gedanken und Überlegungen, spürte ich eine Berührung an meiner Schulter und ich vernahm allmählich, wie Lisas Stimme zu mir durchdrang.

    »Hey, ich dachte du hättest ausreichend geschlafen, oder schläfst du nun auch mit offenen Augen?«

    Ich musste wohl ihren Vortrag, bestehend aus belanglosen, sehr wichtigen Informationen verpasst haben, denn sie sah mich mit ihren zusammengekniffenen Augen äußerst streng an.

    Ich wusste, dass ich mich auf dünnem Eis bewegte, das beim nächsten, auch noch so kleinen Scherz, in tausend Teile zerbersten würde. Also sah ich sie mit meiner Unschuldsmiene an und bat mit meinem Blick um Vergebung.

    »Entschuldige, was habe ich gerade verpasst? Ich war mit meinen Gedanken schon beim nächsten Meeting und habe mir eine Strategie für die Anwerbung neuer Investoren überlegt, die uns bei der Akkreditierung kleinerer Tochtergesellschaften unterstützen sollen und uns so finanzielle Stabilität liefern, ohne, dass wir unseren eigenen Kapitalwert verringern müssen, wodurch wir wiederum finanziell unabhängig bleiben.«, mit jedem weiteren Wort, die Wassertropfen glichen und insgesamt zu einem unaufhaltsamen Wasserstrom wurden, weiteten sich Lisas Augen und sie sah mich mit erstaunter Miene an.

    »Ähm… was? Ich, ähm. Ich wollte dir nur über die Fusion von Horizon Inc. und VisualS Co. erzählen und wie sich dies auf unseren Kundenkreis auswirken könnte.« Ich verdrehte die Augen, denn ich wusste sofort worauf Lisa hinauswollte.

    Seit einigen Wochen drängte der Vorstand zu einer Fusion mit einer weiteren Gesellschaft, die dann am Weiterentwicklungsprozess teilhaben und so unseren Fortschritt beschleunigen sollte, doch sah dies für mich mehr nach Humbug aus als nach einer Beschleunigung von Fortschritt.

    II

    Rückblick

    Ein kleiner Funke, ein Lichtblick in der Dunkelheit, entfachte einen unaufhaltsamen Brand. Ein kleiner Gedanke, der sich in meinem Hinterkopf eingenistet hatte, wartete auf seinen Moment. Jedoch fehlte das Wichtigste noch, um den kleinen Gedanken zu einem großen, ausgereiften, komplexeren Gedanken zu machen.

    Vor acht Jahren.

    Der Funke sprang über an einem sommerlichen Abend am Lagerfeuer auf dem Geburtstag einer Freundin am See mit Bier, feurigem BBQ und lauter Musik. Der Gedanke war bis dato noch nicht fertig, doch nun fehlte das entscheidende Puzzleteil nicht mehr, es lag vor mir, ich musste es nur noch aufheben und in das restliche Puzzle einfügen.

    Ich ging ohne mich zu verabschieden und sogar vor Mitternacht. Um mein schlechtes Gewissen zu besänftigen tippte ich die flüchtigen Geburtstagswünsche in mein Mobiltelefon ein. Die SMS wurde versandt und flog in Form kleiner Nullen und Einsen durch den Raum. Ihr wird eine getippte SMS nicht genügen. Ich hatte Größeres vor als eine Geburtstagsparty.

    Mehrere Tage blieb ich daheim, viele Nächte blieb ich wach. Ich ließ mich nicht in der Schule blicken und reagierte nicht auf die Anrufe meiner Freunde. Ich saß an meinem Laptop, den ich seither nicht mehr vom Netz nahm, weil ich Tag und Nacht schrieb. Ich schrieb Codes, kleine zusammengesetzte Befehle aus Buchstaben und Zahlen und Sonderzeichen, die ein Gewirr aus Absätzen, Zeilen von Eins aufwärts und Blöcken darstellten und später mal, so war ich felsenfest überzeugt, ein funktionierendes, essentielles Programm ergeben würden.

    Nach neun Tagen, in denen ich nur mit meinem Bruder und meiner Mutter Kontakt hatte und mich mit ihr auseinandersetzen musste, weshalb ich nicht in die Schule ging und mein Leben nur in diesem dunklen, zugemüllten und miefenden Zimmer verbrachte, anstelle draußen etwas mit meinen Freunden zu unternehmen wie jeder normale Teenager - ja das sagte sie andauernd von den anderen, dass sie normal wären, doch was ich bin, sagte sie nie. Ich sei nicht normal, nie würde ich das werden, wenn ich so weiter machen würde wie ich bis jetzt hier und da vor mich hin in den Tag lebe und nichts für die Zukunft plante - rief ich sie an.

    Meine drei engsten Freunde, Louis, Phil und Lisa, die vor ein paar Tagen ihren Geburtstag gefeiert hatte, ohne mich. Dass sie von mir und meiner Bitte, umgehend zu mir nach Hause zu kommen, genervt waren, war mir absolut bewusst, doch ich wusste, sie würden kommen.

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