Alfred
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SMARTPHONE AUS, FANTASIE AN - "ALFRED" IST SPAZIERENGEHEN IM GEIST
Alfred ist unscheinbar, er ist einer, der an jeder Ecke steht - oder eher hängt, denn Alfred ist ein Mistkübel. Einer, der allem, was in ihn hineingeworfen wird, versucht SINN UND WERT zu geben. Nicht lange und Alfred beschließt, das Mistkübeldasein hinter sich zu lassen und stattdessen IN SICH ZU GEHEN. Dass er, in sich gegangen, erst einmal von all dem überfordert ist, was sich da drinnen abspielt, ist klar. Er macht den Fehler, vor sich selbst davonzulaufen, und fällt furchtbar auf die Nase.
WAS ALFRED AUF SEINER REISE NOCH ALLES WIDERFÄHRT, ist schier UNGLAUBLICH, doch eines ist sicher: Wer ihm in seine Geschichte hinein folgt, begibt sich auf die Spur zu einer anderen, wirklicheren Wirklichkeit - und STEHT AM ENDE VIELLEICHT GAR VOR SICH SELBST.
ALFRED KOMAREK STIFTET AN ZUR ENTSCHLEUNIGUNG UND ZUM INNEHALTEN
Mit Alfred auf die Reise gehen, heißt BERÜHRT UND BEZAUBERT sein, irritiert und erheitert, und oft mehreres zugleich. ALFRED KOMAREK erzählt von seinem Alfred ebenso SPIELERISCH WIE PRÄZISE, weicht keinem Himmel und keiner Hölle aus. Nicht zuletzt gibt er ihm aber schier unverwüstliche LUST AM LEBEN mit. Sein Geheimnis liegt im Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen. FANTASIE braucht es, um durch das Leben zu kommen, und ein hohes Maß an Rücksicht und natürlich ein AUGE FÜR DIE KLEINEN DINGE im Alltag. Nach seinen Romanen rund um SIMON POLT und DANIEL KÄFER kehrt Komarek mit dieser besonderen Geschichte ein Stück weit zu sich selbst zurück.
"Wer Alfred Komareks Welt nicht wahrnimmt, sieht nur das halbe Leben."
DIE WELT
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Book preview
Alfred - Alfred Komarek
Schriften
1 ||
Eines Nachts war Alfred da und er wollte bleiben.
„Papiere?", fragte der Existenzverwaltungsbeamte, als der Morgen graute.
„Freilich! Ein haltloser Parkschein, ein schuldloser Schuldschein und eine Rose aus dem Wiener Prater, mehr wert als alles in der Welt."
Der Beamte betrachtete die Rose prüfend. Dann nahm er die Brille ab, um genauer zu sehen, roch an den vergilbten Blütenblättern und zwang sie zärtlich mit den Fingerkuppen, sich zu öffnen. „Gehen Sie, flüsterte er, „rasch, hier, durch die Hintertür!
Dann quittierte er seinen Dienst und zeichnete fortan Akte.
Alfred aber ging und suchte Arbeit.
Er wollte Poet werden, weil er doch so viel zu erzählen hatte.
„Ja dann!", klang es vom offenen Fenster her. Eine Muse kam näher und begann ihn zu küssen. Bald tanzte ein Gedicht zwischen den Zungenspitzen. Die Muse lockte Alfred tief in sich hinein, wurde rund und prall und gebar ihm viele Kinder. Doch die einen waren zu schwach, um zu leben, und die anderen kamen tot zur Welt.
„Das war wohl nichts." Die Muse ging. Alfred blieb, hatte Hunger und fror.
Dann wollte er Mönch werden, weil er doch so viel zu verschweigen hatte. Er klopfte an die Pforte.
„Sie wünschen bitte?"
„Einkehr! Umkehr! Abkehr!"
„Entsagung?"
Alfred nickte vielsagend.
„Unermüdlich im Gebet und stark im Glauben?"
„Ich glaube schon."
„Selig darbend? Reich im Verzicht?"
„Mit Vergnügen!"
Der Pförtner griff zur Glocke.
„Ihr ruft den Abt, Bruder?", fragte Alfred fromm.
„Mitnichten. Die Müllabfuhr."
*
Ein großes Auto kam, ein großer Mann stieg aus und eine große Hand fiel auf Alfreds rechte Schulter. „Komm mit, mein Freund. Wir gehen auf ein Bier."
Dann saßen die zwei im Wirtshaus um die Ecke einander gegenüber. Alfred schwieg geschwätzig, grinste grindig und war ganz Ohr. Der große Mann aber war ganz Mund.
„Dir geht’s nicht gut, was? Erzähl mir nichts, ich kenne das. Zu hoch hinaus und zu tief hinein. Es ist immer dasselbe."
Dann schwieg er. Sein Schweigen hatte Schmutzränder und roch seltsam. Die große Hand fiel diesmal auf Alfreds linken Unterarm.
„Mist!"
„Schlimm?"
„Ach wo. Ganz im Gegenteil. Wer in Mist macht, macht sein Glück. Wer auf Mist baut, baut nicht auf Sand. Mit dem Mist in der Hand kommst du durch das ganze Land. Du suchst Arbeit. Du hast sie gefunden."
„Also, ich weiß nicht …"
„Aber ich. Fest angestellt. Sichere Position. Erfüllend. Sozial anerkannt. Nicht zuletzt: Das schöne Gefühl, gebraucht zu werden. Du wirst Mistkübel. Und ich besorge dir eine gute Stelle."
So wurde Alfred montiert, Ecke Kaiserstraße Myrthenallee, fest verschraubt an einem Eisenrohr, das am Gehsteigrand einbetoniert war. Da stand er nun und war offen für alles. Er gab sich anfangs auch wirklich Mühe und hatte ein gewisses Vergnügen daran, mit seinen neuen Lebensinhalten sorgsam umzugehen. Verstoßene Nahrungsmittel durften in einer abgeschiedenen Ecke ungestört faulen und modern: Erde, irgendwann. Leere Behältnisse aller Art füllte Alfred mit neuen Inhalten aus seinem reichhaltigen Lager, Papier glättete, faltete und stapelte er, um eines Tages vielleicht ja doch darin zu lesen oder darauf zu schreiben. Selten genug gelang ihm sogar etwas Besonderes: Eine Führungskraft hatte ihre Bedenken weggeworfen, weil sie beim Führen hinderlich waren. Alfred hustete sie einem vorbeieilenden Politiker vor die Füße, der stolperte, fiel, sich aufrichtete und ein großer Mann wurde.
Und dann war da noch ein Spatz, der Alfred hin und wieder besuchte und manchmal etwas in ihm fand, das er mochte. „Magst du hereinkommen?, fragte Alfred. „Ihr Mistkübel seid doch alle gleich
, tschilpte der Spatz und kam nie wieder.
Alles in allem aber wurde das Dasein bald recht beschwerlich für den Mistkübel Ecke Kaiserstraße Myrthenallee. Die vielen Zigarettenstummel machten Alfred süchtig, Plastik war überall, um ihn und in ihm, wickelte sich um seine Gedanken, verschloss ihm die Augen, verstopfte die Nase, die Ohren und den Mund, drückte auf die Brust und lag schwer im Magen. Übelkeit überkam Alfred und er übergab sich. Als er spürte, dass er Durchfall kriegte, öffnete er verstohlen seine Bodenklappe. Das bemerkte ein dienstführendes Aufsichtsorgan, erstattete Bericht an das zuständige Amt, welches prüfte, sich einem Entscheidungsfindungsprozess hingab und schließlich in Anbetracht notorisch nicht widmungsgemäßen Funktionierens einen sofort vollstreckbaren Bescheid erließ: Demontage und Entsorgung.
*
Da lag Alfred denn, eine Müllhalde rings um ihn und eine Krone neben sich. „Grüß dich, Kleinod. Du bist aber fremd hier!"
Die Krone leuchtete matt. „Unsinn. Wenn jemand hierhergehört, dann ich. Alles ist Mist an mir, alle meine Werte wurden verspielt, verworfen und verraten, leichthin eingetauscht gegen Blödheiten. Jede Narrenkappe wäre besser."
„Und wie ist das geschehen?"
„Eine lange Geschichte. Soll ich erzählen?"
„Freilich, ich habe Zeit."
„Na klar. Davon haben wir Weggeworfenen mehr als genug. So höre denn die Mär von König Kurti, der sich über alle anderen Könige erheben wollte, auch über den des Himmels. Die Sonne ging in seinem Reich nicht unter, und tat sie es doch, schaute keiner hin oder wollte es keiner glauben. Viele Jahre widmete der Reichsgoldschmied sein Können und seine Kunst nur mir, der Krone aller Kronen. Er goss und walzte, hämmerte, schliff, polierte und mattierte, gravierte, ziselierte und granulierte, griff wie im Fieber nach Edelsteinen, Perlen, Korallen, Kameen und Gemmen. So nebenbei verliebte er sich in die Königin, weil er so oft im Haus war.
‚Ja dann‘, sprach König Kurti, ‚ist sie dir wohl kostbarer als alles Gold der Welt?‘
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