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Das Science Fiction Jahr 2018
Das Science Fiction Jahr 2018
Das Science Fiction Jahr 2018
Ebook1,046 pages10 hours

Das Science Fiction Jahr 2018

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About this ebook

DAS SCIENCE FICTION JAHR ist das Kompendium, das jeder Genre-Kenner und -Liebhaber in seinem Regal stehen haben sollte. Seit 1986 erscheint es in ununterbrochener Folge – erst im Heyne Verlag unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Jeschke, dann unter Federführung von Sascha Mamczak. 2015 kam dann der Wechsel zum Golkonda Verlag, der diese Tradition auch jetzt, drei Jahre später, erfolgreich fortführen will. Mit Essays, Interviews, Rezensionen und Rückblicken rund um die Science Fiction wartet DAS SCIENCE FICTION JAHR nun zum 33. Mal auf. Unterschiedliche Autoren blicken zurück auf das, was das Jahr 2017 dem Genre in Buch, Film, Games usw. gebracht hat, und das auf erfrischend ehrlich. Ein besonderer Fokus wird auf der Anfang 2018 verstorbenen Grande Dame der SF Ursula K. Le Guin und auf Autor Brian Aldiss liegen. Eine Bibliografie der erschienen SF sowie eine Übersicht der verliehenen SF-Preise und ein Nekrolog runden das Jahrbuch ab. Mit Beiträgen u.a. von Wolfgang Neuhaus, Jakob Schmidt, Lars Schmeink und Elly Bösl
LanguageDeutsch
Release dateNov 30, 2018
ISBN9783946503668
Das Science Fiction Jahr 2018

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    Book preview

    Das Science Fiction Jahr 2018 - Golkonda Verlag

    Herausgegeben von Michael Görden

    Impressum

    Das Science Fiction Jahr 2018

    Originalausgabe

    © 2018 by Golkonda Verlags GmbH & Co. KG, München • Berlin

    Die Rechte an den einzelnen Texten liegen bei den AutorInnen und ÜbersetzerInnen.

    The copyright to the individual texts is held by the authors and translators.

    Redaktion: Wolfgang Neuhaus, Hardy Kettlitz, Melanie Wylutzki

    Lektorat: Melanie Wylutzki

    Korrektur: Stefanie Drews, Anne-Marie Wachs

    Umschlaggestaltung: s.BENeš [http://benswerk.wordpress.com]

    Titelfotos: www.nasa.gov

    E-Book-Erstellung: Hardy Kettlitz

    www.golkonda-verlag.de

    www.facebook.com/Golkonda.Verlag

    www.instagram.com/golkonda.verlag

    ISBN: 978-3-946503-48-4 (Buchausgabe)

    ISBN: 978-3-946503-66-8 (E-Book)

    Inhalt

    Titel

    Impressum

    Inhalt

    Editorial

    Maria Galina: Der Zerrspiegel der Utopie

    Usch Kiausch: Himmel und Hölle – Monster und Engel

    Lars Schmeink: Kritische Betrachtungen des Posthumanen in der zeitgenössischen Science Fiction

    Melanie Wylutzki: Interview mit Becky Chambers

    Dominic Riemenschneider: Vom Hochhausbau zum Science-Fiction-Epos

    Dominik Irtenkauf: Science Fiction aus Afrika

    Karlheinz Steinmüller: Alien Animals

    Wolfgang Both: Panik in der Seitenstraße

    Elisabeth Bösl: Interview mit Kim Stanley Robinson

    Christian Hoffmann: Eine Meisterin des Wortes

    Karen Nölle: Annäherungen

    REVIEW | BUCH

    Udo Klotz: Von Mördern, Präsidenten, Computern, Aliens und anderen Antagonisten: Deutschsprachige Science-Fiction-Romane 2017

    Simon Weinert: Hinter der Ladentheke sieht die SF-Welt anders aus

    REVIEW | FILM

    Thorsten Hanisch: Filmrückblick 2017

    REVIEW | COMIC

    Oliver Ristau: Schwestern unter fremder Sonne

    Hartmut Kasper: Alarm im Weltraum!

    REVIEW | GAME

    Johannes Hahn: Das Jahr der offenen Welten

    Jakob Schmidt: Die Fülle der Welten

    Wolfgang Neuhaus: Träumen neuronale Netze von historischen Archiven?

    Uwe Neuhold: Vom Stein zur Quintessenz

    Peter Kempin und Wolfgang Neuhaus: Memcosmosis

    FACT | PREISE

    Erik Simon: Russische SF-Preise 2016 und 2017

    FACT | TODESFÄLLE

    FACT | BIBLIOGRAFIE

    FACT | Autoren und Mitarbeiter

    Editorial

    Liebe Leserinnen und Leser,

    auch in diesem Jahr haben wir es gerade noch geschafft DAS SCIENCE FICTION JAHR 2018 herauszubringen, bevor das Jahr 2018 zu Ende geht. Für das nächste Jahr nehmen wir uns wieder einmal vor, es früher zu schaffen – die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber DAS SCIENCE FICTION JAHR ist kein kommerzielles Projekt. Es muss von den vielen engagierten freien Mitarbeitern und dem Golkonda-Lektorat neben der laufenden Arbeit gestemmt werden. Es spült auch kein Geld in die schmale Verlagskasse, sondern lässt sich gerade kostendeckend produzieren. Es ist auch nicht in unserem Sinn, ein Jahrbuch mit einem Ladenpreis von 39 € anzubieten, das sich niemand mehr leisten kann.

    Wir haben uns deshalb entschlossen, den Umfang auf ca. 600 Seiten zu begrenzen und den Preis auf € 24,90 zu senken. Das war keine ganz einfache Entscheidung, die wir im Golkonda-Team lange diskutiert haben. Um den Umfang in diesem Rahmen zu halten, müssen wir darauf verzichten den multimedialen Aspekt von Science Fiction in der bisherigen Ausführlichkeit abzubilden. Filme, Comics und Games sind weiterhin Themen im Jahrbuch, aber ohne den Anspruch vollständiger Jahresrückblicke, da es hierzu eine Fülle von Informationsmöglichkeiten im Netz und zahlreiche aktuelle Magazine wie GEEK!, MULTIMEDIA oder VIRUS gibt. Stattdessen fokussieren wir uns auf die Diskussion und Rezension der SF-Literatur, für die wesentlich weniger deutschsprachige Foren zu Verfügung stehen.

    Wegen des Todes von Ursula K. Le Guin haben wir zwei Beiträge über sie in diesen Band aufgenommen. Auf eine strenge Jahresabgrenzung bei Rezensionen und Artikeln wollen wir in Zukunft wegen des späten Erscheinungstermins verzichten. Wir haben deshalb auch wichtige Neuerscheinungen aus dem Frühjahr 2018 aufgenommen. Leider fielen einige Beiträge der Umfangsbeschränkung zum Opfer und wurden auf das SCIENCE FICTION JAHR 2019 verschoben. Dazu zählen auch Fritz Heidorns literarische Reise durch unser Sonnensystem, die es aber ab sofort noch ausführlicher und gedankenreicher in seinem bei Dieter von Reeken erschienen Buch Demnächst oder nie – Reisen zu fremden Welten zu lesen gibt. Ein weiteres Opfer dieser Verschiebung ist mein Beitrag zu Band 3000 der PERRY RHODAN-Serie. Da PR 3000 erst im Frühjahr 2019 erscheint, werden wir den Rückblick auf Milliarden Jahre Perry-Rhodan-Future-History erst im nächsten Jahr bringen.

    Betrachtet man die aktuelle internationale Science Fiction, zeigt sich, dass die klassische SF der utopisch-technischen Spekulation, wie sie uns zuletzt in den Bestsellern von Ann Leckie und Cixin Liu begegnete, zunehmend von gesellschaftskritischen Themen, Transgender-Fragen, politischen Dystopien und philosophischen Spekulationen überlagert wird. Entsprechend ist fast die Hälfte der in dieser Ausgabe rezensierten Bücher außerhalb der etablierten SF-Reihen und -Verlage erschienen. In seinem Beitrag zu den derzeitigen Trends schreibt Simon Weinert von der Berliner Phantastik-Buchhandlung Otherland: »So lässt sich allgemein feststellen, dass eine wachsende Kundschaft nach SF-Titeln sucht, die Lesestoff abseits der weißen und männlich geprägten SF-Variante bieten. Uns scheint, dass dieser Trend bei den deutschen Verlagen noch nicht so recht angekommen ist, denn Werbung und (sowohl Cover- als auch Programm-)Gestaltung im SF-Bereich berücksichtigen zwar immer wieder den Aspekt der Wissenschaftlichkeit, selten bis gar nicht aber Themen bzw. Schlagwörter wie Diversity und Afrofuturismus.«

    Überschattet wurden 2017/18 von vielen Todesfällen in der internationalen SF-Community. Neben der bereits erwähnten und in diesem Jahrbuch ausführlich gewürdigten Ursula K. Le Guin mussten wir uns von das Genre prägenden Autoren wie Jerry Pournelle, Brian W. Aldiss, Kate Wilhelm, Gardner R. Dozois, dem Meister-Anthologisten und Kurzgeschichten-Erzähler Harlan Ellison sowie dem SF-Enzyklopädisten Peter Nicholls verabschieden.

    Zum Schluss noch eine Anmerkung in eigener Sache. Gerade bin ich von der Frankfurter Buchmesse zurückgekehrt. Zwar gab es dort zu Ehren von Ursula K. Le Guin die SF-Lounge »Think Ursula«, aber die SF-Leser und die kleinen Verlage drängten sich auf dem Buchmesse-Convent in Dreieich. Es ist das Engagement dieser kleinen Verlage, zu denen auch Golkonda gehört, die eine SF-Buchkultur jenseits des Kommerzes am Leben erhält. Ohne sie gäbe es ein wunderbares Buch wie Michael Marraks Kanon mechanischer Seelen (Amrûn Verlag, 2017) nicht. Noch immer sind Bücher ein extrem preisgünstiges Kulturgut. Helfen wir uns dabei, es am Leben zu erhalten.

    Mein besonderer Dank gilt den vielen Autoren und freien Mitarbeitern, ohne deren Einsatz diese Ausgabe nicht hätte erscheinen können. Besonders zu nennen sind: Wolfgang Neuhaus, der Koordination und Kontaktpflege der Autoren übernommen hat; Hardy Kettlitz meisterte den Satz und die Rezensionen; Melanie Wylutzki kümmerte sich um Lektorat und Korrektur. Ohne euch gäbe es auf den nächsten Seiten nichts zu lesen.

    Ihr

    Michael Görden

    Maria Galina

    Der Zerrspiegel der Utopie

    Ein Blick von der russischen Seite

    Ein außereheliches Kind der Philosophie

    Die Frage, ob eine bessere Welt im Diesseits möglich sei, bewegt die Philosophen seit langem. Die ersten Schöpfer von Utopien kann man nicht einmal als Schriftsteller bezeichnen, da das Schreiben keineswegs ihre Hauptbeschäftigung war. Platon, der Verfasser des berühmten Dialogs über Atlantis, wollte höchstwahrscheinlich nicht das Leben in einem real existierenden Land schildern, sondern das Modell eines idealen Staates; er ist der Menschheit gerade als Schöpfer einer originellen philosophischen Konzeption in Erinnerung geblieben, einer Konzeption, die die Prinzipien des Aufbaus und der Erkenntnis der uns umgebenden Wirklichkeit umfasst. Und auch Thomas Morus (1478–1535), dem wir den Begriff »Utopia« (u-topos bedeutet im Griechischen einen »Ort, den es nicht gibt«) verdanken, war weniger Schriftsteller als vielmehr Philosoph, Theologe, Staatsmann, Historiker …

    Als er seinen nicht existierenden Staat erdachte, schrieb Thomas Morus, wie damals üblich, weniger ein literarisches Werk als ein belletristisch verbrämtes philosophisches Traktat, welches gleichermaßen auf eine Kritik am damaligen politischen System Englands und auf den Entwurf einer idealen Staatsordnung abzielte. Seine Utopie ist eine »Kommune der Gleichen«, von der Kraft des Gesetzes regiert, wo es kein Geld gibt, kein Privateigentum und keine soziale Ungleichheit. Alle Bewohner von Utopia haben die Möglichkeit, sich in der von der Arbeitspflicht freien Zeit mit Kunst, Wissenschaft und Philosophie zu befassen, alle ehren das Alter und erziehen die Kinder gemeinsam.

    Ein Jahrhundert später wurde Thomas Campanella (1568–1639), ein Gelehrter, Benediktinermönch und Staatsmann, wegen der Vorbereitung eines Aufstandes im heimatlichen Kalabrien und wegen Propaganda der wissenschaftlichen Methode als Mittel der Welterkenntnis eingekerkert und schrieb im Gefängnis eine weitere Utopie (das Wort ist zum Gattungsbegriff geworden), die im Großen und Ganzen das Modell Thomas Morus’ wiederholte – ein Staat, regiert von einem Philosophenfürsten, wo alle gleich sind, Privateigentum fehlt, die Wissenschaften gedeihen, die Interessen des Einzelnen denen der Gesellschaft untergeordnet sind usw. Später, im 19. Jahrhundert, erwies sich, dass sowohl Morus’ Utopia als auch Campanellas Sonnenstaat durchaus mit den damals modischen sozialistischen und kommunistischen Ideen kompatibel sind. Die utopischen Sozialisten, keineswegs dumm, vermochten trotzdem nicht, die Ideale der Utopia zu verwirklichen. Und im 20. Jahrhundert, als die Literatur offiziell zum Propagandainstrument bestimmt worden war, ergab sich eine paradoxe Situation. Darstellungen der lichten kommunistischen Zukunft waren zweifellos vonnöten und verdienten jedwede Ermutigung, trotzdem gab es nicht allzu viele Utopien.

    Sag nicht »ja« und nicht »nein«, kauf nichts Weißes und nichts Schwarzes

    Die meisten der nächsten Zukunft gewidmeten Werke, die in den Dreißiger-, Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts in der Sowjetunion verfasst wurden, waren ganz unverhüllt langweilig. Selbst talentierte Leute wie etwa Alexander Beljajew wagten keinen Flug der Phantasie mehr, der die Bürger des ersten sozialistischen Staates der Welt vom Aufbau des Kommunismus abgelenkt und ins Reich der Wunschträume entführt hätte. Verlangt wurde die sogenannte »Phantastik der nahen Zielsetzung«, die die Überlegenheit der sozialistischen und kommunistischen Lebensweise und den unvermeidlichen Zusammenbruch des Kapitalismus vorführte. Doch selbst auf diesem Gebiet wurde erstaunlich wenig geleistet.

    Welche Prinzipien dabei walteten, hat der leider viel zu früh verstorbene SF-Autor Kir Bulytschow in »Die Stieftochter der Epoche«, seinem Essay über die sowjetische Phantastik, blendend dargelegt. In der Tat, wie sollte man die unkalkulierbaren Wendungen der »schnurgeraden Parteilinie« vorhersehen? Wie sollte man vermeiden, dass man nicht – und sei es versehentlich – zum Ketzer wurde? Wenn man die nächste Zukunft schilderte, riskierte man, irgendein Mitglied des Politbüros zu erwähnen, und morgen konnte es in Ungnade fallen, und jede Erwähnung dieses Menschen wurde zusammen mit ihm selbst ausgelöscht … Oder man schrieb beispielsweise über die Erfolge der sowjetischen Genetik, und tags darauf war sie schon »die käufliche Dirne des Imperialismus«. Wenn man die ferne Zukunft schilderte, wurde es noch schlimmer. Ganz offensichtlich würde der teure Genosse Stalin früher oder später diese Welt verlassen, aber wie sollte man dem Urteil der Parteizensur eine Welt vorlegen, wo alles gut ist, es aber den Genossen Stalin nicht gibt? Das war nicht nur absurd, das war Frevel! Aber dieses heikle Thema zu umgehen und ihn überhaupt nicht zu erwähnen, war auch ausgeschlossen – was sollte das für ein Werk sein, in dem der Vater der Völker kein einziges Mal erwähnt würde? Der Schriftsteller fand sich in einer Situation wie in dem seinerzeit bekannten Kinderspiel: »Die Gutsherrin hat dir hundert Rubel geschickt. Kauf nichts Weißes und nichts Schwarzes, sag nicht ›ja‹ und nicht ›nein‹. Fährst du auf den Ball?«

    Es ist kein Wunder, dass die Autoren, die in jenen Jahren gediehen, entweder Schundschreiber waren oder hartgesottene Profis wie Alexander Kasanzew mit seinen globalen Epopöen, in denen viele Völker unter Führung der UdSSR mal eine Brücke quer durch die Arktis bauten, mal eine riesige Stadt im Eis der Antarktis (analog zu den damals so propagierten Großbauten des Fünfjahrplans), und ausländische Spione Schaden anrichteten. Der Spion und der Diversant waren fast die einzigen Quellen eines Konflikts in dieser völlig konfliktarmen Literatur und die einzigen Triebfedern der Handlung – weshalb es in derlei Werken von ihnen wimmelte. Denn die Autoren schrieben ja doch keine philosophischen Traktate, zumindest irgendeine Art von Unterhaltungswert war vonnöten …

    Die verordnete Gutwilligkeit hatte noch eine weitere, indirekte Folge: In der späteren sowjetischen Literatur hatten, mit sehr wenigen Ausnahmen, alle Außerirdischen, die die Erde besuchten, schon längst den Kommunismus aufgebaut. Wenn hingegen Menschen von der Erde zu einem fremden Planeten flogen, dann waren wir es, die den Kommunismus aufgebaut hatten, und dort im Weltraum herrschten Kapitalismus, Barbarei und Dekadenz. Tatsächlich konnte nach Ansicht der herrschenden Ideologie nur jemand den Raumflug meistern, der fest auf dem Boden der fortschrittlichen marxistisch-leninistischen Wissenschaft stand, und das heißt, dass in den Werken der SF-Autoren Kommunismus und Raumfahrt untrennbar miteinander verbunden waren.

    Immer näher und näher

    Die beispiellose Blüte der Literatur in den Jahren des »Tauwetters« (Mitte der Fünfziger- bis Anfang der Sechzigerjahre) hing mit einer Liberalisierung der sowjetischen Gesellschaft zusammen und mit dem Ende der totalen Kontrolle über alle Aspekte des menschlichen Daseins. Die Science Fiction macht keine Ausnahme – sowohl bei uns als auch in den Ländern des »sozialistischen Lagers« traten gleich mehrere bedeutende Autoren hervor, die es erstmals wagten, eine »echte«, »nicht befohlene« Utopie zu zeigen: eine Gesellschaft, die nach dem Sieg des Kommunismus nicht einfach nur in der UdSSR, sondern auf der ganzen Welt entstanden ist.

    Zuvörderst muss gesagt werden, dass die Leute, die sich diese Aufgabe vornahmen, dabei von den denkbar aufrichtigsten Motiven geleitet wurden. In einem Land, das es satthatte, in Angst zu leben, wollten sie wenigstens auf dem Papier eine Welt erschaffen, wo sich der Mensch frei und glücklich fühlen würde, wo Arbeit keine Last, sondern eine Freude wäre, wo man nicht in jedem Mitmenschen einen potentiellen Denunzianten sähe, wo man zu den Sternen fliegen könnte und barfuß über den Rasen gehen, ohne befürchten zu müssen, dass man auf eine rostige Konservendose oder eine zerbrochene Glasflasche trat.

    Stanisław Lems Gast im Weltraum erschien in Polen 1953/54, Iwan Jefremows Roman Der Andromedanebel (deutsch auch Das Mädchen aus dem All) wurde in der UdSSR erstmals 1957 veröffentlicht, der Roman Rückkehr (Mittag, 22. Jahrhundert) von Arkadi und Boris Strugatzki 1962.[1] In diesen Werken wirkte die Utopie keineswegs »oktroyiert« – in der von den Schriftstellern geschilderten Gesellschaft hätte man wirklich gern leben wollen.

    Man muss sagen, dass unter den drei Werken im Roman Jefremows die Züge der ursprünglichen Utopien am stärksten ausgeprägt sind. Seine Helden teilen ihre Zeit zwischen physischer und geistiger Entwicklung, vervollkommnen unablässig das eine wie das andere, ebenso sind sie verpflichtet, zwischen geistiger und körperlicher (d. h. »unzureichend psychischer«) Arbeit zu wechseln, und das »völlig freiwillig«. Was von solcher »Freiwilligkeit« zu halten war, wusste jeder Sowjetbürger nur zu gut, der einen Teil seines Gehalts an den »Friedensfonds« abzugeben und auf Subbotniks unbezahlte Arbeit zu leisten hatte, doch man ging davon aus, dass in der von Jefremow geschilderten Zeit solch ein Drang zur Selbstaufopferung zum Wohle der Gesellschaft schon fast zum Instinkt geworden sein sollte. Jefremows Helden sprechen eine blumige, hochtrabende Sprache; wie die Personen in den alten Traktaten halten sie sich gegenseitig Vorträge, was nicht wundernimmt – Jefremow hatte eigentlich weniger einen Roman geschrieben als ein philosophisches Traktat. Enzyklopädisch gebildet, von Beruf Paläontologe (Schöpfer eines neuen Zweiges der Paläontologie, Erstentdecker von Dinosaurier-Fossilien in der Wüste Gobi), seiner Berufung als Historiker folgend, firmierte Jefremow später durchaus zu Recht als »Philosoph und Schriftsteller« – das erklärt, warum seine Helden etwas schematisch sind. Nichtsdestoweniger ist das von ihm entworfene Panorama der Zukunft derart weit gespannt und beeindruckend, dass sich in der russisch-sowjetischen Literatur kaum etwas Vergleichbares findet.

    Stanisław Lem betrachtet in Gast im Weltraum das Modell einer fernen Zukunft am Beispiel der Besatzung des interstellaren Raumschiffs »Gea«, wo die besten Menschen der Erde vertreten sind – Mathematiker, Komponisten, Piloten … Diese Menschen fühlen sich als Abgesandte und bevollmächtigte Vertreter ihrer Heimat, sie sind erfüllt von Forscher- und Schöpfergeist (obwohl in der geschlossenen »Mikrowelt« des Raumschiffs auch Konflikte und Tragödien vorkommen). Das Panorama der utopischen Erde sehen wir mit den Augen des Haupthelden, eines Arztes und Olympiasiegers, der vor dem Abflug die Orte besucht, die in seinem Leben bisher eine Rolle gespielt haben. Selbst aus diesem mit groben Strichen gezeichneten Bild wird deutlich, dass es dem von Jefremow verwandt ist – ein weitläufiges öffentliches Verkehrsnetz, das den ganzen Planeten umspannt, die Abwesenheit von Geld (der Wert eines Menschen für die Gesellschaft bemisst sich an seinem beruflichen Status und seinen Fähigkeiten), die Ablehnung von Gewalt … Dennoch gibt es Unterschiede – in Lems Welt bleiben enge Familienbindungen erhalten, die in Jefremows durchweg vergesellschafteter Welt fehlen, die Menschen ziehen es vor, ihrer engeren Heimat treu zu bleiben, und leben in eigenen Häusern (bei Jefremow übernehmen sie die erstbeste gerade freie Wohnung in jeder beliebigen Gegend des Erdballs) … Alles in allem kann man sagen, dass uns Lems Zukunft menschlicher erscheint und seine Helden näher.

    Es waren gerade die Kälte und Fremdheit der Menschen in der von Jefremow so glaubwürdig geschilderten Zukunft, die Arkadi und Boris Strugatzki bewogen, ihr eigenes Zukunftsmodell zu entwerfen – eine Welt, in der auch die besten von unseren Zeitgenossen ohne Weiteres hätten leben und arbeiten können. Gerade die Menschen, fröhlich, frei, klug und gutherzig, bilden den größten Reichtum in ihrer Welt. Nachempfunden sind diese zweifellos den Helden der Jugendliteratur ebenjener Sechzigerjahre – den Physikern, Biologen, Kosmonauten, Geologen, den Erbauern der sibirischen Städte … Ihre Uneigennützigkeit, ihre Ergebenheit an die Sache der Wissenschaft wirken ganz natürlich – auch wenn man solche Helden in der Wirklichkeit nicht in jedem beliebigen Forschungsinstitut finden konnte, so galt es im gesellschaftlichen Bewusstsein doch als ausgemacht, dass es sie dort gebe. Im Übrigen steht die Welt der Strugatzkis der Welt Lems und Jefremows nahe – die Abwesenheit von Geld, die freie Bewegung auf dem gesamten Erdball (ein Herzenswunsch des durchschnittlichen Sowjetbürgers, der nie das Land verlassen durfte), Verantwortungsbewusstsein, die Möglichkeit freien Schöpfertums und freier Berufswahl, die Geringschätzung von Privateigentum. Die Kinder wurden Jefremow und den Strugatzkis zufolge in Internaten erzogen, wo professionelle Pädagogen mit ihnen »arbeiteten«, das Gefängnis war durch freiwillige Selbstverbannung ersetzt, die Gesellschaft wurde von einem gewählten Weltrat geleitet, fremde Welten wurden intensiv erschlossen usw. Alle übrigen utopischen Zukunftsmodelle, die auf den Seiten der nachfolgenden sowjetischen Werke erschienen, wiederholten die Vorgänger und trugen zur Geschichte der sowjetischen Utopie nichts bei.

    Fortsetzung oder Widerlegung?

    Jeder Sowjetbürger wusste genau, dass Thomas Morus der Urvater der »kommunistischen Utopie« war. Und er hätte sich vielleicht sehr gewundert, wenn er erfahren hätte, dass der große Reformator, der Lordkanzler Englands in Wahrheit eine Satire geschrieben hat. Jedenfalls hätte man solch eine Meinung, wäre sie zu Sowjetzeiten aufgekommen, für Ketzerei gehalten und nicht zur Veröffentlichung zugelassen. Aber dennoch gibt es diese Ansicht! Demnach hat Tomas Morus keineswegs eine ideale Gesellschaft dargestellt, sondern davon geschrieben, wohin die Versuche führen können, solch eine Gesellschaftsordnung zu errichten.

    Im Grunde zu nichts Gutem. Zwangsweise Gleichmacherei, totale Vergesellschaftung, verordneter Patriotismus und allgemeine Verantwortlichkeit führen früher oder später, aber unausweichlich zu dem, was die spätere sowjetische Soziologie vorsichtig als »Kasernenkommunismus« bezeichnete – de facto natürlich zu einem starren Gesellschaftssystem mit mächtigem Unterdrückungsapparat, in dem Privatleben und Freiheiten jedweder Art abgeschafft sind. Der gegen Ende der UdSSR erschienene Roman Wladimir Tendrjakows Anschlag auf Visionen »zwingt« Campanella, seine Idealstadt selber zu besuchen – und den wahr gewordenen Albtraum jener Utopie zu sehen. Der in die eigene Utopie geratene Autor wird für Freigeisterei hingerichtet – und, wie man sagen muss, zu Recht.

    Viel früher – 1924 – erschien Jewgeni Samjatins Roman Wir. Nicht bei uns – in der Tschechoslowakei. In Russland kam er erst 1988 heraus. Samjatin selbst musste emigrieren, und 1937 starb er in der Fremde, in Frankreich. (Freilich, wenn er 1937 noch bei uns gelebt hätte, wäre das wohl auch sein letztes Lebensjahr geworden.) Der Hass der Machthaber auf den Roman ist nicht verwunderlich. Samjatin hatte gezeigt, was geschieht, wenn man versucht, die Utopie ein wenig weiterzuentwickeln und fortzusetzen.

    In der Tat, alle Menschen aus Samjatins »Utopie« (die in Wahrheit eine Antiutopie[2] ist) sind gleich – sie haben nicht einmal Namen, nur »Nummern«. Sie alle entbehren nichts. Alle wohnen in sauberen und hygienischen Häusern mit gläsernen Wänden. Alle treiben obligatorisch Sport, gehen in Konzerte und achten auf ihre Gesundheit. Schönheit und Gesundheit sind das Ziel der Gesellschaft und jedes Einzelnen. Geld gibt es in dieser Gesellschaft nicht – soziale Wohltaten werden gemäß dem Nutzen verteilt, den eine »Nummer« der Gesellschaft bringt. Unglückliche Liebe gibt es ebenfalls nicht: »Jede Nummer hat ein Recht auf jede beliebige Nummer als Geschlechtspartner.« Wie in der von Iwan Jefremow erschaffenen Welt akzeptieren diese Leute nichts »Nutzloses« – Spaß, Spiel, Kunst um der Kunst willen. Alles muss dem gesellschaftlichen Nutzen untergeordnet sein. Der Erste Dichter schreibt ein Poem über den Nutzen hygienischer Seife. (Ob dieses Bild wohl Majakowski nachempfunden ist?) Selbst in den Weltraum wird man wohl in Kürze starten. Schon ist ein riesiges Raumschiff fertig, die »Integral«, welches dazu bestimmt ist, die Saat des schönen neuen Lebens zu den Sternen zu tragen …

    Tatsächlich, versteht sich, hat Samjatin von der Utopie keinen Stein auf dem anderen gelassen. Man muss sagen, dass bei weitem nicht alle Menschen der neuen Gesellschaft tief unglücklich sind – die meisten empfinden sie als die einzig mögliche. Doch für denkende, fühlende Menschen ist sie unerträglich. Die kleinwüchsige O, die nicht die »Mutternorm« erreicht, den Standard, bei dem eine Frau gebären darf, träumt von einem Kind. Die schöne Geliebte des Haupthelden – des Konstrukteurs der »Integral« – hasst die herrschende Ordnung, weil sie ihr keine »richtige« Freiheit erlaubt, der Konstrukteur selbst, anfangs ein absolut loyaler Mensch, beginnt über die Ungerechtigkeit der ihn umgebenden Welt erst nachzudenken, als er sich wirklich verliebt.

    Nichtsdestoweniger sind die Menschen bei Samjatin noch Menschen geblieben und widersetzen sich dem System – sowohl O mit ihrem mächtigen Mutterinstinkt als auch die hässliche Nachbarin des Konstrukteurs, die unglücklich in ihn verliebt ist und ihn bei einer Hausdurchsuchung rettet, ebenso der Hauptkonstrukteur selbst, der den Dissidenten hilft, die »Integral« zu entführen. Sie bleiben solange Menschen, bis die gesamte Bevölkerung zwangsweise einer Lobotomie unterzogen wird – mit allem zufriedene Marionetten sind schließlich viel leichter und sicherer zu lenken! Und der Held, der eben noch bereit war, für seine Liebste zu sterben, liefert sie ohne zu zögern dem Sicherheitsdienst aus.

    Die Gesellschaft, die Orwell in seinem berühmten Neunzehnhundertvierundachtzig geschildert hat, ist auf Lobotomie als »Überzeugungsmethode« schon nicht mehr angewiesen. Der Gehirnwäsche dient die ganze riesige Staatsmaschinerie – als eins ihrer Rädchen arbeitet der Held, der die in den Archiven aufbewahrten Matrizen alter Zeitungen »reinigt«, indem er die Namen aller in Ungnade gefallen Personen und Regierungen löscht und dafür neue einsetzt, die sich noch nichts zuschulden kommen lassen haben oder einfach frei erfunden sind.

    Der Engländer George Orwell, der seinen Roman 1948 beendete (daher der »umgedrehte« Titel), hat das Wesen des »Staatssozialismus« bestens verstanden – Schlangen in den Speiseräumen, schmutzige Tische und billiges Geschirr, Mangel an den grundlegenden Waren des täglichen Bedarfs, das »menschliche« Leben der Parteispitze, das auf Verteilung und Verbrauch der Mangelwaren ausgerichtet ist, ständige Kriegshysterie, Lüge und Propaganda, Hass auf die einfachen menschlichen Regungen, auf Liebe, Familie, Zuhause …

    Während in Jefremows Welt freie Beziehungen zwischen den Geschlechtern geduldet und sogar gebilligt werden (Lem und die Strugatzkis sind in dieser Hinsicht konservativer – in ihrer Zukunft gibt es noch die Begriffe »Ehemann« und »Ehefrau«), sind sie in den Antiutopien Orwells und Samjatins abgeschafft. Liebe wird vielmehr verfolgt, gilt als Rebellion, als Verbrechen. Was nur folgerichtig ist – ein Mensch, seiner familiären und privaten Bindungen beraubt, lässt sich viel leichter zum Objekt von Propaganda und Manipulation machen, seine Wertvorstellungen sind verschoben und die gesunden Empfindungen leicht durch exaltierte Begeisterung zu ersetzen. Was in der Realität Josef Stalin und Adolf Hitler zu erreichen versuchten (sowohl in Deutschland als auch bei uns kam es vor, dass von der Propaganda verdummte Kinder die eigenen Eltern als »Volksfeinde« denunzierten, doch es blieben Einzelfälle), ist auf den Seiten der Antiutopien verwirklicht. Die Liebe zu einer Frau, ein zutiefst privates Gefühl, erweist sich bei Orwell wie bei Samjatin als strafbar. In beiden Romanen verrät der Held seine Geliebte – der Konstrukteur der »Integral« nach der Lobotomie, Orwells Winston nach einer ungeheuerlichen psychologischen Bearbeitung, die seine Menschenwürde bricht.

    Wie wütend die offizielle sowjetische Literaturkritik über Samjatin herfiel und schon die Tatsache, dass beide Romane verboten wurden, zeigt, dass die Analogien für alle – darunter die Ideologen selbst – nur allzu deutlich waren.

    Zu guter Letzt

    Und was nun die Autoren der besten Utopien von der Mitte des 20. Jahrhunderts angeht – wie treu sind sie ihren ursprünglichen Überzeugungen geblieben?

    Menschen werden erwachsen und beginnen zu zweifeln. Und das ist gut. Es bedeutet, dass sie geistig reifer werden. Lem, der Schriftsteller und Philosoph, stellte später »ideale Gesellschaftsmodelle« lieber satirisch dar und zeigte überzeugend, wie sie durch und durch untauglich sind (man braucht nur die Sterntagebücher oder die Kyberiade zu lesen). Ernsthaft aber schrieb er über ganz andere Dinge – über die Schwierigkeiten und Gefahren auf dem Weg der Erkenntnis, über die Evolution der menschlichen Persönlichkeit, über Verantwortung und Gewissen … Die Strugatzkis, die sich des Öfteren ihrer »Welt des Mittags« zuwandten, wo man so gern leben möchte, zeigten, wie fragil und verletzlich diese Welt angesichts noch unerkannter höherer Gewalten ist und wie infantil und hilflos viele ihrer Bürger sind. Und auch Jefremow, der seine Utopie nicht aufgab, entwarf in Die Stunde des Stiers die spiegelbildliche Antiutopie dazu, wofür er von den offiziellen Machthabern zwar nicht direkt verfolgt, aber doch, vorsichtig ausgedrückt, getadelt wurde.

    Also ist die Utopie unmöglich und dient nur dazu, die Menschheit vor verhängnisvollen Versuchen zu warnen, ebendiese Utopie mit Gewalt zu errichten. Und die Antiutopie? Bei uns in der UdSSR wurde sie missbilligt – Literatur dieser Art, meinte man, werde zu einem »ungesunden Pessimismus« führen. Im Westen hingegen war die Antiutopie ein recht verbreitetes Genre – sie erlaubte es, die Handlung kräftig in Schwung zu bringen, den Leser ordentlich zu erschrecken und zu fesseln. Man schrieb über Mutantenmonster, über die Welt nach einem Atomkrieg, nach einer bakteriologischen oder ökologischen Katastrophe. Dabei wurden Themen bevorzugt, die gerade im Gespräch waren – der Nuklearwinter, die globale Erwärmung, Strahlungsmutationen.

    In der Regel diente solche Literatur ausschließlich der Unterhaltung, aber wenn sie gekonnt geschrieben war, erfüllte sie ihren Zweck – sie zeigte, wovor man sich tatsächlich in Acht nehmen sollte. Einige Analytiker glauben, dass gerade die Bilder einer wenig erfreulichen Zukunft, wie sie von den Warnliteraten entworfen wurden, eine Reihe ökonomischer und politischer Gegenmaßnahmen ausgelöst haben, insbesondere auf dem Gebiet des Umweltschutzes.

    Die klassischen Beispiele sind keiner Mode unterworfen – Lobgesang auf Leibowitz von Walter M. Miller jr., Ray Bradburys Fahrenheit 451, William Goldings Herr der Fliegen sind zeitlos; sie handeln von der menschlichen Natur, von Tapferkeit und Verzweiflung, vom Vermögen, sich der Menge entgegenzustellen, davon, wie leicht der Mensch in Wildheit und urtümliche Barbarei abgleiten kann.

    Die Russen kommen

    Nach dem Zerfall der UdSSR (genau genommen etwas früher, gegen Ende der Achtzigerjahre) erschienen auch bei uns Antiutopien. Und nicht einmal, weil der Staatssozialismus seine Untauglichkeit bewiesen hatte, sondern einfach, weil die Zensurschranken schwächer geworden waren – wie schon gesagt, hatten die Zensoren düstere Zukunftsbilder missbilligt. Einer der ersten Boten der neuen Zeit war K. Lopuschanskis Film Briefe eines Toten (1985), an dessen Szenarium nach einem Roman Wjatscheslaw Rybakows auch Boris Strugatzki mitgearbeitet hat. Der Film zeigte die globalen Folgen eines Atomkriegs; die Handlung war – für alle Fälle – in ein nicht näher definiertes westliches Land verlegt.

    Jetzt hat die Antiutopie in Russland etwa die gleiche Verbreitung wie im Westen gefunden – das heißt, sie ist ein kommerzielles Genre wie Space Opera, Cyberpunk oder Fantasy geworden. Die Utopie hingegen hat praktisch aufgehört zu existieren, was nicht wundernimmt – ihre Konfliktarmut und Regelmäßigkeit haben dieses Thema eher den Philosophen und Publizisten zugeteilt als den kommerziellen Autoren. Zumal es irgendwie peinlich geworden war, nach dem Fiasko der kommunistischen Ideologie eine kommunistische Utopie zu schreiben.

    Die Antiutopie als Warnroman existiert praktisch auch nicht mehr – zu kämpfen hat nur Sinn, wenn man gegen etwas kämpft, statt einfach nur so. Und die schwarzen Zukunftsbilder, die man gelegentlich in den Romanen der Action-SF-Serien findet, werden im Großen und Ganzen für die Handlung benötigt und haben keine andere Funktion.

    Es gibt Ausnahmen. So kann man beispielsweise den vieldiskutierten Roman Ausschuss von Oleg Diwow als eine Art Antiutopie einordnen – Frieden und Wohlgefallen, die im künftigen Russland herrschen, werden von den Einheiten einer Spezialtruppe gesichert, die das uneingeschränkte Recht hat, Störer der öffentlichen Ordnung ohne Untersuchung und Gerichtsverhandlung zu bestrafen. Im Prinzip sind solche Motive in westlichen Werken schon vorgekommen, und zwar mehrfach, aber für Russland waren sie ein Novum. Mehr noch, dem durchschnittlichen Leser, der die russischen Wirren satthatte, erschien das von Diwow gezeichnete Bild durchaus idyllisch – auf den Straßen herrschen Sauberkeit und Ordnung, die Kriminalität ist fast auf null zurückgegangen, die Wirtschaft ist solide, und die derart lästigen »Personen nichtrussischer Nationalität« sind als Bürger zweiter Klasse eingeordnet. Die Antiutopie erweist sich eben sehr oft als Ebenbild der Utopie, und umgekehrt.

    Wie schon gesagt, unterliegen Antiutopien in starkem Maße, wenn nicht der Mode, so jedenfalls den im Sozium gerade vorherrschenden Ängsten und Vorurteilen. Derzeit gedeihen Antiutopien über die Degeneration einer Menschheit, die jedwede Tätigkeit der künstlichen Intelligenz überträgt, und über den sukzessiven Ersatz der Wirklichkeit durch virtuelle Welten … Der Lärm, den die Massenmedien um das Klonen machten, hat mehrere Werke hervorgebracht, wo die Klone bald eine billige Arbeitskraft und eine unterdrückte Bevölkerungsschicht sind (ähnlich wie in frühen SF-Werken die Roboter), bald hingegen rebellieren und die übrige Menschheit an die Wand drücken. Mit der wissenschaftlichen Seite des Klonens haben diese Romane nicht das Mindeste zu tun – die sozialen Ängste im Zusammenhang mit dem Klonen bedürften einer gesonderten Betrachtung und sind wohl eher metaphysischer Natur.

    Es sind auch ein paar Werke der »apokalyptischen« Sorte erschienen, in denen der heraufziehende Weltuntergang geschildert wird. Als Antiutopien sensu stricto sind sie nicht zu bezeichnen – Alexander Gromow beispielsweise, der für seinen pessimistischen Blick auf die Zukunft der Menschheit berühmt ist, interessiert sich im Grunde dafür, wie sich Menschen im Angesicht der drohenden Katastrophe verhalten, und die Modelle der Katastrophe selbst sind reine Konvention.

    Warten wir also ab, und wir werden sehen. Oder nicht sehen – Antiutopien sind ja dazu da, dass die Menschheit einen Teil bestimmter fataler Katastrophen auf dem Papier und auf der Kinoleinwand »abarbeitet«.

    Originaltitel: Кривое зеркало Утопии

    Zeitschrift »Реальность фантастики«

    (Realität der Phantastik) Nr. 3/2004, Kiew

    Aus dem Russischen von Erik Simon


    [1] Nach gekürzten Zeitschriften-Vorabdrucken der Romane Lems und Jefremows erschienen die vollständigen Buchausgaben 1955 bzw. 1958; die Strugatzkis ließen ihrem Roman 1967 die erweiterte Version Mittag, 22. Jahrhundert (Rückkehr) folgen. – Anm. d. Übers.

    [2] Ich belasse den von der Autorin durchgehend verwendeten Begriff, obwohl im Deutschen in vielen Fällen inzwischen »Dystopie« üblicher ist. – Anm. d. Übers.

    Usch Kiausch

    Himmel und Hölle – Monster und Engel

    Das literarische Universum von Margaret Atwood

    »Als eine der bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit stellt sie die sich wandelnden Denk- und Verhaltensweisen ins Zentrum ihres Schaffens und lotet sie in ihren utopischen und dystopischen Werken furchtlos aus«, so begründete der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Verleihung seines Friedenpreises 2017 an die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood. Sie zeige, »wie Literatur sein muss, um auch eine politische Wirkung zu entfalten«, bemerkte die Autorin Eva Menasse in ihrer Laudatio. In der Tat hat sich Atwood in ihrem umfangreichen Werk immer wieder mit aktuellen gesellschaftlichen und globalen Fragen auseinandergesetzt – eine Kämpferin für die Erhaltung der Umwelt auf unserem Planeten, für die Selbstbestimmung der Frauen, gegen globale Ausbeutung und Unterdrückung, für den Frieden. »Kriege finden statt, wenn die Sprache versagt« und »Wir können die Natur nicht weiter in diesem gefährlichen Tempo vertilgen, ohne uns selbst und alles andere auf dem Planeten zu töten«, hat sie immer wieder betont. Vom August bis Dezember 2009 reiste sie durch die USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland und Österreich und führte selbst als Erzählerin durch szenische Lesungen aus ihrem Roman Das Jahr der Flut, für die sie jeweils vor Ort Schauspieler und Musiker engagierte. Ein großer Teil der Einnahmen ging an Organisationen des Umweltschutzes.

    Dennoch lehnt sie es ab, als politische Agitatorin und Aktivistin bezeichnet zu werden. »Ich bin keine echte Aktivistin«, sagt sie in ihrer Dankesrede bei der Verleihung des Friedenspreises (übersetzt von Monika Baark). »Eine echte Aktivistin würde ihr Schreiben als Vehikel für ihren Aktivismus sehen – für ihre wichtige Sache, welche auch immer –, und das war bei mir nie der Fall. Es stimmt zwar, dass man keine Romane schreiben kann, ohne die Welt zu betrachten, und dass man sich beim Betrachten der Welt natürlich fragt, was los ist und das dann zu beschreiben versucht; ich glaube, Schreiben ist zu einem Großteil der Versuch zu ergründen, warum Menschen tun, was sie tun. Menschliches Verhalten, tugendhaftes wie teuflisches, versetzt mich immer wieder in Erstaunen. Wer jedoch über menschliche Verhaltensweisen schreibt, erweckt vielleicht den Anschein von Aktivismus, da Sprache eine inhärente moralische Dimension hat, und Geschichten genauso. Der Leser wird moralische Urteile fällen, selbst wenn der Schriftsteller behauptet, nur Zeugnis abzulegen.«

    Margaret Atwoods ungeheuer breites literarisches Spektrum umfasst Gedichte, Satiren, Erzählungen, Kurzgeschichten, Kinder- und Sachbücher, literaturtheoretische Essays, psychologische Romane mit stark metaphorischen Elementen, Rekonstruktionen historischer Kriminalfälle (Alias Grace, 1996), Dekonstruktionen von Mythen wie der Odyssee (Die Penelopiade, 2005) und jüngst auch eine Hommage an Shakespeares Spätwerk Der Sturm mit der Neuerzählung des Stoffes in Hexensaat (2017). Zwischen 1969 und 2017 hat die 1939 im kanadischen Ottawa geborene Schriftstellerin mehr als 60 Bücher veröffentlicht, darunter 16 Romane.

    1985 bricht sie in The Handmaid’s Tale (deutsch: Der Report der Magd, 1987) mit dem psychologischen Gegenwartsroman und wendet sich – in der Tradition von George Orwell und Aldous Huxley, wie sie betont – dystopischen Gefilden zu. In der Erzählung der Protagonistin Desfred verbindet Der Report der Magd (1990 von Volker Schlöndorff als Die Geschichte der Dienerin verfilmt) Rückblicke auf die USA des sich dem Ende zuneigenden 20. Jahrhunderts mit der fiktiven Gegenwart des nordamerikanischen christlich-fundamentalistischen Nachfolgestaats »Republik Gilead«, in dem – wie in Orwells 1984 – totalitäre Überwachung, Geschichtsklitterung und Literaturverbot an der Tagesordnung sind. Kernproblem dieser im wahrsten Sinne sterilen Gesellschaft und grundlegend für die Sozialstruktur und die Unterdrückung der Frauen ist die Reproduktion der Bevölkerung. Frauen verlieren jegliche Rechte und werden zu Gebärmaschinen degradiert. Eine der Ursachen dafür, dass Atwoods Roman seinerzeit so große Resonanz fand, lag darin, dass viele Leserinnen und Leser diese nahe Zukunft wegen der zunehmenden religiös-fundamentalistischen Strömungen in den USA mühelos nachvollziehen konnten.

    Ausführlich geht sie in einem Interview mit der britischen Tageszeitung THE GUARDIAN (»Aliens Have Taken the Places of Angels«, veröffentlicht am 17.6.2005) auf die Vorzüge ein, die ihr diese literarische Form gegenüber dem realistischen Roman bietet, nämlich die Möglichkeit, Veränderungen in der Organisation der Gesellschaft bis zur letzten Konsequenz zu extrapolieren (»Denken Sie an das Kambodscha des Pol Pot«) und die menschliche Vorstellungskraft sprunghaft zu erweitern: »Nach wie vor ist es die menschliche Vorstellungskraft in all ihrer Vielfalt, die bestimmt, was wir mit unseren technologischen Mitteln anfangen. Literatur ist eine Äußerung oder Entäußerung der menschlichen Vorstellungskraft. Sie zerrt die dunklen Seiten des Denkens und der Gefühle – Himmel und Hölle, Monster und Engel – ins Licht, wo wir sie genauer betrachten können. Und vielleicht gelangen wir dadurch zu einem besseren Verständnis dessen, wer wir sind, was wir wollen und was die Grenzen unserer Wünsche sein könnten.«

    Die Reise nach Gilead wird nicht ihre letzte Erkundung dieser literarischen Form bleiben. 2003 erscheint Atwoods Post-Doomsday-Roman Oryx and Crake (dt. Oryx und Crake, 2005), dessen zentrales Thema ebenfalls um die Frage kreist, was das Menschsein in einer zerfallenden Welt eigentlich noch ausmacht. Atwoods weltumspannende ökologische und soziale Katastrophe ist in der Zukunft der kommenden dreißig, vierzig Jahre angesiedelt, in der die globale Erwärmung in Kombination mit einer – in gentechnologischen Laboren erzeugten – Virusepidemie die Erdbevölkerung nahezu auslöscht. Allmächtige Konzerne haben Politik und Staatsgefüge ausgehebelt und kontrollieren alles – von der Gesundheitsversorgung bis zum Erziehungswesen; längst hat das weltweite Netz jede Intimsphäre aufgehoben, Live-Übertragungen von sorgfältig inszenierten Hinrichtungen sind ebenso an der Tagesordnung wie Kinderpornografie. Wie schon im Roman Der Report der Magd ist die Bewahrung der Sprache, die Erhaltung des kollektiven menschlichen Gedächtnisses, eine Form des Widerstands gegen die Diktatur. In einem Interview zu Oryx und Crake betont Atwood, ihre Erzählhaltung sei weder technophobisch noch wissenschaftsfeindlich. Vielmehr sei es ihr um die Frage gegangen: »Haben wir als Spezies die emotionale Reife und die Weisheit, mit unseren mächtigen Instrumenten richtig umzugehen?«

    In The Year of the Flood (dt. Das Jahr der Flut, 2009) erzählt sie von einer Welt, in der der Raubtierkapitalismus regiert und sich hemmungslos aller wissenschaftlich-technologischen und natürlichen Ressourcen bedient. Mit dem Zerfall staatlicher Strukturen gehen der Zusammenbruch des Gemeinwesens und die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts einher. Die tiefe Spaltung der Gesellschaft erzeugt auf der einen Seite Armengettos, Subkulturen und marodierende Banden, auf der anderen Seite industrielle Enklaven, in denen nicht zuletzt gentechnische Monstrositäten herangezüchtet werden. Geschützt werden die völlig autonom agierenden Konzerne von einer allmächtigen Sicherheitspolizei. In dieser anarchischen Welt kommt es zu einer Renaissance religiöser Sekten. Auf Hochhausdächern schaffen die asketischen, streng vegetarisch lebenden »Gärtner Gottes« autarke Versorgungsstätten. Das Credo der pazifistischen Sammelbewegung ist eine Mischung aus christlicher Nächstenliebe und aufgeklärter Evolutionstheorie. Erträglich wird dieser Blick auf diese ihrerseits dogmatischen Hoffnungsträger eines neuen spirituellen »Weltbewusstseins« für den Leser durch Atwoods ironische, oft auch sarkastische Erzählweise: In der Not frisst der Teufel Fliegen, und die Gottesgärtner müssen zum Überleben auf tierisches Eiweiß zurückgreifen. Auch bewahrt die pazifistische Gesinnung diese sanften Menschen nicht davor, auf im Garten wildernde genveränderte Schweine mit nahezu menschlicher Intelligenz schießen zu müssen. Dieses Schwanken zwischen Predigt und Satire wirkt bei der Lektüre einerseits irritierend, verhindert jedoch, dass der Roman zu einem esoterischen Erweckungspamphlet wird.

    Reichlich schwarzer Humor und bitterböse Visionen zeichnen auch Atwoods 2017 erschienenen Roman The Heart Goes Last aus, dessen unglücklich übersetzter deutscher Titel Das Herz kommt zuletzt eher an die Herzschmerz-Romanzen der Heft-Serien denken lässt. Ein großer Wirtschafts- und Finanzcrash hat im Nordosten der USA der nahen Zukunft zu Massenarbeitslosigkeit, Verlust von Vermögen und Wohnungen geführt. Der Modellversuch »Positron« in der Stadt Consilience (»Zusammenkunft«) bietet arbeits- und obdachlosen Menschen wie dem jungen Paar Stan und Charmaine eine neue Chance – nur hat das Angebot einen großen Haken: Die Vollbeschäftigung in Consilience beruht darauf, dass alle Bewohner jeweils einen Monat in Freiheit arbeiten und danach einen Monat lang im örtlichen Gefängnis Dienstleistungen zu erbringen haben. Im Gegenzug dürfen die Kriminellen alle vier Wochen »freie Jobs« übernehmen. Für Stan und Charmaine, die diesen sonderbaren Arbeitsvertrag unterschreiben, gibt es ein böses Erwachen, als sich der profitgeile Projektmanager als skrupelloser Psychopath entpuppt. Bei Widerstand gegen seine Arbeitsorganisation geht er auch über Leichen und führt deren Innereien einer gewinnbringenden Nutzung zu, sprich dem Organhandel. Genau darauf spielt der englische Titel des Romans an: The Heart Goes Last.

    In ihrer Dankesrede zur Friedenspreisverleihung sagte Atwood, dass wir in einer Zeit leben, in der der »Boden unter unseren Füßen wankt, ein mächtiger Wind bläst und wir nicht mehr genau wissen, wo wir sind. Wir wissen auch nicht mehr genau, wer wir sind. Wem gehört das Gesicht da im Spiegel? Warum wachsen uns Fangzähne? Erst gestern noch waren wir von so viel gutem Willen und Hoffnung beseelt. Und jetzt? (…) Jedes Land hat, wie jeder Mensch, ein nobles Ich – das Ich, für das es sich gern halten würde –, und es hat ein Alltags-Ich – das einigermaßen manierliche Ich, mit dem es durch die alltäglichen Wochen und Monate kommt, wenn alles läuft wie erwartet –, und dann hat es ein verborgenes, viel weniger tugendhaftes Ich, das in Augenblicken der Bedrohung und Wut hervorbrechen und unsägliche Dinge tun kann.«

    Es ist auch eine Zeit, in der Atwoods Dystopie Der Report der Magd aus dem Jahre 1985 in den USA nicht zufällig wieder zum Bestseller wurde. Die Verleihung des Emmy Awards, des wichtigsten Fernsehpreises in den Vereinigten Staaten, geriet 2017 zur Anti-Trump-Veranstaltung, bei der als beste Drama-Serie die neue Netflix-Verfilmung von The Handmaid’s Tale ausgezeichnet wurde. Dieses Buch, sagt Atwood, ist gut dreißig Jahre nach seinem ersten Erscheinen wieder aktuell, »denn plötzlich wirkt es nicht mehr wie eine weit hergeholte, dystopische Phantasie. Es ist nur allzu wahr geworden. Dieser Tage tauchen rotgewandete Gestalten in den Parlamenten auf, um schweigend gegen die Gesetze zu protestieren, die dort hauptsächlich von Männern beschlossen werden, um Frauen zu kontrollieren. Deren Ziel ist es anscheinend, die Uhren zurückzudrehen, am liebsten ins 19. Jahrhundert. In was für einer Welt wollen diese Abgeordneten leben?«

    Auf Twitter folgen Atwood 1,8 Millionen Menschen, mit vielen tauscht sie sich dort in aller Kürze über soziale, ökologische und politische Fragen aus. Und auch dieses Zitat von ihr machte die Runde: »Ich glaube, es ist höchste Zeit, mal ein bisschen grob zu werden.«

    Lars Schmeink

    Kritische Betrachtungen des Posthumanen in der zeitgenössischen Science Fiction

    Angesichts der weitreichenden Veränderungen unseres Lebens, der fortschreitenden Digitalisierung, der massiven Wandlung, ausgelöst durch Biotechnologie, und der immer größer werdenden Komplexität globaler Systeme ist es kaum verwunderlich, dass man eigentlich überall dem Begriff des Posthumanismus begegnet. Denn wer wir sind, das steht im 21. Jahrhundert mehr denn je in Frage – sowohl der Status »Mensch« als auch der Status »Person« müssen angesichts sich verändernder sozialer Bedingungen und technologischer Entwicklungen neu gedacht werden. Und genau das ermöglicht uns der Posthumanismus.

    Der Begriff ist mehrdeutig, zielt nicht nur auf ein »nach dem Menschen«, sondern auch auf ein »nach dem Humanismus« –, und verweist zudem nicht nur auf eine zeitliche Abfolge, sondern auch auf eine konzeptionelle Verschiebung. Es geht dem Posthumanismus darum, den Menschen anders zu denken: nicht mehr im Zentrum des Seins als Lenker seiner Umwelt, sondern als Teil der Umwelt ohne Sonderstatus, als integriert in organische, aber auch technische Geflechte. Vor allem die technischen Veränderungen sind es, die das Denken des Posthumanismus beeinflussen, die den Menschen als »technologisch vermitteltes Subjekt« offenbaren, dessen Existenz nachhaltig beeinflusst wurde: Das Posthumane existiert »in einer Welt, die unwiederbringlich von Technologie verändert wurde«[1] (Flanagan 14).

    Anders ausgedrückt ist der posthumane Mensch ein Aspekt einer komplexen und hybriden Existenz »multipler Formen des Lebens und Maschinendaseins« (Nayar 2). So ist unser Leben[2] schon jetzt durch die Interaktionen mit und Integration in Technologien bestimmt, vom plakativen Beispiel des Herzschrittmachers bis zu den abstrakteren Integrationen mit mobilen Endgeräten, die unseren Alltag gestalten. Hinzu kommt die Realisation, dass der Mensch durch anderes Leben beeinflusst ist – von den Mikroben in unserem Verdauungstrakt zu den unsere Existenz begleitenden und/oder erhaltenden Tieren und Pflanzen. Die vom Humanismus propagierte Sonderstellung des Menschen im Tierreich ist mittlerweile von der Verhaltensforschung ebenso widerlegt wie von der Genetik. Und selbst mit unserem Habitat verbinden uns komplexe Beziehungen, die wir aktuell einseitig aufkündigen – etwas, das unter dem Begriff des Anthropozäns als neuem und vom Menschen dominierten geologischen Zeitalter diskutiert wird.

    Im Grunde richtet sich also der Posthumanismus, in seiner kritisch-philosophischen Ausrichtung, gegen die Annahmen des Humanismus, wie er seit der Aufklärung, vor allem in der westlichen Welt, gesehen wird. Sowohl der Exzeptionalismus des Menschen, basierend auf Kategorien wie Bewusstsein, Subjektivität, der freien Entscheidungskraft oder der Moral, wird vom Posthumanismus infrage gestellt als auch die dahinterstehende Annahme, dass es essenzielle Merkmale gäbe, die eine menschliche Natur definierten. Vielmehr seien ganze Menschengruppen schon immer von der Definition des Menschen in diesem humanistischen Konstrukt ausgeschlossen, so Rosi Braidotti (1), denn Subjektivität und freie Entscheidungen seien historisch (und teilweise noch) auf Bürger, Landbesitzer oder Männer beschränkt (gewesen). So universell und essenziell sind die Kriterien der menschlichen Natur nicht. Kritischer Posthumanismus sieht es als notwendig an, diese privilegierte Position des Menschen aufzulösen, um hierarchisches Denken und die Unterdrückung nicht-menschlichen Lebens zu verhindern. Stefan Herbrechter sagt dazu: »Posthuman und posthumanistisch heisst [sic] eben auch dies: Sich all den Geistern stellen, die beim Prozess der Menschwerdung verdrängt worden sind, all die ›Anderen‹ des Menschen: Tiere, Götter, Dämonen, Ungeheuer aller Art« (13). Solange wir nicht die Struktur hinter dem Konzept humanistischer Subjektivität abschaffen, wird es immer möglich sein, dem »sozial Anderen« gegenüber Gewalt zu rechtfertigen, egal welcher Spezies es angehört, »oder welchem Geschlecht, oder Rasse, oder Klasse, oder sexueller Orientierung« (Wolfe 8).

    Darin inbegriffen sind aber natürlich auch die Fragen nach neuen Technologien und deren Einfluss auf die Subjektivität. Wenn Menschen sich und ihre Umwelt verändern – durch Genmanipulation, durch Klon-Techniken, durch kybernetische Prothesen oder Nanotechnologie – wo hört dann der Mensch auf und wo beginnt die Technologie? Und schließlich betrifft dies auch die Entwicklung neuer Lebensformen, sei es in Form genetischer Kreation oder künstlicher Intelligenz. Welchen Status geben wir diesem Leben – ist Bewusstsein ausreichend, um eine KI als Person anzusehen? Welchen Bezug haben der biologische Körper und der Geist zueinander, und was davon definiert eine Person?

    Diese Frage wird umso wichtiger, betrachtet man eine zweite Strömung des Posthumanismus, der es weniger um die Erweiterung von Subjektpositionen und eine Relativierung der menschlichen Position geht, als vielmehr um eine Expansion dessen, was als menschliche Natur betrachtet wird. Transhumanismus geht davon aus, dass der Mensch vor allem durch seine im Körper verankerten Begrenzungen nicht sein volles Potential ausschöpfen kann. Es müsse daher das Ziel sein, »unsere biologischen Limitationen mit dem Mittel der Technologie zu transzendieren« (Bostrom, k. S.) und so unsere geistigen wie physischen Fähigkeiten zu erweitern. Das Endergebnis einer solchen Transzendenz sei dann die posthumane Existenz – losgelöst vom biologischen Körper und nahezu unsterblich. Auf dem Weg dahin können kybernetische Implantate, Gentechnologie oder auch der Transfer des Bewusstseins Übergangsschritte sein, die die menschliche Existenz verlängern.

    Es sollte einleuchten, dass es ein dringliches gesellschaftliches Bedürfnis ist, die von Trans- und Posthumanismus vorgebrachten Thesen zu erörtern und eine Vielzahl potenzieller Szenarien durchzuspielen. Juristen prüfen Gesetzgebungen, Politiker und Soziologen diskutieren mögliche Folgen für die Gesellschaft, und Ethiker formulieren Gedankenexperimente, um unseren moralischen Kompass auszuloten. Doch es ist vor allem die Populärkultur, die mit der Science Fiction ein ideales Experimentierfeld geschaffen hat, auf dem sich Posthumanität ausdrücken und in gesellschaftlichen Diskursen erproben kann. Denn die SF beschäftigt sich schon seit ihrer Formierung mit der Frage, was die menschliche Natur ausmacht. Bereits in dem als SF-Urtext angesehenen Roman Frankenstein (1818) von Mary Shelley geht es um ein vom Menschen künstlich geschaffenes Wesen, dem der Status als »Person« versagt bleibt, weil die Gesellschaft es ausstößt. Das Geschöpf kann in der historischen Betrachtung sehr wohl als posthuman angesehen werden. Seither ist die Frage nach der Essenz des Menschen eines der zentralen Motive der SF und wurde bereits in ihren frühesten Texten verhandelt. H. G. Wells etwa diskutiert die Subjektivität von Tieren, die in Die Insel des Dr. Moreau (1896) durch Experimente zu untertänigen Mensch-Tier-Hybriden herangezüchtet werden. Und Karel Čapek wiederum verweist bereits 1920 mit seinem Theaterstück R. U. R. – Rossum Universal Robots auf die fehlenden Rechte von Arbeitern, in dem er diese zu maschinellen Sklaven macht. Ganz nebenbei erschafft Čapek damit den Begriff »Roboter« und für synthetische Wesen eine neue Kategorie, die bis heute ihre Bedeutung nicht verloren hat.

    Auch in der zeitgenössischen Populärkultur finden sich diese beiden, in die Frühzeit der SF zurückreichenden posthumanistischen Kategorien der Verwischung des menschlichen Exzeptionalismus wieder: der Status des Menschen ist sowohl durch seine sich verändernde Biologie in Frage gestellt als auch durch künstlich erschaffenes Leben. Das Spektrum des Posthumanen ist dabei vielseitig, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.

    Upload des Bewusstseins

    Am Anfang vieler transhumanistischer Phantasien steht die Überzeugung, dass wir in unserem jetzigen Zustand limitierte Zwitterwesen seien, »zum Teil Biologie, zum Teil Kultur, wobei viele unserer biologischen Fähigkeiten nicht im Einklang stehen mit den Erfindungen unseres Geistes« (Moravec 4). Die Technologie als Manifestation von Kultur sei buchstäblich über unsere Biologie hinausgewachsen. Für Kybernetikforscher Hans Moravec ist die Lösung eindeutig, der Weg könne nur in eine »postbiologische« (1) Welt führen, in der »menschliches Denken von den Ketten des sterblichen Körpers« (4) befreit sei.

    Diesem Denken liegt die Überzeugung zugrunde, dass der Mensch durch seinen Geist bestimmt ist, dass sich Bewusstsein von einem Körper in einen anderen übertragen lässt und das Selbst dabei stabil erhalten bleibt. Der Upload des menschlichen Bewusstseins in einen neuen Körper, das Austauschen beliebiger Hüllen, biologischer oder synthetischer, in Teilen oder Gänze, ist entsprechend ein beliebtes Motiv der posthumanen Science Fiction und wird in einer Vielzahl von Varianten präsentiert.

    Im Roman ZweiundDieselbe (2008) von Mary E. Pearson erwacht die Teenagerin Jenna Fox nach einem Unfall ohne Erinnerungen aus einem langen Koma und findet nur schwer in ihr Leben zurück. Beim Abgleich mit Videoaufzeichnungen aus ihrem früheren Leben fallen ihr Ungereimtheiten an ihrem früheren Ich auf. Angestachelt von Neugierde und einem Unbehagen mit sich selbst, sucht sie nach Antworten und erfährt schließlich, dass sie bei dem Unfall verstorben ist und ihre Eltern ihr Bewusstsein kopiert und in einen aus Bio-Gel künstlich gewachsenen Körper verpflanzt haben. Jennas neuer Körper ist zwar physisch leistungsfähiger und wird deutlich langsamer altern, er ist aber der aktuellen Gesetzgebung nach illegal – womit Jenna zwar eine posthumane Körperlichkeit erreicht, ihre Subjektivität aber gesellschaftlich gerade deswegen nicht anerkannt wird. Hinzu kommt, dass Jennas digitales Bewusstsein von ihren Eltern manipuliert worden ist und etwa um einen Fail-Safe-Mechanismus ergänzt wurde, der Jenna gefügig machen soll. Der Roman verarbeitet aus der Perspektive des Teenagers, was es bedeutet, sich von Kontrollmechanismen zu befreien, um so eine eigene (und in diesem Falle auf synthetischer Verkörperung basierende) Subjektivität finden zu können. Die Frage nach den ethischen Grenzen der Gewalt über synthetische Wesen und deren gesellschaftlichen Status wird hier in das Genre des Young Adult Romans übertragen, was Lesern einen direkteren Zugang zu den im Erwachsenwerden gespiegelten Identitätsfindungsprozessen ermöglicht und diese auf Kategorien der Posthumanität erweitert.

    Ähnliche Thematiken der Selbstfindung schneidet auch Rupert Sanders auf dem gleichnamingen Manga basierender Film Ghost in the Shell (2017) an, in dem der menschliche Körper durch synthetisch-technologische Implantate aufgewertet werden kann. Wie weit diese Technologie den menschlichen Körper ersetzen kann, wird an Major Mira Killian (Scarlett Johanson) deutlich, die vom Hanka-Konzern vollständig synthetisch erschaffen wird. Nur Erinnerungen und menschliches Bewusstsein, also der Geist (engl. ghost) einer Person, werden dem synthetischen Körper eingesetzt, um so ein menschlich agierendes, aber doch kontrollierbares Wesen zu erschaffen. Denn ähnlich wie Jenna Fox ist auch Mira Killian keineswegs frei in ihren Entscheidungen. Auch ihre Erinnerungen, die digital einem beliebigen synthetischen Körper (einer Hülle, engl. shell) eingespielt werden können, sind manipuliert und erlauben ihr keine Subjektivität. Im Film geht es folglich um die Frage, was Killians Menschlichkeit ausmacht und wie sie die Programmierung durchbrechen kann, um eigenständige und freie Entscheidungen zu treffen.

    Deutlich nuancierter und ausgearbeiteter wird das Thema in der TV-Serie Altered Carbon (Netflix, 2018) verhandelt, die auf dem gleichnamigen Roman von Richard Morgan (2002) basiert. Hier ist die Technologie austauschbarer Körper schon lange nicht mehr als experimentell einzustufen wie noch in den beiden vorhergehenden Beispielen. Angestoßen durch eine Alien-Technologie haben die Menschen sogenannte »kortikale Stacks« entwickelt, scheibenförmige Speichermedien, in denen Bewusstsein und Erinnerungen eines Menschen gespeichert werden können. Aus der Technologie entwickelt sich in der Serie eine Vielzahl gesellschaftlicher Konflikte, die als Extrempunkte heute bereits gegebener sozialer Probleme gelesen werden können. So werden Körper in der Serie als Hülsen (engl. sleeves) bezeichnet und als leicht austauschbare Ware gehandelt – eine neoliberale Extremposition, die Menschen ihren Status als Person abspricht und sie zu einem Konsumgut degradiert.

    Menschen mit genügend Geld können quasi Unsterblichkeit erreichen, indem sie Klone ihres biologischen Körpers vorrätig halten, die nach Bedarf mit ihrem Stack bestückt werden. In der Serie wird deutlich, wie Macht und Geld sich über Generationen selbst erhalten und soziale Veränderungen unmöglich machen. Unsterbliche Meths (kurz für Methusalems) dominieren die politischen Verhältnisse, haben über Jahrhunderte Beziehungsnetzwerke aufbauen können und sind durch redundante Systeme (des Backups ihres Stacks) sogar vor Ermordung geschützt. Doch das Fehlen von Bedrohung für die Existenz führt zur emotionalen Abstumpfung, sodass die Meth-Gesellschaft in der Serie als dekadent und degeneriert dargestellt wird. Normale Menschen werden zu Spielzeug, mit dem extreme physische und psychologische Situationen generiert werden, da nur so Erfahrungen erzeugt werden, die einen Meth noch emotional erreichen.

    So bieten Meths etwa weniger privilegierten Menschen an, ihren Körper für ein Upgrade zu verkaufen. Die Serie zeigt hier beispielhaft einen bis auf den Tod geführten Gladiatorenkampf zwischen Ehepartnern, dessen Sieger einen verbesserten Sleeve als Preis erhalten wird. Noch drastischer ist der Fall von Prostituierten, die von Meths für extreme S/M-Erfahrungen gekauft und bis zum Tod gefoltert werden. In beiden Fällen werden nach den erfüllten Konsumwünschen die beschädigten Sleeves ausgetauscht oder die Stacks der toten Sleeves entsorgt (oder gelagert, um Erpressbarkeit zu generieren). Die Serie zeigt hier deutlich, wie transhumanistische Einstellungen zum Körper diesen als Objekt unabhängig vom menschlichen Bewusstsein positionieren. Wenn der Körper beliebig austauschbar ist, dann wird er zur Ware, der ein Wert zugesprochen werden kann. Und als Extrapolation heutiger biopolitischer Realitäten, in denen schon jetzt der Körper als Quelle von Kapital, etwa in Form von Arbeitskraft eines Menschen definiert wird, zeigt Altered Carbon, wie eine solche Geisteshaltung hierarchische Machtstrukturen und Ungleichheit ins Extrem steigert.

    Theoretisch ist die Verlängerung des Lebens durch einen neuen Sleeve für jeden möglich, vorausgesetzt, man verfügt über genügend Ressourcen. Die Trennung von Stack und Sleeve befördert jedoch einen Markt, in dem beide Aspekte des Selbst als unabhängig voneinander verstanden werden. Verbrechen etwa wird durch die Institutionen mittels Entfernung des Stacks bestraft, der wiederum für eine recht hohe Anzahl von Jahren gelagert werden kann. Das eliminiert zum einen die Kosten für die Verwahrung von Verbrechern, generiert aber eben auch biologisch gewachsene Körper für einen freien Markt. Der Protagonist der Serie, Takeshi Kovacs (Joel Kinnaman) ist im doppelten Sinne von dieser Prozedur betroffen. Zum einen ist er als Kriegsverbrecher bereits vor 250 Jahren verurteilt worden und von der heutigen Welt völlig entfremdet. Andererseits ist sein Körper der des ehemaligen Polizisten Ryker, dessen eigene Konflikte sich nun auf Kovac übertragen. Die Serie zeigt auf, wie stark wir Identität mit spezifischen Körpern verbinden, was zu zwischenmenschlichen Komplikationen und potenziellem Missbrauch führt. So können Menschen entführt und ihre Sleeves für Verbrechen genutzt werden, oder für den Einsatz als Spione, um Informationen von vertrauten Personen zu erlangen.

    Potenziert werden die sich auflösenden Identitäten noch durch die Möglichkeit, sowohl Sleeves als auch Stacks zu duplizieren – verschiedene Instanzen des Selbst können unterschiedliche Handlungen ausführen und parallel existieren, ebenso wie verschiedene Instanzen ein und desselben Körpers von verschiedenen Stacks genutzt werden können. Gerade unter den Meths der Serie führt dies zu moralischen Verfehlungen, wenn Kinder sich der Körper ihrer Eltern bedienen, um zu rebellieren, sich selbst zu bereichern oder deren Machtgeflecht zu entfliehen. Darunter liegt aber weiterhin die Frage, welche dieser Instanzen Subjektivität und den Status als Person verdient? Kovacs muss sich nach einem Stack-Klonvorgang entscheiden, welches »Selbst« er zum Sterben verurteilt, welche »seine« subjektiven Erfahrungen sind.

    Wo die Grenzen des Selbst liegen, was einen Menschen also ausmacht – Sleeve oder Stack – das wird in der Serie vielseitig diskutiert. So werden Menschen, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind, mit einem neuen Körper ausgestattet, allerdings steht ihnen kein vorher definierter Körper zur Verfügung. Bereits in der ersten Folge begegnen wir dieser Praxis, Sleeves wahllos zuzuteilen, als eine Familie ihre

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