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Ängste, Schuld, Selbstzweifel?: Erkennen und lösen mit PSI Psychosomatische Integration
Ängste, Schuld, Selbstzweifel?: Erkennen und lösen mit PSI Psychosomatische Integration
Ängste, Schuld, Selbstzweifel?: Erkennen und lösen mit PSI Psychosomatische Integration
Ebook542 pages6 hours

Ängste, Schuld, Selbstzweifel?: Erkennen und lösen mit PSI Psychosomatische Integration

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About this ebook

AKUPUNKTUR FÜR DIE SEELE
Wer auf der Suche nach einer einfachen und effizienten Selbsthilfetechnik ist, um belastende Gefühle jedweder Art rasch aufzulösen und in positive zu transformieren, für den ist dieses Buch genau das richtige.
Die Psychotherapeutin Karin Neumann erklärt in diesem Ratgeber die von ihr entwickelte Methode der Psychosomatischen Integration, mit der man zu mehr Selbstliebe, Selbstwert, Lebenszufriedenheit, Leichtigkeit und Glück kommen kann. Alles, was für diese Selbstbehandlung benötiget wird, ist das Wissen um den Behandlungsablauf und die Fingerspitzen – um damit bestimmte Behandlungspunkte auf dem eigenen Körper zu beklopfen, während man emotional auf das Problem eingestimmt ist. Dadurch „beruhigt“ sich schnell das vegetative Nervensystem und man kommt von einem Erregungszustand in einen Ent- spannungszustand. In diesem sind Ängste, Ärger, Phobien & Co physiologisch gar nicht mehr möglich. "Das ist der Trick bei dieser wunderbaren Methode", sagt die Psychotherapeutin.
LanguageDeutsch
Release dateApr 30, 2019
ISBN9783903229099
Ängste, Schuld, Selbstzweifel?: Erkennen und lösen mit PSI Psychosomatische Integration
Author

Karin Neumann

Dr. Karin Neumann, geb. 1959, lebt und arbeitet als Psychotherapeutin, Traumatherapeutin, Paartherapeutin, Supervisorin und Coach in ihrer eigenen Praxis in Perchtoldsdorf bei Wien. Sie ist die Begründerin der Stressreduktions- und Traumaverarbeitungsmethode „PSI – Psychosomatische Integration“ sowie die Entwicklerin der „PSI-BE FREE-Software“.

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    Book preview

    Ängste, Schuld, Selbstzweifel? - Karin Neumann

    Autorin

    EINLEITUNG

    Wollen Sie sich so richtig gut fühlen?

    Denn ob Sie sich gut fühlen oder nicht hängt nur von Ihnen selbst ab: weder von Ihrem Partner, noch von Ihrem Job oder Ihrem Bankkonto; nicht einmal vom Zustand Ihres Körpers. Denn es ist Ihre innere Haltung, Ihr ureigenes Potenzial und Ihre Selbstliebe, die Ihr Leben gestalten!

    Ψ PSI, die Psychosomatische Integration, kann Ihnen dabei helfen. „PSI ist der 23. Buchstabe des griechischen Alphabets und steht für „Psyche. Die Psychosomatische Integration kann für Sie zu einem wichtigen Instrument werden, besonders unangenehmen oder schwierigen Lebenssituationen gewappnet zu begegnen. Sie sind diesen nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern bekommen ein Werkzeug in die Hand, ab jetzt aktiv etwas für sich zu tun, um Ängste, Schuldgefühle, Selbstzweifel, Anspannungen und Stressoren aller Art in meist kurzer Zeit in einen Zustand von innerer Gelassenheit zu transformieren.

    Diese bifokal-multisensorische Psychotherapietechnik (in Form von Beklopfen bestimmter Akupunkturpunkte, Summen, Zählen, Augenkreisen etc.) trägt zur Verarbeitung belastender Erinnerungen und Emotionen bei. Wir bearbeiten mit PSI all das, was uns auch heute noch belastet, blockiert und uns im Leben nicht voranschreiten lässt. Belastende Gefühle werden durch den PSI-Behandlungsablauf im ersten Schritt neutralisiert, um sie im zweiten Schritt schließlich in Ressourcen zu verwandeln. Diese positiven Gefühle stärken Sie fortan und ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben in emotionaler Freiheit.

    Sie können die PSI-Behandlung sowohl vorbeugend, als auch in einer belastenden Akutsituation, anwenden. Wenn Sie PSI oft und konsequent nutzen, wirkt es oft noch tiefer, nämlich an der Ursache selbst. Negative Gedankenspiralen werden dadurch aufgelöst und Sie beginnen, sich wie von selbst besser und befreiter zu fühlen. Mit jeder erfolgreich durchgeführten Behandlung sichern Sie Ihren dauerhaften Erfolg, gelassen, glücklich und in Einklang mit sich selbst zu leben, immer mehr.

    Stress und seine Folgen

    In den letzten Jahren hat sich unser Dasein extrem verändert. Stress bestimmt unser Leben, weltweit nimmt die Zahl der psychisch und körperlich bzw. psychosomatisch Erkrankten aufgrund von Stressoren aller Art immer mehr zu. Psychische Belastungen können zu Ängsten, Depressionen, Burnout, Suchtverhalten, Selbstwertproblemen und vielem mehr führen. Auch auf der Körperebene wirkt sich Stress aus (z. B. mit Migräne, Verdauungsstörungen, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Wirbelsäulenproblemen, Übergewicht u.v.m.). Daher ist es für ein glückliches und gesundes Leben wichtig, täglich einige kurze Pausen einzulegen, um sich ganz bewusst zu entspannen. Eine wunderbare Möglichkeit dazu bietet der PSI-Behandlungsablauf, den Sie in diesem Buch im Praxisteil (Teil III) lernen werden.

    Zukunft braucht Herkunft

    Dieses Buch wendet sich an alle Menschen, die erkennen wollen, weshalb Sie Ängste, Schuldgefühle und Selbstzweifel u.v.m. plagen – und das meist seit vielen Jahren, oft schon ein ganzes Leben lang, – und sie nicht so kraftvoll und selbstbestimmt leben können, wie sie das gerne hätten, um ihre Realität frei und selbstbewusst gestalten zu können.

    Im ersten Teil des Buches lesen Sie deshalb drei fundierte Theorien über die psychische Entwicklung des Menschen:

    Die Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth beschäftigen sich mit der Frage, wie ein Kind zu einem ausgeglichenen und selbstsicheren Menschen heranwächst. PSI unterstützt Sie dabei, solche Blockaden zu lösen, um ein glückliches Leben in Gesundheit genießen zu können.

    Die zweite Theorie handelt von den vier Grundformen der Angst nach Fritz Riemann. Sie erhalten dadurch einen neuen Blickwinkel für Ihr Leben. PSI unterstützt Sie dabei, Ihre Ängste in Mut und Vertrauen zu transformieren.

    Durch die Erkenntnisse in diesem Buch können Sie altes Belastendes auflösen und für immer loslassen und neues Positives in Ihr Leben bringen. Mit der PSI-Behandlungstechnik haben Sie ein kraftvolles Werkzeug in der Hand, um dysfunktionale Gefühle, Gedanken, körperliche Symptome sowie Stressoren aller Art in Ihrem Leben leichter zu machen bzw. ganz aufzulösen. Darüber hinaus lernen Sie im Praxisteil viele weitere effektive Methoden, um frei, gelassen und glücklich Ihr Leben zu genießen.

    Die Wirkung von PSI – Psychosomatische Integration

    Dass Akupunktur bei Problemen wie Muskelverspannungen, Kopfschmerzen und vielem mehr helfen kann, ist seit langem nachgewiesen. PSI ist eine relativ neue Behandlungstechnik mit alten Wurzeln. Dabei wenden wir die Konzepte, die in der Akupunktur zur Behandlung körperlicher Krankheiten angewendet werden, zur Behandlung von belastenden Emotionen, Stressoren und sonstigen psychischen Problemen an. Menschen, die mit Akupunktur keine Erleichterung ihrer Symptome erfahren haben, können mit PSI dennoch gute Erfolge erzielen. Ein wichtiger Unterschied dabei ist, dass beim PSI-Behandlungsablauf zu Beginn innere Widerstände (sogenannte Selbstsabotagemuster), die oft unbewusst sein können, aufgelöst werden – denn diese können jegliche Zielerreichung blockieren.

    Psychische, und manchmal auch körperliche, Belastungen müssen nicht mehr schmerzhaft sein und mit viel Zeitaufwand und Leiden einhergehen. Die Entdeckung, dass Probleme auf so einfache Art und Weise behandelt werden können, ist ein Durchbruch auf dem Gebiet der psychischen und physischen Gesundheit. Daher wird PSI häufig auch als „Akupressur für die Seele" bezeichnet.

    Auch wenn es wenig realistisch erscheinen mag: Durch den PSI-Behandlungsablauf, der aus dem Einstimmen auf ein Problem und dem gleichzeitigen Beklopfen verschiedener Akupunkturpunkte am Körper, dem Durchführen bestimmter Augenbewegungen sowie Summen, Zählen etc. besteht, können Sie Ihre Art zu denken oder fühlen verändern. Ich kenne keine andere Methode, die so schnell und effektiv nachhaltige und positive Veränderungen bringt: Die Erinnerungen an die belastenden oder traumatischen Situationen bleiben wohl erhalten, aber die emotionale Befindlichkeit dazu wird verarbeitet und somit neutralisiert – das verschafft Wohlbefinden und Klarheit im Denken bezüglich des behandelten Themas. Dysfunktionale Gedanken belasten Sie nicht mehr länger, weil die damit verbundenen Emotionen entkoppelt und in Ressourcen transformiert worden sind. Positive Gefühle werden dadurch jedoch nicht beeinflusst (durch die Behandlung kann somit nichts „schlechter" werden).

    Sie müssen nicht an die Wirkung von PSI glauben, damit es wirkt, da die Veränderungen in Ihrem Gehirn, Ihrem Körper und Ihrem Energiesystem passieren – und nicht aufgrund Ihrer Überzeugungen. Dieses Buch soll das tiefe Vertrauen in Ihre Selbstheilungskräfte stärken. Sie finden darin eine Vielzahl an Möglichkeiten, diese mittels strukturierter Behandlungsabläufe in Gang zu setzen.

    Sollten Sie mit dieser Selbstbehandlung nicht sofort Erleichterung bezüglich Ihres Problems verspüren, seien Sie bitte nicht enttäuscht und denken, dass diese Methode bei Ihnen nicht wirkt. Bleiben Sie trotzdem beharrlich und behandeln Sie täglich einen Problemaspekt Ihres Lebens nach dem anderen, so wie Sie es in Teil III (Praxisteil) lernen. Für die meisten Menschen ist PSI eine wunderbare Methode, ihren Alltag besser, entspannter und glücklicher zu leben.

    Die Struktur dieses Buches

    Der erste Teil ist dazu gedacht, zu erkennen, weshalb Sie Ängste, Schuldgefühle, Selbstzweifel, Wut, Zorn, Eifersucht, Beziehungsprobleme etc. überhaupt quälen. Als Kind sind wir sicher, dass das richtig sein muss, wie und was unsere Eltern oder andere Erziehungsberechtigte mit uns machen. Wir hinterfragen das oft viele Jahre, manchmal ein ganzes Leben lang, nicht – weil das, was passierte ist, für uns „selbstverständlich" ist.

    Wichtig ist, zu erkennen und auch zuzugeben, dass unsere Erziehungsberechtigten auch manchmal falsch handelten oder wir nicht die Eltern hatten, die wir uns gewünscht hätten. Denn alles, was wir von unserer Zeugung an erlebt haben, macht uns als erwachsene Person aus.

    – und weil wir bisher nicht wussten, warum das so ist und woher diese Muster kommen.

    Erkennen Sie daher in Teil I dieses Buches, warum Sie zu der Persönlichkeit geworden sind, die Sie heute sind. Oft können sich Dinge dadurch bereits verändern, einfach, weil sie einem bewusst geworden sind. All das, was Sie nicht alleine mit der PSI-Behandlungstechnik auflösen können, schaffen Sie mit kompetenten Psychotherapeuten, die idealerweise in der PSI-Methode ausgebildet sind (Infos über Therapeuten und Ausbildungen am Ende des Buches). Und selbst wenn Sie durch dieses Werk vieles erkennen und in einem neuen Licht sehen, aber vielleicht noch nicht alles alleine mit der PSI-Behandlungstechnik positiv verändern können, so ist es ein erster Schritt in Ihre neue, freie und selbstbestimmte Zukunft.

    Im theoretischen Teil II erfahren Sie mehr über die wissenschaftlichen und neurologischen Grundlagen dieser und verwandter Stressreduktions- und Traumatherapie-Techniken. Dieser Abschnitt ist für jene gedacht, die wissen wollen, welche Auswirkungen die PSI-Behandlungen auf Gehirn und Körper haben. Sollten Sie jedoch eher zu den Praktikern gehören, überspringen Sie diesen Teil einfach. Sie müssen nicht verstehen oder daran glauben, wie diese Veränderungen passieren, um die Behandlungen erfolgreich durchführen zu können. Sie wissen ja auch nicht, wie Ihr Handy technisch funktioniert, um damit telefonieren zu können.

    Teil III ist der Praxisteil. Hier finden Sie viele verschiedene Anleitungen zur PSI-Behandlung und weitere Infos zu dieser Methode, wie Sie sich Ihr Leben leichter machen können. Sie lernen auch einen PSI-Behandlungsablauf für Kinder, den diese etwa ab dem vierten Lebensjahr selbst anwenden können, bei kleineren Kindern können Sie als Elternteil die PSI-Behandlung mit ihnen gemeinsam machen.

    Außerdem finden Sie diverse PSI-Behandlungsabläufe und Tipps für Psychotherapeuten und all jene, die darin ausgebildet sind, mit Menschen zu arbeiten. Hier können KollegInnen profitieren, die noch kein Wissen in dieser Methode haben, aber auch solche, die damit bereits in Ihren therapeutischen Praxen oder im klinischen Bereich arbeiten.

    Am Schluss des Praxisteils finden Sie zahlreiche weitere effektive Methoden zur Stressreduktion- bzw. Stressverarbeitung, um ein glückliches und entspanntes Leben führen zu können.

    Wie Sie von diesem Buch am meisten profitieren

    Jeder Mensch hat seine ganz persönliche Vorliebe, ein Buch zu lesen und durchzuarbeiten. Manche müssen zuerst alles ganz genau studiert haben und lesen manche Kapitel doppelt, um den Inhalt gut verstanden zu haben, bevor sie zur praktischen Anwendung übergehen. Falls Sie zu diesen Lesern gehören, empfehle ich, das Buch von vorne bis hinten zu lesen, um erst danach mit den praktischen Übungen zu beginnen.

    Querleser blättern ein Buch interessiert durch und entscheiden dann spontan, was sie am meisten anspricht, um dort in die Tiefe zu gehen.

    Dann gibt es wiederum Leute, die sofort, nachdem sie ein Kapitel gelesen haben, es praktisch für sich umsetzen wollen. Auch das ist bei diesem Buch möglich und in Ordnung. Jene, die daher sofort mit dem Praxisteil beginnen wollen, können gleich in Teil III starten. Sie erlernen dort verschiedene effiziente Behandlungstechniken, sowohl zur Selbstanwendung als auch für den psychotherapeutischen und klinischen Bereich, um sich das Leben leichter zu machen. Welche davon für Sie am effektivsten ist, können nur Sie selbst herausfinden. Experimentieren Sie mit allen Anleitungen und erleben Sie, welche für Sie am besten ist.

    Anleitungen und Grafiken zu den PSI-Behandlungen auf dem Buchumschlag

    Wenn Sie die im Teil III (Praxisteil) beschriebenen PSI-Behandlungen durchführen, können Sie auch die Innenseiten des Buchumschlags mit den beiden Klappen verwenden, um die Behandlungsanleitungen und die jeweiligen Behandlungspunkte auf einen Blick vor sich zu haben. Im vorderen Umschlagteil finden Sie den PSI-Behandlungsablauf zur Stressverarbeitung für Erwachsene, im hinteren Umschlagteil jenen für Kinder.

    Teil I

    I. PRÄGENDE MUSTER AUS DER KINDHEIT ERKENNEN

    Der erste Teil dieses Buches zeigt, wie Ängste, Schuld und Selbstzweifel überhaupt entstehen können. Dafür stelle ich drei Modelle vor, die sich in meiner psychotherapeutischen Praxis als äußerst effizient erwiesen haben. Wenn ich meinen Patienten davon erzähle, sind sie fasziniert, weil sie sich in mindestens einem sofort wiedererkennen. Manche sagen dann zu mir: »Das ist unglaublich. Das ist geradezu so, als ob ich persönlich beschrieben worden wäre!« Viele dieser Erkenntnisse sind sehr entlastend für diese Menschen. Als Kind glaubt man stets, dass Erwachsene immer alles richtig machen – und dass man selbst „nicht in Ordnung oder „schuld daran sei, wenn zu Hause etwas nicht klappt, viel gestritten wird oder Gewalt vorherrscht. Daraus entwickeln sich dann falsche Glaubenssätze (sogenannte Grundüberzeugungen), wie z. B. „Ich bin nicht liebenswert, „Ich bin wertlos, „Ich bin zu dumm für alles, „Ich bin schuld, wenn die Eltern streiten u.v.m. Wenn man all diese prägenden Muster aus der Kindheit nie hinterfragt, kann es sein, dass man lebenslänglich unbewusst nach ihnen lebt – und sich damit permanent selbst einschränkt und abwertet.

    DREI MODELLE IM ÜBERBLICK

    Das erste Modell ist von Dr. John Bowlby und seiner Kollegin Dr. Mary Ainsworth und handelt von früher Bindung und kindlicher Entwicklung als sichere Basis für das spätere Leben. Dabei erfahren Sie, wie man zu einem ausgeglichenen und selbstsicheren Menschen wird. Denn eine sichere Bindung an die Eltern oder eine andere wichtige Bezugsperson ist die Basis, um als Kind die Welt zu erkunden und sich gut zu entwickeln. Misslingt dies, können sich Gefühle wie Angst, Wut, Schuld, Eifersucht, Kummer u.v.m. festigen und einen Menschen lebenslänglich belasten. Wichtig ist, dass Sie Ihre eigene Bindungsgeschichte erkennen und verstehen, wie diese vielleicht auch das Erziehungsverhalten gegenüber Ihren eigenen Kindern prägt, damit solche leidvollen Bindungsbeziehungen gar nicht über Generationen weitergegeben werden müssen.

    Das zweite Modell ist von Dr. Fritz Riemann, der die Grundformen der Angst in vier verschiedene Persönlichkeitstypen einteilt. Wer kennt nicht die Angst vor zu engen Bindungen, jedoch auch gleichzeitig die Angst vor dem Verlassen werden? Und wer hat nicht die Angst vor dem Ungewissen bereits durchlebt, genauso wie die Angst vor dem Endgültigen? Angst gehört zu unserem Leben, sie begleitet uns in immer neuen Abwandlungen, von der Geburt bis zum Tod. Im Laufe unseres Lebens versuchen wir, alle Ängste zu vermindern bzw. zu bewältigen. Indem wir Gegenkräfte wie Erkenntnis, Mut und Vertrauen entwickeln, können wir jede Angst annehmen, uns mit ihr auseinandersetzen, um sie schließlich für immer loszulassen.

    Das dritte Modell ist von Dr. Laurence Heller und handelt von frühen Bindungsstörungen und Entwicklungstraumatisierungen. Die meisten von uns haben in größerem oder kleinerem Umfang solche frühen traumatischen Erfahrungen erlebt. Diese beeinträchtigen unsere Fähigkeit, mit uns selbst und mit anderen Menschen in gutem Kontakt zu sein. Dadurch werden unser Vertrauen, unsere Lebenskraft sowie unsere Lebendigkeit eingeschränkt. Die meisten psychischen und viele körperliche Symptome finden hier ihren Ursprung.

    Jeder Mensch hat fünf biologische Grundbedürfnisse, nämlich: Kontakt, Einstimmung, Vertrauen, Autonomie und Liebe/Sexualität. Werden diese in der Kindheit nicht ausreichend genährt, leiden Identität, Selbstachtung und Selbstregulierung. Indem diese fünf Kernressourcen mithilfe von PSI nachreifen können, müssen wir nicht mehr das Opfer unserer eigenen Geschichte sein!

    Nun wünsche ich Ihnen viele neue Selbsterkenntnisse und Aha-Erlebnisse beim Lesen der folgenden drei Modelle. Notieren Sie alles, wo Sie sich wiedererkennen bzw. was auf Sie zutrifft. Seien dies Gefühle, die Sie sich nie erlaubt haben zu leben, weil Ihnen der Ausdruck von Wut oder Aggression als Kind sowieso verboten wurde bzw. blockierende Glaubenssätze u.v.m. All das, was Sie auch heute noch belastet, können Sie sich im Teil III mit PSI leichter machen oder vielleicht sogar ganz auflösen – oder Sie suchen sich einen Psychotherapeuten, der in dieser oder einer anderen Traumatherapiemethode ausgebildet ist, um diese Themen gemeinsam aufzuarbeiten (mehr Infos dazu am Ende des Buches).

    BINDUNG ALS SICHERE BASIS

    Die Entstehung der Bindungstheorie

    Weitgehend unabhängig gingen seit 1930 viele europäische und amerikanische Therapeuten der Frage nach, wie sich frühe Heim- und Klinikaufenthalte, und häufig wechselnde Bezugspersonen auf die kindliche Persönlichkeitsentwicklung auswirken. Damals wurde die Wichtigkeit der Mutter-Kind-Bindung vorwiegend dem Füttern zugeordnet. Im Sommer 1951 machte Konrad Lorenz mit seinen Untersuchungen bei Gänse- und Entenküken auf sich aufmerksam. Er verwies auf seine Studien (Lorenz, 1935) und zeigte auf, welch starke Bindung Gänse- und Entenküken an eine Mutterfigur entwickeln, obwohl sie von ihr kein Futter erhalten, sondern sich ihre Nahrung selbst suchen müssen!

    Daraufhin erforschten viele Wissenschaftler die Bedeutung der frühen Bindung bei Tieren und bei Menschen – und die Auswirkungen auf das spätere Geschlechtsverhalten. Auf seiner bei der Mutter-Kind-Bindung ansetzenden Suche nach etwaigen Grundmustern psychischer Störungen orientierte sich John Bowlby vorrangig an Konrad Lorenz, dessen empirisch fundierte Feststellungen über die starke Bindung bei Tieren ihn faszinierte. Dieses Thema beschäftigte ihn 20 Jahre lang, weil er eine neue Behandlung für Kinder und Jugendliche entwickeln wollte. Er erkannte, dass es wichtig ist, sich als Kind auf eine sensible Bindungsfigur verlassen zu können, und dass sich Menschen dann geborgen fühlen und diese Beziehung nicht mehr missen möchten. Wir brauchen die Gewissheit, in kritischen Situationen einen vertrauten Menschen um Hilfe bitten zu können, das beruhigt uns. Seither hat die Bindungstheorie einen erheblichen Aufschwung erlebt, unter anderem auch durch Robert Hinde (1974) und Mary Ainsworth (1963, 1969), die viele wegweisende, empirische Eltern-Kind-Studien durchführten.

    John Bowlby (2014), britischer Psychoanalytiker und Kinderpsychiater, war einer der Pioniere der Bindungsforschung. Er entwickelte die Bindungstheorie aus seiner Praxis heraus ursprünglich als Hilfsmittel zur Diagnostik und Behandlung für psychisch beeinträchtigte Patienten bzw. Familien. In seinem Vortrag Anfang 1980 an der psychiatrischen Abteilung des Michael Reese Hospital in Chicago erklärte er, dass das Pflegeverhalten der Eltern uns weit bis ins Erwachsenenalter beeinflusst – und sogar noch unseren eigenen Erziehungsstil mitbestimmt. Eine gelungene Erziehung beschert den Eltern reichen Lohn. Scheitern diese Bemühungen jedoch, können sich beim Kind massive Ängste, Frustrationen, Scham- oder Schuldgefühle und Konflikte ausbilden. Erfolgreiche Pflege bedeutet für die Eltern eine „Rund um die Uhr"-Versorgung. Bereits die Pilotstudien von Grinkers in Chicago (1962) bis zu Offer (1969) und viele weitere belegen, dass selbstsichere, ausgeglichene und gesunde Jugendliche und junge Erwachsene aus stabilen Familien kommen, in denen sich die Eltern viel mit ihnen beschäftigten.

    Zum ethologischen Hintergrund

    Bowlby versteht die traditionell als „Abhängigkeit" definierte Mutterbindung als Ausdruck eines zum Teil vorprogrammierten spezifischen Verhaltensrepertoires, das sich üblicherweise nach der Geburt ausbildet. Gegen Ende des ersten Lebensjahres prägt die tatsächliche oder vermeintliche Unerreichbarkeit der Mutter das kindliche Bindungsverhalten. So reichen bei geringfügigen Anlässen schon ein paar tröstende Worte, um ein Kind zu besänftigen. Wird es jedoch stärker beunruhigt, sucht es den Körperkontakt zu dieser, und bei großer Angst oder massivem Kummer braucht es eine längere, tröstende Umarmung. Dieses Bindungsverhalten tritt, wenn auch nicht so spontan, bei Jugendlichen in Angst- oder Stresssituationen ebenfalls auf – und genauso auch bei hilfs- und zuwendungsbedürftigen Müttern mit Kleinkindern. Somit kann dieses Verhalten als universal begriffen werden. Wichtig sind die altersunabhängigen Gefühle, die an das Bindungsverhalten gekoppelt sind. So vermitteln positive Gefühle Lebensfreude und Sicherheit, Gefährdungen können Angst, Wut und Eifersucht auslösen und Trennungen haben Niedergeschlagenheit und Kummer zur Folge.

    Elterliches Bindungs- und Pflegeverhalten läuft somit bis zu einem gewissen Maß nach vorgegebenen Verhaltensmustern ab, die grundlegenden Entwicklungslinien folgen: Ein weinendes Baby wird getröstet und gewiegt, gewärmt, gefüttert und beschützt. Natürlich müssen wir Menschen wie all die anderen Säugetiere diese Verhaltensmuster erst lernen. Wir tun dies vor allem durch Beobachtung. Wichtig sind dabei unsere eigenen persönlichen Erfahrungen, die wir selbst in unserer Kindheit und Jugend gemacht haben. Bowlby begreift elterliches Pflegeverhalten somit als biologisch verankertes, für den Menschen und seine Nachkommen lebensnotwendiges Verhaltenssystem. Dieses umfasst neben dem Bindungsverhalten auch den Nahrungs-, Sexual- und Explorationstrieb.

    Grundannahmen der Bindungstheorie

    Die Bindungstheorie versucht, bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Zusammenhänge zwischen Elternbindung und Persönlichkeitsentwicklung zu erklären. Sie begreift das Streben nach engen emotionalen Beziehungen als menschliches, bereits beim Neugeborenen angelegtes, bis ins Alter vorhandenes Grundelement. Die Bindung an die Eltern bzw. entsprechender Ersatzfiguren sichert im Säuglings- und Kindesalter, neben Schutz und Zuwendung, den Beistand dieser Personen. Diese Bindung bleibt, selbst bei gesunder psychischer Entwicklung, bis weit ins Erwachsenenalter bestehen, ergänzt durch neue Bindungen. Auch wenn der Nahrungs- und Sexualtrieb von großer Bedeutung sind, ist die Bindung wegen ihrer lebenswichtigen Schutzfunktion als solche eigenständig. Unerfahrene und schwächere Individuen, etwa Kinder oder ältere Menschen, brauchen die Nähe und den Beistand von stärkeren und kompetenteren Personen.

    Fühlen sich Kinder sicher, so lösen sie sich von ihrer Bindungsfigur, um die Welt zu entdecken. Sind sie jedoch ängstlich, besorgt, müde oder krank, streben sie nach deren Nähe. Das ist ein typisches Muster für die Eltern-Kind-Interaktion. Mary Ainsworth beschrieb dies als verlässliche Basis für die kindliche Umweltexploration (1967). Aufgeschlossene und hilfreich eingreifende Eltern stärken den Explorationsdrang ihrer (körperlich gesunden) Kinder. Sicher gebundene Kinder unternehmen etwa ab zweieinhalb Jahren immer längere und weitere Erkundungen. Eine verlässliche Basis bildet somit eine unverzichtbare Voraussetzung, um das Leben optimal zu leben und psychisch gesund bleiben zu können.

    Das eigentliche Bindungsverhalten kristallisiert sich erst zwischen dem siebenten und zwölften Lebensmonat heraus, obwohl Säuglinge innerhalb kürzester Zeit in der Lage sind, ihre Mutter(figur) am Geruch, der Stimme und an der spezifischen Art des Gehaltenwerdens von anderen Personen zu unterscheiden. Die visuelle Differenzierung gelingt erst zwischen dem vierten und sechsten Monat. Babys können anfangs ihre Zufriedenheit nur mimisch kundtun, doch bereits vom zweiten Monat an bestärken sie durch ihr Lächeln die Mutter in der Richtigkeit ihres Pflegeverhaltens und erweitern somit ihr emotionales Kommunikationsrepertoire.

    Eine weitere wichtige Frage der Bindungstheorie ist, inwieweit die kindliche Persönlichkeitsentwicklung durch Eltern(figuren) beeinflusst wird bzw. deren Verhalten das in Kindheit oder Pubertät entstehende Bindungsmuster prägt. Die versierten Entwicklungspsychologen Ainsworth (Ainsworth et al., 1978, Ainsworth, 1985) und Grossmann (Grossmann et al., 1986) lieferten dazu Studien mit aufschlussreichen Erkenntnissen.

    Ainsworth und Kollegen beschreiben drei bestimmte Bindungsmuster:

    1. Kinder mit sicherer Bindung

    Diese Kinder wissen, dass ihnen ihre Eltern emotional in Stress- oder Angstsituationen tatkräftig zur Seite stehen. Sie fördern ihren Explorationsdrang und bieten ihnen Rückhalt und Sicherheit. Sie reagieren feinfühlig auf die Signale ihres Kindes und wenden sich ihm liebevoll zu, beschützen und trösten es.

    2. Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindung

    Diese Kinder leben in der Ungewissheit, ob und – wenn dies der Fall sein sollte – wann sie auf ihre Eltern zählen können. Deshalb entwickeln sie häufig Trennungsängste und klammern, selten zeigen sie einen Explorationsdrang. Laut Studien rührt dieses Bindungsmuster von angedrohten bzw. realen Trennungen oder nur teilweise elterlichem Beistand her.

    3. Kinder mit unsicher-vermeidender Bindung

    Diese Kinder wissen, dass sie von ihren Eltern nur Ablehnung zu erwarten haben. Aus diesem Grund verzichten sie fortan auf Zuneigung und fremde Hilfe. Sie streben nach psychischer Autarkie. Später entwickeln sie häufig eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oder ein falsches Selbst (Winnicott, 1960), das aus der permanenten Ablehnung seitens der Mutter in Konfliktsituationen resultiert. Viele dieser Kinder sind von Mutter oder Vater nachweislich misshandelt und/oder stark vernachlässigt worden, manche haben aufgrund des unberechenbaren Wesens ihrer (z. B. bipolaren) Mutter seelische Störungen entwickelt.

    Einige psychische Störungen lassen sich jedoch auch keinem dieser drei genannten Bindungsmuster zuordnen.

    Experimentelle Beobachtungen an zweieinhalbjährigen Kindern zeigen, wie das kindliche Bindungsmuster bei schweren Aufgaben ist, die diese noch nicht alleine lösen können, und wie deren Mütter darauf mit ihnen interagieren (Matas et al., 1978): Die Mütter von sicher gebundenen Kindern wirken dabei aufmerksam, hilfsbereit, sensibel und ermuntern ihr Kind selbst bei Misserfolgen. Mütter von unsicher-vermeidenden bzw. unsicher-ambivalent gebundenen Kindern sind weit weniger aufmerksam und agieren nicht sensibel. Sie greifen entweder zum falschen Zeitpunkt oder auf unsinnige Weise ein. Sie missachten bzw. bremsen die Gefühle und Aktivitäten ihrer Kinder und bieten ihnen keine Hilfe oder Ermutigung an.

    Kinder mit sicherer Bindung sind prinzipiell fröhlicher und bekommen allein schon deshalb mehr positive Zuwendung. Sie müssen daher auch nicht so fordernd auftreten wie Kinder mit unsicherer-ambivalenter Bindung, die viel rascher weinen und klammern, oder jene mit einer unsicher-vermeidenden Bindung, die häufig eher auf Distanz bleiben und oft andere Kinder tyrannisieren. Im Kindergarten in Abwesenheit der Mütter beschrieben die Betreuerinnen die zwölf Monate alten Kinder mit sicherer Bindung als kooperativ, kreativ, beliebt und anpassungsfähig und die Kinder mit unsicher-vermeidender Bindung als emotional isoliert, feindselig, unsozial und zugleich geltungsbedürftig. Kinder mit unsicherer-ambivalenter Bindung waren angespannt, impulsiv und leicht frustrierbar oder aber passiv und hilflos.

    Bezüglich der Eltern-Kind-Kommunikation wird deutlich, dass sicher gebundene Mutter-Kind-Paare praktisch von Geburt an ungleich spontaner miteinander kommunizieren (Blehar et al., 1977). Die Mütter wissen immer um das psychische Befinden ihres Kindes und dessen Zuwendungsbedürfnis, das sie rechtzeitig wahrnehmen und erwidern. Mütter von unsicher-ambivalenter bzw. unsicher-vermeidender Bindung nehmen das psychische Befinden ihres Kindes nur sporadisch zur Kenntnis und missachten seine Signale häufig bzw. verspätet oder reagieren unangemessen darauf. Gegen Ende des ersten Lebensjahres treten diese Unterschiede deutlich in der spontanen Kommunikation und der von Mary Ainsworth als „fremde Situation bezeichneten Testsituation zutage. Anhand dieser Leitlinien erklärt die Bindungstheorie, weshalb gesunde Persönlichkeiten heranreifen – oder aber Depressionen, Angstneurosen bzw. andere psychische Störungen entwickeln, wie z. B. ein „falsches Selbst.

    Die gute Nachricht ist, dass diese ursprünglichen Beziehungsmuster modifizierbar sind. In einer Studie von Sroufe (1985) konnte gezeigt werden, dass sich in den ersten zwei bis drei Lebensjahren vor allem durch die Mutter- oder Vaterbeziehung geprägte Bindungsmuster mit verändertem elterlichen Verhalten ebenfalls wieder wandeln können. Auch eine ermutigende Erkenntnis für alle Psychotherapeuten ist, dass es möglich ist, diesen psychisch beeinträchtigten Menschen zu helfen, indem sie deren Bindungsverhalten respektieren und ihnen eine „sichere" therapeutische Beziehung bieten.

    Frühe pathogene Situationen und Erlebnisse

    Im Folgenden thematisiere ich einige der am häufigsten auftretenden Situationen:

    Angedrohter Liebesentzug

    Viel zu schnell drohen manche Mütter und Väter ihrem Kind, dass sie es nicht mehr lieb haben, wenn es nicht dies oder jenes mache. Solche allzu leicht ausgesprochenen Drohungen, die Liebe der Eltern entzogen zu bekommen bzw. den ersehnten Beistand und Trost nicht zu erhalten, setzen das Kind bei regelmäßigem Gebrauch massiv unter Druck. Es hat fortan Angst, immer alles richtig machen zu müssen. Abgesehen davon flößt es ihm massive Schuldgefühle ein.

    Verlassensdrohungen

    Ist der angedrohte Liebesentzug schon schlimm genug, sind Verlassensdrohungen für ein Kind eine Katastrophe. Vor allem dann, wenn die Mutter oder der Vater nach einer solchen Ankündigung stundenlang verschwunden und unauffindbar ist oder vor dem Kind demonstrativ den Koffer packt und damit das Haus verlässt bzw. dem Kind erklärt wird, es in ein Heim für schwer erziehbare Kinder zu bringen. Die Eltern drohen dabei häufig mit derselben Ankündigung, wie z. B. »Wir werden dich von einem roten Lieferwagen abholen lassen, der dich in eine Anstalt für schlimme und böse Kinder bringt.« Hört man später, auch wenn man bereits erwachsen ist, diesen Satz wieder, kann dieser einen Zugang zu all den traumatischen Erlebnissen öffnen, die damit verbunden sind.

    Selbstmorddrohungen der Eltern

    Sind Eltern psychisch krank, können sie sich oft nur noch mit Selbstmorddrohungen helfen. Diese können sie so ganz nebenbei bei einer Auseinandersetzung mit dem Partner fallenlassen oder auch in direktem Kontakt äußern. Bei beiden Varianten wird das Kind von bodenloser Angst befallen. Wenn sich Eltern solche Drohungen an den Kopf werfen, ist das für alle Familienmitglieder schlimm genug. Noch schlimmer jedoch ist es, wenn die Eltern hinterher meinen, dass so etwas nie passiert wäre.

    Leugnen und Dementieren

    Wenn Eltern leugnen, bestimmte Dinge gesagt oder getan zu haben bzw. durchaus zutreffende Wahrnehmungen des Kindes immer wieder bestreiten, wirkt sich das sehr negativ auf dessen Persönlichkeitsentwicklung aus. Ist die Person schließlich erwachsen, kann sich ein solches elterliches Verhalten in der Kindheit entweder als Zweifel an den Fakten oder aber als Schuldgefühle infolge des Verschweigens gewisser familiärer Vorfälle auswirken.

    Besonders negative Erlebnisse und Situationen in der Kindheit für eine positive Entwicklung sind (Bowlby, 2014):

    Wenn das Kind ein „falsches" Geschlecht hat (also z. B. ein Mädchen statt ein Junge geworden ist)

    Wenn das Kind zum Sündenbock wurde (z. B. wegen der Schuld an einer Familientragödie, wie dem unabsichtlichen Verursachen eines Unfalls von Schwester oder Bruder)

    Wenn die Eltern dem Kind Schuldgefühle einflößen und es unter Druck setzen (z. B. wenn die Mutter häufig sagt, dass das Kind sie krank mache mit seinem Verhalten)

    Wenn die Mutter das Kind als Bindungsfigur missbraucht, indem sie seinen Explorationsdrang einschränkt und ihm vermittelt, keine eigenen Wege gehen zu dürfen (damit sie selbst nicht vom Kind allein gelassen oder verlassen wird)

    Wenn das Kind außerehelich ist und ihm dies verschwiegen wurde (und es dadurch zum Außenseiter wird)

    Wenn die Mutter oder der Vater das Kind mit einer verwandten Person identifiziert (z. B. mit der eigenen Mutter oder dem eigenen Vater, zu der sie selbst eine problematische Beziehung haben/hatten)

    Wenn die (Stief-)Mutter oder der (Stief-)Vater das Kind misshandelt hat

    Wenn die (Stief-)Mutter oder der (Stief-)Vater oder ein Verwandter das Kind sexuell missbraucht hat

    Viele Erwachsene verallgemeinern, wie liebevoll ihre Eltern doch gewesen seien, jedoch ohne über Einzelheiten zu sprechen. So manche Beschreibung einer wunderbaren Mutter oder eines ebensolchen Vaters hält der Prüfung nicht stand. Realistisch ist es, sowohl Positives als auch Negatives bezüglich der Kindheit zu hören. Ähnlich skeptisch sollte man sein, wenn ausschweifende und überzogene Schilderungen bzw. eine undifferenzierte oder widersprüchliche Schwarz-Weiß-Malerei bezüglich der Kindheit und der Eltern betrieben wird. Extreme Idealisierungen oder auch Herabsetzungen haben oft die Ursache darin, dass ein Elternteil das Kind zur Parteinahme gegenüber dem anderen Elternteil angehalten oder jedwede Kritik an seiner Person unterbunden hat.

    Eigene Kindheitserfahrungen und spätere Elternschaft

    Viele Therapieerfahrungen zeigen, dass die eigene Elternbindung die Gefühle und Verhaltensweisen der Mutter gegenüber ihrem Baby stark beeinflussen. Es wird angenommen, dass dies genauso für den Vater gilt, wobei es bislang nur wenige Untersuchungen dazu gibt. So fanden Zahn-Waxler, Radke-Yarrow & King (1979) heraus, dass Tröstungs- und Hilfsbereitschaft, in Abhängigkeit von der Mutter-Kind-Beziehung, bereits ab dem zweiten Lebensjahr einsetzen. Sind die Mütter sensibler und wirken auf ihre Kinder beruhigend ein, so können auch deren Kinder unaufgefordert andere Menschen trösten, wobei sie ihre Mütter oft bis ins Detail kopieren. Frühe Erlebnisse der Mütter wirken sich auf den eigenen zukünftigen Erziehungsstil aus. So wiesen Frommer & O’Shea (1973) nach, dass bei Müttern, die vor ihrem elften Lebensjahr von einem oder beiden Eltern getrennt wurden, deutlich öfter Ehekrisen und nachgeburtliche psychische Störungen auftraten. Darüber hinaus litten Babys solcher Mütter öfter an Schlaf- und Essstörungen. Solche trennungsgeschädigten Mütter kommunizierten und beschäftigten sich auch weniger mit ihren Babys und hielten seltener Körper- oder Blickkontakt mit ihnen.

    Mütter, die nachweislich in ihrer Kindheit von einem Elternteil misshandelt wurden, lebten als Kind ständig in Angst, von ihrer Mutter oder ihrem Vater verlassen bzw. ins Heim gesteckt zu werden (DeLozier, 1982). Im Erwachsenenalter hatten diese Frauen häufig extreme Verlustängste, nunmehr bezogen auf ihre Partner oder Ehemänner, weswegen sie körperliche Gewalt als unabänderlich hinnahmen und keine Zuneigung und Hilfe vom Partner erwarteten. Lynch (1975) untersuchte die weitere Entwicklung von 25 misshandelten Kindern und deren Geschwistern. Diejenigen, die misshandelt wurden, hatten selbst durchgängig Schwangerschafts-, Wehen- oder Geburtskomplikationen, mehrtägige Trennungen gleich nach der Geburt oder weitere Beziehungsabbrüche im ersten halben Jahr. Die misshandelten Kinder erkrankten viel häufiger als ihre nicht misshandelten Geschwister.

    Wenden wir uns nun jenen Männern zu, die ihre Ehefrau bzw. Partnerin misshandeln: Viele Männer, die wegen ihrer Gewalttätigkeit der Partnerin gegenüber zu mir in die Praxis kommen, erzählen oft, dass sie dieses Verhalten sehr ängstige. Sie verstehen gar nicht, weshalb sie solche unkontrollierbaren Wutausbrüche bekommen, weil sie ihre Frau ja schließlich lieben. Sehr oft beginnen die tätlichen Angriffe erst nach der Geburt ihres Kindes. Ich berichte ihnen dann von der Studie von Marsen & Owens (1975), die festgestellt hatten, dass solche Wutausbrüche häufig von der Eifersucht auf die Zärtlichkeit herrühren, die die Mutter dem Kind gibt. Die Wissenschaftler halten das für ein Charakteristikum etlicher Männer, die ihre Frauen schlagen. Solche Männer seien als Kind ebenfalls seelisch oder körperlich misshandelt und meist streng oder gar brutal erzogen worden. Viele von ihren Ehemännern bzw. Partnern misshandelte Frauen stammen ebenfalls aus solchen gestörten, emotional abweisenden

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