Wege des Staunens
()
About this ebook
Ulrich Schmitz-Roden
Ulrich Schmitz-Roden ist Psychotherapeut und Philosoph mit langjähriger Erfahrung in Klinik und Praxis.
Related to Wege des Staunens
Related ebooks
Diese Zivilisation ist gescheitert: Gespräche über die Klimakrise. Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWie das Staunen ins Universum kam: Ein Physiker und ein Biologe über kleine Blumen und große Sterne Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVom Rätsel der Angst: Wo die Angst begründet liegt und wie wir mit ihr umgehen können Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGebundene Träume: Sprache, Schrift und ungebildete Bildung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWege aus der Angst: Über die Kunst, die Unvorhersehbarkeit des Lebens anzunehmen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Ego: Der Schlüssel zu Erfolg in Beziehungen, Beruf, Finanzen, Gesundheit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsImpulse für Bewusste: Einsichten jenseits des Denkens Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Affe stammt vom Menschen ab: Philosophische Etüden über unsere Vorurteile Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas verlorene Paradies: oder vom Identifikationsproblem des Menschen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGedankensplitter im Hirn: Glaubt mir, diese Splitter verursachen keinen Schmerz! Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsReligion - Erfahrung oder Ideologie 2: Der Baum des Lebens Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBewusstsein: Warum es weit verbreitet ist, aber nicht digitalisiert werden kann Rating: 0 out of 5 stars0 ratings2 Der Pfad der Intuition Rating: 0 out of 5 stars0 ratings[ Wirkung! ]: Wir denken immer nur "die Hälfte" - Abschied vom mittelalterlichen Denken Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie höhere Erkenntnis: New Edition. Sonderedition Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAufbruch ins höhere Bewusstsein: Wie wir die Herausforderungen unserer Zeit meistern Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie 360: Intuitive Entscheidungskultur im Unternehmen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKleine Happen für einen nachdenklichen Geist Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Erfindung des Bewusstseins: Erreichen, Erleben und Erkenntnis Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIllustrierte Wanderungen durch das Denken Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Stimme der Intuition: Die universelle Quelle für Inspiration und Erkenntnis Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVom Hamsterradler zum Weltenbummler: Anregungen & Hausaufgaben für potenzielle Aussteiger Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEs ist später, als du denkst: Perspektiven für die Restbiografie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEmotionen – Natur und Funktion Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsThomas Nagel: Was bedeutet das alles?: Eine Buchbesprechung Rating: 0 out of 5 stars0 ratings10 große Fragen der Philosophie in 60 Minuten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGlauben ist nicht doof: Denkanstöße für ein erfülltes Leben im Einklang mit sich selbst Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Gesetz des Erfolgs - Lektion drei (Übersetzt): Selbstvertrauen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWortgewitter & Gedankenblitze: Kritische Betrachtungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Philosophy For You
Die praktische Anwendung der 7 hermetischen Prinzipien im Alltag Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAlso sprach Zarathustra Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Wille zur Macht (vollständige ausgabe / I - II) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPhilosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache Rating: 5 out of 5 stars5/5Die Kunst, Recht zu behalten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEpikur in 60 Minuten Rating: 5 out of 5 stars5/5Keine Macht der Moral!: Politik jenseits von Gut und Böse Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMeister Eckhart: Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Antichrist Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFoucault in 60 Minuten Rating: 5 out of 5 stars5/5Popper in 60 Minuten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSimone de Beauvoir. Frau - Denkerin - Revolutionärin: Ein SPIEGEL E-Book Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Kunst des Krieges: Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft Rating: 4 out of 5 stars4/5Wörterbuch der philosophischen Begriffe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsI GING: Das Buch der Wandlungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHandbüchlein der Moral Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAnthroposophie: Mehr als Naturkosmetik und Waldorfschule Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMystische Schriften von Meister Eckhart Rating: 4 out of 5 stars4/5Adorno in 60 Minuten Rating: 4 out of 5 stars4/5Wie wollen wir leben? Rating: 3 out of 5 stars3/5Palliativgesellschaft: Schmerz heute Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Kapital: Band 1-3 (Mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLexikon der Symbole und Archetypen für die Traumdeutung Rating: 5 out of 5 stars5/5Wittgenstein in 60 Minuten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTractatus logico-philosophicus (Logisch-philosophische Abhandlung) Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for Wege des Staunens
0 ratings0 reviews
Book preview
Wege des Staunens - Ulrich Schmitz-Roden
Inhalt
Vorwort
Das Staunen in seiner Wortbedeutung
Staunen in der griechischen Philosophie
Platon
Aristoteles
Staunen im christlichen Denken
Plotin
Augustinus
Staunen im Mittelalter
Thomas von Aquin
Nikolaus von Kues
Staunen in der frühen Neuzeit
René Descartes
Baruch de Spinoza
Gottfried Wilhelm Leibniz
Immanuel Kant
Staunen in der neuzeitlichen Wissenschaft
Johann Gottlieb Fichte
Ludwig Wittgenstein
Staunen in der modernen Philosophie
Martin Heidegger
Helmuth Plessner
Dieter Henrich
Schlusswort
Literaturliste
Vorwort
Heute über Staunen zu schreiben, scheint anachronistisch zu sein. Es ist nicht zeitgemäß zu staunen, wo wir doch im Alltag unserer Informationsgesellschaft gelernt haben, mit der Flut an Information cool umzugehen, wo uns das Nicht-Verstehen von Informationen nicht mehr beunruhigt, ja eine Alltäglichkeit geworden zu sein scheint.
Wir können mit der Informationskomplexität im Alltag gar nicht anders zurechtkommen, als dieses unser Nicht-Verstehen und das daraus resultierende Nicht-Wissen zu verdrängen oder zu leugnen, in der Hoffnung, dass sich hinter der Komplexität der Information nichts verbirgt, das uns sehr wohl etwas angehen könnte.
Heute über Staunen entgegen dem Zeitgeist zu schreiben heißt, dass es sich lohnt, das Staunen wieder zu erlernen, da Staunen mehr ist, als sich neugierig zu verhalten. Staunen ist eben nicht cool, sondern emotional. Staunen heißt, sich ergreifen zu lassen von etwas, das wir zunächst nicht verstehen. Es heißt, die Emotion zuzulassen – sei es ein Erschrecken oder ein bewunderndes Erstaunen.
Staunen kann dann zu einer Zwischenzeit werden – einem kurzen Innehalten –, in der uns das Staunen zurückhält, vorschnell zu handeln oder Wissen zu schnell in unsere Vorstellung, unser Weltbild zu integrieren, was erst durch das Staunen befragt werden sollte.
Staunen ist also ein emotionaler wie reflexiver Prozess, in dem sich Fragen aufdrängen oder sich neue Sinnkonstruktionen bilden können. Staunen wird damit zu einer reflektierten Handlung, die zur Haltung einer bewussten Lebensführung werden kann. Und eine bewusste Lebensführung ist nur möglich, wenn jeder Mensch für sich eine mehr oder weniger ausgearbeitete Metaphysik lebt. Staunen erhält erst in der Metaphysik seine eigentliche Tiefe.
Staunen hat eine lange Geschichte, von den Griechen über das Mittelalter bis in die Neuzeit. Es lohnt sich, in mehr oder weniger großen Zeitsprüngen dieser Geschichte nachzuspüren, um am Ende staunend festzustellen, dass wir immer noch in einer „wissenden Unwissenheit" leben.
Diese „wissende Unwissenheit unterscheidet sich zwar von der „belehrten Unwissenheit
des Cusaners¹ schon durch seine hauptsächlich metaphysische Zielsetzung. Cusanus zeigt uns aber mit der Methode der belehrten Unwissenheit eine Haltung, der wir uns vielleicht wieder nähern sollten, wie wir später sehen werden.
Der Wissensstand unserer Zeit unterscheidet sich schon deutlich von der Zeit des Cusaners, denn der menschliche Geist forscht beständig weiter. Dieser Unterschied muss beschrieben werden, denn der Unterschied ist wesentlich geworden.
Ein beredtes Beispiel aus der Geschichte verdeutlicht diese Dynamik: Rousseau sendet 1755 einen Brief an Voltaire, in dem er schreibt, dass das, was wir nicht wissen, uns weniger schadet, als das, was wir zu wissen glauben. „Hätten wir nicht zu wissen vorgegeben, dass die Erde sich nicht dreht, so hätte man Galilei nicht dafür bestraft, dass er gesagt hatte, sie drehe sich." ²
Für unsere Zeit trifft diese Feststellung nicht mehr zu. Die oben bereits erwähnte Informationskomplexität bei ständig wachsender Informationsflut kann uns nur hoffen lassen, dass wir nicht eines Tages erschrecken über die Folgen z. B. gewagter Feldexperimente, die den auch uns schützenden Rahmen des Labors verlassen haben.
In diesem dann ausgelösten Erschrecken übersteigt unsere „wissende Unwissenheit" jedoch die des Cusaners bei weitem, weil unser naturwissenschaftliches Wissen und die sich daraus ergebenden handlungsrelevanten Konsequenzen existentieller geworden sind.
Die Angst vor vorschnellen Lösungen beherrscht uns mehr als der ungebremste Optimismus an die Naturwissenschaft.
Da wir nicht alle Reaktionen auf unser Handeln rechtzeitig in der Konsequenz erfassen können, sondern die Natur uns die Folgen erst nach und nach vor Augen führt, gerät unser gegenwärtiges Wissen in das Nicht-Wissen.
Das Wissen um diese Begrenztheit sollte ein Staunen freisetzen, dass uns Zeit gibt zum Nachdenken, eine Zwischenzeit, die notwendiger denn je erscheint. Denn im Alltag werden wir mit Ängsten konfrontiert, die von uns umso größer und deutlicher erlebt werden, da uns kein vorgegebener schützender metaphysischer Rahmen mehr umgibt.
Mit dieser Einsicht übersteigt unser Staunen die Ebene des allgemeinen Wissens, so dass wir auf uns selber zurückgeworfen werden. Auf dieser persönlichen Ebene haben wir uns dann persönliche Antworten auf das jeweilige Erschrecken zu geben. Und hier gelangen wir an Grenzen des Denkens, die wir nur metaphysisch überschreiten können.
Das universitäre nachmetaphysische Denken gibt keine Denkhilfen. Es entzieht sich dieser Suche nach Antworten auf Fragen, die das Rationale übersteigen. Im Lebensalltag haben wir uns aber diesen bohrenden Fragen zu stellen, so wir bewusst leben wollen.
In der Alltagsroutine leben wir ohnehin Antworten, die wir eher aus der eigenen Lebenswelt und Lebenserfahrung entwickelt haben. Es wird sich zeigen, ob z. B. die