Das Fundament 3/2004

Winzige Meisterwerke
– Springspinnen
Winfried Borlinghaus,
Korntal, ist im Rah-
men seiner Aufgabe
als Studenten-
sekretär ein
gefragter
Referent zu
Themen
aus dem
Bereich der
„Naturwis-
senschaft
und Bibel“.
Einer seiner
Schwerpunkte ist die Bionik.
 Man übersieht sie gerne, und doch diese agilen Tierchen. Ein echter Winz-
sind sie überall zu finden, wo es warm ling ist hier beispielsweise die hübsche
und sonnig ist. Mit etwas Übung und Talavera aequipes mit ihren leuchtend
Geduld kann man die kleinen Sprung- gelben Kiefertastern und den schwarz-
künstler vom Frühjahr bis zum Herbst gelb geringelten Beinchen. Trotz einer
an den unterschiedlichsten Orten um- Körperlänge von nur zwei Millimetern
herhuschen sehen. hat sie alles, was eine perfekte Spring-
An Hauswänden findet man häufig spinne braucht.
die hübsche Zebraspringspinne (Salticus Spinnen haben im Verhältnis zum
scenicus) und in Süddeutschland auch Körpergewicht ein erstaunlich großes
die kleinere, dunkler gefärbte Gallische Gehirn, wie man es sonst nur bei Wir-
Springspinne (Pseudeuophrys lanigera). beltieren findet. Und das hat seinen
Marpissa muscosa gehört mit über Grund. Jede Menge Hightech ist auf
10 Millimetern schon zu den „Riesen“ kleinstem Raum zusammengedrängt
in Deutschland. Besonders viele Arten und muss exakt gesteuert werden. Da
entdeckt man auf felsdurchsetzten Tro- sind beispielsweise die Spinnwarzen
ckenrasen, dem idealen Lebensraum für mit ihren Spinnspulen, die hochkom-

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plexe Eiweißmoleküle vom flüssigen
Zustand in den festen überführen. Die
Materialeigenschaften von Spinnseide
sind technisch unerreicht. Insbesondere
die Elastizität bei gleichzeitig hoher
Festigkeit und geringem Gewicht lassen
Ingenieure vor Neid erblassen. Diese
Spinnenseide würde sich beispielsweise
hervorragend für schusssichere Kleidung
eignen, die im Gegensatz zu herkömm-
lichen Westen kaum auftragen würde.
Springspinnen nutzen dieses Material als
Sicherheitsleine, um beim Sprung nicht
unkontrolliert abzustürzen. Sie stellen
aus diesem Superwerkstoff den Kokon
für die Eier her und kleiden damit ihren
Schlupfwinkel aus, in den sie sich bei un-
passender Witterung zurückziehen. Ein
Fangnetz webt die Springspinne nicht.
Das hat sie als aktiver Jäger auch nicht
nötig. Die kleinen Tiere sind nützliche
Räuber, denn sie erbeuten verschiedene
„Schädlinge“ wie Fliegen, Käfer und
Mücken (auch Stechmücken). Es ist eine
spannende Angelegenheit, eine Spring-
spinne beim Beutefang im Gras oder an
der Hauswand zu beobachten. Äußerst
vorsichtig schleicht sich die Spinne mit
fast zeitlupenartigen Bewegungen bis auf
ca. drei cm Entfernung an. Dann springt
sie blitzschnell nach vorne und ergreift
ihr Opfer, das sie mit einem Giftbiss zur
Strecke bringt. Selbst vorbeifliegende
Insekten werden ergriffen!
Die genauen Bewegungen werden
mittels eines hydraulischen Systems
erreicht. Die Spinne kann mit der ent-
sprechenden Muskulatur den Druck der
Winzige Meisterwerke
Hämolymphe so gezielt steuern, dass
sich die Beine exakt in dem Maße stre-
cken beziehungszweise beugen, wie es
für einen präzisen Sprung erforderlich
ist. Mikrosystemtechniker versuchen
sich bisher vergeblich an dermaßen fein
steuerbaren Hydrauliksystemen.
Die Springspinne reagiert sehr ge-
nau auf kleinste Bewegungen der Beute.
Dazu nutzt sie die hervorragende opti-
sche Ausstattung, die ihr gegeben ist.
Acht unterschiedlich große Augen
in drei Querreihen sorgen für den nö-
tigen Rundum- und Nahblick. Dabei
fallen bei größeren Exemplaren, wie der
Zebraspringspinne, bereits mit bloßem
Auge die verhältnismäßig großen, pech-
schwarzen vorderen Mittelaugen auf. Mit
ihnen sind Springspinnen in der Lage,
farbig und dreidimensional zu sehen.
REM Aufnahme: Hempel. Uni Marburg
Versuche an der University of Cincinnati
haben außerdem ergeben, dass sogar
Darstellungen auf einem Bildschirm
erkannt werden. Der völlig starre Blick
der Spinne täuscht! Diese Augen sind
zweilinsige optische Meisterwerke, die
praktisch wie ein Fernrohr aufgebaut
sind. Und das, lange bevor Menschen ein
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solches Gerät erfunden haben. Das ist

jedoch noch nicht alles. Die Springspinne
besitzt bewegliche Netzhäute, die so-
wohl in der Linsenachse als auch seitlich ker selbst bei scheinbar simplen Lebe-
verschiebbar sind. Die Spinne kann so wesen Konstruktionen beobachten, die
die richtige Entfernung einstellen und allen menschlichen Entwicklungen weit
erhält ein scharfes Bild ihrer Umgebung. überlegen sind, der muss sich verstärkt
Die seitliche Beweglichkeit versetzt die die Frage stellen, ob die verbreitete
Spinne zusätzlich in die Lage, trotz völlig Annahme, dass es keinen äußeren Pla-
starrer „Pupille“, quasi im Hintergrund, ner gibt, wissenschaftlich sinnvoll ist.
die Blickrichtung zu wechseln. Sie kann Solche erstaunlichen Details wie die
also die Bewegung ihres Opfers innerhalb Sinne einer Springspinne lassen sich
gewisser Grenzen verfolgen, ohne sich durch einfache Selbstorganisations-
durch hin- und herzuckende Pupillen zu prozesse kaum erklären. Die Realität
verraten! Ihr Blickwinkel wird dadurch hochkomplexer Technik bei Lebewesen
auf ca. 70 Grad erweitert. Diese seitliche spricht für sich. Horst Stern und Ernst
Beweglichkeit der Netzhaut wurde jüngst Kullmann bemerken in ihrem legendä-
von Wissenschaftlern des California In- ren Buch „Leben am seidenen Faden“:
stitute of Technology für die Entwicklung „So stellt alles in allem gesehen der
leistungsfähiger Mikrokameras als geniale gesamte Spinnenkörper mit seinen Ein-
Idee technisch umgesetzt. Eine schwin- zelabschnitten ein optimal aufeinander
gende Linse vor einem Mikrochip, der eingestelltes System dar, an dem eben
mit entsprechenden Fotosensoren ausge- nichts zufällig ist, obwohl es durchaus
stattet ist, erhöht die Leistungsfähigkeit in manchen Bereichen noch schwer
der Kamera bei gleichem Durchmesser fällt, eine Erklärung dafür zu geben,
der Optik um ein Vielfaches. Die Schär- warum etwas so und nicht anders ist.“
feleistung eines 256x256 Chip kann auf Deshalb ist es durchaus plausibel,
diese Weise annähernd mit einem nur wenn Wissenschaftler, die täglich neue
32x32 Chip erreicht werden. Weniger und fantastische Details des Lebens
Platzbedarf, weniger Rechenkapazität entdecken, darin einen Hinweis auf den
und weniger Energie sind die Folge. biblischen Schöpfer erkennen, statt ihn
Wer zur Kenntnis nimmt, dass grundsätzlich aus ihrem naturwissen-
hochintelligente Bioniker und Techni- schaftlichen Denken zu verbannen.
Literatur:
Heiko Bellmann, Kosmos Atlas SPINNENTIERE EUROPAS, Franckh-Kosmos 1997.
Ernst Kullman, Horst Stern, LEBEN AM SEIDENEN FADEN, Kindler.
Prof. Dr. Werner Nachtigall (ed.); BIONA-Report 8 u. 9 , 1. Bionik-Kongress, Wiesbaden 92; Akademie der Wissenschaften.
Internetartikel:
„Kameras für Marsroboter„: http://www.weltraumforschung.de/archiv/wissennew1457.html;
„Spinnen aus dem All„: http://www.discovery-channel.de/de/pub/tv/natur/itempageN.cfm/item_ID/2924 

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