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16 SONNABEND/SONNTAG, 20./21.

MÄRZ 2010  DIE TAGESZEITUNG


www.taz.de
sonntaz@taz.de DAS SONNTAZ
VON ANDREAS FANIZADEH ben. Zu dem Anschlag auf das
REVOLUTIONÄRE ZELLEN Sie versteckten Konsulat kam es nie. Für Her-
taz: Frau Suder, Herr Gauger, mann Feiling, den mutmaßli-
sich 22 Jahre vor den Terrorfahndern. wann merkten Sie erstmals, chen Bekannten Suders und Gau-
dass Sie observiert werden? gers, verlief die Vorbereitung fa-
Sonja Suder und Christian Gauger Sonja Suder: Es war im Sommer tal. Der Sprengsatz explodierte
1978. Wir waren gerade vom Ur- am 23. Juni in Heidelberg vorzei-
über das Leben im Untergrund und laub aus Südfrankreich zurück tig, Feiling verlor beide Beine
nach Frankfurt gekommen. Wir und Augen.
das Gefühl, wenn man entdeckt wird sind um 6 Uhr morgens los, um Der Schwerverletzte wurde
unseren Stand auf dem Floh- damals offenbar noch in der Uni-
markt am Eisernen Steg am klinik Heidelberg von Fahndern

„Du schaust Mainufer aufzubauen.


Und da merkten Sie, dass Ihnen
jemand folgt?
Suder: Um sechs Uhr morgens
ist es auffällig, wenn jemand von
vernommen. Über Wochen und
Monate hinweg, sagen Freunde
und Anwälte, isolierten die Er-
mittler Feiling, um an Informati-
onen über die Organisations-

immer, ob deiner Haustür bis zum Floh-


markt hinter dir ist und dann sel-
ber keinen Stand aufbaut. Wir ha-
ben das am Nachmittag über-
prüft, und da war es klar: Wir
struktur der Revolutionären Zel-
len zu gelangen. Auch über Suder
und Gauger. Die Ermittler proto-
kollierten, was ihnen Feiling un-
ter Medikamenteneinfluss und

jemand
werden überwacht. Es wurde ein ohne Rechtsbeistand eigener
heißer Sommertag in Frankfurt Wahl gesagt haben soll – und was
am Main, ich glaube im August. er später widerrief.
Und wir mussten eine Entschei- Wenige Wochen nach Feilings
dung treffen. Unfall bemerkten Suder und

hinter dir ist“


Warum? Gauger die Observationsteams
Na ja. Es waren harte Zeiten, ein in Frankfurt – und entzogen sich
Jahr nach der Schleyer-Entfüh- ihnen. Seither sollen sie irgend-
rung und den Toten in Stamm- wo im Ausland gelebt haben und
heim. Wir beschlossen wegzu- – so sie es vorher waren – nicht
gehen. mehr im Zusammenhang mit
den RZ aktiv gewesen sein.
1978. Wer erinnert sich an 1978, Der Tatverdacht gegen Suder
das Jahr, in dem Sonja Suder und und Gauger „stützt sich im We- Sonja Suders Fahndungsfoto. 1978 tauchte sie mit 45 Jahren unter
Christian Gauger von der Bildflä- sentlichen auf die Angaben des
che verschwanden, um die Zeugen Feiling von 1978,“ bestä- gesagt: in einem winzigen Teil ei- Eine agile, lebhafte und sponta-
nächsten 22 Jahre lang unauf- tigt die Frankfurter Staatsan- nes dieser Häuschen leben seit ne Persönlichkeit mit resoluter
findbar zu bleiben? Das Jahr, in waltschaft jetzt auf Nachfrage. ihrer Enttarnung und vorüber- Stimme, schwarz und sportlich
dem Argentinien die Fußball- Erst 1999 kam laut der Behörde gehenden Inhaftierung Sonja Su- gekleidet, und mit kürzerem,
WM gewann. Oder in dem die ein weiterer Verdacht gegen Son- der und Christian Gauger. Sonja dunklem Haar.
heutige Vizechefin der Partei Die ja Suder hinzu. Vorwurf: Beteili- Suder ist mittlerweile 77 Jahre alt, Das Zimmer in St. Deniz ist
Linke, Katja Kipping, geboren gung am Opec-Überfall 1975 in Christian Gauger 68. Sie waren mit gebrauchten Holzmöbeln
wurde. Die DDR gab es noch, und Wien und Beihilfe zum Mord. Die schon vor ihrer Flucht 1978 ein eingerichtet, gemütlich und un-
Westeuropa befand sich in der Verjährungsfrist für die Anschlä- Paar. Es ist das erste Mal, dass sie aufwendig, so wie man es aus
Spätphase der Achtundsechzi- ge, die Gauger und Suder ur- mit der deutschen Presse spre- vielen Wohngemeinschaften der
gerbewegung. In Nicaragua sprünglich zur Last gelegt wur- chen. Es gibt Tee und Gebäck Alternativszene kennt. Antikon-
stürmten die Sandinisten den den, beträgt 20 Jahre. Sie wäre zum Gespräch. Ihre Wohnküche sumismus scheint eine prakti-
Nationalpalast, in Italien ermor- 1998 verstrichen. Doch, so sagt ist keine 16 Quadratmeter groß. sche Ideologie für das spartani-
deten die Roten Brigaden den die Staatsanwaltschaft, die Ver- sche Leben in der Klandestinität,
Christdemokraten Aldo Moro. jährung sei „mehrfach unterbro- Kurz vor dem Uniabschluss ohne Rente und festes Einkom-
chen“ worden und sie könne untergetaucht men. Neben Büchern fallen un-
Als der Sprengsatz „maximal bis zur doppelten Zeit Wie ist das, wenn man deutsche zählige Messerbänkchen in den
unversehens explodierte – also 40 Jahre – laufen“. Aus ei- Firmen wegen ihrer Geschäfte Regalen auf. Messerbänkchen
Und in der Bundesrepublik ner Brandstiftung von 1978 (Ver- mit dem Apartheidstaat Südafri- benutzt man in Frankreich gern
Deutschland macht sich im Juni jährungsfrist: 10 Jahre) kann eine ka attackierte, dann abtauchte, zur Ablage des Bestecks zwi-
1978 ein – nach Ansicht der menschengefährdende Brand- ein klandestines Leben in Frank- schen den Gängen, um den Tisch
Staatsanwaltschaft – Bekannter stiftung (Verjährungsfrist: 20 reich führte, um Jahrzehnte spä- nicht zu beschmutzen. Sie sind
von Sonja Suder und Christian Jahre) werden und die Verjäh- ter enttarnt und verhaftet zu aus Porzellan und Edelmetall,
Gauger daran, eine Bombe am rungsfrist auf 40 Jahre ausge- werden? Suder und Gauger lä- aus verschiedenen Mineralien,
Konsulat Argentiniens in Mün- dehnt werden. cheln. Darüber reden sie nicht. schlicht oder kunstvoll gefertigt.
chen zu platzieren. Herrmann 2000 kam es zur spektakulä- Die beiden suchen das Gespräch Jeder Mensch hat ein Hobby, und
Feiling hieß er und soll wie Suder ren Enttarnung und Festnahme mit der taz unter der Vorausset- das Sammeln von Messerbänk-
und Gauger im Umfeld der soge- der beiden „RZ-Rentner“ in Paris, zung, dass sie keine Fragen be- chen ist das von Christian Gau-
nannten Revolutionären Zellen wie sie genannt wurden. Seither antworten müssen, die für die ger. Er erzählt langsam, fast
agiert haben. Die RZ waren für ringen deutsche und französi- Verfahren juristisch relevant schleppend. 1997 hatte er einen
den Staatsschutz schwer einzu- sche Behörden zäh um Suder sein könnten. Sie sagen nicht, ob Schlaganfall und musste wieder-
schätzen, da sie nach ihrer Spal- und Gauger. 2001 wies Frank- und, wenn ja, wofür sie Verant- belebt werden.
tung 1976/77 ohne erkennbare reich ein Auslieferungsbegehren wortung tragen.
Steuerung agierten. Die Grup- der Deutschen ab. Nun könnte taz: Wie war die Situation, als
Lille, Frankreich. In diesem Viertel soll das Paar gelebt haben Foto: afp pierung propagierte Anschläge sich das Blatt aufgrund des neu- taz: Wie lange leben Sie schon Sie im Jahr 2000 festgenom-
mit Sachschäden und versuchte, im Exil? men wurden?
anders als die RAF, Opfer zu ver- Sonja Suder: Seit 1978. Suder: Wir waren gerade in Paris
meiden. Suder und Gauger sol- Sie haben vorher in Frankfurt und sind aus dem Hotel rausge-
len, sagt die Staatsanwaltschaft am Main gelebt? kommen. Es ging alles sehr
heute, 1977 an zwei Anschlägen Suder: Ja, ich hab Medizin stu- schnell: Hände hoch! Und dann
gegen Firmen, die Urangeschäfte diert. Als wir weg sind, war ich Arme und Gesicht zur Wand.
mit Südafrika machten, sowie ei- fast fertig. Französische Polizei?
nem Brandanschlag aufs Heidel- Wie alt waren Sie damals? Suder: Ja. Französische Polizei.
berger Schloss 1978 beteiligt ge- Suder: Da muss ich um die 45 ge- Keine Deutschen dabei?
wesen sein. Am 15. September wesen sein. Suder: Nee, erst später im Bullen-
1978 erließ ein Ermittlungsrich- Und Sie, Herr Gauger? revier, da waren dann auch Deut-
ter am Bundesgerichtshof des- Christian Gauger: Ich hab auch sche dabei. Die haben sich zwar
halb Haftbefehl gegen die zwei. in Frankfurt gelebt. Ich hatte ein nicht sehen lassen, du hast sie
Falls sich Gauger, Suder und Diplom in Psychologie und bei aber gehört, wie sie miteinander
Feiling tatsächlich kannten, wie den Sonderpädagogen an der sprachen.
die Staatsanwaltschaft glaubt, Uni gearbeitet. Ist es Ihnen wichtig, dass wir
dann dürften sie sich 1978 darin Als wissenschaftlicher Mitar- von „Bullen“ reden?
einig gewesen sein, Argentinien beiter? Suder [lacht]: Nein, wir können
als Unrechtsstaat zu betrachten. Gauger: Nein, als wissenschaft- auch Polizei sagen.
Die Militärs hatten dort 1976 ge- Französisches Flugblatt gegen die lich Bediensteter. So hieß das da- Hatten Sie damit gerechnet,
putscht und in der Folge über Auslieferung Abbildung: Archiv mals. 2000 geschnappt zu werden?
30.000 Menschen ermorden las- Suder: Nee. Nicht zu diesem spe-
sen. In diesem Land fand unter en EU-Haftbefehls gegen die Gauger mustert den Journalis- ziellen Zeitpunkt, auch wenn du
skandalösen Umständen die zwei Siebziger-Jahre-Linken ten. Er nippt an seiner Tasse, eine Einstellung zu deinem Le-
Fußballweltmeisterschaft statt. wenden. Im Moment liegt der trinkt wie Suder Kräutertee, ist ben hast, als könne es jederzeit
Und die sozialliberale Koalition Fall beim französischen Verfas- konzentriert, ruhig. Sein schnee- passieren. Man weiß ja nie, was
in Bonn tolerierte Geschäfte sungsgericht. Ob Frankreich aus- weißes Haar hat er hinten zum gerade tatsächlich läuft. Insofern
deutscher Firmen mit der argen- liefert, ist völlig ungewiss. Zopf zusammengebunden, das rechnest du prinzipiell damit.
tinischen Diktatur, während sie Gesicht rahmt ein kurz geschnit- Also, es gab keinerlei konkrete
in argentinische Folterhaft gera- 2010. Paris, St. Deniz, nahe der tener weißgrauer Bart. Mit sei- Hinweise, die Sie bemerkten?
tenen deutschen Staatsbürgern Universität 8. Auf sehr kleinen nem Blümchenhemd und dem Suder: Nee. Obwohl die sicher
nur zögerlich half. Es gab also Grundstücken stehen sehr klei- leichten hessischen Dialekt schon eine Weile an uns dran wa-
wahrnehmbare Missstände, ne Häuser, in der Ferne sieht könnte er direkt aus einem Anti- ren.
auch wenn nur wenige wie Her- man die Kulisse einiger Hoch- quariat in Frankfurt-Bocken- Wissen Sie, wie man Sie nach 22
mann Feiling deshalb versuch- häuser. Ein nasskalter Tag, kaum heim marschieren. Sonja Suder Jahren aufspüren konnte?
ten, ein Loch in die Mauer des ar- Menschen auf den Straßen. In ei- hat die Gesprächsführung. Ihre Suder: Es ist unklar. Wir hatten
Paris. Vor diesem Hotel wurden Suder und Gauger geschnappt Foto: afp gentinischen Konsulats zu bom- nem der Häuschen, oder besser 77 Jahre merkt man ihr nicht an. damals ein Treffen mit einer Ver-
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ich jetzt blöd bleibe. Als ich diese und wieder zugeknallt werden. Frau Suder, Herr Gauger, kam
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Von Frankfurt nach Paris
Furcht bekam, war das aber auch Das ist ein fortwährendes Knal- Ihnen in all den Jahren nicht
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zugleich der Punkt, an dem ich
merkte, dass ich jetzt wieder sel-
ber denken kann. Das hat ein
len. Ein unglaublicher Krach. Das
Eingeschlossensein selber war
für mich nicht so schlimm, da
1 Untergetaucht: Im Sommer
1978 bemerken Sonja Suder und
Christian Gauger in Frankfurt, dass
auch einmal in den Sinn: Die
Geschichte liegt so lange zu-
rück, was soll das, wir wollen
Weilchen gedauert. befasst du dich ja auch vorher sie beschattet werden. Sie setzen zurück und stellen uns der Ver-
Sonja Suder musste Ihnen auch schon ein wenig mit. Du musst sich ins Ausland ab und nehmen gangenheit?
erzählen, weswegen Sie im Un- sofort schauen, das man etwas eine falsche Identität an. Vermut- Suder: Also mir nicht. Und dir,
tergrund lebten? tun kann, Sport treiben, lesen. lich lebten sie dann in Frankreich, Christian?
Gauger: Ja. Aber ich weiß natür- Herr Gauger, wie ging es Ihnen? zuletzt in Lille im Norden des Lan- Gauger: Doch, wenn die Haftbe-
lich nicht, ob sie mir alles erzählt Gauger: Beim Hofgang ist gleich des. 1997 erleidet Gauger einen fehle aufgehoben worden wären.
hat. Das weiß ich einfach nicht. einer auf mich zugekommen. Schlaganfall und verliert seine Er- Suder: Sehr witzig. Jetzt ist aber
Suder: Das kannst du ja auch Der wusste schon Bescheid. Da innerung – an die falsche und an klar: Sollte Frankreich dem Aus-
nicht. Du kannst ja nicht ein gan- war ich dann immer mit dem die wahre Identität. lieferungsbegehren stattgeben,
zes Leben erzählen. Wenn je-
mand fragt und wenn man mit
bestimmten Reha-Büchern ar-
und noch einem anderen zusam-
men beim Hofgang. In der Zelle
waren wir zu dritt. Unangenehm
2 Aufgeflogen: Im Jahr 2000
werden sie entdeckt und vor ei-
nem Hotel in Paris festgenommen.
werden wir uns dem Verfahren
in Deutschland stellen.
Die Gruppierung, der Sie ange-
beitet, kann man einiges re-er- waren die Stockbetten. Im drit- Getrennt verbringen sie einige hört haben sollen, hat sich An-
zählen, aber man darf ja auch ei- ten oben, das ist doch ganz schön Monate in Untersuchungshaft. fang der Neunzigerjahre end-
nen Kopf nicht überhäufen. Das hoch, da kann dir schwindlig Inzwischen leben Suder, 77, und gültig aufgelöst. Hatte das zu-
geht Stückchen für Stückchen. werden. Ansonsten: Mäuse und Gauger, 68, in Paris. Deutschland letzt irgendwelche Auswirkun-
1997 und 2000 – zwischen Herz- Kakerlaken, das sind doch Haus- fordert von Frankreich die Ausliefe- gen auf das Verfahren?
stillstand und Verhaftung lag tiere. Besser als eine weiß geka- rung – bisher vergeblich. Suder: Juristisch keine. Nach-
gar nicht so viel Zeit.
Suder: Ja, aber er war schon sta-
bilisiert. Der Punkt, von dem er
chelte Einzelzelle, wo du nieman-
den siehst und hörst.
Was denkt man, wenn man
3 Beschuldigt: Die Staatsan-
waltschaft Frankfurt am Main
wirft dem Paar heute vor, 1977 an
dem die neue EU-Rechtspre-
chung kam, sind wir 2007 ein
zweites Mal in Frankreich ver-
vorhin sprach, das war nach an- nach mehr als zwanzig Jahren Anschlägen gegen Firmen sowie haftet worden. Christian für vier-
derthalb Jahren Reha. Aber bis im Exil verhaftet wird? 1978 an einem Anschlag auf das zehn Tage und ich für einen Mo-
heute fragt mich der Christian Suder: Jetzt hat’s uns doch noch Heidelberger Schloss beteiligt ge- nat. Und seit 2009 müssen wir
nach Dingen aus seiner Vergan- erwischt. wesen zu sein. Suder wird zudem täglich mit der Auslieferung
genheit, und wir setzen die Reha Gauger: Und ich hab gedacht: Beihilfe zum Mord vorgeworfen: rechnen, obwohl das französi-
praktisch fort. Das muss doch nicht sein. beim Überfall auf die Opec-Konfe- sche Gericht eine Auslieferung
Sie sind nach der Verhaftung so- Sie wissen, was Ihnen konkret renz 1975 in Wien, bei dem drei 2001 bereits abgelehnt hatte.
fort getrennt worden? vorgeworfen wird? Menschen starben. Dieser Vorwurf Nach Ihrer Enttarnung im Jahr
Suder: Ja, sofort. Suder: Drei Anschläge, zwei ge- stützt sich allein auf Aussagen des 2000 und der Niederschlagung
Christian Gauger. Manche nennen das Paar „RZ-Rentner“ Fotos oben: Archiv Haben Sie noch Familie in gen das Atomprogramm des da- Exterroristen Hans-Joachim Klein. des Auslieferungsverfahrens
Deutschland? maligen Apartheidregimes in lebten Sie in Paris erstmals
wandten. Vielleicht haben sie innerungsvermögen bestätigen Suder: Ja. Wir haben beide zu un- Südafrika und ein Anschlag ge- heute, dass es bis 1999 und außer wieder legal. Wie war das für
sich irgendwie an die drange- medizinische Gutachten aus seren Schwestern Kontakt. gen die Stadtsanierung in Hei- Kleins Aussagen keinerlei Hin- Sie?
klemmt. Frankreich.] Herr Gauger, dann können Sie delberg. Und mir zusätzlich weise gegeben habe, Suder kön- Suder: Wenn du ständig mit ei-
Meinen Sie, Sie hatten die gan- War Ihre falsche Identität so also jetzt selbstständig über- Wien. Diese Opec-Geschichte. ne in die frühe Phase der RZ bis ner Legende lebst, kannst du kei-
zen Jahre ein Zielfahndungs- gut, dass Sie ärztliche Betreu- prüfen, ob es stimmt, was Ihnen Und damit die Behauptung: Bei- 1976 involviert gewesen sein. ne wirklichen Freundschaften
kommando am Hals? ung in Anspruch nehmen Frau Suder erzählt hat? hilfe zum Mord. In Frankreich Klein, dessen Glaubwürdigkeit aufbauen. Wir lebten all die Jahre
Suder: Ich glaube, nicht. Bis zu konnten? Gauger: Ja, zumindest das ist wäre auch dies verjährt. Das Ein- oft mit der des ehemaligen RAF- eher zurückgezogen. In Paris hat-
den Aussagen von Hans-Joachim Suder: Mussten! Allein wegen leichter geworden. zige, was hier nicht verjährt, sind Mitglieds und -Geschichtener- ten wir zunächst gar keine Kon-
Klein 1998/99 waren wir zeitwei- der Kontrolle und der Medika- Wie war Ihre Lage bei den Ver- Verbrechen gegen die Mensch- zählers Peter-Jürgen Boock ver- takte. Unsere Anwältin hatte
se wohl nicht einmal europaweit mente. Die Reha hab ich dann nehmungen nach der Verhaf- lichkeit. glichen wird, bezichtigte 1999 dann für uns einen italienischen
zur Fahndung ausgeschrieben. selber mit ihm gemacht. Das tung? Überraschte Sie der Vorwurf der RZ-Mitglieder und andere Perso- Genossen aufgetrieben, damit
Das muss sich danach geändert war schon eine sehr blöde Situa- Suder: Wenn du vorher ausge- BeteiligungamOpec-Anschlag? nen, am Wiener Opec-Überfall wir überhaupt eine Wohnadres-
haben. tion. macht hast: „Wenn einmal was Suder: Ja. beteiligt gewesen zu sein. Rudolf se vorweisen konnten, um aus
Hans-Joachim Klein war am Und Sie flogen nicht auf? passiert, dann kein Wort, keine Schindler wurde deswegen be- dem Gefängnis rauskommen zu
Opec-Überfall in Wien 1975 be- Aussage“, dann hast du ein sehr 1975. Kleins Festnahme 1998 reits 2001 vor dem Landgericht können. Dann hat uns eine sehr
teiligt. Er distanzierte sich da- sicheres Gefühl. kam genauso aus heiterem Him- Frankfurt der Prozess gemacht. nette Frau aufgenommen. Ich
nach vom Terrorismus, wurde „Bei unserem Wie lange waren Sie beim ers- mel wie seine Behauptungen Und er wurde, entgegen Kleins glaube, in Deutschland wäre das
aber erst 1998 von Zielfahndern ten Verfahren 2000/2001 in Un- von einer Tatbeteiligung Suders. Aussagen, vom Vorwurf der Mit- alles etwas schwieriger gewesen.
in Frankreich gestellt. Nach sei- Alter sind die tersuchungshaft? Klein hatte im Dezember 1975 ei- täterschaft am Opec-Überfall Aber die republikanische Kultur
ner Verhaftung behauptete er Leute nicht mehr Suder: Nicht ganz drei Monate. nem Kommando unter Führung freigesprochen. Das Gericht be- in Frankreich hat eine reiche,
1999 erstmals, Sonja Suder kön- Christian saß in Paris, das Frau- von Ilich Ramírez Sánchez, ge- zweifelte Kleins „Identifizie- jahrhundertealte Tradition, Exi-
ne als Logistikerin am Opec-An- so misstrauisch“ engefängnis war außerhalb. nannt „Carlos“, angehört, das in rungssicherheit bei der Licht- lanten einen Zufluchtsort zu ge-
schlag beteiligt gewesen sein. SONJA SUDER War dies Ihr erster Aufenthalt Wien für den Tod von drei Men- bildvorlage vom 2. 9. 1999“. Bei ben. Menschen, die wir nicht
Bis 1999 gab es keinen interna- im Gefängnis? schen verantwortlich war. Dem dieser beschuldigte er neben kannten, haben uns für ein hal-
tionalen Haftbefehl? Suder: Nein. Manchmal hat man Suder: Ja, ich war Ende 60, Chris- bei der Aktion selber angeschos- Schindler auch Suder, „obwohl er bes Jahr ihr Haus überlassen,
Suder: Nein, das sagen unsere zwar tief Luft geholt, aber bei un- tian Anfang 60. senen Klein gelang mit anderen diesbezüglich zuvor nie von ei- sind in ihr Haus nach Südfrank-
Anwälte. Deswegen haben wir serem Alter, da sind die Leute Wie war das im Gefängnis? Kommandomitgliedern und ner weiteren Frau gesprochen reich gefahren und so konnten
wahrscheinlich vorher auch nicht mehr so misstrauisch. Suder: Man sagt, die französi- Opec-Ministern als Geiseln die hat“, befand das Gericht schon wir uns erst mal hier in Paris eine
ziemlich unsere Ruhe gehabt. Gauger: Ich hatte vollständig schen seien die schrecklichsten Flucht. 1976 entführte dann ein 2001. Außer Kleins Aussagen hat eigene Wohnung suchen. Die ha-
Herr Gauger, Sie halten sich meine Erinnerung verloren. Gefängnisse der Welt. Aber ich deutsch-palästinensisches Kom- die Staatsanwaltschaft auch heu- ben uns und unsere Geschichte
sehr zurück? Möchten Sie an Aber Sonja Suder haben Sie wie- kann das nicht sagen. Ich kam in mando eine Air-France-Maschi- te nichts gegen Suder in Sachen praktisch kaum gekannt und ha-
unserem Gespräch nicht richtig dererkannt? eine Zelle und hatte ganz norma- ne nach Entebbe; dabei starben Opec in der Hand. ben einfach geholfen. Wir waren
teilnehmen? Suder: Was mich auch gewun- len Hofgang. Ich bin gleich auf Wilfried Böse und Brigitte Kuhl- auch schnell integriert in die gro-
Gauger: Ich habe an vieles kei- dert hat, muss ich sagen. ein paar Baskinnen gestoßen. mann, die als Köpfe der frühen taz: Wie präsent waren Ihnen all ße italienische Exilszene um die
ne eigene Erinnerung. Ich hatte Gauger: Aber ich hab vorher Von da an wurde mir alles, was RZ gelten. Die RZ formierten sich die Jahre die Vorwürfe aus den geflüchteten Militanten aus den
einen Schlaganfall und lag im nicht gewusst, dass sie existierte, ich brauchte, wie von allein orga- danach neu und gingen auf Dis- Siebzigern, aus einer immer Siebzigern, mit ihren Diskussio-
Koma. erst als sie ins Zimmer zurück- nisiert, natürlich unter der tanz zu nahöstlichen Gruppie- weiter zurückliegenden Phase nen und Festen. Sie sind sehr so-
Wann war das? kam, hab ich sie erkannt. Hand. Ich war also gleich ein biss- rungen und Gestalten wie Carlos. Ihres Lebens? Konnten Sie ein lidarisch. Da haben wir viel
Suder: 1997. Was ist das für ein Gefühl, wenn chen privilegiert. Diese Solidari- Sie kritisierten Antiamerikanis- normales Leben führen? Glück gehabt.
Gauger: Ich hatte einen Herzstill- man alles vergessen hat, im Un- tät war faszinierend. mus und Antizionismus in der Suder: Erst mal nicht. Da schaust
stand. War praktisch tot. Sonja tergrund lebt und einer einzi- Was war das Belastendste im „antiimperialistischen Linken“ du ja immer, ob jemand hinter ■ Andreas Fanizadeh, 47, leitet
hat mich wiederbelebt. [Herz- gen Person vertrauen muss, die Gefängnis? und propagierten Anschläge, die dir her ist. Deutsch spricht. das taz-Kulturressort. In den Neun-
stillstand und Schlaganfall und einen lehrt, wer man ist? Suder: Eigentlich der Krach. An keine Todesopfer fordern sollten. Gauger: Möglichst kein Kontakt zigern war er verantwortlich für
die damit einhergehende Beein- Gauger: Da kam irgendwann die jedem Zugang sind Eisentüren, Auf Nachfrage bestätigt die zu Deutschen, das ist sehr wich- den ID Verlag, Spezialgebiet:
trächtigung von Gehirn und Er- Furcht: Oh Scheiße, was ist, wenn die permanent aufgeschlossen Staatsanwaltschaft Frankfurt tig. Geschichte der militanten Linken

Paris. Hier saß Christian Gauger nach der Festnahme 2000 in Untersuchungshaft Foto: reuters Wien, 1975. Terroristen nehmen Geiseln, darunter Minister von Ölexportstaaten Foto: ap

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