You are on page 1of 779

Gattermann • Wieland

Die Praxis des


organischen Chemikers
neu bearbeitet von
Theodor Wieland und Wolfgang Sucrow
43. Auflage

W Walter de Gruyter
DE

G Berlin •New York 1982


Die Praxis des begründet von
organischen Chemikers Prof. Dr.'Ludwig Gattermann

1894, erstmals erschienen

1923, 18. Auflage fortgeführt von


Prof. Dr. Heinrich Wieland

1956, 37. Auflage fortgeführt von


Prof. Dr. Theodor Wieland

1962, 41. Auflage Prof. Dr. Theodor Wieland

1972, 42. Auflage Prof. Dr. Theodor Wieland


nur Teil I und Garsten Mayer
Allgemeine Arbeitsanweisungen

1982, 43. Auflage neu bearbeitet von


Prof. Dr. Theodor Wieland und
Prof. Dr. Wolfgang Sucrow

Autoren:
Theodor Wieland, Prof. Dr. phil.
Direktor der Abteilung Chemie am
Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung
6900 Heidelberg

Wolf gang Sucrow, Prof. Dr.-Ing.


Universität-Gesamthochschule Paderborn
Lehrstuhl für Organische Chemie
Warburger Str. 100
4790 Paderborn

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Gattermann, Ludwig:
Die Praxis des organischen Chemikers / Gatter-
mann ; Wieland. Neu bearb. von Theodor Wieland u.
Wolfgang Sucrow. - 43. Aufl. - Berlin ; New
York : de Gruyter, 1982.
ISBN 3-11-006654-8
NE: Wieland, Heinrich:; Wieland, Theodor [Bearb.]

Copyright © 1982 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung. J. Guttentag,
Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere
das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes
darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Ge-
nehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, ver-
vielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Einbandgestaltung: W.Taube, München.
Satz: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindearbeiten: Lüderitz &
Bauer Buchgewerbe GmbH, Berlin.
Vorwort zur 43. Auflage

Die Neuauflage des Gattermann-Wieland hat sehr lange Zeit auf sich warten lassen.
Nun ist es soweit. Verlag und Autoren legen sie in der Hoffnung vor, daß sich der
Gattermann-Wieland wieder einen festen Platz an den deutschsprachigen Hoch- und
Fachschulen erobern möge.
Über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren hatte der Gattermann eine Art Mono-
polstellung inne, und mehrere Chemikergenerationen haben im Laufe ihrer Ausbil-
dung - und noch darüber hinaus - mit großem Nutzen und Erfolg den Gattermann als
Koch- und Lehrbuch benutzt.
Dem Leser werden die hier abgedruckten Vorworte früherer Auflagen sicherlich
einen reizvollen historischen Rückblick vermitteln.
Schon von Anfang an war es das Konzept des Buches, den Chemiestudenten an
Hand von sorgfältig ausgesuchten Präparaten, verbunden mit theoretischen Erklärun-
gen, in die Organische Chemie einzuführen. So sollte das, was sich im Glaskolben, in
der Apparatur an chemischen Reaktionen abspielte, den Studenten auch theoretisch
verständlich werden. Deshalb wurden neben den Arbeitsvorschriften auch immer die
dazugehörenden theoretischen Grundlagen behandelt. Auf diese Weise erwarb sich
der Student nicht nur manuelle Geschicklichkeit und Erfahrung im Labor, sondern er
lernte vor allem auch Organische Chemie verstehen.
Es ist keine Frage, daß sich dieses Konzept über Generationen hinweg mit Erfolg
bewährt hat, und an diese erfolgreiche Tradition und Vergangenheit möchte der neue
Gattermann-Wieland wieder anschließen.
Die Autoren glauben, daß die durch den Gattermann-Wieland seit Generationen
geprägte Ausbildung der Chemiker auch heute noch zeitgemäß ist, trotz ständiger
Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnis und zahlloser Reformen des Chemiestu-
diums.
Dem präparativen Teil des Buches vorangestellt wurden die Allgemeinen Arbeits-
anweisungen. Der völlig neubearbeitete Hauptteil, der die Herstellung wichtiger orga-
nisch-chemischer Verbindungen an ausgesuchten Präparaten und Reaktionen be-
schreibt, wurde sehr viel übersichtlicher als bisher gegliedert und somit der Form
nach, nicht aber nach StU und Anlage, verändert.
Natürlich hat der Hauptteil des Buches, bedingt durch die in den letzten 20 Jahren
erfolgte Erweiterung des präparativen Arsenals an Umfang zugenommen. Das Kapitel
IX, Metallorganische Reaktionen, wurde neu eingefügt, es enthält neben den klassi-
schen Grignard-Reaktionen nun auch solche mit Lithium-organischen Verbindungen,
z. B. die Corey-Seebach- und die Stör k- Wittig-Metallierungen, die Willig- und die Hör-
ner-Reaktion, ferner die Hydroxymercurierung und eine Synthese über eine Kupfer-
organische Zwischenstufe. Wichtige Reaktionen, die außerdem neu aufgenommen
wurden, sind die Hydroborierung, die Bildung und Umsetzung von Enaminen, die
VI Vorwort

Michael-Addition, einige moderne Oxidationsverfahren, wie z.B. mit Pyridiniumchlor-


chromat, die Birch-Reduktion, die Hydrierung mit löslichem Katalysator.
Die Einarbeitung spektroskopischer Methoden haben wir aus Platzgründen zu-
nächst zurückgestellt und an den erforderlichen Stellen auf die vorhandene, kompeten-
te Literatur hingewiesen.
Jedem Kapitel ist eine Aufstellung wichtiger, zusammenfassender Übersichtsartikel
angefügt, die das vertiefte Studium der einzelnen Themenkreise erleichtern sollen.
Ein Praktikumsbuch kann kein Lehrbuch ersetzen, besonders heute, wo die Fülle
des Stoffs alle Maße sprengt. Dennoch haben wir versucht zu gewährleisten, daß der
Student seine Grundkenntnisse fürs Examen aus dem Gatt ermann-Wieland beziehen
kann. Das sprichwörtlich Kleingedruckte der alten Ausgaben hat dazu einem über-
sichtlicher geordneten Text Platz gemacht, in dem das Experimentelle wie früher mit
der zugrunde liegenden allgemeinen Theorie verknüpft wird. Die Versuche und Präpa-
rate illustrieren wie in einer Experiment al\ o riesung den Gang durch das Gebäude der
Organischen Chemie; so oft wie möglich wird der Blick auf einschlägige biochemische
Bezüge gelenkt. Entgegen dem Trend zu allzu großer Versachlichung haben wir zur
Belebung des Interesses und auch zur Stützung des Gedächtnisses viele Namen von
Chemikern erwähnt, manchmal auch dazugehörige Jahreszahlen.
An der Bearbeitung der neuen Auflage war zu Anfang auch Prof. Rolf Huisgen
beteiligt, dem wir Entwürfe für einen Teil der Kapitel und zahlreiche präparative
Ausarbeitungen verdanken. Herr Garsten Mayer hat sich durch intensive Arbeit im
Labor und am Schreibtisch besonders um die Allgemeinen Arbeitsanweisungen ver-
dient gemacht, weitere wertvolle Beiträge leisteten die Kollegen Walter Ried (Frank-
furt a. M.) und Franz A. Neugebauer (Heidelberg); Frau Annemarie Seeliger und Herr
Heinrich Trischmann haben im Heidelberger Institut zahlreiche Vorschriften geprüft
und ausgearbeitet. Ihnen allen sei auch hier herzlich gedankt. Mit einbezogen sei
auch der Verlag für seine unendliche Geduld und für die angenehme und vertrauens-
volle Zusammenarbeit.

Theodor Wieland
Wolfgang Sucrow
Vorwort VII

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Das vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis des
Verfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl von
Studierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oft
beim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunst-
griffe, deren es beim organischen Arbeiten so viele gibt, aufmerksam zu
machen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit des
Lehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann,
ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil voraus-
geschickt, welcher die Kristallisation, Destillation, das Trocknen, die
analytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung dieses
Teiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationen
der einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als viel-
mehr darauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß der
Anfänger auch in Abwesenheit des Assistenten dieselben danach selb-
ständig ausführen kann.
Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate all-
gemeine Betrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und die
allgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und den
Zweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischen
Arbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet,
welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, als
wenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches ge-
wonnen sind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben den
trefflichen Anleitungen von E.Fischer und Levy sich hier und da
einige Freunde erwerben möge.

Heidelberg, August 1894 L. G a t t e r m a n n

Vorwort zur 19. Auflage


Vor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig Gattermann die
erste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum dem
Druck übergeben. 'Das System, die präparativen Vorschriften mit theo-
retischen Erläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafür
spricht schon die große Verbreitung des Buches; es hat 18 Auflagen er-
lebt. — Die Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Haupt-
ziel des organischen Praktikums; als bloße Kochkunst und Laboranten-
fertigkeit ausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. Die Methodik beherrschen
heißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre viel-
faltigen Ausdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auch
hier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Prak-
tikant mit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretisch
vertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar soll
den Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zum
Gebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen
VIII Vorwort

anregen. Nachdem jetzt die Grundlagen der organischen Chemie beim


präparativen Arbeiten an den deutschen Hochschullaboratorien voraus-
gesetzt werden können, lag die Gefahr, ihn zur ,,Eselsbrücke" zu ge-
stalten, fern.
Mit Vorbedacht sind die Anforderungen nach der praktischen und
nach der theoretischen Seite in dieser Neubearbeitung gesteigert worden.
Was in den vergangenen dreißig Jahren an „Schulsack** genügte, das
ist jetzt zu knapp für den, der sich an der Bearbeitung der für Wissen-
schaft und Technik gleichermaßen zugespitzten und schwieriger ge-
wordenen Aufgaben beteiligen will.
Der Gedanke, das präparative Praktikum gleichzeitig zu einem Er-
fassen und Erleben der organischen Chemie werden zu lassen, hat die
Anordnung des Stoffs vom Gesichtspunkt des systematischen Zu-
sammenhangs aus gefordert. Man wird sehen, daß dem dadurch bedingten
Aufbau die präparative Anstiegslioie vom Leichteren zum Schwierigeren
kaum ernstlich zuwider verläuft. Und der Gewinn an abgerundeter Aus-
bildung, der zu erwarten steht, ist erheblich.
Der allgemeine Teil und ebenso der analytische sind vollkommen um-
gearbeitet worden unter starker Kürzung zugunsten der Präparate.
Durch ihre Vermehrung soll einige Abwechslung geboten und dem
schematischen Zug im organischen Praktikum entgegengewirkt werden.
Meinen Assistenten, vor allem den Herren Dr. Franz Bergel und
F. Gottwalt Fischer bin ich für ihre unermüdliche Mithilfe bei der
Ausführung zahlloser Versuche zu großem Dank verpflichtet. Herr
Fischer hat außerdem die in dieser Bearbeitung neuen Figuren ge-
zeichnet und das Register angefertigt.
Freiburg i. Br., Ostern 1925 Heinrich Wieland

Vorwort zur 34. Auflage


Für die vorliegende Ausgabe ist das Buch in allen Einzelheiten kritisch
und gründlich durchgesehen worden. Einige Präparate wurden weg-
gelassen und durch andere ersetzt; in manchen Fällen wurden die prä-
parativen Vorschriften verbessert. Neue Methoden, wie die der Papier-
chromatographie und der Polymerisation sind mit geeigneten Beispielen
aufgenommen.
Viel einschneidender sind die Änderungen, die den theoretischen Er-
läuterungen zuteil geworden sind. Obwohl ich nach wie vor an der Auf-
fassung festhalte, der ,,Gattermann" habe nicht die Aufgabe, dem Stu-
denten auch die theoretischen Kenntnisse der organischen Chemie lücken-
los zu vermitteln, habe ich mich doch entschlossen, entgegen meinem
früheren, im Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage (1940) ver-
tretenen Standpunkt, die moderne Elektrönentheorie der chemischen
Valenz wenigstens im Prinzip als Grundlage für die Erörterungen über
den Mechanismus der behandelten Reaktionen heranzuziehen. In einem
besonderen Kapitel (S. 377) versucht R. Huisgen die Hauptlinien
dieser Betrachtungsweise, wie mir scheint mit guten Erfolgsaussichten,
dem Benutzer des Buchs näherzubringen.
Vorwort DC

Selbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschau-


liche alte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bindestriche
beibehalten worden.
Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung des Buches
habe ich den Kollegen Prof. R. Huisgen, F. Lynen und Th. Wieland
wärmstens zu danken.

Starnberg, September 1952 Heinrich Wieland

Vorwort zur 37. Auflage


Einem Vorschlag von Heinrich Wie l and folgend hat mich der Ver-
lag gebeten, von nun an die weitere Bearbeitung des „Gattermann-Wie-
land" zu besorgen. Die jetzt vorliegende neue Auflage, die wieder in
kurzer Folge nötig geworden ist, trägt in ihrem Aufbau und Inhalt wei-
terhin das Charakteristische des Handbuchs an sich, wie es sich in 30
Jahren und 18 Auflagen nach seiner völligen Umgestaltung durch H.
Wieland entwickelt hat. Vor vier Jahren wurde dem Praktikum eine
Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und
in die Mesomerielehre aus der Feder R. Huisgen s angefügt und in den
theoretischen Erläuterungen der Versuche auf dieses Kapitel mehrfach
verwiesen. In der Zwischenzeit dürfte an den deutschen Hochschulen
die moderne Betrachtungsweise auch in den Anfängerunterricht soweit
eingedrungen sein, daß die prägnanten Begriffe der Heterolyse, Homo-
lyse, nucleophilen und elektrophilen Substitutionsreaktion und der Meso-
merie das Verwirrende verloren haben und das Verständnis der orga-
nischen Reaktionen zu erleichtern beginnen. Man konnte es daher nun
wagen, diese Sprache an zahlreichen Stellen des Textes einzuführen, ohne
jedoch auf den theoretischen Anhang zu verzichten, dessen wiederholte
Lektüre dem Praktikanten eindringlich empfohlen sei. Herrn Kollegen
R. Huisgen habe ich für seine Unterstützung bei der Neubearbeitung
herzlich zu danken.

Frankfurt a. M., Frühjahr 1956 Theodor Wieland

Vorwort zur 39. Auflage


Für die neue Auflage sind einige Vorschläge für kleinere Verbesse-
rungen herangetragen worden. Nicht unwesentlich erscheint mir ein von
Herrn Kollegen A. Rieche gegebener Hinweis auf die Explosionsgefähr-
lichkeit heißer Lösungen von Dibenzoylperoxyd. Ihm folgend wird
zur Reinigung der Substanz jetzt nur noch die Umfallung aus Chloro-
form mit Methanol herangezogen (S. 115). Sonst hat sich gegenüber
der letzten Auflage nicht viel geändert; die Theorie ist in einigen Punk-
ten an don neuesten Stand herangeführt, bei den Kohlehydraten sind
sterisch eindeutige Formeln eingesetzt worden.
Frankfurt a. M., Frühjahr 1959 Theodor W i e l a n d
Vorwort

Vorwort zur 40. Auflage


Der Aufmerksamkeit einiger kritischer Leser sind verschiedene Druck-
und Sachfehler nicht entgangen, die sich bis in die letzte Auflage durch-
geschleppt haben und jetzt, neben wenigen veralteten Stellen, korrigiert
werden konnten. Ihnen sei auch an dieser Stelle vielmals gedankt. Im
Stoff hat sich gegenüber der letzten Auflage nichts geändert.
Frankfurt a. M., Januar 1961 Theodor Wieland
Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Arbeitsanweisungen
Glas im Laboratorium; offene Reaktionsgefaße l
Hinweise zur Glasbearbeitung l
Offene Reaktionsgefäße 2
Einfachste geschlossene Reaktionsgefaße 3
Verbindung der Apparaturteile 3
Schliff-Rundkolben 5
Rückflußkühler 6
Befestigung der Apparaturen am Stativ 8
Erhitzen 9
Heizquellen 9
Heizbäder 11
Thermostaten 13
Kühlen 15
Homogenisieren 17
Lösen 17
Zerkleinern 18
Rühren 18
Magnetrühren 19
Vibrieren 20
Schütteln 20
Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen. 21
Tropftrichter 22
Gasapparaturen (Gasstahlflaschen) 23
Zugabe fester Stoffe 27
Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefaßen 27
Einschmelzrohre >. 27
Autoklaven 28
Erzeugung und Messung von Unterdruck 30
Wasserstrahlpumpen-Anlagen 30
Hochvakuumpumpen-Anlagen 32
Umgang mit Quecksilber 35
Destillation 35
Destillation bei Atmosphärendruck 35
Destillation bei vermindertem Druck 39
Destillation kleiner Mengen 45
Kolonnendestillation 46
Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs (Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation) 51
Sublimation und Gefriertrocknung 57
Sublimation 57
XII Inhaltsverzeichnis

Gefriertrocknung 58
Extraktion und Aussalzen 59
Extraktion von Feststoffen 59
Ausschütteln 61
Perforation 64
Multiplikative Verteilung (nach Craig) 65
Dialyse 67
Aussalzen 68
Reinigung durch Kristallisation 68
Auskristallisieren 69
Filtrieren, Absaugen und Zentrifugieren 70
Umkristallisieren 74
Umfallen 76
Entfarben und Klären von Lösungen 77
Zonenschmelzen 78

Chromatographie 78
Adsorptionschromatographie 79
Verteilungschromatographie 82
lonenaustauschchromatographie 83
Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie) 85
Säulenchromatographie 86
Dünnschichtchromatographie 91
Papierchromatographie 96
Gaschromatographie 98
Flüssigchromatographie 101
Hochspannungs-Papierelektrophorese 102
Trocknen 104
Trocknen von Feststoffen 104
Trocknen von Flüssigkeiten 106
Trocknen von Gasen 107
Trockenmittel 107
Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten Lösungsmittel 110
Bestimmung des Schmelzpunkts : 117
Bestimmung des Siedepunkts 120
Bestimmung des Brechungsindexes (Refraktometrie) 122
Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie) 123
Qualitative chemische Elementaranalyse 124
Nachweis von Kohlenstoff und Wasserstoff 124
Natriumaufschluß 124
Nachweis von Stickstoff nach Lassaigne 125
Nachweis von Schwefel 126
Nachweis von Halogen 126
Nachweis anderer Elemente 127
Abfassen des Arbeitsprotokolls 127
Organisch-chemische Fachliteratur 128
Inhaltsverzeichnis XIII

Erste Laborausrüstung 130


Sicherheit im chemischen Labor 133
Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen 133
Sicherheit vor Bränden 134
Sicherheit vor Implosionen und Explosionen 135
Sicherheit im Umgang mit Apparaturen 135
Sicherheit im Umgang mit Chemikalien 136
Erste Hilfe 137

Kapitel I. Aliphatische Substitution


Die kovalente Bindung 141
Aliphatische Halogenide 142
Nitrile und Ether 150
Amine, Thiole, Onium- und Nitroverbindungen 156
Mechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoffatom 166
Radikalische Substitution 173
Weiterführende Literatur zu Kapitel I 178

Kapitel IL Eliminierung und Addition


Eliminierungsreaktionen, Bildung der Alkene 183
Additionsreaktionen 190
Allgemeines 190
Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien 196
Allylbromierung. 196
Cycloadditionen 198
Zur Photochemie der Alkene 208
Polymerisation der Alkene 208
Terpene 213
Alkine 215
Weiterführende Literatur zu Kapitel II 218

Kapitel III. Aromatische Substitution, I


Der aromatische Zustand 223
Halogenierung der Aromaten 227
Nitrierung und Nitrosierung 234
Sulfonierung 244
Weiterführende Literatur zu Kapitel III 255

Kapitel IV. Aromatische Substitution, II


Acylierung und Alkylierung nach Friedel-Crafts und ähnliche Reaktionen 259
Biologische Oxidation von aromatischen Verbindungen 275
Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen 276
Die Hammett-Beziehung 283
Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 286
XIV Inhaltsverzeichnis

Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe


Säure-Base-Begriff 291
Carbonsäuren 293
Carbonsäureester 296
Veresterung 296
Andere Methoden zur Herstellung von Estern 298
Esterhydrolyse (Verseifung) und Umesterung 299
Carbonsäurechloride und Säureanhydride 303
Carbonsäureamide 312
Allgemeines 312
Aminosäuren 315
Peptidsynthese 317
Peptide und Proteine 318
Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen 321
Nitrile 324
Cyanat-Isocyanat 327
Ketone aus Carbonsäuren 331
Weiterführende Literatur zu Kapitel V 332

Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I


Einige einfache Additionen an die Carbonylgruppe 337
Einwirkung von Aminen auf Carbonylverbindungen 343
Semicarbazone, Hydrazone, Oxime 347
Mannich-Reaktion 353
Strecker-Synthese 354
Leuckart-Reaktion 356
Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 358
Aldolverknüpfung 361
Weiterführende Literatur zu Kapitel VI 366

Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II


Einige aldolartige Kondensationen 371
Acyloine 379
Photoreaktion von Ketonen 385
Pinakolumlagerungen 386
Kohlenhydrate 386
Eigenschaften der Zucker 386
Mutarotation 389
Reaktivität der glykosidischen Hydroxylgruppe 390
Disaccharide, Polysaccharide 392
Weiterführende Literatur zu Kapitel VII 397

Kapitel VIU. Synthesen mit Estern


Die Esterkondensation 401
Herstellung von /?-Dicarbonylverbindungen 401
über Keto-Enol-Tautomerie 409
Inhaltsverzeichnis XV

Synthesen mit Acetessigester und Malonestern 413


Michael-Addition 423
Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII 426

Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen


Grignard-Verbindungen 431
Zink- und Cadmium-organische Verbindungen 440
Lithium-organische Verbindungen 442
Dianionen 449
Kupfer-organische Verbindungen 451
Aluminium- und Quecksilber-organische Verbindungen 453
Wittig-Reaktion 455
Weiterführende Literatur zu Kapitel IX 461

Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung


Oxidation mit Luftsauerstoff 468
Oxidation mit sauerstoffreichen anorganischen Verbindungen 478
Oxidation mit Hydrogenperoxid 491
Oxidation mit Selendioxid 498
Oxidation mit Ozon 500
Weiterführende Literatur zu Kapitel X 504

Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung


Reduktion mit Metallen 510
Amalgam-, Clemmensen- und Birch-Reduktion 510
Reduktion der Nitrogruppe 516
Phenylisothiocyanat und Thiole 527
Reduktion mit Ainmoniumsulfid 531
Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley 533
Reduktion mit komplexen Metallhydriden 535
Hydroborierung 541
Reduktion nach Wolff-Kishner 544
Katalytische Hydrierung 546
Heterogene katalytische Hydrierung 547
Homogene katalytische Hydrierung 548
Substitution durch katalytisch aktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) 549
Die Hydriereinrichtung 549
Weiterführende Literatur zu Kapitel XI 558

Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe und Radikale
Chinone 563
Herstellung der Chinone 563
Reaktionen der Chinone 568
Redoxverhalten 568
XVI Inhaltsverzeichnis

Reaktionen der chinoiden Doppelbindungen 569


Chinoide Farbstoffe 575
Triphenylmethanfarbstoffe 580
Basische Triphenylmethanfarbstoffe 580
Saure Triphenylmethanfarbstoffe 583
Organische Radikale 587
Weiterführende Literatur zu KapitelXII 596

Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen


Aromatische Reihe 600
Herstellung von Diazoniumsalzen 600
Reaktionsfähigkeit der Diazoniumsalze 600
Elektrophile Reaktionen des Diazoniumions 601
Azofarbstoffe 601
Kupplung mit einfachen Anionen 610
Reaktionen unter Stickstoffabgabe 613
Reduktion des Diazoniumions 620
Aliphatische Reihe 624
Bildung der Diazoalkane 624
Reaktionen des Diazomethans 628
Herstellung des Diazoessigesters 634
Einige Reaktionen des Diazoessigesters 637
Weiterführende Literatur zu Kapitel XIII 639

Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring
Weiterführende Literatur zu Kapitel XIV 663

Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 6-gliedrigen und mehreren Ringen
Systeme mit einem heterocyclischen Sechsring 667
Systeme mit mehreren heterocyclischen Ringen 689
Weiterführende Literatur zu Kapitel XV 695

Kapitel XVI. Qualitative Analyse


Trennen eines Stoffgemisches 697
Literatur zu Trennproblemen 699
Erkennen von funktioneilen Gruppen 701
Literatur zu spektroskopischen Methoden 701
Charakterisierung organischer Verbindungen durch Derivat-Bildung
Kohlenwasserstoffe 702
Alkohole 703
Aldehyde und Ketone 705
Carbonsäuren 706
Carbonsäureester 707
Inhaltsverzeichnis XVII

Lactone 708
Phenole 708
Ether 709
Amine 710
Aminosäuren 711
Carbonsäureamide 712
Nitrile 712
Sulfonsäuren 712
Nitroverbindungen 713
Halogenverbindungen 713
Weiterführende Literatur zu KapitelXVI 715

Anhang 716
Mixotrope Reihe der Lösungsmittel 716
Siedepunkt unter vermindertem Druck 716
Konzentration handelsüblicher Säuren 717
Dichte von Ammoniaklösungen 718
Herstellung von Mischungen bestimmter Konzentration 718
Phosphatpuffer nach Sörensen '. 718
Säure-Base-Indikatoren 719
Häufig gebrauchte Atommassen 719
Liste der gebräuchlichsten Abkürzungen 721
Sach- und Namenregister 723
Autoren der Übersichtsartikel 757
Allgemeine Arbeitsanweisungen

Glas im Laboratorium; offene Reaktionsgefäße


Als Material für Gefäße und Apparaturen im chemischen Labor ist Glas am weitesten
verbreitet. Es ist durchsichtig, vielseitig verformbar, resistent gegen fast alle Chemi-
kalien, porenfrei und relativ temperaturbeständig. Sein Nachteil liegt in der geringen
Bruchfestigkeit gegen Stöße oder starke Temperaturschwankungen.
Der Gefahr des Zerspringens bei örtlichen Temperaturdifferenzen begegnet man
dadurch, daß man alle Geräte, die erwärmt werden sollen, dünnwandig herstellt und
außerdem Glassorten verwendet, die einen geringen thermischen Ausdehnungs-
koeffizienten haben und zudem noch besonders widerstandsfähig gegen Chemikalien
sind. Solche Gläser, die sich unter anderem durch einen relativ hohen Borsäurege-
halt auszeichnen, sind zum Beispiel „Geräteglas 20" (hohe chemische Resistenz),
„Duranglas" (noch größere Temperaturwechselbeständigkeit) und „Supremaxglas"1
(für höhere Temperaturen) oder „Pyrexglas"2 (dem Duranglas ähnlich).
Aus Sicherheitsgründen sollten im chemischen Labor zumindest alle dünnwandi-
gen, also erhitzbaren Glasgeräte aus derartigen Spezialgläsern bestehen. Auch bei
diesen ist Sorgfalt geboten; plötzliches Abkühlen, das Zugspannungen verursacht,
ist gefährlicher als zu rasches Erwärmen, das zu Druckspannungen führt. Chemisch
wird das Glas besonders von heißen konzentrierten Laugen angegriffen.
Einige spezielle Apparaturteile bestehen aus reinem Quarz, der gegenüber anderen
Gläsern die Eigenschaften hat, UV-Licht besser durchzulassen, höhere Temperaturen
und sehr starke Temperaturwechsel auszuhalten. Quarzgeräte sind (wegen der hohen
Verarbeitungskosten) sehr teuer. Man beachte, daß Quarz viel leichter bricht als Glas
und von Alkalilaugen noch stärker angegriffen wird!

Hinweise zur Glasbearbeitung


Die meisten Arbeiten am Glas wird der Chemiker dem gelernten Glasbläser über-
lassen, einige wenige einfachere muß er jedoch an Ort und Stelle im Labor selbst aus-
führen können. Dazu gehört vor allem das Durchtrennen, das Ausziehen und das
Biegen dünnerer Glasrohre und -Stäbe.
Durchtrennen lassen sich Rohre und Stäbe bis zu etwa 8 mm Durchmesser in fol-
gender Weise: Man ritzt das Glas mit einem speziellen Glasschneider oder einer
billigeren Ampullenfeile durch einmaliges Kratzen auf ein Viertel bis ein Drittel
seines Umfangs an, befeuchtet diese Stelle mit Wasser, faßt das Glas so, daß beide
Daumen rechts und links unterhalb des Risses liegen, und bricht dann, indem man
1
Firma Schott & Gen.
2
Firma Corning Glass Works.
2 Allgemeine Arbeitsanweisungen

so tut, als wollte man durch Ziehen und ganz leichtes Biegen den eingeritzten Spalt
verbreitern.
Rohre, deren Durchmesser größer als etwa 8 mm ist, müssen rundherum angeritzt
werden. Sehr dicke Rohre, die sich nicht mehr brechen lassen, muß man sprengen.
Man erhitzt dazu das Ende eines dünnen Glasstabs zur Rotglut und drückt es auf
einen Punkt des eingeritzten Rings, bis das Glas ein Stück eingesprungen ist, und
wiederholt diesen Vorgang jeweils kurz hinter dem Ende des Sprungs.
Zur Verformung erweicht man das Glas mit einem Teklubrenner (oder besser mit
einem Gebläse). Damit es dabei nicht springt, muß man langsam in der leuchtenden
Flamme anheizen. Im allgemeinen kann man die Luftzufuhr des Brenners öffnen,
wenn die Flamme sich (durch das Natrium des Glases) gelb gefärbt hat. Es ist prak-
tisch, den Brenner durch Unterlegen von Klötzen möglichst schräg, mit der Mündung
vom Körper weg, aufzustellen.
Um Hände, Gummischläuche und Stopfen vor Verletzungen zu schützen, sollten
die scharfen Bruchränder der Glasrohre und -stäbe rund geschmolzen werden. Man
dreht sie dazu (am besten möglichst senkrecht) so lange in der Flamme, bis die Kan-
ten etwas zusammengeflossen sind.
Für das Ausziehen der Glasrohre zu Spitzen und das Biegen von Winkeln ist es
besonders wichtig, die betreffenden Stellen rundherum gleichmäßig zu erwärmen.
Man erreicht das, indem man das Rohr, ohne es zu verkanten oder zu verdrillen, mit
beiden Händen dauernd dreht.
Das fachgerechte Biegen von Glasrohren erfordert Glasblasen und dieses wieder-
um Erhitzen mit einem Gebläse. Um ohne diese Hilfsmittel provisorisch Winkel ohne
verengte Knickstelle herzustellen, erwärmt man eine breitere Zone des Rohrs und
biegt diese — eventuell stufenweise - zu einem größeren Bogen.
Zum Ausziehen von Spitzen hält man das genügend erhitzte Glasrohr außerhalb
der Flamme senkrecht, zieht es bis zur gewünschten Verjüngung auseinander und
schneidet es nach dem Erkalten an der Verengung durch. Die so gewonnene Spitze
ist natürlich dünnwandiger und bricht leicht ab. Gleiche Wandstärke erreicht man,
indem man das Rohr vorher - immer unter Drehen - etwas länger erhitzt und dabei
leicht staucht, so daß sich eine Innenwulst bildet. - Das Ausziehen zu feinen Kapillaren
ist auf S. 41 beschrieben.
Nach der Bearbeitung ist das erwärmte Glas in der Flamme Schritt für Schritt
langsam wieder abzukühlen. Läßt man zu rasch erkalten, bleiben starke Spannungen
im Material zurück.
Das bei tieferen Temperaturen erweichende „Thüringer Normalglas" läßt sich er-
heblich leichter verarbeiten als die thermoresistenten Spezialgläser.

Offene Reaktionsgefäße

Das einfachste, älteste und unentbehrlichste Reaktionsgefaß ist das Reagenzglas. An


jedem Laborplatz sollten mindestens zehn größere (160 x 16 mm) und zehn kleinere
Reaktionsgefäße 3

(ca. 100 x 11 mm) saubere, trockene Reagenzgläser für schnelle Handversuche griff-
bereit sein. Bei der Benutzung halte man Reagenzgläser immer so, daß eventuell her-
ausspritzende Chemikalien weder den Körper des Nachbarn noch den eigenen treffen
können!
Für größere Volumina verwendet man den Erlenmeyerkolben oder das Becherglas.
Ein sehr brauchbares Mittelding aus beiden ist der Weithals-Erlenmeyerkolben.
Standkolben (Rundkolben mit flachem Boden) sind weniger praktisch und fast immer
zu entbehren. Für Arbeiten im Litermaßstab benutzt man zuweilen besser dick-
wandigere Weithals-Rundkolben oder Stutzen. Beide sollen ebenfalls aus thermo-
resistentem Glas bestehen, aber trotzdem nur mit Vorsicht (im Wasserbad) erwärmt
werden. Gegossene Stutzen aus Normalglas dürfen nicht erhitzt oder mit warmem
Wasser gespült werden.
Als flache offene Gefäße werden vorwiegend Abdampfschalen verschiedener Größe
aus Porzellan verwendet. Man darf in ihnen auch feste Substanzen direkt über der
freien Bunsenbrennerflamme erhitzen. Porzellankasserollen sind etwas höher und
haben einen Griff. Uhr g läser dienen für Versuche im Kleinmaßstab; häufiger zum
Abdecken anderer Gefäße. - Es erleichtert die Arbeiten sehr, wenn man auf diesen
flachen Gefäßen von vornherein die Tara vermerkt.

Einfachste geschlossene Reaktionsgefäße

In der organischen Chemie führt man die meisten Umsetzungen in sogenannten „ge-
schlossenen" Apparaturen aus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die später noch
beschrieben werden, dürfen diese Apparaturen natürlich nie völlig abgeschlossen
sein! - Im einfachsten Fall besteht die geschlossene Apparatur aus einem Rund-
kolben mit aufgesetztem Rückflußkühler; Abbildung 4a-f (S. 7).

Verbindung der Apparaturteile

Alle Apparaturen werden aus einzelnen Bauelementen zusammengesetzt, wobei in-


einandersteckbare Schliffe, durchbohrte Kork- beziehungsweise Gummistopfen oder
Schläuche die Verbindungen herstellen.
Heute benutzt man dort, wo es möglich ist, fast nur noch Kegelschliff-Verbindungen,
bei denen ein „Kern"-Stück in ein entsprechendes „Hülsen"-Stück geschoben wird;
Abbild Ia-c. Im Handel sind alle gebräuchlichen Apparaturteilstücke mit verschie-
den großen, genormten Schliffansätzen erhältlich. Man beschränke sich im Prakti-
kum auf die Größen NS 29 für normale und NS 14,5 für kleine Apparaturen. (Die
Normzahlen geben den größten Durchmesser des Schliffs in Millimetern an.) Über-
gangsstücke NS 29-NS 14,5 erhöhen die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten; Ab-
bildung l g, h. - Vor dem Zusammenstecken ist der Kernschliff sparsam mit einem
4 Allgemeine Arbeitsanweisungen

a d

f
Abb. l a) Kern; b) Hülse; c) Kegelschliffverbindung NS 29; d) Kugel; e) Schale; O Kugelschliffverbin-
dung KS 35; g), h) Übergangsstücke NS 29-NS 14,5

geeigneten Schmiermittel - wie zum Beispiel Vaseline oder Silicon — einzureihen. Eine
gute Schliffverbindung soll klar durchsichtig und vakuumdicht sein. Durch kleine
Zugfedern, die, wie Abbildung Ic zeigt, in angeschmolzene Glashäkchen beziehungs-
weise an Metallmanschetten gehängt werden, oder durch geeignete Drahtbügel, wie
auf Abbildung 33, lassen sich die Verbindungsstellen gegebenenfalls zusammenhal-
ten. - Wenn die Apparaturen erwärmt oder stark abgekühlt werden sollen, müssen
Kern und Hülse aus Glassorten mit möglichst gleichen Ausdehnungskoeffizienten
bestehen! Längere Einwirkung von Alkalien, Wasserdampf oder Phosphorsäure
bringt die Schliffflächen zum Quellen, so daß sie miteinander verbacken.
Festsitzende Schliffe lockert man, indem man sie kräftig auseinanderzieht und dabei
vorsichtig ruckweise zu kanten versucht (nicht drehen) oder sie mit einem Holzstab
klopft oder sie im Heizschrank auf 100 bis 15O0C erwärmt oder schließlich die Hülse
in einer halbleuchtenden Bunsenbrennerflamme rasch unter Drehen erhitzt, so daß
sie sich stärker ausdehnt als der Kern. Speziell bei Gefäßen mit brennbarem Inhalt
legt man ein Stück Schnur als Schlaufe um die Hülse und zieht zur Erzeugung von
Reibungswärme an den Enden heftig hin und her.
Vielfach nützt ein Herauslösen der kittenden Chemikalienreste durch Einsickern-
lassen eines geeigneten Lösungsmittels. (Bewährt hat sich eine Gemisch aus gleichen
Teilen Ether, Alkohol und Milchsäure.)
Festgebackene massive (!) Glasstopfen von Chemikalienflaschen löst man, indem
man die Flasche zur Sicherheit in einen Emaillekochtopf stellt, am Stopfen ein wenig
anhebt und mit einem Metallstab (Stativklemme) vorsichtig von der Seite rund her-
um an den Stopfen schlägt.
Kegelschliffverbindungen sind völlig starr, was bei Apparaturen stört, die aus sehr
vielen Bauelementen zusammengesetzt sind. Wie Kugelgelenke drehbar sind da-
gegen die - allerdings teueren - Kugelschliffe', Abbildung Id-f. Sie müssen, wie Ab-
bildung If zeigt, durch gabelförmig übergreifende Klammern zusammengehalten
werden. Auch sie sind vakuumdicht.
Kork- und Gummistopfen-Verbindungen sind trotz vieler Vorzüge der Normschliffe
keinesfalls ganz zu entbehren. Gummi wird vor allem von aromatischen Kohlen-
wasserstoffen aufgequollen und zersetzt. Kork ist beständiger, läßt sich jedoch nur
schwer abdichten.
Schliffkolben 5

Korkstopfen lassen sich mit Korkbohrern - das sind kurze Metallrohre mit ge-
schärftem Rand - folgendermaßen durchbohren: Man stellt den Stopfen mit der
größeren Fläche auf eine dickere Pappunterlage und drückt den mit Glycerin ge-
schmierten Korkbohrer unter dauerndem Hin- und Herdrehen durch ihn hindurch. -
Gummistopfen kann man schon gelocht kaufen. Will man sie nachträglich gerade und
glatt durchbohren, muß man den Korkbohrer in eine feststehende Bohrmaschine
einspannen.

Schliff-Rundkolben

Die in zusammengesetzten Apparaturen benutzten größeren Schliffkolben (NS 29)


sind üblicherweise kugelrund; Abbildung 2a. Als kleinere Schliffkolben haben sich
daneben Spitzkolben besonders bewährt, da sich in ihnen kleinste Flüssigkeitsrück-
stände auf engem Raum sammeln; Abbildung 2e. Sollen mehrere Schliffaufsätze
direkt mit einem Kolben verbunden werden, verwendet man Zweihals- oder Dreihals-
kolben. Bei den Typen b und c der Abbildung 2 mit parallelen Hälsen läßt sich die
Apparatur leichter am Stativ befestigen; in die schräg angesetzten Hälse des Typs d
kann man gerade Schliffeinsätze tief in den Kolben einführen. Die Tuben kleiner
Dreihalskolben sollen nicht parallel stehen, weil sonst der Platz für die aufzusetzen-
den Zusatzgeräte zu eng wird. Einen größeren speziellen Vierhalskolben, den soge-
nannten Nitrierkolben (Sulfierkolben), zeigt Abbildung 18 (S. 24). - Standfest werden
Rund- und Spitzkolben durch Einstellen in Korkringe (deren nicht abgeschrägte
Unterseite meist besseren Halt gibt). - Man mache es sich zur Gewohnheit, bei jedem
neuen Kolben sofort die Tara mit einem Bleistift auf dem geätzten Feld zu vermerken.
(Nicht einkratzen!)

IUUl

Abb. 2 a-c) l-Liter-Rundkolben mit NS 29; d) 500-ml-Rundkolben mit NS 29 und NS 14,5; e) 100-ml-
Spitzkolben mit NS 14,5

Jeder Kolbenhals läßt sich durch Aufstecken eines Verzweigungsstücks verdop-


peln. Den hierfür geschaffenen Anschützaufsatz gibt es mit senkrechtem oder auch
schrägem zweiten Tubus; Abbildung 3a-b. (Beim Typ a soll der Abstand zwischen
den beiden übereinanderliegenden Schliffen möglichst klein sein und der Zwischen-
raum innerhalb der beiden oberen Schliffe etwa 3 cm betragen!) Diese Aufsätze er-
6 Allgemeine Arbeitsanweisungen

übrigen die Anschaffung vieler teurer Mehrhalskolben verschiedener Größe. Auf-


sätze mit drei Abzweigungen sind kaum im Gebrauch; Abbildung 3c.

a b c
Abb. 3 a, b) Anschützaufsatz NS 29; c) Dreifachaufsatz

Rückflußkühler

Die einfachste geschlossene Reaktionsapparatur besteht aus einem Kolben mit Rück-
flußkühler. Im Kühler kondensiert sich die verdampfte Flüssigkeit und fließt dann
wieder in den Kolben zurück.
Abbildung 4 zeigt eine Auswahl von Rückflußkühlern für verschiedene Verwen-
dungszwecke. Der einfachste Typ ist das Steigrohr (a in Abbildung 4), bei dem nur die
umgebende Luft als Kühlmittel dient. Besser führt der Liebigkühler (b) mit wasser-
durchströmtem Mantel die Wärme ab. Beim Kugelkühler (c) ist das Innenrohr zu-
sätzlich durch Ausbuchtungen vergrößert. Noch effektvoller arbeiten der Schlangen-
kühler (d) mit spiralförmigem Innenrohr und der Dimrothkühler (e) mit eingesetzter,
wasserdurchströmter Glaswendel. Am wirksamsten ist der - allerdings recht teure
und sehr schwere - Intensivkühler (f); hier findet sich das Prinzip des Liebigkühlers
mit dem des Dimrothkühlers kombiniert.
Die Wahl des Rückflußkühlers richtet sich nach folgenden Gesichtspunkten: Für
Flüssigkeiten, deren Siedepunkt oberhalb 14O0C liegt, ist das Steigrohr zu benutzen.
Ein wassergespeister Kühler könnte bei noch höherer Temperaturdifferenz springen;
ein Mantelkühler ohne Kühlwasser ist ebenfalls ungeeignet. Im Siedebereich zwischen
35 und 140 0C nimmt man den Dimrothkühler oder eventuell den Kugelkühler. Dabei
läßt man zur Schonung des Glases zwischen 100 und 14O0C das Kühlwasser ent-
sprechend langsam fließen oder schließlich stagnieren. Unterhalb etwa 350C sie-
dende sowie bei stark exothermen Reaktionen oder in einem aufsteigenden Gasstrom
(siehe ,Arbeiten unter Schutzgas"; S. 23) kochende Flüssigkeiten kann man nur im
Intensivkühler vollständig kondensieren. Eine Verstärkung der Kühlung erreicht
man dadurch, daß man den Zuleitungsschlauch nicht mit der Wasserleitung verbindet,
sondern in einen Eimer mit Eiswasser eintaucht und am Ableitungsschlauch ganz
langsam mit der Wasserstrahlpumpe saugt. Da sich im engen Schlangenkühler das
zurückfließende Kondensat leicht staut, darf dieser nur für Reaktionsansätze benutzt
werden, die keinesfalls bis zum Sieden kommen. Der Liebigkühler ist als Rückfluß-
kühler nur ein Notbehelf. Die beiden letzten sind an sich für absteigende Destillation
Rückflußkühler

a b c d e f

Abb. 4 1-Liter-Kolben mit a) Steigrohr (natürliche Länge etwa l Meter); b) Liebig-Kühler (natürliche
Länge mindestens 40 cm); c) Kugelkühler; d) Schlangenkühler; e) Dimrothkühler; f) Intensivkühler und
Trockenrohr

konstruiert - Gegenüber dem Dimrothkühler haben alle anderen Typen den Nach-
teil, daß sich auf ihren Mänteln außen die Luftfeuchtigkeit stark niederschlägt und
das Kondenswasser in den Schliff beziehungsweise das Öl- oder Metallbad fließt.
Die Kühlwasser-Schlauchverbindungen sind mit Sorgfalt herzustellen. Ein Ab-
springen kann nicht nur Wasserschäden, sondern auch - wegen des Ausfalls der
Kühlung - Brände und Explosionen verursachen! Damit sich die Schläuche leichter
auf die Anschlußrohre der Apparatur („Oliven") und Wasserleitung schieben lassen,
befeuchte man sie innen mit Wasser. (Kein Gleitmittel verwenden!) Die Wasserab-
leitungen sollen - zweckmäßig mit einem Stück Glasrohr beschwert - tief in das Aus-
gußloch gesteckt werden. Schlauchanschlüsse, die unbeaufsichtigt (zum Beispiel über
Nacht) in Betrieb sind, müssen durch Schlauchschellen gesichert sein. Man verwende
niemals alte, schon brüchige Gummischläuche und achte speziell darauf, daß die
Enden nicht eingerissen sind. Nach längerer Zeit festklebende Schlauchanschlüsse
sollte man lieber mit einer Rasierklinge wegschneiden, statt durch zu kräftiges Ziehen
die Glasoliven zu gefährden.-Kunststoffschläuche (zum Beispiel aus Polyvinylchlorid)
sind gut für fest montierte Apparaturen geeignet. Sonst sind sie zu starr. Um sie über
Rohranschlüsse schieben zu können, taucht man ihre Enden einige Zeit in kochen-
des Wasser.
Muß die Luftfeuchtigkeit vom Reaktionsgut ferngehalten werden, setzt man ein
8 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Trockenrohr (Calciumchloridrohr) auf den Kühler. Es ist, wie Abbildung 4f erkennen


läßt, mit gekörntem Trockenmittel (meist Calciumchlorid; siehe S. 107), das auf bei-
den Seiten durch etwas Glaswolle gehalten wird, gefüllt und mit einem durchbohrten
Gummistopfen verschlossen. Vor jeder Benutzung überzeuge man sich von der
Durchlässigkeit des Trockenrohrs, indem man hindurchbläst. Verklebte Trockenrohre
bedeuten Unfallgefahr! - Calciumchloridrohre mit Schliff-, Gummistopfen- oder
Schlauchverbindungen werden auch an anderen Stellen häufig als Feuchtigkeits-
filter gebraucht. Füllt man sie mit Natronkalk, halten sie Kohlendioxid zurück.

Befestigung der Apparaturen am Stativ


Zur Halterung der Glasapparatur dienen Stative, an denen mit Hilfe von Muffen ge-
eignete Klemmen und Ringe befestigt werden, die ihrerseits die Apparaturen tragen.
Die Zeit, die man für den sorgfaltigen Aufbau der Apparatur verwendet, ist nie ver-
geudet; Improvisation ist hier gefährlich und teuer! Am besten geht man so vor:
Zuerst befestigt man den Arbeitskolben mit einer passenden Klemme und einer
Muffe in der richtigen Höhe am Stativ (so daß - nach den entsprechenden Erforder-
nissen - zum Beispiel ein Heiz- oder Kühlbad darunter paßt). Dabei schließt man die
Klemme vorsichtig so weit, daß der Kolben gerade nicht mehr gedreht werden kann.
Dann steckt man den Aufsatz, beispielsweise einen Rückflußkühler, auf; er soll genau
lotrecht stehen. Nun klammert man eine zweite Klemme etwas lockerer als die erste
an das obere Drittel des Kühlers, bringt die zweite dazugehörige Kreuzmuffe in die
richtige Lage, zieht deren zum Stativ führende Schraube bis auf etwa einen Milli-
meter Spielraum an, dreht erst die Schraube zur Klemme und schließlich die zum
Stativ ganz fest. Auf diese Weise vermeidet man ein Verkanten, das zu Spannungen
des Glases führt. Hat die Apparatur mehrere Aufsätze, geht man Schritt für Schritt in
derselben Weise weiter vor. Rundbackenklemmen sind - wenn sie gut passen! - den
Flachbackenklemmen vorzuziehen; Abbildung 5a, b. Bei beiden muß die Innenseite
der Backen mit Kork belegt sein. Gefäße und Rohre, deren Durchmesser größer als
etwa 8 cm ist (zum Beispiel Bechergläser), spannt man in der Bandklemme mit einem
Lederriemen (Abbildung 5c) beziehungsweise mit einer Kette fest. (Die Kette soll zur
Schonung des Glases mit einem aufgeschnittenen Gummischlauch überzogen werden.)

a b
Abb. 5 a) Flachbackenklemme; b) Rund backenklemme; c) Bandklemme
Heizquellen 9

Stativringe dienen ebenso wie Dreifüße als Stützen für Heiz- und Kühlbäder oder —
zusammen mit dem Asbestdrahtnetz - zum Erhitzen von Bechergläsern oder Erlen-
meyerkolben.

Erhitzen

Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten wachsen exponentiell mit steigender Tem-


peratur (Arrhenius-G\eichung). Man erhöht die Reaktionstemperatur meist in der
Weise, daß man die Lösungen der Ausgangsstoffe in der geschlossenen Apparatur
„unter Rückfluß" kocht. Dies ermöglicht sowohl das Konstanthalten der Reaktions-
temperatur als auch eine gefahrlose Ableitung der Reaktionswärme.
Flüssigkeiten neigen dazu, sich beim Erwärmen über ihren Siedepunkt aufzuheizen
und dann plötzlich mit großer Heftigkeit aufzuwallen, zu „stoßen": Sie schießen aus
dem Gefäß oder sprengen unter Umständen die Glasapparatur. Man kann diesen
Siedeverzug - eine ernste Gefahrenquelle und häufige Brandursache - weitgehend aus-
schalten, indem man vor jedem Erhitzen zwei, drei ,JSiedesteinchen" (kleine poröse
Bimsstein- oder Tontellerstückchen) in die Flüssigkeit wirft. Nach Unterbrechung
des Siedens ist meist erneute Zugabe nötig. Auf keinen Fall darf man Siedesteinchen
zu schon überhitzten Flüssigkeiten geben! - Zur weiteren Vorsicht sollen Siede-
kolben im allgemeinen höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden! - Flüssigkeiten,
die besonders stark zum Siedeverzug neigen, wie zum Beispiel Zweiphasensysteme
oder stark alkalische Lösungen, müssen außerdem kräftig gerührt werden. Ungleich-
mäßiges Heizen begünstigt das Stoßen.
Reagenzgläser dürfen höchstens zu einem Viertel gefüllt sein und müssen schräg
geneigt über einer kleinen Flamme dauernd geschüttelt werden. Das Stoßen verhin-
dert man hier in der Weise, daß man zunächst nur den oberen Teil der Flüssigkeit
zum Sieden bringt und dann erst den unteren erhitzt. Zum Schutz der Hand benutzt
man einen Reagenzglashalter oder längs aufgeschnittene Gummischlauchstücke, die
über die Fingerspitzen geklemmt werden.

Heizquellen

Die universalste Heizquelle ist der einfache Bunsenbrenner beziehungsweise seine


heizstärkere Abart, der Teclubrenner, deren Handhabung bekannt sein dürfte. Die
Luftzufuhr darf nur so weit geöffnet werden, daß der Brenner nicht „durchschlägt"
(Brandgefahr wegen Überhitzung und Verschmoren des Gasschlauchs).
Nichtbrennbare Flüssigkeiten können in offenen Bechergläsern oder Erlenmeyer-
kolben auf einem Drahtnetz mit Asbesteinsatz über der Bunsenflamme erwärmt wer-
den. Für Rundkolben ist ein passender Babo-Trichter zu benutzen, der als offenes
Luftbad angesehen werden kann; Abbildung 6a. Er ist ein Kegelstumpf aus Eisen-
10 Allgemeine Arbeitsanweisungen

blech, dessen kleinere Öffnung teilweise durch eine Metallscheibe verschlossen und
dessen Innenwand mit Asbeststreifen belegt ist. Der Kolben darf nur auf diesen
Streifen aufliegen, die Scheibe also nicht berühren. (Verlorengegangene Asbest-
streifen müssen unbedingt ersetzt werden.) Die mit dem Bunsenbrenner erhitzte
Metallscheibe verteilt die aufsteigende Wärme über die ganze untere Hälfte des ein-
gestellten Kolbens. - Ein in kurzem Abstand unter dem Rundkolben befestigtes
Drahtnetz mit Asbesteinsatz ist kein Ersatz für den Babo-Trichter (Überhitzung des
Kolbenbodens).

a b

Abb. 6 1-Liter-Kolben mit Kühler in a) BABO-Trichter; b) Heizhaube

Dem Geübten sollte es vorbehalten sein, den Kolben direkt mit freier Flamme zu
erhitzen, wenn nicht oder nur wenig feuergefahrliche Substanzen zum Beispiel ge-
schmolzen oder rasch destilliert werden sollen. Man führt dabei mit der eben ent-
leuchteten Bunsenbrennerflamme (die leuchtende Flamme wird leicht weggeweht
und rußt) eine kreisende Bewegung unter dem Kolbenboden aus, damit dieser mög-
lichst gleichmäßig erwärmt wird. Will man schwächer heizen, ist es besonders für
größere Kolben besser, den Brenner tiefer zu halten, als die Gaszufuhr zu drosseln.
Bei brennbaren Substanzen soll zur Sicherheit eine genügend große Metallschale
unter den Kolben gestellt werden. - An Stelle des Bunsenbrenners kann in vielen
Fällen auch ein elektrischer Infrarotstrahler verwendet werden.
In den letzten Jahren setzt sich die elektrische Wider Standsheizung immer mehr
durch. Gegenüber der Gasheizung hat sie den Nachteil größerer Trägheit, aber den
Vorteil größerer Betriebssicherheit. Man bedenke jedoch, daß sich an nicht voll-
kommen abgekapselten Heizspiralen (und Schaltern) brennbare Dämpfe ebenso
entzünden können wie an der freien Flamme. (Speziell Kochplatten verleiten hier zu
Sorglosigkeit.) Bei Tauchsiedern (nur für Bäder; nicht zur Direktheizung!) und ein-
gebauten Heizrohren ist besonders darauf zu achten, daß diese stets genügend hoch
mit Flüssigkeit bedeckt sind. - Eine recht gleichmäßige Erwärmung von Rundkolben
gewährleisten die sehr handlichen, am Kolben anliegenden elektrischen Heizhauben,
Heizbäder 11

in denen die Heizwicklung mit Asbest verkleidet ist; Abbildung 6b. Sie können mit
Hilfe eines Stativrings bequem unter dem Kolben befestigt werden; die größeren
Heizhauben sind mit eigenem Dreifuß ausgestattet. Ihre Heizkraft kann stufenweise -
bei Zwischenschaltung eines Relais in sehr kleinen Intervallen - variiert werden. Bei
der Benutzung der Heizhauben richte man sich genau nach den Angaben der vom
Hersteller beigefügten Gebrauchsanweisung. — Für sehr kleine Proben ist schließlich
oft ein Heißluft-Haartrockner („Fön") die bequemste Heizquelle.

Heizbäder

Heizbäder sind Gefäße mit wärmeübertragenden Stoffen, die mit dem Bunsenbren-
ner oder elektrisch geheizt werden (ausgenommen das Dampfbad) und dann ihre
Wärme gleichmäßig an die eingehängten Reaktionsgefäße weitergeben. Sie ermög-
lichen eine genaue Einstellung und Kontrolle der Heiztemperatur (vermindern also
auch die Gefahren!) und sind deshalb einer direkten Heizung fast immer vorzuziehen.
Die größte Sicherheit gegen Unfälle bietet das Dampfbad, das allerdings eine Dampf-
anlage voraussetzt und keine Variation der Temperatur zuläßt.

a b c

Abb. 7 l-Liter-Kolben mit Kühler in a) Patent-Wasserbad; b) Ölbad; c) geschlossenem Luftbad

Steht eine Dampfleitung nicht zur Verfügung, benutzt man zum „Erhitzen aw/dem
siedenden Wasserbad" das in Abbildung 7a gezeigte Gerät. Dieses Patent-Wasser-
bad läßt sich durch konzentrische Ringe der Kolbengröße entsprechend abdecken
und hat seitlich ein an Wasserleitung und Abfluß angeschlossenes Überlaufsystem,
welches den Wasserstand konstant hält. Während des Gebrauchs soll das Leitungs-
wasser in ganz dünnem Strahl durch den Wasserstandsregler fließen. Das Dampfbad
reicht aus, Lösungsmittel wie Ethanol, Benzol, Benzin, Chloroform und Essigester
noch verhältnismäßig schnell zum Sieden zu bringen. Geheizt wird mit dem Bunsen-
12 Allgemeine Arbeitsanweisungen

brenner oder eventuell (bei anderen Typen) elektrisch. Um die Anheizzeiten klein zu
halten, empfiehlt es sich, das Wasserniveau so niedrig einzustellen, wie es Abbildung
7a zeigt.
Zur Erzeugung bestimmter Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 10O0C
wird das Wasserbad benutzt. Es besteht aus einem wassergefüllten Kochtopf oder
Becherglas (nur für sehr kleine Bäder statthaft) mit eingehängtem Thermometer und
wird mit dem Bunsenbrenner, der elektrischen Kochplatte oder dem Tauchsieder er-
hitzt. Man achte darauf, daß das Niveau des Reaktionsguts etwas über dem des
Wassers liegt. Bequem in der Handhabung, aber teuer sind elektrisch beheizte Was-
serbäder mit eingebautem Thermostat.
Für Temperaturen zwischen 100 und 25O0C benutzt man Ölbäder; Abbildung 7b.
Ihr Füllmaterial soll bis in einen hohen Temperaturbereich geringen Dampfdruck
haben, weitgehend thermostabil sein und möglichst bei Raumtemperatur noch
flüssig bleiben. Siliconöle können je nach Sorte noch oberhalb 30O0C verwendet wer-
den; sie haben große thermische Ausdehnungskoeffizienten; nachteilig ist der hohe
Preis. Billiger sind hochsiedene Mineralöle, insbesondere das „Heißdampfzylinder-
öl". Höhere Polyglykole sind bis etwa 25O0C empfehlenswert. Schwefelsäure darf
nicht benutzt werden. - Als Behälter dienen halbkugelförmige Metallschalen, even-
tuell auch Kochtöpfe, die (wenn kleiner) auf Stativringen oder (wenn größer) auf
stabilen Dreifüßen stehen. - Ölbäder sind sehr träge. Sie kühlen sich, wenn sie zu
heiß geworden sind, nur langsam wieder ab und sollten deshalb stets so aufgebaut
werden, daß sie notfalls rasch unterm Kolben weggenommen werden können (Drei-
füße auf Holzplatten stellen). Für die Füllhöhe des Öls ist dessen Wärmeausdehnung
zu berücksichtigen. Der Reaktionskolben soll nur so tief in das Bad eintauchen, daß
das Niveau des Reaktionsguts noch deutlich über dem des Öls steht. - Zu jedem
Ölbad gehört ein Kontrollthermometer. Kolben und Thermometer dürfen das Metall-
gefaß selbst natürlich nicht berühren. - Zur Heizung benutzt man gewöhnlich den
Bunsenbrenner. Wegen der Temperaturträgheit muß das Hochheizen zum Schluß
sehr behutsam geschehen; viskosere Öle sind während dieser Phase ab und zu vor-
sichtig umzurühren. Zur Erreichung einer bestimmten Temperatur im Reaktions-
kolben muß das Bad oft erheblich höher erwärmt werden. Da die Aufrechterhaltung
der einmal eingestellten Arbeitstemperatur meist nur geringe Energiezufuhr erfordert,
empfiehlt es sich, hierfür den Schornstein des Brenners abzuschrauben und das Gas
direkt über der Düse brennen zu lassen; das erleichtert die Feinregulierung der
Flamme. Ist die Reaktion beendet, hebt man den Kolben am besten sofort aus dem
noch heißen Bad und unterstützt das Abtropfen des Öls durch Schaben mit einer
Spielkarte. Man hüte sich vor einer Überhitzung der Badflüssigkeit (Brandgefahr!);
beginnendes Rauchen ist ein Warnzeichen. Einfallende Wassertropfen oder andere
Verunreinigungen lassen das heiße Öl heftig herumspritzen, dabei mitgerissene 01-
dämpfe können sich entzünden! Um zu verhindern, daß Kondenswasser vom Kühler
tropft, befestige man um dessen unteres Ende ein Filterpapierröllchen (zum Beispiel
mit einer Wäscheklammer). Soweit möglich, ist das Ölbad im Abzug aufzubauen. -
Nichtbenutzte Ölbäder sind mit einem Deckel vor Verunreinigung zu schützen.
Thermostaten 13

Für das Erhitzen kleiner Versuchsansätze (auch) auf Temperaturen über 20O0C
eignen sich am besten Metallbäder, das heißt Metalltiegel oder -halbkugelschalen
mit besonders niedrigschmelzenden Metallmischungen. Brauchbare Legierungen
sind die nach Wood (Bi, Pb, Sn, Cd; Schmp. etwa 7O0C) oder nach Rose (Bi, Sn, Pb;
Schmp. 940C). - Man versäume nicht, Kontrollthermometer und Reaktionsgefaß vor
dem Wiedererstarren des Metalls aus dem Bad zu nehmen. (Durch Anrußen läßt sich
das Haftenbleiben des Metalls am Glas verhindern.) Im übrigen gelten hier sinnge-
mäß die gleichen Richtlinien, die im vorigen Absatz für das Arbeiten mit Ölbädern
gegeben wurden. - Metallbäder sind aufgrund ihrer Nichtbrennbarkeit, Geruchlosig-
keit und sehr guten Wärmeleitfähigkeit, also geringen Trägheit, Ölbädern besonders
bei der Destillation kleinerer Mengen überlegen.
Praktisch jede geforderte Temperatur erreicht man mit dem Sandbad, das man
folgendermaßen herstellt: Man befestigt eine nicht zu große eiserne Halbkugelschale
so unter dem Rundkolben, daß ein Zwischenraum von etwa 10 mm frei bleibt. Diesen
füllt man mit sauberem, gesiebtem Seesand. - Wegen ihrer geringen Wärmeleitfähig-
keit ist die Temperatur in Sandbädern nur schwer einzustellen und zu kontrollieren.
Eine weitere Möglichkeit, sehr hohe Temperaturen zu erreichen, bietet das ge-
schlossene Luftbad. Man braucht dazu einen dünnwandigen, thermoresistenten Glas-
zylinder (vom Glasbläser oben und unten glatt abgeschnittenes großes Becherglas).
Diesen stellt man auf ein entsprechend großes Drahtnetz mit Asbesteinsatz und be-
deckt ihn mit einer Asbestplatte, in die zwei passende Löcher für den Hals des Reak-
tionskolbens und das Kontrollthermometer geschnitten sind; siehe maßstabgerecht
Abbildung Ic. Das Asbestnetz wird durch einen Teklubrenner kräftig erhitzt. - Der
größte Vorteil des Luftbads besteht - neben der guten Beobachtungsmöglichkeit -
darin, daß der eingehängte Kolben bis zum Hals geheizt wird (anders als beim Babo-
Trichter, Metall- oder Sandbad, bei denen der größte Teil der Wärme nach oben weg-
strömt), was besonders für Hochtemperatur-Destillationen wichtig ist. - Ist das zu
erhitzende Gut feuergefahrlich, sind selbstverständlich auch hier besondere Vor-
sichtsmaßnahmen zu treffen.

Thermostaten

Exakt läßt sich eine bestimmte Temperatur über längere Zeit nur im Thermostat
konstant halten. Man kann eine solche Einrichtung in zahlreichen Varianten kaufen,
aber auch ohne Mühe nach Abbildung 8 selbst zusammenstellen. Sie besteht aus
einem größeren Gefäß (zum Beispiel Kochtopf) mit Wasser- oder eventuell Ölfüllung,
in welche ein Kontaktthermometer (K; Erklärung folgt), ein mit diesem über einen
Relaisschalter (R) verbundener Tauchsieder (T) sowie ein mechanischer Rührer ein-
tauchen. Um die Heizstöße klein zu halten, darf der Tauchsieder keine zu hohe Lei-
stung haben. Wird Wasser als Badfüllung benutzt, soll dieses möglichst entsalzt sein.
(Für längere Benutzungszeiten kann man sein Verdunsten durch Zugabe von etwas
14 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 8 Thermostat, bestehend aus Wasserbad,


Kontaktthermometer K, Relaisschalter R, Tauch-
sieder T, Metallrührer und 500-ml-Kolben

Hartparaffin verhindern. Dieses schmilzt und bildet auf der Wasseroberfläche einen
dünnen Film.) - Versieht man das Bad zusätzlich mit einer kühlwasserdurchström-
ten Wendel, lassen sich auch Temperaturen zwischen 15 und 25 0C einstellen. - Fertige
Thermostaten haben zum Teil Schlauchanschlüsse, über die man daS temperierte
Wasser durch eine angeschlossene Apparatur leiten kann.
Das Kontaktthermometer sei anhand der Abbildung 9 erläutert: In die - nach oben
verlängerte und erweiterte - Quecksilberkapillare ragt ein feiner Metalldraht, der an
einer Mutter hängt. Diese Mutter wird von einem Gewindestab gehalten, der sich
durch die Glashülle des Thermometers von außen her mit Hilfe eines aufgesetzten
Hufeisenmagneten drehen läßt. Zum Einstellen einer bestimmten Temperatur wird
der Stab so lange gedreht, also die Mutter gehoben oder gesenkt, bis sich das untere
Ende des Drahts auf der gewünschten Höhe der Temperaturskala befindet. Diese
Einstellung ist bequemer auf einer zweiten oberen Skala an der Stellung der Mutter
abzulesen. Um eine Dejustierung durch äußere Erschütterungen zu verhindern, arre-
tiert man den Magneten, indem man die beiden seitlichen Feststellschrauben anzieht. -
Erwärmt sich das Bad, steigt die Quecksilbersäule des Thermometers, bis sie den
Kontaktdraht berührt. Dadurch wird über zwei mit dem Quecksilber und dem Kon-
taktdraht verbundene Leitungen ein zum Relais führender Stromkreis geschlossen
und damit die Widerstandsheizung abgeschaltet. Sinkt der Quecksilberfaden, öffnet
sich der Kontaktstromkreis und stellt so die Heizung wieder an.
Kühlen 15

Abb. 9
Kontaktthermometer
mit Mutter M,
Hufeisenmagnet H,
unterer U und oberer
Temperaturskala

Kühlen

Vielfach ist es nötig, das Reaktionsgut zu kühlen, zum Beispiel um die bei exothermen
Umsetzungen frei werdende Wärme abzuführen, eine Kristallisation zu fördern oder
empfindliche Produkte vor der Zersetzung zu bewahren. Man beachte, daß das Vo-
lumen von Gefäßen im Quadrat zur (wärmeabgebenden) Oberfläche wächst und
daher Reaktionen, die im Reagenzglas-Vorversuch völlig harmlos ablaufen, im Hun-
dertgramm-Maßstab außer Kontrolle geraten können!
Leitungswasser für 8 bis 140C
Für Temperaturtiefen bis zu — 500C verwendet man als Kühlbad Kunststoffschüsseln
(am besten sind die hervorragend isolierenden mikroporösen Polystyrol-Gefäße ge-
eignet) mit einem der folgenden
16 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Kühlmittel:
Eiswasser (Wasser mit zerkleinertem Eis) für O0C

Eis-Kochsalz-Mischung (gut durchmischtes


Gemenge aus etwa zwei Teilen Eisgrieß und
einem Teil Viehsalz) für bis zu -2O 0 C
Eis-Calciumchlorid-Mischung (6 oder 7 Teile
Eisgrieß plus 10 Teile CaCl2 • 6H 2 O) für -40 oder -55 0 C

Man gewöhne sich von vornherein an, das Kältebad unter fest montierten Appara-
turen so aufzustellen, daß es im Bedarfsfall leicht entfernt werden kann (Holzklötze
unterlegen). Kräftiges Umschwenken des Kühlbads und des zu kühlenden Gefäßes
oder Rühren des Gefäßinhalts beschleunigt die Wärmeableitung. Dort, wo eine Zu-
gabe von Leitungswasser nicht stört, sollte man das Eis direkt in das Reaktionsgut
einführen oder - zur besonders raschen Abkühlung - die Reaktionsmischung auf das
Eis gießen.
Temperaturen bis zu — 780C erreicht man durch festes Kohlendioxid („Trocken-
eis") in Methylenchlorid, Methanol, Ethanol oder einem anderen Lösungsmittel mit
entsprechend tiefem Schmelzpunkt. Zur Herstellung solcher Kühlbäder wickelt man
einen Brocken Trockeneis in ein festes Tuch und zerschlägt ihn mit einem Hammer.
Die kleinen Stückchen trägt man mit einem Löffel langsam in das Lösungsmittel ein,
das sich in einem Dewar-Gefäß befindet. Anfangs bringt die (wärmere) Flüssigkeit das
Trockeneis sofort zum Verdampfen und starken Aufbrausen!
Dewar-Gefäße sind Glasbehälter mit doppelter, innen verspiegelter (auf unter
10~ 5 Torr) luftleer gepumpter Glaswandung; Abbildung 10. Sie isolieren hervorra-
gend die Wärme. Ihre Handhabung erfordert die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, wie
sie bei anderen evakuierten Gefäßen nötig sind (Schutzbrille aufsetzen). Man ver-
wende nur Dewar-Gefaße, die durch einen stabilen Blechmantel geschützt sind!
Muß noch stärker gekühlt werden, nimmt manflüssigen Stickstoff, der bei —196 0C
siedet (nicht flüssige Luft, deren Sauerstoff sich beim Verdampfen anreichert und mit

Abb. 10 Dewar-Gefäß
Homogenisieren und Lösen 17

Lösungsmitteldämpfen hochexplosive Gemische bildet!). Man informiere sich im Be-


darfsfall in der Spezialliteratur1!
Ähnlich den Thermostaten (siehe S. 13) gibt es Kryostaten mit Wasser-Methanol-
Gemischen als Badflüssigkeit und einem Kühlaggregat (an Stelle der Heizung), zur
Erzeugung konstanter Temperaturen zwischen O und -4O0C. Die Kühlflüssigkeit
kann über Schlauchanschlüsse durch eine angeschlossene Apparatur gedrückt werden.
Im Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe werden zersetzliche Substanzen aufbe-
wahrt. Der Kühlschrank soll, damit wässerige Lösungen nicht erstarren, auf +2 0 C
eingestellt sein. In der Tiefkühltruhe erreicht man Temperaturen von -3O0C. Alle
eingestellten Gefäße müssen, damit sich keine entzündlichen Dämpfe im Kühlraum
ansammeln, gut verschlossen sein und Etiketten mit der Substanzbezeichnung und
dem Namen des Eigentümers tragen.

Homogenisieren

Von Ausnahmen abgesehen, ist der Chemiker stets bestrebt, die Reaktionspartner in
völlig homogener Phase, also als Lösung, umzusetzen. Ist das nicht möglich, ver-
sucht er, durch Zerkleinern der Feststoffe und kräftiges Rühren, Vibrieren oder
Schütteln möglichst feindisperse Suspensionen beziehungsweise Emulsionen herzu-
stellen. - Dauerndes Mischen des Reaktionsansatzes ist auch nötig, um eine zu-
tropfende Komponente rasch zu verteilen und entstehende Reaktionswärme schneller
abzuführen.

Lösen

Bei weitem die meisten aller chemischen Operationen können nur unter Zuhilfe-
nahme von Lösungsmitteln durchgeführt werden.
Die Wahl des Lösungsmittels ist für das Gelingen sowohl der eigentlichen Umsetzung als
auch der anschließenden Aufarbeitung von ausschlaggebender Bedeutung.
Zu den wesentlichen Eigenschaften eines Lösungsmittels gehören (neben seinem
chemischen Verhalten) der Siedepunkt sowie vor allem der mehr oder weniger polare
Charakter. Der Siedepunkt ist wichtig zur Einstellung der Arbeitstemperatur beim
Kochen unter Rückfluß und für die destillative Entfernung des Lösungsmittels nach
der Umsetzung. Die Polarität (zahlenmäßig erfaßt durch die Dielektrizitätskonstante)
bezeihungsweise Polarisierbarkeit bestimmen die Lösungseigenschaften (Hydro-
philie oder Lipophilie).
Für chemische Umsetzungen ist im allgemeinen das Lösungsmittel ideal, das alle

1
Zum Beispiel H. Kienitz, Methoden der organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd.//2,
S. 662, Thieme, Stuttgart 1959.
18 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Ausgangsstoffe leicht, das Endprodukt jedoch nicht löst. Wenn keine besonderen For-
derungen (wie Auffangen der Reaktionswärme oder unimolekularer Umsatz) einen
größeren Überschuß nötig machen, nehme man nur wenig mehr Lösungsmittel, als
zum Lösen der Reaktionskomponenten nötig ist!
Näheres über die meist benutzten Lösungsmittel siehe S. 110.

Zerkleinern

Feststoffe können in einer Reibschale mit dem Pistill fein pulverisiert werden. (Schmie-
rige Substanzen lassen sich nach Zugabe von sauberem Seesand oder Kieselgur zu
bröckeliger Konsistenz verreiben.) Für sehr harte Stoffe benutzt man besser eine
mechanische Kugelmühle mit umlaufenden Porzellankugeln. - Größere Brocken
kann man zuvor in einem Metallmörser mit dem Stößel grob zerschlagen.
In vielen Fällen läßt sich die Arbeit des Pulverisierens dadurch erleichtern, daß
man zwischendurch die größeren Partikel mit Hilfe eines einfachen Kaffeesiebs
abtrennt.

Rühren

Zum Umrühren im Reagenzglas und anderen offenen Gefäßen sollten an jedem


Laborplatz stets mehrere an den Enden rundgeschmolzenen Glasstäbe verschiedener
Größe bereit liegen!
Für längeres, intensiveres Rühren stehen stufenlos regulierbare elektrische Rühr-
motoren (mit Bohrfutter) zur Verfügung. Sie müssen, ihrem Gewicht entsprechend,
an besonders stabilen Stativen befestigt werden. - Man beachte, daß die Kollektor-
funken brennbare Gase entzünden!
Dazugehörige Glasrühr er gibt es in verschiedenen Ausführungen; einige davon
zeigt Abbildung 11. Das Modell a kann man sich aus einem erhitzten Glasstab mit

<cb ob
a b c d
Abb. 11 a) selbstgemachter Abb. 12 a) einfache Glasrohr-Rührerführung; b) KPG-Rühr-
Glasrührer; b) Propellerrührer; verschluß; c) KPG-Rührverschluß mit Kühlmantel; d) Gummi-
c) Schwenkflügelrührer schlauch-Rührdichtung
Rühren 19

Hilfe einer Flachzange leicht selbst herstellen. Wirksamer ist der Propellerrührer b.
Der drehbare Flügel von c läßt sich hochgeklappt in einen NS 29-Tubus einführen;
während der Rotation stellt er sich waagrecht. - Für zähes Reaktionsgut verwendet
man Rührer aus V2A-Stahl.
Um den Turbulenzeffekt beim Rühren zu erhöhen, kann man die Kanten gläserner
Rührblätter mit einer Feile aufrauhen. Die Durchmischung von flüssigen Zweipha-
sensystemen ist am wirksamsten, wenn sich das Rührblatt an der Grenzfläche der
beiden Phasen dreht. - Der Rührer darf nicht so schnell rotieren, daß es in der Flüssig-
keit zur Ausbildung eines tiefen Trichters kommt, weil dann der Mischeffekt gering
ist. Aus ähnlichem Grund ist es besser, den Rührer in offenen Gefäßen etwas außer-
halb der Gefäßmittelachse laufen zu lassen.
Nur kurze, genau zentrierte Rührer darf man direkt in das Bohrfutter einspannen.
In der Regel muß ein etwa 5 cm langer Stab (Bleistiftstück) und ein 6 bis 10 cm langes
Stück Vakuumschlauch als elastisches Bindeglied zwischengeschaltet werden und
der Rührer in einer eigenen Führung laufen; Abbildung 12. Diese Führung kann, wenn
lediglich in offenen Gefäßen gerührt werden soll, einfach aus einem am Stativ be-
festigten, etwa 10 cm langen, knapp passenden Stück Glasrohr bestehen; Abbildung
12a. Als Schmiermittel verwendet man hier für wässeriges Rührgut ebenfalls Wasser.
Soll in der geschlossenen Reaktionsapparatur gerührt werden, benutzt man den
sogenannten KPG-Rührverschluß\ Abbildung 12b. Dieser besteht aus einem NS 29-
Kern, der in ein 10 cm langes Rohr mit genormtem Präzisions-Zylinderschliff über-
geht, und einem Rührer, dessen Schaft exakt dazu passend geschliffen ist. (Es gibt
auch Hülsen aus Teflon.) Apparaturen mit KPG-Rührern sind besonders sorgfältig
aufzubauen. Motor- und Rührerachse müssen genau auf einer Linie liegen. Die Ver-
schluß-Hülse ist, damit sie sich nicht mitdreht, an ihrem oberen Wulst anzuklammern.
Um zu verhindern, daß der Rührer während der Montage nach unten rutscht und den
Kolbenboden zerschlägt, sichert man ihn durch Überziehen eines schmalen Stücks
Gummischlauch. Der Zylinderschliff ist mit dünnflüssigem öl, zum Beispiel Silicon
(nicht Vaseline oder Glycerin) zu schmieren. - Tourenzahlen über etwa 600 verlangen
KPG-Rührer mit eingebauter Wasserkühlung; Abbildung 12c.
Für geringere Ansprüche genügt eine einfache Gummischlauch-Rührdichtung, die
man sich nach Abbildung 12d aus einem zum Rohr verjüngten Kernschliff mit über-
gezogenem Gummischlauch sowie einem Glasstabrührer selbst zusammenstellen
kann. Das sehr kurze Schlauchende, das den Rührerschaft umschließt, wird innen
eingefettet. Diese Dichtung zieht sich, wenn im Kolben ein Unterdruck entsteht,
automatisch zusammen und ist daher bedingt vakuumfest. Sie hat den Nachteil, daß
bei längerem Gebrauch Gummiteilchen abgetrieben werden.

Magnetrühren

Wenig viskose Flüssigkeit kann man eleganter mit dem Magnetrührer mischen; Ab-
bildung 13a. Dieser besteht aus einem regelbaren Motor, auf dessen senkrecht stehen-
20 Allgemeine Arbeitsanweisungen

der Achse oben ein Permanentmagnet montiert ist. Über dem Magneten befindet sich
eine Platte, auf die man das Rührgefäß stellt. Als Rührer fungiert ein am Boden des
Gefäßes liegendes, durch Teflon-Überzug geschütztes Stück Magnetstab. - Erlen-
meyerkolben und Bechergläser mit flachem Boden eignen sich am besten als Rühr-
gefäße. Mit entsprechend kurzen Rührstäbchen oder spindelförmigen Rührkörpern
(Abbildung 13b) kann man auch gut in kleineren Rundkolben arbeiten. - Magnet-
rührer mit stufenweis regulierbarer elektrischer Heizung sind besonders praktisch.
(Mit zwei Rührstäbchen lassen sich ein kleines Heizbad aus Glas und das Reaktions-
gefäß gleichzeitig rühren.)

Abb. 13 a) Magnetrührer und 500-ml-Erlenmeyerkolben mit Abb. 14 1-Liter-Weithalskolben


Rührmagnet; b) 100-ml-Kolben mit spindelförmigem Rühr- mit Vibromischer-Werkzeug
magnet

Vibrieren

Eine besonders intensive Durchmischung dünnflüssiger Systeme erreicht man mit


dem „Vibro-Mischer", dessen Kupplung nicht rotiert, sondern mit der Frequenz des
Wechselstroms auf- und abschwingt. Das Arbeitswerkzeug besteht aus einem Stab,
der in einer waagrechten Platte mit mehreren konischen Löchern endet; siehe Ab-
bildung 14. Vibriert diese Platte, wird die umgebende Flüssigkeit nicht nur mit in
Schwingungen versetzt, sondern gleichzeitig in einer Richtung durch die Löcher be-
fördert, also umgewälzt. Zur Abdichtung gibt es Kernschliffe mit gelochter Gummi-
scheibe. - Durch Werkzeuge, deren Schaft hohl ist, können Gase unterhalb der Platte
eingeleitet und zu sehr kleinen Bläschen zerschlagen werden.

Schütteln

Sehr schwere Bodenkörper oder Unterphasen lassen sich durch Rühren kaum auf-
wirbeln. Hier muß man das ganze Gefäß kräftig schütteln. - Bei einfachen Rückfluß-
apparaturen erhält man dazu genügend Spielraum, wenn man lediglich den Kühler
an seinem oberen Ende in einer nur halb geschlossenen Klemme hält und den Kolben
Schüttelmaschinen, Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen 21

auf einen Korkring oder die Einsätze des Patent-Wasserbads setzt. Apparaturen mit
mehreren Aufsätzen muß man zusammen mit dem Stativ umschwenken (vorher Be-
festigungen der Apparaturteile überprüfen).
Zum intensiven Schütteln über längere Zeit gibt es zahlreiche verschiedenartige
motorgetriebene Schüttelmaschinen, wie Schüttelstative, deren Stab sich um seine
Achse hin- und herdreht, Holz- oder Metalltröge, die pendeln (für größere geschlos-
sene Flaschen), und schließlich Modelle, in denen Schüttelgefaße komplizierteren
Schlingerbewegungen ausgesetzt sind.
Folgende Punkte sind bei der Benutzung von Schüttelmaschinen besonders zu be-
achten:
Nur solche Gemenge dürfen (in geschlossenen Gefäßen) geschüttelt werden, die
keinen Überdruck (durch Gasentwicklung oder exotherme Reaktion) entstehen
lassen.
Die Schüttelgefäße sind sorgfältig zu befestigen.
Man verwende starkwandige Chemikalienflaschen, entweder mit Schraubdeckel
oder mit durch Einbinden eines Stücks Vakuumschlauch elastisch verdrahtetem
Stopfen; siehe Abbildung 15a, b.
Größere Schüttelmaschinen müssen, damit sie nicht wandern können, fixiert
werden.

a b

Abb. 15 a, b) Elastisches Absichern eines Schliffstopfens (Maßstab l: 4)

Reaktionsgefäße mit mehreren Aufsätzen

Auf den Abbildungen 16 bis 20 sind die wichtigsten, in dieser oder ähnlicher Form
immer wiederkehrenden Reaktionsapparaturen zusammengestellt. Es handelt sich
dabei um Mehrhalskolben beziehungsweise solche mit Anschützaufsatz, die neben
dem Rückflußkühler noch folgende Teilstücke tragen: Rührer, Tropfrichter, Gas-
zuleitung und -ableitung, Tauchthermometer.
Abbildung 16 stellt eine einfache Rührapparatur dar. Alle anderen zeigen zusätzlich
Einrichtungen für die dosierte Zugabe flüssiger oder gasförmiger Substanzen. Eine
solche Dosierung einer Reaktionskomponente ist wichtig: zur Steuerung exothermer
Umsetzungen, zur Schonung solcher Ausgangsstoffe, die sich unter den Reaktions-
bedingungen (Temperatur, pH, Gegenwart von Katalysatoren) leicht zersetzen und
22 Allgemeine Arbeitsanweisungen

schließlich zur Zurückdrängung unerwünschter Nebenprodukte, die dadurch ent-


stehen, daß sich der zweite Reaktionspartner mit dem ersten mehrfach umsetzt.

Abb. 16 1-Liter-Kolben mit Anschütz-Aufsatz,


Rückflußkühler und Rührer

Tropftrichter

Soll eine flüssige Reaktionskomponente zum Kolbeninhalt gegeben werden, benutzt


man einen Tropftrichter, dessen Grund typ Abbildungen 17a und 18 zeigen. Zur leich-
teren Einregulierung kleiner Tropfgeschwindigkeiten empfiehlt es sich, das Hahn-
küken so, wie es die Abbildung 24 K verdeutlicht, mit der Kante einer Feile anzu-
ritzen. Wesentlich leichter läßt sich der Zulauf am Dosiertrichter einstellen und kon-
stant halten; Abbildung 17b. Dieser hat an Stelle des Glashahns eine Spindelschraube
und außerdem ein Mariotte'sches Rohr, das die Ausflußgeschwindigkeit von der
Höhe der überstehenden Flüssigkeitssäule unabhängig macht. Eine Variante des
Grundmodells ist schließlich der Tropftrichter mit Druckausgleich', Abbildung 17c.
Er kann bei Gebrauch fest verschlossen bleiben, ist also besonders für leicht flüchtige,
giftige oder luftempfindliche Flüssigkeiten geeignet. (Beim Grundmodell schützt man
feuchtigkeitsempfindliche Flüssigkeiten durch Aufsetzen eines Trockenrohrs.)
Um Bruchgefahr zu vermeiden, sollen die Tropftrichter am Stativ festgeklemmt
werden; das gilt besonders bei Füllung mit spezifisch schweren Flüssigkeiten (zum
Beispiel konz. Schwefelsäure, Brom) und dann, wenn durch einen Rührmotor Schwin-
Tropftrichter und Gasapparaturen 23

Abb. 17 a) l-Liter-Kolben mit einfachem Tropftrichter; b) 2-Liter-Kolben mit Dosiertrichter; c) Tropf-


trichter mit Gasausgleich

gungen entstehen können. Die Hahnküken sind (zumindest durch einen Gummiring)
gegen Herausrutschen zu sichern.
Portionsweises Eingießen direkt durch den Rückflußkühler ist nur in seltenen Fällen
ratsam. (Großen Trichter benutzen; Flammen löschen; darauf achten, daß nichts ins
Heizbad fließt I)
Auf Abbildung 18 ist ein sogenannter Nitrierkolben (Sulfierkolben) dargestellt Der-
artige konische Kolben benutzt man, wenn mehr als drei Hälse nötig sind. Der große
zentrale Tubus (mit Übergangsstück) macht die Verwendung eines breiten festste-
henden Rührers möglich. - Ein schliffloses Tauchthermometer kann in der beim Gas-
einleitungsrohr geschilderten Weise (siehe Abbildung 20) eingesetzt werden.

Gasapparaturen (Gasstahlflaschen)

Sollen Gase lediglich über das Reaktionsgut geleitet werden, genügt ein zum Rohr
verjüngter Kernschliff; siehe Abbildung 19, rechter Tubus. Eine solche Apparatur be-
nutzt man speziell dann, wenn bei sehr luft-(feuchtigkeits-)empfindlichen Stoffen unter
Schutzgas (Stickstoff, eventuell Kohlendioxid) gearbeitet werden muß.
24 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 18 3-Liter-Vierhalskolben
(Nitrierkolben) mit Rückflußkühler,
Rührer, Tropftrichter, Tauchther-
mometer und Gasableitung

Abb. 19 1-Liter-Kolben Abb. 20 Apparatur zum Einleiten von Gasen, bestehend aus
mit Schlauchansätzen l-Liter-Kolben mit Gaseinleitungsrohr E, 1-Liter-Sicherheits-
zum Überleiten gefäß Sl, Waschflasche W und Sicherheits-Waschflasche S 2
von (Schutz-)Gasen
Gaseinleitung 25

Sollen Gase durch das Reaktionsgut perlen, verwendet man nach Abbildung 2OE
einen zum Rohr verjüngten Kernschliff mit knapp passendem Innenrohr und
Schlauchdichtung oder ein entsprechendes fertiges Einleitungsrohr mit Schliff. Will
man das Gas sehr fein verteilen, läßt man es durch eine Tauchfritte (vergleiche Ab-
bildung 2Ib) oder durch den hohen Schaft eines Vibro-Mischers (siehe S. 20) ein-
strömen. Besteht die Gefahr, daß ausfallende Feststoffe das Einleitungsrohr ver-
stopfen, ersetzt man dieses durch ein solches, dessen Mündungsende stark ausge-
weitet ist, zum Beispiel ein gerades Calciumchloridrohr ohne Schliff.
Entweichen können Gase durch den Rückflußkühler. Giftige Gase leitet man über
den Schlauchansatz-Kernschliff und einen Kunststoffschlauch direkt in den Abzug-
schacht; Abbildung 18 und 19.
Das wichtigste Zusatzgerät zum Gas-Reaktionskolben ist die Waschflasche, ein
Zylinder mit zwei oberen Schlauchanschlüssen, deren einer bis zum Boden verlängert
ist; Abbildung 20 W und S2. Sie dient — knapp zur Hälfte mit einer entsprechenden
Flüssigkeit gefüllt - zur Reinigung (siehe S. 107) der Gase (W) oder (meist mit einem
größeren Kolben an Stelle des Zylinders) in der Gegenrichtung durchströmt als
Sicherheitsflasche (Sl und S2). Eine solche Sicherheitsflasche, die groß genug ist, das
gesamte eventuell zurücksteigende Flüssigkeitsvolumen aufzunehmen, muß jedem
Gefäß mit Tauchrohr - also auch den gefüllten Waschflaschen - vorgeschaltet sein!
Es ist bei allen Waschflaschen und Sicherheitsflaschen darauf zu achten, daß sie rich-
tig herum eingesetzt werden. - Waschflaschen sind als sogenannte Blasenzähler auch
zur (meist notwendigen) Überwachung der Strömungsgeschwindigkeit nützlich. Ab-
bildung 2Ia zeigt einen kleineren Blasenzähler mit dazugehöriger Sicherheitsflasche.
- Die auf Abbildung 20 zusammengestellte einfachste Gaseinleitungsapparatur bildet
den Grundstock für alle Anlagen dieser Art.

a b c d e f
Abb. 21 a) Blasenzähler (mit Sicherheitsgefäß); b) Waschflasche mit Glasfritte; c) Trocken türm; d) Bun-
senventil; e) Tauchrohr-Ventil; O Strömungsmesser

Einige weitere, in den Gasstrom einzuschaltende Hilfsmittel sind auf Abbildung


21b-f aufgeführt: Die Waschflasche mit Glasfritte (b) bewirkt eine feinere Verteilung
26 Allgemeine Arbeitsanweisungen

des Gases. - Der Trockenturm (c) wird zur Aufnahme körniger Trockenmittel (zum
Beispiel Calciumchlorid) verwendet. (Das einfachere Trockenrohr hat zu geringe
Kapazität und würde deshalb bald verbacken.) - Das Bunsenventil (d) sichert die
Apparatur gegen Überdruck. Es besteht aus einem T-Rohr mit einem kurzen, am
Ende verschlossenen Stück Vakuumschlauch, das man mit einer scharfen Rasier-
klinge 2 bis 3 cm längs aufgeschnitten hat. Dieser Spalt öffnet sich beim Überdruck
und zieht sich bei Unterdruck zusammen. Für Wasserstoff ist das Bunsenventil nicht
geeignet, da dieser durch den Spalt diffundiert. - Das Tauchrohr-Ventil (e), ein T-Rohr,
dessen einer verlängerter Schenkel in Wasser, Quecksilber (beachte die Hinweise auf
S. 35 !), Alkylhalogenide (für Chlorwasserstoff) oder eine andere Sperrflüssigkeit ein-
taucht, sorgt für konstanten Überdruck. Zur Einstellung läßt man das Gas so stark
durch das T-Stück strömen, daß ein Teil unten entweicht, und stellt dann den ge-
wünschten Druck durch Änderung der Eintauchtiefe (in Abhängigkeit von der Dichte
der Flüssigkeit) ein. - Beim Strömungsmesser (f) ist eine Kapillare als Drossel zwischen
die Schenkel eines Wassermanometers eingebaut. Das Gerät muß für jede Gasart
speziell geeicht werden. Genauer, aber teurer sind die käuflichen Rotameter.
Sicherheitsflaschen, Waschflaschen, Trockenturm und Tauchrohrventil sind an
Stative anzuklammern, Trockenturm und Trockenrohre auf gute Durchlässigkeit zu
prüfen. Die Schlauchverbindungen sollen bei aggressiven Gasen aus Kunststoff be-
stehen. Vor Anschluß der Gasquelle überzeuge man sich noch einmal, ob alle Teile
richtig (herum) eingebaut sind!
Die meisten der im Laboratorium gebrauchten Gase werden von der Industrie in
Stahlflaschen geliefert. In diesen Hochdruckbehältern liegen die Gase -je nach ihren
kritischen Daten1 - entweder gasförmig, auf bis zu 200 bar komprimiert oder, bei
entsprechend geringerem Druck, verflüssigt vor. Jede Gasflasche ist mit einem Haupt-
ventil verschlossen, an das zur Benutzung stets noch ein Reduzierventil angeschraubt
sein muß, zumindest ein einfaches Kegel-Reduzierventil Diesem vorzuziehen, be-
sonders für Permanentgase, ist das Druckminderventil, das automatisch den Druck-
abfall in der Flasche ausgleicht. Es hat unten eine Einstellspindel, die eine sehr feine
Regulierung der Strömungsgeschwindigkeit zuläßt. Dreht man diese Spindel im Uhr-
zeigersinn, wird ein Verschlußkonus gegen den Eigendruck des Flascheninhalts an-
gehoben und das Ventil geöffnet. Direkt vor dem Gasaustritt befindet sich ein wei-
teres Absperrventil zur Unterbrechung des verminderten Gasstroms. Zwei Mano-
meter zeigen den Fülldruck und den reduzierten Druck an. Das Niederdruckmano-
meter darf nie unter dem vollen Druck der Flasche stehen. - Bei Nichtbenutzung muß
das Hauptventil geschlossen sein (ohne daß das Reduzierventil belastet ist).
Um Verwechslungen zu vermeiden, ist die Gasart nicht nur mit Namen am Fla-
schenhals eingeschlagen, sondern auch noch durch einen speziellen Farbanstrich
gekennzeichnet. Dieser ist zum Beispiel für brennbare Gase rot. Außerdem sind die
Schraubgewinde zu den Reduzierventilen unterschiedlich dimensioniert. Flaschen
mit brennbaren Gasen haben Linksgewinde. Acetylen wird in besonderen, gelb ange-
1
Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.
Arbeiten unter Druck 27

strichenen Flaschen aufbewahrt, die Kieselgur enthalten und deren Ventile nicht an-
geschraubt, sondern festgeklammert sind. Das Gas selbst ist in Aceton gelöst. - Die
Ventile von Sauerstoffflaschen dürfen nie gefettet werden; Explosionsgefahr durch
Autoxidation! Alle stehenden Gasflaschen müssen durch eine Kette gegen Umfallen
gesichert sein! Außerdem sind die Flaschen möglichst vor Wärme zu schützen!

Zugabe fester Stoffe

Das Einbringen fester Substanzen in die geschlossene Reaktionsapparatur bereitet


einige Schwierigkeiten. Man sollte daher nach Möglichkeit versuchen, die Feststoffe
vorher in Lösung zu bringen oder im Kolben vorzulegen. Geht das nicht, schüttet man
sie durch einen Pulvertrichter in den jeweils kurz geöffneten Tubus. (Vorsicht; Flam-
men löschen; Abzug benutzen!) Muß unter Luft-(feuchtigkeits-)ausschluß gearbeitet
werden, verbindet man den freien Tubus des Mehrhalskolbens über ein entsprechend
weites, nach unten abgeknicktes Schlauchstück mit einem kleinen Erlenmeyerkol-
ben, der die feste Substanz enthält.

Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefäßen

In den bisher geschilderten Apparaturen ist die Reaktionstemperatur nach oben


naturgemäß durch die Siedepunkte der Reaktionskomponenten beziehungsweise
Lösungsmittel begrenzt. Sind höhere Temperaturen erforderlich, muß in völlig ab-
geschlossenen druckfesten Gefäßen gearbeitet werden. - Bei Umsetzungen, an denen
gasförmige Partner beteiligt sind, können Reaktionsgeschwindigkeit und Ausbeute
vielfach durch Arbeiten unter erhöhtem Druck gesteigert werden.
Bei jeglichem Umgang mit Druckgefäßen ist besondere Vorsicht geboten! Die speziel-
len Schutzvorschriften sind genau zu beachten! Stets ist die Schutzbrille zu tragen! Vor
jedem Versuch vergewissere man sich gewissenhaft über den bei der Umsetzung zu
erwartenden Druck und informiere sich genau, welche Belastung der zu verwenden-
den Apparatur zugemutet werden darf!

Einschmelzrohre

Will man kleinere Versuchsansätze bis zu etwa 20 ml auf Temperaturen erhitzen, bei
denen keine sehr großen Überdrucke zu erwarten sind, kann man Einschmelzrohre
(„Bombenrohre") verwenden. Diese sind aus einer speziellen Glassorte hergestellt,
haben etwa eine Länge von bis zu 50 cm, Weite von 18 mm, Wandstärke von 3 mm
und halten etwa 25 bar bei maximal 4000C mit einiger Sicherheit aus.
Die Einschmelzrohre werden durch einen Trichter, dessen langes Rohr bis zum Bo-
28 Allgemeine Arbeitsanweisungen

den reicht, höchstens zu einem Viertel mit Substanz gefüllt und dann vom Glasbläser
mit dem Sauerstoffgebläse zu einer dickwandigen Kapillare ausgezogen und zuge-
schmolzen (tiefsiedende Flüssigkeiten sind dabei in einem Bad zu kühlen); Abbildung
22. Die Schmelzstelle soll langsam wieder abkühlen. Danach steckt man das Rohr so
tief in den zugehörigen Stahlschutzmantel, daß seine Spitze noch etwa l bis 2 cm her-
ausragt. (Gegebenenfalls muß dazu der Mantel entsprechend mit Sand aufgefüllt
werden.)

Abb. 22 Einschmelzrohr mit Stahl-Schutzmantel

Das Erhitzen der so vorbereiteten Rohre in den „Bombenöfen" darf nur innerhalb
des dafür vorgesehenen Raums hinter Splitterschutzwänden vorgenommen werden.
Die Öfen sind derart aufzustellen, daß ihr offenes Ende und damit die Spitze des Ein-
schmelzrohrs etwas erhöht ist und zur Wand zeigt. So kann allmählich bis auf die
gewünschte Temperatur angeheizt werden. Während des Betriebs kontrolliere man
ständig die Temperatur. (Auf richtigen Sitz des Thermometers achten!)
Ist die Reaktion beendet, läßt man langsam völlig abkühlen. Erst dann erhitzt man
die abgeschmolzene Rohrspitze mit der Sauerstoff-Gebläseflamme (Mantelöffnung
weiterhin zur Wand gerichtet lassen!), bis das Glas so stark erweicht, daß das unter
Druck stehende Gas im Inneren die heiße Stelle aufbläst und ausströmt. Vorher darf
das Einschmelzrohr unter keinen Umständen weder aus dem Schutzmantel noch
aus dem Schutzraum entfernt werden! Zur Entleerung wird der obere Teil des Rohrs,
wie auf S. l beschrieben, abgesprengt. Das Rohr kann erneut benutzt werden.
Es gibt auch Stahlschutzrohre, die mit einer gelochten Gewindekappe verschlossen
werden und so bei Explosion die Splitter abfangen.

Autoklaven

Sicherer für kleinere Ansätze, unumgänglich für größere sind Stahl-Autoklaven, die
in zahlreichen Ausführungen von der Industrie angeboten werden. Abbildung 23
zeigt einen l-Liter-Rührautoklaven (für maximal 325 bar und 35O0C) aus einem dick-
wandigen Unterteil und einem fest verschraubten Deckel mit Thermometer-Innen-
rohr, Rührachse, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer. Durch das Ab-
sperrventil kann über eine angeschraubte Stahlkapillare Wasserstoffoder ein anderes
Reaktionsgas eingedrückt werden. Geheizt wird von außen durch eine elektrische
Anlage mit automatischer Temperaturregelung. - Andere Modelle haben an Stelle
des Rührers periodisch fallende Siebplatten, wieder andere rotieren um ihre schräge
Längsachse.
Die Autoklaven dürfen nur zur Hälfte ihres Volumens gefüllt werden! Die Dich-
Autoklaven 29

Abb. 23 Rührautoklav mit Thermometerrohr, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer

tungsränder sind sorgsam gegen jede Beschädigung zu schützen und vor dem Zusam-
menbringen peinlich zu säubern. Zum Verschließen setzt man den Deckel behutsam
mit einem Differential-Flaschenzug auf und zieht dann die Bolzenschrauben kreuz-
weise nacheinander in immer kleiner werdenden Stufen so stark an, wie es die auf den
Muttern eingeschlagenen Markierungen verlangen. Alle Autoklaven dürfen nur
innerhalb besonders dafür angelegter Schutzräume in Betrieb genommen werden!
Das Anheizen hat langsam zu erfolgen. Während der Umsetzung sind der Druck
und die Temperatur laufend zu kontrollieren. Zum Schluß läßt man den Autoklaven
erst völlig erkalten (keinesfalls zusätzlich von außen kühlen!) und beseitigt dann den
Überdruck langsam durch vorsichtiges Öffnen des Ventils. Vorher dürfen die Ver-
schlußschrauben nicht gelockert werden! Zur Entleerung hebt man den Deckel am
Flaschenzug ab, spült das Reaktionsgemisch mit einem geeigneten Lösungsmittel
zusammen und saugt den Inhalt dann am besten in einen Kolben mit aufgesetztem
Gaswaschflaschenkopf (Abbildung 20, Sl), dessen kurzes Rohr an eine Wasserstrahl-
pumpe angeschlossen ist.
Da es sehr unterschiedliche Autoklaventypen gibt, deren Handhabung hier natür-
lich nicht im einzelnen beschrieben werden kann, sei nachdrücklich auf die von den
Herstellern mitgelieferten Bedienungsvorschriften hingewiesen. Dort finden sich
auch Angaben über die zulässigen Höchstdrucke und -temperaturen sowie die Korro-
sionsbeständigkeit des verwendeten Materials. Ist der Praktikant mit dem Umgang
eines Autoklaven (und seiner Heizung) noch nicht vertraut, hat er einen Fachmann
zur Einweisung und Überwachung hinzuzuziehen. Dies gilt besonders für die zu-
30 Allgemeine Arbeitsanweisungen

sätzlichen Schutzmaßnahmen, die beim Eindrücken von Gasen erforderlich sind,


wenn zum Beispiel geringere Füllhöhe und Vorspülen mit einem Intergas beim Ar-
beiten mit Wasserstoff vorgeschrieben sind.

Erzeugung und Messung von Unterdruck

Bei allen Arbeiten mit evakuierten Apparaturen ist eine Schutzbrille zu tragen!
Abgesehen von wenigen speziell dafür hergestellten dickwandigen Gefäßen (wie zum
Beispiel Saugflaschen und Exsikkatoren) dürfen nie Kolben oder andere Gefäße mit
flachem Boden evakuiert werden, sondern nur Rund- oder Spitzkolben mit ange-
schlossenen runden Apparaturteilen! Auch Reagenzgläser sind nicht vakuumfest.
Zur Erzeugung von Unterdruck steht eine Reihe von Pumpen zur Verfügung, die
sich in ihrer Leistung - also dem erreichbaren Endvakuum und der Sauggeschwindig-
keit - voneinander unterscheiden.

Wasserstrahlpumpen-Anlagen

Für die meisten der im Labor vorkommenden Arbeiten, die Unterdruck erfordern
(Absaugen, Destillieren, Trocknen) reichen etwa 12 Torr, die man bequem mit der
einfachen Wasserstrahlpumpe aus Glas erreicht, völlig aus. Diese wird durch ein
kurzes Stück Druckschlauch, das durch Metallmanschetten gesichert ist, direkt an
den Wasserhahn angeschlossen; Abbildung 24, W. (Das störende Rauschen läßt sich
dadurch herabmindern, daß man den Zwischenraum zum Abflußkanal locker mit
einem Kunststoffschwamm ausfüllt.)
Als kurzfristiger Schutz gegen ein Zurücksteigen des Wassers in die angeschlossene
Apparatur (bei Nachlassen des Wasserdrucks) und als Druckpolster ist jeder Wasser-
strahlpumpe eine l l fassende Sicherheitsflasche vorzuschalten. Diese kann man sich
leicht nach Abbildung 24, S aus einer dickwandigen Woulfe'sehen Flasche, zwei
Glasrohrwinkeln und einem Glashahn aufbauen. (Die Gummistopfenverbindungen
bekommt man dadurch vakuumdicht, daß man zuerst die Stopfen fest in den Tubus
drückt und dann das Rohr in die mit Glycerin befeuchtete Bohrung schiebt.) Der
Glashahn auf dem mittleren Tubus dient zum Belüften. Die Verbindung zwischen
Pumpe, Sicherheitsflasche und weiter zur Apparatur wird durch dickwandige, mög-
lichst kurze Vakuumschläuche hergestellt. (Ein Tropfen Glycerin erleichtert auch hier
das Aufschieben auf die Glasrohre.)
Das mit der Wasserstrahlpumpe erreichbare Vakuum wird vom Dampfdruck des
Wassers begrenzt und liegt bei 9 bis 12 Torr. Um ein Zurücksteigen des Wassers in
die angeschlossene Anlage bei Druckschwankungen zu vermeiden, muß der Wasser-
hahn stets ganz geöffnet sein. Soll das Vakuum wieder aufgehoben werden, ist unbe-
dingt erst durch den Hahn H (Abbildung 24) langsam zu belüften, ehe das Wasser
Arbeiten im Wasserstrahlvakuum 31

Abb. 24 Wasserstrahlpumpe-Anlage mit Wasserstrahlpumpe W, Abb. 25


Sicherheitsflasche S, Belüftungshahn H und dessen eingeritztem Quecksilber-Manostat
Küken K sowie abgekürztem Quecksilbermanometer M mit Hähnen 1-3
(Maßstab für Hahnküken K l : 2)

abgestellt werden darf. Vorsicht, erhitzte Reaktionsansätze können sich bei plötzlicher
Luftzufuhr heftig zersetzen! - An Orten mit starken Wasserdruckschwankungen
empfiehlt sich der Einbau eines Rückschlagventils aus Glas; seine Funktion ist von
Zeit zu Zeit zu prüfen.
Drucke zwischen 10 und 760 Torr kann man grob durch teilweises Öffnen des Hahns
auf der Sicherheitsflasche einstellen. Ein angeschlossenes kleines Nadelventil oder
eine (mit der Dreikantfeile eingeritzte) feine Kerbe im Küken erleichtern die Regu-
lierung; Abbildung 24 K. - Viel zuverlässiger ist die Druckregelung durch einen zwi-
schengeschalteten Manostat. Das einfache Modell mit Quecksilber-Ventil der Ab-
bildung 25 wird folgendermaßen bedient: Zur Einstellung evakuiert man bei ge-
öffnenten Hähnen l bis 3. Ist der gewünschte Unterdruck fast erreicht, schließt man
zunächst l, dann 2. Die weitere Druckverminderung im linken Schenkel hebt das
Quecksilber-Niveau, bis es die Glasfritte berührt und damit verschließt. Erst wenn
der Druck in der angeschlossenen Apparatur steigt, gibt der fallende Quecksilber-
spiegel die Pumpenleitung wieder frei. Der Druck schwankt somit innerhalb weniger
Torr um einen Mittelwert. Nach Beendigung des Versuchs schließt man Hahn 3,
öffnet l und läßt langsam Luft einströmen.
Zur Messung des mit der Wasserstrahlpumpe erzeugten Unterdrucks reicht ein
abgekürztes Quecksilbermanometer völlig aus; Abbildung 24, M. Es hat eine Schenkel-
länge von 20 cm, gestattet also, Drucke zwischen l und 200 Torr abzulesen, und zwar,
wenn das Quecksilber sehr rein ist, auf ein Torr genau. Damit möglichst wenig
Chemikaliendämpfe zum Quecksilber gelangen können, soll der Glashahn am Mano-
meter nur für die Dauer einer kurzen Ablesung geöffnet werden. - Will man prüfen,
ob das Manometer noch in Ordnung ist, evakuiert man es am besten mit einer Öl-
Drehschieberpumpe (siehe nächsten Abschnitt), die ein Vakuum von mindestens
0,1 Torr herstellt. Die beiden Quecksilbermenisken müssen dann genau gleich hoch
stehen. Manometer mit verschmutztem Quecksilber zeigen hierbei „negativen" Druck
32 Allgemeine Arbeitsanweisungen

an und müssen mit gereinigtem Quecksilber (vom Glasbläser) neu gefüllt werden. -
Evakuierte Manometer dürfen nur sehr langsam und vorsichtig belüftet werden, das
schwere Quecksilber würde sonst hochschießen und das Rohr zerschlagen!

Hochvakuumpumpen-Anlagen

In diesem Kapitel werden Anlagen mit Drehschieber- und Diffusionspumpen be-


schrieben, mit denen man Unterdrucke bis zu weniger als 10 ~ 4 Torr erzeugen kann.
(Der Ausdruck „Hochvakuum" hat sich im chemischen Labor allgemein eingebürgert;
er müßte korrekterweise für Drucke zwischen l und 0,001 Torr durch „Feinvakuum"
ersetzt werden.)
Reicht das Wasserstrahlvakuum nicht aus, zieht man für den Bereich bis zu etwa
0,1 Torr eine Öl-Drehschieberpumpe heran; schematische Abbildung 26 P. Bei ihr
drehen sich in einem exzentrisch gelagerten Rotor zwei Schieber. Sie werden dabei
(zentrifugal) an das umgebende Gehäuse gedrückt und saugen durch Vergrößern
einer Kammer auf der einen (hier rechten) Seite Gas an und schieben es auf der an-
deren Seite hinaus. Zur Dichtung läuft der Rotor in Öl. Speziell für das chemische
Laboratorium geschaffene Modelle haben eine (abschaltbare) Gasballast-Emrichtung
(nicht mitgezeichnet). Diese führt den abgesaugten Restdämpfen während des Kom-
primierens Luft zu und erschwert dadurch deren Kondensation im Pumpenöl (ver-
schlechtern allerdings auch das Vakuum).
Ein Endvakuum von 10 ~ 4 Torr und besser liefert die Quecksilber-Diffusionspumpe
mit vorgeschalteter Wasserstrahlpumpe. Modelle aus Duranglas mit elektrischer
Innenheizung haben sich besonders bewährt; Abbildung 27 P. Bei ihnen wird in
einem Kolben Quecksilber zum Sieden gebracht. Der Dampf strömt durch ein System
von Düsen (hier drei) und saugt dabei (analog der Wasserstrahlpumpe) Fremdgase
an. Nach Kondensation im Kühler fließt das Quecksilber wieder in den Kolben
zurück. Der Gasaustritt (Pfeil) ist über eine absteigende Leitung mit einem Wasser-
strahl-Vorvakuum verbunden.
Außer der Pumpe gehören zu jeder Fein- beziehungsweise Hochvakuumanlage -
Abbildung 26 und 27 — tiefgekühlte Kondensfallen zum Abfangen schädlicher
Dämpfe (K), Manometer (sind nicht mitgezeichnet, werden auf M gesteckt), Vakuum-
hähne (H) und eventuell ein Druckausgleichsgefäß (A). - Um den durch Reibung be-
dingten Druckanstieg zwischen Pumpe und Apparatur niedrig zu halten, sollen alle
Verbindungsrohre möglichst weitlumig, kurz und geradlinig sein.
Hochvakuumschliffe dichtet man, indem man sie erst peinlich von Staub reinigt,
dann den Kern hauchdünn mit Spezial-Vakuumfett bestreicht, ihn einmal rasch
durch die leuchtende Flamme schwenkt und in die Hülse fest eindreht. (Schliffe nie-
mals ohne Fett ineinander stecken.) - Vakuumhähne besitzen Hohlküken, die bei
Unterdruck in die Hülsen gesaugt werden.
Zur Messung von Drucken unter einem Torr benutzt man meist Kompressionsmano-
meter, die nach dem Prinzip von H. McLeod ein relativ großes Volumen des Meß-
Arbeiten im Hochvakuum 33

Abb. 26 (oben): Öl-Drehschieberpumpen-Anlage und Abb. 27 (unten): Quecksilber-Diffusionspumpen-


Anlage mit Pumpe P, Kondensfallen in Dewar-Gefäßen K, Anschluß für McLeod-Manometer (NS 14,5
in Aufsicht) M, Vakuumhähnen H und Druckausgleichsgefäß A

gases mit Hilfe von Quecksilber komprimieren und dadurch dessen Druck entspre-
chend vervielfachen. Das Kompressionsverhältnis und die Höhe der drückenden
Quecksilbersäule ergeben den Ausgangsdruck. - Das einfachste Gerät dieser Art ist
das Vakuskop nach Gaede\ Abbildung 28a. Es hat in der Mitte einen Kernschliff (in
der Aufsicht der Abbildung als Doppelkreis zu sehen), um den es aus der Ausgangs-
stellung (Abbildung) links- und rechtsherum gedreht werden kann. Im ersten Fall
dient es als einfaches abgekürztes Manometer (allerdings nur für Druckänderungen
während einer Meßperiode), im zweiten als Kompressionsmanometer mit geeichter
Skala für Drucke bis etwa 0,02 Torr. Nach der Messung dreht man wieder in die
34 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Ruhestellung zurück. - Das Vakuummeter nach Brunner zeigt noch Drucke zwischen
l und 0,001 Torr an; Abbildung 28b. Es wird zur Messung aus der Ruhestellung
(Abbildung) langsam um den waagrechten Kernschliff gegen den Uhrzeigersinn ge-
dreht, bis die unterteilte Kapillare senkrecht steht und das Quecksilber die Markie-
rung im parallelen Rohr erreicht hat. Nach der Ablesung dreht man wieder in die
Ruhestellung zurück. - Alle Kompressionsmanometer zeigen nur den Druck idealer
Gase exakt an; Dämpfe, die sich bei der Kompression kondensieren, verfälschen das
Meßergebnis besonders stark. Weiterhin kann der Druckanstieg zwischen Meßstelle
und Apparatur je nach Länge, Weite und Biegung der Verbindungsrohre recht er-
heblich sein. McLeod-Manometer verlangen sehr reines Quecksilber! - Zur Kon-
trolle des Bereichs höher als l Torr verbindet man mit Hahn Hl der Abbildungen
26-27 zusätzlich ein abgekürztes Quecksilbermanometer (siehe Abbildung 24 M).
Inbetriebnahme der Pumpen:

Abb. 28 a) Vakuskop nach Gaede;


b) Vakuummeter nach Brunner;
beide in Ruhestellung

Bevor man eine Apparatur an das Fein- oder Hochvakuum anschließt, müssen alle
flüchtigen Chemikalien mit der Wasserstrahlpumpe abgesaugt werden.
Zur Benutzung der Drehschieberpumpe (Abbildung 26) füllt man die Dewar-Gefäße
unter den Kühlfallen mit Methylenchlorid und Trockeneis (beachte Angaben auf S. 16)
und schaltet dann direkt den Pumpenmotor an. (McLeod-Manometer in Ruhestel-
lung!) Deutliches Klappen der Ventile macht hörbar, daß das Endvakuum erreicht
ist. Vor oder kurz nach dem Wiederabschalten des Motors belüftet man, damit das
Öl nicht zurücksteigt, durch den Hahn Hl.
Die Dewar-Gefäße der Diffusionspumpen-Anlage (Abbildung 27) werden mit flüssi-
gem Stickstoff gefüllt. Dann verfährt man in dieser Reihenfolge weiter: Bei offenem
H2-Hahn Hl zur Diffusionspumpe hin schließen. Angeschlossene Apparatur mit
einer separaten Wasserstrahlpumpe evakuieren. An Diffusionspumpe Kühlwasser
und Vorvakuum-Wasserstrahlpumpe anstellen. Nach kurzer Wartezeit Heizung ein-
schalten. Wenn das Endvakuum erreicht ist, durch vorsichtiges Drehen von H l vor-
evakuierte Apparatur mit Hochvakuum verbinden (McLeod-Manometer in Ruhe-
stellung!). - Nach der Benutzung Hahn H 2 schließen, Anlage über Hl belüften,
Heizung abschalten. Erst nach völligem Erkalten der Quecksilberpumpe H l öffnen
und Wasserstrahlpumpe abstellen.
Man beachte, daß bei plötzlichem Belüften der evakuierten Apparatur heiße Sub-
stanzen im Reaktionskolben sich autoxidativ (eventuell sogar explosionsartig) zer-
setzen können. Deshalb ist auf jeden Fall das Reaktionsgefaß vorher abzukühlen und
Destillation bei Normaldruck 35

möglichst zuerst Stickstoff einzusaugen (aus gefülltem Ballon wie auf S. 42 beschrie-
ben).

Umgang mit Quecksilber

Quecksilber läßt sich wegen seiner hohen Dichte und seiner großen Oberflächen-
spannung nicht leicht gießen. Verschüttete Tropfen zerplatzen auf dem Boden und
rollen dann als kleinste Kügelchen in alle Ecken und Ritzen, um dort ganz langsam
zu verdampfen. Diese Quecksilberdämpfe verursachen, über längere Zeit eingeatmet,
Gesundheitsschäden (wie Zahnlockerung, Kopfschmerzen, Händezittern und Ge-
dächtnisschwäche).
Aus diesen Gründen ist beim Umgießen von Quecksilber stets behutsam vorzu-
gehen, ein Trichter zu benutzen und eine Schale mit hohem Rand unterzustellen!
Manometer und Manostat sind mit Sorgfalt zu bedienen und bei Nichtgebrauch mit
einem Stopfen verschlossen auf weicher Unterlage in einem Kästchen aufzubewah-
ren. - Verschüttetes Quecksilber bestreut man (zur Verfestigung; Schmp. -380C)
vor dem Zusammenfegen mit pulverisiertem Trockeneis. Reste, die sich so nicht be-
seitigen lassen, versuche man mit Schwefelblume, frischem Zinkstaub, Kupferpulver
oder lodkohle, so gut es geht, unschädlich zu machen.

Destillation

Das Destillieren dient zur Abtrennung von Lösungsmitteln und zur Reinigung von
Flüssigkeiten aufgrund ihrer charakteristischen Siedepunkte.

Destillation bei Atmosphärendruck

Eine einfache Destillationsapparatur (NS 29) besteht aus einem Destillationskolben


(„Blase") mit aufgesetztem Kniestück, schräg absteigendem Liebigkühler mit soge-
nanntem Vakuumvorstoß sowie einem zweiten Kolben als Vorlage; Abbildung 29. Im
Kniestück steckt ein geeichtes Siedepunkt-Thermometer; beide sollen so aufeinander
abgestimmt sein, daß sich die Quecksilberkugel (wie die Abbildung zeigt) gerade
unterhalb der Abzweigung befindet, also von den Dämpfen des Destillats ganz um-
spült wird. - Siedekolben und Kühler werden an zwei Stativen befestigt (die nicht
gegeneinander wackeln dürfen); der Vorlage-Rundkolben soll im Korkring auf einem
Dreifuß mit Drahtnetz oder ähnlichem, stabilem Unterbau stehen.
Der Destillierkolben darf höchstens zu zwei Dritteln mit flüssigem Substanzge-
misch gefüllt werden. Sein flüchtigster Anteil wird verdampft, im Kühler wieder kon-
densiert und gelangt so als abgetrenntes Destillat in die Vorlage.
36 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 29 1-Liter-Standard-Destillationsapparatur

Der Liebigkühler ist für Siedetemperaturen zwischen etwa 60 und 14O0C ange-
bracht (Kühlwasserzulauf ab 10O0C zunehmend drosseln). Höher siedende Stoffe
kondensiert man in einem längeren Glasrohr ohne Mantel (Luftkühler), das direkt an
ein Kniestück angeschmolzen ist; Abbildung 30. Hier kann man den Kühleffekt ver-
stärken, indem man über den unteren kälteren Teil des Rohrs ein Stück Filterpapier
legt und dieses durch vorsichtiges Auftropfen von Wasser dauernd feucht hält. Da
sich die meisten organischen Substanzen oberhalb 15O0C merklich zersetzen, sind
Destillationen bei derart hohen Temperaturen allerdings Ausnahmen.

Abb. 30 l-Liter-Kolben mit absteigendem Luftkühler


Destillationsapparaturen 37

Für Flüssigkeiten, die unterhalb etwa 6O0C sieden, läßt sich der Intensivkühler
(S. 6) verwenden. Ähnlich wirksam ist die auf Abbildung 31 dargestellte, auch für das
Arbeiten im Vakuum eingerichtete Apparatur mit Destillierbrücke, Schlangenkühler
und geradem Vakuumvorstoß. Diese Destilliereinrichtung ist sehr geeignet zum Ab-
dampfen von Lösungsmitteln (natürlich auch solchen, die oberhalb 6O0C sieden). —
Bei Flüssigkeiten, deren Siedepunkt unter 350C liegt, kühlt man mit eiskaltem Wasser
und stellt die Vorlage in ein Kältebad. Nähere Angaben hierzu sowie über das Kühlen
bei höheren Temperaturen und Anbringen der Wasserschläuche stehen auf S. 7.
Besonders bei Destillationstemperaturen über etwa 12O0C ist es zweckmäßig, zur
Wärmeisolierung das Rohrstück zwischen Destillierkolben und Kühler mit Alumi-
niumfolie (oder Asbestschnur) zu umwickeln, um unnötiges Überhitzen der Sub-
stanzen (und ungleichmäßiges Sieden bei Zugluft) zu verhindern.

Abb. 31 l-Liter-Destillationsapparatur
zum Verdampfen von Lösungsmitteln im Vakuum
mit Brücke und Schlangenkühler

Prinzipiell lassen sich alle für die Vakuumdestillation eingerichteten Apparaturen -


von denen die Abbildungen 31, 32 und 34-37 einige zeigen - auch bei Normaldruck
38 Allgemeine Arbeitsanweisungen

verwenden; man braucht nur die Kapillare durch einen Stopfen zu ersetzen. Die
Temperaturmessung ist in solchen Claisenkolben sogar noch zuverlässiger.
Als Heizquellen dienen Heizbäder. Sie müssen im mittleren Temperaturbereich
10 bis 3O0C über den Siedepunkt des Destillationsguts erwärmt werden. Siedesteine
nicht vergessen! (siehe S. 9). Verursachen ausfallende Feststoffe trotzdem Siedever-
zug, muß unterbrochen und abfiltriert werden.
Bei feuergefährlichen Substanzen verwende man - soweit möglich - keine Gas-
brenner! Vor dem Öffnen des noch warmen Destillierkolbens sind unbedingt alle
Flammen in der Umgebung zu löschen!
Besondere Vorsicht ist beim Destillieren von Ether geboten! Es ist unbedingt eine
Schliffapparatur mit Vakuumvorstoß zu verwenden und an das offene Rohr des Vor-
stoßes ein längerer Schlauch anzuschließen, dessen freies Ende tief in einen Abzugs-
schacht oder zumindest bis auf den Fußboden führt! Größere Mengen Ether destil-
liert man in den mit Dampfbädern ausgerüsteten feuersicher installierten Ether-
räumen. - Wegen der Gefährlichkeit von Etherperoxiden sind die Hinweise auf S. 113
zu beachten!
Das Abdestillieren von Lösungsmitteln zur Isolierung gelöster, schwerflüchtiger
Stoffe gehört zu den häufigsten Tätigkeiten im organischen Labor. Der Siedekolben
ist in diesem Fall dem zu gewinnenden Rückstand anzupassen. Stark verdünnte Lö-
sungen füllt man mehrfach nach, entweder mit einem längeren Trichter durch den
Thermometertubus (Heizung ausschalten!) oder mit einem Tropftrichter, der auf
einem zweiten Tubus sitzt. Oft ist es außerdem zweckmäßig, gegen Ende der Destil-
lation in einen kleineren Siedekolben umzufüllen. - Letzte Lösungsmittelreste sind
selbst bei Temperaturen, die weit über deren Siedepunkt liegen, nicht mehr voll-
ständig abzudampfen. Hier hilft nur Evakuieren (siehe Vakuumdestillation) oder
Trocknen im Exsikkator (siehe S. 104). - Eine verwandte Methode, wässerige Lösun-
gen besonders schonend einzudampfen, die „Gefriertrocknung", ist auf S. 58 be-
schrieben.
Die Abtrennung einer Flüssigkeit von ebenfalls flüchtigen Verunreinigungen ver-
langt einefraktionierende Destillation, das heißt ein getrenntes Auffangen des niedriger
siedenden „Vor lauf s", der Hauptfraktion und des höher siedenden „Nachlaufs". Im
allgemeinen soll das gewünschte Produkt innerhalb eines Intervalls von höchstens
drei Grad C abgenommen werden. Dabei kann die abgelesene Siedetemperatur um
ein, zwei Grad C vom authentischen Siedepunkt abweichen. Vorlauf und Nachlauf
können noch erhebliche Anteile des Hauptprodukts enthalten. Vielfach lohnt es sich,
beide zu vereinigen und aus kleinerem Kolben erneut zu fraktionieren.
Liegen komplexe Gemische vor oder sind die Siedepunkte unbekannt, wechselt
man die Vorlagen häufiger und registriert laufend Zeit, Badtemperatur, Siedetem-
peratur, gegebenenfalls Unterdruck, Vorlagenwechsel sowie Destillatmenge. Ein
Zeit-Siedetemperatur-Diagramm erleichtert dabei die Übersicht. Für den lernenden
Praktikanten gehören diese Aufzeichnungen zum Arbeitsprotokoll jeder fraktio-
nierenden Destillation.
Bei stufenlosem Ansteigen der Siedetemperatur liegt ein Gemisch mehrerer Stoffe
fraktionierende Destillation 39

mit ähnlichen Siedepunkten vor. Sind die Siedepunktdifferenzen kleiner als etwa 60
bis 8O0C, lassen sich die Komponenten nur noch über eine Kolonne befriedigend
trennen (siehe S. 46).
Eine fraktionierende Destillation erfordert Geduld. Die Temperatur der Heizbäder
muß sorgfältig eingestellt werden, und zwar so, daß konstant pro Sekunde etwa zwei
Tropfen in die Vorlage fallen. Die Destillationsgeschwindigkeit ist nur dann ohne
Einfluß auf den Trenneffekt, wenn die zurückbleibende Komponente praktisch kei-
nen Dampfdruck hat. - Wird zu kräftig geheizt, läuft also die Destillation zu schnell,
dann hat der Dampf nicht genügend Zeit, sich ins Gleichgewicht zu setzen, und
strömt überhitzt in den Kühler: Die Temperatur am Siedethermometer steigt über
den Siedepunkt; die Trennung ist unvollkommen. Wird zu schwach geheizt, konden-
siert sich das Destillat schon vor Erreichen des Kühlers: Die Temperatur fallt ab.
Plötzlicher Temperaturabfall bei gleichzeitiger Bildung von Rauch läßt erkennen,
daß sich das Destillationsgut zersetzt. In diesem Fall sofort abbrechen und versuchen,
durch Vakuumdestillation zum Ziel zu kommen. Ist die Temperaturbeständigkeit der
Substanz nicht bekannt, sollte man auf jeden Fall vor der Destillation eine kleine
Probe auf Zersetzung prüfen.
Nicht immer läßt sich das Erscheinen eines neuen Stoffs am plötzlich rascheren An-
stieg des Siedethermometers erkennen. Weitere deutliche Hinweise zum Wechsel der
Vorlage sind: Nebelbildung in der Nähe der Thermometerkugel (hervorgerufen durch
die Differenz der Verdampfungswärmen) oder Schlierenbildung in der Vorlage.
Hygroskopische Substanzen schützt man, indem man ein Trockenrohr an den
Vakuumvorstoß hängt.

Destillation bei vermindertem Druck

Der Dampfdruck von Flüssigkeiten ist eine reziproke Funktion der Siedetemperatur.
Schon der Unterdruck der Wasserstrahlpumpe reicht aus, den Siedepunkt von Ver-
bindungen, die bei Normaldruck zwischen 100 und 40O0C destillieren, um 100 bis
16O0C zu senken. Den quantitativen Zusammenhang liefert die Gleichung von
Clausius-Clapeyron1:

In p = Konst. -
RT
In erster Näherung ist die absolute Siedetemperatur der Verdampfungsenthalpie Lv
proportional. Das bedeutet: Trägt man In p gegen l/T auf, ergeben sich für Verbin-
dungen mit gleichen Siedepunkten identische Geraden. Zahlenwerte der Geraden für
einige Flüssigkeiten sind im Anhang zusammengestellt (siehe S. 716). Sie gestatten es,
ungefähr abzuschätzen, wann eine Verbindung, deren Siedepunkt bei 760 Torr man

Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.


40 Allgemeine Arbeitsanweisungen

kennt, bei Unterdruck siedet. - Danach gilt in grober Annäherung: Verminderung des
Drucks auf den halben Torr-Wert senkt den Siedepunkt um /50C.
Prinzipiell vermindert man den Druck:
beim Abdestillieren von Lösungsmitteln, wenn die gelösten Substanzen wenig flüchtig
sind und die Siedepunkte dieser Lösungsmittel über 800C liegen (Wasserstrahlpum-
pen-Vakuum); Vorteile: Es kann ein Dampf- oder Wasserbad benutzt werden; der
Destillationsrückstand wird geschont;
oder beim Destillieren von Flüssigkeiten, deren Siedepunkt höher als etwa 15O0C
liegt. Hohe Temperaturen bedeuten größere Feuer- und Unfallgefahr;
oder beim Destillieren thermolabiler Stoffe.
Das Erzeugen und Messen von Unterdruck sowie der Umgang mit evakuierten
Apparaturen wurde schon im Kapitel 9 ausführlich behandelt. Hier sei nur noch
einmal auf den Schutz der Augen hingewiesen!
Um den Druckabfall zwischen Manometer und Siedekolben klein zu halten, soll
die Vakuumschlauch-Verbindung möglichst kurz und gerade sein.
In den meisten Fällen reicht die Wasserstrahlpumpe aus. Ihr muß hier unbedingt
eine Sicherheitsflasche vorgeschaltet sein! Will man Substanzen reinigen, die sich bei
12 Torr nicht mehr vollständig kondensieren (Sdp. kleiner als 40 bis 5O0C), schaltet
man einen Manostaten (S. 31) oder ein T-Stück mit Nadelventil (siehe S. 132) zwi-
schen Pumpe und Apparatur. — Für sehr hoch (über 25O0C) siedende oder sehr leicht
zersetzliche Verbindungen ist die Drehschieber- oder eventuell die Diffusionspumpe
heranzuziehen.
Auf Abbildung 32 und 34 sind zwei typische Vakuum-Destillationsapparaturen zusam-
mengestellt. Sie unterscheiden sich von den Geräten, die zur Destillation unter Nor-
maldruck verwendet werden, nur dadurch, daß sie an Stelle des einfachen Kniestücks

Abb. 32 l-Liter-Vakuumdestillationsapparatur
Vakuumdestillation 41

einen sogenannten Claisenaufsatz mit zwei Hälsen haben, dessen zentraler eine Siede-
kapillare trägt. Claisenaufsatz und Liebigkühler bestehen oft aus einem Stück. Bei
kleineren Apparaturen mit NS 14,5 Schliffen sollten nur Spitzkolben verwendet
werden. - Die Anschlüsse der Vakuumvorstöße werden mit der Pumpenanlage ver-
bunden.
Je geringer der Druck, desto stärker die Neigung zum Siedeverzug. Ihm zu begegnen
ist die Aufgabe der Siedekapillare, durch die bei Unterdruck eine Kette kleinster Luft-
bläschen in das Destilliergut perlt, um dort als Keime für das Entstehen der Dampf-
blasen zu wirken.
Die Siedekapillare zieht man sich aus einem Einleitungsrohr mit NS 14,5 Schliff:
Neue Rohre werden in der Flamme zuerst zu einem verjüngten Rohr (Steg) von l bis
2 mm Durchmesser ausgezogen. Anschließend bringt man den Steg an einer passen-
den Stelle in der Lockflamme des Bunsenbrenners unter Drehen zum Schmelzen und
zieht dann die Schmelzstelle außerhalb der Flamme rasch um etwa einen Meter aus-
einander. Nach dem Erkalten bricht man in der richtigen Länge ab. Die Kapillare
muß bis zur tiefsten Stelle des Destillierkolbens reichen. Ihre Durchlässigkeit prüft
man, indem man sie in ein Reagenzglas mit etwas Ethanol taucht und am oberen Ende
mit dem Mund kräftig bläst. Es sollen dann nur langsam winzige Bläschen austreten. -
Statt des Einleitungsrohrs mit angeschmolzenem Schliff kann natürlich auch ein
solches verwendet werden, das man sich aus einem Kernschliff, einem Normalglas-
Rohr und einer Gummischlauchmanschette selbst zusammengesetzt hat; vergleiche
Abbildung 2OE (S. 24). - Um Stauungen der destillierenden Flüssigkeit zu vermei-
den, soll wie Abbildung 34a zeigt, bei kleineren Apparaturen der dickere Rohrteil
oberhalb der Siedekapillare höchstens bis zur Verzweigungsstelle des Claisenauf-
satzes reichen.
Der Destillierkolben darf nur gut zur Hälfte gefüllt werden.
Zu Beginn der Destillation stellt man die Pumpe an und überprüft, ob Luft aus der
Kapillare perlt. Man muß unbedingt erst warten, bis sich der gewünschte Unterdrück
eingestellt hat, bevor man mit dem Heizen beginnt! Bei umgekehrter Reihenfolge würde
die über den Vakuum-Siedepunkt erhitzte Flüssigkeit beim Evakuieren heftig stoßen.
Nach Beendigung der Destillation läßt man erst erkalten (eventuell zusätzlich von
außen kühlen), bevor man langsam - an der Sicherheitsflasche! - den Unterdruck
aufhebt. Heiße organische Substanzen können sich beim Belüften zersetzen.
Ist ein Gemisch mit sehr breitem Siedebereich zu trennen, geht man Schritt für
Schritt vor: Zuerst werden die flüchtigen Anteile (meist Lösungsmittelreste) an der
Wasserstrahlpumpe entfernt. Dann wird die Drehschieberpumpe und anschließend
die Diffusionspumpe benutzt. Man beachte, daß sich der entsprechende Unterdruck
erst dann völlig einstellen kann, wenn alle tiefer siedenden (Lösungsmittel-)Rück-
stände weggedampft sind!
Destillationsapparaturen für Hochvakuum unterscheiden sich prinzipiell nicht von
normalen Vakuumapparaturen. Lediglich die Siedekapillare muß feiner sein, damit
der stets vorhandene Druckabfall zum Manometer nicht zu groß wird. - Bei Drucken
unter etwa 0,1 Torr ist die Siedekapillare (dann, wenn alle tiefersiedenden Gasreste
42 Allgemeine Arbeitsanweisungen

aus dem Destilliergut abdestilliert sind!) nicht mehr nötig: Die Flüssigkeiten ver-
dampfen im Hochvakuum, ohne Gasblasen zu bilden, von der Oberfläche her. Unter
diesen Umständen sind die vom Siedepunkt angezeigten Werte sehr unzuverlässig.
Der Erfolg einer Trennung hängt hier ganz wesentlich von der sorgfältigen Einregu-
lierung und Konstanthaltung der Badtemperatur ab!
Viele Anfänger haben einen ungerechtfertigten Horror vor der Hoch Vakuumdestil-
lation. Hat man sich vorher mit der Bedienung der Pumpenanlage vertraut gemacht,
ist sie nicht schwieriger als jede andere Destillation.
Stark autoxidable Stoffe müssen unter einem Schutzgas (meist Stickstoff) destilliert
werden. Man füllt dazu eine Luftballonhülle oder Fußballblase mit Gas und verbindet
diese mit der Kapillare. Bei hygroskopischen Substanzen schaltet man sowohl zwi-
schen Apparatur und Wasserstrahlpumpe als auch vor die Kapillare ein Trockenrohr.
Will man lediglich Lösungsmittel von Feststoffen abdestillier en, kann man auf das
Thermometer verzichten. Der Claisenaufsatz sollte trotzdem benutzt werden; er ist
ein wirksamer Spritzschutz. Die beim Abdampfen ausfallenden Feststoffe können die
Kapillare verstopfen. Man filtriert in diesem Falle ab oder verwendet an Stelle der
Kapillare ein Glasrohr, dessen oberes Ende durch ein Vakuumschlauchstück mit
Nadelventil fast geschlossen ist.
Wässerige Lösungen, die oberflächenaktive Stoffe enthalten, schäumen beim Ein-
engen im Vakuum. Zusatz weniger Tropfen Octylalkohol oder Silicon-Entschäumer
beseitigt meist dieses Übel. Weiterhin besteht die Möglichkeit, eine zweite kurze
Kapillare in den Thermometertubus zu stecken, und so die Blasen, die übersteigen
könnten, durch den feinen Luftstrom zum Platzen zu bringen. Nützt beides nicht
genug, muß ein übergroßer Siedekolben genommen werden.
Zum Abdestillieren von Lösungsmitteln ist, wie bereits erwähnt, eine Apparatur
mit Schlangenkühler gut geeignet (Abbildung 31). Sehr viel wirksamer, allerdings
auch erheblich teurer, ist der Rotationsverdampfer, von dem Abbildung 33 einen be-
währten Typ zeigt1. Er hat einen regelbaren Elektromotor, der den evakuierten Destil-
lationskolben in einem Wasserbad um seine schräg liegende Achse dreht. Dabei wälzt
sich die Lösung dauernd um und überzieht die obere Kolbenwand ständig mit einem
dünnen Film. Die Flüssigkeit verdampft rasch, ohne daß sie zum Sieden kommt.
Kapillare und Siedesteine sind nicht nötig.
Bei stark flüchtigen Lösungsmitteln ist die Vorlage mit Eiswasser zu kühlen. Je
besser die Kühlung, desto rascher geht die Flüssigkeit über. Deshalb ist auch von der
Benutzung improvisierter Apparaturen, bei denen Kühler und Vorlagen fehlen, ab-
zuraten, zumal es verboten ist, größere Mengen leichtentzündlicher Stoffe ins Ab-
flußwasser zu saugen.
Für die fraktionierende Vakuumdestillation ersetzt man meistens den einfachen Va-
kuumvorstoß durch eine sogenannte „Spinne" oder einen Anschütz-Thiele-Vorstoß;
Abbildung 34a und b. Beide gestatten den Wechsel der Vorlagen ohne Zwischenbe-
lüftung.

1
FirmaW.Büchi.
Vorstöße für die Vakuumdestillation 43

Abb. 33 Rotationsverdampfer zum Abdestillieren von Lösungsmitteln

Abb. 34 a) lOO-ml-Vakuumdestillationsapparatur NS 14,5 mit Bredt-Vorstoß (Spinne); b) Anschütz-


Thiele-Vorstoß mit den Hähnen 1-3

Die Spinne („Euter", eigentlich Bredt-Vorstoß, Abbildung 34a) hat einen drehbaren
Verteiler mit drei bis vier Ansätzen, aufweiche die Vorlagekölbchen gesteckt werden.
Drehen um 120 beziehungsweise 90° um eine senkrechte Achse bringt jeweils den
nächsten Kolben unter das innere Ablaufrohr. (Siehe auch Abbildung 37.) - Der Dreh-
schliff ist gut zu fetten. Die Vorlagekölbchen müssen in jeder Stellung fixiert werden.
Der Anschütz-Thiele-Vorstoß hat zwei einfache Hähne (l und 2 auf Abbildung 34b)
44 Allgemeine Arbeitsanweisungen

und einen doppelt durchbohrten (3). Während der Destillation steht Hahn 3 so, daß
die Pumpe mit der Apparatur verbunden ist; 2 ist offen. Hahn l macht es möglich, das
Destillat vorläufig abzufangen und sein Volumen zu messen. Zum Vorlagewechsel
wird l geschlossen und 3 um 180° gedreht. Der belüftete Kolben kann nun ausge-
tauscht werden. Anschließend wird 2 geschlossen und 3 erneut um 180° gedreht. Ist
der neue Kolben evakuiert, werden 2 und l wieder geöffnet. Die Zahl der Vorlagen
ist hier nicht begrenzt. - Für kleine Mengen oder sehr viskose Stoffe ist der Anschütz-
Thiele-Vorstoß ungeeignet. Im Hochvakuum sind die Hähne nicht mehr dicht genug.
In diesen Fällen nehme man die Spinne.
Besteht die Gefahr, daß auskristallisierende Destillate die Apparatur verstopfen,
benutzt man an Stelle des Kühlers eine Destillierbrücke und als Vakuumvorlage einen
Zweihalskolben; siehe Abbildung 35. Diese Anordnung macht es leicht möglich,
erstarrte Substanzen von außen vorsichtig mit fächelnder Flamme oder einem Heiß-
luft-Haartrockner („Fön") wieder zu schmelzen. Die Spinne auf Abbildung 34a läßt
ebenfalls ein solches Erwärmen von außen zu.

Abb. 35 500-ml-Vakuumdestillations- Abb. 36 250-ml-Kolben mit Vakuum-


apparatur für feste Destillate Säbelaufsatz

Von vorneherein/este Substanzen destilliert man in einem Kolben mit Säbelaufsatz


(Schwertaufsatz); Abbildung 36. Wegen der meist hohen Siedepunkte wird fast aus-
schließlich bei Unterdruck gearbeitet Ist das Material sehr locker und feinkörnig,
schüttet man es vorsichtig durch den Thermometertubus zur Siedekapillare in den
Kolben; anderenfalls muß man es erst schmelzen, bevor man die Kapillare einführen
kann. Da das Destillat nicht abtropft und da der Säbel - besonders dann, wenn er
schon teilweise mit heißer Substanz gefüllt ist - nur geringe Kühlwirkung hat, er-
fordert das Heizen viel Fingerspitzengefühl. Wenn die Feststoffe nicht zur Zersetzung
neigen, kann man vorsichtig mit der Bunsenbrennerflamme um den Kolbenboden
kreisen. Zu Beginn, bis alles geschmolzen ist, darf nur behutsam erwärmt werden.
Liegt der Siedepunkt unter 15O0C, kann man durch Umwickeln des Säbels mit einem
feuchten Tuch die Kühlung verstärken. Das längere Verbindungsrohr zum Vakuum-
schlauch soll nichtkondensierte Reste abfangen. Es läßt auch erkennen, ob die Gefahr
Destillation kleiner Mengen 45

besteht, daß sich der Schlauch verstopft. Zum Schluß wird das Destillat durch vor-
sichtiges Schaben mit einem Spatel oder erneutes Schmelzen herausgeholt Die
letzten Reste spült man mit Lösungsmittel ab.
Noch schonender als im Hochvakuum können temperaturempfindliche, hoch-
siedende Flüssigkeiten (mit Molekulargewichten zwischen etwa 250 und 1200) durch
Kurzweg- oder Molekulardestillation getrennt werden. Das Wesen dieser Verfahren
besteht darin, daß die Substanzen bei Drucken von weniger als 10"3 Torr und Tem-
peraturen weit unterhalb ihrer Siedepunkte (etwa 20O0C tiefer) aus einer geheizten
Flüssigkeitsschicht an eine nur l bis 2 cm entfernte, gekühlte Kondensationsfläche
diffundieren. Da der Weg, den die Moleküle zurücklegen, kleiner ist, als ihre mittlere
freie Weglänge1, hängt hier die Destillationsgeschwindigkeit — und damit Trennung -
nicht nur von den Dampfdrucken, sondern auch von den Molekulargewichten ab.
Hinsichtlich modernerer Apparaturen und ihrer Anwendung sei auf die Fachliteratur
verwiesen.

Destillation kleiner Mengen

Für Volumina zwischen 2 und 5 ml ist die auf Abbildung 37 dargestellte Mikrodestilla-
tionsapparatur mit NS 10 und NS 14,5 Schliffen geeignet. Sie besteht aus einem 10-ml-
Zweihalsdestillierkolben, dessen 15 cm langer, 7 mm weiter Luft- oder auch Liebig-
kühler abgeknickt ist, um als Spritzschutz zu wirken und ein tiefes Einhängen des
Kolbens ins Heizbad zu ermöglichen. (Für hochsiedende Substanzen soll das Kühl-
rohr tief, für tiefsiedende hoch am Kolbenhals angesetzt sein.) Zur Vakuumfraktio-
nierung kann über einen geraden Vorstoß ein Rezipient angeschlossen werden, der
drei bis vier kleine, durch Drehen auswechselbare Vorlageröhrchen enthält. Zur Ver-
meidung von Siedeverzügen stopft man in und über das Trenngut so viele Glaswolle,
daß der ganze Destillierkolben locker damit gefüllt ist. Die Destilliergeschwindigkei-
ten wählt man bei so geringen Mengen kleiner als üblich. Da dann die Ablesung am
Siedethermometer unzuverlässig wird, registriert man ersatzweise meist besser die
Badtemperatur.
Noch kleinere Mengen zwischen 0,5 und 3 ml lassen sich - auch bei Unterdruck -
im Kugelrohr destillieren oder grob fraktionieren. Dieses, jeweils nur einmal zu be-
nutzende Gerät stellt der Glasbläser nach Abbildung 38 her, indem er ein 7 mm weites
Glasrohr am Ende zu einer 2,5 bis 3 cm dicken Kugel und dann im Abstand von je-
weils etwa 7 cm zu 2 bis 3 weiteren 2 bis 2,5 cm dicken Kugeln aufbläst. Zur Appara-
tur gehört als spezielle Luftbad-Heizung ein rechteckiger, etwa 20 mal 10 mal 10 cm
großer Blechkasten mit großen Marienglas-Fenstern an Vorder- und Rückwand und
vertikalem, bis zur Hälfte der Höhe eingeschnittenem, 8 mm breitem Schlitz in einer
Seitenwand. Er hat einen Deckel mit eingesetztem Thermometer und ist etwa 5 mm
hoch mit Sand gefüllt. Hinter dem Rückfenster kann eine kleine Lampe befestigt
1
Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.
46 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 37 10-ml-Mikrodestillations- Abb. 38 a) Kugelrohr-Vakuumdestillations-


Apparatur NS 10 (mittellang) und NS 14,5 apparatur mit Luftbad
für Vakuum mit Wechselvorstoß b) kommerzielle Apparatur

werden. - Das Destilliergut wird mit einer lang ausgezogenen Hütchenpipette in die
- als Siedekolben dienende - Endkugel eingespritzt. Dazu kommt ein Siedestein oder
besser etwas zerstoßende Glaswolle. Eventuell vorhandene Lösungsmittelanteile
(vom Nachspülen) entfernt man durch Evakuieren und senkrechtes Einhängen in ein
Wasserbad. Zur Destillation befestigt man das Rohr derart waagrecht am Ofen, daß
nur die äußerste Kugel aus dem Schlitz herausragt, erhitzt so lange, bis sich in ihr die
erste Fraktion angesammelt hat, und rückt dann, zum Auffangen weiterer Fraktio-
nen, jeweils die nächste Kugel aus dem Ofen heraus. Dabei werden die Destillate durch
Aufstecken eines geschlitzten Stücks dicker Asbestpappe auf das Rohr vor der Strah-
lungswärme des Ofens geschützt. Bei Vakuumdestillationen kann zusätzlich durch
auftropfendes Wasser gekühlt werden (siehe Abbildung). Ist die Destillation beendet,
ritzt man die Zwischenrohre rundherum an und sprengt dort die Kugeln durch Auf-
drücken eines glühenden Glasstabes auseinander (siehe S. 1). Als Ersatz für die
direkte Kontrolle der Siedetemperatur muß man eventuell anschließend von jeder
Fraktion eine Siedepunktbestimmung machen.
Höheren Ansprüchen genügen Kugelrohre mit Schliffverbindungen zwischen De-
stillationskolben und erster Kugel oder sogar zwischen den einzelnen Kugeln. Die
Destillationen verlaufen viel glatter, wenn sich das Kugelrohr dreht. In einem kom-
merziell erhältlichen Gerät1 rotiert das evakuierte Kugelrohr in einem durchsichtigen
Heizofen aus Quarzglas; Abbildung 38b.

Kolonnendestillation

Eine einmalige einfache Destillation ist nur dann ausreichend, wenn sich die Siede-
punkte des Vor- und Nachlaufs mindestens um 800C von dem der Hauptfraktion
unterscheiden und die Anforderungen an Reinheit und Ausbeute den durchschnitt-
lichen Rahmen präparativen Arbeitens nicht überschreiten (siehe Tabelle S. 48). Die
1
FirmaW.Büchi
Wirkungsweise der Destillationskolonne 47

DAMPF

SdpB

SdpA

FLÜSSIGKEIT

100% A Zusammensetzung 100% B Abb. 40


Schematische Darstellung
Abb. 39 Zustandsdiagramm eines idealen Zweistoff- einer Bodenkolonne
gemisches (Ausschnitt)

Trennwirkung läßt sich jedoch dadurch potenzieren, daß man die Kondensate erneut
destilliert.
Diese Tatsache soll anhand des Zustandsdiagramms eines idealen binären Flüssig-
keitsgemischs veranschaulicht werden1: Auf Abbildung 39 sind die prozentualen Kon-
zentrationen der beiden Komponenten A und B gegen die Temperatur aufgetragen.
Die eingezeichnete Siedekurve liefert die Zusammensetzung der flüssigen Phase, die
Kondensationskurve die der korrespondierenden Dampfphase. Mit dem siedenden
Gemisch X3 steht die Gasmischung X 2 im Gleichgewicht. Kondensiert man X2 und
verdampft es dann wieder, gelangt man (über eine Treppenstufe) zu X1 und so fort.
Mit zunehmender Zahl von Verdampfungs- und Kondensationsschritten reichert
sich also die flüchtigere Substanz A im Dampfraum immer mehr an. - Die starke Ab-
hängigkeit des absoluten Trenneffekts vom Konzentrationsverhältnis sowie die
theoretische Unmöglichkeit, den einen Stoff vom anderen völlig abzutrennen, sind
deutlich zu erkennen.
Sehr viel einfacher, als durch mehrfaches Destillieren erreicht man das gleiche Ziel
mit Hilfe einer zwischen Siedekolben und Kühler eingebauten Kolonne, das heißt
durch „Rektifizieren". Die Wirkungsweise eines solchen Trennrohrs läßt sich am
besten an einer Bodenkolonne erklären: Wie aus Abbildung 40 ersichtlich, muß hier
der aufsteigende Dampf auf jedem Boden durch eine Schicht seines eigenen Konden-
sats strömen. Dabei stellt sich jedesmal erneut ein offenes Verdampfungs-Konden-
sations-Gleichgewicht ein. Die Kondensate fließen im Gegenstrom nach unten. Dem
Temperaturgefälle zwischen (kälterem) Kolonnenkopf und (heißerem) Destillier-
1
Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.
48 Allgemeine Arbeitsanweisungen

kolben entspricht also ein Konzentrationsgefälle zwischen flüchtigeren und weniger


flüchtigen Anteilen. - Die Trennwirkung, die ein sogenannter theoretischer Boden er-
reicht, das heißt ein solcher, bei dem sich das thermodynamische Gleichgewicht völlig
einstellen würde, läßt sich als theoretische Trennstufe zum Beispiel graphisch aus
einem idealen Siedediagramm (siehe Abbildung 39) ermitteln1. Beide (identischen)
Begriffe werden allgemein zur Charakterisierung von Trennleistungen benutzt. Eine
abgeleitete Maßeinheit, die der Trennstufenhöhe, gibt an, welche Höhendifferenz (in
Zentimetern) eines Kolonnentyps einem theoretischen Boden entspricht.
Die folgende Aufstellung gibt einen Anhalt über die für verschiedene Destillat-Rein-
heitsgrade erforderliche Mindestzahl theoretischer Trennstufen:

Reinheit Siedepunktsdifferenz
8O0C 6O0C 4O0C 2O0C 1O0C 40C 1,O0C

90% 1 1,3 2 4 8 20 80
99% 2 2,5 4 8 16 40 160
99,9% 3 4 6 12 24 60 240

Diese Angaben gelten nur für ideale Zweistoffgemische, zu denen jedoch neben
allen homologen auch viele ähnliche Verbindungen gerechnet werden können. Bei
nichtidealen Systemen ist die Trennung schwieriger, wenn nicht unmöglich (siehe
S. 52). Bodenkolonnen sind hauptsächlich für technische Ansätze geeignet. Im Labor
verwendet man vorwiegend Konstruktionen, bei denen sich das Kondensat als dünner
Film niederschlägt. Je größer die Austauschfläsche, desto kleiner die Trennstufen-
höhe. Abbildung 41a zeigt eine Vigreux-Kolonne\ bei ihr ist die Rohrwandung durch
dornenartige Einbuchtungen erweitert. Die Jantzen-Kolonne gleicht einem langen
Schlangenkühler, dessen Mantel evakuiert ist. Auf Abbildung 41 b ist ein Modell dar-
gestellt, bei dem der Weg in ähnlicher Weise durch eine dicht anliegende Widmer-
Spirale verlängert ist. Die Ringspaltkolonne hat im Inneren eine genau eingepaßte
Walze, die nur noch einen millimeterbreiten zylindrischen Raum frei läßt. — Weitaus
größer ist die Austauschfläche bei Füllkörper-Kolonnen', Abbildung 4Ic. Das sind
Glasrohre mit Siebboden, welche kleine Partikelchen enthalten. Zunehmende Wirk-
samkeit als Füllkörper haben: gläserne Raschig-Ringe; Glaskugeln; Berl-Sättel aus
Porzellan; Glas- oder V2A-Wendeln. - Prinzipiell anders arbeitet die Drehband-
Kolonne. Sie hat ein sehr schnell (2000 U/min) rotierendes, durch das ganze Rohr ge-
spanntes Kunstoff- oder Metallband, das den Rücklauf gegen die Wand schleudert
und dabei zu winzigen Tröpfchen versprüht.

1
Die Theorie der Rektifikation kann im Rahmen dieses Buchs nicht behandelt werden; über die Technik
kann nur ein Überblick gegeben werden. Genauere Informationen bieten: K. Sigwart, Methoden der or-
ganischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4.AufL, Bd. ///, S. 777, Thieme, Stuttgart 1958; A. und E.
Rose, in A. Weissberger, Technique of Organic Chemistry, Bd. IV, Interscience Publ., New York 1965;
E. Krell, Handbuch der Laboratoriumsdestillation, 3. Aufl., A.Hüthig Verlag, Heidelberg, Basel, Mainz
1976; E. Kirchbaum, Destillier- und Rektifiziertechnik, 4.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg,
New York 1969.
Destillationskolonnen 49

Abb. 41 a) Vigreux-Kolonne; b) Widmer-Kolonne; c) Füllkörperkolonne mit Vakuummantel (natürliche


Länge etwa l Meter)

Für die Beurteilung einer Kolonne sind Trennstufenhöhe, Betriebsinhalt (Substanz-


menge, welche die Kolonne als Flüssigkeit und Dampf aufnimmt) sowie Strömungs-
widerstand (Maß für den Druckanstieg zum Siedekolben bei Vakuumdestillationen)
wichtige Kenngrößen. Dabei ist die Trennstufenhöhe mehr oder weniger stark von
der Belastung (,Aufkochrate" = ml Destilliergut pro Stunde) abhängig; das heißt von
der Stärke der Dampferzeugung im Destillierkolben.
Leeres Rohr: Geringste Wirksamkeit. Eine normale Destillationsapparatur ohne
Kolonne hat etwa l bis 1,5 theoretische Böden.
Jantzen-Kolonne: Bei 4 bis 6 mm Durchmesser für das Innenrohr der üblichen
Ausführung und 50 bis 200 ml pro Stunde Belastung Trennstufenhöhe etwa 5 cm.
Geringer Betriebsinhalt. Gut geeignet für Vakuumdestillationen.
Vigreux-Kolonne: Bei 24 mm Durchmesser und 300 bis 500 ml pro Stunde Be-
lastung Trennstufenhöhe etwa 10 cm. Sehr geringer Betriebsinhalt. Sehr gut geeignet
für Vakuumdestillationen. Am häufigsten im Praktikum benutzte Kolonne.
Füllkörperkolonnen: Alle haben großen Betriebsinhalt. Trennstufenhöhe bei
24 mm Durchmesser und 400 ml pro Stunde Belastung für 4,5 mal 4,5 mm Raschig-
Ringe etwa 7,5 cm; für 3 mm Glaskugeln etwa 6 cm; für 4 mal 4 mm Berl-Sättel etwa
5,5 cm; für 2 mal 2 mm Wendeln etwa 2 cm und für 4 mal 4 mm Wendeln etwa 3 cm. -
Glaskugeln und Berl-Sättel haben hohe, Wendeln geringe Belastbarkeit.
Drehbandkolonne: Bei 4 mm Durchmesser und 60 bis 180 ml pro Stunde Belastung
50 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Trennstufenhöhe 2,5 bis 5 cm. Sehr geringer Betriebsinhalt. Sehr gut geeignet für
Vakuumdestillationen.
Optimale Trennung erreicht man nur dann, wenn das fließende Austausch-Gleich-
gewicht zwischen Siedekolben und Kühler so wenig wie möglich gestört wird. Dazu
ist erstens nötig, daß die Kolonne weitgehend adiabatisch arbeitet, also nach außen
wärmeisoliert ist, und zweitens, daß nur ein Bruchteil des Dampfs aus dem Gleich-
gewicht entnommen wird.
Die Wärmeisolierung ist desto sorgfältiger auszuführen, je schwieriger die Tren-
nung, je höher die Siedetemperatur und je dünner und länger die Kolonne ist. Im ein-
fachsten Fall genügt ein überzogenes mit Korkstopfen gehaltenes Glasrohr; Abbil-
dung 41a-b. Bedeutend effektvoller sind hoch evakuierte Glasmäntel, sie haben Bälge,
die die Temperaturspannungen auffangen; Abbildung 4Ic. Sehr gute Reflexion der
Wärmestrahlung gewährleistet Aluminiumfolie. Man kann sie in mehreren Lagen
direkt um das Rohr wickeln oder in den Glasmantel einlegen. Die evakuierten Mäntel
sind meistens verspiegelt. Asbestschnur hat nur dann Wert, wenn sie mehrere Zenti-
meter dick aufgewickelt wird. Man vergesse nicht, auch den Oberteil des Siedekol-
bens zu isolieren! - Hochwertige Kolonnen besitzen (besonders für höhere Destil-
lationstemperaturen nützliche) elektrische Außenheizungen. Diese müssen den glei-
chen Temperaturgradienten haben wie das Kolonneninnere.
Die dosierte Destillat-Entnahme geschieht meist mit einem Kolonnenkopf, der den
Dampf vollständig kondensiert und das Kondensat teilweise der Vorlage zuführt -
teilweise als Rücklauf in die Kolonne zurücktropfen läßt. Abbildung 42 zeigt einen
einfachen Rücklaufregler mit Siedethermometer und Rückflußkühler. Er hat einen
Hahn (mit Einkerbung zur Feinregulierung, siehe Abbildung 24 K), über den das vor-
beifließende Kondensat abgezapft wird. Dort und an dem zur Tülle auslaufenden
unteren Kernschliff können die Tropfgeschwindigkeiten zum Vergleich gemessen
werden. - Für Vakuum-Rektifikationen kann man an diesen Rücklaufregler einen
Anschütz-Thiele-Vorstoß anschließen (siehe Beschreibung S. 42). Die Vakuum-
pumpe muß dann über ein T-Stück sowohl mit dem Vorstoß als auch mit dem oberen
Ende des Rückflußkühlers verbunden werden. - Besser ist das auf Abbildung 43 dar-
gestellte Modell1, das über die Schlaucholive Vl ans Vakuum anzuschließen ist. Der
Rücklauf wird hier mit dem Feineinstellhahn H l reguliert. Zum Vorlagewechsel
schließt man H2 und belüftet die bei K angehängte Vorlage durch Drehen des Hohl-
hahns H 3 um 180°. Nach Austausch der Kolben kann man bei H4 schließen und zur
Evakuierung des Vorlageteils Hahn H 3 zurückdrehen. Anschließend werden H4
und nach einiger Zeit H 2 wieder geöffnet. Günstiger ist es, die neue Vorlage mit einer
zweiten Pumpe durch V 2 zu entlüften. Die für den Rücklauf wichtige Feineinstellung
und Fixierung des Hahns H l läßt sich dadurch erleichtern, daß man einen Reagenz-
glashalter über das Griffstück des Hahnkükens klemmt und sein Ende auf eine am
Stativ befestigte Muffe legt.

1
Otto Fritz GmbH (Normag).
Durchführung der Kolonnendestillation 51

H4

K
Abb. 42 Einfacher Rücklaufregler Abb. 43 Vakuumkolonnenkopf mit
Hähnen H 1-H 4, Vakuum-
anschlüssen V l und V 2 und
Vorlageanschluß K

Die praktische Durchführung einer Kolonnendestillation läuft folgendermaßen ab:


Man baut an einem großen, schweren Stativ Heizbad, Siedekolben, Kolonne und
Kolonnenkopf übereinander auf. Das Heizbad sollte zumindest bei schwierigen
Trennungen als Thermostat eingerichtet sein. Der Siedekolben muß für Vakuum-
destillationen einen zweiten schrägen Tubus mit Siedekapillare haben. Die Kolonne
ist exakt senkrecht zu richten (eventuell unter Benutzung eines Lotes). Siedekolben-
oberteil und Kolonne werden wärmeisoliert. - Die Heizung ist sorgfaltig einzuregu-
lieren. Die Aufkochrate soll während der gesamten Trennung möglichst konstant
gehalten werden sowie weiterhin höchstens so hoch sein, daß insgesamt fünf Tropfen
pro Sekunde im Kolonnenkopf kondensieren und sich auf keinen Fall der Rückfluß
in der Kolonne staut. Hat die Kondensationsfront den Kühler erreicht, läßt man
einige Zeit zur Einstellung des Gleichgewichtszustands unter totalem Rückfluß sie-
den und reguliert dann den Destillatabfluß ein. Man wählt dabei das Rücklaufver-
hältnis (Rücklaufgeschwindigkeit dividiert durch Ablaufgeschwindigkeit) nach all-
gemeinen Faustregeln für die Hauptfraktion l- bis V2HIaI, für den Vorlauf und den
Übergang zum Nachlauf etwa 2mal so groß wie die Trennstufenzahl.
Wenn nicht mehr als 4 bis 5 Trennstufen gefordert werden, kann der Kolonnen-
kopf eventuell wegfallen, also durch einen einfachen absteigenden Kühler ersetzt
werden. Das Kniestück wird dann nicht wärmeisoliert; es soll als Luftkühler für
einen gewissen Rücklauf sorgen.

Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs


(Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation)

Nichtideale Zweistoffgemische:
Bei unidealen Zweistoffsystemen sind im Zustandsdiagramm Kondensations- und
Siedekurve nicht mehr symmetrisch zueinander. Eine der beiden ist mehr oder weni-
52 Allgemeine Arbeitsanweisungen

ger stark zur anderen hin eingebuchtet. Die destillative Trennung der zwei Kompo-
nenten ist entsprechend erschwert. Berühren sich die Kurven, ist eine Trennung ganz
unmöglich; Flüssigkeits- und Dampfgemisch haben am Berührungspunkt die gleiche
Zusammensetzung; Abbildung 44. Es liegt ein Azeotrop vor.
Verursacht wird das geschilderte nichtideale Verhalten durch zwischenmolekulare
Wechselwirkungen. Sind die Anziehungskräfte zwischen den fremden Molekülen viel
kleiner als zwischen den artgleichen, bildet sich ein Minimum-Azeotrop (Abbildung
44); im viel selteneren umgekehrten Fall tritt ein Maximum-Azeotrop auf (entspre-
chend nach oben durchgebogenes Kurvenpaar).
Ein anderer Extremfall unidealer binärer Systeme liegt vor, wenn sich die Partner
nicht ineinander lösen. Wie das Zustandsdiagramm erkennen läßt, ist dann die Siede-
temperatur fast über den ganzen Konzentrationsbereich konstant; Abbildung 45.
Eine fraktionierende Destillation solcher Zweiphasensysteme (die bequem im Scheide-
trichter getrennt werden können) wäre natürlich von vornherein unsinnig. Interessant
ist jedoch die starke Siedepunktsdepression. Sie ermöglicht die Wasserdampfdestilla-
tion.

SdpB

SdpA

SdpA/B

100% A 100% B
Zusammensetzung
Abb. 44 Zustandsdiagramm eines nichtidealen Zweistoffgemisches mit Azeotrop

Azeotrope Destillation:
Die Tendenz zahlreicher Zwei- beziehungsweise Mehrkomponentensysteme, Azeo-
trope zu bilden, schränkt die Anwendung der Destillation stark ein. Sie bietet jedoch
andererseits die Möglichkeit, Verbindungen, nach Zusatz ihrer azeotropen Partner,
destillativ aus einem Gemisch herauszuschleppen.
Beispielsweise läßt sich Ethanol auch mit einer Kolonne nicht völlig entwässern. Es
destilliert mit 4,4 Gewichtsprozenten Wasser azeotrop über. Setzt man dem 96proz.
azeotrope Destillation 53

SdpB

SdpA

100% A 100% B
Zusammensetzung
Abb. 45 Zustandsdiagramm zweier nicht-mischbarer Stoffe

Ethanol jedoch Benzol zu, bildet sich ein ternäres Azeotrop, das schon bei 650C
siedet. Auf diese Weise gelingt die Trocknung.
Häufiger wird das Abschleppen dazu benutzt, während einer Umsetzung ein Pro-
dukt - fast immer Wasser - kontinuierlich aus dem Reaktionsgleichgewicht zu ent-
fernen. Man wählt dabei einen „Schlepper", der sich möglichst nicht in Wasser (be-
ziehungsweise einer anderen abzutrennenden Verbindung) löst, und sorgt dafür, daß
dieser nach Abscheidung des Wassers laufend in den Reaktionsansatz zurückfließt.
Als Schlepper für Wasser sind geeignet: Benzol, Toluol, Xylol - Chloroform, Tetra-
chlorkohlenstoff. Für die ersten drei - spezifisch leichteren - läßt sich der einfache
Wasserabscheider mit graduiertem Sammelrohr der Abbildung 46 benutzen (im Be-
darfsfall kann eine Kolonne zwischen Destillierkolben und Wasserabscheider ge-
schaltet werden). Aus dem Volumen des abgeschiedenen Wassers läßt sich Fortgang
und Ende der Umsetzung berechnen. Die Wasserabscheidung mit Hilfe spezifisch
schwererer Schlepper ist apparativ umständlicher und deshalb möglichst zu umgehen.
Wasserdampfdestillation:
Nichtmischbare Flüssigkeiten sieden dann (gemeinsam), wenn die Summe ihrer
Einzeldampfdrucke gleich dem Außendruck ist (Raoult'sches Gesetz). Ihre Siede-
punkte liegen also stets tiefer als die der einzelnen Komponenten. Es ist daher möglich,
Substanzen nach Zusatz eines nichtlöslichen Hilfsstoffs - man verwendet fast immer
Wasser — weit unterhalb ihres Siedepunkts abzudestillieren.
Die Dampfdruckkurven der Abbildung 47 machen diese Verhältnisse am Beispiel
Brombenzol-Wasser klar. Brombenzol, das bei 155 0C einen Dampfdruck von 760 Torr
hat, erreicht diesen Normal-Atmosphärendruck zusammen mit Wasser schon bei
95,50C. Da das Verhältnis der Partialdrucke dem der Molekülzahlen entspricht
(Avogadro-Satz), werden sich bei dieser Temperatur nach Abbildung 47 (639 Torr/
54 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 46 l-Liter-Kolben mit Wasserabscheider für spezifisch leichtere Lösungsmittel

90 95 100
Temperatur *•

Abb. 47 Siedekurven von Brombenzol, Wasser und dem Gemisch aus beiden

121 Torr) 5,3 mal mehr Wassermoleküle in der Gasphase befinden als solche des
Brombenzols. Zur Destillation von 100 g Brombenzol sind also theoretisch etwa
60 g Wasser erforderlich. Tatsächlich braucht man erheblich mehr, weil erstens die
Verdampfungsgeschwindigkeit der organischen Substanzen limitierend wirkt, zwei-
tens völlige gegenseitige Unlöslichkeit ein kaum je verwirklichtes Ideal ist, sowie
drittens die Siedepunktsdifferenzen zwischen Gemisch und Wasser nur gering sind.
Da die Dampfdruckdepression die Siedepunkte der organischen Substanzen stark
zusammenrücken läßt, ist die Trennkraft der Wasserdampfdestillation nur gering.
Wasserdampf-Destillation 55

Trotzdem kann dieses Verfahren vor allem dann ein wertvolles Hilfsmittel sein, wenn
wasserunlösliche höhersiedende flüssige oder feste Verbindungen (mit Siedepunkten
bis zu etwa 3000C) bei weniger als 100 0C von zähen Schmieren befreit werden müssen
oder aus festem Rohmaterial isoliert werden sollen (also in solchen Fällen, wo die
sonst übliche Vakuumdestillation versagt). - Der Trägerdampf sorgt nebenbei nicht
nur für eine besonders starke Durchmischung des Trennmaterials, sondern verhindert
auch das lästige Schäumen und wirkt bei autoxidablen Stoffen gleichzeitig als
Schutzgas.
Abbildung 48 zeigt eine Wasser dampf-Destillationsapparatur. Ihr Destillationskol-
ben ist mit einem Gummistopfen verschlossen, durch den zwei Glasrohre führen.
Eines ist mit der Dampfleitung verbunden und reicht fast bis zum tiefsten Punkt des
Kolbens, das zweite stellt über einen weiteren Gummistopfen die Verbindung zum
Kühler her. (Schliffverbindungen backen im Wasserdampf leicht zusammen!) Der
einströmende Dampf läßt den Kolbeninhalt stark herumspritzen; deshalb soll der
Kolben einen langen Hals haben, etwas geneigt sein und nur zu etwa einem Drittel
gefüllt werden. (Er muß also fast das Zehnfache der zu trennenden Substanzen fassen!)
Wegen der hohen Destillationsgeschwindigkeit und der großen Kondensations-
wärme des Wassers ist ein möglichst langer Liebigkühler oder ein Intensivkühler zu
benutzen. Die Kühlung läßt sich dadurch verstärken, daß man den absteigenden
Kühler über einen Vakuumvorstoß (dessen Schlauchanschluß verschlossen ist) mit
einem Zweihalskolben verbindet, in dessen zweitem Tubus ein Rückflußkühler
steckt. Der Vorlagekolben kann noch zusätzlich in Eiswasser gestellt werden. Ein
solcher Aufbau ist speziell für die Wasserdampfdestillation fester Substanzen ange-
bracht, weil hier, zur Vermeidung einer Verstopfung des absteigenden Kühlers durch
vorzeitige Kristallisation, dessen Kühlwasserzufuhr gedrosselt werden muß. - Be-
helfsmäßig läßt sich statt der auf Abbildung 48 gezeigten Apparatur auch eine Clai-
senapparatur (Abbildung 32, S. 40) verwenden, bei der die Kapillare durch ein Ein-
leitungsrohr ersetzt ist.

Abb. 48 Wasserdampfdestillationsapparatur mit 2-Liter-Langhalskolben auf Babo-Trichter mit Dampf-


einleitungsrohr, Liebigkühler und Vorlage
56 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 49 3-Liter-Dampfkanne

Steht keine fest montierte Dampfleitung zur Verfügung, erzeugt man sich den
Dampf in einer Dampfkanne aus Blech, deren Form Abbildung 49 erkennen läßt. Sie
hat einen Wasserstandsanzeiger und ein etwa einen Meter langes Steigrohr aus Glas,
das zum Boden der Kanne führt und als Überdruckventil dient. Das mit Wasser ge-
füllte Gefäß wird kräftig mit dem Bunsenbrenner erhitzt. Für kleinere Ansätze genügt
ein entsprechend eingerichteter Erlenmeyerkolben. - Der zur Apparatur führende
Schlauch soll möglichst kurz sein!
In der Praxis versetzt man das zu reinigende - wenn fest, grob zerkleinerte - Ma-
terial im Destillierkolben mit etwa der doppelten Menge Wasser, dreht die Kühlung
so weit wie möglich auf und leitet dann einen kräftigen Dampfstrom ein. (Bei niedrig-
schmelzenden Destillaten muß die Kühlwasserzufuhr so reguliert werden, daß es ge-
rade noch nicht zur Kristallabscheidung im Kühler kommt.) Eine zu starke Ver-
größerung des Flüssigkeitsvolumens während der Destillation verhindert man durch
zusätzliches Heizen des Kolbens auf einem Dampfbad oder Babo-Trichter. Soll die
Operation abgebrochen werden, muß zuerst die Schlauchverbindung zur Dampf-
quelle gelöst werden; anderenfalls würde der Kolbeninhalt zurücksteigen. Bei Sub-
stanzen, die sich mit Wasser überhaupt nicht mischen, kann man die Destillation dann
beenden, wenn einige Zeit lang nur noch völlig ungetrübtes Wasser in die Vorlage
getropft ist. Das Destillat wird hier im Scheidetrichter getrennt. — Bei Substanzen, die
sich teilweise in Wasser lösen, ist das Ende nur durch einen speziellen Test festzu-
stellen. In diesem Fall muß auch die wässerige Phase aufgearbeitet werden (Aus-
schütteln, Aussalzen).
Einfaches Kochen des Trennmaterials mit viel Wasser - ohne Dampfzufuhr von
außen - ist nur bei Mengen von wenigen Grammen leicht wasserdampfflüchtiger Stoffe
erfolgreich. (Vorsicht, Zweiphasensysteme stoßen stark!)
Reicht die Temperatur von etwa 10O0C zum Übertreiben schwerflüchtiger Ver-
Sublimation 57

bindungen nicht aus, kann man einen Dampfüberhitzer in die Schlauchleitung zum
Kolben einbauen. Diese Überhitzer bestehen aus konischen Kupferrohrspiralen oder
flachen Metalltafeln mit zickzackförmigen Rohrsystemen; sie werden mit einem
Bunsenbrenner kräftig geheizt. (Sie sollen, damit die Schläuche nicht verschmoren,
lange Schlauchanschlüsse haben.) Der Destillierkolben mit der trockenen Substanz
muß hier in einem Ölbad von etwa 15O0C stehen (erhöhte Gefahr, daß Wasser ins
Öl spritzt; Abzug, Brille und Handschuhe benutzen!). Es empfiehlt sich, zur Kon-
trolle der Dampftemperatur ein Einleitungsrohr zu verwenden, das oben T-förmig
verzweigt ist und ein Thermometer trägt.
Zur Prüfung auf Wasserdampfflüchtigkeit kocht man eine kleine Substanzprobe im
Reagenzglas mit 2 ml Wasser, hält ein zweites, schmaleres, mit Wasser und Eis ge-
fülltes Reagenzglas in den Dampfraum und beobachtet, ob der sich kondensierende
Wassertropfen trüb ist.

Sublimation und Gefriertrocknung

Sublimation

Unter Sublimation versteht man die Überführung einer festen Substanz (fast immer
ohne intermediäres Schmelzen) in den gasförmigen Aggregatzustand und aus diesem
direkt wieder in den festen - also Phasenumwandlungen unterhalb des Tripelpunkts.
Ihre Bedeutung ist vergleichsweise gering, da einerseits nur relativ wenige Feststoffe
einen entsprechend hohen Dampfdruck haben und andererseits nur solche Verun-
reinigungen erfolgreich abgetrennt werden können, die selbst praktisch nicht flüchtig
sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält man allerdings sehr saubere Pro-
dukte. Mit laborüblichen Mitteln sind lediglich Sublimationen kleinerer Chargen
von wenigen Grammen möglich, auch diese erfordern einige Geduld. Zur Erhöhung
der Verdampfungsgeschwindigkeit ist das Substrat vorher fein zu pulversisieren. Es
soll noch unterhalb seines eigentlichen Sublimationspunkts ausschließlich von der
Oberfläche her verdampfen (größere Kristalle zerplatzen und versprühen).
Am einfachsten erwärmt man die Substanz auf dem Sandbad in einer Porzellan-
schale über die man einen etwas kleineren Glastrichter umgekehrt aufgestülpt hat Das
Sublimat schlägt sich im kälteren Trichter nieder. Um zu verhindern, daß es zurück-
fällt, kann man ein vielfach durchstochenes Rundfilter zwischen Schale und Trichter
legen.
Schwerer flüchtige Stoffe sublimiert man unter vermindertem Druck zum Beispiel
in der - auch für Sublimation bei Normaldruck geeigneten - Apparatur der Abbil-
dung 50, die man sich mit durchbohrten Gummistopfen aus zwei Saugrohren zu-
sammensetzt. Die Substanz verdampft hier vom Boden des evakuierten, im Ölbad
erwärmten Außenrohrs. Je geringer die Sublimationsgeschwindigkeit, desto kleiner
ist der Abstand zwischen den Böden beider Rohre zu wählen (im Durchschnitt be-
58 Allgemeine Arbeitsanweisungen

trägt er etwa l cm). Jede Einzelcharge soll nur so groß sein, daß ihr Sublimat an-
schließend den unteren Bodenteil des Kühlfingers höchstens l mm dick bedeckt. Be-
lüften darf man erst nach dem völligen Erkalten. Zum Öffnen der benutzten Appara-
tur spannt man den größeren Stopfen fest ein und dreht dann das äußere Rohr vor-
sichtig ab; so läßt sich ein Abfallen des Sublimats verhindern. — Größere Geräte dieser
Art haben flachere Böden und sind zur Aufnahme eines gelochten Filters oder einer
Porzellansiebplatte eingerichtet.

Abb. 50 Vakuumsublimationsapparatur aus zwei Saugrohren

Horizontale Anordnungen können aus einseitig zugeschmolzenen Glasrohren be-


stehen, die in thermoregulierbaren Metallblöcken mit waagrechten Bohrungen ver-
schiedener Durchmesser erhitzt werden; das Luftbad der Abbildung 38 ist ebenfalls
gut als Heizquelle geeignet. Die Substanz wird durch einen Trichter, der bis zum
Boden des Rohrs reicht, eingefüllt und dann zum Schutz gegen eventuelles Versprü-
hen locker mit einem Glaswollebausch abgedeckt. Das luftgekühlte (nötigenfalls
etwas erweiterte) offene Rohrende kann über einen Gummistopfen ans Vakuum an-
geschlossen werden. Im Hochvakuum (Quecksilberdiffusionspumpe) bestimmt nicht
mehr die Diffusion der Substanzmoleküle durch die Luft, sondern fast nur noch der
bloße Sublimationsvorgang die Umsatzgeschwindigkeit. - Eine ähnliche Beschleuni-
gung läßt sich auch mit Hilfe eines strömenden Schutzgases, das den Transport zur
Kühlfläche unterstützt, erreichen1.
Die Sublimationsfähigkeit unbekannter Substanzen kann im Schmelzpunktsappa-
rat mit Kapillarröhrchen ermittelt werden (siehe S. 117).

Gefriertrocknung

Das schonendste Verfahren, in Wasser gelöste feste Stoffe bis zur Trockne zu bringen,
ist die Gefriertrocknung (Lyophilisation). Bei ihr sind die Temperaturen nie höher als
null Grad. Das Prinzip beruht darauf, daß die eingefrorene Lösung im Hochvakuum
verdampft, wobei die große Sublimationswärme auch ohne weitere Kühlung ein
Schmelzen des Eises verhindert. Der Wasserdampf wird von einem Trockenmittel
oder in Kühlfallen abgefangen (siehe S. 32).

1
T. Davies, Sublimation, Verlag McMillan, New York.
Gefriertrocknung und Extraktion 59

Kleinere Volumina bis zu etwa 10 ml sehr verdünnter wässeriger Lösungen kann


man durch Aufbewahren in der Tiefkühltruhe einfrieren. Man benutzt dazu Petri-
oder Kristallisierschälchen, die höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden dürfen.
Ist die Lösung völlig (!) durchgefroren, bringt man das Schälchen rasch in einen nicht
zu kleinen Vakuumexsikkator, dessen Unterteil mehrere durch Korkstopfen auf Ab-
stand gebrachte große Petrischalen mit Blaugel oder auf Träger aufgezogene Schwe-
felsäure beziehungsweise magnetgerührte konz. Schwefelsäure plus Kaliumhydroxid-
Schälchen enthält (siehe S. 108), evakuiert sofort auf mindestens 10" * Torr, stellt die
Pumpe ab und wartet, bis das Eis innerhalb von mehreren Stunden völlig verschwun-
den ist.
Pur größere Volumina (als etwa 10 ml) oder konzentriertere wässerige Lösungen be-
nutzt man Schliffrundkolben mit Gummistopfen, füllt sie zu etwa einem Drittel und
dreht sie möglichst schräg geneigt in einem Kohlendioxid-Kältebad, bis der Inhalt
ganz durchgefroren ist. (Beim Einfrieren mehrerer Kolben empfiehlt sich die Ver-
wendung eines langsam laufenden Rührmotors mit einer Kupplung aus durchbohr-
tem Gummistopfen und Schlauchstück, das durch einen eingeschobenen Glasstab
gerade gehalten wird.) - Je größer die Eisoberfläche, desto rascher ist die anschließende
Sublimation. Tiefe Temperatur, also schnelles Gefrieren verhindert, daß sich die ge-
lösten Substanzen im abnehmenden Flüssigkeitsrest konzentrieren. - Die Kolben
können direkt an die Drehschieberpumpen-Anlage angehängt werden. Die beiden
mit Trockeneis gekühlten Kondensfallen fangen den Wasserdampf ab (siehe S. 33).
Man evakuiert so lange, bis das Eis innerhalb von mehreren Stunden völlig verdampft
ist. Am besten benutzt man eine der im Handel befindlichen Apparaturen, bei denen
die Pumpe abgestellt wird, sobald das Hochvakuum erreicht ist.
Die Gefriertrocknung ist besonders zur Isolierung empfindlicher Naturstoffe aus
wässerigen Lösungen sehr nützlich. - Die zurückbleibenden Feststoffe sind schwam-
mig locker und daher sehr leicht wieder in Lösung zu bringen.

Extraktion und Aussalzen

Unter Extraktion versteht man das Herauslösen bestimmter Stoffe aus festen,
flüssigen (oder gasförmigen) Gemischen mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel.

Extraktion von Feststoffen

Sind die zu extrahierenden Komponenten leicht löslich, genügt es oft, das feinpulveri-
sierte Feststoffgemisch mehrfach mit dem ausgesuchten Lösungsmittel entweder
gründlich auszukochen oder bei Raumtemperatur längere Zeit intensiv durchzumi-
schen (schmierige Materialien in einer sehr großen Reibschale) und abzufiltrieren.
(Vorwiegend in der älteren Literatur wird das erste Verfahren meist als „Digerieren",
das zweite manchmal als „Mazerieren" bezeichnet.)
60 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Abb. 51 a) l-Liter-Kolben mit Heißextraktor; b) l-Liter-Kolben mit Soxhlet-Aufsatz; beide mit Papp-
hülse

Sollen schwerer lösliche Bestandteile von unlöslichen Feststoffen abgetrennt wer-


den, benutzt man Extraktionsapparate, die den Lösungsmittelbedarf, durch dauern-
des Eindampfen der Extrakte, auf einen Bruchteil reduzieren. Abbildung 51 zeigt
zwei derartige Geräte, die aus Siedekolben, Extraktionsaufsatz mit eingestellter Papp-
hülse zur Aufnahme des Trennguts und Rückflußkühler bestehen. Eines ist für Ex-
traktionen bei höherer (a), eines für solche bei mittlerer (b) Temperatur. Beim Heiß-
extraktor (a) strömt das im Kolben verdampfte Lösungsmittel an der gefüllten Hülse
direkt vorbei zum Kühler, tropft von dort aus in das - vom aufsteigenden Dampf er-
wärmte - Trenngut und daraus wieder in den Kolben zurück. Beim Soxhlet-Apparat
(b) ist dagegen der Extraktionsraum nach unten abgeschlossen. Der Dampf wird hier
- ohne das Trenngut in der Hülse wesentlich zu erwärmen - durch ein seitliches Rohr
zum Kühler geführt. Außerdem fließen die Extrakte nicht kontinuierlich, sondern
periodisch in den Kolben zurück (immer dann, wenn ihr Niveau den höchsten Punkt
des als Heber wirkenden dünneren U-Rohrs erreicht hat). Das Dampfrohr sollte mit
Metallfolie isoliert werden. - Es gibt auch Aufsätze mit Mänteln zur zusätzlichen
Kühlung (oder Heizung) des Extraktionsraums.
Das Extraktionsgut muß vor dem Einfüllen in die Papphülse (passend zur Appa-
ratur zu kaufen) gleichmäßig zerkleinert werden, nicht zu fein, da sonst das Lösungs-
mittel zu langsam durchsickert. Klebrige Materialien und solche, die bei der Ex-
traktion zusammenbacken, verreibt man am besten mit der doppelten Menge reinem
Seesand. Die gefüllte Hülse wird mit einem lockeren Glaswattebausch abgedeckt.
Diese Vorbereitungen sind für Durchflußextraktionen (Abbildung 5Ia), bei denen
Ausschütteln 61

immer die Gefahr besteht, daß sich das Lösungsmittel einzelne Kanäle durch das
Extraktionsgut bahnt, besonders wichtig. Bei der Soxhlet-Apparatur ist darauf zu
achten, daß die Hülse nicht den Auslauf verdeckt (nötigenfalls Glasrohrröllchen unter-
legen). - Zur Auswahl des Lösungsmittels siehe S. 110 und 134. - Die im Kolben
ausfallenden extrahierten Stoffe verursachten leicht Siedeverzug. Deshalb und zur
Vermeidung unnötiger Temperaturbelastungen filtriert man zwischendurch ab.
Soxhlet-Apparaturen neigen, da die schubweise abfließenden Eluate jedesmal den
Siedevorgang unterbrechen, zum „Stoßen". Daher soll bei ihnen die Lösungsmittel-
menge mindestens das Doppelte dessen betragen, was der Extraktionsraum faßt.
Sammelt sich das gewünschte Hauptprodukt im Extrakt an, darf - speziell dann,
wenn sich dieses als Kruste absetzt - nicht mit einer Heizhaube erwärmt werden. Die
mehrere Stunden bis einige Tage dauernde Extraktion wird abgebrochen, wenn in
einer der Hülse entnommenen Probe keine eluierbare Substanz mehr nachweisbar ist.

Ausschütteln

Beim Ausschütteln handelt es sich um das Verteilen einer oder mehrerer Substanzen
zwischen zwei Lösungsmittelphasen', einer hydrophilen, fast immer wässerigen und
einer lipophilen, also organischen. Dabei reichern sich die gelösten Substanzen ent-
sprechend ihrem eigenen hydrophilen oder lipophilen Charakter (also ihrer Polarität
und Polarisierbarkeit) vorwiegend in der gleichartigen Phase an. Kräftiges Schütteln
beschleunigt den Prozeß.
Ziel des Ausschütteins ist es, bestimmte Substanzen möglichst vollständig in die
eine Phase zu überführen. Das ist mit einem Bruchteil der Lösungsmittelmenge zu er-
reichen, wenn man die Gegenphase mehrfach mit kleinen Portionen behandelt, statt
einmal ein großes Volumen einzusetzen!
Nach Nernst gilt (unter gewissen Voraussetzungen) für die Verteilung einer Sub-
stanz zwischen Oberphase (Index O) und Unterphase (Index U):

K=^0- und: K=m


m
° ' YU
Cu u' 0
(K = Verteilungskoeffizient; c = Konzentration; m = Masse; V = Volumen).
Danach muß man, um eine Substanz mit dem Verteilungskoeffizient 5 auf einmal
zu 97% in die Oberphase zu bringen, die Unterphase mit der 6,5fachen Menge Ober-
phase ausschütteln:

m0 V0 = 97 6,5
In0K V1; 3-5 l

Schüttelt man dagegen fünfmal aus, braucht man für den gleichen Trenneffekt insge-
samt nur die einfache Menge; denn nach jedem Ausschütteln mit jeweils einem Fünf-
tel der Menge Oberphase verbleibt die Substanz zur Hälfte in der Unterphase.
62 Allgemeine Arbeitsanweisungen

K • V0 = m0 = 5 • l = l
V11 " mv " 5 ~ T

Nach fünfmaliger Wiederholung enthält die Unterphase dann noch: (^2)5 = 3% der
Substanz.
Im allgemeinen extrahiert man wässerige Lösungen oder Emulsionen beim ersten
Mal mit etwa einem Drittel, dann jeweils mit etwa einem Fünftel bis einem Viertel des
Volumens an organischem Lösungsmittel - und zwar so oft, bis in einer Probe der
Extraktionsphase (eventuell nach Eindampfen auf einem Uhrglas) keine Substanz
mehr nachzuweisen ist. (Beim Auswaschen organischer Lösungen mit Wasser kann
natürlich mit größeren Portionen ausgeschüttelt werden.)
Eine zweite Möglichkeit, das Ausschütteln effektiver zu gestalten, besteht darin,
geeignete Verbindungen in gut wasserlösliche Salze zu verwandeln, also statt mit
Wasser beispielsweise: Säuren mit Natriumcarbonat- oder -hydrogencarbonatlö-
sung, Phenole mit verd. Alkalilösungen, Amine mit verd. Mineralsäure oder Aldehyde
mit Natriumhydrogensulfitlösung auszuziehen.
Geeignete lipophile Extraktionsmittel sind zum Beispiel: Ether (,Ausethern"),
Petrolether, Benzol, Essigester (spezifisch leichter) sowie Methylenchlorid, Chloro-
form (spezifisch schwerer als Wasser); siehe S. 110.

Abb. 52 a) 500-ml-Schütteltrichter
nach Squibb, NS 29; b) 1-Liter-
a b
Hüttentrichter

Der Schütteltrichter muß einen gut passenden Glashahn und Glasstopfen haben
(das Dichtungsfett wird meist rasch herausgelöst); Abbildung 52. Für mittlere Volu-
mina hat sich die gestreckt-konische Form nach Squibb (a) am besten bewährt; ersatz-
weise sind jedoch auch Tropftrichter (Abbildung 17a) gut geeignet. Ab einem Fas-
sungsvermögen von einem Liter dürfen nur dickwandige, gegossene „Hüttentrichter"
verwendet werden; Abbildung 52b. Zum Ausschütteln von Volumina unter 5 ml
nimmt man ein Reagenz- oder Zentrifugenglas und gewinnt die Phase mit einer sehr
lang ausgezogenen Saugball-Pipette. (Wässerige Oberphasen, die nicht weiter ge-
braucht werden, kann man auch mit einem Filterpapierröllchen aufsaugen.)
Der Schütteltrichter ist so groß zu wählen, daß etwa die Hälfte seines Inhalts leer
Phasentrennung 63

bleibt. Er wird in einen stabilen Stativring oder Dreifuß (über deren Innenkante drei
längs aufgeschnittene Gummischlauchröllchen gezogen sind) eingehängt. Unter den
Trichterauslauf stelle man stets einen größeren Stutzen als Sicherheitsauffanggefäß.
Man gießt die Flüssigkeiten durch einen Trichter ein, verschließt den Tubus und faßt
den Schütteltrichter so, daß gleichzeitig Stopfen und Hahnküken von beiden Händen
in ihrer Lage fixiert werden. Flüchtige Lösungsmittel entwickeln beim Mischen einen
erheblichen Überdruck. Man hält deshalb den Schütteltrichter zum Ausschütteln an-
fangs mit dem Hahn nach oben, lüftet, schwenkt kurz um, lüftet wieder und fährt so
fort, bis nach stärkerem Schütteln der Druckausgleich erreicht ist. Entsteht durch
Schütteln von Carbonaten mit Säuren Kohlendioxid, ist erhöhte Vorsicht geboten!
Da beim Belüften stets Flüssigkeitsreste mit ausgepritzt werden, ist das Auslaufrohr
vom Körper weg zu halten und bei aggressiven Substanzen eine Schutzbrille zu tra-
gen ! Es wird etwa eine Minute lang abwechselnd kräftig durchgeschüttelt und be-
lüftet. Dann hängt man den Trichter in den Ring zurück, wartet, bis sich die Phasen
klar getrennt haben, entfernt den Stopfen, läßt die schwerere Phase langsam auslau-
fen und gießt - wenn nötig - die leichtere durch den Tubus aus.
Der oft langwierige Prozeß der Phasentrennung sowie die Loslösung einzelner im
„falschen" Bereich an der Wand haftender Flüssigkeitstropfen können dadurch be-
schleunigt werden, daß man die Unterphase, soweit sie klar ist, abläßt und dann den
Trichter ruckweise um seine Längsachse dreht.
Hartnäckige Emulsionen versuche man durch folgende Maßnahmen zu brechen:
Zugabe weniger Prozente Ethanol (dieses muß vor dem Trocknen der organischen
Phase mit Calciumchlorid wieder ausgewaschen werden) oder einiger Tropfen Octa-
nol; Filtrieren (eventuell nach Zugabe von Kieselgur); teilweise oder völliges Sättigen
des wässerigen Anteils mit Natriumchlorid.
Sicheren Erfolg bietet nur eine gute Zentrifuge. -Am besten ist es, die Emulsions-
bildung - die sich leicht in einem Reagenzglasvorversuch erkennen läßt - von vorne-
herein dadurch zu vermeiden, daß man ein anderes organisches Extraktionsmittel
wählt oder die Phasen statt durch Schütteln durch längeres vorsichtiges Umschwen-
ken in Kontakt bringt. Wird die Trennung durch zu geringe Dichteunterschiede er-
schwert, verdünnt man die Oberphase.
Macht man die zu extrahierende Lösung zur Oberphase, kann man sie bei mehr-
fachem Ausschütteln immer im Schütteltrichter lassen. Man beachte, daß spezifisch
leichtere Lösungsmittel durch starke Substanzaufnahme zur Unterphase werden kön-
nen! (In fraglichen Fällen schaffen einige Tropfen Wasser Klarheit.) Durch Zugabe
von Salz zur wässerigen Phase läßt sich sowohl die Extraktion organischer Stoffe er-
leichtern als auch die Löslichkeit von Ether und anderen organischen Flüssigkeiten
in der wässerigen Phase verringern.
Organische Lösungen, die mit Salz-, Säure- oder Base-Lösungen ausgeschüttelt
wurden, muß man mit etwas Wasser nachwaschen. Mineralsäuren lassen sich aus
Ether nur durch Carbonatlösungen ganz entfernen! (Ein- bis zweimal mit verdünnter
Sodalösung schütteln; dann mit Wasser waschen.) Vor dem Eindampfen bindet man
das restliche Wasser mit einem Trockenmittel (siehe S. 107).
64 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Beim Ausschütteln brennbarer Lösungsmittel sind selbstverständlich alle Flammen


in der Nähe zu löschen! Die (zu 7%) mit Ether gesättigten wässerigen Phasen sind
ebenfalls eine Gefahrenquelle!

Perforation

Der Begriff Perforation kennzeichnet die kontinuierliche Extraktion von Lösungen.


Perforation wird immer dann angewandt, wenn Substanzen extrahiert werden sollen,
die wegen zu geringer Löslichkeit im Extraktionsmittel (Verteilungskoeffizient we-
sentlich kleiner als 1) nur unter sehr hohem Lösungsmittel- und Arbeitsaufwand aus-
geschüttelt werden könnten. -Auch hier handelt es sich um den Stoffaustausch zwi-
schen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten (wie beim Ausschütteln), wobei jedoch die
eine, das Extraktionsmittel, analog der automatischen Feststoffextraktion im Um-
lauf mehrfach einwirkt.
Abbildung 53 zeigt einen Perforator für spezifisch leichtere Extraktionsmittel. Die
zylindrische Austauschkammer wird zu vier Fünfteln ihres Fassungsvermögens mit
Extraktionsgut gefüllt (so daß noch Platz zur Volumenvermehrung durch teilweises
Lösen der Gegenphase und Wärmeausdehnung bleibt). Im seitlichen Siedekolben
wird ein Vielfaches dieser Menge Extraktionsmittel kräftig gekocht. Der Dampf ge-

Abb. 53 1-Liter-Kolben mit Kutscher-Steudel-


Perforator für spezifisch leichtere Extraktionsmittel
Craig-Verteilung 65

langt zum Kühler; sein Kondensat tropft von dort in den langen Trichter, tritt unten
aus dessen Sinterglasfritte fein verteilt aus, perlt durch das Extraktionsgut nach oben
und fließt schließlich mit Substanz beladen in den Siedekolben zurück. Um ein un-
nötiges Überhitzen des Extrakts zu vermeiden, ist der Apparaturteil, durch den der
Dampf aufsteigt, gut mit Metallfolie zu isolieren. Das Ende der (in jedem Fall mehrere
Stunden dauernden) Perforation läßt sich durch periodische Untersuchung des Über-
laufs oder des Extraktionsguts bestimmen. - Für die Wahl des Extraktionsmittels
und die weitere Aufarbeitung des Extrakts gelten die im Kapitel ,Ausschütteln" ge-
machten Angaben (siehe S. 61).
Neben dem hier vorgestellten Perforator von Kutscher und Steudel gibt es andere,
nach gleichem Prinzip arbeitende Konstruktionen. Geräte für spezifisch schwerere
Extraktionsmittel sind prinzipiell nicht so funktionstüchtig und daher weniger zu
empfehlen.

Multiplikative Verteilung (nach Craig)

Die multiplikative Verteilung macht durch eine Vielzahl von Verteilungen zwischen
zwei nicht mischbaren Lösungsmitteln auch eine Trennung solcher Stoffe möglich,
deren Verteilungskoeffizienten sich nur sehr wenig voneinander unterscheiden. Bei
ihr wird in einer ganzen Reihe von Trenngefäßen jeweils eine Serie von Ober- und
Unterphasen miteinander geschüttelt und dann um einen Schritt gegeneinander ver-
schoben („Gegenstromverteilung"). Dabei wandert jede einzelne gelöste Substanz -
als Ober- oder Unterphase - in einen bestimmten, ihrem Verteilungskoeffizienten
entsprechenden Bereich innerhalb der Trichterreihe. Die Stoffgemische sind hier also
im Endeffekt nicht zwischen zwei Phasen, sondern zwischen verschiedenen Trichtern
aufgeteilt.
Das Verteilungsschema der Abbildung 54 zeigt diesen Vorgang vereinfacht für nur
sieben Schütteltrichter (nebeneinander), gleichviel Verteilungsschritte (untereinander
dargestellt) an 128 g einer Substanz mit dem Verteilungskoeffizient K = I .
Alle Trichter sind von Anfang an zur Hälfte mit schwerem Lösungsmittel gefüllt.
Jedem Schütteln aller Trichter folgt ein Verschieben aller Oberphasen nach rechts
(symbolisiert durch gebogenen Pfeil) und ein Auffüllen des ersten Trichters mit fri-
schem leichteren Lösungsmittel.
Auf Abbildung 55 sind die Konzentrationsverteilungen für Substanzen mit ver-
schiedenen K-Werten dargestellt: Die Verteilungskurven machen deutlich, daß z. B.
zwei Substanzen mit den K-Werten 3,0 und 0,33 mit vierundzwanzig Verteilungs-
schritten (und also auch vierundzwanzig Verteilungsgefäßen) vollständig vonein-
ander getrennt werden können (soweit die Substanzen selbst die K-Werte nicht be-
einflussen); bei K-Werten von 3,0 und 1,0 reichen 24 Schritte dagegen nicht aus.
Je stärker sich die K-Werte der Einzelstoffe voneinander unterscheiden und je
länger die Schütteltrichterkette, desto schärfer ist die Trennung.
Für die Praxis wurden Geräte entwickelt, bei denen die Phasen in bis zu über hun-
66 Allgemeine Arbeitsanweisungen
1 2 3

Nummer der Verteilungsgefäße »


Abb. 54 Schema einer multiplikativen Verteilung in sieben Schüttelgefäßen für 128 g einer Substanz mit
K =1

dert Schüttelelementen auf einer gemeinsamen Drehachse gleichzeitig geschüttelt und


dann weitertransportiert werden können. Hierüber sowie über Varianten des ge-
schilderten Verteilungsprinzips (wiederholte Substanzaufgabe am Anfang oder in der
Mitte der Batterie; ein-, doppel- oder wechselphasige Fraktionsabnahme) gibt die
Fachliteratur Auskunft 1 .
1
E. Hecker, Verteilungsverfahren im Laboratorium, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1955.
Dialyse 67

50l

•K = 30

40

30h IK = IO

I/ \
£ 2OH \ \ K = 3.0 K = 0.33
5 i ! \ /->
v> / t ' /

! / l/ \
x\ / A\ / / \
s [ *
M H A I

öl
10 l•/\/•
I / •

v/
X
/
\ v/
V /
\\
\
i_ i_ i
6 12 18 24
Nummer des Verteilungsgefaßes
Abb. 55 Ideale Verteilungskurven für Substanzen mit unterschiedlichen K-Werten (bei einmaliger Sub-
stanzaufgabe am Anfang)

Dialyse

Trennt man eine wässerige Lösung und reines Wasser durch eine semipermeable
Membran (Diaphragma), diffundieren diejenigen gelösten Ionen und Moleküle, die
klein genug sind, durch die Poren der Membran ins reine Wasser; es findet eine Dia-
lyse statt. Im Labor benutzt man als Diaphragmen meist Schläuche aus regenerierter
Cellulose - also z.B. Zellglas („Cellophan" *), die Teilchen mit einem Molekularge-
wicht von mehr als 3000 bis 5000 zurückhält und weniger als etwa 500 frei durchläßt.
(Das Molekulargewicht kann nur mit Einschränkung ein Maß für die Molekülgröße
sein.)
Man klebt ein solches Stück Cellonphanschlauch (je kleiner dessen Durchmesser,
desto rascher die Diffusion) an einem Ende mit ,Alleskleber" sorgfältig unter Umfal-
len zu (auf Dichtigkeit prüfen), läßt es vier Stunden in destilliertem Wasser quellen
und spült es längere Zeit innen aus (Cellophan enthält den Weichmacher Glycerin

Firma Kalle & Co. AG.


68 Allgemeine Arbeitsanweisungen

oder Polyglykol), füllt die Lösung (beziehungsweise kolloidale Lösung) ein, bindet
oben vorsichtig mit Schnur ab und hängt den gefüllten Teil in einen passenden Stand-
zylinder, durch den - über ein zum Zylinderboden reichendes Glasrohr - dauernd
frisches Leitungswasser fließt (und überläuft). Das für Ungeübte etwas heikle Kleben
läßt sich umgehen, indem man ein doppeltlanges Schlauchstück an beiden Enden zu-
bindet und so in das Gefäß mit fließendem Wasser hängt, daß diese Enden heraus-
ragen. (Unterteil eventuell mit U-förmigem Glasstab beschweren.) Eine Dialyse
dauert mehrere Stunden oder sogar Tage; sie ist beendet, wenn im Waschwasser keine
Substanzen mehr nachzuweisen sind. - Häufigste Anwendungsform: Abtrennung von
Salzen, Säuren und Basen aus Lösungen hochmolekularer Natur- oder Kunststoffe.
Wenn gegen entsalztes Wasser dialysiert werden soll oder die durchdiffundierten
kleineren Moleküle gebraucht werden, spannt man den gefüllten Dialyseschlauch
über einen schmalen, rechteckigen Glasstabrahmen, verbindet diesen mit einem
Rührmotor und läßt ihn langsam in einem Zylinder mit Wasser rotieren. Das Wasser
muß mehrfach erneuert werden.

Aussalzen

In Wasser oder anderen hydrophilen Flüssigkeiten gelöste Substanzen lassen sich


durch Zugabe anorganischer Salze aus ihrem Lösungsmittel verdrängen und zur Aus-
scheidung bringen: Die in Lösung gehenden Salzionen bauen sich selbst Solvathüllen
auf und dabei diejenigen der bereits gelösten Moleküle ab.
Um ein Abscheiden der Substanz auf den Salzkristallen zu verhindern, erwärmt
man die Lösungen (wässerig auf etwa 8O0C), rührt sie kräftig mit einem Motor und löst
das vorher fein pulverisierte Salz darin in kleinen Portionen auf. Die Gesamtmenge
an Salz soll in der Regel etwa 80% dessen betragen, was zur Sättigung bei Raumtem-
peratur nötig wäre. Nach der Zugabe wird noch einige Zeit bei der erhöhten Tem-
peratur und dann bis zum Abkühlen auf Raumtemperatur weiter gerührt. - Die aus-
geschiedenen Stoffe sind meist erheblich mit Fällungsmittel verunreinigt.
Als Salz wird vorwiegend Natriumchlorid (36) oder auch Kaliumcarbonat (111)
verwendet. Für gelöste organische Basen ist Natriumhydroxid (107) besser geeignet.
(Jeweils in Klammern: Löslichkeit in g pro 100 ml Wasser bei 2O0C). Zum Aussalzen
von Proteinen wird unter Kühlung Ammonsulfat (76) benutzt.

Reinigung durch Kristallisation

Kristalline Syntheseprodukte bieten gegenüber nichtkristallinen sehr wesentliche


Vorteile: Sie liegen meist in definierter Form vor und sind durch den Schmelzpunkt
leicht zu charakterisieren. Die Vorzüge sind so groß, daß der Chemiker speziell für
bestimmte analytische Zwecke oder zur Reinigung häufig flüssige Substanzen durch
einfache Reaktionen in leicht kristallisierende feste Derivate überführt.
Kristallisation 69

Das vorliegende Kapitel befaßt sich mit der Herstellung, Isolierung und Reinigung
kristalliner Produkte.

Auskristallisieren

Obwohl in jedem Fall der höchstgeordnete kristalline Zustand der stabilste ist, be-
darf es oft einiger Kunstgriffe und vieler Geduld, organische Verbindungen aus über-
sättigten Lösungen oder metastabilen Schmelzen zur Kristallisation zu bringen.
Am einfachsten ist es, Kristallkeime als Impfkristalle - das heißt Kriställchen der
gleichen Verbindung - direkt einzurühren. Man mache es sich daher zur Regel, von
jedem kristallinen Produkt, das aufgelöst und später wieder kristallisiert werden soll,
eine Spur Impfmaterial zurückzubehalten! Sollten sich die Impfkristalle in der Lö-
sung lösen, ist diese etwas einzuengen und erneut anzuimpfen.
Stehen keine Impfkristalle zur Verfügung, versucht man, die Kristallkeimbildung in
hartnäckig übersättigten Lösungen und Schmelzen durch eine Reihe von Hilfsmaß-
nahmen anzuregen. Diese sollten, da es genügt, eine Spur Impfmaterial zu gewinnen
und die Kristallisationsbedingungen zu erfahren, lediglich mit jeweils einigen Tropfen
der Gesamtmenge in kleinen Reagenzgläsern durchgeführt werden: Kratzen, Glas
auf Glas, in der Probe, mit einem Rührstab, ist das bewährteste Mittel. Es sollte,
soweit möglich, bei allen anderen Maßnahmen mit angewandt werden. Man beachte,
daß abgeschabte Glassplitterchen leicht Kristalle vortäuschen.
Große Bedeutung hat die Temperatur. Die Kristallisation wird sowohl durch Er-
niedrigung der Löslichkeit, also Abkühlen, als auch durch Erniedrigung der Viskosi-
tät, also Erwärmen, begünstigt. Es gibt daher für jeden Stoff einen Temperaturbe-
reich optimaler Keimbildungstendenz. Dieser liegt für unterkühlte Schmelzen 70 bis
12O0C unter dem Schmelzpunkt. Ist der Schmelzpunkt unbekannt, hebt man mehrere
Proben bei verschiedenen Temperaturen auf oder läßt die gekühlte Substanz sich sehr
langsam erwärmen. -Lösungen sind, soweit es der Schmelzpunkt des Lösungsmittels
erlaubt, prinzipiell bei tieferen Temperaturen aufzubewahren.
Weiterhin versuche man, durch Änderung der Konzentration zum Ziel zu kommen,
Auch hier ist positiv wirkende Konzentrationserhöhung mit negativ wirkender Vis-
kositätserhöhung gekoppelt. Harzige oder dickflüssige Schmelzen müssen mit Lö-
sungsmitteln verdünnt werden. Lösungen sind - schon um mit Sicherheit Übersätti-
gung zu gewährleisten - einzuengen.
In Zahlreichen Fällen führt ein Wechsel des Lösungsmittels zu spontaner Keimbil-
dung.
Bringen diese Maßnahmen keinen Erfolg, ist eine weitere Reinigung der Substanz
nötig. Impfkristalle erhält man in vielen Fällen z. B. dadurch, daß man einige Tropfen
der konzentrierten Lösung mit verschiedenen nicht mischbaren Lösungsmitteln im
Reagenzglas verreibt, also auswäscht, oder mit einem mischbaren schlechten Lö-
sungsmittel portionsweise ausfällt und vom Niederschlag jeweils abgießt, oder durch
Dünnschichtchromatographie (siehe S. 91; der Substanzfleck kann ohne Elution zu-
70 Allgemeine Arbeitsanweisungen

sammen mit dem abgeschabten Trägermaterial zu einer Reagenzglasprobe gegeben


werden). - Sehr kristallisationshemmend sind Schliff-Schmiermittel. Schon deshalb
sollte man Schliffverbindungen nur sparsam damit einreiben (eventuell das untere
Viertel ganz frei lassen) und außerdem Flüssigkeiten nicht über noch geschmierte
Schliffe ausgießen.
Schließlich gibt es Verbindungen, die trotz Anwendung aller Tricks erst nach wo-
chenlangem Warten auskristallisieren.
Amorphe Festkörper müssen zum Kristallisieren übersättigt gelöst werden. - Da
die Kristallisation aus der Schmelze meist zu sehr unsauberen Substanzen führt, sind
auch ölige Produkte möglichst vorher in Lösung zu bringen.
Das Wachstum der Kristallkeime hat in unterkühlten Schmelzen ein Maximum
zwischen 30 und 5O0C unterhalb des Schmelzpunkts.

Filtrieren, Absaugen und Zentrifugieren

Grobkörnige, schwere Niederschläge lassen sich am einfachsten durch Dekantieren,


das heißt Abgießen, mehr oder weniger unvollkommen von überstehender Flüssig-
keit befreien. Zweckmäßig stellt man dafür das Gefäß schon zur Sedimentation mög-
lichst schräg geneigt in einen Korkring.
Für die Anwendung der drei weiteren Trennungsmöglichkeiten fester von flüssigen
Substanzen gelten ganz allgemein folgende Richtlinien:
Filtrieren dann, wenn es auf die flüssige Phase ankommt. (Waschen größerer Rück-
stände direkt im Trichter ist kaum möglich.)
Absaugen, wenn es auf die feste Phase ankommt. (Waschen größerer Rückstände
direkt im Trichter ist gut möglich.)
Zentrifugieren, wenn der Niederschlag sehr fein dispers ist oder die Mengen sehr
klein sind. (Waschen der Rückstände ist sehr gut möglich.)

Filtrieren:
Zum Filtrieren werden in der organisch-präparativen Chemie fast ausnahmslos weiche
Filtrierpapiere verwendet. Die Rundfilter sind nach dem Einlegen in den Glastrichter
mit dem auch im Filtriergut vorhandenen Lösungsmittel anzufeuchten und am oberen
Rand fest anzudrücken. (Trichter zur Vermeidung der Krustenbildung am Filterrand
so groß wählen, daß oberhalb des Filters noch l bis 2cm frei bleiben.) Sollte das
Filtrat anfangs trüb ablaufen und erst später, nachdem sich die größten Papierporen
verstopft haben, klar werden, gießt man den unsauberen Anteil noch einmal aufs
selbe Filter.
Einige Probleme können beim Filtrieren heiß gesättigter Lösungen durch im Trich-
ter auskristallisierende Feststoffe entstehen. Sie lassen sich weitgehend ausschalten,
wenn man stets folgende Hinweise beachtet: Trichter mit sehr kurzem, nicht zu engem
Auslaufrohr verwenden. Trichter bis zum letzten Moment vor seiner Benutzung im
Trockenschrank vorwärmen. (Es gibt auch spezielle Dampf- und Heißwasserhei-
Absaugen 71

zungen.) Filtriergut bis unmittelbar vor dem Aufgießen kräftig sieden lassen (dann
unbedingt erst Flamme löschen!) und zwischendurch immer wieder ins heiße Bad
(ohne Flamme!) stellen. (Griffige Wärmeschutz-Handschuhe anziehen.)
Filtriergut im Trichter zur Einschränkung der Verdampfung mit Uhrglas ab-
decken.
Verstopfen auskristallisierende Substanzen trotzdem das Filter, muß es mit fri-
schem Lösungsmittel ausgekocht werden.
Größere Volumina können rascher durch Faltenfilter filtriert werden.
Wenige, auf wässeriger Phase schwimmende, ölige Flüssigkeitstropfen lassen sich
bei einiger Vorsicht in wasserdurchtränkten Filtern zurückhalten.

Absaugen:
Das Absaugen ist in der organischen Chemie das bevorzugte Trenn verfahren. Man
benutzt dazu im Normalfall die auf Abbildung 56 a gezeigte Apparatur aus Porzellan-
nutsche (Saugtrichter) mit eingelegtem Rundfilter, Gummidichtung und dickwandiger,
an die Wasserstrahlpumpen-Anlage angeschlossener Saugflasche. Das Rundfilter soll
in der Regel auch hier aus weichem Papier bestehen.
Die Nutsche gibt es in verschiedenen Ausführungen. Neben dem meist üblichen
zylindrischen Büchner-Trichter (Abbildung 56 a) verwendet man zur Isolierung ge-
ringer Mengen fester Stoffe (unter etwa 3 g) aus viel Flüssigkeit ebenfalls aus Porzellan
gefertigte konische Hirsch-Trichter (Abbildung 56 c). Nutschen aus Glas lassen sich
leichter auf Sauberkeit kontrollieren. Für Substanzen, die das Filtrierpapier angreifen
(z.B. starke Säuren und Laugen) muß eine Glasfilternutsche mit fein porösem Sinter-
glasboden (sogenannter „Fritte"; Abbildung 56b) benutzt werden. (Porenweite G 3 !
ist für die meisten Zwecke richtig.) Auch Glasfritten werden von heißer konzentrierter
Natronlauge oder Phosphorsäure angegriffen. Ihre Reinigung kann Schwierigkeiten
bereiten. (Als letztes Mittel führt oft konz. Schwefelsäure mit ganz wenig Natrium-
peroxid zum Erfolg.)

Abb. 56 a) 200-ml-Saugflasche mit Gummimanschette und Porzellannutsche; b) Glasnutsche mit Fritte;


c) 10-ml-Saugrohr mit eingestellter Vorlage, Gummistopfen und Porzellannutsche; d) Porzellannutsche
mit Gummimanschette und geradem Vakuumvorstoß

Typenbezeichnung der Firma Schott & Gen.


72 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Die Saugflasche soll, damit nicht Teile des Filtrats direkt in die Pumpenanlage ge-
saugt werden können, den Vakuumanschluß möglichst hoch angesetzt haben. Für
kleinere Mengen ist das Saugrohr (Saugreagenzglas, Saugfinger) am Platz, in das
man, falls das Filtrat weiterverarbeitet werden soll, zweckmäßigerweise ein Reagenz-
glas stellt; Abbildung 56c. (Zu kurze Auffanggläser sind durch ein passendes Kork-
stück anzuheben.) An Stelle der Nutsche kann hier ein Glastrichter mit passendem
gelochtem Porzellanplättchen als Filterauflage benutzt werden. Wenn die Aufar-
beitung des Filtrats geplant ist, eignet sich besonders die Kombination einer Nutsche
mit dem geraden Vakuumvorstoß gemäß Abbildung 56 d.
Als Dichtung sind gut passende konische Gummimanschetten (s. Abbildung 56 a, d)
den dicken gelochten Gummischeiben vorzuziehen.
Das Absaugen geht so vor sich: Man setzt die Apparatur zusammen, legt ein pas-
sendes Filter ein, stellt die Wasserstrahlpumpe an, befeuchtet das Filter und drückt
es glatt, bis es völlig dicht aufliegt. Nun öffnet man den Hahn der Sicherheitsflasche
weitgehend. (Der Unterdruck soll - speziell bei feinkörnigem Material - nur gering
sein, damit es weder zum Aufsieden des Filtrats im Sauggefäß, noch zur Verstopfung
des Filters durch ausfallende Substanzen kommt.) Die Suspension wird - anfangs auf
die Mitte des Filters - aufgegossen. Oft muß man dann die Nutsche erst in die Saug-
flasche drücken, bevor sie sich selbst festsaugt. Stört ein Verdünnen mit Lösungs-
mittel, spült man die Reste im Vorratsgefaß mit bereits durchgelaufenem Filtrat aufs
Filter. (Während der Substanzaufgabe soll der Rückstand nicht trockengesaugt wer-
den.) Ist zum Schluß die Hauptmenge der Flüssigkeit abgesaugt, preßt man den halb-
trockenen Filtrierkuchen zur Entfernung weiterer Flüssigkeitsreste mit einem Spa-
tel oder umgekehrten Glasstopfen in der Nutsche fest. Vor allem müssen entstehende
Risse sofort zugedrückt werden. - Es ist nicht ratsam, so lange Luft durch den Rück-
stand zu saugen, bis dieser völlig trocken ist, da dann die Verunreinigungen ebenfalls
ausfallen, sich Staub ablagert und die Autooxidation gefördert wird. Wo es die Lös-
lichkeitsverhältnisse erlauben, kann man noch anhaftende schwerflüchtige Lösungs-
mittel durch leichtflüchtige verdrängen (beispielsweise höhere Homologe durch
niedere, Wasser durch Methanol, Alkohole durch Ether).
In den weitaus meisten Fällen ist ein Waschen des Rückstands nötig. Man stellt dazu
die Wasserstrahlpumpe ab, schabt nötigenfalls die noch feuchte Kristallmasse Schicht
für Schicht vorsichtig, ohne das Filter zu verletzen, auf, teigt sie in der Nutsche mit der
eben nötigen Flüssigkeitsmenge zu einem dicken Brei an und saugt dann die Wasch-
lösung scharf ab. Feste Kristallklumpen und grobe Kristalle, die Verunreinigungen
einschließen, werden in der Reibschale zerkleinert und angeteigt. Als Waschflüssigkeit
nimmt man im allgemeinen das gleiche Lösungsmittel, das schon im Filtrat vorliegt.
Sollte sich in diesem das Produkt zu leicht lösen, kühlt man es vorher (z. B. im Eis-
Kochsalz-Bad). — Sorgfältiges, eventuell ein- bis dreimal wiederholtes Waschen hat
einen hohen Reinigungseffekt, der nicht selten sogar ein weiteres Umkristallisieren
erspart! Die Unsitte, gleichzeitig zu saugen und Waschflüssigkeit aufzugießen, ver-
mindert meistens nur die Ausbeute.
Anschließend wird der Filterkuchen sofort auf ein Uhrglas gestürzt und das feuchte
Zentrifugieren 73

Filter abgezogen. Würde man das Filter antrocknen lassen, ließe sich eine Verunrei-
nigung durch Papierfasern nicht vermeiden.
Heiße Lösungen, die nur ganz wenig feste Verunreinigungen enthalten, lassen sich
mit einiger Vorsicht sehr schnell mit der Nutsche klären. Man braucht dazu eine Saug-
flasche, die mindestens das Doppelte des Filtrats faßt, und einen sehr großen
Büchner-Trichter. Die Saugflasche muß aus thermoresistentem Glas bestehen und
auf eine wärmeisolierende Unterlage (z. B. Holz) gestellt werden. Die Nutsche ist im
Trockenschrank vorzuwärmen. - Man gießt die kochendheiße Lösung (nach dem
Löschen aller Flammen!) bei ausnahmsweise vollem Wasserstrahlvakuum derart auf
die Mitte der Nutsche, daß das Filter zum Teil frei bleibt, also ständig Luft mit durch-
gesaugt wird.
Muß unterhalb der Raumtemperatur abgesaugt werden, kühlt man die Nutsche in
der Tiefkühltruhe oder - geschützt durch einen eng anliegenden Kunststoffbeutel -
im Kältebad vor.
Für besondere Fälle stehen Heiznutschen zur Verfügung, durch deren hohle Wan-
dungen sowohl heißes Wasser als auch Kühlsole langsam durchgedrückt oder durch-
gesaugt werden kann.

Zentrifugieren:
Beim Zentrifugieren werden suspendierte Feststoffe nicht durch Filter, sondern allein
aufgrund ihrer höheren Dichte abgetrennt. Dieses Verfahren ist immer dann am Platz,
wenn die festen Teilchen sehr fein dispers sind oder sehr kleine Mengen quantitativ
abgeschieden und gewaschen werden sollen (oder das Filtriergut das Filter bezie-
hungsweise die Glasfritte zersetzt).

J Abb. 57 Spitzes 15-ml-Zentrifugenglas

Die Suspensionen kommen in spezielle, für geringe Feststoffmengen unten spitz


zulaufende (siehe Abbildung 57) Zentrifugengläser, die ihrerseits in den Rotor der
Zentrifuge eingesteckt werden. (Reagenzgläser sind nicht geeignet!) Um schwere
Unfälle und Beschädigungen des Lagers auszuschalten, muß man die jeweils gegen-
überliegenden Gläser - bei den üblichen Laborzentrifugen auf weniger als ein Gramm
genau - gegeneinander austarieren \ Läuft die Zentrifuge ungleichmäßig, ist sofort ab-
zuschalten.
Man läßt so lange rotieren, bis sich die Feststoffe als kompakter Kuchen abgesetzt
haben und die überstehende Flüssigkeit völlig klar ist. Es ist falsch, den Rotor zur
Verkürzung der Auslaufzeit zum Schluß zu bremsen, weil dadurch sowohl das Dreh-
lager gefährdet, als auch die abgeschiedene Substanz wieder aufgewirbelt werden
kann.
74 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Anschließend wird die Flüssigkeit abgegossen; letzte Reste kann man mit einem
Filtrierpapierröllchen wegsaugen. Zum Waschen braucht der Rückstand nicht aus
dem Zentrifugenglas genommen zu werden.
Für die üblichen Arbeiten im Praktikum reicht in den meisten Fällen eine einfache
Handzentrifuge aus.
In Ultrazentrifugen lassen sich bei mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minute
sogar echt gelöste Makromoleküle abscheiden. Der zeitliche Ablauf des Sedimenta-
tionsvorgangs kann in seinen einzelnen Phasen photographiert und zur Reinheits-
prüfung oder Molekulargewichtsbestimmung ausgenutzt werden.

Umkristallisieren

Das Umkristallisieren, manchmal auch als Umlösen bezeichnet, ist das wichtigste
Reinigungsverfahren für Feststoffe. Es beruht darauf, daß unsaubere Substanz in
einem siedenden Lösungsmittel gelöst wird und daraus in der Kälte gereinigt wieder
auskristallisiert, während die beigemengten Verunreinigungen entweder in der Mut-
terlauge gelöst bleiben oder auch in der Siedehitze unlöslich sind, also vor dem Aus-
kristallisieren abfiltriert werden können.
Der Erfolg dieser Operation ist allein von der Auswahl des Lösungsmittels abhängig,
für die hier folgende Richtlinien gelten:
Die Substanz soll sich in der Kälte möglichst wenig, in der Siedehitze dagegen gut
lösen. Die störenden Begleitstoffe sollen entweder in der Kälte gut löslich sein oder
auch in der Wärme ungelöst bleiben. Das Lösungsmittel soll einen günstigen Siede-
punkt haben. Tiefe Siedepunkte (E t her, Methylenchlorid, Aceton) verringern die
nutzbare Temperatur spanne; hohe (Dimethylformamid, Essigsäure, Toluol) erhöhen
sie, verlangen jedoch entsprechend temperaturstabile Verbindungen und erschweren
das spätere Abdestillieren. Wenn möglich, soll der Siedepunkt nicht höher liegen, als
der Schmelzpunkt der Substanz, da sich diese sonst beim Abkühlen ölig ausscheidet,
Kristallisationen aus der Schmelze aber nur zu sehr unreinen Produkten führen.
Wegen des besonders steilen Anstiegs der Löslichkeit/Temperatur-Kurven nahe
am Siedepunkt erhitzt man beim Umkristallisieren immer bis zum Sieden.
Unter diesen Gesichtspunkten ist das Lösungsmittel durch Vorversuche zu ermit-
teln. Dabei sollte man prinzipiell halbquantitativ arbeiten. Das heißt, man übergießt
in großen Reagenzgläsern jeweils ungefähr die gleiche Menge gut zerkleinertes Roh-
produkt mit einem abpipettierten Volumen Lösungsmittel - im Normalfall eine halbe
Spatelspitze (etwa 25 mg) mit einem Milliliter - und schüttelt einige Minuten. Löst
sich die Substanz nicht oder fast nicht, gibt man ein kleines Siedesteinchen zu und
kocht kurze Zeit gelinde im Wasserbad beziehungsweise höher siedende Lösungs-
mittel mit der nötigen Vorsicht über einer winzigen Bunsenflamme (langes Reagenz-
glas benutzen). Geht die Probe dabei in Lösung, untersucht man, wieviel weitere
Spatelspitzen unter ganz schwachem Sieden noch gelöst werden können. - Hinweise
Umkristallisieren 75

über eine gezielte Auswahl der Lösungsmittel liefert die mixotrope Reihe S .716. Am
besten probiert man zuerst nur die am häufigsten verwendeten aus, nämlich:
Wasser, Ethanol, Essigester, Toluol, Benzin
und geht dann folgerichtig zu den Zwischengliedern der mixotropen Reihe über. -
Nur wenn sich auch unter diesen kein geeignetes Lösungsmittel finden läßt, sollte
man versuchen, mit einem Lösungsmittelgemisch zum Ziel zu kommen. Das richtige
Mischungsverhältnis bekommt man, indem man entweder den Feststoff im besseren
Lösungsmittel löst und in der Siedehitze so viel von dem schlechteren zutropft, wie
ohne Ausfallung möglich ist - oder umgekehrt die im schlechteren Lösungsmittel
suspendierte Substanz in der Siedehitze durch geduldiges schrittweises Zusetzen des
besseren gerade eben zur Auflösung bringt. Man beachte, daß der Solvatations-
charakter eines Lösungsmittelgemisches durchaus nicht immer zwischen dem der
reinen Einzelkomponenten zu liegen braucht. Die im Vorversuch benutzte Substanz
wird von den Lösungsmitteln befreit und zur Hauptmenge zurückgegeben.
Für das eigentliche Umkristallisieren versetzt man die Rohsubstanz - nachdem
man einige Impfkristalle zurückbehalten hat! - in einer passenden Rückflußapparatur
(Größe nach Vorversuch abschätzen; eher zu groß als zu klein wählen) zuerst nur mit
einem deutlichen Unterschuß an Lösungsmittel, kocht einige Minuten, unterbricht,
gibt weiteres Lösungsmittel durch den Kühler zu (bei brennbaren Flüssigkeiten
Flamme löschen; Trichter benutzen, damit nichts ins Bad fließt; neue Siedesteine ein-
werfen !), kocht erneut und wiederholt diesen Vorgang so oft, bis sich die Substanz in
einem geringen Überschuß gelöst hat. Für Analysenpräparate empfiehlt sich eine
stärkere Verdünnung; man erhält dann reinere Produkte. Große Kristalle (die sich
nur sehr langsam lösen) oder unlösliche Rückstände können dazu verleiten, weitaus
zu viel Lösungsmittel einzugießen. Im Zweifelsfalle dekantiere man ab und verbuche,
den Rest getrennt in Lösung zu bringen.
Durch unerwünschte Begleitstoffe gelb bis braun gefärbte oder getrübte Lösungen
sind an dieser Stelle mit Hilfe von Adsorbenzien zu entfärben beziehungsweise zu
klären; siehe speziellen Abschnitt S. 77. - In der Siedehitze unlösliche Verunreini-
gungen werden abfiltriert. Dann läßt man die Lösung am besten unbehelligt ab-
kühlen und in Gegenwart einer Spur der anfangs zurückbehaltenen Impfkristalle
die gereinigte Substanz sich kristallin ausscheiden. Anschließendes Einstellen in den
Kühlschrank, die Tiefkühltruhe oder ein Kältebad vergrößert den Ertrag (aber auch
die Gefahr, daß unerwünschte Begleitstoffe mit ausfallen).
Man beachte den Kristallisationsvorgang: Scheiden sich anfangs gefärbte, un-
saubere Kristalle ab, dekantiert man die überstehende Mutterlauge zur weiteren
reineren Kristallisation in ein zweites Gefäß. Fallen tiefschmelzende Verbindungen
als Tröpfchen aus, kocht man - notfalls nach Zusatz von weiterem Lösungsmittel -
erneut auf und sorgt dann durch Umwickeln des Gefäßes mit Tüchern oder besser
Einstellen in ein großes Bad mit heißem Wasser für sehr langsame Abkühlung. Die
Impfkristalle müssen in diesem Fall so oft zugegeben werden, bis sie gerade nicht
mehr schmelzen oder in Lösung gehen.
76 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Ist die Kristallisation (manchmal erst nach mehreren Tagen) beendet, wird mit der
Nutsche getrennt und der Rückstand gewaschen.
An den Kristallen zäh haftende ölige Verunreinigungen können auf einem ungla-
sierten Tonteller entfernt werden. Man breitet dazu die Substanz mehrmals hinter-
einander über den Teller aus, ohne sie dabei zu zerdrücken oder fest anzupressen!
und wartet, bis der kapillaraktive Ton alle zähflüssigen Bestandteile abgesaugt hat.
Einige Lagen glattes Filtrierpapier leisten ähnliche Dienste. (Aufpassen, daß nicht
Schmutz, Wachs oder Farbe vom Labortisch durchs Papier schlägt.) Der Tonteller
wird auch oft dafür verwandt, kleine Substanzmengen zur Schmelzpunktbestimmung
rasch von restlicher Mutterlauge zu befreien und dann durch Auftropfen von frischem
Lösungsmittel direkt auf dem Teller zu waschen (siehe S. 117).
Mutterlauge und Waschflüssigkeiten dürfen, da sie noch erhebliche Anteile der
gewünschten Verbindung enthalten können, in der Regel nieht weggegossen werden,
sondern sind zu vereinigen, wiederum zu einer annähernd heiß gesättigten Lösung
einzudampfen und zur Kristallisation abkühlen zu lassen. Die so gewonnenen weite-
ren Kristallfraktionen sind meist weniger rein, können also nicht ohne weiteres mit
dem primären Kristallisat vereinigt werden.
In Ausnahmefällen gelingt es, durch mehrfaches Umkristallisieren aus der von Mal
zu Mal weiter eingeengten Mutterlauge neben der ersten noch eine zweite Verbin-
dung rein zu erhalten. Durch die sogenannte ,fraktionierte Kristallisation"'' werden
mehrere nach diesem Prinzip gewonnene Kristallfraktionen zur weiteren Trennung
erneut umkristallisiert und zwar unter Benutzung jeweils der Mutterlauge der vor-
hergehenden Fraktion als Lösungsmittel für die darauffolgende.
Verbindungen, die sich in allen Lösungsmitteln auch bei deren Siedetemperatur
nur ungenügend lösen und längeres Erhitzen unbeschadet vertragen, können im Heiß-
extraktor (siehe S. 59) umkristallisiert werden. Sie fallen dabei aus der heiß gesättig-
ten Lösung im Siedekolben aus.
Das Umkristallisieren ist so oft zu wiederholen, bis der geforderte, anhand des
Schmelzpunkts (siehe Kapitel 18) leicht nachzuprüfende Reinheitsgrad erreicht ist.
Abschließend sollten die gereinigten Kristalle zur Kontrolle und zur Beschreibung
ihrer Struktur für das Arbeitsprotokoll möglichst unter dem Mikroskop oder einer
stärkeren Lupe betrachtet werden.

Umfallen

Verbindungen, die nicht umkristallisiert werden können, weil sie sich in der Wärme
zersetzen oder weil ihre Löslichkeit nicht mit der Temperatur zunimmt, lassen sich
manchmal durch Umfallen reinigen.
Man versetzt dazu die kalte Lösung des Stoffs behutsam so lange mit einem zwei-
ten mischbaren schlechteren Lösungsmittel, bis gerade eine erste Trübung zu erken-
nen ist. Es scheiden sich dann nach einiger Zeit (manchmal nach mehreren Stunden)
Kristalle aus. Diese sind auf jeden Fall erst abzutrennen, bevor man durch Wieder-
Entfärben und Klären von Lösungen 77

holung der Prozedur versucht, weitere (häufig stark verunreinigte) Kristallfraktio-


nen zu gewinnen.
Beispiele für geeignete Lösungsmittelpaare sind (siehe S. 110):
Methanol, Ethanol oder Aceton plus Wasser;
Aceton, Essigester, Ether oder Chloroform plus Methanol oder Petrolether.

Entfärben und Klären von Lösungen

Organische Zersetzungsprodukte, die als gelbe bis braune Verfärbungen oder nicht
abfiltrierbare kolloide Trübungen zu erkennen sind, können (wegen ihrer Neigung,
sich an die aktiven Kristallzentren anzulagern) die Kristallisation aus Lösungen er-
heblich stören. Da es sich bei diesen Verunreinigungen fast ausschließlich um Poly-
mere handelt, die aufgrund ihrer Größe besonders adsorptionsaktiv sind, bietet der
Zusatz von Adsorbenzien meist ein bequemes Mittel zu ihrer Beseitigung.
Wegen der sehr guten Adsorptionseigenschaften und chemischen Indifferenz wird
zum Entfärben fast ausschließlich Aktivkohle benutzt. Ihre Wirksamkeit ist in polaren
Lösungsmitteln am größten und nimmt in der Reihenfolge:

Wasser > Methanol > Ethanol > Aceton > Chloroform


ab.
Zur Beseitigung selbst feinster Trübungen hat sich neben Aktivkohle Kieselgur
(Diatomeenerde, „Celite") besonders bewährt. Daneben ist für die gleichen Zwecke
auch Filterschnitzelbrei (in der Reibschale lösungsmittelfeucht zerfasertes Filtrier-
papier) geeignet.
Im allgemeinen werden diese Hilfsstoffe den zu reinigenden Lösungen in der Hitze
zugesetzt, mindestens 10 bis 15 min mitgekocht und dann heiß abfiltriert.
Man darf jedoch Adsorbenzien nie zu überhitzten Lösungen geben; sie heben Siede-
verzüge fast explosionsartig auf! Aus Aktivkohle werden außerdem in der Wärme
größere Mengen Luft freigesetzt, die die Flüssigkeit heftig aufschäumen lassen! Man
läßt deshalb kochende Lösungen erst etwas abkühlen, schüttet dann das Adsorbens
in kleinen (!) Anteilen unter Umschwenken ein und erhitzt nun erneut etwa drei min
(nur hochviskose Systeme brauchen mehr Zeit) zum Sieden. Die oberflächenreichen
Adsorbenzien fördern die Zersetzung, unnötig längeres Kochen sollte daher vermie-
den werden. Um unerwünschte Oxidationen zu verhindern, ist die Kohle bei Be-
handlung leicht oxidabler Verbindungen vorher durch Kochen mit wenig reinem
Lösungsmittel zu entlüften. Falls beim anschließenden Heißfiltrieren die feinpulveri-
sierte Kohle teilweise durchs Filter läuft, gibt man zusätzlich etwas Kieselgur oder
Filterschnitzelbrei in die Lösung.
Der gleiche Reinigungseffekt läßt sich erzielen, wenn man die Adsorbenzien ohne
zu erwärmen bei Raumtemperatur einrührt; nur dauert es dann lange, bis sich das
Adsorptionsgleichgewicht eingestellt hat.
78 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Zur Beseitigung leichter Trübungen oder schwacher Verfärbungen reicht meist eine
Spatelspitze Kohle pro 100 ml Lösung aus. Als Tröpfchen ausfallende ölige Schmieren
erfordern wesentlich mehr. Nimmt man zu viel, besteht die Gefahr, daß erhebliche
Anteile des Hauptprodukts mit adsorbiert werden, deren Rückgewinnung (durch
Desorption mit möglichst unpolaren Lösungsmitteln) Schwierigkeiten bereitet.

Zonenschmelzen

Das Zonenschmelzen * basiert auf der Tatsache, daß unreine Feststoffe tiefer schmel-
zen als reine. (Bildung von Eutektika.)
In der Praxis füllt man die zu reinigende Substanz in ein dünnes, langes Rohr und
zieht dieses ganz langsam nach unten durch einen kleinen elektrischen Ringofen mit
einer oder mehreren übereinander liegenden schmalen Heizzonen, deren Temperatur
den Feststoff gerade eben zum Schmelzen bringt. Dabei reichern sich die Verunreini-
gungen vorzugsweise in den flüssigen Bereichen an und wandern mit diesen zum
oberen Rohrende.
Die Anwendung dieses Verfahrens beschränkt sich auf kleine Mengen entsprechend
thermostabiler Verbindungen mit nur geringen Anteilen an Fremdstoffen, führt dann
jedoch zu sehr reinen Produkten.

Chromatographie

Allen chromatographischen Verfahren ist gemeinsam, daß das aufzutrennende Sub-


stanzgemisch mit speziellen Lösungsmitteln oder in Gasform als „mobile Phase" über
eine aus oberflächenreichen Feststoffen bestehende »stationäre Phase" hinwegströmt
und dabei aufgrund unterschiedlicher Affinitäten zu den beiden Phasen in seine
Komponenten zerlegt wird. 2
Je nach den praktischen Anwendungsformen unterscheidet man zwischen:
Säulenchromatographie,
Dünnschichtchromatographie,
Papierchromatographie,
Gaschromatographie und
Flüssigchromatographie.

1
H.Schüdknecht, Zonenschmelzen, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1964; G.Hesse und H.
Schildknecht, Angew. Chem. 68, 64 (1956).
2
G. Hesse, in Methoden der Analyse in der Chemie, Band 6, Academische Verlagsanstalt, Frankfurt am
Main.
E. Heftmann, Chromatographie, Reinhold Publ. Corp., New York.
Arten der Chromatographie 79

In der Säulenchromatographie fließt die mobile Phase durch senkrecht stehende,


mit fein- bis grobkörnigen Feststoffen gefüllte Glasrohre. Schichtchromatographie
(mit flächenartig auf Platten fixierter stationärer Phase) und Papierchromatographie
(mit speziellem Filtrierpapier als festem Träger) sind sogenannte „offene Systeme"
bei denen das Lösungsmittel durch Kapillarkräfte über die vorher aufgetragenen Sub-
stanzgemische hinweggezogen wird. Bei der apparativ anspruchsvolleren Gaschro-
matographie werden die Stoffgemische gasförmig von einem Trägergas rasch durch
längere dünne Rohre transportiert. Der analoge Vorgang mit flüssigen Phasen wird
als Flüssigchromatographie bezeichnet.
Die physikalisch-chemischen Phänomene, die diesen Anwendungstechniken zu-
grunde liegen, sind:
Adsorption,
Verteilung,
lonenaustausch und
Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie).
Das Adsorptionsverfahren wird meistens zur Isolierung lipophiler Substanzen ein-
gesetzt. Dem Verteilungsverfahren sind vorwiegend Gemische polarer, also weniger
lipophiler Stoffe zugänglich. Beim lonenaustausch verfahren werden elektrisch ge-
ladene Teilchen nach Maßgabe ihrer Ladungsmenge voneinander getrennt. Das
Hohlraumdiffusionsverfahren macht Trennungen aufgrund unterschiedlicher Mole-
külgröße möglich. - Diese vier Prinzipien treten nie völlig rein in Erscheinung, jedes
wird stets mehr oder weniger stark von den übrigen überlagert.
Wesentliches Merkmal der Chromatographie ist, daß bei ihr (durch Anwendung
einer sehr oberflächenreichen stationären Phase) die Zahl der offenen Gleichge-
wichtsschritte und damit der Wirkungsgrad außerordentlich hoch ist.

Adsorptionschromatographie

Bei der Adsorptionschromatographie1 besteht die stationäre Phase aus fein gepul-
verten, standardisierten Adsorptionsmitteln. Diese halten während des Chromato-
graphievorgangs die im Lösungsmittel vorbeiströmenden Substanzen entsprechend
deren Verhalten im Adsorptionsgleichgewicht verschieden stark zurück. Unterschei-
den sich die Einzelkomponenten genügend in ihren Affinitäten zum Adsorbens,
kommt es dabei zur Ausbildung diskreter Substanzzonen, welche sich im Laufe ihrer
Wanderung immer weiter voneinander entfernen.
Abbildung 58 läßt die Ausbreitung zweier verschieden stark adsorbierter Substanz-
zonen im Chromatographierohr erkennen. Im Idealfall (a) würden die einzelnen Zo-

1
G.Hesse, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4.Aufl., Bd. ///, S. 465, Thieme,
Stuttgart 1958.
80 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Laufrichtung *•
Abb. 58 Ausbreitung zweier Substanzzonen bei der Adsorptionschromatographie; a) im Idealfall, b)
unter Berücksichtigung von Diffusion und unvollständiger Gleichgewichtseinstellung; c) im Realfall
(rechts stärker, links weniger stark adsorbierte Substanz)

nen mit einheitlicher Konzentrationsverteilung und konstanter Breite - die um so


größer ist, je geringer die Substanz festgehalten wird - durch die ganze Säule wandern.
Tatsächlich lassen Diffusion (abnehmend) und unvollständige Gleichgewichtsein-
stellung (zunehmend mit wachsender Chromatographiegeschwindigkeit) diese recht-
eckigen Konzentrationsprofile glockenförmige Gestalt (Gauß-Verteilung) annehmen
(b). Da die meisten Substanzen keine linearen, sondern gekrümmte Adsorptions-
isotherme haben, das heißt in verdünntem Zustand relativ stärker festgehalten wer-
den, ziehen sie einen (während der Wanderung immer länger werdenden) Schwanz
hinter sich her (c).
Von einigen Ausnahmen abgesehen werden für die Adsorptionschromatographie
nur polare (oxidische) Adsorbenzien verwandt. An diesen haften die Adsorbate natur-
gemäß um so stärker, je polarer oder polarisierbarer sie sind. Gesättigte Kohlen-
wasserstoffe werden praktisch nicht festgehalten. Die Wirkung funktioneller Grup-
pen - die etwa in der Reihenfolge:

-Hal<-OCH3<-N02; -N(CHa)2OCO2CH3; -COCH3; -CHCK-NH2; -OH<C02H

zunimmt - wird wesentlich von der Gesamtstruktur der Moleküle mitbestimmt.


Doppelbindungen erhöhen, wenn sie isoliert auftreten, die Adsorption kaum; ihr
Einfluß wächst in konjugierten und aromatischen Systemen rasch an und kann sehr
erheblich werden, wenn diese auch noch mit batochromen (farbvertiefenden) Substi-
tuenten in Konjugation stehen.
Von den zahlreichen für die Chromatographie ausprobierten und im Handel er-
hältlichen Adsorbenzien kommt den universell anwendbaren Aluminiumoxiden und
Kieselgelen bei weitem die größte Bedeutung zu.
Aluminiumoxid wird nicht nur in neutraler Form, sondern auch als „basisches"
(AlO ~ -haltig) und als „saures" Aluminiumoxid (Al + -haltig) verwendet. Diese Sorten
Adsorptionschromatographie, eluotrope Reihe 81

gestatten ein Ausweichen, wenn saure oder basische Trennsubstanzen vom ampho-
teren neutralen Aluminiumoxid zu fest als Salze gebunden würden. (Schüttdichte ca.
l ml/g.) - Die hohe Adsorptionskraft der scharf getrockneten Aluminiumoxide kann
durch Belegen der aktivsten Stellen mit Wasser in gewünschtem Umfang herabge-
mindert werden. Nach einer Standardisierung unterscheidet man folgende Aktivi-
tätsstufen:

Aktivitätsstufe I II III IV V
Prozent Wasser 0 3 6 9 18

Zur gezielten Desaktivierung verteilt man die nötige Menge Wasser durch Um-
schwenken auf der Innenfläche einer Pulverflasche, gibt das Aluminiumoxid der
Aktivitätsstufe I zu, verschließt die Flasche, schüttelt bis der Inhalt homogen fließt
und wartet mehrere Stunden.
Kieselgel (Silikagel) ist ebenfalls ein kräftiges Adsorptionsmittel; seine Aktivität
kann je nach Herstellerfirma stark schwanken. Wässerige Aufschlämmungen reagie-
ren schwach sauer. (Schüttdichte ca, 2 ml/g.) - Die seltener verwendeten Kieselgure
(Diatomeenerde; „Celite") adsorbieren nur schwach.
Zur Erhaltung ihrer Aktivität sind diese Adsorbenzien sorgfältig vor Luftfeuchtig-
keit zu schützen.
Die auf S. 85 beschriebenen Dextrangele sind ebenfalls als Adsorbenzien geeignet.
Das die mobile Phase bildende „Fließmitter übt einen zweifachen Einfluß auf die
Trennung aus: Erstens - und hauptsächlich - tritt es als Konkurrent um die aktiven
Adsorptionsstellen auf, zweitens zieht es aufgrund seines Solvatisierungsbestrebens
die Substanzen an sich. Für seine Auswahl leistet die empirisch ermittelte eluotrope
Reihe gute Hilfe. In ihr sind die Lösungsmittel nach zunehmender Adsorptionsten-
denz (Eluierkraft) an polaren Adsorbenzien - also nach wachsender Polarität - an-
geordnet. Vergleiche mixotrope Reihe auf S.716.
Petrolether < Cyclohexan (2,0) < Tetrachlorkohlenstoff (2,3) < Trichlorethylen
(2,1) < Toluol (2,3) < Benzol (2,2) < Methylenchlorid (8,4) < Chloroform (5,1) <
Diethylether (4,4) < Essigester (6,1) < Pyridin (12,4) < Aceton(21,5) < n-Propanol
(22,2) < Ethanol (25,8) < Methanol (31,2) < Wasser (81,0). In Klammern: Dielek-
trizitätskonstanten.
(Für unpolare Adsorptionsmittel, wie z. B. Kohle oder vernetztes Polystyrol, kehrt
sich diese Reihenfolge gerade um.)
Im allgemeinen versucht man bei den polaren Adsorbenzien zuerst mit Methylen-
chlorid oder Benzol zum Erfolg zu kommen. Laufen in diesen Solvenzien die Sub-
stanzen zu schnell, nimmt man für den nächsten Vorversuch ein weiter links stehen-
des Lösungsmittel; laufen sie zu langsam, nimmt man ein weiter rechts stehendes
oder z. B. an Stelle von reinem Methylenchlorid solches, dem 2% Essigester oder gar
Methanol zugesetzt worden sind.
Grundsätzlich sollten nur sehr saubere Lösungsmittel verwendet werden. Die stark
desaktivierenden hydrophilen Verunreinigungen wie das Wasser selbst (siehe Ak-
82 Allgemeine Arbeitsanweisungen

tivitätsskala) und Alkohole lassen sich am einfachsten durch Filtration über eine
trockene Aluminiumoxid-Säule entfernen (siehe S. 108). Man beachte, daß handels-
übliches reines Chloroform 0,5 bis 1% Stabilisierungs-Alkohol enthält. Bei niedrig-
siedenden Lösungsmitteln (Ether, Methylenchlorid, Petrolether) macht sich oft ein
teilweises Verdampfen während des Chromatographierens störend bemerkbar.
Aceton neigt in Gegenwart von Aluminiumoxid zur Eigenkondensation (Diaceton-
alkohol, Mesityloxid).

Zusammenfassend gilt:
Je polarer (polarisierbarer) die zu trennenden Substanzen, desto polarer (polarisier-
barer) soll das Fließmittel und desto weniger aktiv das Adsorbens gewählt werden.

Verteilungschromatographie
Die Verteilungschromatographie1 hat sich besonders zur Trennung hydrophiler
Substanzen bewährt. Sie bietet daher eine wertvolle Ergänzung zur Adsorptions-
chromatographie. Ihre Wirkung beruht auf einer Verteilung der Substanzen zwischen
zwei flüssigen Phasen, von denen die eine an einem fein verteilten festen Träger fixiert
ist und die andere an dieser vorbeiströmt. Im Gegensatz zur Adsorptionschromato-
graphie ist hier das Fließmittel also immer ein Lösungsmittelgemisch. Eine mittel-
große Chromatographiesäule hat über 10000 „theoretische Böden". - Die physika-
lischen Grundlagen sind prinzipiell die gleichen wie bei der - bereits oben behan-
delten - multiplikativen Verteilung. Für die Konzentrationsverteilungen innerhalb
der einzelnen Substanzen gilt die Kurve b der Abbildung 58 (Abweichungen zur
Kurve c deuten auf Mitwirkung von Adsorption hin).
Als Träger für die stationäre Phase werden benutzt:
Spezielle Sorten Filtrierpapier.
Cellulosepulver. (Dieses ist besonders geeignet zur Übertragung papierchromato-
graphisch gewonnener Ergebnisse auf die Säulenchromatographie.)
Silicagel und Kieselgur.
Dextrangel (siehe S. 85).
Die Lösungsmittelgemische bestehen aus einem weniger polaren organischen Anteil,
in dem ein stark polarer — fast immer wässeriger — gelöst ist. Der Trägerstoff zieht aus
dieser Mischung bevorzugt die polare Komponente an sich, so daß diese in der statio-
nären Phase angereichert ist und die mobile Phase lipophileren Charakter hat.
Aus der Fülle der ausprobierten seien hier einige besonders in der Papier- und
Dünnschichtchromatographie altbewährte Lösungsmittelsysteme zusammengestellt:
n-Butanol/Eisessig/Wasser (60:15:25; wegen Veresterung nicht lange haltbar)
Phenol/Wasser (80:20; Vorsicht; ätzt sehr stark!)
n-Propanol/Essigester/Wasser (60:10:30)
Isopropanol/konz. Ammoniak/Wasser (60:30:10).
1
Siehe Literaturzitate 2 aus S. 78 und * aus S. 91.
Verteilungs- und lonenaustauschchromatographie 83

Mit diesen Systemen können nur solche Verbindungen getrennt werden, die sich in
der polaren stationären Phase wesentlich leichter lösen als in der mobilen. Dabei sind
für stark polare Substanzen (z. B. Zucker) Lösungsmittelgemische mit stärker pola-
rem, organischem Anteil zu benutzen. Um Gleichgewichtsverschiebungen zu unter-
drücken, werden Säuren und saure Salze in sauren, Basen und basische Salze in neu-
tralen oder schwach basischen Lösungsmitteln entwickelt. Im allgemeinen ist man
bei der Wahl des geeigneten Mischungssystems auf die zahlreichen Literaturangaben1
oder auf Vorversuche (z.B. mit Dünnschichtchromatographie; siehe S. 91) ange-
wiesen.
Die Trennung hydrophober Substanzgemische durch Verteilungschromatographie
ist kaum üblich. Sie verlangt „umgekehrte Phasen" ("reversed phases"), das heißt
Systeme mit lipophiler stationärer und hydrophiler mobiler Phase. Das Trägermate-
rial muß zu diesem Zweck z. B. durch Imprägnieren mit Silicon- oder Paraffinöl oder
durch partielles Acetylieren der Hydroxylgruppen des Papiers beziehungsweise des
Cellulosepulvers hydrophobiert werden. Beim Fließmittel muß der wässerige Anteil
überwiegen.

lonenaustauschchromatographie

Bei der lonenaustauschchromatographie 2 treten die Trennsubstanzen durch Ionen-


Beziehungen mit der stationären Phase in Wechselwirkung. Die feste Phase besteht
hier aus gekörnten (am besten perlförmigen) Kunstharzen vom Polystyrol-, PoIy-
vinyl- oder Bakelit-Typ mit sauren beziehungsweise basischen Substituenten oder
aus Cellulose - einschließlich Filterpapier - und Dextrangelen (siehe S. 91), deren
Hydroxylgruppen teilweise mit Säuren beziehungsweise Basen verethert sind. Saure
und basische Aluminiumoxide haben ebenfalls Austauschereigenschaften.
Kationenaustauscher enthalten stark saure Sulfonsäuregruppen, Carboxylgruppen
oder (sehr selten) schwach saure phenolische Hydroxylgruppen, die sie zur Salz-
bildung mit Kationen befähigen:
PoIy-SO3- X+ PoIy-COs X+ Poly-arora-O' X+

1
Siehe Literaturzitate 2 aus S. 78 und 1 aus S. 91.
2
K. Dorfner, lonenaustausch-Chromatographie, 3. Aufl., Walter de Gruyter & Co, Berlin 1970; R. Grieß-
bach und G.Naumann, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. ///,
S. 521, Thieme, Stuttgart 1958.
84 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Beispiele:

stark [-SO3H] maxt pH mval/g


Amberlite IR 120 120 C 1-14 4,2
Dowex 50 150 C 1-14 5,4
Lewatit S 100 120 C 1-14 4,8
schwach [—COOH]

Amberlite IRC— 50 120 C 5-14 10


Duolite CS 100 100 C 5-14 10,2

(max t = höchst zulässige Arbeitstemperatur; pH = zulässiger pH-Bereich; mval/g = Austausch-Kapa-


zität)

Anionenaustauscher enthalten stark basische quartäre Ammoniumgruppen oder


schwach basische Aminogruppen, die Anionen festhalten:

PoIy-N(R) 3 Y- PoIy-N(R)2H Y-

Beispiele:

sehr stark [-N(CH3J3] maxt pH mval/g


0
Amberlite IRA-400 75 C 1-14 3,3
Dowex 1 15O0C 1-14 3,6
Lewatit M 500 7O0C 1-14 4,0

stark [—N(Alkyl)2Alkylol]

Amberlite IRA-410 5O0C 1-12 3,1


Dowex 2 15O0C 1-14 3,7
Lewatit M 600 4O0C 1-14 3,7
schwach [-N(R)2]

Amberlite IR-45 10O0C 1-9 5,0


Dowex 3 650C 1-9 5,5
Lewatit MP 60 10O0C 1-9 6,3

Als Fließmittel, zur schrittweisen Elution der in lonenform gebundenen Substanzen,


werden Säuren, Basen, Puffer oder Salze in wässerigen Lösungen benutzt, deren
lonenkonzentrationen während des Entwickeins stufenweise oder besser kontinuier-
lich erhöht werden muß; siehe „Gradiententwicklung" S. 89. - Die lonenaustausch-
chromatographie ist hervorragend geeignet zur Trennung von Aminosäuren, Pepti-
den, Proteinen oder Nucleotiden.
Alle Austauschharze haben Gelcharakter (mit zwei- bis dreifachem Quellvolumen
je nach Vernetzungsgrad). Man beachte, daß sich ihre Volumina beim Austausch-
vorgang ändern können. - Die gequollenen Harze sind vor der ersten Benutzung
unter Aufschlämmen in Wasser von kleinen Schwebeteilchen zu befreien sowie durch
wiederholtes Umladen (zwischen „H-Form" beziehungsweise „OH-Form" und „Salz-
form") mit verdünnten Säuren und Basen oder Salzlösungen, am besten in einem
Ionenaustauscher, Gelchromatographie 85

Chromatographierohr, zu aktivieren und in die gewünschte Anwendungsform zu


bringen. Die Vorschriften hierfür sind je nach Harztyp verschieden; man halte sich an
die Anweisungen der Herstellerfirmen. Gebrauchte Austauscher sind nach ent-
sprechendem Umladen sofort wieder verwendungsfähig. Ihre Haltbarkeit ist (so-
lange man sie feucht hält) praktisch unbegrenzt.
Die Austauscherharze können auch außerhalb der Chromatographie eingesetzt
werden:
zur Entsalzung in Chromatographiesäulen („entsalztes Wasser") oder in Schüttel-
kolben („batchwise")
oder als heterogene saure beziehungsweise basische Katalysatoren.

Eine Sonderstellung zwischen den Adsorbenzien und Ionenaustauschern nehmen


synthetische Polyamide * (Nylon, Perlon) ein. Sie halten H+-Donatoren wie vor allem
Phenole durch Wasserstojförückenbindung zurück. Entwickelt wird hier mit wässeri-
gen Lösungen von Alkohol < Aceton < Formamid < Dimethylformamid (steigende
Elutionskraft), die als Konkurrenz-Akzeptoren wirken.

Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie)

Eine chromatographische Trennung allein nach der Molekülgröße ist mit Hilfe porö-
ser Trägermaterialien möglich2. In der Praxis benutzt man Dextrane (1,6-Polyglu-
cosen), die durch Quervernetzung der Hydroxylgruppen (über Etherbrücken) in was-
serunlösliche, aber quellbare Gele mit unterschiedlichen Porengrößen umgewandelt
worden sind. Solche Dextrangele werden (zu ziemlich hohem Preis) gestaffelt nach
Vernetzungsgrad in Form kleiner Perlen oder Körner unter dem Markennamen
„Sephadex"3 angeboten. - Daneben sind auch mit N,]V'-Methylendiacrylamid ver-
netzte Polyacrylamidgele4 im Gebrauch.
Das in Wasser gequollene Gel bildet die stationäre Phase, Wasser selbst die mobile.
Während des Chromatographierens strömen die größeren Substanzmoleküle, welche
oberhalb einer vom Vernetzungsgrad abhängigen ,Ausschlußgrenze", keine passen-
den Poren finden, ungehindert am Gel vorbei. Die kleineren finden dagegen auf ihrem
Weg mit abnehmender Größe zunehmend mehr Zugang zu dem im Gelkorn befind-
lichen Wasser; ihnen steht neben dem „äußeren" auch noch ein „inneres Flüssigkeits-
volumen" zur Verfügung. Sie passieren die stationäre Phase also entsprechend lang-
samer als die größeren („Molekularsieb"-Wirkung). - Auch im organischen Lö-
sungsmittel zu verwenden ist „Sephadex LH".
Die Säulen-Gelchromatographie erfordert sehr lange Rohre (siehe S. 86). Über

1
H. Endres und H. Hörmann, Angew. Chem. 75, 288 (1963).
2
H. Determann, Gelchromatography, 2.Aufl„ Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1969.
3
Firma Pharmacia, Uppsala, Schweden; deutsche Vertretung in Frankfurt am Main.
4
„Bio-Gel" der Firma: Bio-Rad Laboratories, Richmond/USA.
86 Allgemeine Arbeitsanweisungen

die Vorbehandlung (Quellen) und Anwendung der verschiedenen Gelsorten unter-


richtet man sich am besten aus den ausführlichen Firmenprospekten.
Eingesetzt wird die Gelchromatographie vorwiegend zur Trennung mono-, oligo-
und polymerer Syntheseprodukte oder Naturstoffe voneinander sowie zum Entsalzen
hydrophiler Verbindungen. Mit Hilfe entsprechender bekannter Vergleichssubstan-
zen ist auch eine Molekularmassebestimmung von Makromolekülen möglich.

Säulenchromatographie

Die Säulenchromatographie wird vor allem zur Trennung größerer Chargen heran-
gezogen. Ihr wesentlichster apparativer Teil, die Säule, besteht aus einem unten ver-

Abb. 59 a) Chromatographiesäule
mit aufgesetztem Tropftrichter;
b) mit Mariottescher Flasche
Säulenchromatographie 87

jungten Glasrohr mit eingelegter Siebplatte, eingeschmolzener Sinterglasscheibe oder


(für enge Rohre besser und einfacher) einem Glaswattepfropfen als Boden; siehe Ab-
bildung 59. Der tote Raum zwischen Boden und Auslaufrohr soll möglichst klein
sein, das Auslaufrohr selbst nur einen Millimeter lichte Weite haben.
Die Abmessungen dieser Säulen können, der Vielfalt ihrer Einsatzmöglichkeiten
angepaßt, sehr unterschiedlich sein. Im Labor finden sowohl kurze Tropfpipetten als
auch 20 cm dicke oder mehrere Meter lange Rohre Verwendung. Die jeweils optimale
Größe kann nur durch Vorversuche (in verkleinertem Maßstab) ermittelt werden. —
Im allgemeinen liegt das günstigste Verhältnis von Säulendurchmesser zu Säulen-
länge zwischen l: 10 und l: 20 (für Gelchromatographie l: 100).
Die Säulen sind exakt senkrecht aufzubauen, längere unter Benutzung eines Lotes.
Sehr wichtig für den Erfolg der Chromatographie ist die völlig gleichmäßige Vertei-
lung des Füllkörpers. Inhomogene stationäre Phasen lassen die Substanzen nicht als
waagerechte Banden, sondern als gezackte, sich überlappende Zonen durchlaufen.
Vor dem Füllen der Säule deckt man die Bodenplatte mit einem Rundfilter ab, be-
ziehungsweise verschließt man den Auslauf mit einem kleinen Watte- oder Glaswatte-
bausch in der Weise, daß man die Glaswatte mit dem Fließmittel zum Boden spült,
den Auslauf schließt, etwas Fließmittel nachgießt und die Glaswatte dann mit einem
Stab oder Schlauch blasenfrei waagerecht glatt drückt; siehe Abbildung 59. Es emp-
fiehlt sich, darüber eine 2 cm hohe Schicht Seesand zu füllen.
Für die Verteilungs-, die Ionen- und die Gelchromatographie wird das feste Füll-
material stets naß m die Säule eingeschlämmt. Dazu stellt man sich mit Hilfe des später
zu benutzenden Lösungsmittels eine gerade noch gut gießbare, klumpen- und blasen-
freie Suspension her und schüttet diese an der Säuleninnenwand entlang so langsam
ein, daß der Teil des Lösungsmittels, der den Brei zum Überlaufen bringen würde,
zwischendurch unten abtropfen kann. (Eventuell klaren Überstand absaugen.) Wich-
tig ist, daß während des Füllens immer drei Schichten nebeneinander bestehen, näm-
lich abgesetztes Material, sich absetzende Dispersion und reines Lösungsmittel. Sollte
die mittlere Dispersionszone fehlen, muß die Füllmaterialoberfläche vor weiterer
Zugabe erst wieder mit einem Stab aufgewirbelt werden. - Ist die Durchflußgeschwin-
digkeit derart hergestellter Säulen zu klein, füllt man bei geschlossenem Auslauf und
saugt den Lösungsmittelüberschuß von oben mit einem Saugball oder einer Wasser-
strahlpumpe weg. Die langsamere Sedimentation führt zu weniger kompakten Fül-
lungen.
Adsorbenzien können im allgemeinen auf die gleiche Weise eingefüllt werden. Nur
wenn sich aufgrund zu hoher Dichteunterschiede keine breiige Suspension herstellen
läßt, sollte man die Adsorbenzien trocken durch einen Trichter Stück für Stück jeweils
einen Zentimeter hoch in die Säule rieseln lassen und danach jedesmal mit einem
kolbenförmigen Stößel sorgfältig waagrecht feststampfen. Zum Schluß läßt man das
Lösungsmittel durchsickern.
Die Chromatographierrohre dürften nur so weit gefüllt werden, daß je nach Größe
noch 5 bis 20 cm frei bleiben. (Bei Ionenaustauschern Volumenänderung einkalku-
lieren.) Die stationäre Phase muß für alle weiteren Operationen stets mit Lösungs-
88 Allgemeine Arbeitsanweisungen

mittet bedeckt sein! Teilweise „trockengelaufene" Säulen sind unbrauchbar und müs-
sen neu gefüllt werden.
Für die Verteilungschromatographie ist die Säule nach dem Füllen zu äquilibrieren,
das heißt, bis zur Gleichgewichts-Sättigung mit Lösungsmittel zu beladen. Der Füll-
körper reichert sich zunächst mit Wasser an. Man läßt dazu das zur Trennung vorge-
sehene Lösungsmittel so lange durchlaufen, bis der Ablauf die Zusammensetzung des
ursprünglichen Gemischs aufweist, was am einfachsten durch Vergleich der Bre-
chungsindices (siehe S. 122) kontrolliert werden kann.
Nachdem sich die Füllmaterialien abgesetzt haben, bedeckt man sie, um ein Auf-
wirbeln zu verhindern, mit einem passenden Filterpapier.
Die auf diese Weise zur Trennung vorbereiteten Säulen müssen völlig homogen aus-
sehen, dürfen also keine Flecke, Risse oder Luftbläschen zeigen. Der Versuch, diese
durch Rühren oder Stochern mit einem langen Glasstab zu entfernen, führt nur selten
zum Erfolg.
Zur Substanzaufgabe läßt man den Flüssigkeitsspiegel (ausnahmsweise!) kurz-
fristig wenige Millimeter in die Füllung absinken und trägt dann das im gleichen Lö-
sungsmittel (oder einem schwächer eluierenden) möglichst konzentriert gelöste Trenn-
gemisch vorsichtig mit einer Pipette so auf, daß es über die ganze Oberfläche gleich-
mäßig verteilt einsickert. (Am besten wenig geöffnete Pipette kreisend an der Rohr-
innenwand entlang führen.) - Nun überschichtet man vorsichtig mit etwas Lösungs-
mittel, läßt den Spiegel durch kurzes Öffnen des Auslaufs gerade eben einsickern und
gibt erneut etwas Lösungsmittel auf.
Die Kapazität der Füllstoffe hängt weitgehend vom Trennproblem ab. Als Anhalts-
punkte kann für die Adsorption etwa l: 100 (lonenaustausch l: < 100), für die Vertei-
lung etwa l: 1000 als günstigstes Gewichtsverhältnis zwischen Substanzgemisch und
trockenem Füllmaterial angenommen werden. Sind nur geringe Mengen einer sehr
schnell oder sehr langsam wandernden Verunreinigung (z. B. hochpolymerer Harze)
abzutrennen, ist die Kapazität natürlich sehr viel höher. - Viele Mißerfolge rühren
daher, daß die Säule mit zu viel Substanz beladen wurde!
Unmittelbar nach dem Aufbringen der Substanzen beginnt man mit dem „Ent-
wickeln" („Eluieren"), das heißt, man läßt so lange Lösungsmittel durchlaufen, bis
(nach einigen Stunden) die Trennung erreicht ist. Dabei sorgt ein - möglichst mit
durchbohrtem Stopfen luftdicht aufgesetzter — Tropftrichter (siehe Abbildung 59 a)
oder besser eine Mariottesche Flasche (siehe Abbildung 59 b) für konstanten Zulauf.
Die Durchflußgeschwindigkeit soll im allgemeinen möglichst l bis 5 ccm pro cm2
Rohrquerschnitt pro Stunde betragen. Abweichungen vom Optimum führen zur Ver-
breiterung der Substanzzonen (siehe S. 80).
Ist die Durchflußgeschwindigkeit zu groß, kann man den Ablauf mit einer
Schlauch-Schraubklemme drosseln oder mit Hilfe eines längeren möglichst engen
Schlauchs höher legen.
Ist sie zu klein, kann man das Vorratsgefäß für den Zulauf höher legen. Am Auslauf
bei geöffnetem Hahn der Sicherheitsflasche schwach zu saugen, birgt die Gefahr, daß
sich in der Säule Lösungsmitteldampf- oder Luftblasen bilden.
Füllstoffe 89
Um das Absetzen von Bläschen in der Säule zu verhindern, sollte man Wasser vor-
her z.B. an der Wasserstrahlpumpe entlüften.
Bei dicken Säulen kann die Sorptionswärme das Innere der Füllung stärker erwär-
men, so daß dort die Substanzen rascher wandern; ist das der Fall, muß die Durch-
flußgeschwindigkeit verringert werden.
Die Durchflußgeschwindigkeit ist weitgehend von der Korngröße der Rohrfüllung
abhängig. Diese Korngröße wird oft in „mesh" angegeben, was Anzahl Maschen pro
Zoll eines genormten Siebgewebes bedeutet.
Beispiele zum Vergleich zwischen mesh-Zahl (USA-Standard) und lichter Ma-
schenweite:
mesh-Zahlfinch- 1 ] 400 200 100 60 40 20 12
Maschenweite [mm] 0,037 0,074 0,15 0,25 0,42 0,84 1,68
Die Säulen sind vor direktem Sonnenlicht und stärkerer Wärmestrahlung zu schützen.
Beide können asymmetrische Wanderung sowie Blasenbildung oder Entmischung
der Fließmittel verursachen und begünstigen die Zersetzung der in adsorbiertem
(also polarisiertem) Zustand besonders reaktiven Substanzen.
Zur (nicht unbedingt nötigen) direkten Beobachtung des Trennvorgangs bei farb-
losen Verbindungen bieten sich folgende Hilfen an: Beleuchten fluoreszierender Stoffe
mit der UV-Handlampe; Verwendung von mit Fluoreszenzfarben belegten Adsor-
benzien, deren Fluoreszenz im UV-Licht von den Adsorbaten geschwächt wird; Be-
laden der Adsorbenzien mit speziellen Indikatoren.
Im allgemeinen entwickelt man so lange, bis die gewünschten Substanzen nachein-
ander am Rohrende austreten, und fangt sie getrennt auf (Durchlaufverfahren). Die
klassische Methode - nur bis zur Auftrennung innerhalb der Säule zu entwickeln,
dann das Lösungsmittel abzusaugen, die gesamte Füllung als „Wurst" aus dem Rohr
zu stoßen, in entsprechende Teile zu schneiden und diese getrennt zu eluieren (Zonen-
verfahren) - wird heute fast nur noch in einer modifizierten, anwendungstechnisch
mehr zur Schichtchromatographie gehörenden Form angewandt (siehe S .96).
Unterscheiden sich in der Adsorptionschromatographie die Substanzen sehr stark
in ihrer Haftfähigkeit, erfordert das Durchlaufverfahren sehr große Lösungsmittel-
mengen. Man begegnet diesem Nachteil, indem man die Polarität des Elutionsmittels
stufenweise oder besser kontinuierlich erhöht. Bei der lonenaustauschchromatogra-
phie ist eine solche sukzessive Veränderung der Konzentration oder/und des pH-Werts
der Elektrolytlösung meist unumgänglich. Für die kontinuierliche „Gradientenent-
wicklung" benötigt man ein Mischgefäß mit Rührer, an das in Art der Abbildungen 60
und 61 ein zweites Vorratsgefäß angeschlossen ist. In das Mischgefäß kommt Fließ-
mittel mit geringerer, in das Vorratsgefäß solches mit stärkerer Elutionskraft. Schaltet
man zwei zylindrische Gefäße parallel (kommunizierend), wächst die lonenstärke
linear (mit einer Steilheit, die vom Verhältnis der Gefäßquerschnitte abhängt); Ab-
bildung 6Oa und b. Schaltet man zwei Gefäße hintereinander, wächst die lonenstärke
logarithmisch; Abbildung 61 a und b. Einen ähnlich progressiven Anstieg erhält man,
wenn man im System der Abbildung 6Oa die Zulaufflasche durch einen (konischen)
90 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Ausflußmenge Ausflußmenge
b
Abb. 60 Lineare Gradientenentwicklung; Abb. 61 Logarithmische Gradientenentwicklung;
a) Mischgefäß mit Magnetrührer und a) Mischgefäß mit Magnetrührer und
Zulaufgefäß parallel geschaltet; Zulaufgefaß hintereinander geschaltet;
b) dazugehöriges lonenstärke-Diagramm b) dazugehöriges lonenstärke-Diagramm;
c) konisches Zulaufgefaß

Erlenmeyerkolben ersetzt; Abbildung 61c. Tauscht man das Mischgefäß der Abbil-
dung 6Oa gegen einen Erlenmeyerkolben, wächst der Gradient zunehmend lang-
samer (logarithmische Kurve konvex).
Zum Auffangen der Eluat-Fraktionen gibt es mechanische Fraktionssammler, die,
auf bestimmte Zeitintervalle, Tropfenzahlen oder Volumina eingestellt, bis zu mehrere
hundert Proben automatisch abfüllen. Sie können an einen Detektor mit Schreiber
gekoppelt werden, der laufend z.B. die Intensität einer UV-Absorptionsbande oder
Dünnschichtchromatographie 91

auch des Brechungsindex parallel zur Fraktionsnummer registriert. Mit Hilfe solcher
Fraktionssammler und einer Mariotteschen Flasche für den Zulauf lassen sich chro-
matographische Trennungen wartungsfrei über Nacht ausführen. (Vorsicht bei brenn-
baren Fließmitteln!)

Dünnschichtchromatographie

Die Dünnschichtchromatographie1 (DC) dient vorwiegend analytischen Zwecken.


Sie unterscheidet sich im wesentlichen dadurch von der Säulentechnik, daß bei ihr
das feste Trägermaterial nicht in Rohre gefüllt ist, sondern flächig auf rechteckigen
Platten haftet. Je nach Schichtmaterial und vor allem Fließmittel (ohne oder mit
hydrophilem Anteil) ist sowohl Adsorptions- (und lonenaustausch-) als auch Ver-
teilungschromatographie möglich. Die Trennleistung der Platten übertrifft die der
Säulen (hauptsächlich wegen des wesentlich größeren Verhältnisses Adsorbens/
Substanz).
Als Schichtmaterial hat sich bisher Kieselgel am besten eingeführt. Alle Trägerstoffe
zeichnen sich durch besondere Feinkörnigkeit aus. Sie können 5 bis 15% Gips oder
etwas Stärke als Bindemittel enthalten. Die dadurch erreichte höhere Festigkeit der
Schichten muß allerdings manchmal mit erheblich schlechterer Trennleistung erkauft
werden. Anderen Sorten sind, zur leichteren Erkennung der aufgetrennten Substan-
zen, Fluoreszenz-Indikatoren zugesetzt, die meist dunkle Flecke in hell fluoreszie-
render Umgebung erkennen lassen (Fluoreszenzlöschung).
Die Dicke der Trägerschicht beträgt in der Dünnschichtchromatographie im allge-
meinen 0,1 bis 3 mm. Wichtig ist, daß sie vor allem in der späteren Laufrichtung ein-
heitlich ist. Obwohl man beschichtete Chromatographieplatten von hoher Qualität
aus Glas, Aluminiumfolie oder Kunststoff kaufen kann (DC-Fertigplatten), stellt
man sie sich aus Ersparnis- und Variationsgründen oft selbst her.
Man verwendet dafür im allgemeinen Glasplatten mit standardisierten Abmessun-
gen von 20 cm Länge und 5, 10, 20 oder mehr Zentimetern Breite. (Die Laufrichtung
ist immer der 20-cm-Kante parallel.) Für einfachere Untersuchungen sind selbst mi-
kroskopische Objektträger noch groß genug. Damit die Schichten später haften, müs-
sen die Glasscheiben auf der Oberseite mit einem Haushaltsscheuermittel oder z. B.
Chromschwefelsäure sehr sorgfältig gereinigt, mit entsalztem Wasser nachgespült und
getrocknet werden (Organische Lösungsmittel können einen Film zurücklassen.) Sie
sollen dann völlig fettfrei sein; die zu beschichtende Fläche darf also nicht mit den
Fingern berührt werden.
Zum Auftragen auf die frisch gereinigten Platten stellt man sich zuerst aus dem fein-
pulvrigen Schichtmaterial mit Hilfe von Wasser (oder manchmal anderen Lösungs-
mitteln) durch längeres kräftiges Schütteln einen dickflüssigen Brei her. Cellulose-

1
E.Stahl, Dünnschichtchromatrographie, 2.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1967;
K.Randerath, Dünnschicht-Chromatographie, 2. Aufl., Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1965.
92 Allgemeine Arbeitsanweisungen

pulver muß in einem Küchen-Mixgerät angeteigt werden. Genauere Anweisungen für


die Zubereitung der Suspensionen, insbesondere für die je nach Material unterschied-
lichen Flüssigkeitsmengen und die bei gipshaltigen Sorten einzuhaltenden Arbeits-
zeiten, werden von den Herstellerfirmen zur Verfügung gestellt.
Dünnschichten werden meist aufgestrichen. Hierfür liefert die Industrie Streich-
geräte, bei denen der Brei aus einem in gewünschter Höhe über die Glasscheiben be-
wegten Schlitz ausfließt. - Einzelne Platten kann man sich mit einfachsten Mitteln
folgendermaßen herstellen: Man legt auf einer ebenen Unterlage drei gleich starke
Chromatographieplatten z. B. der Größe 20 • 5 cm parallel dicht nebeneinander und
schiebt unter die beiden äußeren eine Lage Spielkarten, so daß die mittlere etwa
0,3 mm tiefer zu liegen kommt. Dann gießt man die Schichtkörpersuspension als
Streifen quer auf das äußerste Ende der mittleren Platte und streicht sie mit der ge-
schliffenen Längskante einer weiteren Glasscheibe - unter Benutzung der beiden
Seitenplatten als Auflageschienen - in einem Zuge gleichmäßig aus.
Mit einer speziellen Spritzpistole, bei der die Suspension im Vorratsgefäß dauernd
durch einen Luftstrom aufgewirbelt wird, lassen sich die Dünnschichten auch auf-
spritzen. (Abzug benutzen!)
Schließlich kann man die Schichten mit einiger Übung auch gießen. Man schüttelt
dazu die Essigester- oder Ethanolsuspension auf die Mitte der Platte und verteilt sie
rasch durch leichtes Kanten und Rucken zu einem gleichmäßigen Film.
Die frisch beschichteten Platten lassen sich durch leichtes Klopfen gegen die
schmale Längskante zusätzlich glätten. Danach sollten sie mindestens so lange an
Ort und Stelle liegen bleiben, bis die Oberfläche nicht mehr glänzt. Am besten läßt
man sie (über Nacht) ganz an der Luft trocknen. Adsorptionsschichten werden nötigen-
falls anschließend im Heizschrank auf die gewünschte Stufe aktiviert (siehe S. 81).
Im allgemeinen bewahrt man dazu die völlig lufttrockenen Platten 30 Minuten lang
bei etwa 13O0C auf und läßt sie dann im Exsikkator kalt werden. Es ist zu beachten,
daß hochaktive Adsorbenzien nur so kurz wie möglich der Luft(-feuchtigkeit) ausge-
setzt werden dürfen. - Die getrockneten Platten hebt man am günstigsten in einem
Stapelgestell im Exsikkator auf.
Für analytische Untersuchungen führt man die chromatographische Trennung fol-
gendermaßen aus: Zuerst markiert man auf der trockenen Platte im gleichmäßigen
Abstand von etwa 2 cm zum unteren Plattenrand (rechtwinklig zu den 20-cm-Seiten)
mit einer Nadel eben sichtbar die Startpunkte. Die Zwischenräume zwischen den
Punkten und die Abstände zu den seitlichen Plattenrändera sollen mindestens l cm
betragen. — Nun werden die vorher gelösten Untersuchungssubstanzen (etwa 0,5 bis
5proz. je Einzelkomponente - möglichst unpolares Lösungsmittel verwenden) mit
feinen Kapillarpipetten (z. B. ausgezogenen Schmelzpunktröhrchen) vorsichtig unter
möglicher Schonung der Schicht aufgetragen. Man stellt dazu die vorher durch ein-
faches Eintauchen gefüllte Pipette senkrecht auf den Startpunkt und wartet, bis sich
dort ein Fleck von 3, höchstens 5 mm Durchmesser ausgebildet hat; Abbildung 62.
Nach jeweiligem Trocknen - eventuell mit einem Kaltluft-Fön - können zu stark
verdünnte Lösungen beliebig oft übereinander aufgetragen werden. Eine Plexiglas-
Entwickeln des Dünnschichtchromatogramms 93

• • •••f
t • • • • «|
• • • • •f
Abb. 62 Chromatographietrog mit
Dünnschichtplatte 20 x 20 cm

Schablone erleichtert diese Arbeiten. Um Verwechslungen auszuschalten, notiert man


sich die Reihenfolge der Substanzen auf einem Zettel oder kennzeichnet sie am
oberen Rand der Platte.
Für analytische Auftrennungen sind nicht mehr als einige Mikrogramm pro Unter-
suchungssubstanz nötig! (Die Minimalmengen entsprechen den Nachweisgrenzen.)
Zu hohe Konzentrationen verursachen kometenartige Schweifbildung der wandern-
den Substanzen; siehe Abbildung 62 rechts. Starke Verunreinigungen durch anor-
ganische Salze stören ebenfalls.
Zur Entwicklung stellt man die vorbereiteten Platten annähernd senkrecht, mit der
Startkante nach unten, in ein passendes, gut verschließbares Glasgefäß („Chromato-
graphiekammer"), dessen Boden l cm hoch mit dem entsprechenden Fließmittel be-
deckt ist und dessen Luftraum weitgehend mit den Dämpfen dieses Fließmittels ge-
sättigt ist; Abbildung 62. Die Kapillarkräfte der Schicht saugen das Lösungsmittel
über die Substanzflecken hinweg und lassen sie als Teil der mobilen Phase nach oben
wandern.
Um die Kammeratmosphäre mit Lösungsmitteldämpfen zu sättigen, stellt man ein
Stück Chromatographiepapier, das Rück- und Seiten wände bedeckt, ein und be-
feuchtet es mit Fließmittel. Dann schüttelt man - anfangs unter häufigem Lüften —
einige Zeit kräftig um. Zum Einstellen der Platten soll die Kammer nicht länger als
notwendig geöffnet werden. Ungenügende Sättigung des Luftraums bewirkt eine er-
hebliche Verlangsamung des Chromatographievorgangs und führt insbesondere bei
Gemischen aus sehr unterschiedlichen Lösungsmitteln dazu, daß die Substanzen am
Plattenrand schneller laufen als in der Mitte.
Während der Entwicklung sind die Chromatogramme vor direkter Sonnen- und
Wärmestrahlung zu schützen. Eine optimale Trennung ist auf Dünnschichtplatten in
der Regel dann erreicht, wenn das Fließmittel 10 bis höchstens 15cm gestiegen ist.
Man nimmt dann die Platte heraus und läßt sie, nachdem man rasch die Lösungs-
mittelfront eingekratzt hat, liegend an der Luft trocknen.
Nicht gefärbte Substanzen muß man anschließend sichtbar machen. Eine Reihe von
Verbindungen fluoresziert im kurz- oder langweiligen UV-Licht oder läßt sich daran
erkennen, daß sie die Fluoreszenzstrahlung der von vornherein oder nachträglich
(siehe unten) mit Leuchtstoff versetzten Schicht auslöscht. - Außerdem gibt es die
Möglichkeit, die Substanzen durch mehr oder weniger spezifische Farbreagenzien
94 Allgemeine Arbeitsanweisungen

sichtbar zu machen. Diese Reagenzien werden als Lösungen mit Hilfe von Flaschen-
aufsätzen, die nach dem Prinzip der Parfümzerstäuber funktionieren, oder aus Spray-
dosen aufgesprüht. (Dazu ist der Abzug zu benutzen und sind alle Flammen in der
Nähe zu löschen; bei stärker giftigen oder aggressiveren Lösungen darf nicht mit dem
Mund geblasen werden, letztere verlangen den Schutz der Augen!) Man sprüht so
lange, mit feinsten Tröpfchen, bis die ganze Schicht gleichmäßig angefeuchtet ist,
sich aber noch keine naßglänzenden Stellen zeigen (also die Gefahr besteht, daß die
Substanzen weggeschwemmt werden). Das richtige Maß läßt sich am besten im
Gegenlicht erkennen; es ist erreicht, wenn die Schicht eben Transparenz zeigt.
Aus der großen Fülle brauchbarer Nachweisreagenzien seien hier nur einige wenige
aufgeführt: Fluoreszein oder Eosin zur Erzeugung von Fluoreszenz im UV-Licht;
Kaliumpermanganat für reduzierende Verbindungen; Indikatoren für Säuren und
Basen; Anilinphthalat für reduzierende Zucker; Ninhydrin für Aminosäuren und
Peptide; Dragendorff-Reagenz für Alkaloide; Paulys Reagenz für kupplungsfähige
Amine und Phenole; Eisen(III)-chlorid für Phenole und Enole. Ziemlich universell
ist die „Jodkammer", ein Chromatographiegefaß mit einigen Körnchen Jod, in das
man die Platten wenige Minuten einstellt. Von radioaktiv markierten Stoffen läßt
sich durch Auflegen eines photographischen Paipers ein ,Autoradiogramm" anferti-
gen. Anweisungen zur Benutzung dieser und der vielen anderen Nachweisreagenzien
entnehme man der Spezialliteratur1. - Da die entwickelten Farbflecke oft nicht be-
ständig sind, umreißt man sie sofort mit einer Nadel.
Zur Dokumentation der gewonnenen Ergebnisse paust man die Flecken auf Trans-
parentpapier ab.
Die Wanderungsstrecken der chromatographierten Verbindungen haben wegen der
Schwierigkeit, die Versuchsbedingungen bei der DC exakt zu standardisieren, meist
nicht sehr großen exemplarischen Wert. Man gibt sie als absolute Größen, sogenannte
„RF-Werte", an, deren Bestimmung im Kapitel Papierchromatographie beschrieben
ist; siehe S. 97. Zur Identifizierung unbekannter Stoffe ist es daher unerläßlich,
authentische Vergleichssubstanzen auf derselben Platte mitlaufen zu lassen. Um die
Wirkung störender Verunreinigungen zu erkennen, trägt man am besten gleich die
fragliche Substanz beziehungsweise Mischung X sowie die Vergleichssubstanz A
nebeneinander auf und zwischen beiden auf ein und demselben Punkt aufeinander
A und X.
Läßt sich ein komplexes Gemisch mit einem Fließmittel allein nicht völlig auf-
teilen, hilft oft die zweidimensionale Chromatographie weiter. Man trägt dafür die
Substanzmischung in der Ecke einer quadratischen Platte je 2 cm von den Kanten
entfernt auf, entwickelt erst mit einem Fließmittel, trocknet an der Luft und ent-
wickelt dann im rechten Winkel zur ersten Laufrichtung mit einem anderen Fließ-
mittel.
Bei der Mehrfachtechnik chromatographiert man nach jeweiligem Trocknen mehr-
fach hintereinander in der gleichen Richtung mit dem gleichen Lösungsmittel und
1
Siehe Literaturzitate auf S. 78 und 91.
Spezielle Methoden der Schichtchromatographie 95

erreicht so eine bessere Auftrennung der langsamwandernden Verbindungen. - Bei


der Stufentechnik entwickelt man auf einer Adsorptionsschicht zuerst mit stärker
polarem Lösungsmittel, zur Trennung der polaren Komponenten und dann, nach
Zwischentrocknen über die erste Lösungsmittelfront hinaus mit einem weniger pola-
ren Lösungsmittel, zur Trennung der unpolaren Komponenten.
Bei der S- Technik („Sand wich-Technik") wird eine zweite gleich große Glasscheibe,
der an drei Kanten 2 mm dicke Abstandsstreifen aufgeklebt sind, mit der beschichte-
ten Platte zusammengeklammert. Die offene Seite wird in den Schlitz eines Fließ-
mitteltanks gesteckt. Wegen des sehr geringen Kammervolumens entfällt hier das
Sättigungsproblem.
Die bisher aufgeführten „aufsteigenden Entwicklungsverfahren" sind in der Schicht-
chromatographie bei weitem am gebräuchlichsten. ,Absteigende Entwicklung" er-
fordert eine Kammer, in die oben eine Rinne eingebaut ist. Das Lösungsmittel wird
hier über einen breiten Filtrierpapierstreifen aus der Rinne zur Oberkante der einge-
stellten Dünnschichtplatte gesaugt. Auf diese Weise kann man das Fließmittel im
Durchlaufverfahren - zur Trennung langsam wandernder Verbindungen - beliebig
lange über die Platte sickern lassen.
Die Mikrozirkulartechnik ist für zeit- und materialsparende Vorproben besonders
gut geeignet. Man testet Lösungsmittel und Schicht, indem man genau in der Mitte
der punktförmig aufgetragenen Substanzmischung senkrecht eine Kapillarpipette mit
dem fraglichen Fließmittel aufsetzt und dieses langsam zu einem runden Fleck von
etwa 1,5 cm Durchmesser ausfließen läßt. Trennt sich dabei das Gemisch in ring-
förmige Substanzzonen, ist das Fließmittel zur Chromatographie geeignet.
Zur präparativen Trennung1 kleinerer Mengen trägt man die Substanzlösung als
durchlaufenden Strich oder als Kette sich berührender Punkte über die ganze Breite
der Dünnschichtplatten auf. Die Pipette ist dabei so locker zu führen, daß die Schicht
nicht durchgekratzt wird. Durch Benutzung unpolarer Fließmittel und Anwendung
der Mehrfachtechnik läßt sich die Kapazität von Adsorptionsschichten bei unvermin-
derter Trennleistung auf etwa 50 mg Substanz pro 20 • 20 • 0,2 bis 0,3-cm-Schicht
steigern. Farblose Verbindungen, die UV-Licht absorbieren, chromatographiert man
auf Leuchtstoff-Schichten. Andere kann man nach Trennung dadurch lokalisieren,
daß man sich mit schmalen selbsthaftenden Klebstreifen (z. B. „Tesafilm") einen Ab-
zug von der Schichtoberfläche macht und diesen mit einem geeigneten Sprühreagenz
anfärbt. Die Zonen, die die gewünschten Verbindungen enthalten, werden abge-
schabt und mit geeigneten polaren Lösungsmitteln (z. B. Methanol) in einer Glasfrit-
tennutsche eluiert.
Entsprechend größere Chargen lassen sich auf den 5 bis 10 mm starken Kieselgel-
oder Alumimumoxid-Dickschichten trennen1. Diese müssen gegossen werden. Man
legt dazu die Platten in genau passende oben offene Kunststoffkästen, in deren Boden
- zum Herausdrücken der fertigen Platten - einige Löcher gebohrt sind. Sie müssen
exakt waagerecht aufgestellt werden (Wasserwaage). Ausreichende Stabilität läßt sich

1
H. Halpaap, Chem.-Ztg. 89, 835 (1965).
96 Allgemeine Arbeitsanweisungen

hier nur mit Bindemittel-(Gips-)haltigem Schichtmaterial erreichen. - Die Substanzen


werden in eine 3 cm vom Plattenrand entfernte, etwa die Hälfte der Schichtstärke
tiefe, vorher eingeritzte Furche eingetragen. Die Auftrennung auf Dickschichtplatten
ist, trotz Anwendung der Mehrfachtechnik, erheblich weniger scharf als bei der Dünn-
schichtchromatographie. In manchen Fällen ist ein Hintereinanderschalten beider
Verfahren rationell.
Annähernd gleich gut wie auf Dünnschichten lassen sich kleine Mengen durch
Trockensäulen-Chromatographie1 trennen. Man verwendet dazu feinkörniges Alu-
miniumoxid mit UV-Leuchtstoff, füllt dieses trocken in Nylonschläuche oder Glas-
rohre von 10-50 mm Durchmesser, trägt die Substanzen am Säulenkopf auf und
läßt dann das Lösungsmittel wie bei der Schichtchromatographie gerade eben durch
die ganze Länge der (trockenen!) Säule sickern. (Dauer etwa 15-30min). Zur Ge-
winnung der im UV-Licht markierten Substanzzonen werden die dünnwandigen
Säulen einfach entsprechend durchgeschnitten.

Papierchromatographie

Die (historisch ältere) Papierchromatographie 2 (PC) kann als eine Variante der Dünn-
schicht-Verteilungschromatographie angesehen werden, bei der die beschichtete
Platte durch Filtrierpapier ersetzt ist.
Als Träger der stationären Phase eignen sich nur gleichmäßige Spezialpapiere aus
reiner Cellulose. Diese sind mit Sorgfalt zu behandeln, dürfen nicht geknickt und
sollen möglichst wenig mit den Fingern berührt werden. Von zwingenden Ausnahmen
abgesehen, wird immer rechtwinklig zur (herstellungsbedingten) Faserstruktur chro-
matographiert. (Test: Ein Tropfen Wasser breitet sich ellipsenförmig stärker in Faser-
richtung aus.)
Für die aufsteigende Entwicklung kann die Höhe des Papierbogens bis zu 30 cm
betragen. Die Breite schneidet man sich entsprechend der Probenzahl zurecht. Die
Startpunkte der Substanzen markiert man im Abstand von 2-2,5 cm zueinander und
zu den Seitenkanten mit einem weichen Bleistift auf einer 3 cm vom unteren Papier-
rand entfernten Linie. Auf sie werden die gelösten Untersuchungssubstanzen mit
Kapillarpipetten als 5 bis höchstens 8 mm breite runde Flecken aufgetragen. Am
günstigsten sind etwa 20 Mikrogramm je Einzelkomponente. Sind die Substanzen
aufgetrocknet, rollt man den Papierbogen zu einem Rohr und heftet die sich gerade
überlappenden Seitenkanten oben durch eine Büroklammer zusammen. Zur Entwick-
lung wird diese Papierrolle — mit der Startlinie nach unten - in einen passenden Glas-

1
B.Loev und M. Goodman, Chem. Ind. (London) 2026 (1967).
2
F.Gramer, Papierchromatographie, 2.Aufl., Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1953; Th. Wie-
land und F.Turba, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 2, S. 882,
Thieme, Stuttgart 1953; Umfangreiche Monographie: J.M.Hais und K.Macek, Handbuch der Papier-
chromatographie, G. Fischer Verlag, Jena 1958.
Papierchromatographie 97

zylinder mit geschliffener Deckelscheibe, dessen Boden 1-2 cm hoch von Fließmit-
tel bedeckt ist und der vorher - zur Sättigung des Luftraums mit Lösungsmittel-
dämpfen - kräftig umgeschüttelt wurde, eingestellt. Nachdem das Fließmittel (auf-
grund der Saugwirkung des Papiers) fast bis zur Oberkante gestiegen ist, was 2-10 h
dauern kann, nimmt man das Chromatogramm heraus, zeichnet sofort die Lösungs-
mittelfront an und verdampft das Fließmittel im Ventilator-Trockenschrank.
Schmale Chromatogramme (für höchstens drei Proben) können zur aufsteigenden
Entwicklung mit einem Drahthaken an die paraffinierten Korkstopfen von Weithals-
Erlenmeyerkolben, deren Boden mit Fließmittel bedeckt ist, gehängt werden.
Für die absteigende Entwicklung benötigt man 60 cm hohe Chromatographiekam-
mern mit oben eingebauten Rinnen. Die Substanzen werden etwa 6 cm unterhalb der
Papieroberkante auf 60 cm lange Bogen aufgetragen. Man faltet das Papier 3 cm
über der Startlinie nach hinten, hängt es mit der abgeknickten Papierlasche ih eine
der fließmittelgefüllten Rinnen und fixiert es dort z. B. durch Beschweren mit Glas-
stopfen. - Die Sättigung mit Fließmitteldämpfen läßt sich am einfachsten durch einen
vorher eingehängten leeren Papierbogen erreichen.
Bei der horizontalen Rundfilterchromatographie wird ein einzelnes Substanzge-
misch ringförmig um ein wenige Millimeter großes Loch im Zentrum eines runden
Chromatographiepapiers (von etwa 30cm Durchmesser) aufgetragen. Durch das
Loch wird ein aufgewickeltes Papierröllchen gesteckt und dann das Chromatogramm
so zwischen Unterteil und Deckel eines Exsikkators geklemmt, daß das Röllchen als
Docht in eine untergestellte Fließmittelschale eintaucht. Die Substanzen trennen sich
in konzentrische Ringe auf, die mit wachsender Größe immer schärfer werden.
Aufsteigende Chromatographie ist nur bis zu einer Höhe von etwa 25 cm sinnvoll;
darüber hinaus wandert das Fließmittel zu langsam. Absteigend kann man im Durch-
laufverfahren „weit über die Papierlänge hinaus" laufen lassen. Wenn man dabei in
den unteren Papierrand sägeförmige Zacken schneidet, tropft das Fließmittel gleich-
mäßiger ab. Wie bei der Dünnschichttechnik (siehe S. 94) ist zweidimensionale Ent-
wicklung möglich.
Die aufgetrennten Substanzen werden in der gleichen Weise wie bei der Dünn-
schichtchromatographie sichtbar gemacht; siehe S. 94.
Bezüglich der Trennschärfe, der Entwicklungsgeschwindigkeit und der Handlich-
keit wird die Papierchromatographie von der Dünnschichtchromatographie deutlich
übertroffen. Überlegen ist sie ihr dagegen hinsichtlich der Dokumentation und vor
allem der Reproduzierbarkeit der Trennergebnisse.
Das Verhältnis der Wanderungsstrecke der Substanz (Fleckenmittelpunkt) zur
Wanderungsstrecke der Lösungsmittelfront (also eine Zahl < 1) ist eine - von der
Papiersorte und dem Fließmittel abhängige - spezifische Substanzgröße, die man RF-
Wert (Relation zur Front) nennt. Vorbedingungen für exakte Bestimmungen der RF-
Werte sind: Salzfreiheit und nicht zu hohe Konzentration der Substanz; sehr reine,
genau zusammengesetzte Lösungsmittel; Temperaturkonstanz während der Ent-
wicklung. Der direkte Vergleich mit authentischen Substanzen (siehe S. 94) ist zur
Identifizierung stets vorzuziehen!
98 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Für präparative Trennungen kann die Substanz über die ganze Länge der Start-
linie und auf kartonstarkes Papier aufgetragen werden. Ist der Nachweis der aufge-
trennten Substanzzonen ohne Farbreagenzien nicht möglich, schneidet man in Lauf-
richtung zwei bis drei wenige Millimeter breite Streifen aus den Bögen und besprüht
diese. Die gewünschten Verbindungen werden aus den entsprechenden Papierab-
schnitten mit stark polaren Lösungsmitteln am besten nach Art der chromatographi-
schen Durchlauftechnik eluiert.

Gaschromatographie

Die gebräuchliche Form der Gaschromatographie1 (GC) beruht auf einer Verteilung
zwischen gasförmigen mobilen und flüssigen stationären Phasen. (Adsorptions-Gas-
chromatographie, deren Anwendung weitgehend auf Permanentgase beschränkt ist,
bleibt hier unberücksichtigt.) Gegenüber den bisher geschilderten chromatographi-
schen Trennverfahren zeichnet sich das gaschromatographische durch besonders
kurze Analysendauer, höchste Nachweisempfindlichkeit und breitesten Anwendungs-
bereich aus; es verlangt allerdings auch den größten apparativen Aufwand.
Die Gaschromatographen bestehen, wie Abbildung 63 schematisch zeigt, in ihrem
Kernstück aus dem meist mehrfach gewundenen, von einem regelbaren Heizthermo-
staten (H) umgebenen Trennrohr (T). Dieses ist an eine Gasstahlflasche (G) ange-
schlossen. In die Zuleitung sind Drosselventil (V), Manometer (M) und Strömungs-
messer, z. B. ein Rotameter (R), sowie ein Probengeber (P) zur Substanzeingabe ein-
gebaut. Ein- und Ausgang der Trennsäule führen durch den Detektor (D), der mit

l T
]P

Abb. 63 Schematische Darstellung eines Gaschromatographen

1
E.Bayer, Gaschromatographie, 2.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Göttingen, 1962; R.Kaiser, Chromato-
graphie in der Gasphase, Hochschultaschenbücher, Bibliographisches Institut, Mannheim 1962-1969:
I Gaschromatographie, II Kapillarchromatographie, III Tabellen zur Gaschromatographie, IV Quanti-
tative Auswertung von Gaschromatogrammen.
Gaschromatographie 99

einem Schreiber (S) gekoppelt ist. Die Gasableitung kann eventuell mit einer Aus-
frierfalle (A) verbunden werden.
Zur Chromatographie läßt man aus der Stahlflasche Trägergas durch die Apparatur
strömen und gibt das Untersuchungsgemisch bei P ein. Die Substanzen trennen sich
in der Säule auf und durchlaufen dann nacheinander die Registrierstelle.
Der Thermostat läßt sich wahlweise auf Temperaturen bis über 30O0C einstellen.
Damit sind der Gaschromatographie alle Verbindungen zugänglich, die in diesem
Bereich ohne Zersetzung verdampfen (oder definierte gasförmige Zersetzungspro-
dukte bilden). Ihr eigentlicher Siedepunkt kann, wegen der Depression durch das
Trägergas, 50-10O0C höher liegen (vergleiche Wasserdampfdestillation, S. 51). Für
analytische Arbeiten sollte die Temperatur auf wenige Zehntelgrade konstant ge-
halten werden können. Um Vielkomponentengemische weiter Siedepunktsbereiche
aufzutrennen, ohne zu lange Analysenzeiten in Kauf nehmen zu müssen, sind moderne
Geräte mit einer Einrichtung zur Temperatur-Programmierung ausgestattet. Diese
erlaubt es, die Thermostatentemperatur während des Ablaufs der Analyse zu steigern,
so daß weder die leichtflüchtigen Komponenten zu rasch, noch die hochsiedenden zu
spät und breitzonig eluiert werden.
Die U-förmig gebogenen oder gewendelten Trennsäulen können aus Edelstahl,
Kupfer, Glas sowie Kunststoff (z. B. Teflon) bestehen. Prinzipiell ist zwischen „ge-
packten Säulen" und „Kapillarsäulen" zu unterscheiden.
Gepackte Säulen sind sehr gleichmäßig mit feinkörnigen, porösen, aber adsorp-
tionsinaktivem Trägermaterial gefüllt. Schamottemehl und Kieselgur sind besonders
gut geeignet. Dieser Träger wird mit der eigentlichen Trennflüssigkeit „imprägniert",
indem man ihn mit deren Lösung tränkt und das Lösungsmittel verdampft. Der An-
teil der flüssigen Phase liegt zwischen 5 und 30 Gewichtsprozenten. Je größer er ist,
um so höher die Belastbarkeit, um so geringer jedoch auch die Trennleistung der
Säule. Die Trennflüssigkeit soll bei der Arbeitstemperatur möglichst niedrigen
Dampfdruck haben und gleichzeitig möglichst wenig viskos sein. Man verwendet
hauptsächlich Apiezonfett (= höhere Kohlenwasserstoffe), Siliconöle, Phthalsäure-
ester höherer Alkohole oder Polyethylenglykole.
Die Auswahl der richtigen Trennflüssigkeit ist von entscheidender Bedeutung. Für
Kohlenwasserstoffe und Alkylhalogenide ist beispielsweise Apiezonfett, für sauer-
stoffhaltige Verbindungen ein Phthalsäureester oder Polyethylenglykol geeigneter. -
Neben diesen Gesichtspunkten gilt (vor allem für weniger polare Substanzen) die
allgemeine Regel: Je höher der Siedepunkt, desto länger die Verweilzeit in der Säule.
Die Länge der gepackten Säulen liegt gewöhnlich zwischen 2 und 4, kann aber auch
bis zu 20 Meter betragen. Ihr Innendurchmesser schwankt zwischen 3 und 6 mm für
analytische Zwecke und 10-25 mm für präparative Zwecke.
Kapillarsäulen haben 0,1-0,5 mm lichte Weite und sind bis zu 25 oder sogar
100 Meter lang. Sie enthalten kein festes Trägermaterial; ihre Innenwände sind direkt
mit Trennflüssigkeit beladen. Erwartungsgemäß ist dementsprechend ihre Belast-
barkeit gering, ihre Trennleistung dagegen sehr hoch.
Die Belastbarkeit (das heißt die Menge je Komponente Analysensubstanz, mit der
100 Allgemeine Arbeitsanweisungen

sich noch 90% des maximalen Trennergebnisses erreichen läßt) beträgt für gefüllte,
mit 5% Trägerflüssigkeit beladene Säulen im Mittel etwa 3 mg bei 6 mm Rohrdurch-
messer und für 0,2 mm weite Kapillar Säulen etwa 10 ~ 4 mg.
Die Auswahl des Trägergases (das geringe Viskosität haben soll) wird weitgehend
von der Art des Detektors bestimmt. Am häufigsten werden Wasserstoff, Stickstoff
oder Helium benutzt. (Der brennbare Wasserstoff erfordert besondere Vorsichtsmaß-
nahmen!) Die Ausgangsdrucke liegen meist zwischen 1,5 und 3,5 bar.
Das Untersuchungsgemisch kann am einfachsten mit Hilfe einer Präzisions-Injek-
tionsspritze durch die Gummimembrane des Probengebers in den Trägergasstrom
eingespritzt werden. Dieser Vorgang hat sehr rasch zu erfolgen. Um ein augenblick-
liches Verdampfen der Substanzen zu gewährleisten, wird der Substanzeingabe-
Block mindestens 30-5O0C über deren Siedetemperaturen aufgeheizt. Feststoffe
werden vorher in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst.
Als Detektoren verwendet man z.B. kompensierende Wärmeleitfähigkeitszellen.
Diese haben zwei Doppelkammern, in denen sich jeweils ein elektrisch geheizter
Widerstandsdraht befindet. Durch das eine Paar strömt das Trägergas vor, durch das
andere nach Passieren der Trennsäule und kühlt dabei die Hitzedrähte ab. Da die
Wärmeleitfähigkeit organischer Verbindungen etwa 6-10mal geringer ist als die des
Wasserstoffs oder Heliums, steigt bei Verwendung dieser Trägergase die Temperatur
des Hitzedrahts während des Vorbeiströmens organischer Dämpfe deutlich an. Die
damit verbundene Änderung des elektrischen Widerstands im Draht wird vom De-
tektor gegen den Leerwert, den die Vergleichskammern liefern, gemessen. - Speziell
für die Kapillaranalyse reicht die Empfindlichkeit dieses Geräts nicht aus. Hier be-
nutzt man z. B. „Flammionisations-Detektoren", bei denen die Substanzen in einer
Wasserstoffflamme thermisch ionisiert werden und dann in einem Spannungsfeld
einen meßbaren lonenstrom erzeugen. - Außer diesen beiden sind noch zahlreiche
andere Meßgeräte entwickelt worden.
Die vom Detektor gemessenen Werte werden - in Abhängigkeit zur Zeit - direkt
von einem „Schreiber" aufgezeichnet. Abbildung 64 zeigt ein so entstandenes Tren-
nungsdiagramm. Bei einwandfreiem Arbeiten entsprechen die einzelnen Substanz-
banden - „Peaks" - symmetrischen Gauß-Verteilungskurven. Die Inhalte der Kur-
venflächen (in guter Näherung = Halbwertsbreite • Höhe) sind Maße für die Konzen-
trationen. In dieser quantitativen Aussagekraft liegt -z.B. für Reinheitskriterien - die
wesentliche Stärke der Gaschromatographie. - Weil die meisten Detektoren die ver-
schiedenen Verbindungen nicht mit der gleichen Intensität anzeigen, lassen sich die
vom Schreiber aufgezeichneten Peaks allerdings nur selten unmittelbar miteinander
vergleichen.
Für die qualitative Bestimmung der Komponenten sind die Retentionszeiten be-
ziehungsweise „Retentionsvolumina" (lat. retentio = Zurückhaltung) maßgebend;
Abbildung 64. Man wählt oft den Peak als Nullpunkt, der durch kaum vermeidbare
Luftspuren entsteht. Absolute Retentionszeiten können - wegen der Unmöglichkeit,
exakt unter Standardbedingungen zu chromatographieren - nicht als allgemeine
Stoffkonstanten angesehen werden. (In der Literatur findet man häufig „relative
Interpretation der Gaschromatogramme 101

C c
03 <D
Q- DL
O)
X

30 20 10 O
Retentionszeit in min
Abb. 64 Gaschromatogramm einer Mischung von aliphatischen Kohlenwasserstoffen mit Retentions-
zeiten

Retentionszeiten", die z. B. auf n-Pentan bezogen sind.) Zur Identifizierung chro-


matographiert man in derselben Säule unter gleichen Bedingungen unmittelbar vor
oder nach der analytischen Trennung authentische Vergleichssubstanzen. -Als ideal
kann die Verbindung der Gaschromatographie mit einer der spektroskopischen
Identifizierungsmethoden angesehen werden.
Zur präparativen Gewinnung der aufgetrennten Proben schaltet man eine kräftig
gekühlte, möglichst mit Lösungsmittel oder Glaswolle gefüllte Kondensationsfalle
(z. B. U-Rohr) hinter den Gasaustritt. Auf diese Weise lassen sich in präparativen
Säulen Grammchargen reinigen. Leistungsfähiger sind speziell eingerichtete analy-
tische Chromatographiergeräte, die die getrennten Substanzen automatisch stapeln
und sich nach jedem Durchgang wieder selbst mit Substanzgemisch speisen1.

Flüssigchromatographie
Die (Hochdruck-)Flüssigchromatographie2 unterscheidet sich von der Gaschromato-
graphie im wesentlichen dadurch, daß bei ihr die mobile Phase flüssig ist. Sie ergänzt
die Gaschromatographie vor allem dort, wo nichtflüchtige oder thermolabile Sub-
stanzen (z. B. Naturstoffe) ähnlich schnell (also in min) chromatographiert werden
1
E. Bayer, u.a., Präparative Gaschromatographie, Angew. Chem. 73, 525 (1961).
2
V. Meyer, Praxis der Hochleistungs-Flüssigchromatographie, Laborbücher Chemie, Moritz Diester-
weg, Otto Salle, Frankfurt-München, Sauerländer, Frankfurt-Salzburg 1979.
102 Allgemeine Arbeitsanweisungen

sollen. Außerdem ist sie nicht nur auf Verteilungschromatographie, sondern auch
auf lonenaustausch-, Adsorptions- und Gelchromatographie anwendbar.
(Gradientenelution ist ohne weiteres möglich.)
Die Trennung erfolgt im Flüssigchromatographen bei Raumtemperatur in (l bis
10 mm weiten, 1-4 Meter langen) Metallrohren zwischen einem feinkörnigen, meist
mit Flüssigkeit imprägnierten Träger und einem Fließmittel, das mit etwa 40 bar
(möglich sind mehrere Hundert bar) druckschwankungsfrei (!) durch die Säule ge-
pumpt wird. Die getrennten Substanzen werden wie bei der Säulenchromatographie
anhand ihrer UV-Absorption oder ihrer Brechungsindices registriert.

Hochspannungs-Papierelektrophorese

Verbindungen, die in neutraler, alkalischer oder saurer wässeriger Lösung zumindest


teilweise ionisiert vorliegen (also organische Säuren und Amine), können im elek-
trischen Spannungsfeld voneinander sowie von ungeladenen Substanzen getrennt
werden. Für analytische Zwecke benutzt man dazu meist die Hochspannungs-Elek-
trophorese* (griech. (psgsiv = tragen), bei der ein mit Elektrolytlösung getränkter
Filtrierpapierbogen, an dessen Enden eine Gleichspannung von einigen tausend Volt
angelegt wird, als Träger dient.
Die hohen Feldstärken verlangen intensive Abführung der Jouleschen Wärme.
Dieses Problem ist bei den im Handel angebotenen Elektrophorese-Apparaturen ent-
weder dadurch gelöst, daß das Papier in einem von außen gekühlten organischen
Lösungsmittel (wie z. B. Toluol) hängt oder - häufiger - daß es auf einer Glasplatte
liegt, deren Unterseite mit einer Kältemaschine in Verbindung steht. - Es gibt auch
kleinere 220-Volt-Elektrophoreseapparaturen, die mit LeitungsWasserkühlung aus-
kommen.
Die zu untersuchenden Substanzen werden als ungefähr Iproz. Lösungen in 3 bis
5 cm langen Strichen mit dünnen Pipetten entlang der vorher markierten Startlinie
auf das elektrolytfeuchte Elektrophoresepapier aufgetragen. - Das Entwickeln dauert
etwa eine Stunde. In dieser Zeit wandern die Substanzen je nach LadungsVorzeichen,
Ladungszahl, Dissoziations- beziehungsweise Assoziationsgrad, Größe und Gestalt
mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zur Anode oder Kathode; Abbildung 65.
Der Dissoziationsgrad organischer Säuren beziehungsweise Protonisationsgrad or-
ganischer Basen ist seinerseits vom pH-Wert der umgebenden Elektrolytlösung ab-
hängig (neutrale Aminosäuren beispielsweise bleiben bei einem pH von 6,5 „isoelek-
trisch" am Start liegen, wandern in saurem Milieu zur Kathode, in basischem zur
Anode; vergleiche Abbildung 65). Bewährte Elektrolytmischungen sind:

R. Clotten und A. Clotten, Hochspannungselektrophorese, G. Thieme Verlag, Stuttgart; Th. Wieland und
K. Dose, in W. G. Berl, Physical Methods in Chemical Analysis, Bd. 3, Academic Press Inc., New York
1956.
Elektrophorese 103

für pH 1,9: Eisessig/Ameisensäure/Wasser (15:5:80 Vol.),


für pH 6,5: Pyridin/Eisessig/Wasser (10: l: 89 Vol.),
für pH 8,6: Borsäure/Borax/Wasser (2,3:4,4:1000 Gew.).
Im Boratpuffer können auch Polyole wie z. B. Kohlenhydrate als anionische Kom-
plexe getrennt werden (S. 389).
Zur Identifizierung läßt man neben dem zu prüfenden Gemisch authentische Ver-
gleichssubstanzen mitlaufen. Die entwickelten Papierstreifen („Pherogramme") wer-
den im Trockenschrank getrocknet. Das Sichtbarmachen der Substanzen geschieht
in ganz gleicher Weise wie bei der Dünnschichtchromatographie (siehe S. 94). Ab-
bildung 65 zeigt die elektrophoretische Trennung verschiedener Aminosäuren.

KATHODE ©
Lys

GIy GI
V START-
LINIE

GIu

Asp As p

ANODE 0

Abb. 65 Hochspannimgs-Pherogramm einer Trennung von Aminosäuren bei pH 6,5

Statt der speziellen Filtrierpapiere können auch Kieselgel-, Stärke- oder z. B. PoIy-
acrylamidschichten als Träger dienen. Zur zweidimensionalen Auftrennung ist die
Kombination von Elektrophorese und Chromatographie besonders gut geeignet (ver-
gleiche S. 96). Für präparative Zwecke kann man entweder kartonstarke Papiere
benutzen oder auf speziellen Apparaturen kontinuierlich arbeiten.
Die Flächenelektrophorese ergänzt die Flächenchromatographie (bei ionisierbaren
Verbindungen) dort, wo eine Aussage über den Ladungscharakter gewünscht wird
(einwandfreie Unterscheidung zwischen Basen, Säuren und Neutralstoffen), chemisch
sehr unterschiedliche Verbindungen getrennt werden sollen oder die Gemische stär-
ker mit anorganischen Salzen verunreinigt sind (da anorganische Ionen sehr viel
schneller laufen, kann sie sogar zur Entsalzung eingesetzt werden). Sie hat sich da-
her besonders in der Peptid- und Nucleotid-Chemie bewährt.
Die für den Umgang mit Starkstrom üblichen Vorsichtsmaßnahmen sind bei .der
Benutzung von Elektrophoreseapparaturen genau zu beachten!
Bei der zur Trennung von Makromolekülen entwickelten Diskelektrophorese poly-
104 Allgemeine Arbeitsanweisungen

merisiert man innerhalb 7 cm langer, 0,5 cm weiter (Kunststoff- oder) Glasröhrchen


Acrylamid mit Hilfe geeigneter bifunktioneller Vernetzer zu einem lockeren Gel und
trennt die Substanzgemische in diesem elektrophoretisch auf 1 .

Trocknen

Die häufigste Verunreinigung organischer Substanzen, speziell der Lösungsmittel, ist


(schon wegen der allgegenwärtigen Luftfeuchtigkeit) das Wasser. Seine Beseitigung
(und die der organischen Lösungsmittel) beschreibt das vorliegende Kapitel.

Trocknen von Feststoffen

In vielen Fällen genügt es, die feste Substanz an der Luft stehen zu lassen, so daß
das restliche organische Lösungsmittel oder Wasser verdunstet. Ist die Verbindung
genügend stabil (!), darf sie bei höheren Temperaturen im Trockenschrank getrocknet
werden. - Weiterhin kann man die Feststoffe zum Trocknen auf einem Tonteller oder
mehreren Lagen Filterpapier ausbreiten; vergleiche S. 76. Diese Technik ist dann
angebracht, wenn mit dem Lösungsmittel in ihm gelöste Verunreinigungen entfernt
werden sollen.
All diese Methoden sind Ausnahmen. In der Regel trocknet man Feststoffe im
Vakuumexsikkator. Dieser besteht, wie Abbildung 66 zeigt, aus einem dickwandigen
Glastopf mit aufgeschliffenem Deckel und Glashahn. Er wird durch eine gelochte
Porzellanplatte in zwei Etagen geteilt. Die untere nimmt ein Trockenmittel auf, die
obere die Substanz. Neuere Exsikkatoren sind im allgemeinen auf Vakuumfestigkeit
geprüft; trotzdem ist es ratsam, sie sicherheitshalber zum Splitterschutz mit einer
selbstklebenden Klarsichtfolie zu überziehen. Die Schliffränder zwischen Topf und
Deckel sind gleichmäßig einzufetten. Die Porzellanplatte kann durch drei längs auf-
geschnittene, über den Rand geklemmte Schlauchstücke gegen Verrutschen gesichert
werden. Zur Benutzung des Exsikkators stellt man auf seinen Boden eine flache Glas-
oder Porzellanschale mit einem der unten aufgeführten Trockenmittel. (Diese sollten
prinzipiell nicht direkt in den Exsikkator eingeführt werden.) Man deponiert die Sub-
stanz flach ausgebreitet in einer Abdampfschale oder auf einem Uhrglas auf der Por-
zellanplatte und evakuiert einige Zeit mit der Wasserstrahlpumpe (aufpassen, daß
das Wasser nicht zurücksteigt!) oder der Öl-Drehschieberpumpe (Gasballast ein-
schalten!) bis zum Erreichen des Endvakuums. Dabei muß der gesamte Schliffrand
klar werden. (Anderenfalls ist er zu reinigen und neu zu schmieren.) In der Regel soll
die Substanz mindestens 24 h im Exsikkator trocknen. Beim anschließenden Belüf-
ten darf, damit die Substanz nicht weggeblasen wird, der Hahn anfangs nur ganz

1
Gute Arbeitsanleitung: R. Maurer, Disk-Electrophoresis, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1971.
Trocknen von Feststoffen 105

wenig geöffnet werden. Es empfiehlt sich, ein kleines Filtrierpapierblättchen an der


äußeren Rohrmündung ansaugen zu lassen. Das innere Rohrende soll, zur Ablen-
kung des Luftstrahls, nach oben gebogen sein; siehe Abbildung 66. Bei hygroskopi-
schen Verbindungen und solchen, die extrem trocken bleiben sollen, belüftet man
durch ein Calciumchloridrohr. Läßt sich der Exsikkator nach der Belüftung nicht
öffnen, dreht man ihn mit der Stelle, an der der Deckel etwas übersteht, zum Körper,
klemmt ein Holzbrettchen zwischen Brust und Deckelrand, umfaßt den Exsikkator-
unterteil mit beiden Armen und zieht ihn zu sich, bis sich die Schliffe einige Milli-
meter gegeneinander verschoben haben.
Sind die Verbindungen flüchtig, darf der Exsikkator nicht evakuiert werden.

Abb. 66 20-cm-Vakuum- Abb. 67 Trockenpistole NS 29 mit


Exsikkator Trockenmittel, Substanzröhrchen und
Heizflüssigkeit

Um kleinere Mengen bei höheren Temperaturen noch wirksamer zu trocknen, be-


dient man sich der Trockenpistole, bei der z. B. der Dampf eines unter Rückfluß sie-
denden Lösungsmittels den Trockenraum heizt; siehe Abbildung 67. Je nach Wahl
des Lösungsmittels (zwischen Aceton, Sdp. 560C, und Xylol, Sdp. etwa 1350C) läßt
sich die Temperatur variieren. Andere Geräte haben regulierbare Widerstandshei-
zung. Die Substanz liegt hier in einem Reagenzglas (Mündung von Belüftungshahn
weggekehrt). Der „Pistolengriff" nimmt das Trockenmittel auf. Das Ganze wird an
einer Öldrehschieber- oder Quecksilberdiffusionspumpe evakuiert. - Derart extreme
Trocknungsbedingungen werden für einige quantitative Bestimmungen, speziell Ele-
mentaranalysen, gefordert.
Zum Schutz der getrockneten Feststoffe gegen Luftfeuchtigkeit bewahrt man diese
entweder weiterhin im Exsikkator auf oder in gutschließenden Schraubdeckelflaschen
oder in kleineren Röhrchen (die dickwandiger sind als Reagenzgläser) mit Kunst-
106 Allgemeine Arbeitsanweisungen

stoff- bzw. Gummistopfen (letzterer sollte durch dünne Kunststoffolie geschützt sein).
Diese Gefäße dürfen bei hygroskopischen Substanzen zur Entnahme nur ganz kurz
geöffnet werden. - Sichersten Schutz gegen die Außenluft bieten Ampullen, die man
sich am besten vom Glasbläser aus dickwandigeren Thüringer-Reagenzgläsern nach
Abbildung 68 vorrichten läßt. Sie werden durch einen langen Trichter (ausgezogenes
Reagenzglas), der den Hals sauber hält, höchstens bis zur Hälfte gefüllt und dann
über einer kleinen Flamme zugeschmolzen.

Abb. 68 Zur Ampulle vorbereitetes Reagenzglas

Als Trockenmittel für Exsikkatoren verwendet man meist Blaugel, daneben auch
Calciumchlorid, seltener Schwefelsäure, Phosphorpentoxid oder festes Kalium-
hydroxid sowie zum Binden von lipophilen Lösungsmitteln Hartparaffin. Es emp-
fiehlt sich, neben die Substanzen ein Schälchen mit festem Natriumhydroxid zu stel-
len, das flüchtige Säuren bindet. Für Trockenpistolen wird fast ausschließlich Phos-
phorpentoxid benutzt. Siehe S. 108.

Trocknen von Flüssigkeiten

Lösungsmittel können wegen der Bildung von Azeotropen oder zu geringen Siede-
punktsdifferenzen meist nicht durch fraktionierende Destillation entwässert werden,
sondern nur mit Hilfe eines Trockenmittels.
Lösungen in organischen Lösungsmitteln, die bei der Extraktion (siehe S. 59) oder
auf andere Weise während der Synthese erhalten wurden, müssen vor dem Ein-
dampfen getrocknet werden.
Flüssige Substanzen werden - um größere Verluste durch Adsorption oder Adhäsion
am Trockenmittel zu vermeiden - nicht direkt, sondern nur in verdünnter Lösung
entwässert.
Aus dem gleichen Grund sollte nicht zu viel Trockenmittel verwendet werden. (Bei
einigen der im letzten Abschnitt aufgeführten Trockenmittel erkennt man ihre Er-
schöpfung am beginnenden Zerfließen.) Stufenweises Trocknen mit mehreren kleinen
Trockenmittelportionen ist viel wirksamer als einmalige Zugabe einer größeren
Menge. Der Trocknungsprozeß dauert in der Regel mehrere Stunden. (Am besten be-
nutzt man dazu die Nacht.) Er kann durch gelegentliches Umschwenken beschleunigt
werden.
Da die zugesetzten Trockenmittel ihr Wasser bei höherer Temperatur wieder ab-
Trocknen von Flüssigkeiten und Gasen 107

geben (und eventuell mit der Substanz reagieren), muß man sie vor einer anschließen-
den Destillation abfiltrieren.
Aufbewahrt werden trockene flüssige Verbindungen so, wie es am Ende des vorigen
Abschnitts für Feststoffe beschrieben ist. Bei wasserfreien („absoluten") Lösungs-
mitteln ist es ratsam, soweit möglich, wenig Trockenmittel (Natriumdraht, Alumi-
niumoxid, Molekularsieb) in die Vorratsflasche zu geben.
Alle nachstehend aufgeführten Trockenmittel außer Blaugel sind für Flüssigkeiten
geeignet. Zur Auswahl ist vor allem die chemische Verträglichkeit maßgebend.

Trocknen von Gasen

Gase werden —je nachdem, ob das Trockenmittel flüssig oder (grobkörnig-)fest ist -
in Waschflaschen oder Trockentürmen getrocknet (und von anderen Fremdstoffen
gereinigt); beide Geräte sind auf S. 25 beschrieben.
Als Trockenmittel verwendet man bei chemischer Verträglichkeit meist konz.
Schwefelsäure (wirkt gleichzeitig als Blasenzähler), manchmal auch Calciumchlorid,
festes Kaliumhydroxid, Phosphorpentoxid, Blaugel oder Molekularsiebe.

Trockenmittel

In diesem Abschnitt sind die wichtigsten Trockenmittel für feste, flüssige (gelöste) und
gasförmige Substanzen beschrieben. Hierbei sind die ersten acht (bis zum Phosphor-
pentoxid) nach steigender Wasseranziehungskraft (nicht Kapazität) angeordnet.
Wasserfreies Natriumsulfat, möglichst frisch geglüht (aber nicht geschmolzen), hat
nur geringe Wirkung. Es ist jedoch als einzig brauchbares, völlig neutrales Trocken-
mittel für säure- und alkaliempfindliche oder unbekannte flüssige und gelöste Sub-
stanzen anwendbar.
Wasserfreies Magnesiumsulfat verhält sich als Trockenmittel ähnlich wie Natrium-
sulfat. Calciumchlorid wird wegen des geringen Preises und der hohen Kapazität (bil-
det mit 90% Wasser Hexahydrat) am häufigsten zum Trocknen benutzt, und zwar
sowohl für neutrale Gase und Chlorwasserstoff (übliches Füllmaterial für Trocken-
rohre und -türme) als auch für Lösungen (hauptsächlich nach dem ,Ausethern"; siehe
S. 63) und einige Lösungsmittel (Vortrocknen von Ether) sowie schließlich für Fest-
stoffe im Exsikkator (ist hier jedoch besser durch Blaugel zu ersetzen). Calciumchlorid
bindet auch prim. Alkohole, Ammoniak, Amine, Phenole; Lösungen dieser Verbin-
dungen können mit ihm also nicht getrocknet werden. Es enthält stets basische Ver-
unreinigungen (Calciumoxid). Schwefelsäure setzt Chlorwasserstoff frei.
Wasserfreies Kaliumcarbonat, möglichst frisch geglüht, wird wegen seiner schwach
alkalischen Reaktion speziell zum Trocknen von empfindlichen Amin-Lösungen und
für das Lösungsmittel Aceton herangezogen. Es ist ungeeignet für alle aciden Ver-
bindungen.
108 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Silikagelliekrt der Handel als perlförmiges „Blaugel" mit einem Zusatz von Kobalt
(Il)-Salzen, die den Erschöpfungszustand anzeigen (dieses ist ohne Wasser blau, mit
Wasser rot). Es kann im Trockenschrank bei maximal 15O0C regeneriert werden.
Silikagel ist das häufigste Exsikkator-Trockenmittel für Feststoffe und kann im
Trockenturm für Gase benutzt werden. Es adsorbiert in geringerem Maße auch an-
dere polare Lösungsmitteldämpfe.
Konz. Schwefelsäure ist das übliche Trockenmittel für säureunempfindliche Gase
(also nicht Acetylen, Ammoniak, Amine, Schwefelwasserstoff, Jodwasserstoff und
Olefine). Sie kann auch im Exsikkator eingesetzt werden; dann sollte jedoch ein Schäl-
chen mit Natriumhydroxid-Plätzchen neben die Feststoffe gestellt werden. Schwefel-
säure bindet auch viele organische Lösungsmittel. Wegen der geringen Diffusion sind
höhere Schwefelsäureschichten nur sinnvoll, wenn man von außen magnetrührt. Es
gibt auch Präparate, bei denen die Schwefelsäure auf einem körnigen Träger aufge-
zogen ist.
Kaliumhydroxid-Plätzchen werden für basische Lösungsmittel (Pyridin), Lösungen
und Gase (also Amine und Ammoniak) herangezogen oder dann, wenn alkaliunemp-
findliche Substanzen gleichzeitig von sauren Verunreinigungen befreit werden sollen.
Natriumhydroxid ist wegen seiner viel geringeren Trockenwirkung nicht zu empfehlen.
Phosphorpentoxid ist das stärkste Trockenmittel. Es dient vor allem zum Trocknen
der Feststoffe in der Trockenpistole oder (in einer Extraschale!) im Vakuumexsikka-
tor. Es verbäckt bei der Wasseraufnahme oberflächlich zu einer Kruste, die von Zeit
zu Zeit gewendet werden muß. Die mit Wasser entstehende sirupöse Polymetaphos-
phorsäure klebt hartnäckig an den Gefaßwandungen und löst sich nur sehr langsam
in Wasser. Deswegen und weil das feine Pulver beim Belüften leicht auf die Substanz
geblasen wird, sind Präparate, bei denen das Phosphorpentoxid auf poröses Träger-
material aufgezogen ist, dem reinen Trockenmittel vorzuziehen. Mit diesen körnigen
Präparaten können auch säureunempfindliche Gase (also nicht Ammoniak, Amine,
Olefine und auch nicht Chlorwasserstoff) entwässert werden.
Basisches oder neutrales Aluminiumoxid der Aktivitätsstufe I, wie es auch zur Säulen-
chromatographie benutzt wird, ist ein gutes Trockenmittel für einige Lösungsmittel.
Man füllt es dazu trocken in ein Chromatographierohr, setzt einen Tropftrichter mit
Gummistopfen auf und läßt das Lösungsmittel (ohne daß die Säule zwischendurch
trocken läuft) durchsickern; Abbildung 59a, S. 86. Die ersten Anteile sind nicht ge-
nügend wasserfrei; sie können noch einmal aufgegeben werden. — Gleichzeitig mit dem
Wasser werden andere polare Verunreinigungen wie Alkohole (siehe Chloroform,
S. 113), Säuren und Peroxide (siehe Ether, S. 113) adsorptiv zurückgehalten.

Anwendungsbeispiele jeweils mit den Angaben: Lösungsmittel, (% Wasser), Menge und Art Aluminium-
oxid, (0 der Säule), aufgefangener Fraktionsbereich, (% Wasser):
Benzol, wassergesättigt (0,07%), 25 g basisch (0 15 mm) 100-2500 ml (0,004%)
Chloroform, wassergesättigt (0,09%), 25 g basisch (015mm) 50- 800 ml (0,005%)
Diethylether, wassergesättigt (1,28%), 100 g basisch (0 22 mm) 200- 600 ml (0,01 %)
Essigester, wassergesättigt (3,25%), 250 g neutral (0 37 mm) 150- 350 ml (0,01 %)
Pyridin (0,65%), 30 g basisch (015mm) 20- 45ml (0,02%)
Trockenmittel 109

Molekularsiebe sind synthetische Zeolithe, die beim Erhitzen ohne Zusammen-


bruch des Kristallgitters Wasser abgeben. Dabei entstehen Hohlräume mit Eingän-
gen einheitlicher Weite von z.B. 4Ä (400 pm), die nur für entsprechend kleine MoIe-
kü e, also beispielsweise Wasser, zugänglich sind. Dieser Tatsache und eine besonders
hohe Adsorptionsaktivität machen die vom Handel in Perl- oder Stäbchenform ge-
lieferten Molekularsiebe zu sehr guten Trockenmitteln für Lösungsmittel. - Zur An-
wendung läßt man das Molekularsieb entweder (vorwiegend zum Vortrocknen) 24 h
lang unter gelegentlichem Umschütteln zusammen mit dem Lösungsmittel stehen
(etwa 100 g pro Liter bei 1% Wasser) oder (besser!) füllt es trocken in ein Chromato-
graphieeohr und läßt das Lösungsmittel aus mit einem Gummistopfen aufgesetzten
Tropftrichter durchsickern (30-50 ml pro min; die ersten 250 ml enthalten noch Spu-
ren von Wasser und, wenn das Molekularsieb neu ist, eventuell eine Trübung); Abbil-
dung 59a, S. 86. Die so getrockneten Lösungsmittel bewahrt man am besten über
wenig frischem Molekularsieb auf (etwa 10 g pro Liter). - Benutzte Molekularsiebe
können ohne Aktivitätsverlust in der Weise regeneriert werden, daß man sie erst
mehrmals mit Wasser wäscht (Verdrängung von Lösungsmittelresten, zur Vermei-
dung von Explosionen beim Ausheizen), dann im Trockenschrank bei 200-25O0C
trocknet und schließlich bei 300—35O0C im Vakuum einer Öl-Drehschieberpumpe
(mit Kondensfallen und eingeschaltetem Gasballsat) völlig entwässert. - Die aktiven
Molekularsiebe sollen so wenig wie nur möglich der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt wer-
den.
Anwendungsbeispiele für das geschilderte Säulenverfahren mit jeweils 250 g 4Ä-Molekularsieb in einer
2,5 cm • 70 cm großen Säule:
Benzol, wassergesättigt (0,07%) 10 Liter (0,003%)
Chloroform, wassergesättigt (0,09%) 10 Liter (0,002%)
Diethylether, wassergesättigt (0,12%) 10 Liter (0,001%)
Diethylether, handelsüblich (1,17%) 3 Liter (0,004%)
Dioxan, handelsüblich (0,08-0,28%) 3-10 Liter (0,002%)

Essigsäureethylester, handelsüblich (0,015-0,21%) 8-10 Liter (0,003-0,006%)


Pyridin, handelsüblich (0,03-0,3%) 2-10 Liter (0,004%)
Tetrachlorkohlenstoff, wassergesättigt (0,01%) 10 Liter (0,002%)
Tetrahydrofuran, handelsüblich (0,04-0,2%) 7-10 Liter (0,001-0,003%)
Toluol, wassergesättigt (0,05%) 10 Liter (0,003%)
Xylol, wassergesättigt (0,045%) 10 Liter (0,002%)
(„wassergesättigt" bezieht sich auf empirische Werte.)

Natrium ist wegen seiner Aggressivität nur zum scharfen Trocknen der Ether (ein-
schließlich Tetrahydrofuran und Dioxan) sowie alipatischer und aromatischer Koh-
lenwasserstoffe geeignet. (Unter keinen Umständen darf Natrium oder Kalium mit
Halogenverbindungen zusammengebracht werden. Beim Umgang mit Alkalimetallen ist
unbedingt eine Schutzbrille zu tragen!) Natrium setzt sich stürmisch mit Wasser um,
kleinere Teile zerspritzen dabei unter Feuererscheinungen. Es wird daher zum Schutz
gegen Luftfeuchtigkeit unter Petroleum aufbewahrt. Abfälle vernichtet man, wie auf
S. 135 ausführlich beschrieben. - Zur Trocknung werden einige Stückchen Natrium
110 Allgemeine Arbeitsanweisungen

auf Filterpapier vom Benzol sowie mit einem Masser von den anhaftenden Krusten
befreit und dann mit einer Natriumpresse als Draht direkt in das Lösungsmittel ein-
gedrückt. (Die Presse muß vor Gebrauch völlig trocken sein. Der Stempel und die
Düse sind nach Benutzung sofort herauszuschrauben und mit Methanol von Na-
triumresten zu reinigen.) — Solange sich Wasserstoff entwickelt, setzt man ein CaI-
ciumchloridrohr auf die Flasche und verschließt dieses mit einem durchbohrten
Korkstopfen, durch den ein kurzes Glasrohr gesteckt ist, das zu einer Kapillare aus-
gezogen wurde. - Das Einpressen von Natrium wird so oft wiederholt, bis sich dabei
keine Wasserstoffbläschen mehr bilden. (Der Natriumdraht bleibt im Lösungs-
mittel.) Lösungsmittel mit oberflächlich umgesetztem Natrium enthalten Natrium-x
hydroxid als feine Suspension und müssen deshalb vor Benutzung rasch durch ein
großes Faltenfilter gegossen werden. - Ether ist mit Calciumchlorid vorzutrocknen.
Ausfrieren des Wassers ist eine der besten Trocknungsmethoden für entsprechend
tiefsiedende Gase. Man benutzt dazu Kühlfallen und Kohlendioxid-Kältebäder (hö-
here Temperaturen sind ziemlich wirkungslos), wie sie auf S. 34 beschrieben sind.
Ein sehr schonendes Verfahren, aus wässerigen Lösungen in einem Schritt trockene
Feststoffe zu erhalten, die sogenannte Gefriertrocknung, ist auf S. 58 behandelt.
Reste unpolarer Lösungsmittel wie Petroleumbenzin lassen sich im Vakuumexsik-
kator durch hauchdünne Paraffinschnitzel abfangen.

Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten Lösungsmittel

In der folgenden alphabetisch geordneten Zusammenstellung werden die wichtigsten


organischen Lösungsmittel beschrieben. Dabei nehmen die Reinigungsverfahren
einen besonders breiten Raum ein. Für die meisten Zwecke muß ein hoher Reinheits-
grad gefordert werden, denn bei dem relativ großen molaren Überschuß des Lösungs-
mittels genügen oft wenige Prozent Verunreinigungen (z. B. Wasser), die gewünschte
Reaktion weitgehend zu verhindern oder die Lösungseigenschaften stark zu ver-
ändern. Dazu kommt, daß beim Eindampfen die weniger flüchtigen Verunreinigun-
gen sich anreichern. - In der Chromatographie oder bei den spektroskopischen Ana-
lysen können geringste Verunreinigungen das Ergebnis stark verfälschen.
In den meisten Fällen besteht die vom Chemiker selbst durchzuführende Reinigung
in einer Beseitigung des Wassers. (Die Technik des Trocknens ist im vorigen Kapitel
beschrieben.) -Außerdem sollten technische Lösungsmittel prinzipiell vor Gebrauch
destilliert werden.
Alle organischen Lösungsmittel sind mehr oder weniger giftig. Stärkeres oder häufi-
ges Einatmen der Dämpfe kann zu akuten oder chronischen Gesundheitsschäden
führen! Deshalb - und wegen der Brandgefahr — soll beim Umgang mit siedenden
Lösungsmitteln (also z. B. beim Umkristallisieren) der Abzug benutzt werden.
Sämtliche Alkylhalogenide und Ether (auch Tetrahydrofuran sowie Dioxan) sind
die wichtigsten Lösungsmittel 111

in braunen Flaschen aufzubewahren. Für die niedrig siedenden Lösungsmittel wie


Petrolether, Diethylether und Methylenchlorid sollen die Flaschen keine Glasstop-
fen, sondern Kork- oder Schraubdeckelverschlüsse haben. (Der Dampfdruck kann
die Stopfen herausschleudern.)
Die Dichte bezieht sich bei allen folgenden Angaben auf 2O0C.

Aceton Sdp.: 56,20C Dichte: 0,791


Löslichkeit: Aceton ist mit Wasser und allen gebräuchlichen Lösungsmit-
teln in jedem Verhältnis mischbar. Es bildet mit Wasser kein Azeotrop.
Reinigung: Das Aceton des Handels enthält im allgemeinen kaum Verun-
reinigungen. Trocknen kann man es durch Stehenlassen über etwa
5 Gew.% entwässertem Calciumsulfat. Alle anderen wirksamen Trocken-
mittel katalysieren als Basen beziehungsweise Säuren mehr oder weniger
stark Kondensationsreaktionen und machen daher eine anschließende
Destillation nötig.

Ethylalkohol (Ethanol) Sdp.: 78,30C Dichte: 0,794


Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen organischen Lösungs-
mitteln in jedem Verhältnis mischbar.
Bildet mit 4% Wasser azeotropes Gemisch, das bei 78,20C siedet; mit
7,4% Wasser und 71,1% Benzol ein solches, das bei 64,90C siedet.
Reinigung: Ethylalkohol wird fast ausschließlich 95proz. (das heißt mit
5% Wasser) in den Handel gebracht und ist aus steuertechnischen Grün-
den meist mit Methanol, Pyridin oder Kohlenwasserstoffen, manchmal
auch mit Methylethylketon vergällt. Man kann auch „absoluten Ethyl-
alkohol" kaufen, der nur noch maximal 0,5% Wasser enthält. Will man
sich absolutes Ethanol selbst herstellen, verfahrt man z. B. folgender-
maßen: In einem 2-1-Schliffkolben mit Rückflußkühler, der durch ein
Calciumchloridrohr verschlossen ist, wird 11 Ethanol zusammen mit
250 g gebranntem Kalk 8 h lang auf einem Dampfbad gekocht. Die Sus-
pension neigt zum Stoßen. Um das zu vermeiden, stelle man einen etwa
25 cm langen unten abgebrochenen Holzspan senkrecht in den Kolben
(Siedesteinchen würden sofort zukleben) und schüttele den Ansatz bis
zum Beginn des Siedens häufig kräftig um. Anschließend destilliert man
unter Benutzung eines Vakuumvorstoßes, an dessen Schlauchansatz ein
Calciumchloridrohr hängt, ab. Etwa 20 ml Vorlauf werden verworfen. Es
ist zweckmäßig, in den Schenkel des Destillieraufsatzes einen lockeren
Pfropfen aus getrockneter Glaswolle zu schieben, die das mitgerissene
Calciumoxid abfängt.
Benötigt man völlig wasserfreien Alkohol, trocknet man den selbst her-
gestellten oder gekauften absoluten Alkohol am besten derart weiter:
In einen 2-1-Dreihalskolben mit mechanischem Rührer und Rückfluß-
kühler, dem ein Calciumchloridrohr aufgesetzt ist, gibt man (durch den
112 Allgemeine Arbeitsanweisungen

immer nur kurz geöffneten dritten Tubus) 1,51 mindestens 99,5 proz.
Ethanol, einige Siedesteinchen sowie - nach und nach - insgesamt
10,5 g Natrium. Hat das Metall sich völlig aufgelöst, stellt man den Rührer
an und versetzt mit 37,2 ml Phthalsäure-diethylester, wartet einige Minu-
ten und läßt dann eine Stunde lang auf dem Dampfbad sieden. Das
Rühren verhindert ein Stoßen der Natriumphthalat-Suspension. Nun
kann man über eine kurze Kolonne - wieder unter kräftigem Rühren und
mit frischen Siedesteinchen - vom schwerflüchtigen Phthalsäureester
(Sdp. 2950C) abdestillieren. So gewonnenes Ethanol enthält weniger als
0,05% Wasser. Eine Erklärung dieses eleganten Verfahrens liefern die
nachstehenden Reaktionsgleichungen:
C 2 H 5 ONa + H2O ± C 2 H 5 OH NaOH
C 6 H 4 (CO 2 C 2 H 5 ) 2 + 2NaOH - C 6 H 4 (CO 2 Na) 2 + C 2 H 5 OH

Das Gleichgewicht (I) wird durch die Verseifung (II) ganz nach rechts
verschoben.
Nach einem anderen Verfahren zur Gewinnung von absolutem Alkohol
setzt man 95proz. Ethanol Benzol zu und destilliert das Wasser als azeo-
tropes ternäres Benzol-Ethanol-Wasser-Gemisch (siehe oben) über eine
Kolonne ab. — Die Nachtrocknung zu völlig wasserfreiem Alkohol kann
man auch, wie beim Methylalkohol beschrieben, mit Calcium oder
Magnesium durchführen.

Alkohole, höhere
n-Propylalkohol Sdp.: 97,20C Schmp.: -1260C
Isopropylalkohol Sdp.: 82,80C Schmp.: -9O 0 C
n-Butylalkohol Sdp.: 117,70C Schmp.: -9O0C
Isobutylalkohol Sdp.: 1080C Schmp.: -108 0C
sek. - Buty lalkohol Sdp.: 99,50C Schmp.: -1150C
tert.-Butylalkohol Sdp.: 82,40C Schmp.: +26 0 C
Dichte: Zwischen 0,785 und 0,805.
Löslichkeit: Die Propylalkohole sind in jedem Verhältnis mit Wasser
mischbar; die höheren nur noch teilweise.
Benzol Sdp.: 80,10C Schmp.: 5,50C
Dichte: 0,879
Löslichkeit: Mit fast allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in
jedem Verhältnis mischbar. Benzol löst sich bei 250C zu 0,18% in Wasser
und bildet mit 8,8% Wasser ein Azeotrop, das bei 69,30C siedet.
Reinigung: Handelsübliches Benzol kann als Hauptverunreinigung we-
die wichtigsten Lösungsmittel 113

nig Wasser, Thiophen und gesättigte Kohlenwasserstoffe enthalten. Zum


Trocknen preßt man Natrium ein (siehe S. 109) oder benutzt eine Alu-
miniumoxid- oder Molekularsieb-Säule.
Chloroform Sdp.: 61,20C Dichte: 1,480
Löslichkeit: Mit Wasser nicht, mit allen gebräuchlichen organischen
Lösungsmitteln mischbar.
Reinigung: Handelsübliches Chloroform enthält fast immer etwas Ethyl-
alkohol (nach DAB 7 etwa 1%), der das durch oxidative Zersetzung ge-
bildete giftige Phosgen als Ester unschädlich macht. Falls es nötig sein
sollte, kann man diesen Alkohol in einer Aluminiumoxid-Säule (siehe
S. 108) oder durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure und anschließendes
Waschen mit Wasser entfernen. Trocknen kann man das Chloroform
ebenfalls an Aluminiumoxid oder am Molekularsieb oder mit Phosphor-
pentoxid und anschließender fraktionierender Destillation.
Auf keinen Fall darf Chloroform mit Natrium zusammengebracht wer-
den!
Diethylether Sdp.: 34,60C Dichte: 0,714
Löslichkeit: Ether löst (azeotrop) 1,2% Wasser (bei 150C). Wasser löst
7,5% Ether (bei 150C). Er ist mit konz. Mineralsäuren und fast allen
organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar.
Reinigung: Der Diethylether des Handels enthält meist einige Prozente
Wasser und Alkohol, eventuell auch Peroxide und Acetaldehyd. Zur Be-
seitigung von Wasser und Alkohol läßt man den Ether erst einige Tage
über 10-15 Gew.% Calciumchlorid stehen. Dann filtriert man durch ein
großes Faltenfilter und preßt in Abständen so lange Natrium ein (ins-
gesamt etwa 0,5-1 Gew.%), bis der Draht blank bleibt (siehe S. 109).
Oder man filtriert durch eine Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-Säule.
Diethylether neigt (wie mehr oder weniger alle Ether) zur Bildung hoch-
explosiver, stechend riechender Peroxide. Diese sammeln sich als Rück-
stand bei der Destillation an und können zu Explosionen führen.
Peroxidprobe: Man schüttelt einige Milliliter Ether mit einer Lösung von
Titan(III)-sulfat in SOproz. Schwefelsäure: Gelb- bis Orangenfärbung
zeigt Peroxide an. - Zur ihrer Beseitigung schüttelt man den Ether längere
Zeit mit einer frisch bereiteten Lösung von 12g Eisen (Il)-sulfat und 1,2 ml
konz. Schwefelsäure in 22 ml Wasser, oder man filtriert durch Alumini-
umoxid. - Man kann die Neubildung der Peroxide verzögern, indem man
den Ether dunkel aufbewahrt. Zugesetztes festes Ätzkali fällt primär ent-
stehende Hydroperoxid aus (nicht jedoch die polymeren!) und hält den
Ether zugleich trocken. Ether mit blankem Natriumdraht kann als
peroxidfrei angesehen werden *.
1
R.Criegee, Methoden der organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. l, 74, Thieme,
Stuttgart 1952.
114 Allgemeine Arbeitsanweisungen

N,N-Dimethylformamid (DMF) Sdp: 1530C Schmp.: -610C Dichte: 0,946


Löslichkeit: Mit Wasser und den meisten organischen Lösungsmitteln in
jedem Verhältnis mischbar.
Dimethylformamid ist wasserdampfflüchtig. Von empfindlichen Sub-
stanzen kann man es im Vakuum nach Vermischen mit Wasser bei tiefen
Temperaturen abdestillieren.
Reinigung: Dimethylformamid ist meist mehr oder weniger stark mit
seinen Zersetzungsprodukten verunreinigt. Diese lassen sich, zusammen
mit bis zu 5% Wasser, folgendermaßen entfernen: Man versetzt 90ml
Dimethylformamid mit 12ml Benzol sowie (falls nicht schon vorhan-
den) 4 ml Wasser und fraktioniert im Vakuum. Im Vorlauf geht ein
Benzol-Wasser-Gemisch zusammen mit den Aminen über, dann folgt
sehr reines, geruchloses Dimethylformamid.
Dimethylsulfoxid Sdp.: 1890C unter Zersetzung Schmp.: 18,50C Dichte: 1,101
Löslichkeit: Unbegrenzt mit Wasser und zahlreichen organischen Lö-
sungsmitteln (auch mit aromatischen Kohlenwasserstoffen) mischbar;
nicht dagegen mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen.
Vortrocknen über Aluminiumoxid, Bariumoxid oder Calciumsulfat, an-
schließend über Calciumhydrid im Wasserstrahlvakuum destillieren,
Sdp.: 75-760C (12 Torr).
Dimethylsulfoxid wird durch Acylhalogenide und ähnliche Verbindun-
gen wie Cyanurchlorid, Acetylchlorid, Benzoylchlorid, Thionylchlorid,
Phosphorylchlorid und ähnliche heftig zersetzt!
Dioxan Sdp.: 1010C Schmp.: 120C Dichte: 1,034
Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen organischen Lösungs-
mitteln in jedem Verhältnis mischbar.
Dioxan bildet hochexplosive Peroxide! (Siehe Diethylether)
Reinigung: Als Hauptverunreinigungen kann Dioxan Peroxide, Essig-
ester, Wasser und Acetaldehydethylenacetal enthalten.
Die Peroxide sind durch Schütteln mit Zinn(II)-chlorid zu entfernen. Ent-
hält Dioxan nicht zu viele Verunreinigungen, kann es wie Tetrahydro-
furan mit Kaliumhydroxid und Natrium weiter gereinigt und entwässert
werden.
Das Wasser allein kann mit Molekularsieb entfernt werden.
Essigsäure Sdp.: 1180C Schmp.: 170C Dichte: 1,049
Löslichkeit: Unbegrenzt in Wasser, Alkohol (langsam Veresterung) und
Ether löslich.
Essigsäure-ethylester (Essigester, Ethylacetat) Sdp.: 77,10C Dichte: 0,901
Löslichkeit: Mit den meisten organischen Lösungsmitteln mischbar. Bei
250C löst Essigester 3 Gew.% Wasser, Wasser 8,1 Gew.% Essigester.
Bildet mit 8,5 Gew.% Wasser ein bei 70,40C siedendes Azeotrop.
die wichtigsten Lösungsmittel 115

Reinigung: Das technische Produkt enthält kleine Mengen Wasser,


Ethylalkohol und Essigsäure. Zur Entfernung dieser Verunreinigungen
kocht man 6h lang mit 8,5 Vol.% Essigsäureanhydrid unter Rückfluß,
destilliert über eine Vigreuxkolonne, trocknet durch Schütteln mit was-
serfreiem Kaliumcarbonat und destilliert erneut.
Das Wasser kann auch auf einer Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-
Säule beseitigt werden.
n-Hexan Sdp.: 68,70C Dichte: 0,659
Löslichkeit: Alle Alkane sind mit Wasser, Dimethylformamid, Dime-
thylsulfoxid und ähnlichen Lösungsmitteln praktisch nicht mischbar. Sie
lösen sich z. B. in absolutem Methanol, Ethylalkohol, Ether und Aceton.
Reinigung: Die Beseitigung der sehr geringen Mengen gelösten Wassers
geschieht am besten durch Einpressen von Natrium (siehe S. 109). Alle
anderen üblichen Trockenmittel dürfen ebenfalls verwendet werden.
Ethylmethylketon (Butanon) Sdp.: 8O0C Dichte: 0,805
Löslichkeit: Mit allen gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln in je-
dem Verhältnis homogen mischbar. Es bildet mit 11,3 Gew.% Wasser
azeotropes Gemisch. Bei 220C lösen sich in Wasser 26,3 Gew. % Butanon,
Reinigung: Wie beim Aceton beschrieben.
Methylalkohol (Methanol) Sdp.: 64,50C Dichte: 0,792
Löslichkeit: Mit Wasser, Ethylalkohol, Ether in jedem Verhältnis misch-
bar, mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen nur dann, wenn völlig was-
serfrei. Bildet mit Wasser kein Azeotrop.
Reinigung: Methylalkohol wird (rektifiziert) schon weitgehend wasser-
frei geliefert. Die letzten Reste Wasser - unter einem Prozent - kann man
mit Magnesium entfernen1: Man versetzt in einem 2-1-Kolben mit Rück-
flußkühler und Calciumchloridrohr 11 Methylalkohol mit 10g Magne-
siumspänen. Nach einiger Zeit setzt unter Wasserstoffentwicklung die
exotherme Reaktion ein und bringt schließlich das Methanol zum Sieden.
(Schüssel mit Eis-Wasser bereithalten, damit man kühlen kann, falls die
Umsetzung zu stürmisch wird!) Hat sich das Magnesium ganz aufgelöst,
läßt man noch etwa zwei h weiter sieden und destilliert dann ab. (Cal-
ciumchloridrohr am Vakuumvorstoß.) - Enthält der Methylalkohol mehr
als 1% Wasser, springt die Reaktion nicht an.
Methylenchlorid Sdp.: 41,60C Dichte: 1,336
Löslichkeit: Mit den meisten organischen Lösungsmitteln in jedem Ver-
hältnis mischbar. Bei 250C löst Methylenchlorid 0,1 Gew.% Wasser und
wird von diesem zu 1,3 Gew.% gelöst. Bildet mit 1,5% Wasser ein Azeo-
trop, das bei 380C siedet.
1
N. Bjerrum und L. Zechmeister, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 56, 894 (1923).
116 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Reinigung: Zur Reinigung (von z. B. autoxidativ am Licht gebildetem


Chlorwasserstoff) genügt meist ein Durchschütteln mit Wasser, Trocknen
über Calciumchlorid oder wasserfreiem Kaliumcarbonat und schließlich
fraktionierendes Destillieren. Für höhere Ansprüche wäscht man vorher
nacheinander mit konz. Schwefelsäure und wässeriger Natronlauge.
Methylenchlorid darf keinesfalls mit Natrium zusammengebracht wer-
den!
Petroleumbenzine
Gemische von Alkanen, handelsübliche Siedebereiche: 40-6O0C (Petrolether); 60 bis
8O0C; 100—140°C(Ligroin).
Löslichkeit und Reinigung wie beim «-Hexan.
Pyridin Sdp.: 115,60C Dichte: 1,510
Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen Lösungsmitteln in je-
dem Verhältnis mischbar. Es ist hygroskopisch und bildet mit 46% Wasser
Azeotrop, das bei 920C siedet.
Reinigung: Das reine Pyridin des Handels braucht zur Trocknung im all-
gemeinen nur kurze Zeit über festem Kaliumhydroxid oder Bariumoxid
gekocht und dann abdestilliert zu werden. Trocknung auf der Aluminium-
oxid- oder Molekularsieb-Säule ist ebenfalls möglich.
Tetrachlorkohlenstoff Sdp.: 76,70C Dichte: 1,598
Löslichkeit: Mit den meisten organischen Lösungsmitteln in jedem Ver-
hältnis mischbar. Bei 250C löst Tetrachlorkohlenstoff 0,08% Wasser.
Bildet mit 4,1% Wasser ein Azeotrop, das bei 650C siedet.
Reinigung: Zum Trocknen genügt meist Calciumchlorid oder Destilla-
tion über eine kurze Kolonne, wobei das Wasser azeotrop als Vorlauf ab-
getrennt wird. Wirksamer läßt sich das Wasser mit Aluminiumoxid oder
Molekularsieb entfernen.
Auf keinen Fall darf Tetrachlorkohlenstoff mit Natrium zusammenge-
bracht werden!
Tetrahydrofuran (THF) Sdp.: 56,40C Dichte: 0,888
Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen organischen Lösungs-
mitteln in jedem Verhältnis mischbar. Bildet mit 5,4 Gew.% Wasser ein
azeotropes Gemisch, das bei 630C siedet.
THF bildet noch leichter als Diethylether hochexplosive Peroxide (siehe
bei diesem).
Reinigung: Der Nachweis der Peroxide ist beim Diethylether beschrie-
ben. Man entfernt sie in folgender Weise1: 100Og Tetrahydrofuran mit
einem Gehalt von 0,4% aktivem Sauerstoff werden mit 4 g Kupfer(I)-

Farbwerke Hoechst AG, Erfinder: H. Wegner und O.Fuchs. Dtsch. Bundes-Pat 948506 (1954).
die wichtigsten Lösungsmittel, Bestimmung des Schmelzpunkts 117

chlorid gekocht; dann destilliert man das peroxidfreie Tetrahydrofuran


ab.
Zur Trocknung schüttelt man mit festem Kaliumhydroxid (Vorsicht,
feuchtes THF kann sich mit KOH heftig erwärmen1), trennt von der Base
ab, preßt Natrium ein (siehe Diethylether) und destilliert dann vorsichtig
(nicht zu weitgehend!) in einer Heizhaube ab. Oder man filtriert über
Molekularsieb.
Toluol Sdp.: 110,60C Dichte: 0,865
Man verwendet Toluol (und die Xylole) als Lösungsmittel an Stelle von
Benzol, wenn höhere Siedetemperaturen gewünscht werden. Die Lö-
sungseigenschaften dieser Homologen sind so gut wie gleich. Trocknen
kann man sie in derselben Weise wie Benzol.

Xylol Meist benutzt man das billigere Isomerengemisch, das zwischen 130 und
140 0C überdestilliert.
Näheres siehe bei Toluol.

Bestimmung des Schmelzpunkts


Die zur Charakterisierung kristalliner Verbindungen wichtigste physikalische Stoff-
konstante ist der Schmelzpunkt.
Im Labor benutzt man zur Schmelzpunktbestimmung meist Apparaturen, in denen
ungefähr ein Milligramm Substanz in einem einseitig zugeschmolzenen Kapillarröhr-
chen aus Glas neben einem Thermometer erhitzt wird. Die Schmelzpunktkapillare hat
einen Durchmesser von l mm, eine Länge von etwa 7 cm und soll sehr dünnwandig
sein. Sie wird mehrmals mit der Öffnung in die (z. B. auf dem Tonteller) gut ge-
trocknete, fein zerriebene Untersuchungssubstanz getaucht und dann vorsichtig auf-
gestaucht, bis sie 2 oder 3 mm hoch kompakt gefüllt ist. (Bleibt das Pulver hartnäckig
an der Rohrmündung hängen, läßt man die Kapillare mehrmals durch ein langes
Glasrohr auf eine harte Unterlage fallen.)
Als Meßapparatur verwendet man im allgemeinen entweder kleine, dauernd umge-
wälzte Flüssigkeitsbäder oder einen Metallblock; beide mit geeichtem Thermometer.
Mit den ersteren läßt sich die Schmelzpunktbestimmung auf etwa 1,O0C, mit dem
zweiten auf 1,5—2,O0C bei einiger Übung reproduzieren.
In den Flüssigkeits-Schmelzpunktapparaturen soll die Substanz sich unmittelbar
neben der Quecksilberkugel des Thermometers befinden - und möglichst durch Rüh-
ren oder Konvektion für eine gleichmäßige Wärmeübertragung gesorgt sein. Eine
einfache Konstruktion von J. Thiele, die diese Forderung recht gut erfüllt, zeigt Ab-
bildung 69: Das Thermometer wird durch einen Kork gehalten, der auf der Vorder-
1
Vorsicht bei der Reinigung von THF, vgl. Warnung in Organic Syntheses, CoIl. Vol. 5, S. 976, J. Wiley
and Sons, New York, London, Sydney, Toronto 1973.
118 Allgemeine Arbeitsanweisungen

seite zum Ablesen der Skala eingekerbt ist. Durch die beiden schrägen Ansatzrohre
können zwei Schmelzpunktkapillaren so eingeführt werden, daß sie an die Thermo-
meterkugel stoßen. Der Apparat, der bis zur Hälfte der Ansatzrohre mit Heizbad-
flüssigkeit gefüllt ist, hat unten einen bogenförmigen Ansatz, unter den der Brenner
gestellt wird. Diese Konstruktion bewirkt, daß die aufsteigende erwärmte Badflüssig-
keit dauernd zirkuliert. Geheizt wird mit der Sparflamme des Bunsenbrenners. (Zur
besseren Verteilung der Wärme sollte man den unteren beheizten Schenkel, wie Ab-
bildung 69b zeigt, mit Kupferdrahtnetz überziehen.) Es empfiehlt sich, den Schmelz-
vorgang durch eine Lupe zu beobachten.
Als Heizbadfüllung verwendet man konz. Schwefelsäure oder Siliconöl. Der Um-
gang mit heißer, konzentrierter Schwefelsäure verlangt besondere Vorsicht; es emp-
fiehlt sich, eine größere Petrischale mit Sand unter den Bunsenbrenner zu stellen.
Langsame Braunfärbung der Schwefelsäure verhindert man durch Zugabe eines
Kristalls Kaliumnitrat. - Siliconöle fangen, je nach Qualität, ab 20O0C an, sich zu
zersetzen und zu polymerisieren, wodurch die Konvektion gestört wird. Außerdem
haben sie hohe Wärmeausdehnungskoeffizienten.
In der Metallblock-Schmelzpunktapparatur ist die Temperatur nach oben lediglich
durch das Thermometer begrenzt. (Normale Quecksilberthermometer reichen bis
3600C.) Der Metallblock nach F. Lindström - siehe Abbildung 70 - besteht aus einem
dickwandigen, abgeschlossenen Kupferzylinder, in den man von oben das Thermo-
meter und bis zu drei Schmelzpunktkapillaren einsteckt. Er ist mit einer Lampe und

Abb. 69 Einfache Schwefelsäure-Schmelz- Abb. 70 Kupferblock-Schmelz-


punktapparatur nach Thiele mit Substanzprobe; punktapparatur (im Quer-
a) von vorne; b) von der Seite gesehen schnitt) mit zwei Substanz-
(Maßstab l : 3) proben (Maßstab l: 2)
Schmelzpunktdepression 119

einer Lupe zur Beobachtung des Schmelzvorgangs ausgerüstet. Geheizt wird durch
eine kleine, regulierbare Gasflamme.
Bei beiden Apparaturen ist die Heizstärke so einzustellen, daß die Temperatur an-
fangs um etwa zehn 0C pro min, in der Nähe des Schmelzpunkts ein 0C pro min steigt.
Liegt der Schmelzpunkt hoch (über etwa 10O0C), darf anfangs schneller aufgeheizt
werden. (Ist er unbekannt, empfiehlt es sich, eine Vorprobe sehr schnell zu erhitzen,
um so seine ungefähre Lage zu ermitteln.) Bei reinen Substanzen beobachtet man nach
anfanglichem Schwinden und Sintern einen plötzlichen Beginn des Schmelzvorgangs,
der sich dann noch über maximal ein Grad hinziehen kann. Verunreinigte Stoffe und
manche Substanzklassen schmelzen über ein größeres Temperaturintervall. Zahl-
reiche organische Verbindungen (speziell salzartige) zersetzen sich bereits unterhalb
ihres Schmelzpunkts. Liegt eine solche vor, heizt man anfangs möglichst rasch bis
zehn Grad unterhalb des Zersetzungspunkts und erst dann mit zirka fünf 0C Tem-
peratursteigerung pro min weiter. Der Zersetzungspunkt gibt sich durch Dunkelfar-
bung der Substanz oder Aufblähen und Gasentwicklung zu erkennen (sowie daran,
daß die Zersetzungsprodukte beim langsamen Abkühlenlassen nicht am gleichen
Temperaturpunkt wieder fest werden). Er ist stark von der Schnelligkeit des Erhitzens
abhängig und hat deshalb als Charakteristikum nur geringen Wert.
Weiterhin sind einige organische Verbindungen polymorph, das heißt, sie können
in verschiedenen (energetisch ähnlichen) Kristallgittern existieren, haben also mehr
als einen Schmelzpunkt.
Schon geringe Verunreinigungen (auch solche mit höher schmelzenden Substan-
zen) bewirken - durch Bildung von Eutektika J - eine merkliche Schmelzpunkt-Ernied-
rigung. Diese Tatsache liefert die Möglichkeit, die Identität zweier kristalliner Stoffe
auf einfache Weise zu belegen: Man stellt sich durch sorgfältiges Verreiben eine Mi-
schung aus der zu untersuchenden Substanz und einer authentischen Vergleichssub-
stanz her und bringt diese neben der reinen Vergleichssubstanz zum Schmelzen. Ist
die unbekannte Verbindung mit der authentischen identisch, schmelzen beide Proben
gleichzeitig; ist sie es nicht, schmilzt die Mischung deutlich tiefer (auch wenn die
Schmelzpunkte der zwei Einzelstoffe sehr nahe beieinander liegen). Diese Methode
der Mischschmelzpunkt-Bestimmung versagt lediglich in dem (seltenen) Fall, daß die
beiden Verbindungen isomorph (also von gleicher Kristallgestalt) sind.
Eine unbekannte Substanz kann dann als ,jchmelzpunktrein" angesehen werden,
wenn ihr Schmelzpunkt scharf ist und sich nach wiederholtem Umkristallisieren
(Sublimieren oder Destillieren) nicht mehr erhöht. Unreine Substanzen schmelzen
innerhalb eines Temperaturbereichs von mehreren 0C.
Den Schmelzpunkt von Substanzen, die sublimieren, mißt man im zugeschmolze-
nen Röhrchen, das möglichst vollständig ins Wärmebad eintauchen soll. - Hygro-
skopische Stoffe sind ebenfalls so abzuschließen.
Verbindungen, die unterhalb der Raumtemperatur schmelzen, taucht man zusam-
men mit dem Thermometer in ein kleines gut gerührtes Kältebad und wartet, bis die
1
Siehe Lehrbücher der anorganischen Chemie.
120 Allgemeine Arbeitsanweisungen

erstarrte Substanz im langsam sich erwärmenden Bad wieder schmilzt.


Trägt das zur Schmelzpunktapparatur gehörende Thermometer auf seiner Rück-
seite die Aufschrift „mittlere Fadentemperatur:... 0C", ist es vereinbarungsgemäß so
geeicht, daß die abgelesenen Werte die tatsächlichen Schmelztemperaturen anzeigen.
Ist das Thermometer nicht auf die Schmelzpunktapparatur abgestimmt, muß man
zur Ermittlung der wahren Schmelzpunkttemperatur eine Thermometerkorrektur
(Fadenkorrektur) vornehmen, als Ausgleich dafür, daß der aus dem Bad herausra-
gende Teil des Quecksilberfadens nicht mit erwärmt wird. Man addiert dafür zu der
abgelesenen Temperatur den Betrag n • y (t — t0), bei dem y eine Materialkonstante,
n die Anzahl der überstehenden Grade des Quecksilberfadens und f0 dessen mittlere
Temperatur (angenähert mit einem zweiten Thermometer zu messen) ist. y hat für
Jenaer Glas den Wert 0,00016. Für Temperaturen von 25O0C liegt der Korrektur-
wert im Bereich von 60C. - In der Literatur werden häufig „unkorrigierte" Schmelz-
punkte angegeben.
Abschließend seien noch zwei aufwendigere Apparaturen zur Bestimmung des
Schmelzpunkts erwähnt, nämlich das Heiztisch-Mikroskop und die Heizbank, die
beide von L. Kofler entwickelt worden sind.
Das Heiztisch-Mikroskop hat einen elektrisch heizbaren Objekttisch, in dessen
Mitte ein speziell geeichtes Thermometer ragt. Mit seiner Hilfe kann das Temperatur-
verhalten einer Untersuchungssubstanz, von der nur wenige winzige Kriställchen
nötig sind, bei starker Vergrößerung genau beobachtet werden (eventuell im polari-
sierten Licht). Dabei ist die Temperatur so fein einzuregulieren, daß das Kristall-
Schmelze-Gleichgewicht längere Zeit konstant gehalten werden kann.
Sehr rasch läßt sich der Schmelzpunkt auf 2-3 0C genau mit der Heizbank ermitteln.
Sie besteht im wesentlichen aus einer knapp 40 cm langen Metallschiene, auf der
eine eingebaute Widerstandsheizung ein lineares Temperaturgefalle zwischen 50
und 25O0C erzeugt. Die pulverisierte Testsubstanz wird direkt auf die Schiene ge-
streut. An der -je nach Reinheit des Stoffes mehr oder weniger breiten — Grenze zwi-
schen Kristallpulver und Schmelze kann die Temperatur von einer Skala abgelesen
werden.

Bestimmung des Siedepunkts

Im Gegensatz zum Schmelzpunkt ist der Siedepunkt vom Druck abhängig. Steht
keine weitere Angabe dabei, bezieht sich der Siedepunkt immer auf den Normaldruck,
also 760 Torr. Bei Substanzen, die sich unter diesen Bedingungen zersetzen, mißt man
den Siedepunkt im verminderten Druck, muß dann natürlich den Meßdruck mit an-
geben. Leider ist die Druckabhängigkeit der Siedetemperatur von Stoff zu Stoff ver-
schieden, so daß es nicht ohne weiteres möglich ist, die gemessenen Werte auf Nor-
malbedingungen umzurechnen (siehe S. 39). Da außerdem die Bestimmung des
Siedepunkts schwieriger und - besonders wegen der kaum ganz zu vermeidenden
Bestimmung des Siedepunkts 121

Überhitzung — fehlerhafter ist als die des Schmelzpunkts, kommt ihr als charakteri-
stische Stoffkonstante eine viel geringere Bedeutung zu. Um die Vorteile der Schmelz-
punktbestimmung auch auf flüssige Verbindungen ausdehnen zu können, führt man
diese häufig durch einfache chemische Umsetzungen in definierte kristalline Derivate
über.
Eine Möglichkeit der Siedepunktbestimmung wurde schon auf S. 35 behandelt:
Man destilliert die Flüssigkeit in einer normalen Destillationsapparatur über und
mißt die am Siedethermometer angezeigte Temperatur (dabei auf richtigen Sitz des
Thermometers achten; langsam, aber kontinuierlich destillieren; Siedesteinchen nicht
vergessen). Für exakte Messungen müßte dazu noch der Barometerstand abgelesen
(und eventuell auch eine Thermometerkorrektur vorgenommen) werden.
Siedepunkte unter vermindertem Druck lassen sich nur auf diese Weise messen. (Da-
bei Druckabfall zwischen Manometer und Siedekolben gering halten; siehe S. 40).
Für kleine Substanzmengen sind besonders zwei auf 1-20C reproduzierbare Ver-
fahren geeignet, die beide in der Schmelzpunktapparatur nach Thiele (Abbildung 69)
durchgeführt werden können.
Bei der einen - nach Ch. Wiegand*; Abbildung 71 - gibt man etwa 2 ml der Flüs-
sigkeit in ein 5-6 mm weites Reagenzgläschen („Glühröhrchen"), steckt eine Schmelz-
punktskapillare so dazu, daß ihre Mündung bis kurz über den Boden in die Flüssig-
keit taucht und befestigt das Glühröhrchen mit einem Gummiring auf gleicher Bo-
denhöhe am Schmelzpunktthermometer. Beim Heizen (rasch bis auf etwa 1O0C un-
terhalb des Siedepunkts, dann etwa 1 0 C pro min) treten erst einzelne Gasblasen aus

Abb. 72a-c
Abb. 7l Kapillare zur Siede-
Apparatur zur punktbestimmung nach
Siedepunktbestimmung Emich in drei
nach Wiegand Arbeitsstadien (Maßstab 2:1)

Ch. Wiegand, Angew. Chem. 67, 77 (1955).


122 Allgemeine Arbeitsanweisungen

der Kapillare, die sich dann plötzlich - beim Erreichen der Siedetemperatur - zu
einer ununterbrochenen Kette feiner Bläschen verdichten. Läßt man langsam wieder
abkühlen, reißt die Kette am Siedepunkt unvermittelt ab.
Für die zweite - nach F. Emich 1 ; Abbildung 72 - zieht man den Boden eines
Schmelzpunktröhrchens in der Sparflamme zu einer feinen, 2 cm langen, offenen Ka-
pillare aus. Diese Spitze taucht man so kurz in die Untersuchungsflüssigkeit, daß sich
nur ein winziges Tröpfchen hochsaugt und das offene Ende wieder frei wird (a in Ab-
bildung 72). Schmilzt man nun die Spitze vorsichtig über der Sparflamme zu, muß
unterhalb des Tröpfchens ein kleines Luftvolumen zurückbleiben (b). Dieses dehnt
sich beim Erhitzen in der Schmelzpunktapparatur (nach Abbildung 72) zuerst nur
wenig, dann - wenn der Siedepunkt erreicht ist — so rasch aus, daß das Tröpfchen
plötzlich bis über den Meniskus der Badfüllung hochgeschoben wird (c).

Bestimmung des Brechungsindexes (Refraktometrie)

Der Brechungsindex n ist eine weitere spezifische Stoffkonstante, die es gestattet,


flüssige oder gelöste Verbindungen schnell und bequem zu identifizieren oder auf
Reinheit zu prüfen.
Physikalische Grundlage ist die Stoff- und konzentrationsabhängige Ablenkung,
die Lichtstrahlen bestimmter Wellenlänge beim Übertritt aus Luft in die zu messende
Flüssigkeit erfahren. Moderne Refraktometer arbeiten meist nach dem Prinzip der
Totalreflexion und sind so geeicht, daß sie den Brechungsindex auf 0,0001 genau
direkt anzeigen.2
Solche Meßgenauigkeit ist - wegen der starken Temperaturabhängigkeit des Bre-
chungsindexes - allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Meßtemperatur auf 0,20C
exakt eingestellt und abgelesen werden kann! Das ermöglicht z. B. ein kleiner Durch-
flußthermostat, der über kurze Schläche mit dem Refraktometer verbunden ist. In
der Literatur angegebene Brechungsindizes beziehen sich üblicherweise auf die Wel-
lenlänge der Natrium-D-Linie (589 nm) und 20 oder 25 0 C: «£° o<^er no5-
Wegen möglicher Volumenkontraktionen beim Mischen ist der Brechungsindex
nur bedingt linear von der Konzentration einer Lösung abhängig. Für absolute Kon-
zentrationsmessungen muß daher jeweils eine Eichkurve angefertigt werden.

1
F. Emich, Monatsh. Chem. ^,219(1917).
2
Siehe Lehr- und Praktikumsbücher der Physik oder physikalischen Chemie.
Refraktometrie und Polarimetrie 123

Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie)

Zahlreiche organische Verbindungen sind chiral, das heißt, sie können in zwei Anti-
poden (Enantiomeren) auftreten, die sich - bei völliger Identität des Molekülaufbaus,
aller Bindungsabstände und Bindungswinkel - lediglich dadurch voneinander unter-
scheiden, daß der eine das Spiegelbild des anderen ist. Solche Antipodenpaare ver-
halten sich auch chemisch und physikalisch völlig gleich — bis auf eine Ausnahme:
Sie drehen die Ebene des polarisierten Lichts1 rechts herum oder links herum; sie
sind optisch aktiv. Der Betrag dieser Rechts- beziehungsweise Links-Drehung (Ro-
tation) ist für jede Substanz spezifisch. - Damit ergibt sich die Möglichkeit, mit Hilfe
eines Polarimeters optisch aktive Substanzen, die in der Natur häufig vorkommen,
zu identifizieren, der rechtsdrehenden (+) oder linksdrehenden ( — ) Form zuzuordnen
oder mengenmäßig zu bestimmen.
Der am Polarimeter abgelesene Drehwert a (gemessen in Winkelgraden) ist ab-
hängig von:
der spezifischen Drehung der Substanz [a],
der Konzentration der gelösten Substanz c (in g/100 ml),
der Länge der benutzten Küvette l (in Dezimetern!),
der Wellenlänge des zur Messung benutzten Lichts A [nm]
und, in geringem Umfang, der Temperatur.
Zwischen diesen Bezugsgrößen besteht (für eine bestimmte Wellenlänge und Tem-
peratur) der Zusammenhang: [a]| = .
c •l
Früher wurde fast ausschließlich bei der Wellenlänge der gelben Natrium-D-Linie
(589 nm) gemessen. Moderne Geräte ermöglichen Bestimmungen bei mehreren Wel-
lenlängen. - Die Abhängigkeit der optischen Drehung von der Wellenlänge, die so-
genannte optische Rotationsdispersion (ORD), verläuft in substanzspezifischen
Kurven, welche Maxima und Minima aufweisen, die mit der Lage der Absorptions-
banden zusammenhängen (Cotton-Effekte).
In der Praxis wiegt man die Untersuchungssubstanz in einem passenden Meß-
kölbchen ein, löst sie und füllt die klare (!) Lösung blasenfrei in die Meßküvette. Die
Durchführung der Messung selbst richtet sich nach der Art des Polarimeters. Es
empfiehlt sich auf jeden Fall mit einem Lösungsmittel den Nullpunkt des Gerätes zu
überprüfen („Leerwert"-Messung).
Im allgemeinen wählt man die Konzentration c gleich l (bis 2). Da die Drehung stark
vom Lösungsmittel beeinflußt werden kann und auch nicht unbedingt linear von der
Konzentration abhängt, sind beide Daten mit anzugeben. Beispiel: [a]^5 = + 12,7°
in Methanol (c = 1). Benutzung einer, an einen Thermostaten angeschlossenen
Durchflußküvette ist lediglich in Ausnahmefällen nötig.

Siehe Lehrbücher der Physik.


124 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Die Drehrichtung kann nur durch Vergleich mit einer zweiten Messung bei z. B.
halber Konzentration oder halber Küvettenlänge ermittelt werden.
Speziell geeichte „Saccharometer" dienen vielfach in der Industrie zur Gehaltsbe-
stimmung von Zuckerlösungen.

Qualitative chemische Elementaranalyse

Zur Ermittlung der Zusammensetzung einer organischen Verbindung ist ein Nach-
weis der Elemente notwendig. Dieser unterscheidet sich von einem entsprechenden
anorganischen Trennungsgang im wesentlichen dadurch, daß zwar einerseits immer
ein Aufschluß der (homöopolar gebundenen) Substanz nötig ist, andererseits jedoch
vergleichsweise nur sehr wenige Elemente bestimmt werden müssen.
Am Anfang jeder weiteren Untersuchung mache man stets eine Brennprobe, indem
man 10-50 mg der unbekannten Substanz auf einem Spatel schrittweise der Mikro-
flamme des Bunsenbrenners nähert. Fängt die Substanz dabei von selbst an zu bren-
nen, deutet eine nicht oder nur schwach bläulich leuchtende Flamme auf Sauerstoff-
gehalt - eine gelb leuchtende, rußende Flamme auf das Vorliegen von C—C-Mehr-
fachbindungen hin. Bleibt nach längerem Glühen ein nicht verbrennbarer Rückstand,
enthielt die Probe anorganische Bestandteile. Explodiert die Substanz, muß bei den
weiteren Untersuchungen besonders vorsichtig und mit kleinsten Mengen weiter-
gearbeitet werden!

Nachweis von Kohlenstoff und Wasserstoff

Kohlenstoff läßt sich oft schon bei der Brennprobe erkennen. Sicher nachweisen kann
man ihn, indem man eine Substanzprobe in einem kleineren Reagenzglas mit der
mehrfachen Menge ausgeglühtem, feinem Kupferoxid mischt, noch mit etwas Kup-
feroxid überschichtet, das Reagenzglas mit einem durchbohrten Korkstopfen ver-
schließt, in welchem ein Glasrohr steckt, das in klare Bariumhydroxidlösung ein-
taucht - und nun die Mischung stark erhitzt. Enthielt die Probe Kohlenstoff, bildet
sich Kohlendioxid, das das Barytwasser trübt (Bariumcarbonat fällt aus). - Hat man
vorher die Substanzen und das Reagenzglas gut getrocknet, sind Wassertröpfchen,
die sich an der oberen, kälteren Rohrwandung niederschlagen, ein Hinweis auf (in
organischen Verbindungen fast immer vorhandenen) Wasserstoff.

Natriumaufschluß

Für den Nachweis von Stickstoff, Schwefel und oft auch Halogen ist die Substanz
zuerst mit metallischem Natrium aufzuschließen. Dabei ist unbedingt die Schutzbrille
qualitative chemische Elementaranalyse 125

zu tragen und der Abzug zu benutzen! Nitroalkane, organische Azide, Diazoester


und aliphatische Polyhalogenide explodieren mit Natrium! Siehe auch Hinweise auf
S. 113.
Man erhitzt in einem kleinen Glühröhrchen (Reagenzglashalter benutzen) eine
Spatelspitze der Untersuchungssubstanz zusammen mit einem, von anhaftenden
Krusten befreiten, auf Filtrierpapier getrockneten linsengroßen Stück Natrium (oder
auch Kalium) in einer kleinen Bunsenbrennerflamme erst wenig, dann - wenn die
meist an Verpuffen und Dunkelfärbung erkennbare Zersetzung stattgefunden hat -
bis zur Rotglut. Nun taucht man sofort den heißen unteren Teil des Röhrchens in ein
bereitgestelltes 25-ml-Becherglas mit etwa 5 ml (nicht mehr!) Wasser. Dabei zerspringt
das Glühröhrchen; noch vorhandenes Natrium entzündet sich. Die alkalische Lösung
(sicherheitshalber pH prüfen!) wird durch ein kleines Filter abfiltriert. Sie enthält den
Stickstoff sowie den Schwefel zusammen mit dem Kohlenstoff und die Halogene als
NaCN, Na2S, NaSCN beziehungsweise Natriumhalogenid.
Flüssige Proben erhitzt man in einem längeren Reagenzglas und läßt die sich am
kalten Rohrteil kondensierende Substanz einige Zeit auf das heiße geschmolzene
Natrium zurückfließen.
Wenn die Substanz beim Mischen oder Erhitzen mit Natrium explodiert, löst man
vorher eine Probe von etwa 0,1 g in 1-2 ml Eisessig, gibt 0,1 g Zinkpulver zu und
erwärmt, bis sich alles Zink umgesetzt hat. Dann dampft man zur völligen Trockne
ein und behandelt den Rückstand wie beschrieben mit Natrium.

Nachweis von Stickstoff nach Lassaigne

Man versetzt etwa 2 ml der nach Aufschluß mit Natrium erhaltenen Lösung mit je
einem Tropfen gesättigter Eisen(II)-sulfat-Lösung und lOproz. Eisen(III)-chlorid-
Lösung, prüft, ob die Flüssigkeit alkalisch reagiert, und kocht, wenn dies der Fall ist,
1-2 min lang, wobei in Gegenwart von Cyanid Hexacyano-ferrat entsteht. Säuert
man nun die im fließenden Wasser gut gekühlte Lösung vorsichtig mit konz. Salz-
säure an (Überschuß vermeiden!), löst sich das ausgeflockte Eisenoxid und eventuell
Eisensulfid; gleichzeitig bildet sich Berliner Blau, das sich langsam absetzt. — Bei sehr
geringer Stickstoffkonzentration entsteht manchmal nur eine blaßgrüne Färbung. In
diesem Falle, und dann, wenn die Lösung von vornherein farbig war, gießt man,
nachdem man gut umgeschüttelt hat, durch die Spitze eines kleinen Filters. Die blauen
Flocken bleiben zurück. - Unter Umständen muß man den Ansatz zur Ausflockung
vorher längere Zeit stehen lassen.
Bei Stoffen, die ihren Stickstoff in der Wärme leicht abgeben, wie DiazoVerbin-
dungen, versagt diese Nachweismethode.
126 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Nachweis von Schwefel

Man versetzt etwa einen Milliliter der nach Aufschluß mit Natrium erhaltenen alkali-
schen Lösung mit fünf Tropfen gesättigter Dinatrium-pentacyanonitrosylferrat-Lö-
sung (Nitroprussidnatrium), die man sich durch Schütteln einiger Körnchen des festen
Salzes in kaltem Wasser vorher bereitet hat. Eine rotviolette Färbung zeigt Schwefel
an. - Da die Nitroprussid-Reaktion äußerst empfindlich ist und deshalb keinen
Schluß auf die Menge des Schwefels zuläßt, versetzt man eine zweite Probe von einem
Milliliter mit einigen Tropfen Bleiacetatlösung und macht essigsauer. Bei wenig
Schwefel bildet sich nur eine dunkle Trübung, bei größeren Mengen ein Niederschlag
von Bleisulfid.
Leicht flüchtige Schwefel Verbindungen, die beim Alkaliaufschluß verdampfen,
werden im Einschmelzrohr (siehe S. 28) einige Stunden bei 250-30O0C mit rauchen-
der Salpetersäure zu Schwefelsäure oxidiert und dann als Bariumsulfat nachgewiesen
(Carius). - Weniger sicher ist die anschließend beschriebene Salpeterschmelze.

Nachweis von Halogen

Enthält die Verbindung keinen Stickstoff, kann man sie für den Nachweis der Halo-
gene mit Natrium aufschließen, filtrieren und mit Essigsäure ansäuern. - Im anderen
Fall vermischt man eine kleine Substanzprobe sorgfältig mit einem Überschuß von
chemisch reinem CaO, glüht das Gemenge in einem nicht zu engen Reagenzglas
über der Bunsenbrennerflamme (Schutzbrille aufsetzen; Abzug benutzen!) und taucht
dann das heiße Glas sofort in ein kleines Becherglas mit wenig Wasser, so daß es zer-
springt. Nun säuert man mit verd. halogenfreier Salpetersäure an und filtriert. -
Schließlich kann man bei nicht flüchtigen Substanzen die Halogene und den Schwefel
in einer Salpeterschmelze freisetzen. Man verreibt dazu 5-10 mg des Stoffs (keines-
falls mehr; Schutzbrille aufsetzen!) in einer kleinen Achatreibschale mit 200 mg rein-
stem Kaliumnitrat und erhitzt die Mischung in einem kleinen Reagenzglas vorsich-
tig über der Mikroflamme (Schutzbrille aufsetzen!). Die Oxidation setzt unter meist
schwachen Feuererscheinungen ein und ist beendet, wenn die Schmelze farblos ge-
worden ist. Nach dem Erkalten löst man in möglichst wenig Wasser.
In den Lösungen, die man nach einem dieser drei Aufschlußverfahren erhält, weist
man die Halogene nebeneinander - wie in den anorganischen analytischen Prakti-
kumsbüchern beschrieben - mit Silbernitrat nach.
Die Abwesenheit von Halogenen kann man bequem mit Hilfe der Beiist ein-Probe
erkennen. Dazu glüht man das (am besten breitgehämmerte) Ende eines dicken
Kupferdrahtes so lange, bis die anfangs gefärbte Bunsenbrennerflamme völlig farb-
los geworden ist. Dann läßt man den Draht wieder erkalten und taucht ihn in die
Untersuchungssubstanz, so daß einige Körnchen beziehungsweise Tröpfchen hängen
bleiben. Hält man das Ende mit der Substanz jetzt wieder an den Rand der nicht-
leuchtenden Flamme, verbrennt zunächst der Kohlenstoff. Enthielt die Probe HaIo-
das Arbeitsprotokoll 127

gen, leuchtet dann nach kurzer Zeit die Flamme deutlich grün bis blaugrün (Flam-
menfärbung der oxidativ entstandenen Kupferhalogenide). Da die äußerst empfind-
liche Beilstein-Probe noch Spuren von Halogen anzeigt, ist nur das negative Ergebnis
als Beweis für das Fehlen von Halogen zuverlässig.

Nachweis anderer Elemente

Andere Elemente, die in organischen Verbindungen vorkommen, wie Phosphor,


Arsen, weitere Halbmetalle und organisch gebundene Metalle, weist man nach, in-
dem man die Substanz durch Oxidation - Salpetersäure im Einschlußrohr (siehe
S. 28) oder durch Schmelzen mit Kaliumnitrat (siehe oben) - zerstört und dann mit
den üblichen anorganisch-analytischen Methoden untersucht.

Abfassung des Arbeitsprotokolls

Jede chemische Präparation oder Untersuchung ist sofort im Tagesjournal festzu-


halten. Aus diesen Notizen wird dann später das Protokoll angefertigt. Seine Anga-
ben sollen so knapp wie möglich sein; sie müssen jedoch alle Fakten enthalten, die
eine Wiederholung des Arbeitsvorgangs zu einem späteren Zeitpunkt oder durch
andere ohne Schwierigkeiten möglich macht.
Dem Anfänger möge das folgende Schema eines Syntheseprotokolls als Anhalt
dienen:
Name des Präparats1:
Datum:
Formel des Präparats:
Literatur: (Bei Büchern neben Seitenzahl stets Auflage beziehungsweise Erschei-
nungsjahr angeben.)
Reaktionsgleichung und
Reaktionstyp, eventuell Namen:
Reaktionsmechanismus: (Soweit bekannt.)
Reaktionsansatz: (in g beziehungsweise ml und mol für alle Reaktionspartner.)
Arbeitsvorschrift: Diese ist nur dann hier aufzuschreiben, wenn die Literatur nicht
ohne weiteres zugänglich ist oder aus einer nicht geläufigen Sprache übersetzt
werden mußte.
Bemerkungen zur Synthese: (Angaben, die die oben zitierte Literatur ergänzen. Be-
schreibung aller wichtigen Beobachtungen und Manipulationen, die von der
Arbeitsvorschrift abweichen. Also z. B.: Fraktioniertabellen, zusätzlich durch-
geführte Reinigungsoperationen usw.).
1
Verbindlich ist die Nomenklatur nach IUPAC, veröffentlicht in: International Union of Pure and
Applied Chemistry, Nomenclature of Organic Chemistry Section A, B, C, Butterworths, London 1969.
128 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Ausbeute: (In g beziehungsweise ml, mol und Prozenten. Man beachte die Fehler-
grenzen; es ist falsch, Ausbeuteprozente z. B. auf zwei Stellen hinter dem
Komma genau anzugeben, wenn Einwaage oder Auswaage nur auf eine Stelle
genau gemessen wurden.)
Charakteristiken des Produkts: (Reinheitskriterien, wie Farbe, Schmelzpunkt, Siede-
bereich, RF-Werte, Spektren. Zersetzlichkeit und ähnliches.)

Organisch-chemische Fachliteratur

Alle eindeutig charakterisierten organischen Verbindungen werden in dem umfang-


reichen Werk „Beilsteins Handbuch der organischen Chemie" (Springer-Verlag,
Berlin, Heidelberg, New York) beschrieben, das folgendermaßen aufgebaut ist:
Hauptwerk, referiert die Literatur bis 1909 und umfaßt 27 Sachbände;
I. Ergänzungswerk, Literatur von 1910-1919, 31 Bände,
II. Ergänzungswerk, Literatur von 1920-1929, 29 Bände, Bände 30, 31 (Natur-
stoffe),
III. Ergänzungswerk, Literatur von 1930-1949, bis Band 16 erschienen.
III./IV. Ergänzungswerk, Literatur von 1930—1959, Bände 17-23 erschienen.
IV. Ergänzungswerk, Literatur von 1950—1959, bis Band 6 erschienen.
Die Verbindungen sind im „Beilstein" nach einem speziellen System auf die Einzel-
bände verteilt. In den Ergänzungswerken erscheinen neben den normalen Seiten-
zahlen auch diejenigen der inhaltlich entsprechenden Stellen des Hauptwerks (H).
Für Hauptwerk, I. und II. Ergänzungswerk gibt es gemeinsame Namensregister und
Formelregister (geordnet nach Anzahl der C-Atome, dann H-Atome und schließlich
weiterer Atome in alphabetischer Reihenfolge).
Von 1856—1969 wurden fast alle chemischen Publikationen in der Zeitschrift
„Chemisches Zentralblatt" referiert.
Seit 1906 wird die Fachliteratur in den „Chemical Abstracts" (Publikation der
American Chemical Society, Washington) in gegliederter Folge von Einzelreferaten
zusammengefaßt. Diese umfangreiche Reihe, die die gesamte internationale Fach-
literatur ziemlich lückenlos und aktuell erfaßt, hat für jeden Jahrgang sowie zehn
Bände gruppenweise Sach-, Formel-, Autoren- und Patentregister.
Für das präparative Arbeiten stehen dem organischen Chemiker hauptsächlich
folgende größere Werke zur Verfügung: Houben-Weyl, „Methoden der organischen
Chemie", herausgegeben von E. Müller (G. Thieme Verlag, Stuttgart). Enthält ne-
ben speziellen Vorschriften auch umfassende allgemeine Beschreibungen der Ar-
beitsmethoden.
„Organic Syntheses" (Verlag J. Wiley & Sons, New York). Liefert sehr sorgfältig
ausgearbeitete Darstellungsanweisungen.
„Organic Reactions" (vom gleichen Verlag). Erscheint ebenfalls fortlaufend und
Fachliteratur 129

bringt systematische Beschreibungen verschiedener spezieller Arbeitsmethoden nach


Reaktionstypen geordnet mit zahlreichen Literaturzitaten.
„Neue Methoden der organischen Chemie", herausgegeben von W. Foerst (Verlag
Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr.). Ist ähnlich aufgebaut wie das vorstehende Werk,
jedoch weniger umfangreich.
„Synthetische Methoden der organischen Chemie", ab Band V „Synthetic Methods
of Organic Chemistry" von W. Theilheimer (Verlag S. Karger, Basel, New York). Er-
scheint laufend als Sammlung von kurzen schematischen Syntheseanweisungen.
Reagents for Organic Synthesis von L. F. und M. Fieser (Verlag J. Wiley & Sons,
New York, London, Sydney) gibt in laufend ergänzten Bänden eine alphabetische
Zusammenstellung der wichtigsten, in der präparativen organischen Chemie ver-
wendeten Reagenzien mit Beispielen.
„Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie", herausgegeben von W. Foerst
(Verlag Urban & Schwarzenberg, München, Berlin, jetzt Verlag Chemie GmbH,
Weinheim/Bergstr.) ist ein ausführliches, alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk.
Die zahlreichen Monographien, die jeweils nur ein Spezialgebiet behandeln, sind
hier nicht aufgezählt, da sie an entsprechender Stelle hinter den Sachkapiteln dieses
Buches aufgeführt werden.
Die wichtigste, größte Sammlung aller physikalischen Daten ist „Landolt-Börn-
stein, Zahlenwerte und Funktionen aus Physik, Chemie, Astronomie, Geophysik
und Technik" (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York).
Als einbändige Nachschlagwerke fürs Labor eignen sich d'Ans-Lax, „Taschen-
buch für Chemiker und Physiker" Band II, Organische Verbindungen (Springer-
Verlag, Berlin, Heidelberg, New York) und das Handbook of Chemistry and Physics
(Verlag CRS Press, Florida).
Grundlagen aller dieser Werke bilden die Fachzeitschriften, in denen die meisten
Originalarbeiten publiziert sind.
Zum Kennenlernen sollte der Chemiker schon zu Beginn seiner Tätigkeit im Labor
alle wichtigen Bücher und Zeitschriften einmal in die Hand nehmen, um ihren Auf-
bau und Charakter zu studieren. Später, beim selbständigen Arbeiten, sollte er vor
jedem neuen Arbeitsgang sorgfaltig die Literatur durchsehen! Die Stunden, die man
in der Bibliothek zubringt, zahlen sich meist mehrfach aus, indem sie größere Zeit-
und Materialverluste im Labor sowie die „Neuentdeckung" längst beschriebener
Substanzen verhindern!
Zur laufenden Unterrichtung über neuere Forschungsarbeiten und aktuelle Pro-
bleme der Chemie sei die ständige Lektüre einer der folgenden Zeitschriften emp-
fohlen:
Angewandte Chemie
Chemie in unserer Zeit
(beide Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr.)
Accounts of Chemical Research (American Chemical Society, Washington).
130 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Erste Laborausrüstung

(Fast alle aufgeführten Geräte sind im vorhergehenden Text beschrieben.)


Normalschliffgeräte mit NS 29 oder NS 14,5:
Rundkolben, NS 29 (mit kurzem Hals) 100 ml, 250 ml, 500 ml je zwei Stück, 1000 ml
ein Stück;
Spitz-(eventuell auch Rund-)Kolben, NS 14,5 mit Häkchen 25 ml, 50 ml je zwei Stück,
10ml, 100 ml je ein Stück;
Dreihalskolben, NS 29, Ansätze parallel, 1000 ml;
Steigrohr, NS 29 mit zwei Kegelschliffen, etwa 80 cm lang;
Liebigkühler, je ein Stück NS 29 mit etwa 40 cm Mantellänge und NS 14,5 mit etwa
20 cm Mantellänge - beide nach Möglichkeit gleich mit angesetztem Claisenauf-
satz (siehe Abbildung 32 und 34a);
Dimrothkühler, eng gewendelt;
Claisenaufsatz, je ein Stück NS 29 und 14,5 — falls nicht schon an Liebigkühlern an-
gesetzt (schmale Form, siehe Abbildung 32);
Anschützaufsatz, NS 29 (siehe dazu S. 22);
Vigreuxkolonne, NS 29, ca. 20cm wirksame Länge;
Thermometer bis 36O0C, NS 14,5 in richtiger, zu den Claisenaufsätzen passender Ein-
baulänge (siehe S. 35);
Vakuum verstoß, NS 29;
Anschütz-Thiele-Vorstoß, NS 14,5;
Calciumchloridrohr, NS 29 und NS 14,5, gebogen und gerade;
Einleitungsrohre, zwei Stück NS 14,5 (auch für Siedekapillare);
Kernschliffe, zwei Stück NS 14,5, mit angesetztem, kurzem, weitem Rohr (siehe Ab-
bildung 20);
Tropftrichter, NS 29, zylindrische, hohe Form, möglichst mit Maßskala, 100 ml;
Übergangsstück, Kern NS 29, Hülse NS 14,5;
Stopfen, je zwei Stück NS 29 (möglichst hohl) und NS 14,5;
KPG-Rührverschluß mit Flügelrührer NS 29;
Gaswaschflaschen, zwei Stück NS 29.

Andere Glasgeräte:
Reagenzgläser, etwa 10 Stück 18 mm • 18 cm; 30-40 Stück 15 mm • 16 cm; 20 Stück
12 mm • 10 cm; 20 Stück 7,5 mm • 7,5 cm (Glühröhrchen);
Schmelzpunktröhrchen, etwa 50 Stück (möglichst dünnwandig!);
Bechergläser verschiedener Größe, z. B.: 25 ml, 50 ml, 100 ml, 600 ml, 1000 ml je ein
Stück, 200 ml, 400 ml je zwei Stück (vorwiegend hohe Form);
Erlenmeyerkolben verschiedener Größe, z.B.: 25ml, 50ml, 100ml, 300ml je zwei
Stück, 500ml, 750ml je ein Stück (vorwiegend mit weitem Hals);
Filtrier stutzen, l oder 2 Liter (aus thermoresistentem Glas);
erste Laborausrüstung 131

Kristallisierschälchen, drei Stück 0 3-4 cm;


Uhrgläser;
Meßzylinder, 10ml, 100ml;
Schütteltrichter, dickwandig (möglichst konische Form), 500-60OmI;
Tropftrichter. 25 ml, 100 ml mit kurzem Auslaufrohr (als Schütteltrichter zu be-
nutzen);
Trichter, 0 etwa 4cm, und zwei Stück 0 etwa 8 cm;
Pulvertrichter, in NS 29 passend;
Wasserstrahlpumpe (beim Kauf auf gute Saugleistung achten!);
Woulffsche Flasche, eingerichtet als Sicherheitsflasche, mindestens 500 ml (siehe Ab-
bildung 24 S);
Saugflasche, etwa 500 ml (siehe S. 711);
Saugreagenzglas (auf richtige Größe achten; siehe S. 71);
Zentrifugengläser, spitz, passend für Handzentrifuge, mindestens zwei Stück;
Verkürztes Quecksilbermanometer;
Vakuumexsikkator, 0etwa 18 cm;
Calciumchloridrohr;
Thermometer bis 36O0C, dazu eventuell Stockthermometer bis 25O0C;
Bürette, 25 ml;
Meßpipetten, je ein Stück l ml und 10ml;
Tropfrohre, mindestens 10 Stück verschiedener Größe (selbst anzufertigen), dazu
Saugball oder Gummihütchen;
Glasrührer (kann selbst angefertigt werden, siehe S. 18);
Glasrohre verschiedener Stärke (vorwiegend mit 0 7 mm);
Glasstäbe, mindestens 15 Stück verschiedener Größe (selbst anzufertigen);
Glasrohr-Verzweigungsstück (T-Stück);
Objektträger, fünf Stück;
Chemikalienflaschen;
Präparategläser (z. B. mit Kunststoff-Schnappdeckeln).

Porzellangeräte:
Porzellanschalen verschiedener Größe, z. B. drei Stück 0 10-12 cm, je ein Stück 0
5-7 cm und 0 mindestens 15 cm;
Reibschale mit Pistill, 0 innen 10-12 cm;
Nutschen, je eine zylindrische (Büchner-Trichter) mit Siebplattendurchmesser 4,5 cm
und 9 cm, eine konische (Hirsch-Trichter) mit Siebplattendurchmesser 4 cm (beim
Kauf darauf achten, daß Bodenplatte plan und Löcher nicht zu dicht am Rand).
Porzellanteller, unglasiert.

Metallgeräte:
Bunsenbrenner, zwei Stück (möglichst einer davon Teklubrenner);
Stative, drei Stück, davon ein längeres mit schwerer Bodenplatte;
132 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Stativklemmen, 6-10 Stück verschiedener Größe, davon einige passend für NS 29


(siehe S. 8);
Bandklemme mit Kette oder Lederriemen;
Stativringe, je ein Stück 0 12 cm und 0 8 cm;
Stativmuffen, etwa acht Stück;
Dreifüße, zwei Stück;
Patent-Wasserbad (siehe S. 11);
Kochtöpfe für Wasserbäder;
Babotrichter, je einer für 250-ml-, 500-ml- und 1000-ml-Kolben passend;
Asbestdrahtnetze, drei Stück;
Metallspatel, zwei kleinere, einen mittleren, einen großen;
Glasmesser oder Ampullenfeilen;
Tiegelzange;
Schlauch-Schraubklemmen, zwei Stück;
Schlauch-Federklemme, nicht zu kleine, stabile Ausführung;
Schlauchschellen zur Sicherung der Schläuche;
Zugfedern für Schliffapparaturen;
Kaffeesieb;
Schere mittelgroß, Küchenmesser, Rasierklingen.

Sonstiges:
Schutzbrille;
Schutzhandschuhe aus Gummi oder Kunststoff (mit griffiger Innenfläche);
Schutzmantel;
Gummischlauch, passend für Gas- und Wasseranschlüsse;
Vakuumschlauch;
PVC-Schlauch;
Nadelventil (auf 5cm verkleinerte Ausgabe des entsprechenden Stahlflaschen-
ventils);
Kunststoffspritzflasche, etwa 500 ml;
Gummistopfen verschiedener Größe, teilweise durchbohrt;
Korkstopfen verschiedener Größe;
Rundfilter, zu den Nutschen und Trichtern passend;
Faltenfilter;
Siedesteinchen;
Korkringe zum Abstellen der Rundkolben (eher zu klein als zu groß);
Vakuumfett und Vaseline;
Reagenzglasbürsten verschiedener Größe;
Reagenzglaskammer aus Holz;
Universal-Indikatorpapier;
Einige Holzklötzchen, etwa 15- 15cm, 3-30 mm dick (unter Bunsenbrenner oder
Kältebäder zu legen);
allgemeine Sicherheitsvorkehrungen 133

Filzschreiber (wasserfest);
Etiketten;
Laborjournal.

Sicherheit im chemischen Laboratorium

Die Arbeit im chemischen Laboratorium birgt viele Gefahren in sich. Daher ist es
notwendig, sich über die Gefahrenquellen umfassend zu informieren. Dieser Ab-
schnitt soll dazu wichtige Anregungen geben. Natürlich kann die folgende Zusam-
menstellung von Maßnahmen zur Abwendung der Gefahren keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben. Man unterrichte sich deshalb auch ausführlich über die
Unfallverhütungsvorschriften1 und Richtlinien2'3 der Berufsgenossenschaften und
mache sich zur Regel, alle im Labor durchgeführten Arbeiten ständig auf ihre mög-
lichen Folgen hin zu überdenken. Bei Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaß-
nahmen ist die Laborarbeit nicht gefährlicher als zahlreiche andere Beschäftigungen.
Gefahrenquellen, Sicherheitsmaßnahmen zur Abwendung von Gefahr und Regeln
für die Hilfeleistung bei Unfällen prägt sich der Student nicht nur zu eigenem Vorteil
ein. Durch Fehlverhalten beim chemischen Arbeiten sind stets auch andere ge-
fährdet. Im späteren Berufsleben trägt der Chemiker die Verantwortung für das
Wohlergehen von Mitarbeitern und muß durch seine Kenntnisse und Erfahrungen
in der Lage sein, Gefahren von ihnen abzuwenden und im Falle von Unfällen schnell
und sachgerecht zu reagieren. Im übrigen begegnet der Chemiker den bei Laien oft
übertriebenen Vorstellungen von den aus seiner Tätigkeit rührenden Gefahren am
besten durch genaue und nüchterne Abschätzung des wahren Ausmaßes der Gefahr.

Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen

Im Labor sind stets eine Schutzbrille und ein Laborkittel zu tragen. Der Kittel und
andere Kleider sollen nicht aus Kunststoffen bestehen, die in der Hitze schmelzen.
Bei besonders gefährlichen Operationen sind zusätzliche Schutzmittel wie Gesichts-
schirme, Schutzschilde, -helme, -schürzen und -handschuhe sowie gegebenenfalls
Gasmasken mit den erforderlichen Filtern zu verwenden.
Man arbeite nie allein in einem Labor, sondern achte darauf, daß stets jemand
anwesend ist, der bei einem Unfall Hilfe herbeirufen kann.

1
Unfallverhütungsvorschriften, Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, Jedermann-Verlag
Dr. Otto Pfeffer, Heidelberg, neueste Fassung.
2
Richtlinien für Laboratorien, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Carl Heymanns
Verlag, Köln, neueste Fassung.
3
Richtlinien für chemische Laboratorien, Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, Verlag
Chemie, Weinheim, neueste Fassung.
134 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Die Telefonnummern des Rettungsdienstes, des Unfallarztes, der nächsten Kran-


kenhäuser und der Feuerwehr müssen deutlich sichtbar in Telefonnähe angebracht
sein.
Bei der Durchführung der weiter unten beschriebenen Präparate beachte man
sorgfältig alle dort angegebenen speziellen Gefahrenhinweise.

Sicherheit vor Bränden

Offene Flammen sind im organisch-chemischen Laboratorium nach Möglichkeit zu


vermeiden und durch Tauchsieder, elektrische Heizbäder, -platten und -hauben zu
ersetzen. Wo der Gebrauch offener Flammen unumgänglich ist (Ausziehen von
Kapillaren, Schmelzpunktbestimmungen), dürfen diese nur in Abzügen angezündet
werden. Vorher ist sicherzustellen, daß die Umgebung frei von leicht brennbaren
Lösungsmitteln ist. Niemals über offener Flamme aus brennbaren Lösungsmitteln
Umkristallisieren! Nach dem Gebrauch sind Flammen sofort zu löschen. Besonders
Lockflammen an Bunsenbrennern werden, zumal im Sonnenlicht, leicht übersehen.
Lockflammen in Gasdurchlauferhitzern sind ebenfalls sehr gefährlich, keine Lö-
sungsmittel in die darunter befindlichen Ausgüsse schütten!
Ölbäder dürfen nicht über 20O0C erhitzt werden, da die Dämpfe sich sonst ent-
zünden können.
Lösungsmitteldämpfe können auch von brennenden.Zigaretten gezündet werden.
Deshalb ist das Rauchen in chemischen Laboratorien verboten.
Nicht vergessen, Heizbäder, -platten und -hauben nach Gebrauch abzuschalten!
Brennbare Flüssigkeiten werden nach Gruppen und Gefahrenklassen geordnet1.
Zur Gruppe A, Gefahrenklasse I und Gruppe B gehören solche mit Flammpunkten
unter 210C, d.h. alle meistgebrauchten Kohlenwasserstoffe, Ether, Ester, Ketone
und Alkohole. Diese dürfen am Arbeitsplatz nur in Gefäßen von höchstens 11 In-
halt aufbewahrt werden, die Anzahl der Gefäße ist auf das unbedingt nötige Maß zu
beschränken.
Man unterrichte sich rechtzeitig über die Anordnung der Löschduschen, Feuer-
löscher, Löschsandbehälter, Löschdecken und Feuermelder. Gegebenenfalls muß
die Feuerwehr telefonisch alarmiert werden, Telefonnummer deutlich sichtbar in der
Nähe der Telefone! Zum Löschen von kleineren Bränden eignen sich vor allem
Kohlensäure- und Halonlöscher (die keine Rückstände hinterlassen), ferner Staub-
und Schaumlöscher sowie Löschsand. Kleiderbrände werden mit der Löschdusche
oder mit Löschdecken erstickt. Bei Bränden klaren Kopf bewahren! Rauch- und
Gasentwicklung behindern die Löscharbeiten. Durch feuchte Tücher oder Gas-
masken atmen.

Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu
Lande (VbF) vom 1.7.1980, BGBl I vom 1.3.1980.
Sicherheit vor Bränden, Implosionen, Explosionen 135
Sicherheit vor Implosionen und Explosionen

Beim Arbeiten im Vakuum außer Schutzbrille möglichst auch Abzug-Schutzscheibe


oder Schutzschild zwischenstellen. Dünnwandige nicht kugelförmige Gefäße wie
z. B. Erlenmeyerkolben dürfen nicht evakuiert werden. Beim Evakuieren größerer
Exsikkatoren schützt man sich durch Umwickeln mit Tüchern, Umkleben mit Klar-
sichtfolie oder Umgeben mit feinmaschigem Drahtgitter vor im Falle von Implosio-
nen herumfliegenden Glassplittern.
Auch beim Umgehen mit Dewar-Gefäßen ist stets entsprechende Vorsicht gebo-
ten. Als Kühlmittel benutze man immer den farblosen flüssigen Stickstoff und nicht
die mit brennbaren Stoffen explosive, schwachblaue flüssige Luft.
Nach Vakuumdestillationen darf der Destillationsrückstand erst nach dem Ab-
kühlen belüftet werden, andernfalls können explosive Zersetzungen eintreten.
Vorsicht bei der Destillation von Lösungsmitteln, die zur Peroxidbildung neigen
(z.B. alle Ether). Man führe zunächst die auf S. 113 angegebenen Kontrollen auf
Peroxide durch.
Alkalimetalle dürfen nicht mit Wasser oder Halogenalkanen in Berührung kom-
men, deshalb keine Wasserbäder verwenden, nach Möglichkeit Metallkühler. Tetra-
chlorkohlenstoff, Chloroform und Dichlormethan niemals mit Natrium trocknen,
siehe vielmehr S. 113, 115. Zur Vernichtung von Natrium wird dieses in kleinen An-
teilen unter dem Abzug in Ethanol oder Isopropanol, Kalium besser in Butanol ein-
getragen. Ähnlich vernichtet man Alkalihydride oder - amide. Die komplexen Metall-
hydride, besonders Lithiumaluminiumhydrid, sind höchst empfindlich gegen Wasser.
Reaktionskolben nicht mit Wasserbädern heizen oder kühlen, Metall- statt Glas-
kühler, Rückstände werden unter dem Abzug in Kannenether suspendiert und durch
anfangs tropfweisen Zusatz von Essigester, oder (noch vorsichtiger) Ethanol, und
erst nach Abklingen der Hauptreaktion, ebenso vorsichtig, von Wasser zersetzt.
Bei der Durchführung katalytischer Hydrierungen sind die auf S. 552 angegebenen
Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Gaszylinder sind stets nur mit aufgesetzter Kappe
zu transportieren und vor Gebrauch fest am Labortisch zu verankern (Kette). Man
benutze nur die für die einzelnen Gassorten zugelassenen Ventile. Sicherheitsflasche
(S. 24) nicht vergessen. Die Gewinde von Sauerstoffflaschen und ihrer Ventile dürfen
nicht gefettet werden.
Nach katalytischen Hydrierungen dürfen die Katalysatoren nicht mit brennbaren
Materialien (z. B. im Abfalleimer) zusammengebracht werden. Man spült sie besser
mit viel Wasser in den Ausguß oder in spezielle Sammelgefäße.

Sicherheit im Umgang mit Apparaturen

Man stelle Apparaturen stets standsicher und spannungsfrei auf.


Brechendes Glas führt leicht zu Schnitt Verletzungen. Beim Aufziehen von Schläu-
chen auf Glasrohre und -oliven ist deshalb größte Vorsicht geboten. Gummischläuche
136 Allgemeine Arbeitsanweisungen

werden mit wenig Glycerin oder Parafinöl gleitfähig, Plastikschläuche macht man
geschmeidig und (mäßig) gleitfähig durch Eintauchen der Enden in heißes Wasser.
Noch schwieriger ist zumeist das Entfernen alter Schlauchverbindungen, die sich
festgefressen haben. Wenn lockeres Drehen nicht zum Erfolg führt, ist das Auf-
schneiden des Schlauches mit einem scharfen Messer in Längsrichtung und an-
schließendes Abschälen vom Glas zu empfehlen.
Schläuche und Kabel dürfen nicht die Heizplatten berühren. Apparaturen, die
über Nacht betrieben werden sollen, müssen in besonderen Nachträumen aufgestellt
und einige Zeit in Funktion überprüft werden, ehe man sie sich selbst überläßt. Die
Schläuche sind durch Schellen vor dem Abrutschen zu sichern.

Sicherheit im Umgang mit Chemikalien

Gesundheitsschädliche Chemikalien sind in den letzten Jahren systematisch in Listen


zusammengestellt worden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier die MAK-
Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration ist die höchstzulässige Konzentration
eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft, die nach dem ge-
genwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel
täglich 8-stündiger Einwirkung, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen
Wochenarbeitszeit bis zu 45 h im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten
nicht beeinträchtigt und diese nicht unangemessen belästigt1. Andere Veröffent-
lichungen für den Laborgebrauch umfassen Verordnungen2, listen- oder abschnitt-
weise Zusammenstellungen gefährlicher Arbeitsstoffe 3 " 7 und Giftlisten8'9. In der
Regel werden auch Hinweise bei Vergiftungen gegeben. Krebserregende Stoffe fin-
den sich in gesonderten Zusammenstellungen, die cancerogene Wirkung wird nicht
in MAK-Werten ausgedrückt.

1
Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen, neuester Jahrgang, der Kommission zur Prüfung gesundheits-
schädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, BArbBl.; Sicherheitsdaten MAK-
Werte, Tabellenbuch und Wandtafel, Carl Roth, Karlsruhe 1978.
2
E. Quellmalz, Verordnung über gefahrliche Arbeitsstoffe, 2 Bde., Weka-Verlag, Kissing 1977; derselbe.
Die neuen Gift Verordnungen der Bundesländer, Weka-Verlag, Kissing 1978.
3
L. Roth, Sicherheitsfibel Chemie, 3. Aufl., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie, Wolfgang
Dummer, München 1979.
4
Gefahrliche Chemische Stoffe, Anlage zu den UnfallverhütungsVorschriften der Chemischen Industrie
(siehe oben).
5
R. Kühn und K. Birett, Umgang mit Arbeitsstoffen, Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie,
Wolfgang Dummer, München.
6
R. Kühn und K. Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, 3 Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag
Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München 1975 und Ergänzungslieferungen.
7
G. Sorbe, Gefahrliche Arbeitsstoffe im Labor und Betrieb, 2. Aufl., Umschau Verlag, Frankfurt am
Main 1974.
8
W. Braun und A. Dönhardt, Vergiftungsregister, 2. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975.
9
Giftliste Roth, 2. Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlage Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München
1976 und Ergänzungslieferungen.
Umgang mit Apparaturen und Chemikalien, Erste Hilfe 137

Man betrachte jedoch in keinem Fall diejenigen Verbindungen als harmlos, die
in den Listen gefahrlicher Ausbeitsstoffe fehlen. Dies wäre schon deshalb leicht-
fertig, weil die Zahl der organisch-chemischen Verbindungen ständig ansteigt und
der Chemiker häufig mit neuartigen Stoffen umgeht. Man mache sich deshalb grund-
sätzlich zur Gewohnheit, alle chemischen Verbindungen mit der gleichen Sorgfalt
wie gesundheitsschädliche Stoffe zu behandeln. Dies erfordert besonders sauberes
Arbeiten, bei dem das Verschmieren, Verschütten und Verstäuben von chemischen
Stoffen, besonders aber der Körperkontakt vermieden werden.
Auch bei sauberstem Arbeiten darf im Labor nicht gegessen und getrunken wer-
den. Man mache sich zur Gewohnheit, Lebensmittel nur außerhalb des Labors und
nach sorgfältiger Reinigung der Hände zu sich zu nehmen.
Chemikalien sind in gut lesbar und beständig beschrifteten Flaschen aufzubewah-
ren. Man bedenke stets, daß mangelhaft oder nicht beschriftete Flaschen eine Ge-
fahr darstellen, spätestens zum Zeitpunkt ihrer Reinigung oder Vernichtung durch
andere.
Besondere Sorgfalt ist auf den sicheren Transport von Chemikalien zu verwen-
den, der zweckmäßig in Tragwannen oder Rollwagen erfolgt.
Übelriechende oder giftige und ätzende Stoffe mit hohem Dampfdruck müssen im
Abzug oder im Stinkraum umgefüllt und verarbeitet werden. In keinem Fall sollen
Chemikalien durch Pipetten mit dem Mund angesaugt werden, man verwende viel-
mehr Peleusbälle, andere Pipettierhilfen oder Schliffkolbenpipetten.
In zunehmendem Maße stellen Laboratorien Gefäße für Chemikalienabfälle be-
reit, die eine grob nach Gruppen klassifizierte Entsorgung ermöglichen. In keinem
Falle sollten giftige, ätzende oder übelriechende Substanzen durch die Ausgüsse in
das Gemeinde-Abwasser gelangen. Reaktive Abfälle müssen vor der Ablagerung
vorsichtig zersetzt werden.

Erste Hilfe

Die wichtigsten Regeln der Ersten Hilfe sind in Wandtafeln 1 und Heften 2 ' 3 nach-
zulesen, die in jedem Labor leicht zugänglich sein sollen. In allen Fällen von Ver-
letzungen ist sofort der Arzt hinzuzuziehen oder der Verletzte zum Unfallarzt oder
zum Krankenhaus zu transportieren. Dabei soll er von einem erfahrenen Chemiker
begleitet werden, der, soweit erforderlich, die Giftlisten und die einschlägigen Merk-
blätter4 der Berufsgenossenschaft bei sich führt.

Erste Hilfe in der Chemie, Wandtafel, Carl Roth, Karlsruhe 1977.


Anleitung zur Ersten Hilfe bei Unfällen, ZH 1/143 des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenos-
senschaften, Carl Heymanns Verlag, Köln 1973.
H.-E. Köhnlein, S.Weiler, W.Vogel, J.Nobel und K. Pabst, Erste Hilfe, Ein Leitfaden, 4. Aufl.,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975.
R. Kühn und K. Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, 3 Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag
Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München, 1975 und Ergänzungslieferungen.
138 Allgemeine Arbeitsanweisungen

Größere Schnittwunden sollen jedenfalls vom Arzt behandelt werden. Man lagert
das verletzte Gliedmaß hoch und legt einen einfachen Schnell verband an. Bei Arte-
rienverletzungen (hellrote, pulsierende Blutung) Arterie abdrücken und sofort den
Arzt herbeirufen.
Verätzungen werden lange mit viel Wasser gespült, eventuell mit verdünnter
(l proz.) Essigsäure bei Alkaliverätzungen und mit l proz. Natriumhydrogencar-
bonatlösung bei Säure Verätzungen.
Nach Verätzungen des Auges wird bei auseinandergezogenen Augenlidern lange
mit viel laufendem Wasser gespült. Augenduschflaschen bergen Infektionsgefahr in
sich, wenn ihr Inhalt nicht regelmäßig erneuert worden ist. Beim Eindringen von
Fremdkörpern in das Auge nicht unnötig reiben. Hier wie auch bei Verletzungen des
Augapfels das Auge mit einem keimfreien Verband abdecken. In allen Fällen sofort
zum Augenarzt.
Bei kleineren Verbrennungen wird mit viel kaltem Wasser gespült, größere Brand-
wunden werden mit keimfreiem Brandwundenverbandtuch bedeckt. Der Patient
wird warm zugedeckt und sofort ins Krankenhaus transportiert.
Rauch- und Gasvergiftete werden an die frische Luft gebracht und liegend ruhig
und warm gehalten, bis der Arzt eintrifft.
Chemikaliengetränkte Kleider ablegen und wegen der Gefahr der Hautresorption
den Arzt konsultieren. Die MAK-Tabellen geben auch qualitative Hinweise auf
Stoffe, die leicht durch die Haut resorbiert werden.
Vergiftungen durch Verschlucken werden zweckmäßig durch den Arzt behandelt,
der sofort hinzugezogen werden muß. In den obengenannten Giftlisten finden sich
Angaben für spezifische Gegenmaßnahmen.
I. Aliphatische Substitution

Experimente:

Ethylbromid (Bromethan)
1,6-Dibromhexan
Cyclohexylchlorid (Chlorcyclohexan)
a) mit starker Salzsäure
b) mit Salzsäure und Zinkchlorid
Versuch: /m-Butylchlorid aus terf-Butanol
Ethyliodid (lodethan)
Ethylnitrat
Ethylnitrit
Isopentylnitrit
Versuch: Hydrolyse von Ethyl- oder Isopentylnitrit
Methyliodid (lodmethan)
Benzylcyanid (Phenylacetonitril)
Hexamethylendicyanid(Korksäurenitril)
Diisopentylether
Methyl-2-naphthylether (Nerolin)
Anisol
4-Methoxyphenol
D, L-Valin
Versuch: Trennung eines primären von einem sekundären Amin
N9 Af-Dimethylpiperidiniumiodid
Allyl-triphenylphosphoniumbrornid
Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid
Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid
Phenylmethanthiol (Benzylmercaptan)
a) über Benzylisothiuroniumbromid
b) aus Kaliumhydrogensulfid und Benzylchlorid
Versuch: Blei- und Quecksilberbenzylsulfide
Versuch: Nachweis der SH-Gruppe mit Na2[Fe(CN)5NO]
Trimethylsulfoxoniumiodid
Nitromethan aus Chloressigsäure
Versuch: aci-Form des Nitromethans
Benzylchlorid
Versuch: Spaltung von Benzylchlorid mit Kaliumhydroxid
Versuch: Analyse des Benzylchlorids
Benzaldehyd über Benzylidendichlorid
2-Bromisovaleriansäure
I. Aliphatische Substitution

Die kovalente Bindung

Die für die organische Chemie typischen Kohlenwasserstoffgerüste werden durch


kovalente Bindungen zusammengehalten. Am häufigsten trifft man die rotations-
symmetrischen (7-Bindungen, die aus zwei Elektronen gebildet werden, je eines davon
wird von jedem der beiden Bindungspartner beigesteuert. Die beiden Elektronen
haben antiparallele Spins und besetzen ein Molekülorbital (MO), das um die Bin-
dungsenergie ärmer ist als die zwei ungebundenen, mit nur je einem Elektron be-
setzten Atomorbitale (AO), durch deren Überlappung das MO gebildet wird. Zu
jedem bindenden gehört auch ein antibindendes Orbital, das jedoch im Grundzu-
stand im allgemeinen unbesetzt ist.
Chemische Bindungen lassen sich mit dem Valenzbindungs- (VB) oder dem Mole-
külorbitalverfahren (MO) beschreiben. Das erste stellt sich die Elektronen paarweise
in den Bindungen lokalisiert vor, das andere betrachtet alle Elektronen des Moleküls
im Rahmen des gesamten Elektronensystems des Moleküls. Näheres siehe in den
Lehrbüchern der Allgemeinen und der Organischen Chemie.
Das einfachste Modell für die Betrachtung der kovalenten Bindung und die An-
wendung der für ihre mathematische Behandlung benützten Näherungsverfahren ist
das Wasserstoffmolekül.
Im H2-Molekül besitzt die Bindung keine Vorzugsrichtung, weil das Is Orbital
kugelsymmetrisch ist. Für das Zustandekommen einer Bindung ist demnach die
Richtung, aus welcher sich die beiden H-Atome einander nähern, ohne Einfluß.
Analoges Verhalten zeigen nur die Alkalimetalle Li, Na, K... (je l Elektron im 2s,
3s, 4s usw.); bei den anderen Elementen treten im Molekülverband (und bei der Aus-
bildung von Bindungen) in der für den Organiker vorwiegend interessanten 1. und
2. Periode Richtungen auf, die durch die Gestalt der p-Orbitale oder der sp-Hybrid-
orbitale bestimmt werden. Dies sei an einigen Verbindungen der 1. Periode kurz
illustriert:
Im Beryllium (4 Elektronen) besetzen 2 Elektronen das Is [(Is)2] und 2 Elektronen
das 2s-Orbital (2s)2; die 2p-Orbitale sind im Grundzustand leer. Durch Promotion
eines Elektrons in ein p-Orbital gelangt man zu (Is) 2 2s2p x mit 2 ungepaarten Elek-
tronen. Diese hybridisieren zu 2 sp-Orbitalen, die nach dem Prinzip der maximalen
Entfernung voneinander in entgegengesetzte Richtung zeigen und jeweils mit einem
geeigneten AO, z. B. mit dem px-Valenzelektron des Chlors zu Cl—Be—Cl überlap-
pen. Im Bor werden analog 3 bindende Orbitale ausgebildet:
(ls) 2 (2s) 2 p x ^0"10"0" > (ls) 2 2sp x p y Hybridisierung> (ls)23sp2. Das Molekül BF3
hat eine trigonale Struktur (Valenzwinkel 120°). Kohlenstoff stellt für gesättigte Ver-
bindungen 4 nach dem analogen Prinzip gebildete sp3-Orbitale zur Verfügung, die
142 Kapitel I. Aliphatische Substitution

in die 4 Ecken des Tetraeders weisen, so daß z. B. im einfachsten Kohlenwasserstoff,


dem CH4, alle H-Atome gleich weit voneinander entfernt sind und der Bindungs-
winkel 109,5° beträgt. Für die entsprechende Stickstoffverbindung, NH 3 , hat man
ebenfalls 4 sp3-Orbitale anzunehmen, von denen eines mit 2 Elektronen besetzt ist
(freies, nichtbindendes Elektronenpaar), so daß nur 3 cr-Bindungen zustande kommen,
die nach 3 Ecken des ganz wenig verzerrten Tetraeders weisen (Bindungswinkel 107°),
während das zur 4. Ecke weisende sp3-Orbital durch die beiden n-Elektronen (nicht-
bindenden Elektronen) besetzt ist. In den Verbindungen des Sauerstoffs z.B. H2O,
postuliert man konsequenterweise ebenfalls 4sp3-Orbitale, von denen 2 mit je einem
Elektronenpaar besetzt sind, die anderen in Richtung auf die verbleibenden beiden
Ecken des (verzerrten) Tetraeders mit den Orbitalen der Partner überlappen (Bin-
dungswinkel 105°). Beim Fluor-Atom schließlich ist der Valenzzustand mit dem
Grundzustand identisch; das mit einem Elektron besetzte 2p-Orbital bildet eine
(nicht gerichtete) kovalente Bindung aus.
Bei Bindungen zwischen verschiedenartigen Atomen ist die Verteilung der Bin-
dungselektronen meistens unsymmetrisch: Die Atome unterscheiden sich in ihrer
Fähigkeit, die Bindungselektronen innerhalb des Molekularverbandes an sich zu
ziehen. Nach L. Pauling läßt sich diese Eigenschaft mit dem Begriff der Elektronega-
tivität beschreiben, für die er relative Zahlenwerte angegeben hat. Die Bindungen
zwischen H und Cl oder zwischen C und O sind polare Atombindungen, d. h. die
Ladungsdichte ist in der Nähe des elektronegativeren Cl- bzw. O-Atoms höher als in
der Nähe des H- bzw. C-Atoms. Partialladungen auf den beteiligten Atomen

6+ 6- \ö+ 6- \6+ 6- 6+ b~/


H-CI -C-O -C-F H-C-
X \ / \

sind die Folge, wobei die Größe des 5-Werts von der Elektronegativitätsdifferenz ab-
hängt. Diese polare Atombindung trägt zu den molekularen Dipolmomenten bei, be-
stimmt diese aber nicht allein; in der Ladungsasymmetrie der einsamen Elektronen-
paare liegt ein weiterer bedeutsamer Faktor.
Im ersten Teil dieses Kapitels betrachten wir die Bildung und einige Eigenschaften
der Kohlenstoff-Halogen-Bindung. Die Bildung erfolgt allgemein durch nucleophile
Substitution, einen Reaktionstyp, für den im zweiten Teil des Kapitels noch andere,
einfache Beispiele gegeben werden.

Aliphatische Halogenide
Ethylbromid (Bromethan)

C 2 H 5 OH + HBr > C 2 H 5 Br + H2O

Zu 11OmI (200 g, 2,00 mol) konz. Schwefelsäure in einem 1-1-Kolben läßt man
unter dauerndem Umschwenken ohne Kühlung rasch 11OmI (89g, 1,84 mol) 95proz.
Beispiele für aliphatische Halogenide 143

Ethanol fließen, gibt unter Kühlung vorsichtig 75g Eis/Wasser zu, versetzt mit 10Og
(0,84 mol) feingepulvertem Kaliumbromid und schüttelt kräftig. Der Kolben wird mit
einem wirksamen absteigenden Kühler sowie einer Vorlage, die schon 30 ml Wasser
enthält, verbunden; der Kühler wird mit rasch fließendem, eiskaltem Wasser gespeist, die
Vorlage in ein Eisbad gestellt. Man erhitzt das Reaktionsgemisch in einem Ölbad rasch
auf 12O 0 C, gegen Ende der Reaktion bis auf 14O 0 C. Die Reaktion ist beendet, sobald
keine im Wasser untersinkenden Öltröpfchen mehr übergehen. Der Inhalt der Vorlage
wird in einem Scheidetrichter getrennt und aus der schwereren organischen Phase der
mitentstandene Diethylether mit konz. Schwefelsäure herausgewaschen. Um dabei die
Reaktionswärme abzufangen, die ein Verdampfen des Präparates zur Folge haben kann,
kühlt man in einem Eis-Kochsalz-Gemisch und gibt solange tropfenweise unter Um-
schütteln Schwefelsäure zu, bis sie sich als untere Schicht abscheidet. Nach Trennung
im Scheidetrichter destilliert man das durch die konz. Schwefelsäure getrocknete Ethyl-
bromid in eine eisgekühlte Vorlage; Ethylbromid geht bei 37—4O 0 C, die Hauptmenge bei
38-39 0 C über. Ausbeute 70-82 g (76-90%). - Wegen der großen Flüchtigkeit darf sich
Bromethan während der Darstellung niemals längere Zeit in einem offenen Gefäß be-
finden. Man bewahrt es am besten in einer dickwandigen Präparateflasche mit gut
sitzendem Schliffstopfen auf.

Methylbromid wird nach grundsätzlich dem gleichen Verfahren wie Ethylbromid


hergestellt. Dieses billigste Methylhalogenid ist wegen seines niedrigen Siedepunktes
(4,50C) nur schwer zu lagern, was jedoch nicht stört, wenn es zum Beispiel zu
Gr/gwarJ-Reaktionen direkt weiter umgesetzt wird.
Die Umsetzungen von Halogenwasserstoffsäuren mit Alkoholen sind nucleo-
phile Substitutionsreaktionen (s. unten), die auch als Veresterungen angesehen wer-
den können, Gleichgewichtsreaktionen. Chemische Gleichgewichte lassen sich prin-
zipiell dadurch in Richtung auf das gewünschte Produkt hin verschieben, daß man
die billigere Ausgangskomponente im Überschuß einsetzt (wie oben), oder durch
Abdestillieren (wie oben), Ausfällen oder Auswaschen mit einer zweiten Lösungs-
mittelphase aus dem Gleichgewicht entfernt. - Die Ausbeute wird selbstverständlich
auf die im Unterschuß eingesetzte Komponente bezogen.

1,6-Dibromhexan

HOCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 OH + 2HBr * BrCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 Br + 2H 2 O

In einen 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler, in dem sich 35,5 g (0,30 mol; S. 535)
1,6-Hexandiol und 85ml (127g, 0,73 mol) 48proz. Bromwasserstoffsäure befinden,
werden nach Einwerfen eines Siedesteinchens unter leichtem Schwenken des Kolbens
45 ml (83 g) konz. Schwefelsäure in kleinen Anteilen innerhalb einiger Minuten durch
den Rückflußkühler gegossen. Unter gelegentlichem leichtem Schütteln erhitzt man
langsam zum Sieden (innerhalb von 20min soll das Bad 17O 0 C erreichen). Nach
2stündigem Rückflußkochen trennt man den Kolbeninhalt durch Wasserdampfdestilla-
144 Kapitel I. Aliphatische Substitution

tion, bis das übergehende Destillat (nachdem etwa 1—1,51 übergegangen sind) keine
Öltröpfchen mehr enthält. Im Scheidetrichter wird die schwere organische Phase ab-
getrennt und 2mal mit Wasser, 2mal mit je 10 ml konz. Schwefelsäure, einmal mit 2N
Natriumcarbonat-Lösung (CO2-Entwicklung!) und wieder mit Wasser gewaschen.
Dann wird das Produkt einige Stunden mit 2 Spatelspitzen Calciumchlorid getrocknet,
das Trockenmittel abfiltriert und im Vakuum destilliert. Bei 110—112°C/12 Torr gehen
58-61 g (79-83%) farbloses 1,6-Dibromhexan über.

Cyclohexylchlorid (Chlorcyclohexan)

OH + HCI > < >—Cl + H9O

a) Mit starker Salzsäure:

Als Apparatur dient eine Chlorwasserstoff-Stahlflasche, die über eine Waschflasche


mit konz. Schwefelsäure und eine Sicherheitsflasche mit einem 500-ml-Kolben verbun-
den ist. (Gaseinleitung bis fast auf den Boden des Kolbens). Um den bei der Reaktion
entweichenden Chlorwasserstoff unschädlich zu machen, trägt der Kolben einen Rück-
flußkühler mit aufgesetzter Gasableitung und angeschlossenem Gaseinleitungsrohr, das
über der Oberfläche von etwa 300 ml Wasser in einem 1-1-Kolben endet; ein zweites
Rohr führt aus dem Kolben in den Abzug. Im Reaktionskolben werden 107 ml (10Og,
1,0mol) Cyclohexanol und 10OmI konz. Salzsäure unter langsamem Einleiten von
Chlorwasserstoff 3 h im Ölbad zum Sieden erhitzt, wobei sich Cyclohexylchlorid als
obere Schicht abscheidet. Man tauscht den Rückflußkühler gegen einen absteigenden
aus, entfernt die Heizung, läßt aber den Kolben im heißen Bad, schließt an Stelle der
Chlorwasserstoff-Zuleitung eine Wasserdampfquelle an das Einleitungsrohr und treibt
das Cyclohexylchlorid über, bis das abtropfende Destillat einphasig ist. Die (notfalls nach
Zusatz von etwas Natriumchlorid) abgetrennte organische Schicht wird mit Calcium-
chlorid getrocknet und über eine kleine Füllkörperkolonne destilliert. Das gewünschte
Produkt geht bei 139-141 0 C über; die bei 85-1390C siedenden Anteile werden noch
einmal destilliert, um so weiteres bei 139—141 0 C siedendes Cyclohexylchlorid zu ge-
winnen. Ausbeute 66-74 g (56-63%) farbloses Produkt. Der Vorlauf besteht aus
Cyclohexen.

b) Mit Salzsäure und Zinkchlorid

In einem 500-ml-Kolben werden 136 g (1,0 mol) wasserfreies Zinkchlorid in 100 ml


(etwa 1,1 mol) konz. Salzsäure gelöst und mit 50g (0,5 mol) Cyclohexanol versetzt.
Nach Aufsetzen eines Rückflußkühlers wird J h bei Siedetemperatur gehalten, wobei
sich zwei Phasen bilden. Man läßt-abkühlen, fügt 150 ml Wasser zu, trocknet die abge-
trennte organische Phase mit Calciumchlorid, destilliert wie unter a) beschrieben über
eine kleine Kolonne und fraktioniert. Ausbeute 35—37 g (59—63%) Cyclohexylchlorid
mit Sdp. 139-1410C.
Bildung aliphatischer Halogenide 145

Zur Einstellung des Gleichgewichts ist die katalytische Mitwirkung von Säure
nötig, was aus den Bruttogleichungen nicht hervorgeht. Diese bewirkt im ersten
Schritt eine Protonierung der alkoholischen Hydroxygruppe. Die so gebildete Oxo-
niumverbindung ist das eigentliche Substrat der nucleophilen Substitution. Die C, O-
Bindung ist darin merklich gelockert, und unter Eliminierung von Wasser kann sich
die Kohlenstoff-Halogenbindung ausbilden (S. 144).

R— C-OH + HHaI -> R-C-OH2 + HaI -> R— C-HaI + H 2 O

Die Reaktionsgeschwindigkeit (RG) der Alkylhalogenid-Bildung hängt charakte-


ristisch von der Natur der Komponenten ab. Sie nimmt in protischen Lösungsmit-
teln bei den Halogenwasserstoffen in der Folge HF <| HCl < HBr < HI zu, bei den
Alkoholen in der Folge primär < sekundär <^ tertiär. -Auf Phenole ist die Reaktion
nicht übertragbar.
Selbst primäre Alkohole lassen sich durch bloßes Sättigen mit lodwasserstoff in
der Kälte oder Behandlung mit wässeriger HI leicht in Alkyliodide überführen. Unter
energischen Bedingungen, vor allem auch bei mehrwertigen Alkoholen, wirkt lod-
wasserstoff nicht nur veresternd, sondern auch reduzierend. So wird Glycerin über
1,2,3-Triiodpropan in Isopropyliodid umgewandelt.

HOCH 2 CH(OH)CH 2 OH + 3Hl -> ICH 2 CHICH 2 I + 3H 2 O


ICH 2 CHICH 2 I + 2Hl -> CH 3 CHICH 3 + 2I 2

Die Umsetzung primärer Alkohole mit Bromwasserstoff erfordert bereits Erwär-


men und eventuell längere Reaktionsdauer. Ein Zusatz von Schwefelsäure (S. 142)
wirkt sich bei primären Alkoholen günstig aus, ist aber bei sekundären und tertiären
Alkoholen wegen der Gefahr der Wasserabspaltung zu vermeiden. Anstelle der käuf-
lichen wässerigen Bromwasserstoffsäure kann man - billiger - Schwefelsäure und ein
Bromid einsetzen (S . 142).
Chlorwasserstoff reagiert viel langsamer. Erst gegen 14O0C unter Druck vollzieht
sich die Bildung des Ethylchlorids mit ausreichender Geschwindigkeit. Löst man in
konzentrierter Salzsäure die äquimolare Menge wasserfreies Zinkchlorid, also etwa
in 80-90 ml konzentrierter Salzsäure 135g Zn(II)-chlorid, wird eine komplexe Chloro-
zinksäure gebildet, die schon bei Rückflußtemperatur primäre Alkohole in Alkyl-
chloride überführt. Sekundäre Alkohole lassen sich mit starker Salzsäure in der Siede-
hitze verestern, wie das Beispiel des Cyclohexylchlorids (S. 144) lehrt; auch hier er-
folgt die Reaktion in Gegenwart von Zinkchlorid wesentlich rascher. Tertiäre Alko-
hole reagieren selbst mit kalter Salzsäure schnell.

Versuch: tert-Butylchlorid aus tert-Butanol — Man schmilzt etwas te/t-Butanol


(Schmp. 26 0 C) und vermischt es im Reagenzglas mit dem Stachen Volumen eiskalter
konz. Salzsäure. Die zunächst klare Lösung trübt sich nach wenigen Sekunden; das in
Wasser schwer lösliche fe/t-Butylchlorid scheidet sich als obere Phase ab.
146 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Die Alkylhalogenide (Halogenalkane) sind meist farblose Flüssigkeiten. Die


Fluoride sind bis zum n-Propyl-, die Chloride bis zum Ethylderivat, die Bromide nur
im ersten Glied (Methylbromid Sdp. 50C) bei Raumtemperatur gasförmig. Die Mono-
fluoride und -chloride sind spezifisch leichter, Bromide und lodide spezifisch schwerer
als Wasser. Die Bereitschaft, das kovalent gebundene Halogen als Anion abzugeben,
steigt in der Reihe prim. < sek. < tert. Alkylhalogenid sowie in der Reihe Fluorid <
Chlorid < Bromid < lodid (genauer siehe S. 170). Alkyliodide scheiden mit wässe-
rig-alkoholischer Silbernitratlösung schon in der Kälte rasch Silberiodid ab.

Ethyliodid (lodethan)

3C 2 H 5 OH + Pl3 > 3C 2 H 5 I + H 3 PO 3

In einem 250-ml-Kolben übergießt man 5,0g (0,16 mol) roten Phosphor mit 50 ml
(0,85 mol) trockenem Ethanol und fügt unter öfterem Umschütteln im Laufe einer Vier-
telstunde 50 g (0,39 mol) fein pulverisiertes lod allmählich zu, wobei man von Zeit zu
Zeit den Kolben durch Eintauchen in kaltes Wasser abkühlt. Man setzt dann einen wirk-
samen Rückflußkühler auf den Kolben, läßt das Reaktionsgemisch unter gelegentlichem
Schütteln 2 h stehen und erhitzt noch 2 h auf dem Wasserbad unter Rückfluß. Dann
destilliert man das Produkt ab, wobei man zweckmäßig den Kolben in ein lebhaft sieden-
des Wasserbad taucht. Das durch lod braun gefärbte Destillat wird zur Entfernung des
Ethanols mehrfach im Scheidetrichter mit Wasser, dem man schließlich zur Entfernung
des lods wenig Natriumhydrogensulfit und zum Schluß etwas Natronlauge hinzugefügt
hat, gewaschen. Das farblose Öl wird mit wenig Calciumchlorid getrocknet und destil-
liert. Bei 72 0 C gehen etwa 50g (82%) Ethyliodid über. - Alkyliodide sind in braunen
Flaschen aufzubewahren.
Um Alkyljodide, die (besonders rasch am Licht) durch lodausscheidung braun ge-
worden sind, wieder zu entfärben, schüttelt man sie mit etwas Quecksilber oder fein ver-
teiltem Silber.

Die Phosphorhalogenide ersetzen alkoholische Hydroxygruppen weit energischer


durch Halogen als Halogenwasserstoffe. Während zur Chlorierung Phosphortri-
chlorid direkt genommen wird, ist es bequemer, das Bromid oder lodid des Phos-
phors erst im Reaktionsmedium zu bereiten. Dazu läßt man in die Suspension des
roten Phosphors im betreffenden Alkohol langsam Brom einfließen oder trägt por-
tionsweise gepulvertes lod ein. Das erzeugte Phosphorhalogenid tritt dann in situ mit
dem Alkohol in Reaktion.

2P + 3I 2 > 2Pl 3

3CH 3 CH 2 OH + Pl3 > 3CH 3 CH 2 I + H 3 PO 3


Ester der Salpetersäure 147

Bei mehrwertigen Alkoholen lassen sich sämtliche Hydroxygruppen mit dieser


Methode durch Halogen ersetzen. Wenn kein freier lod wasserst off auftritt, ist bei
der lodierung eine Reduktion nicht zu befürchten.
Bei der Verwendung von Thionylchlorid für die Herstellung von Alkylchloriden
treten nur gasförmige Nebenprodukte (SO2 und HCl) auf. Als Zwischenstufen lassen
sich Alkylsulfinsäurechloride nachweisen, die ihrerseits in Alkylchlorid und Schwe-
feldioxid zerfallen.

ROH + SOCI2 > ROSOCI + HCI


ROSOCI * RCI + SO2

Durch Zusatz von Pyridin werden Nebenreaktionen weitgehend unterdrückt. Das


Auftreten ähnlicher Esterchloride als Zwischenstufen der Halogenidbildung muß auch
bei den Phosphorhalogeniden (s. oben) angenommen werden.
Eine weitere Verwendung des Phosphors beim Ersatz der Hydroxygruppe durch
Halogen liegt in der Reaktion der Alkohole mit dem System Triphenylphosphin-
Kohlenstofftetrahalogenid. Aus diesen Komponenten bilden sich Addukte, die nach
Art einer,,Arbusow-Reaktion" in Phosphinoxid und Alkylhalogenid zerfallen. Aller-
dings besteht auch die Möglichkeit einer konkurrierenden Wasserabspaltung unter
Bildung von Alkenen. Die alkylierende Wirkung des Phosphoniumesters ist mit der
des Dimethylsulfats vergleichbar.

R3P + HaIC(HaI)3 > R3P-HaIC(HaI)3 > R 3 P-OR' Hal~


+ R'—OH + HC(HaI) 3

R 3 P-OR' Hai' > R 3 P=O + R' HaI

Ethylnitrat

C 2 H 5 OH + HNO3 > C 2 H 5 ONO 2 + H2O

250 ml konz. Salpetersäure (d = 1,4) werden mit 3 0 g (0,25 mol) Uroniumnitrat


(Harnstoffnitrat, S. 327) aufgekocht. Nach dem Erkalten gießt man die Hälfte der Lö-
sung in einen mit Tropftrichter und absteigendem Kühler versehenen 1-1-Kolben, in
dem sich 30 g (0,24 mol) Uroniumnitrat und 150 ml 95proz. Ethanol befinden. Der Kol-
ben wird auf einem Sand- oder in einem Ölbad langsam auf 120—13O0C (Badtemp.) er-
hitzt (Schutzbrille!). Nachdem etwa ein Drittel des Inhalts abdestilliert ist, vermischt man
die zweite Hälfte der Salpetersäurelösung mit 10OmI 95proz. Ethanol und läßt diese
Mischung durch den Tropftrichter langsam zufließen. Die Operation muß hintereinander
ausgeführt werden; die Gemische von Ethanol und Salpetersäure dürfen nicht längere
Zeit stehen bleiben. Wenn, alles zugetropft und die Flüssigkeit im Kolben bis auf etwa
100 ml abdestilliert ist, schüttelt man das übergegangene Ethylnitrat zur Entfernung des
148 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Ethanols 2mal mit Wasser, einmal mit verd. Natriumcarbonat-Lösung (CO 2 -Entwick-
lung!) und dann nochmals mit Wasser aus (Ethylnitrat ist schwerer als Wasser), trocknet
über Calciumchlorid und reinigt das Produkt durch Destillation aus dem siedenden Was-
serbad (Schutzbrille!), Ausbeute 1 50—160 g (39-41 %) Ethylnitrat mit Sdp. 86 0 C.

Ethylnitrat zersetzt sich beim raschen Erhitzen, zum Beispiel in der Flamme, ex-
plosionsartig. Es gehört in die gleiche Klasse wie Nitroglycerin, die oxidierende und
reduzierende Gruppen enthält; darum Vorsicht! Ethylalkohol wird durch reine Sal-
petersäure unter den voranstehenden Bedingungen nicht oxidiert, sondern nur ver-
estert. Sobald aber Spuren von salpetriger Säure vorhanden sind, die oben durch die
Behandlung mit Harnstoff entfernt werden, tritt durch das NO 2 Oxidation ein. Da
das Stickstoffmonoxid, das hierbei aus der salpetrigen Säure entsteht, von der Sal-
petersäure wieder zu NO 2 oxidiert wird, geht die Oxidation von kleinen Anfängen
sukzessive weiter, gewinnt durch die auftretende Reaktionswärme an Geschwindig-
keit und steigert sich schließlich zu einem stürmischen, explosionsartigen Prozeß.
Reaktionsbeschleunigungen dieser Art, bei denen Zwischenprodukte die Geschwin-
digkeit progressiv steigern, bezeichnet man als Autokatalysen.
Das erste Produkt ,der Oxidation des Ethanols ist Acetaldehyd. Später wird unter
anderem die Stufe der Knallsäure HC=N-^O erreicht, die aber nur bei Gegenwart
von Silber- oder Quecksilberionen gefaßt werden kann. Mit diesen bildet sie die
schwerlöslichen, gegen Salpetersäure beständigen, gegen Schlag und Hitze empfind-
lichen Fulminate (Initialzünder).

Ethylnitrit

C 2 H 5 OH + HNO2 > C 2 H 5 ONO + H2O

In einem 1-l-Kolben, mit Tropftrichter, Rührer und absteigendem Kühler, der sich in
einem Wasserbad von 40-5O0C befindet, werden 69 g (1,0 mol) Natriumnitrit in 200 ml
Wasser gelöst und mit 110 ml 95proz. Ethanol versetzt. Unter Rühren wird innerhalb von
40min die Lösung von 28ml konz. Schwefelsäure in 10OmI Wasser und 11OmI
95proz. Ethanol zugetropft. Schon nach wenigen min beginnt das Ethylnitrit überzu-
destillieren. Um eine vollständige Kondensation des niedrigsiedenden Produkts zu er-
reichen, speist man den Kühler mit vorgekühltem Leitungswasser und taucht die Vor-
lage tief in ein Eisbad. Kurz nach Zugabe der Säure ist die Bildung des Ethylnitrits be-
endet; das blaßgelbe Produkt soll dann sauer reagieren. Es ist nach Trocknen über
wasserfreiem Kaliumcarbonat für die meisten Zwecke genügend rein und muß, da es
schon bei 17 0 C siedet, in einer starkwandigen Flasche im Kühlschrank aufbewahrt wer-
den. Ausbeute 60-65 g (80-87%).
Ester der salpetrigen Säure 149

Isopentylnitrit (Isoamylnitrit)
H3C^ H3C
CHCH 2 CH 2 OH + HNO2 > CHCH 2 CH 2 ONO
H3C H3C

44 g (0,50 mol) Isopentylalkohol werden zusammen mit der Lösung von 35 g


(0,53 mol) Natriumnitrit in 70 ml Wasser in einem offenen Gefäß unter mechanischem
Rühren im Eis-Kochsalz-Bad auf O 0 C abgekühlt. Zu der weiter gerührten Mischung
läßt man aus einem Tropftrichter langsam 44ml konz. Salzsäure (d=1,18) zutropfen
wobei die Temperatur nicht über +5 0 C steigen soll. Man wäscht im Scheidetrichter mit
Wasser, 2N Natriumcarbonat-Lösung (CO2-Entwicklung!) und noch einige Male mit
Wasser. Nach der Trennung der Schichten klärt und trocknet man das Reaktionsprodukt
mit wenig Calciumchlorid, und destilliert es bei 50—60 Torr in eine gut gekühlte Vorlage.
Bei etwa 3O 0 C gehen etwa 50g (75%) Isopentylnitrit als gelbes Öl über.

Die Ester der salpetrigen Säure zeichnen sich durch besonders große Bildungs- und
Hydrolysegeschwindigkeit aus; allerdings erfordert die Einstellung des Gleichge-
wichts Säurekatalyse. Die niederen Alkylnitrite, die charakteristisch riechen (Vor-
sicht !) und blutdruckerniedrigend wirken, werden im Laboratorium vielfach anstelle
von salpetriger Säure für Nitrosierungen im organischen Lösungsmittel verwendet,
also z. B. zur Diazotierung primärer Arylamine in Alkohol oder Eisessig (S. 600) so-
wie zur Überführung der Ketone in Isonitrosoketone (S. 421).

Versuch: Hydrolyse von Ethyl- oder Isopentylnitrit — Einige Tropfen Ethyl- oder
Isopentylnitrit werden mit verd. Kaliumiodidlösung geschüttelt. Es darf keine Braun-
färbung auftreten. Ein Tropfen verd. Salzsäure bewirkt sofortige Hydrolyse und die frei-
werdende salpetrige Säure oxidiert das Kaliumiodid zu lod.

Methyliodid (lodmethan)

CH 3 OSO 2 OCH 3 + Kl > CH3I + CH 3 OSO 3 K

50 g (0,30 mol) Kaliumiodid werden in einem 250-ml-Kolben in 50 ml Wasser ge-


löst. Nach Aufsetzen eines wirksamen Destillationskühlers läßt man unter schwachem
Erwärmen 41 g (0,32 mol) Dimethylsulfat, die zuvor bei 74°C/12 Torr destilliert wurden,
durch einen Tropftrichter im Laufe von 30 min einfließen. Das entstandene Methyl-
iodid destilliert sofort ab und wird in einer eisgekühlten Vorlage aufgefangen. Nach
Trocknen mit Calciumchlorid ergibt die Rektifikation 35-40 g (82-94%) Produkt mit
Sdp. 42 0 C. - Alkyliodide sind in braunen Flaschen aufzubewahren.

Wegen der großen Giftigkeit der neutralen Schwefelsäureester, vor allem des Di-
methylsulfats, müssen alle Operationen mit diesen sehr vorsichtig und unter gut zie-
150 Kapitel I. Aliphatische Substitution

hendem Abzug ausgeführt werden! Reste von Dimethylsulfat in den benutzten Appa-
raturen vernichtet man durch mehrstündiges Einwirkenlassen von wässerigem Am-
moniak. Auch im Umgang mit dem giftigen, leicht flüchtigen Methyliodid ist Vor-
sicht geboten!
Die neutralen Schwefelsäureester gehören zu den wirksamsten (und billigsten)
Alkylierungsmitteln. Die Behandlung des Methanols mit konz. Schwefelsäure führt
zunächst zum Halbester, dem Methylsulfat, das bei der Vakuumdestillation zu Di-
methylsulfat und Schwefelsäure disproportioniert.

CH3OH + HOSO2OH =^=± CH 3 OSO 2 OH + H2O

2CH 3 OSO 2 OH ^=^ CH 3 OSO 2 OCH 3 + H 2 SO 4

Das leichter flüchtige Dimethylsulfat destilliert während der Reaktion aus dem
weitgehend auf der Seite des Monoesters liegenden Gleichgewicht.
Bei der Herstellung von Methyliodid (oben) wird das Iodidion methyliert. Im
Sinne einer nucleophilen Substitution verdrängt es das Methylsulfation und bildet
eine neue, kovalente lod-Kohlenstoff-Bindung.

I- + CH 3 OSO 2 OCH 3 > CH3I + -OSO 2 OCH 3

Zu beachten ist, daß die neutralen Schwefelsäureester nur einen Alkylrest leicht
übertragen; die Ablösung des zweiten fordert energischere Bedingungen (höhere
Temperatur).

Nitrile und Ether

Benzylcyanid (Phenylacetonitril)

C 6 H 5 CH 2 CI + KCN > C 6 H 5 CH 2 CN + KCI

In einem 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter werden 30 g (0,61 mol)


Natriumcyanid in 35 ml Wasser heiß gelöst und dann mit 50 ml Ethanol vermischt. Dazu
läßt man aus dem Tropftrichter 63,3 g (0,50 mol) reines Benzylchlorid (S. 173) im Laufe
von 10 min fließen. Nach weiterem Sstündigen Kochen wird das abgekühlte Reaktions-
gemisch vom Natriumchlorid abgesaugt und dieses mit wenig Alkohol gewaschen. Man
destilliert auf einem Dampfbad den größten Teil des Ethanols ab, trennt die Phasen im
Scheidetrichter und destilliert die organische nach kurzem Trocknen mit etwas Calcium-
chlorid bei 105-109°C/12 Torr. Ausbeute etwa 45 g (77%); sie kann durch Destillation
von Vor- und Nachlauf erhöht werden. Völlig reines Benzylcyanid siedet bei 232 0 C.
Nitrile und Ether 151

Hexamethylendicyanid (Korksäure-dinitril)

BrCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 Br + 2KCN > NCCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 CN

Analog der Darstellung von Benzylcyanid (voranstehend) werden 61 g (0,25 mol)


1,6-Dibromhexan mit 30g (0,61 mol) Natriumcyanid umgesetzt. Ausbeute 27g (79%)
Dinitril mit Sdp. 171-173 °C/11 Torr.

Bei der Kolbeschen Nitrilsynthese (vorstehende Präparate) werden Alkylhalogenide


(oder Alkylsulfate) mit Alkalicyaniden zu Nitrilen umgesetzt, die ihrerseits durch
Verseifung in Carbonsäuren (siehe S. 322) oder durch Reduktion in primäre Amine
(siehe S. 522) umgewandelt werden können. Die Bildung der Nitrile ist als nucleo-
phile Substitution durch das Cyanidion am Alkylhalogenid anzusehen. Zur Be-
schleunigung solcher Reaktionen in zweiphasigen Systemen siehe S. 201.

Diisopentylether

Handelsüblicher Isopentylalkohol (auch als ,,Isoamylalkohol" oder Gärungsalkohol an-


geboten) enthält oft optisch aktiven 2-Methylbutylalkohol als Verunreinigung; in die-
sem Fall ist er fraktionierend zu destillieren und der im Siedebereich 128— 132 0 C über-
gehende Anteil als Ausgangsstoff zu verwenden. - 615 ml (50Og; 5,7 mol) Isopentyl-
alkohol werden mit 50g (0,51 mol) konz. Schwefelsäure gemischt und in einem 1-1-
Kolben mit absteigendem Kühler und Thermometer, das bis fast auf den Boden des
Kolbens reicht, im Ölbad zum schwachen Sieden erhitzt. Es destilliert ein Gemisch von
Wasser und Isopentylalkohol ab; die Temperatur der siedenden Mischung steigt lang-
sam an. Nach 6 h trennt man im Schütteltrichter den übergegangenen Isopentylalkohol
ab, trocknet ihn kurze Zeit mit Kaliumcarbonat, gibt ihn in den Reaktionskolben zurück
und erhitzt weiter zum schwachen Sieden. Wenn (nach insgesamt 8-9stündiger Reak-
tionszeit) 14O 0 C Innentemperatur erreicht sind, kühlt man den Kolbeninhalt auf etwa
10O0C, destilliert mit Wasserdampf, trennt vom Destillat die organische Schicht ab und
rektifiziert sie über eine kleine Vigreux- Kolonne. Bei 168-1720C (oder bei 60-620C/
11 Torr) gehen 200—230 g (35-40%) roher Diisopentylether über.
Will man völlig reinen Diisopentylether gewinnen, kocht man 75 ml Rohprodukt
2 h unter Rückfluß mit 1,5g Natriumamid. Dann wird abdestilliert, das Destillat mit
verd. Salzsäure geschüttelt, über Calciumchlorid getrocknet, mit etwas Natriumdraht
versetzt und nochmals sorgfältig destilliert.
152 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Methyl-2-naphthylether (Nerolin)

NaOH r^^^- (CH 3 O) 2 SO 2


-CH 3 OSO 3 Na

43,3 g (0,30 mol) reines 2-Naphthol werden in einer 500-ml-Glasstöpselflasche in


15OmI 2N Natronlauge und 10OmI Wasser gelöst. Unter dem Abzug fügt man von
33,2ml (44,2g; 0,35 mol) Dimethylsulfat (zur Giftigkeit siehe S. 149!) zunächst etwa
den dritten Teil hinzu und schüttelt kräftig um, wobei unter Erwärmung die Methylierung
einsetzt (Schutzbrille! Zum Druckausgleich lüfte man ab und zu den Stopfen!). Nach
10 min wird das zweite Drittel zugesetzt und geschüttelt, nach weiteren 10 min der Rest.
Wenn die milchige Emulsion nicht mehr alkalisch reagiert, gießt man sie in ein 500-ml-
Becherglas, spült mit 30 ml 2N Natronlauge nach und erwärmt das mit Uhrglas bedeckte
Becherglas unter gelegentlichem Umrühren 2 h auf dem siedenden Wasserbad, wobei
sich das Nerolin als untere Phase abscheidet. Nach dem Erkalten saugt man ab und bringt
den Kristallkuchen sowie die Nadeln zur Reinigung noch einmal mit 120 ml Wasser auf
dem Wasserbad zum Schmelzen. Wiederum wird nach dem Erkalten abgesaugt, wobei
man den festen Kuchen auf der Nutsche vorsichtig zerdrückt und mit Wasser nach-
wäscht. Trocknen im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure liefert 43-44 g Rohprodukt,
das aus 10OmI Methanol umkristallisiert wird. Die Lösung erstarrt beim Abkühlen zu
einem Kristallbrei, den man mit dem Spatel aufrührt, bei geringem Unterdruck absaugt
und mit wenig kaltem Methanol wäscht. Ausbeute 34,5-35,5 g farblose Blättchen des
charakteristisch riechenden Nerolins mit Schmp. 70-71 0 C. Einengen der Mutterlauge
auf die Hälfte liefert weitere 2,5-3,Og. Gesamtausbeute 78-81%. — Sollte das Roh-
produkt stark gefärbt sein (bei unreinem 2-Naphthol als Ausgangsmaterial), empfiehlt
es sich, das Produkt vor dem Umkristallisieren in einem Schwertkolben oder Kugelrohr
bei 133-1350C; 11 Torr zu destillieren.

Anisol
,0Na
Jj H- CH3OSO2OCH3 - r JJ + CH3OSO3Na

Auf die gleiche Weise wie bei der Herstellung von Methyl-2-naphthylether (voran-
stehend) werden 28,2g (0,30 mol) Phenol mit 33,2ml (44,2g; 0,35 mol) Dimethyl-
sulfat methyliert. Allerdings muß man in diesem Fall zur Vollendung der Reaktion im
Anschluß an die Schütteloperation 30 min im Rundkolben unter Rückfluß kochen. Nach
dem Abkühlen läßt man die wässerige Phase im Scheidetrichter ab, wäscht die organische
mit Wasser, trocknet mit Calciumchlorid und destilliert. Bei 154 0 C gehen etwa 29g
(90%) Anisol als farblose Flüssigkeit über.
Ethersynthese 153

4-Methoxyphenol

+ CH 3 OSO 2 OCH 3

OH

In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter und Rührer werden 22 g


(0,22 mol) Hydrochinon bei 4O 0 C (Wasserbad) in 40 ml Nitrobenzol gelöst. Dazu gibt
man bei 4O 0 C unter Rühren 8,0 ml (10,7g; 84 mmol) Dimethylsulfat (zur Giftigkeit
siehe S. 149!), dann tropfenweise 13ml 20proz. Natronlauge und wiederholt diesen
Prozeß (Zugabe von Dimethylsulfat und Natronlauge) noch 2mal. Der pH-Wert soll da-
bei zwischen 8 und 9 bleiben. Nach weiterem 1,5stündigem Rühren bei 4O 0 C und Ab-
kühlenlassen wird mit 2N Schwefelsäure angesäuert und mehrmals ausgeethert. Die
Etherlösung schüttelt man 3mal mit 2N Natronlauge aus, säuert die alkalische Lösung
mit verd. Schwefelsäure an, ethert wieder aus und destilliert den nach Trocknen mit
Natriumsulfat und Verdampfen des Lösungsmittels erhaltenen öligen Rückstand bei
12 Torr in einer möglichst kurzen Apparatur (Kugelrohr!). Das zwischen 125 und 135 0 C
übergehende zähe Öl wird erneut destilliert. Die dann bei 130—133 0 C übergehende
farblose Fraktion erstarrt im Eisbad. Ausbeute 14,6g (59%) 4-Methoxyphenol mit
Schmp. 56 0 C.

Die klassische Ethersynthese, nämlich die Einwirkung von starker Schwefelsäure


auf Alkohole bei 130-14O0C, wird oben am Beispiel des Diisoamylethers ausgeführt.
Man kann den Prozeß als eine nucleophile Substitution des Sulfats durch Alkohol
am Alkyl des primär gebildeten Schwefelsäure-alkylesters betrachten.

R-O • • • • R-O-SO2OH > R—O—R + H2SO4


M ^
H

Technisch werden die einfachen symmetrischen Ether im allgemeinen durch Kon-


densation von 2 Molekülen Alkohol am Al2O3-Kontakt bei höheren Temperaturen
hergestellt.
Am variationsfähigsten, und vor allem auch für unsymmetrische Ether geeignet,
ist die Synthese nach Williamson, bei der ein Alkylhalogenid mit einem Natrium-
alkoholat als Nucleophil umgesetzt wird.

CH3-CH2-CH-O-Na+ + IC2H5 > CH3-CH2-CH-O-C2H5


CH3 CH3 + NaI

Im Gegensatz zum Alkoholat-ion ist das Phenolation schwächer basisch als das
Hydroxylanion. Phenole lassen sich daher leicht in wässerig-alkalischem Medium
154 Kapitel I. Aliphatische Substitution

mit Alkylhalogeniden oder Dialkylsulfaten in die Phenolether überführen (siehe


S. 152).
Auch Arylsulfonsäureester, zum Beispiel />-Toluolsulfonate oder Dialkylsulfate
werden gelegentlich als Alkylierungsmittel herangezogen.
Der Ethersauerstoff hat basischen Charakter. Dies äußert sich zum Beispiel in der
Löslichkeit in konzentrierter Schwefelsäure sowie in der Bildung von Borfluorid-
komplexen, die eine polarisierte B—O-Bindung besitzen.

R R
vO—H HSO 4
\+O—BF
- 3

R R

Drei Alkylreste an Sauerstoff gebunden finden sich in den tertiären Oxoniumsal-


zen, die sehr starke Alkylierungsmittel sind (Meerwein-Reagens).
Die Etherbindung ist sehr stabil. Zur Spaltung kann lodwasserstoff dienen, so
zum Beispiel bei der quantitativen Bestimmung der Methoxylgruppe von Ethern
nach Zeisel

CH3-O—CH2-CH(CH3)2 + Hl > CH3I + HO—CH 2 -CH(CH 3 J 2

Mit überschüssiger lodwasserstoffsäure schließt sich bei der Spaltung von Dialkyl-
ethern eine Veresterung des Alkohols an, so daß 2 Moleküle Alkyliodid erhalten
werden. Phenolether werden stets an der O-Alkylbindung unter Bildung von Phenol
und Alkyliodid gespalten. - Für die präparative Etherspaltung wird häufig auch
Bromwasserstoff in Eisessig verwendet, da die reduzierende Wirkung des lodwasser-
stoffs stören kann.
Arylalkylether lassen sich auch mit Aluminiumchlorid bei 12O0C, mit Aluminium-
bromid in siedendem Benzol oder mit Bortribromid bei tiefen Temperaturen glatt
zerlegen.

+1
C 6 H 5 OC 2 H 5 + AICI3 > C6H5OAICI2 + C 2 H 5 CI ^0 + > C 6 H 5 OH

Arylalkylether und, noch leichter, Diarylether werden von metallischem Kalium


(K. Ziegler) oder Natrium (P. Schorigiri) gespalten, wodurch alkaliorganische Ver-
bindungen zugänglich sind.

C 6 H 5 OC 6 H 5 + 2K > C 6 H 5 OK + KC 6 H 5

Unter relativ milden Bedingungen gelingt die Spaltung von Ethern auch mit
Pyridin-hydrochlorid in der Schmelze.
Gegenüber basischen Agenzien ist die Etherbindung stabil.
Ethylenoxid ist der einfachste cyclische Ether. Er ist infolge der Dreiring-Span-
nung sehr reaktionsfähig. Die technisch bedeutsame Verbindung wird entweder aus
Ethylenoxid 155

Ethylenchlorhydrin mit Alkali in einer innermolekularen Substitution oder aus


Ethylen durch Luftoxidation bei 24O0C unter Druck am Silberkontakt bereitet. Ver-
dünnte Schwefelsäure hydrolysiert Ethylenoxid zu Ethylenglykol, wobei die Proton-
addition am Sauerstoff die Ringöffnung einleitet.
Cl
i
H2C-CH2CI ^ä^ H2C-CH2 — H 2 C-CH 2 + Cl-
x
OH O- o
H2Cx
H<&2C-OH
.
O + H2O >
H2C H2C-OH

In Gegenwart unzureichender Mengen Wasser reagiert das Glykol ein- oder 2mal
mit Ethylenoxid weiter, wobei „Diglykol" und „Triglykol" entstehen. Die weiter-
gehende Addition liefert polymere „Polyethylenglykole".

A
H2C Ch2
HOCH22 CH22 OH > HOCH2CH2-O-CH2CH2OH
H3O+
„Diglykol"

H3C-CH2 HOCH2CH2-O-CH2CH2-O-CH2CH2OH
H 3 O+
„Triglykol"

HO(CH 2 CH 2 O)H Polyethylenglykol (PEG)

Diese Kondensationsprodukte des Glykols und ihre Methylether sind wertvolle


Lösungsmittel („Glyme", „Diglyme", „Cellosolve" und ähnliche). Auch der säure-
katalysierte Übergang des Ethylenoxids in 1,4-Dioxan, sei hier erwähnt.
Außer Wasser und Alkoholen können auch Amine oder Thiole den Ethylenoxid-
Ring öffnen.

H2C-CH2
\ / + NH3 > HO-CH2-CH2-NH2

Von großer präparativer Bedeutung ist auch die Öffnung mit Grignard- und an-
deren metallorganischen Verbindungen (siehe Kap. DC).
Makrocyclische Ether mit mehreren Sauerstoffatomen sind die „Kronen-ether"
(crown ethers, C. J. Pedersen, 1967). Je nach Ringgröße und Sauerstoffzahl bilden sie
sehr feste Komplexe mit verschiedenen Kationen, vorwiegend der Alkalimetalle.
Manche Salze dieser lipophilen Komplexionen sind in organischen Lösungsmitteln
löslich, zum Beispiel Kaliumpermanganat mit 18-Krone-6 in Benzol. Infolge der
156 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Trennung des Kations vom Anion, etwa im Kalium-Krone-fluorid wird das F ~ so


nucleophil („nacktes Fluorid"), daß es Halogen in primären oder sek. Bromalkanen
oder Chlor am sp2-hybridisierten Kohlenstoff (z.B. in l-Chlor-2,4-dinitrobenzol)
substituiert (Präparative Herstellung definierter Fluorverbindungen).

Ringglieder O-Atome

O 18-Krone-6
(CH 2 -Gruppen nicht abgebildet)

Es sind ferner schwefelhaltige Cycloether, cyclische Polyamine und Aminoether,


sowie bicyclische Verbindungen (Kryptatbildner) bekannt, die auch mit Schwer-
metallionen Komplexe bilden. Über Naturstoffe wie Monactin, Dinactin, Valino-
mycin, Cyclodextrine liest man in Spezialbüchern.
Alle Ether bilden mit Luftsauerstoff Peroxide (siehe S. 113).

ROCH 2 R + O2 > RO-CH-R'


OOH

Das primäre Autoxidationsprodukt des Diethylethers, der a-(Hydroperoxy)di-


ethylether, läßt sich nicht fassen. Die Hydroperoxide gehen nämlich mehr oder min-
der rasch in hochexplosive, höhermolekulare Peroxide über (siehe S. 473).

Amine, Thiole, Onium- und Nitroverbindungen

D, L-Valin
NH 2
H 3 C^ H 3 C. I
CH-CHBrCO22H + 2NH33 —> ^CH-CH-CO22H + NH4Br
H 3 C^ H 3 C^

In einem 1-I-Schliffkolben werden 57 ml (80 g; 0,44 mol) 2-Bromisovaleriansäure in


50OmI konz. Ammoniak (d = 0,90; 7,22 mol) gelöst und 4 Tage bei Raumtemperatur
aufbewahrt. Dann destilliert man das überschüssige Ammoniak auf dem Wasserbad ab
und konzentriert die Lösung bei etwa 12 Torr auf etwa 100 ml. Beim Kühlen in Eis kri-
stallisiert rohes D, L-Valin aus, das abgesaugt und gut abgepreßt wird. Durch erneutes
Einengen des Filtrats auf etwa 70 ml und Kühlen im Eisbad erhält man weiteres Roh-
produkt. Zur Reinigung wird das rohe D 7 L-VaNn in 15OmI heißem Wasser gelöst,
während 10 min mit etwas Kohlepulver auf dem siedenden Wasserbad von Zeit zu Zeit
geschüttelt, heiß filtriert und nach Zufügen von 150 ml 95proz. Ethanol über Nacht im
Kühlschrank aufbewahrt. Das in glänzenden Blättchen auskristallisierte Produkt wird ab-
filtriert und mit kaltem trockenem Ethanol gewaschen. Einengen der Mutterlauge im
Vakuum auf etwa 10OmI, Verdünnen mit dem gleichen Volumen trockenem Ethanol und
N-Alkylphthalimide und Hinsberg-Trennung 157

Kühlen liefert eine weitere Fraktion. Die so erhaltenen 14-16 g (27—31%) D, L-Valin
sind noch mit etwas Ammoniumbromid verunreinigt. Zu einem ganz reinen Präparat
(Probe mit Silbernitrat) gelangt man durch erneutes Lösen in 80—100 ml heißem Wasser
und Versetzen mit dem gleichen Volumen 95proz. Ethanol; allerdings verliert man da-
bei 3-4 g.

Die Austauschreaktion der Alkylhalogenide mit Ammoniak (A. W. v. Hofmann) er-


folgt zwar leicht; bleibt aber nicht auf der Stufe des primären Amins stehen, son-
dern durchläuft meist alle 4 Alkylierungsstufen bis zum quartären Ammoniumion.
Ein großer Ammoniaküberschuß wirkt sich natürlich vorteilhaft auf die Ausbeute
an primärem Amin aus.
+ R—HaI H 3 NRHaI-; H 3 NR + NH3 RNH 2 + NH.
RNH 2 + RHaI R 2 NH 2 HaI- usw.

Brauchbar ist diese Substitution zur Darstellung von a-Aminosäuren aus Halogen-
fettsäuren. Da a-Aminosäuren schwächere Basen sind als primäre Amine, sind hier
Zweit- und Drittalkylierungen weniger wahrscheinlich.
Ausschließlich primäre Amine erhält man durch Alkylierung des Phthalimids, das
als Kaliumsalz eingesetzt wird. Die N-Alkylphthalimide lassen sich mit starker Salz-
säure im Einschlußrohr bei 150r200°C, oder milder mit Hydrazin-hydrat in Alkohol
über 4-(Alkylamino)phthalazon und dessen Hydrolyse mit verdünnter Säure erhalten.

NHR
+ RBr NH 2 -NH 2 verd. Säure
IN-R

R-NH 3

Zu primären Aminen führt auch die Reduktion von Nitrilen (siehe S. 536), Nitro-
verbindungen (siehe S. 516) oder Aziden.
Für die kontrollierte Alkylierung von primären zu sekundären Aminen haben sich
Sulfonamide als Zwischenstufen bewährt (O. Hinsberg). Dazu setzt man primäre
Amine mit Benzolsulfochlorid oder Tosylchlorid um. Die Sulfonamide lösen sich in
2N Natronlauge und treten als Anionen glatt mit dem Alkylierungsmittel in Reak-
Die so erhaltenen Produkte haben keinen sauren Wasserstoff mehr, sind also nicht
158 Kapitel I. Aliphatische Substitution

mehr alkalilöslich und können daher leicht rein erhalten werden. Dies ist auch eine
Methode zur Trennung sekundärer und primärer Amine. Tertiäre Amine setzen sich
bei dieser Reaktion nicht um und bleiben bei der Ausfallung in Lösung.

Versuch: Trennung eines primären von einem sekundären Amin -Zum Gemisch
aus 1 g Methylammoniumchlorid (oder dem Hydrochlorid eines anderen primären alipha-
tischen Amins) und 1 g Piperidinhydrochlorid (oder einem anderen sekundären Am-
moniumsalz) in 50 ml 2N Natronlauge werden in kleinen Anteilen 4g p-Toluolsulfonyl-
chlorid gegeben. Man erwärmt einige min auf dem siedenden Wasserbad, kühlt ab und
fällt die Tosylamide mit 2 N Salzsäure. Nach dem Absaugen wird der Niederschlag zur
Spaltung etwa mitentstandener, in Lauge unlöslicher Ditosylverbindung des primären
Amins, in der Auflösung von 2 g Natrium in 40 ml trockenem Alkohol 30 min unter Rück-
fluß gekocht. Man gibt das halbe Volumen Wasser zu und verdampft den Alkohol im
Vakuum, wobei das Tosylpiperidid mit Schmp. 96 0 C (oder ein anderes entsprechendes
Tosylamid) auskristallisiert. Von ihm wird abgesaugt und das Filtrat mit 2 N Salzsäure
angesäuert. Dabei fällt A/-Methyltosylamid mit Schmp. 75 0 C (oder ein anderes primäres
Tosylamid) aus. Beide werden aus Alkohol/Wasser umkristallisiert.

ArSO2CI + RNH2 + NaOH -> ArSO 2 NHR + NaCI + H2O

ArSO2NHR + OH - -* ArSO2-N-R + HOH


p
/ + R' HaI
ArSO2-N
V
+ HaI-

Die Hydrolyse der Sulfonamide erfordert energische saure oder alkalische Bedin-
gungen und verläuft oft nicht befriedigend. Die blaue Lösung von Natrium in flüssi-
gem Ammoniak reduziert zur Sulfensäurestufe, wobei die Amine schonender frei-
gesetzt werden. Auch durch Erwärmen mit lodwasserstoff und rotem Phosphor in
Eisessig werden die Amide reduzierend gespalten.

N1N- Dimethylpiperidiniumiodid

+ 2CH 3 I + NaOH -> I r + NaI + H2O

H /\
H3C CH3

In einem 250 -ml -Dreihalskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter löst
man 5,0g (0,125mol) Natriumhydroxid in 50 ml siedendem Ethanol, kühlt die Lösung
ab, setzt 1 0,6 g (1 2,3 ml, 0,1 25 mol) Piperidin zu und tropft unter Eiskühlung und Rühren
Phosphoniumsalze 159

39,Og (17 ml, 0,275 mol) Methyliodid hinzu, anschließend erhitzt man 2 h unter Rück-
fluß. Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149. Das Gemisch muß danach neu-
tral reagieren (feuchtes pH-Papier), andernfalls werden nochmals einige Tropfen Me-
thyliodid zugesetzt und bis zur neutralen Reaktion erhitzt. Man kühlt nun im Eisbad auf
O 0 C, saugt die ausgeschiedenen Kristalle des /V,/V-Dimethylpiperidiniumiodids ab und
trocknet sie im Vakuum: 23,7 g (= 79% d.Th.). Sie sind für die Durchführung des Hof-
mannschen Abbaus (S. 189) rein genug, können jedoch ohne große Verluste aus Ethanol
umkristallisiert werden, Schmp. 331-3330C (unkorrigiert, unter Zersetzung).

Allyl-triphenylphosphoniumbromid

H2C=CH-CH2Br + (C 6 H 5 J 3 P > (C 6 H 5 J 3 PCH 2 CH=CH 2 Br-

In einem 250-ml-Kolben bereitet man eine Lösung von 26 g (0,1 mol) Triphenyl-
phosphin und 15g (0,125 mol) Allylbromid in 30 ml Benzol, die man zunächst über
Nacht bei Raumtemperatur beläßt und dann 1 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Ab-
kühlen saugt man ab, wäscht die Kristalle sorgfältig mit Benzol und trocknet sie bei 60 0 C
an der Ölpumpe: 35g (92%) Phosphoniumsalz vom Schmp. 209-2140C. Das Präparat
muß klar in Wasser löslich sein. Zur weiteren Reinigung kann man es aus wenig Dime-
thylformamid Umkristallisieren. Für die Wittig-Reaktion (S. 455) ist das nicht erforder-
lich, jedoch empfiehlt es sich, die Kristalle staubfein zu zerreiben und nochmals wie oben
zu trocknen.

Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid

(C 6 H 5 J 3 P + C6H5CH=CH-CH2CI -> (C6H5J3P-CH2-CH=CH-C6H5Cl

Man kocht die Lösung von 10,Og Cinnamylchlorid und 23,0 g Triphenylphosphin in
125 ml XyIoI 12 h am Rückfluß. Die Bildung des Salzes beginnt bald. Wenn es sich zu-
nächst ölig abscheidet, entnimmt man mit dem Glasstab eine Probe des Öls und reibt sie
unter Ether an; mit den erhaltenen Kristallen wird das Reaktionsgemisch angeimpft, das
dabei heftig aufsieden kann. Nach Beendigung der Reaktion saugt man das Phospho-
niumsalz ab, zerreibt es in einem Mörser, kocht es nochmals mit 50 ml XyIoI aus, saugt
noch warm ab, trocknet das Produkt bei 6O 0 C im Vakuum und erhält so 23,0 g (85%)
fast farbloses Salz vom Schmp. 224 0 C. Es kann durch Lösen in heißem Ethanol und
Zusatz von Ether im Tiefkühlfach umkristallisiert werden (Schmp. 225 0 C), für die Um-
setzung zu Diphenylbutadien (siehe S. 456) ist es genügend rein.

Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid

(C 6 H 5 J 3 P + BrCH 2 CO 2 CH 3 > (C 6 H 5 J 3 P-CH 2 CO 2 CH 3 Br~

Zur Lösung von 13,1 g Triphenylphosphin in 60 ml Benzol läßt man in 30 min unter
Rühren 7,6g Bromessigsäure-methylester tropfen. Vorsicht! a-Halogencarbonsäure-
ester sind tränenreizend, Abzug! Bei der Reaktion erhöht sich die Temperatur auf 30—4O 0 C.
Man rührt noch über Nacht bei Raumtemperatur weiter, saugt das Salz dann ab und
160 Kapitel I. Aliphatische Substitution

wäscht es sorgfältig mit Benzol. Nach dem Trocknen bei 5O 0 C i.Vak. erhält man 17,2 g,
Ausbeute 83%, Schmp. 162—163 0 C. Das Salz ist für die Verwendung in der Wittig-
Reaktion (S. 457) rein genug.

Präparativ wenig problematisch ist die sogenannte „erschöpfende Methylierung"


von Aminen, die oben am Beispiel des Piperidins gezeigt wird. Die Permethylam-
moniumhydroxide sind die Ausgangsstufen für den Abbau quartärer Ammonium-
Basen nach A. W. v. Hofmann (1881, S. 189). Auch die Alkylierung von Phosphinen
muß als nucleophile Substitution der letzteren am Alkylhalogenid aufgefaßt werden:

(C 6 H 5 J 3 P + R-Br > (C6H5J3P-R Br

Alkyl-triphenylphosphoniumhalogenide sind die wichtigsten Ausgangsmaterialien


für die Carbonyl-Olefinierung nach G.Wittig (1954, S. 455). Allyl-triphenylphos-
phoniumbromide können auch aus dem Allylalkohol mit Triphenylphosphonium-
bromid dargestellt werden (H. Pommer):

(C 6 H 5 J 3 PH Br + C 6 H 5 CH=CHCH 2 OH > (C 6 H 5 J 3 PCH 2 CH-CHC 6 H 5 Br-


-H 2 O

Phenylmethanthiol (Benzylmercaptan)
Formeln siehe S. 162

a) Über Benzylisothiuroniumbromid:
Wegen des intensiven unangenehmen Geruchs von Phenylmethanthiol sind alle
Operationen unter einem wirksamen Abzug durchzuführen. Das gilt auch für die Reini-
gung aller verwendeten Glasgeräte mit verd. Natriumcarbonat-Lösung, der etwas Was-
serstoffperoxid zugefügt wurde, im Anschluß an die Darstellung. Vor allem bringe man
nichts von dem Thiol an die Hände oder an die Kleider, da der Geruch tagelang haftet. —
In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler und Rührer werden 21,6g (0,20 mol)
Benzylalkohol mit 15,3 g (0,20 mol) Thioharnstoff und 67 ml 48proz. Bromwasserstoff-
säure (10Og; 0,60 mol) unter Rühren 8 h auf Rückflußtemperatur erhitzt. Man läßt ab-
kühlen, fügt die Lösung von 24g Natriumhydroxid in 240 ml Wasser zu, leitet N 2 über
die Reaktionsmischung und kocht weitere 2 h unter Rückfluß; dabei wird das zu-
nächst gebildete Isothiuroniumsalz gespalten. Nach Abkühlen trennt man im Scheide-
trichter die Phasen, säuert die wässerige mit Salzsäure an und schüttelt diese 3 mal mit je
50 ml Ether aus. Die abgetrennte organische Phase und die Etherauszüge werden zu-
sammen über Natriumsulfat getrocknet und nach Abdestillieren des Ethers bei etwa
12 Torr, am besten unter Stickstoff, destilliert. 17,0-18,7 g (68-75%) Phenylmethanthiol
gehen bei 80-82 0 C/11 Torr als farbloses Öl über.
aliphatische Thiole 161

b) Aus Kaliumhydrogensulfid und Benzylchlorid:


In einem 500-ml-Kolben löst man 35,1 g (0,62 mol) Kaliumhydroxid in 35 ml Wasser
und 220 ml 95proz. Ethanol. In diese Lösung wird mit Wasser gewaschener Schwefel-
wasserstoff unter Eiskühlung in langsamem Strom eingeleitet (Abzug!), bis die Ge-
wichtszunahme 20-21 g beträgt. Jetzt versieht man das Reaktionsgefäß mit Rührer und
Tropftrichter; der dritte Tubus dient dem Gaseinlaß und -auslaß. Nach Verdrängen der
Luft durch Stickstoff werden unter Rühren 31,7g Benzylchlorid (28,8ml, 0,25 mol)
innerhalb von 15min zugetropft, wobei die Reaktionswärme durch Außenkühlung mit
kaltem Wasser abgeführt wird. Das Reaktionsgemisch wird über Nacht unter Stickstoff
aufbewahrt, dann in einen Scheidetrichter eingegossen, der 350 ml Wasser enthält. Beim
Ansäuern mit 2N Salzsäure (Abzug!) scheidet sich das Reaktionsprodukt als untere
Phase ab; Zusatz von 50 ml Methylendichlorid erleichtert die Schichtentrennung. Die
organische Phase wird nach Waschen mit 30 ml Wasser über Calciumchlorid getrocknet.
Nach Abdestillieren des Lösungsmittels reinigt man das rohe Phenylmethanthiol durch
Vakuumdestillation. Ausbeute 16,7g (54%). — Im Destillationsrückstand befindet sich
Dibenzylsulfid, das durch Oxidation zum Dibenzylsulfon charakterisiert werden kann.
Dazu werden 3 g des Rückstandes in 1OmI Eisessig portionsweise mit 5ml SOproz.
Wasserstoffperoxid versetzt und anschließend 1 h auf siedendem Wasserbad erhitzt, wo-
bei die Kristallisation des Sulfons schon in der Wärme einsetzt. Nach dem Abkühlen setzt
man das gleiche Volumen Wasser zu, saugt ab, wäscht mit 50proz. Essigsäure und
trocknet im Vakuumexsikkator über Kaliumhydroxid. Man erhält etwa 2,8 g farbloses
Dibenzylsulfon, das nach Umkristallisieren aus Ethanol bei 148—15O 0 C schmilzt.

Durch Alkylierung von Kaliumhydrogensulfid erhält man Thiole (Thioalkohole;


die Bezeichnung Mercaptan ist nach den Regeln der IUPAC nur noch als Vorsilbe
Mercapto für die unsubstituierte SH-Gruppe zulässig). Die Hydrogensulfid-Lösung
wird durch Sättigen einer Lösung von KOH oder NaOH in absolutem Methanol mit
Schwefelwasserstoff bereitet.

R-Br + HS- > R-SH + Br-

Um die störende Bildung von Thioether nach

R-SH + HS- > R—S- + H2S

R—S- + R-Br > R—S—R + Br-

zurückzudrängen, setzt man Alkalihydrogensulfid im Überschuß ein. Thiolate ge-


hören in protonischen Lösungsmitteln zu den stärksten Nucleophilen.
Auch die aus der Alkylierung des Natriumthiosulfats hervorgehenden Thioschwe-
felsäureester-salze (Bunte-Salze) liefern beim Ansäuern Thiole.

R-Br + S2O32- r> R-S-SO3 H2


° > R-SH + HSO4-
~ Br
162 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Einen bequemen und ergiebigen Weg bietet die Alkylierung des Thioharnstoffs,
die ausschließlich am Schwefel stattfindet. Die dabei entstehenden Isothiuronium-
salze zerfallen mit Lauge in Thiol und Cyanamid; letzteres geht rasch ins Dimere und
andere Folgeprodukte über. Wie das Ausführungsbeispiel zeigt, kann man sogar das
Alkylierungsmittel in Gegenwart des Thioharnstoffs erzeugen.

C 6 H 5 CH 2 OH + HBr > C 6 H 5 CH 2 Br + H2O

NH2 ^NH 2
C 6 H 5 CH 2 Br + S=C > C6H5CH2-S-C^ Br-
NH2 ^NH 2

C 6 H 5 CH 2 SH + N=C-NH2

Thiole sind stärkere Säuren als Alkohole; sie lösen sich in überschüssiger Natron-
lauge. Charakteristisch sind die gelben Blei- und die farblosen Quecksilbersalze.

Versuch: Blei- und Quecksilberbenzylsulfide — Man versetzt die alkoholischen


Lösungen von Blei(ll)-acetat oder Quecksilber(ll)-chlorid jeweils mit einigen Tropfen
Phenylmethanthiol.

Zum Nachweis der aliphatisch gebundenen SH-Gruppe ist die intensive Violett-
farbung mit alkalischer Lösung von Natriumpentacyanonitrosylferrat(III) <„Nitro-
prussidnatrium", Na2[Fe(CN)5NO]) sehr geeignet.

Versuch: Nachweis der SH-Gruppe mit Na 2 [Fe(CN) 5 NO] - Ein Tropfen Phenyl-
methanthiol wird in 10 ml 0,5 N Ammoniak gelöst. Von dieser Lösung versetzt man einige
Milliliter mit verd. Na 2 [Fe(CN) 5 NO]-Lösung in Wasser. - Den Rest der Lösung schüttelt
man im Reagenzglas mit Gummistopfen, den man einige Male lüftet, so kräftig mit Luft
durch, bis eine kleine Probe die violette Farbreaktion mit Na 2 [Fe(CN) 5 NO] (siehe oben)
nicht mehr gibt. Nun fügt man zu dieser Disulfid-Lösung, wie oben beschrieben,
Na 2 [Fe(CN) 5 NO]-Reagenz und zu einem Teil einige Kaliumcyanid-Kristalle: Die Probe
färbt sich nach einiger Verzögerung infolge der Bildung von R—SH nach: R—S—S—R +
CN~ -> R—S" + RSCN rot. Zum anderen Teil gibt man einige Körnchen Natriumbor-
hydrid (NaBH4), die durch Reduktion zum Thiol ebenfalls Rotfärbung erzeugen.
Sulfoxoniumsalze 163

Die Thiole sind sehr oxidationsempfindlich. Sie bilden schon an der Luft Disulfide
(siehe S. 530), mit stärkeren Oxidationsmitten nacheinander Sulfen-, Sulfin- und
schließlich Sulfonsäuren.

RSO3H > RSO3H

Trimethylsulfoxoniumiodid
CH3

CH3SOCH3 + CH3I > CH3-S-CH3 T

O
Man kocht die Mischung aus 19,5g (0,25 mol) reinem, über Molekularsieb getrock-
netem Dimethylsulfoxid und 30 ml (68,4g, 0,48 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyl-
iodid ist giftig, vergleiche S. 149) unter Stickstoff oder Argon 3 Tage am Rückfluß. Das
ausgefallene Salz wird abgesaugt (17 g) und mit Chloroform gewaschen. Das Filtrat des
Reaktionsgemisches versetzt man mit nochmals 30 ml Methyliodid und kocht weitere
2 Tage. Dabei scheiden sich weitere 2,5 g des Salzes ab, die wie oben abgetrennt und
mit der Hauptmenge zusammen aus Wasser umkristallisiert werden. Farblose Prismen,
die i. Vak. getrocknet werden, Ausbeute 17,Og (31 %).

Ähnlich den Aminen und Phosphinen können auch die Thioether nucleophil auf
Alkylierungsmittel einwirken. Dabei entstehen Sulfoniumhalogenide, z. B.
CH3
CH3SCH3 + CH3I > CH3-S-CH3 l~

Bei dem obigen Beispiel ist die Reaktion auf das Dimethylsulfoxid (DMSO) über-
tragen worden, es entsteht dann ein Sulfoxoniumiodid. Nach E. J. Corey (1962) lassen
sich derartige Sulfoniumsalze ähnlich den Phosphoniumsalzen von Wittig in Ylene
umwandeln (Schwefel-Ylene, S. 460).

Nitromethan aus Chloressigsäure

CICH2CO2H —NaN°2 > O 2 NCH 2 CO 2 H —-> CH 3 NO 2


-NaCl -UU2

94,5g (1,00 mol) Chloressigsäure werden in 200 ml Wasser gelöst und mit 53g
(0,50 mol) wasserfreiem Natriumcarbonat in einem weiten Becherglas genau neutrali-
siert. Dazu gibt man die Lösung von 75g (1,08 mol) Natriumnitrit in 12OmI Wasser.
Etwa 10OmI dieser Mischung füllt man in einen 750-ml-Rundkolben mit Tropf-
trichter und absteigendem Kühler. Beim vorsichtigen Erwärmen im Babo-Trichter be-
164 Kapitel I. Aliphatische Substitution

ginnt bei 8O 0 C unter CO2-Entwicklung eine stürmische Reaktion; durch allmähliches


Zufließenlassen der Vorratslösung zum siedenden Reaktionsgemisch im Kolben hält man
die Umsetzung ohne äußere Wärmezufuhr in Gang, läßt sie aber nicht zu heftig werden.
Dann wird das Nitromethan mit Wasserdampf überdestilliert, dabei sondert es sich in der
Vorlage als schwerere Schicht ab. Sobald im Destillat kein Nitromethan mehr übergeht,
wechselt man die Vorlage und treibt durch weiteres Erhitzen noch 100 ml Wasser über,
die noch gelöstes Nitromethan enthalten. Von dem ersten Destillat trennt man das
Nitromethan ab und vereinigt den wässerigen Teil mit dem zuletzt übergegangenen. Diese
Lösungen werden mit Kochsalz gesättigt (35g auf je 100ml) und erneut destilliert.
Etwa ein Viertel der gesamten Wassermenge wird aufgefangen, danach kommt wieder
ein klares Destillat. Das im Schütteltrichter abgetrennte Nitromethan wird mit dem zuerst
erhaltenen vereinigt, mit Calciumchlorid getrocknet und destilliert. Sdp. 101 0 C; Aus-
beute 20-24 g (33-39%).

Nach der Substitution des Chlors durch den Stickstoff des Nitritions entsteht
Nitroacetat. Dieses spaltet in der Wärme Kohlendioxid ab (decarboxyliert) und
bildet Nitromethan.
Die Decarboxylierung ist eine elektrophile Substitution einer Carboxylgruppe
durch ein Proton. Sie verläuft nur dann leicht, wenn das bei der Ablösung des Kohlen-
dioxids zurückbleibende Carbanion energiearm, also stabilisiert ist. Die Bereitschaft
des sp3-Kohlenstoffs, ein freies Elektronenpaar zu tragen und anionisch aufzutreten,
ist nämlich sehr gering. Befindet sich aber benachbart zur Carboxylgruppe eine
Carbonyl- oder Nitrogruppe, können diese nach Verlust von CO2 den größten Teil
der negativen Ladung in entsprechenden mesomeren Grenzformeln übernehmen. Die
damit verbundene Senkung des Energieniveaus (Zunahme an Bindungsenergie)
macht die Decarboxylierung möglich.

HCO;

Der auf H. Kolbe zurückgehende nucleophile Austausch von Halogen durch Na-
triumnitrit ist auf die niederen a-Halogencarbonsäuren beschränkt. Allgemein lassen
sich primäre und sekundäre Alkylbromide oder lodide mit Natriumnitrit bei Raum-
temperatur in die Nitroalkane überführen, wenn man JV,N-Dimethylformamid
(DMF) oder Dimethylsulfoxid (DMSO) als Lösungsmittel wählt (N. Kornblum); die
Ausbeuten betragen dabei 50-60%. Noch ergiebiger ist die Einwirkung von Silber-
nitrit auf die Brom- oder lodalkane in Ethersuspension (V. Meyer), die 70-80% pri-
märe Nitroalkane gibt. Neben Nitroalkanen treten auch Alkylnitrite auf. Das Nitrit-
Nitroalkane 165

anion, hat nämlich am Stickstoff und am Sauerstoff nucleophile Zentren, an denen


das Alkylierungsmittel angreifen kann; es ist „ambident" (N. Kornblum).

R-O-N=O « [o—N=O > R—N

Über solche Ionen siehe auch auf Seite 416.

Von beiden Atomen ist der Sauerstoff basischer (so daß er bevorzugt ein Car-
beniumion anlagert), der Stickstoff nucleophiler, so daß es (SN2-Bedingungen, S. 167)
in nicht solvatisierenden Lösungsmitteln wie Ether, DMF oder DMSOzur JV-Alky-
lierung kommt.
Nitromethan, -ethan und die beiden Nitropropane werden industriell durch radi-
kalische Gasphasennitrierung der Alkane bei 40O0C hergestellt. Höhere Alkane und
Cycloalkane lassen sich auch mit wässeriger Salpetersäure bei 120-20O0C nitrieren.
Primäre und sekundäre Nitroalkane reagieren zwar in Wasser neutral, lösen sich
aber in Natronlauge unter Protonabgabe und Salzbildung. Dabei entsteht das meso-
meriestabilisierteNitromethan-anion.

H2C-IV/
% (
+ H 2 Q, langsam T ° +H + , rasch _ +/
H3C-NO2 + OH-
-H 2 O

H29C=IS^ ac/-Form
o-
mesomeres Anion

Beim Ansäuern konkurrieren die Zentren, über die sich die negative Ladung im
Nitromethan-anion verteilt, um das Proton. Man erhält dabei das #c/-Nitro-Tauto-
mere, da die Protonanlagerung an den elektronenreicheren Sauerstoff sehr viel
rascher ist. Das zunächst gebildete stärker saure Tautomere ist aber nicht das thermo-
dynamisch stabile. Es lagert sich mit wahrnehmbarer Geschwindigkeit in die schwä-
cher saure NitroVerbindung um. Ähnliche Verhältnisse liegen bei der Keto-Enol-
Tautomerie (S. 409) vor.

Versuch: aci-Form des Nitromethans— Man löst 1,00 ml (16,5 mmol) Nitromethan
in Wasser und prüft die Reaktion der Lösung gegen Lackmuspapier. Dann fügt man
etwas Phenolphthalein und tropfenweise aus einer Bürette 0,1 N Natronlauge hinzu
Bis zur bleibenden Rosafärbung werden etwa 2 ccm davon (0,2 mmol) verbraucht, ein
166 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Zeichen, daß die Salzbildung des Nitromethans einsetzt. Eine kleine Probe der Lösung
gibt mit Eisenchlorid eine blutrote Färbung, die für ac/-Nitroverbindungen charakteristisch
ist.
Auf weiteren Zusatz von Lauge schlägt der Indikator ganz um. Hat man 10 ml davon
zugegeben und versetzt rasch mit 5ml 0,1 N Salzsäure wird das Phenolphthalein kurz-
fristig entfärbt, weil die im Gleichgewicht vorhandenen OH ~-Ionen neutralisiert werden.
Die „Hydrolyse" des mesomeren Anions, das heißt die Anlagerung der Protonen des
Wassers an die carbanionische Seite als geschwindigkeitsbestimmende Reaktion erfolgt
dann deutlich verfolgbar am Wiedererscheinen der roten Farbe (linke Seite der obigen
Gleichung).

Mehrere Nitrogruppen steigern die Acidität des C-gebundenen H erheblich. Das


Nitroform HC(NO2)3 erreicht mit pKA < l die Stärke der Mineralsäuren.
Das Nitroalkananion und die «c/'-Nitroform vermögen auch andere elektrophile
Agenzien als das Proton am Kohlenstoff aufzunehmen, zum Beispiel Brom oder
Nitrosyl. Salpetrige Säure bildet mit primären Nitroalkanen die Nitrolsäuren, die
farblos sind, aber mit Alkalien tiefrote Salze bilden. Mit sekundären Nitroalkanen
entstehen die sogenannten Pseudonitrosite, die als C-Nitroso-Verbindungen grün
oder blau gefärbt sind (S. 489).

OH
HONO + CH2=N _H Q> O=NCH2NO2 > HON=CHNO2
2
*Q Nitrolsäure

OH CH1
HONO (CH3J2C=Nx > O=N-C-NO2 + H2O

Mechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigten


Koh lenstof f atom

Die nucleophile Substitution gehört zum Typus der heterolytischen Reaktionen, bei
denen eine kovalente Bindung in zwei geladene Teilchen (Ionen) aufgespalten wird

A—B > A+ + |B" : Heterolyse.

Bei homolytischen Spaltungen (S. 175) nehmen beide Teilchen im Gegensatz dazu
als neutrale Radikale je ein Elektron der Bindung mit sich (siehe S.587).

A—B > A' + B' : Homolyse.


nucleophile Substition 167

Bei der nucleophilen Substitution tritt die heterolytische Spaltung des Substrats
R —X unter dem Einfluß oder auch zeitlich vor der Annäherung des Nucleophils Y
so ein, daß das Elektronenpaar bei X verbleibt. X heißt Nucleofug. Das Nucleophil
Y | bringt ein Elektronenpaar mit sich:

R-Q + Y| -> R-Y + X|


Substrat Nucleophil Produkt Nucleofug oder Abgangsgruppe

In den meisten Fällen, so auch in den meisten der hier gegebenen Beispiele, sind
die Nucleophile Träger negativer Ladung, also Anionen, z.B. Br~, OH", CN~ usw.

C 6 H 5 CH 2 CI + CN- -> C 6 H 5 CH 2 CN + Cl~

Zu diesem Typ von Reaktionen gehört auch der präparativ bedeutungsvolle Halo-
genaustausch nach H. Finkelstein, der z. B. die Umwandlung von Alkylchloriden oder
-p-toluol-sulfonaten mit Natriumiodid in wasserfreiem Aceton in die Alkyliodide ge-
stattet:

R-CI (oder ROSO2 - - CH3) + Nal ->

Rl + NaCI (oder NaOSO2 - " CH3)

Die Nucleophile können jedoch auch elektrisch neutral sein, wie die Herstellung
der alkylierten Ammoniumsalze zeigt:

CHI + R N -> CH
3 N3
R l~

Während in dieser Reaktionsfolge Ladungen aufgebaut werden, haben wir am


Beispiel

C 2 H 5 OH 2 + Br- -> C 2 H 5 Br + H2O

auch solche kennengelernt, in denen die Ladungen aufgehoben werden.


Bei der Mehrzahl der nucleophilen Substitutionen sind der Eintritt des Nucleo-
phils und der Austritt des Nucleofugs (Bindungsbildung und Bindungsbruch) zeitlich
gekoppelt. An dem RG-bestimmenden Elementarakt sind also beide Reaktionsteil-
nehmer beteiligt: Die Reaktion ist bimolekular und wird daher SN2-Reaktion ge-
nannt (rtucleophile Substitution 2. Ordnung). Bei der SN2-Reaktion wird ein Teil der
Energie, die zur Lösung der Bindung R —X aufgebracht werden muß, bereits durch
die Energie der beginnenden Bindungsbeziehung Y - - - R kompensiert. Es wird somit
eine Phase passiert, in der das zentrale Kohlenstoffatom die Koordinationszahl 5
betätigt.
Dabei nähert sich das nucleophile Agens Y der Grundfläche des Kohlenstoffte-
168 Kapitel I. Aliphatische Substitution

traeders, an dessen Spitze sich X befindet. Wie für die alkalische Hydrolyse eines
Alkylbromids formuliert, ist das Eintreten des neuen Substituenten von der Gegen-
seite her zur Bindung C —X sowie die Ablösung des X mit einer Spreizung und einem
Umklappen der drei restlichen Bindungen des zentralen Kohlenstoffs verbunden.
Der bekannte Vergleich mit dem Umschlagen eines Regenschirms im Sturm ist auch
insofern treffend, als beide Systeme in der Phase des Übergangs instabil sind.

R* R' R'
_ - \ 6 - | 6 - /
HO | +u ^ C-Br -> HO " - C - - Br --> HO— C x// + Br~

Ist Y ein Anion, verteilt sich die negative Ladung im Übergangszustand über die
ein- und austretenden Gruppen.
Ursache für die oben geschilderte Orientierung der SN2-Reaktion ist ein Über-
gangszustand mit günstiger Hybridisierung der Orbitale. Aus dem sp3-Kohlenstoff
wird im Übergangszustand ein sp2-Zentrum, wie man es auch in Olefinen und Aro-
maten findet; die Vorzugsrichtungen der sp2-Bindungen weisen nach den Ecken
eines gleichseitigen Dreiecks, in dessen Mitte sich das Zentralatom befindet. (Im
Formelbild oben sind H, R und R' in dieser Weise gebunden.) Das noch verfügbare
pz-Orbital unterhält je eine schwache Bindungsbeziehung zum ein- und austretenden
Substituenten.
Es ist leicht zu erkennen, daß die SN2-Reaktion an einem chiralen Zentrum von
obligatorischer Konfigurationsumkehr (Walden-Umkehr) begleitet ist.
Ein anschauliches Hilfsmittel für die Erörterung von Mechanismen sind Energie-
profile, bei denen die Bindungsenergie (potentielle Energie) als Enthalpie oder Freie
Energie gegen die sogenannte Reaktionskoordinate, die den Ablauf der Reaktion
widerspiegelt, aufgetragen sind. Abbildung 73 zeigt, daß ein einfacher Aktivierungs-
berg zwischen Komponenten und Produkt den SN2-Typ charakterisiert. Der Über-
gangszustand oder die Aktivierungskonfiguration wird auf dem Gipfel des Energie-
berges erreicht (Abbildung 73), dieser bezeichnet gleichwohl den Weg geringster
chemischer Energie, auf dem der Übergang möglich ist.
Die relativen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Nucleophile bei Um-
setzung mit RX unter Standardbedingungen liefern ein quantitatives Maß ihrer Reak-
tivität und gestatten die Aufstellung von Nucleophilitätsreihen. In protischen Lö-
sungsmitteln (Ethanol oder wässeriges Aceton) findet man etwa folgende Reihung:

RS- > CN- > l" > SCN- > AIkO- > OH~ > Br' > (CH 3 J 3 N >

Pyridin > Cl~ > CH 3 COQ- > F" > TosO' > NO3" > H 2 O

Anionen wie ClO4", AlCl4", BF4" und SbF^ besitzen keine Nucleophilität.
Schon die Spitzenstellung des RS" -Ions lehrt, daß die kinetisch begründete Nucleo-
nucleophile Substitution 2. Ordnung 169

Reaktionskoordinate

Abb. 73 Energieprofil einer SN2-Reaktion

philität und die thermodynamisch begründete Basizität nicht in jedem Falle parallel
laufen. Nur bei gleichem Schlüsselatom (z.B. AIkO" > OH" > C6H5O" > H 2 O)
oder innerhalb einer Reihe des periodischen Systems (z.B. R3C" > R 2 N" >
RO" > F~) wird eine solche Parallelität beobachtet. Innerhalb der Gruppen des
periodischen Systems sind die stärker polarisierbaren, saureren Nucleophile in pro-
tischen Lösungsmitteln jedoch nucleophiler (z.B. I" > Br" > Cl~ > F"). Das ist
jedoch wesentlich mitbegründet durch die starke Solvatisierbarkeit der kleinen Anio-
nen in pro tischen Lösungsmitteln: die große Solvathülle schwächt ihre Reaktivität.
In polaren, nichtprotonischen Lösungsmitteln wie 7V,AT-Dimethylformamid (DMF),
Dimethylsulfoxid (DMSO), Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT)*, welche die
kleinen Nucleophile besonders wenig solvatisieren oder „nackt" lassen, kehrt sich
diese Reihenfolge um (F" > Cl" > Br~ ~ I~). Viele SN2-Substituenten mit kleinen
Nucleophilen verlaufen deshalb in solchen Lösungsmitteln dramatisch schneller
als etwa in Ethanol, z. B. ist die Reaktion

CHJ CH3F

in DMSO 107 mal schneller als in Ethanol. Ähnliche Effekte begünstigen die Dar-
stellung der Nitroalkane in DMSO nach Kornblum (S. 166), die Alkylierung von ß-
Dicarbonylverbindungen in DMF (S.416) u.a. mehr. Eine Nucleophilitätsreihe in
DMF oder DMSO lautet:

CN- > CH.COO- > Cl- > Br- ~ l~ > SCN".

Im Umgang mit dem vielverwendeten Lösungsmittel HMPT ist Vorsicht geboten, da es möglicherweise
cancerogen ist.
170 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Alkylfluoride kann man ebenfalls durch Halogenaustausch (von Brom) gegen


Fluor erhalten, wenn man Krönenkomplexe (S. 156) von Alkalifluoriden auf Bromide
einwirken läßt. Außerdem erhält man Fluor-, insbesondere Polyfluoralkane durch
Einwirkung von Antimontrifluorid auf die betreffenden Chloralkane. In der Technik
nimmt man diesen Austausch mit wasserfreiem Fluorwasserstoff in Druckgefäßen
vor; eventuell kann man dabei mit SbF3 oder, noch wirksamer, mit SbF5 oder SbF3Cl2
katalysieren. Unter geeigneten Bedingungen wird nur ein Teil der Chloratome aus-
getauscht, zum Beispiel bei der Synthese des Kältemittels Dichlordifluormethan
(Freon).
Auch die Nucleofuge lassen sich nach ihrer Bereitschaft ordnen, die Bindung zum
Kohlenstoff zu lösen. Da hier die Bindungskraft C-X entscheidend ist, die ungefähr
mit der Bindungskraft H—X parallel verläuft, kann man die Nucleofugität von X
aus der Acidität der konjugierten Säuren H—X abschätzen:

-N2 > CF3SO2O- > RSO2O- > — I > -Br > H2O- > Cl- > F— > — OSOj >
-NR3 > -OR > -OH > -NR2

Hiermit wird deutlicher, warum die Substitution von Hydroxylgruppen häufig erst
nach Protonierung zu den Oxonium-Ionen glatt verläuft, z. B. bei der Etherspaltung
nach Zeisel, wo der stark saure lodwasserstoff zunächst ein Proton auf den basischen
Ethersauerstoff überträgt.

H H
Hl
CH 3 OR < > I- + ..C—6 > ICH3 + ROH
H- s \
H R

Besonders klar läßt sich die Nucleofugität von X an der SN l-Substitution studieren.
Im Gegensatz zur Reaktionsgeschwindigkeit der alkalischen Hydrolyse des Ethyl-
oder Isopropylchlorids ist die des 2-Phenylethylchlorids nur der Konzentration des
Halogenids proportional, also von derjenigen des Hydroxylions unabhängig. Es
handelt sich hier um eine Reaktion 1. Ordnung, SNl-Reaktion genannt. Wie die
Förderung der SNl-Reaktion durch protische, polare Lösungsmittel nahelegt, ist
eine Ionisation der langsamste Reaktionsschritt. Diesem schließt sich eine rasche
Vereinigung des dabei entstandenen Carbeniumions mit dem nucleophilen Agens
an. Auch das Carbeniumion der SNl-Reaktion ist sp2-hybridisiert.

H u H
r^6H5
I
r ci +H2
C6H5-C-OH + (H + )
n \s V>| -
«-± C H -(/
^ H
6 ^ 5 ° >>
I
CH3 + Cl- CH3 CH 3

Das Auftreten eines Carbeniumions als Zwischenstufe ist im Energieprofil als


nucleophile Substitution 1. Ordnung 171

Minimum zwischen zwei Maxima (Übergangszuständen) zu erkennen. Im Gegensatz


zum Übergangszustand der SN2-Reaktion hat die Zwischenstufe eine endliche Le-
bensdauer, die mit der Höhe der negativen Energien der sie einschließenden Akti-
vierungsmaxima wächst. Damit eine Zwischenstufe isolierbar wird, muß diese Ener-
giedifferenz jedoch mindestens 65-85 kJ/mol (15—20kcal/mol) betragen, siehe Ab-
bildung 74.

Reaktionskoordinate

Abb. 74 Energieprofil einer SN l-Reaktion

Während beim Energieprofil der SN2-Reaktion (Abbildung 73) alle für die Produkt-
bildung erforderlichen Stoffe in einen Aktivierungskomplex eintreten müssen, kann
die Zwischenstufe sich den Partner für die Weiterreaktion frei auswählen. Das Car-
beniumion kann also sowohl mit dem Lösungsmittel, wenn es nucleophil ist, als auch
mit allen darin gelösten nucleophilen Agenzien zusammentreten, ohne daß die Ge-
samtgeschwindigkeit der Reaktion dadurch beeinflußt wird.
Carbeniumionen sind seit der Beobachtung von P. Waiden, daß die gelbe Lösung
des Triphenylmethylchlorids in flüssigem SO2 den Strom leitet, also ein stabiles
Carbeniumion enthält (das seine Existenz der besonders wirksamen Mesomeriestabi-
lisierung verdankt), in der Folgezeit eingehend studiert worden. Sie lassen sich teils
als Salze isolieren, deren Anionen überhaupt nicht nucleophil sind (AlCl4", SbCl^),
teils müssen sie als äußerst kurzlebige Zwischenstufen von Reaktionen, wie der SN1-
Substitution oder von molekularen Umlagerungen postuliert werden.
Die entscheidende Rolle des polaren Lösungsmittels bei der SN l-Reaktion läßt
keinen Zweifel daran, daß erst die bei der Solvatation der Ionen freiwerdenden Ener-
giebeträge die Ionisation ermöglichen. Hierzu eignen sich besonders Brönsted-Säuren
(Wasserstoff-Brücken!). Es entsteht ein solvatisiertes lonenpaar. Erst wenn die Di-
elektrizitätskonstante des Lösungsmittels eine Trennung der Ionen erlaubt, diffun-
dieren diese auseinander. Säuren mit hoher Dielektrizitätskonstante wie Ameisen-
säure oder Wasser sind deshalb bevorzugte Lösungsmittel zum Studium reiner SN1-
Reaktionen.
172 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Bei Alkylhalogeniden kann man mit Silber- oder Quecksilberionen, die bekannt-
lich eine hohe Affinität gegenüber Halogenionen haben, die SN l-Reaktion fördern.
So ist es zu verstehen, daß selbst primäre Alkyliodide mit wässerig-alkoholischer
AgNO3-Lösung fast momentan Silberiodid abscheiden; Bromide reagieren in der
Hitze langsam; primäre Alkylchloride sind resistent.
Weil Carbeniumionen eben gebaut sind, sollten SN l-Produkte (im Gegensatz zu
SN2-Produkten) optisch aktiver Ausgangsverbindungen vollständig racemisiert sein.
Die Racemisierung tritt zwar auf, wird aber von einer Inversion begleitet, deren Aus-
maß mit abnehmender Lebensdauer des Carbeniumions steigt. Bei hochreaktiven
Carbeniumionen findet das entstandene Halogenanion nicht genügend Zeit, seinen
Platz ganz zu verlassen. Es blockiert somit eine Seite des planaren Carbeniumions
mehr oder weniger stark gegen den Angriff des neuen Substituenten.
Neben reinen SN1- und SN2-Reaktionen können also Übergangsvarianten auf-
treten. Dabei gilt, daß der reine SNl-Mechanismus um so eher begünstigt ist, je stär-
ker das Zwischenstufenion durch seine Substituenten stabilisiert wird. Neben Phenyl-
resten tragen auch Alkylreste zu einer solchen Stabilisierung bei. Die elektronen-
liefernde Wirkung der drei Methylgruppen kompensiert im tert-Butylkation einen
Teil der positiven Ladung des Zentralatoms. Man bezeichnet die Eigenschaft eines
Substituenten, negative Ladung über die ^-Bindung an den Nachbarn abzugeben als
positiven induktiven Effekt ( + !-Effekt), umgekehrt ordnet man Substituenten, die
über eine <j-Bindung Ladung zu sich herüberziehen, einen negativen induktiven Effekt
(— !-Effekt) zu. Der + !-Effekt dreier Methylgruppen senkt das Energieniveau eines
tertiären Carbeniumions ab und ermöglicht dadurch sehr schnelle SN l-Reaktionen,
wie z.B. bei der Hydrolyse des terf-Butylchlorids (S. 146). Die Geschwindigkeits-
konstante der Solvolyse von terf-Butylbromid in Ameisensäure-Wasser ist 108 mal
größer als die von Methylbromid. Isopropylbromid reagiert 45 mal schneller und
Ethylbromid ca. 2mal schneller als Methylbromid nach SN1.
Bei der SN2-Substitution mit lodionen in Aceton liegen die Verhältnisse umge-
kehrt: Ethylbromid reagiert 150mal und Isopropylbromid etwa 104mal langsamer
als Methylbromid, was vermutlich einer sterischen Erschwerung des Rückseitenan-
griffs zuzuschreiben ist.
Obwohl das Symbol SN2 ursprünglich nur bimolekulare Umsetzungen kennzeich-
nete, hat es sich mehr und mehr zu einem mechanistischen Symbol entwickelt. Intra-
molekulare Substitutionen des Typus

CH2 CH2 ^CH2 CH2


H2C CH2-Br > CH2 CH2 + Br~
X
CH2-NH2 CH2—NH2

gehorchen zwar der Reaktion 1. Ordnung, entsprechen aber dem S 2-Mechanismus.


Auch der Ringschluß zum Ethylenoxid (S. 155) verläuft nach diesem Schema: das
Alkali setzt lediglich aus dem Ethylenchlorhydrin das aktive Alkoholation frei. — Der
radikalische Substitution 173

intramolekularen Substitution steht der ganze Bereich zwischen den Extremen SN2
und SN1 offen.

Radikalische Substitution

Benzylchlorid
hv
C 6 H 5 CH 3 + Cl2 -^U C 6 H 5 CH 2 CI + HCI

Die Apparatur besteht aus einem 250-ml-Kolben mit Gaseinleitungsrohr, Thermo-


meter, das fast bis zum Boden des Kolbens reicht (Meßbereich 110—16O 0 C) und einem
Rückflußkühler. Vor den Kolben sind eine Chlor-Stahlflasche, eine Waschflasche mit
konz. Schwefelsäure und eine Sicherheitsflasche geschaltet. Das obere Ende des Kühlers
ist mit einer Gasableitung verbunden, die (zur Vernichtung der Abgase HCI und Cl2)
über der Oberfläche von starker Natronlauge in einem 1-l-Kolben endet und weiter in
den Abzug führt. Der Reaktionskolben steht in einem Ölbad oder Babo-Trichter. Mög-
lichst nahe schräg über dem Reaktionskolben wird eine starke Lichtquelle — zweck-
mäßig ein Reflektor mit Tageslichtglühbirne von 200 W — aufgebaut. Im Reaktionskol-
ben erhitzt man 115 ml (10Og; 1,09 mol) reines Toluol zu starkem Sieden, schaltet die
Lichtquelle an und läßt lebhaft Chlor einströmen. Mit zunehmender Chlorierung steigt
die Temperatur des Reaktionsgemisches an. Man bricht das Einleiten ab, sobald (nach
2—4 h) die Innentemperatur 156 0 C erreicht hat. Dann wird der Ansatz im Vakuum de-
stilliert. Dabei fängt man die Hauptmenge bei etwa 63-70 0 C/12 Torr auf; der Siedepunkt
des reinen Benzylchlorids liegt bei 64 0 C/12 Torr. Ausbeute 89-96 g (65-70%). - Das
im Vakuum destillierte Präparat ist reiner und haltbarer als das unter Atmosphärendruck
destillierte, weil sich hierbei stets HCI abspaltet. Da das Benzylchlorid eine starke Reiz-
wirkung auf die Augen ausübt, führt man alle Operationen einschließlich des Reinigens
der verwendeten Apparaturen im Abzug aus.

Die Nachbarschaft des Benzolkerns verleiht dem Chlor in der Seitenkette eine er-
höhte Reaktivität für nucleophile Substitutionen. Benzylchlorid geht daher die typi-
schen Umsetzungen der Alkylhalogenide besonders leicht ein; siehe Herstellung des
Phenylmethylthiols (S. 160). Die Hydrolyse mit heißem wässerigem Alkali führt zum
Benzylalkohol, einer bei 2050C siedenden farblosen Flüssigkeit.

Versuch: Spaltung von Benzylchlorid mit Kaliumhydroxid — Man erhitzt einige


Tropfen Benzylchlorid mit (halogenfreiem) methanolischem Kaliumhydroxid einige min
im Reagenzglas im siedenden Wasserbad. Dann verdünnt man mit Wasser, säuert mit
Salpetersäure an, schüttelt Ungelöstes mit Ether aus und gibt einige Tropfen verd. Sil-
bernitrat-Lösung zu der wässerigen Lösung.
174 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Der analoge Versuch mit reinem Brombenzol läßt keine Bromidionen auftreten:
Unterschied zwischen aliphatisch und aromatisch gebundenem Halogen.

Versuch: Analyse des Benzylchlorids — Die Spaltung zur quantitativen Halogenbe-


stimmung in Substanzen, die aliphatisch gebundenes Halogen enthalten, führt man
nicht nach Carius im Einschmelzrohr aus, sondern durch Hydrolyse mit eingestellter
methylalkoholischer Lauge. (Mit der Kontrolle des dargestellten Präparats übe man
diese häufig verwendete Methode der Bestimmung des Äquivalentgewichts.) Man kocht
in einem öfter benutzten, gut ausgedämpften kleinen Rundkölbchen eine genau einge-
wogene Menge Benzylchlorid (etwa 1 g) mit dem 1,Stachen der berechneten Menge
methylalkoholischer 1N Natronlauge 1 h unter Rückfluß, verdünnt mit dem doppelten
Volumen Wasser und titriert nach Phenolphthalein-Zusatz mit 0,5IM Salzsäure die über-
schüssige Lauge zurück. — Diese Methode ist natürlich nur anwendbar, wenn keine an-
deren Säuren entstehen. In letzterem Falle wird das Halogen mit Rhodanid nach Volhard
titriert. - Die viel gebrauchte methanolische Natronlauge stellt man sich am besten auf
Vorrat her, indem man in 10O ml Methylalkohol - ethylalkoholische Lauge verharzt bald —
25g reines Natriumhydroxid durch Erwärmen oder durch Stehenlassen über Nacht löst,
von Carbonat abfiltriert und den OH'-Gehalt durch Titration bestimmt.

Benzaldehyd über Benzylidendichlorid

C 6 H 5 CH 3 + 2Cl 2 _2hHVc| > C 6 H 5 CHCI 2 > C 6 H 5 CHO

In 57,5 ml (50,0 g, 0,55 mol) siedendes Toluol leitet man in gleicher Weise, wie für
die Darstellung des Benzylchlorids (Präparat S. 173) beschrieben, so lange trockenes
Chlor ein, bis die Innentemperatur auf 187 0 C gestiegen ist. (Man überzeuge sich, daß
eine Gewichtszunahme um 40g eingetreten ist). Das so gewonnene rohe Benzyliden-
dichlorid kocht man mit gut wirkendem Rückflußkühler unter Einleiten eines schwa-
chen Kohlendioxid -Stroms mit 500 ml Wasser und 150 g gefälltem Calciumcarbonat
(oder Schlämmkreide oder feinpulverisiertem Marmor) 4 h im Ölbad von 13O 0 C.
Dann nimmt man den Kolben aus dem Bad und treibt aus dem noch heißen Gemisch
den Benzaldehyd mit Wasserdampf über. Man saugt den Rückstand auf der Nutsche
heiß ab und säuert das Filtrat mit konz. Salzsäure stark an. Beim Abkühlen scheidet
sich die Benzoesäure als Nebenprodukt der Reaktion in glänzenden Blättern ab (sie
ist mit Wasserdampf etwas flüchtig). Sie wird abgesaugt und aus Wasser umkristalli-
siert; Schmp. 121 0C. Das Wasserdampfdestillat wird 2mal mit nicht zuviel Ether ausge-
schüttelt; die Etherlösung unterschichtet man in einer Pulverflasche unter Umrühren mit
dem Glasstab nach und nach mit 40proz. Natriumhydrogensulfit- Lösung, die dabei zu
einem steifen Brei der Aldehyd-Additionsverbindung (siehe S. 360) erstarren muß. Man
schüttelt hierauf mit aufgesetztem Stopfen, den man von Zeit zu Zeit lüftet (Schutz-
brille!), energisch durch, bis aller Benzaldehyd gebunden ist (Geruchskontrolle!) saugt
dann ab und wäscht mit Ether nach. Das feste Salz spaltet man durch Eintragen in 500 ml
15proz. Natriumcarbonat- Lösung, aus der man dann ohne Pause den freigemachten
Aldehyd mit Wasserdampf überdestilliert. Das Destillat wird ausgeethert, die Etherlösung
Photochlorierung der Alkane 175

mit wenig Calciumchlorid getrocknet, der Ether verdampft und der Benzaldehyd destil-
liert; Sdp. 179 0 C. Schonender ist die Destillation bei 64-65 0 C/12 Torr unter Stickstoff.
Ausbeute 35-40 g (60—69%). -Wegen der großen Sauerstoffempfindlichkeit des Prä-
parats müssen alle Operationen schnell hintereinander ausgeführt werden.

Benzylidendichlorid ist, wie Benzylchlorid, eine zu Tränen reizende Flüssigkeit.


Sie dient als Zwischenstufe für die Gewinnung des Benzaldehyds durch Hydrolyse.
Diese wird von der nucleophilen Substitution eines Chloridions durch die Hydroxy-
gruppe eingeleitet. Die Zwischenstufe mit Cl und OH am gleichen Kohlenstoff ist
nicht faßbar, sondern spaltet sofort HCl unter Bildung einer Carbonylgruppe ab.

Die Photochlorierung der Alkane ist die einfachste Möglichkeit zur Herstellung
der C—Cl-Bindung. Die stufenweise Chlorierung des Methans zu Methylchlorid,
Methylendichlorid, Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff ist technisch wichtig. Bei
den höheren Alkanen wird der Wasserstoff am tertiären C-Atom leichter ersetzt als
der am sekundären und dieser leichter als der am primären C-Atom. Jedoch ist die
Selektivität selten groß genug, um eine gezielte Chlorierung zu gewährleisten; dies
schränkt den Wert der Methode erheblich ein.
Wie bei der Chlorknallgas-Reaktion handelt es sich bei der Photochlorierung der
Kohlenwasserstoffe um eine Radikalkettenreaktion. Die bei der Photolyse des Chlor-
moleküls entstehenden Atome - auch die Thermolyse wird zur Zündung der Kette
benutzt - vermögen z. B. dem Methan ein Wasserstoffatom zu entreißen. Das Me-
thylradikal löst die Spaltung eines weiteren Chlormoleküls aus. Das zurückbleibende
Chloratom greift ein weiteres Methanmolekül an und hält so die Kettenreaktion wei-
ter in Gang.
Start: Cl2 > 2Cl'
Kette: Cl' + CH4
Cl2 + 'CH 3
Der Kettenabbruch erfolgt durch Vereinigung zweier Radikale und/oder Atome.

Mit Chlor- oder Wasserstoffatomen haben Radikale den Besitz eines ungepaarten
Elektrons gemein. Die Alkylradikale verfügen über ein Elektronenseptett; ihre hohe
Reaktivität entspringt dem Bestreben, zum vierbindigen Zustand mit Achterschale
zurückzukehren.
176 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Die Chlorierung der Methylgruppe des Toluols vollzieht sich besonders leicht, da
sich dessen aliphatische Wasserstoffatome wegen der Mesomeriestabilisierung des
dabei entstehenden Benzylradikals besonders leicht abspalten. Alle drei aliphatisch
gebundenen Wasserstoffatome des Toluols können radikalisch durch Chlor ersetzt
werden; die Reaktionsgeschwindigkeiten nehmen jedoch mit steigendem Chlorge-
halt so stark ab, daß außer Benzotrichlorid auch Benzylidendichlorid oder Benzyl-
chlorid einzeln gewonnen werden können.
Die Zündung der Kette ist nicht nur durch Photolyse des Chlormoleküls möglich,
sondern auch durch Radikalinitiatoren wie 2,2'-Azobis-(isobutyronitril) oder orga-
nische Peroxide, etwa Dibenzoylperoxid (M. S. Kharasch, 1939). Diese zerfallen beim
Erwärmen sehr leicht in Radikale, die ihrerseits zum Beispiel dem Toluol ein Wasser-
stoffatom entziehen.

C6H5CO-OO-COC6H5 > 2C 6 H 5 COO'


C 6 H 5 COO' + C 6 H 5 CH 3 > C 6 H 5 COOH + C 6 H 5 CH 2 '

Weitere Betrachtungen zur Reaktion von Radikalen findet man auf S. 471.

or-Bromierung von Carbonsäuren

2- Bromisovaleriansäure

(PC 3)
(CH 3 J 2 CHCH 2 CO 2 H + Br2 ' > (CH 3 J 2 CHCHBrCO 2 H

Als Apparatur dient ein 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler, der oben mit einer Gas-
ableitung verbunden ist, die (zum Abfangen des entstehenden Bromwasserstoffs) etwa
1 cm über einem Kolben mit etwa 10OmI Wasser endet und dann weiter in den Abzug
führt. Im Reaktionskolben werden 54,5 ml (51 g; 0,50 mol) Isovaleriansäure (sollte nur
Isovaleriansäure-monohydrat zur Verfügung stehen, ist dieses mit Benzol azeotrop zu
entwässern) mit 88g (28,0 ml, 0,55 mol) Brom und 1,OmI (11 mmol) Phosphortri-
chlorid unter dem Abzug im Ölbad erwärmt. Bei 8O 0 C Außentemperatur setzt die Reak-
tion ein; nach 3 h wird die Ölbadtemperatur auf 9O 0 C und nach weiteren 2 h auf 10O 0 C
gesteigert. Nach 1 h bei 10O0C ist das Brom verbraucht. Man fügt nochmals 1,5 ml Brom
zu und hält die Badtemperatur noch 1 h bei 10O 0 C. Die Gesamtdauer der Bromierung
beträgt also 7h. Anschließend wird destilliert; die rohe a-Bromisovaleriansäure geht
(nach einem geringen Vorlauf) zwischen 11O 0 C und 116 0 C/12 Torr, die Hauptmenge
bei 112 0 C/12 Torr über. Ausbeute 75—80 g (83-88%).

Die rakikalische Photohalogenierung ist zwar bei den Carbonsäuren oder ihren
Derivaten (Säurechloriden) ohne weiteres möglich, leidet aber unter geringer Selek-
tivität. Da die Essigsäure nur über ein chlorierbares C-Atom verfügt, lassen sich
Chlor-, Dichlor- und Trichloressigsäure durch stufenweise Chlorierung herstellen.
Verwandelt man die Carbonsäuren zunächst in die Säurechloride, Säurebromide
Bromierung der Carbonsäuren 177

oder Anhydride, dann sind Chlorierung und Bromierung auch ohne Belichtung mög-
lich. Der spezifische Ersatz des a-Wasserstoffatoms zeigt, daß diese Halogenierung
einem anderen Mechanismus folgen muß, sehr wahrscheinlich dem der elektrophilen
Substitution, a-Bromcarbonsäuren sind wegen der größeren Austauschbereitschaft
des Broms präparativ wichtiger als die a-Chlorverbindungen. Zweckmäßig nimmt
man die Umwandlung in das Säurebromid und die a-Bromierung in einem Topf vor,
wobei das für die erstgenannte Reaktion benötigte Phosphortribromid aus Brom mit
rotem Phosphor ebenfalls in situ erzeugt werden kann.
Aus 2 mol Phosphor und 3 mol Brom entstehen 2 mol Phosphortribromid, die
6 mol Carbonsäure in das Säurebromid verwandeln. Bei diesem Säurebromid wird
dann ein a-Wasserstoffatom (möglicherweise wie bei den Carbonyl Verbindungen
über eine kleine Gleichgewichtsmenge des entsprechenden „Enols"; S. 409) elek-
trophil durch den positiven Teil des polarisiert gedachten Brommoleküls substituiert.

RCH2-C + Br-Br > RCHC + HBr


X
Br l \r

So erhält man aus l mol Carbonsäure, Va m°l Phosphor und 1,5 mol Brom das
a-Bromcarbonsäurebromid, aus dem mit Alkohol die entsprechenden, präparativ
wichtigen a-Bromcarbonsäureester (siehe z.B. Reformatzky-Reaktion, S.440) oder
durch Hydrolyse die freien Carbonsäuren gewonnen werden können. Noch einfacher
ist die hier bei der Herstellung der a-Bromisovaleriansäure angewendete Verfahrens-
weise, bei der mit wenig Phosphortrichlorid (oder -tribromid) nur ein kleiner Teil der
Säure in das Säurehalogenid übergeführt wird. Das a-halogenierte Säurehalogenid
überträgt dann wahrscheinlich in einer Gleichgewichtsreaktion das Halogen am
Carbonly-C-Atom auf weitere eingesetzte Carbonsäure, die so sukzessive in die
Halogencarbonsäure übergeführt wird.

r* u f\ /~* u
CHs CH3
\H H /? \H
C—C—C + C-CH2-CO2H
CH3 ßr Cl CH3

O CHo ,, O
\H H
C C
C— C— + C-C H 2— C
Br OH CH3 Cl

Als bromierbare intermediäre Säurederivate sind auch symmetrische oder ge-


mischte Anhydride denkbar oder das daraus mit dem Bromwasserstoff entstehende
Säurebromid.
178 Kapitel I. Aliphatische Substitution

Weiterführende Literatur zu Kapitel I

R. Stroh, Herstellung von Chlorverbindungen durch Umsetzung mit chlorhaltigen Verbindungen,


Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 5/3, S. 760, Thieme,
Stuttgart 1962.
A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Sauerstoff und sauerstoffhaltigen Grup-
pen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 5/4, S. 361,
Thieme, Stuttgart 1960.
P. Kurtz, Herstellung von Nitrilen durch Kondensation von Halogenverbindungen mit Metall-
cyaniden, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 8, S. 290,
Thieme, Stuttgart 1952.
D. T. Mowry, The Preparation of Nitriles, Chem. Rev. 42, 189 (1948).
S. Patai (Hrsg.), The Chemistry of the Ether Linkage, Interscience Publ., London, New York,
Sydney 1967.
H. Meerwein, Methoden zur Herstellung von Äthern, Methoden der organischen Chemie (Hou-
ben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 6/3, S. 10,Thieme, Stuttgart 1965.
H. Roth und H. Meerwein, Qualitative Nachweisreaktionen für gesättigte aliphatische Äther,
Phenoläther und rein aromatische Äther, Methoden der organischen Chemie (Houben-Wey-
Müller), 4. Aufl., Band 2, S. 423, Thieme, Stuttgart 1953.
H. Meerwein, Spaltungsreaktionen der Äther, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl -
Müller), 4. Aufl., Band 6/3, S. 143, Thieme, Stuttgart 1965.
R. L. Burwell jr., The Cleavage of Ethers, Chem. Rev. 54, 615 (1945).
C. J. Pedersen und H. K. Frensdorff, Makrocyclische Polyäther und ihre Komplexe, Angew.
Chem. 84, 16 (1972).
J. J. Christensen, D. J. Etough und R. M. Izatt, The Synthesis and Ion Binding of Synthetic
Multidentate Macrocyclic Compounds, Chem. Rev. 74, 351 (1974).
K. Lübke, E. Schröder und G. Kloss, Chemie und Biochemie der Aminosäuren, Peptide und
Proteine, Teile l und 2, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975.
Th. Wieland, R. Müller, E. Niemann, L. Birkhofer, A. Schöberl, A. Wagner und H. Soll, Metho-
den zur Herstellung und Umwandlung von Aminosäuren und Derivaten, Methoden der organi-
schen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 11/2, S. 269, Thieme, Stuttgart 1958.
Th. Wieland, Die Trennung und Bestimmung der natürlichen Aminosäuren, Fortschr. Chem.
Forsch./,211(1949).
G. Spielberger, Ersatz von Halogen durch die Aminogruppe, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. ////, S. 24, Thieme, Stuttgart 1957.
J. Goerdeler, Herstellung von quartären Ammoniumverbindungen, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 11/2, S. 591, Thieme, Stuttgart 1958.
K. Sasse, Quartäre Phosphoniumverbindungen, Phosphorbetaine, Phosphinalkylene und Penta-
organo-phosphorverbindungen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 12/1, S. 79, Thieme, Stuttgart 1963.
A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Mercaptanen und
Thiophenolen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 3,
Thieme, Stuttgart 1955.
A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Sulfiden (Thio-
äthern), Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 93, Thieme,
Stuttgart 1955.
J. Mancuso und D. Swern, Activated Dimethyl Sulfoxide: Useful Reagents of Synthesis, Syn-
thesis 1981, 165.
H. G. Padeken, O. von Schick und A. Segnitz, Einführung einer Nitrogruppe in aliphatische Ver-
bindungen durch Ersatz von anderen funktioneilen Gruppen, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 10/1, S. 46, Thieme, Stuttgart 1971.
Weiterführende Literatur zu Kapitel I 179

N. Kornblum, The Synthesis of Aliphatic and Alicyclic Nitro Compounds, Org. React. 12, 101
(1962).
R. Stroh, Austausch von Wasserstoff gegen Chlor, Methoden der organischen Chemie (Houben-
Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 564, 735, Thieme Stuttgart 1962.
A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Wasserstoff, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 153, Thieme, Stuttgart 1960.
J. Nelles, Substitutionen an aliphatischen Verbindungen, Neuere Methoden der präparativen
organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 189, Verlag Chemie, Weinheim 1963.
C. A. Bunton, Nucleophilic Substitution at a Saturated Carbon Atom, Eisevier 1963.
A. Streitwieser jr., Solvolytic Displacement Reactions at Saturated Carbon Atoms, Chem. Rev.
56, 571 (1956).
H. Meerwein, Organische lonenreaktionen, Angew. Chem. 6 7, 374 (1955).
A. J. Parker, The Use of Dipolar Aprotic Solvents in Organic Chemistry, Adv. Org. Chem. 5, l
(1965).
AJ. Parker, The Effects of Solvation on the Properties of Anions in Dipolar Aprotic Solvents,
Quart. Rev. 16,163 (1962).
A. J. Parker, Protic-Dipolar Aprotic Solvent Effects on Rates of Bimolecular Reactions, Chem.
Rev. 69, l (1969).
F. Madaule-Aubry, Le röle en chimie de certains solvants dipolaires aprotiques, Bull. Soc. Chim.
Fr. 1966,1456.
B. Tchoubar, Quelques aspects du röle des solvants en chimie organique, Bull. Soc. Chim. Fr.
1964,2069.
T. Durst, Dimethylsulfoxide (DMSO) in Organic Synthesis, Adv. Org. Chem. 6, 285 (1969).
C. Agami, Le dimethylsulfoxyde en chimie organique, Bull. Soc. Chim. Fr. /965, 1021.
H. Normant, Hexamethyl-phosphorsäuretriamid, Angew. Chem. 79, 1029 (1967).
II. Eliminierung und Addition

Experimente:

Ethylen aus Ethanol oder 1,2-Dibromethan


Cyclohexen
Versuch: Baeyersche Probe und Entfärbung von Brom
5 - Dimethylamino -1 - penten (Hofmann-Abbau)
Styroldibromid
Anlagerung von Bromwasserstoff an 10-Undecensäure. 10- und
11-Bromundecansäure
3 - Bromcyclohexen
1,3-Cyclohexadien
7,7'-Dichlorbicyclo[4.l.Ojheptan (Dichlornorcaran). Phasentransferverfahren
Diels-Alder Reaktionen
Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-frawsHiicarbonsäure
Diels-Alder Reaktion
era/0-2-Norbomen-5,6-dicarbonsäureanhydrid
„Cyclopentadienchinon"
3,6-Diphenyl-3,6-dihydrophthalsäure-dimethylester
Polymerisation des Styrols
a) Thermische und Radikal-initiierte Polymerisation
b) Polymerisationsgrad und Initiatorkonzentration
c) Depolymerisation des Polystyrols
d) Kationische Polymerisation
Phenylacetylen
Vinylacetat
Versuch: Polyvinylacetat
Acetophenon aus Phenylacetylen
die C, C-Doppelbindung 183

II. Eliminierung und Addition

Eliminierungsreaktionen, Bildung der Alkene

Eliminierung (Abspaltung) und Addition (Anlagerung) sind die typischen Reaktio-


nen einerseits zur Herstellung, andererseits zur Umwandlung der ungesättigten (weil
additionsfähigen) Alkene (Olefine) mit C=C-Bindung (Doppelbindung) und Alkine
mit C=C-Bindung (Dreifachbindung).
Nach dem cr,7i-Modell stellt jedes Kohlenstoffatom im System /C=C von den
vier Bindungselektronen nur drei für kovalente ^-Bindungen zur Verfügung; im
System —C=C— sind es nur zwei. Dadurch entstehen für die Olefine je drei Bin-
dungswinkel von 120° und für die Alkine je zwei von 180°. Die /7-Orbitale der ver-
bleibenden 7i-Elektronen stehen senkrecht zu diesen cr-Bindungen. Sie können sich
also nur dann maximal überlappen und damit 7i-Bindungen bilden, wenn alle G-
Bindungen der beteiligten beiden C-Atome in einer Ebene liegen. Die durch Ver-
schmelzung der 7ü-Elektronen entstandenen bindenden MOs liegen daher bei den
Alkenen oberhalb und unterhalb des (7-Bindungsgerüstes und umgeben bei den
Alkinen (mit vier rc-Elektronen) die cr-Bindungsachse zylinderartig.

Ethylen Acetylen

Diese Beschreibung setzt voraus, daß die Aufenthaltsräume von a- und rc-Elek-
tronenpaaren sich nicht überschneiden, was sicherlich nicht zutrifft. In Wirklichkeit
kann man zwischen a- und rc-Bindung nicht unterscheiden. Dem läßt sich durch
andere Modelle Rechnung tragen, bei den Modellen handelt es sich jedoch immer
nur um Bilder und Näherungen, die die Wirklichkeit nur bedingt beschreiben kön-
nen.
Die Verkürzung des Atomabstandes durch Mehrfachbindungen kann man gut aus
solchen Modellen verstehen.

Bindungssystem: C-C C=C C=C


Atomabstand in pm: 154 134 120

7i-Bindungen sind schwächer als cr-Bindungen. Gegenüber etwa 335 kJ/mol


(80kcal/mol) für die Einzelbindung beträgt der Doppelbindungsanteil nur etwa
184 Kapitel II. Eliminierung und Addition

250 kJ/mol (60 kcal/mol), insgesamt ist die Doppelbindung aber demzufolge mit etwa
585 kJ/mol) viel stärker als die Einfachbindung.
Alkene sind wegen ihrer Additionsfreudigkeit in der organischen Chemie wichtige
Ausgangsstoffe für Synthesen. Zu ihrer Gewinnung spaltet man in den meisten Fällen
umgekehrt zwei geeignete Substituenten von benachbarten C-Atomen ab (ß-Elimi-
nierung). Die partielle Hydrierung von Alkinen wird seltener für die Darstellung der
Alkene benutzt. Wichtig ist jedoch auch die direkte Verknüpfung von C-Atomen in
Kondensations- und Wittig-Reaktionen (siehe Kapitel VI-DC).
Für die jS-Eliminierung sind vor allem folgende Gruppierungen geeignet:

I I
—C—C— + H+ oder Lewis-Säure >•
I I
H OH

I I I l
—C—C— oder —C—C— + Base >
I l I l
H OTos H HaI

I l I l
—C—C— oder —C—C— + Base >
I l I l
H + N(CH 3 ) 3 H + S(CH 3 ) 2

_p
\* _ \*p _
I I
H O Pyrolyse (-COS, -RSH)

R-S-C=S

— C— C— + Metall (z. B. Zn)

HaIHaI

—C—C— Crackung >


I I
H H

Bei der Wasserabspaltung aus Alkoholen mit Säuren wird im ersten Schritt ein
Proton oder eine Lewis-Säure an den Sauerstoff addiert, der dadurch zu einem besse-
ren Nucleofug wird. Im allgemeinen wird die Eliminierung dann durch Bildung eines
Carbeniumions eingeleitet, das im zweiten, rascheren Schritt ein jS-ständiges Proton
an das Lösungsmittel abgibt. Diese Eliminierung ist also eine Reaktion erster Ord-
nung, eine E l-Reaktion. Der angegebene Mechanismus folgt unter anderem daraus,
daß die beobachteten Reaktionsgeschwindigkeiten in der Reihe /c(ter/-Alkohol)>
k (sec-Alkohol) > /c(pr/m-Alkohol) abnehmen, also entsprechend der Leichtigkeit,
mit der sich die Carbeniumionen bilden und daraus, daß Umlagerungen eintreten,
wenn diese von den entsprechenden Carbeniumionen zu erwarten wären.
Ethylen aus Ethanol 185

— C— C— _C_Q_ (langsam)^ _Q_Q_ (rasch)


(rasch) | | H ^ | + -H + / \
H OH H + OH 2 H

Ethylen aus Ethanol oder 1,2-Dibromethan

H
C 2 H 5 OH ;f°4 > (C 2 H 5 OSO 3 H) > C 2 H 4 + H2SO4

BrCH 2 CH 2 Br

a) Mit konzentrierter Schwefelsäure: Ein 2-1-Dreihalskolben, der im Abzug im Ölbad


montiert ist, trägt in einem Tubus ein Thermometer, das fast bis zum Boden reicht, im
zweiten Tubus einen Tropftrichter mit Druckausgleich und ist über den dritten Tubus
mit folgenden hintereinander geschalteten Durchströmgefäßen verbunden: eine in Eis-
Wasser gekühlte Waschflasche mit konz. Schwefelsäure (zur Entfernung von Alkohol
und Ether), eine (zur Entfernung von SO2) mit 4N Natronlauge beschickte dreifach
tubulierte Sicherheitswaschflasche, in deren mittlerem Tubus ein 50 cm langes Steig-
rohr steckt, zwei je 15 ml Brom (47 g) enthaltende, ebenfalls in Eis-Wasser stehende
Waschflaschen, in denen das Brom mit je einer 1 cm hohen Wasserschicht überdeckt
ist und — zur Absorption nicht gebundenen Broms — eine 0,5-1-Saugflasche mit 100 ml
2N Natronlauge, über deren Oberfläche das Endrohr, durch einen durchlochten Stop-
fen eingeführt, mündet. Im Kolben wird eine frisch bereitete und am besten noch warme
Mischung von 17g (2OmI) Ethanol und 10Og (5OmI) konz. Schwefelsäure unter
Zusatz von 40-50 g Quarzsand auf 16O 0 C erhitzt. Im Tropftrichter befindet sich die
Mischung von 130 ml (ca. 100 g) Ethanol und 115 ml (ca. 200 g) konz. Schwefelsäure.
Sobald eine lebhafte Entwicklung des Ethylens eingetreten ist, läßt man das Gemisch
aus dem Tropftrichter zutropfen (bei immer gleicher Temperatur), in dem Tempo, daß
sich ohne starkes Aufschäumen ein regelmäßiger Gasstrom entwickelt. Sobald das
Brom in den Absorptionsflaschen entfärbt ist, nach etwa 2 h, schüttelt man das rohe
1,2-Dibromethan im Scheidetrichter mit Wasser und Natronlauge aus bis es farblos ist,
trocknet es mit CaCI2 und destilliert es. Man erhält 85-10Og vom Sdp. 130 0 C/
760 Torr.
b) Mit Polyphosphorsäure: 100 g der handelsüblichen syrupösen Phosphorsäure
werden durch Erhitzen bis auf 22O 0 C in einer Porzellanschale unter dauerndem Rühren
mit einem Glasstab weiter entwässert. Man füllt die Polyphosphorsäure kalt in einen
kleineren, wie voranstehend, aber besser im Sandbad, montierten Dreihalskolben und
läßt bei 210-22O0C den Alkohol Tropfen auf Tropfen einfallen. Hier genügt es, zur
Absorption von Alkoholdämpfen eine mit gesättigter wässeriger Calciumchloridlösung be-
schickte Waschflasche vor die Bromgefäße zu schalten. Der Alkoholbedarf ist bei die-
ser Ethylenherstellung bedeutend geringer als bei der ersten Methode, wo infolge der
Oxidation durch die Schwefelsäure ein Teil des Alkohols verloren geht.
Sehr reines Ethylen erhält man durch Eliminierung des Broms aus 1,2-Dibromethan
mit Zinkstaub.

Z
BrCH 2 CH 2 Br " > CH2=CH2 + ZnBr2
186 Kapitel II. Eliminierung und Addition

c) Ethylen aus 1,2-Dibromethan: 48g 1,2-Dibromethan (ca. 0,25 mol) werden bei
Raumtemperatur unter gutem Rühren in die Suspension von 25g Zinkstaub (etwa
1,5-g-Atome) in einem Gemisch von 100 ml Alkohol und 40 g Eisessig (38 ml) einge-
tropft. Das entstehende Gas wird in einem Gasometer über Wasser aufgefangen. Es ent-
stehen etwa 5 I.

Cyclohexen

-H
H - -H 2 O

In einer Destillationsapparatur werden 100 g (1,0 mol, 107 ml) Cyclohexanol und
80g (ca. 0,6 mol) Kaliumhydrogensulfat auf 13O 0 C (Ölbadtemperatur) erhitzt. Dabei
destilliert innerhalb 4—5 h Cyclohexen über. Das Destillat wird mit Natriumchlorid ver-
setzt, bis sich nichts mehr löst, dann das Cyclohexen im Scheidetrichter abgetrennt, mit
wenig Calciumchlorid getrocknet und über eine kleine Vigreux-Kolonne fraktionierend
destilliert. Man erhält 66g (80%) Cyclohexen mit Sdp. 84 0 C.

Versuch: Baeyer'sche Probe und Entfärbung von Brom — Einige Tropfen Cyclo-
hexen werden in wenig kaltem Alkohol gelöst. Dazu gibt man einige Tropfen Natrium-
carbonatlösung und wenig verdünnte Lösung von Kaliumpermanganat. - In die Lö-
sung von wenig Cyclohexen in Chloroform läßt man im Reagenzglas eine verdünnte
Lösung von Brom in Chloroform tropfen, die rasch entfärbt wird.

Im Falle der Schwefelsäure, wie sie bei der Herstellung von Ethylen aus Ethanol
benutzt wird (siehe S. 185), muß - vielleicht ausschließlich - eine primäre Veresterung
angenommen werden. Das Monoalkylsulfat zerfällt bei höherer Temperatur wie das
Oxoniumion zum Carbeniumion. In einer Nebenreaktion alkyliert es einen Teil des
Alkohols zum Ether (siehe S. 151).

RCH 2 CH 2 OH + H2SO4 —> H2O + RCH 2 CH 2 OSO 3 H —* RCH=CH2 + H 2 SO 4

Die in der Technik angewendete Dehydratisierung von Alkoholen bei 30O0C an


Kontakten wie Aluminiumoxid kann auch als die Wirkung einer Lewis-Säure ver-
standen werden.
Die jS-Eliminierung von Halogenwasserstoff zur Gewinnung von Olefinen aus ge-
eigneten Alkylhalogeniden und die von Sulfonsäuren aus deren Estern, zum Beispiel
den /7-Toluolsulfonaten wird durch Basen ausgelöst. Die Base tritt dabei mit einem
Proton an dem zum Halogen oder Sulfat benachbarten Kohlenstoff in Reaktion. Im
Übergangszustand wird die negative Ladung über fünf Atome delokalisiert, dann
spaltet sich das Halogen- bzw. Sulfat als Anion ab. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist
in den meisten Fällen von der Konzentration der Base und der des Substrats abhän-
gig entsprechend einer Reaktion zweiter Ordnung, man nennt diesen Reaktionstyp
Eliminierungsmechanismen 187

E2-Eliminierung. Die E2-Reaktionen sind stets von einer Substitution (SN2-Reak-


tion) der Base am Halogen-tragenden C-Atom begleitet. Da deren Geschwindigkeit
von der Nucleophilie (Angriff auf den elektrophilen Kohlenstoff; siehe S. 168), die
der Eliminierung aber von der Basizität (Angriff auf das Proton) abhängt, benutzt
man zur Olefinsynthese möglichst starke Basen, zum Beispiel OH~ oder RO~; tert-
Butylat eignet sich wegen seiner Sperrigkeit besonders gut zur jS-Eliminierung. Auch
das raumfüllende Ethyldiisopropylamin (Hünig-Base) oder Lithiumdialkylamide
(siehe S. 434) nutzen die Diskrepanz zwischen Nucleophil und Base. - Da die Elimi-
nierung gegenüber der Substitution thermodynamisch und kinetisch benachteiligt
ist - sie führt zu einem energiereicheren Produkt - tritt sie bei höherer Temperatur
stärker in Erscheinung. Deshalb arbeitet man hier vorteilhaft in der Hitze.

HO---- H HH HO--- H HH
H .
Cl H' Cl
HO
2 + Cl

Der postulierte Übergangszustand A kann sich leichter ausbilden, wenn die be-
teiligten Atome (B, H, C, C, X) möglichst spannungsfrei in einer Ebene liegen. Das
bedeutet, daß der zur Abgangsgruppe trans-koplanar stehende Wasserstoff heraus-
gelöst wird. Ein eryfAro-Diastereomer (Verbindung mit zwei benachbarten chiralen
Zentren, an denen in der Fischer-Projektion gleiche oder einander ähnliche Substi-
tuenten auf derselben Seite der Projektionsformel stehen) wird daher bei der E 2-
Reaktion ganz bevorzugt ein ds-Olefin geben, umgekehrt ein f/zreo-Diastereomer ein
trans-Oleftn. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Begriffe „erythro"
und „threo", sowie „eis" und „trans" nur unter gewissen konstitutiven Voraussetzun-
gen eindeutig sind, man verlasse sich daher nur auf die graphische Darstellung von
Stereoformeln, für welche im folgenden auch die Projektion nach Newman wieder-
gegeben ist:

erythro- Verbindung
CH3
H-

H-

CH3
Fischer-Projektion Übergangskonformation und c/s-Olefin
in der Newman-Darstellung

H
*H CH ^H* ^H CH
V P^^ ^ B~ \ _f^ 3 Q>H 5"//,, „»»»»»^

f* LJ /\ f*t I A
Y
UMo LHo .
188 Kapitel II. Eliminierung und Addition
threo- Verbindung
CH3

-H
-HX
H- -X

CH3 Übergangskonformation und - Olefin


Fischer-Projektion in der Newman- Darstellung

H
,„..'H
ru

;c-cr CH
3'"«„r_
^^^L — V
C6H5^ ^CH3
CH 3 -V. \
C6H5 trans

Für die ebenfalls durch Basen bewirkte Eliminierung von terf-Aminen (meistens
Trimethylamin beim Erhitzen der quart. Ammoniumhydroxide, vgl. jedoch das
Beispiel S. 189), Hofmann-Reaktion genannt, und die analoge Abspaltung von Dial-
kylsulfid aus ter/-Sulfoniumhydroxiden gilt der gleiche Mechanismus. Die Produkte
können sich jedoch je nach der Natur der eliminierten Gruppen, durch die Lage der
erzeugten Doppelbindung unterscheiden. Während sich bei der Abspaltung der
relativ kleinen Halogenidionen vorzugsweise das thermodynamisch stabilere Olefin
mit den meisten Alkylgruppen an den beiden Seiten der Doppelbindung bildet
(Regel von Saytzew), findet man bei thermischer Zersetzung der Onium-hydroxide
oder -alkoxide bevorzugt das thermodynamisch weniger stabile Olefin mit der H-
reichsten Substitution (Regel von Hofmann).

Saytzew:
H H H
I I I
H3C-C-C-C-H H3C-CH=CH-CH3 + H3C-CH2-CH=CH2
I I I
H Br H 81% 19%

Hofmann:
H H H
I I I C 2 H 5 O-
H3C-C-C-C-H 26% 74%
I I
H I H
+ S(CH
(CH33)^ 2
H = bevorzugt abspaltbares Proton

Da Alkylgruppen durch den -h !-Effekt (siehe S. 172) ein Olefin mehr stabilisieren
als H-Atome, ist beim 2-Brombutan der das 2-Alken (Saytzew-Produkt) bildende
Übergangszustand thermodynamisch begünstigt. In den OniumVerbindungen unter-
scheiden sich die H-Atome an den benachbarten C-Atomen ein wenig in ihrer
Hofmann-Abbau und Tschugaew-Reaktion 189

Acidität: Der Methylwasserstoff der 2-SulfoniumVerbindung (oder 2-Ammonium-


verbindung) ist leichter eliminierbar als der Methylenwasserstoff.

5-Dimethylamino-1-penten (Hofmann-Abbau)

CH3^H3 CH3Vn3 CH3CH3

a) Bereitung des Ag 2 O: Man wärmt die Lösung von 7 g Silbernitrat (0,041 mol) in
70 ml destilliertem Wasser im Wasserbad auf ca. 85 0 C vor und gibt portionsweise die
auf die gleiche Temperatur gebrachte Lösung von 1,6g Natriumhydroxid in 70 ml de-
stilliertem Wasser hinzu. Anschließend dekantiert man vom ausgeschiedenen Silberoxid
und wäscht dieses mit 5 Portionen destilliertem Wasser durch Umschwenken und nach-
folgendes Dekantieren. Für den Hofmann-Abbau braucht das Produkt nicht getrocknet
zu werden, jedoch sollte es erst unmittelbar vor Benutzung hergestellt werden.
b) 5-Dimethylamino-1 -penten: Man gibt die Lösung von 5,0 g (0,021 mol) Dimetbyl-
piperidiniumiodid in 56 ml Wasser und 7 ml Methanol zu dem obenbeschriebenen
Silberoxid und rührt 1 h. Dann filtriert man, dampft das Filtrat am Rotationsverdampfer
ein und trocknet das ölige Dimethylpiperidiniumhydroxid einige Zeit im Ölpumpen-
vakuum. Zum Abbau wird der Rückstand auf 150 bis 22O 0 C erwärmt und das Produkt
dabei in einem Kugelrohr aufgefangen. Es wird mit festem Kaliumhydroxid versetzt,
nach einigem Stehen wird die wässerige Phase mit einer feinen Pipette abgezogen. Die
organische Phase wird abermals mit Kaliumhydroxid getrocknet und bei 15O 0 C Bad-
temperatur in ein Kugelrohr destilliert, Ausbeute 1,87 g (79% der Theorie).

Die Pyrolyse von Estern (in der Tabelle auf S. 184 am Beispiel der Zersetzung von
Xanthogenaten nach Tschugaew aufgeführt) ist eine Reaktion, bei der Lösung und
Bildung von Bindungen synchron ablaufen. Da hierbei zwei c/s-ständige Gruppen
eliminiert werden, erhält man aus //zm?-Diastereomeren eis- und aus erythro-Dia-
stereomeren trans-Oleftne mit der oben bezüglich der Definitionen gegebenen Ein-
schränkung.

H H
aC%,/ ^^^ 3C\ /C 6 H 5

C6 H
5 ^ T Nl -- Il + RSH -h COS
,C^-^C — SR ^C^
H3CV O H 3 C^ ^H
H
threo eis

Die viel verwendete Dehalogenierung vicinaler Dihalogenverbindungen mit Me-


tallen (meist Zink) in Säuren (meist Eisessig) (Präp. S. 186) ist, als heterogene Reak-
tion, in ihrem Mechanismus nicht exakt zu beschreiben. Sie verläuft vielleicht über
ein (nicht nachgewiesenes) Anion.
190 Kapitel II. Eliminierung und Addition

__ . _
-Haf * /C "" C\

Unter besonders milden Bedingungen erreicht man die Eliminierung zweier be-
nachbarter Bromatome oder eines Brom- und eines Acylrestes mit lodid.

F +Br
Vx /s \ /
.C-*- C -^ IBr + C = C -h X~

X = Brom oder Acyl

Der Ausbau von Alkenen aus Aldehyden oder Ketonen gelingt durch Addition von
Carbanionen, deren C-Atom geeignete Heteroatom-Reste (X) trägt. Diese müssen
infolge ausgeprägter Affinität zum Sauerstoff die durch die Aufrichtung des Car-
bonyls entstandene Carbinolatgruppe eliminierend mit sich nehmen.

O X O - X
II Ie VA \ /
_C + :C— -> — C— C— -> C=C + X-O-

X= P(R) 3 , O=PR2, O=P(OR) 2 Si(AIk) 3 , B(AIk)2, O=S-N(AIK)2

Die bekannteste Olefinierungsreaktion dürfte die nach G. Wittig sein (siehe S. 455),
bei der ein Phosphoniumylid eingesetzt wird. Phosphanoxid- oder Phosphonsäure-
ester-Gruppen (nach L. Horner), Trialkylsilylreste (D. J. Peterson), Dialkylborylreste
(Cainelli) und Sulfinamidreste (Corey-Durst) leisten ähnliche Dienste.

Additionsreaktionen

Allgemeines

Bei der Addition an die C=C-Bindung lagern sich im allgemeinen zunächst elektro-
phile Partner an.
Dem Primär schritt, der zu einem Carbeniumion führt, folgt sofort die Kombina-
tion mit einem nucleophilen Teilchen, meistens dem anionischen Teil des Reagenses.
Im folgenden Schema sind nur einige typische Additionen schematisch zusammen-
gestellt:
Stereo- und Regioselektivität der Addition 191

C=C -i- Cl2 oder Br2

+ H—HaI

+ H 2 O (in Gegenwart von H + )

H OH

I I
+ HOCI (als Cl + und OH ~) > —C—C—

Cl OH

I I
+ R—H (als R + und H-) > —C—C—

R H

Da die Addition von Brom an Fumarsäure oder Maleinsäure einheitlich meso-


Dibrombernsteinsäure bzw. rac-Dibrombernsteinsäure liefert, müssen sich Br+ und
Br~ schrittweise von verschiedenen Seiten her an die Doppelbindung angelagert ha-
ben. Diese Addition hat man für die meisten elektrophilen Additionen anzunehmen.
Als Zwischenprodukt bei der Addition von Brom postuliert man das Bromoniumion,
in welchem die ursprünglich im Olefin vorhandene Anordnung der Substituenten er-
halten geblieben ist. Bei einem freien Carbeniumion würde nach Drehung um die
C—C-Achse die nachfolgende trans-Addition von Br" auch die diastereomere Di-
brombernsteinsäure geben. Analoge Ionen können auch als Zwischenstufen bei an-
deren Additionen in Frage kommen.
CO2H i 2H
HO2C H HO 2 C. H Br ; H ßr-C-H
'CX /C X V
CX I
H + Br + > Br + | +,Br" > \ = Br-C—H
r ^P-*—-"" " P
C
•• \ • \ / \ °2H
H* CO22H H CO22H 2 1 HO2-C H1 Br meso- Di brom-
Fumarsäure bernsteinsäure

Die Addition des Elektrophils an eine Doppelbindung ist der langsame, geschwin-
digkeitsbestimmende Reaktionsschritt. Wenn ein Olefin unsymmetrisch substituiert
ist, wie z. B. Propen, so bestimmt die Stabilität des im ersten Schritt gebildeten Car-
beniumions die Richtung (Regioselektivität) der Addition. Im Beispiel des Propens
ist das sekundäre Carbeniumion (oben) durch den +!-Effekt zweier Alkylsubsti-
tuenten stärker stabilisiert als das ebenfalls denkbare primäre Carbeniumion (unten),
das nur durch den induktiven Effekt einer Alkylgruppe stabilisiert wäre. So erklärt
192 Kapitel II. Eliminierung und Addition

sich die als Regel von Markownikow bekannte Tatsache, daß bei der Addition von
+
+Br
J-Qr-

H3C-CH-CH3 > H^C-CH-CH3


H3C-CH=CH2

H 3C*—C H o—C H 2

Säuren und anderen Elektrophilen deren Anion an das wasserstoffarmere Kohlen-


stoffatom einer Doppelbindung angelagert wird. Wasser addiert sich zu Isopropyl-
alkohol, unterchlorige Säure überwiegend zu l-Chlor-2-propanol an Propen.

Styroldibromid (1 ,2 -Dibromethylbenzol)

C6H5-CH=CH2 -5l2-> C 6 H 5 CHBrCH 2 Br

Unter dem Abzug (Vorsicht; das Produkt reizt die Haut!) wird die Lösung von 24 ml
(0,2OmI) Styrol in 10OmI Tetrachlorkohlenstoff auf O 0 C gekühlt und unter Rühren
tropfenweise mit 10,2 ml (0,20 mol) Brom versetzt, wobei das Styroldibromid allmählich
ausfällt. Der Tetrachlorkohlenstoff wird abdestilliert und der Rückstand auf dem Ton-
teller getrocknet. Ausbeute 50,6g (95%) Styroldibromid. Das Produkt schmilzt nach
Umkristallisieren aus 90proz. Ethanol bei 72-730C.

Anlagerung von Brom Wasserstoff an 10-Undecensäure


—* CH3CHBr-(CH2)8—CO2H
H2C=CH-(CH2)O-CO2H + HBrIC^
~~-—> BrCH2-CH2-(CH2J8-CO2H

a) Entwicklung von HBr: In einem Destillierkolben mit aufgesetztem Tropftrichter wer-


den 50 g trockenes Tetralin vorgelegt. An das absteigende Rohr wird eine leere Wasch-
flasche angeschlossen, und an diese das Reaktionsgefäß. Man erhitzt das Tetralin zum
schwachen Sieden und tropft Brom hinzu, bis die Bromwasserstoffentwicklung richtig
in Gang kommt. Sie läßt sich dann sehr gut durch die Zutropfgeschwindigkeit regulieren
und kann durch Abstellen der Heizung jederzeit völlig unterbrochen werden. Mit der
vorgelegten Menge Tetralin können 60g Brom zur Reaktion gebracht werden, wovon
über 80% zu HBr umgesetzt werden.

b) 10-Bromundecansäure: 15 g 10-Undecensäure (frisch destilliert, um Peroxide aus-


zuschließen) werden mit 7,5ml Eisessig vermischt. Unter Eiskühlung leitet man HBr-
Gas ein, bis keine Aufnahme mehr erfolgt. Die Mischung bleibt über Nacht im Eisbad
stehen. Danach schüttelt man mit etwa der doppelten Menge Eisstückchen durch und
saugt kalt ab. Nach Trocknung im Vakuum über konz. Schwefelsäure wird die rohe 10-
Bromundecansäure in 30 ml Petrolether (Sdp. 30-6O0C) gelöst, die Lösung filtriert und
(zum Beispiel mit Trockeneis Methylenchlorid) auf -4O 0 C abgekühlt, wobei die Säure
auskristallisiert. Dann wird über eine vorgekühlte Nutsche abgesaugt und mit wenig
Additionsreaktionen 193

tiefgekühltem Petrolether nachgewaschen. Man trocknet im Vakuum über Paraffin-


schnitzeln. Die Ausbeute beträgt 14g, (65%) 10-Bromundecansäure mit Schmp. 35 bis
36 0 C (oberhalb dieser Temperatur wird HBr abgespalten).
c) 11-Bromundecansäure: In einem Vierhalskolben mit Rührer und zwei Gaseinlei-
tungsrohren, von denen das eine bis zum Boden und das andere nur eben in den Kolben
hineinreicht, sowie einem Gasableitungsrohr werden 25 g rohe Undecensäure in 1-75 ml
Petrolether (Sdp. 60-8O0C) gelöst. Unter kräftigem Rühren leitet man mit Hilfe eines
Gebläses einen schwachen Luftstrom in die Lösung und gleichzeitig HBr in kräftigem
Strom über die Lösung. Nach etwa 45 min setzt Kristallisation ein; nach insgesamt 2 h
ist die Reaktion beendet. Es wird auf -2O 0 C abgekühlt und abgesaugt. Die Rohausbeute
beträgt 24g. Zur Reinigung wird aus 15OmI Petrolether (Sdp. 30— 6O 0 C) unter Zusatz
von Aktivkohle umkristallisiert, wobei ebenfalls auf -2O 0 C abgekühlt werden muß. Man
erhält 19g (53%) 11-Bromundecansäure als farblose, glänzende Blättchen mit Schmp.
49-5O0C.

Die Anlagerung von HBr an 10-Undecensäure führt zu 10-Bromundecansäure. In


Gegenwart von Radikalerzeugern wie zum Beispiel Sauerstoff bildet sich jedoch auch
11-Bromundecansäure. Bei dieser Radikalreaktion nach Kharasch wird primär ein
aus HBr erzeugtes Bromatom an 10-Undecensäure angelagert und zwar bevorzugt
so, daß das stabilere und sterisch leichter zugängliche sekundäre Radikal entsteht.
Dieses erzeugt mit HBr unter eigener Absättigung ein neues Bromatom, das die
Radikalkettenreaktion fortsetzt (vergleiche S. 175).
Startradikal + HBr —> Br'
HOOC-(CH2J8- CH=CH2 + Br' —> HOOC- (CH 2 ) 8 — CH-CH2Br
HOOC- (CH 2 ) 8 — CH-CH2Br + HBr —> HOOC-(CH2J8-CH2-CH2Br + Br
usw.

Die Oxidation der Alkene mit Kaliumpermanganat, die unter Entfärbung zu GIy-
kolen führt (Baeyersche Probe zum Nachweis von Olefinen) ist auf S. 186 erwähnt,
die mit Ozon auf S. 500. Dabei handelt es sich, wie auch bei der Glykolbildung durch
Osmiumtetraoxid im ersten Schritt um eine c/s-Addition unter Bildung cyclischer
Additionsprodukte.

/ \ X = MnO2- -, O oder OsO2


O O

Zum Dreiring führt die Addion des aus Chloroform mit Alkali erzeugten Dichlor-
carbens, siehe S. 200.
Auch die Anlagerung von Boran, die Hydroborierung, verläuft regiospezifisch zu
primären Alkylboranen und stereospezifisch als cis-Addition (H. C. Brown). Aus-
gehend von einfachen Olefinen führt sie in 3 Schritten zur Trialkylboranen, aus denen
194 Kapitel II. Eliminierung und Addition

durch Oxidation mit H 2 O 2 Alkohole entstehen (siehe S. 541). Propen liefert so in


scheinbarem Gegensatz zur Marko wnikow-Regel n-Propanol.

3
H2C=CH-CH, > H5B-CH9-CH2-CH
+H2 2
B(CH2-CH2-CH3J3 ° > B(OH) 3 + 3HO-CH2-CH2-CH3

Die Entdeckung, daß sich Aluminiumhydrid an a-Olefine addiert, hat zur Ent-
wicklung der Niederdruckpolymerisation von Ethylen und Propylen durch K. Ziegler
geführt.
Starke Säuren wie etwa H[AlCl4] aus AlCl3 + HCl machen Olefine zu Alkylie-
rungsmitteln für Aromaten. Ihr Proton addiert sich, und es entstehen elektrophile
Carbeniumionen (siehe S. 267). Die hohe Bildungstendenz des terf-Butylkations er-
möglicht die Gewinnung des wertvollen Treibstoffs 2,2,4 -Trimethylpen tan aus glei-
chen Teilen Isobuten und Isobutan. Das aus Isobuten und Säure entstandene tert-
Butyliumion vereinigt sich mit Isobuten zum 1,1,3,3-Tetramethylbutyliumion. Dieses
entzieht dem Isobutan ein Hydridion, und das zurückbleibende tert-Butyliumion setzt
die Kettenreaktion weiter fort. - An die der Friedel-Crafts-Reaktion ähnliche Addi-
tion von Alkylhalogeniden an Alkene, die auf S. 267 erwähnt ist, sei hier erinnert.

C»H3 OH3 LrH3 LfH3 L»H3

2H 2 C=C + H+ —> H3C-C+ + H2C=C —> H3C-C-CH2-C +


I I I I l
L»H3 LfH3 OH3 OH3 OH3

CH3 CH3 CH3 CH3


I I l I
+ H3C-CH —> H3C-C-CH2-CH-CH3 + H3C-C+

Technisch wichtig ist auch die Hydroformylierung der Olefine, bei der mit Koh-
lenmonoxid und Wasserstoff (über Kobalttetracarbonylwasserstoff) Aldehyde ent-
stehen. Weitere Hydrierung liefert Alkohole.
O
C (CO)
\=C/ + CO + 2H ° * , H-C-C-cf
/ \ I I \H

Alkene und Alkine können, besonders mit Übergangsmetallen, Komplexe bilden.


Beispiele hierfür sind: K[Pt(CH2=CH2)Cl3], Ni(CH2 =CH2)3 und Ni[(C6H5)3P]2
[CH3C=CCH3]. Auf Ag+- imprägnierten Dünnschichten lassen sich Olefine von
Paraffinen chromatographisch trennen, meist auch verschiedene Olefine unterein-
ander .
Durch nucleophilen Angriff eingeleitete Additionen sind nur bei Systemen mög-
lich, deren C=C-Bindung stark an Elektronen verarmt ist, wie zum Beispiel a, ß-
konjugierte Doppelbindungen 195

ungesättigte Carbonylverbindungen (siehe hierzu Michael-Addition, S. 423 und


nucleophile Polymerisation, S. 211).

\ l l \+ l I -
C=C-C=O ~ C-C=C-O

Die angeregte Carbonylverbindung kann sich ebenfalls an die C=C-Bindung an-


lagern i'Benzophenon und 2-Methyl-l-propen geben bei Belichtung 3,3-Dimethyl-
2,2-diphenyloxiran(Paterno-Büchi-Reaktion).

H3C
C=CH
H33 C (H3C)2C-CH2 H3C-C-CH2
+ >
- (H5Ce)2C-O
I -* H ' '
5C6-C-O
C=O I
u^
H5C6

Die Photodimerisation der kristallinen Zimtsäure wird auf S. 207 erwähnt. Auf
S. 385 wird die präparativ-photochemische Umsetzung von Aceton und Isopro-
pylalkohol zu Pinakol beschrieben.
Das Verhalten von Verbindungen mit mehreren C=C-Bindungen ist entscheidend
von der Lage dieser Doppelbindungen zueinander abhängig:
Bei Verbindungen mit isolierten Doppelbindungen - also solchen, zwischen denen
mindestens zwei Einzelbindungen stehen — reagiert jede unabhängig von den anderen
wie die eines Monoolefins.
Verbindungen mit kumulierten Doppelbindungen — also solchen, die unmittelbar
aneinanderstoßen - (Kumulene, Allene) haben die Tendenz zu polymerisieren oder
zu Alkinen zu isomerisieren; sie sind von theoretischem und beschränkt praktischem
Interesse.
Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen - also solchen, die durch eine
einzige Einfachbindung voneinander getrennt sind - unterscheiden sich sowohl
chemisch als auch physikalisch in vieler Hinsicht von den Monoolefinen; konju-
gierte Doppelbindungen müssen als ein geschlossenes System betrachtet werden (die
Aromaten sind dafür ein extremes Beispiel, S. 222ff.).
Beim 1,3-Butadien, der einfachsten Verbindung mit konjugierten Doppelbindun-
gen, sind im Grundzustand die beiden unteren MOs durch je zwei Elektronen mit
antiparallelem Spin besetzt.
Die C—C-Bindung zwischen C-2 und C-3 hat wegen partieller Überlappung der
konjugierten 7i-Elektronen selbst Doppelbindungscharakter. Die Delokalisierung der
Tt-Elektronen macht deutlich, daß bei Additionsreaktionen außer der normalen 1,2-
Addition eine 1,4-Addition möglich ist, die zur Hauptreaktion werden kann. Tatsäch-
196 Kapitel II. Eliminierung und Addition

lieh entstehen aus l mol 1,3-Butadien mit l mol Brom neben l,2-Dibrom-3-buten bei
- 150C zu 50% und bei 6O0C zu 90% l,4-Dibrom-2-buten.
Die Additionsfreudigkeit von Elektrophilen an konjugierte Systeme ist im all-
gemeinen größer als die an isolierte Doppelbindungen, weil das dabei primär ge-
bildete Carbeniumion durch die Allylmesomerie (siehe unten) stabilisiert ist.

E— C— CH- CH- C
I \

Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien

1,3-Butadien kann zu cis,cis-(oder lZ,5Z)-l,5-Cyclooctadien cyclodimerisiert wer-


den. Während die rein thermische Durchführung dieser Reaktion bei 27O0C (Ziegler
1954) unbefriedigend verläuft, erhält man unter der katalytischen Einwirkung be-
stimmter Ni(0)-Komplexe das cyclische Dien bei 8O0C in sehr guter Ausbeute
(Wilke 1963). Andere Ni(0)-Komplexe oder Ziegler-Katalysatoren lenken die Reak-
tion in die Richtung einer Cylotrimerisierung, die mit guten Ausbeuten cisjrans.trans-
(oder lZ,5E,9Z)-l,5,9-Cyclododecatrien ergibt.

Bemerkenswert an diesen Reaktionen ist, daß sie nicht der üblichen Erschwernis
bei der Darstellung mittelgroßer Ringe unterliegen. Die Darstellung des 1,5,9-Cyclo-
dodecatriens wird in industriellem Maßstab betrieben.

Allylbromierung

Kohlenstoffatome in Allylstellung eines Olefins (also in Nachbarstellung zur C=C-


Bindung) zeichnen sich durch erhöhte Reaktivität aus. Unter Radikal-liefernden Be-
dingungen (hohe Temperatur, Licht) läßt sich allylständiger Wasserstoff, zum Bei-
spiel durch Halogen, substituieren. 2-Propenylchlorid (Allylchlorid) entsteht aus
Propen mit Chlor bei 50O0C Zur Reaktion mit Sauerstoff siehe auf S. 471.
Allylbromierung 197

3- Bromcyclohexen
O O
Il Il

H22L Il /NH "1^ H22LIl /NBr


O . O

a) /V-Bromsuccinimid: In die kalte Lösung von 20g (0,50 mol) festem Natriumhydroxid
in 10OmI Wasser werden 50g (0,51 mol) Succinimid eingetragen. Nach völliger Auf-
lösung werden 10Og fein gemahlenes Eis zugegeben und unter möglichst kräftigem
Rühren auf einmal 27 ml (0,53 rnmol, 85g) Brom eingegossen; das A/-Bromsuccinimid
fällt sofort als dicker Brei aus. Es wird noch 10 min gerührt, das Produkt scharf abge-
saugt und dadurch von ungebundenem Brom befreit, daß man es 1 - bis 2mal mit mög-
lichst wenig Wasser in einer Reibschale anteigt und scharf absaugt. Nach Trocknen im
Exsikkator erst über NaOH, dann über P 2 O 5 erhält man 67-72 g (75-80%) /V-Brom-
succinimid, das bei 170-1720C unter Zersetzung schmilzt.

O Br O
Il l Il
C
H2C^C\
O \
NBr —
f^\ .
L U + 1
NH

b) 3-Bromcyclohexen: In einer Rückflußapparatur wird die Mischung aus 75 ml


Tetrachlorkohlenstoff, 18,3g (0,1 mol aktives Brom) /V-Bromsuccinimid und 51,5ml
(0,50 mol, 41 g) Cyclohexen zum Sieden erhitzt. Nach etwa 20 min ist die Reaktion be-
endet, was daran zu erkennen ist, daß anstelle des am Boden liegenden /V-Bromsuccini-
mids Succinimid auf der Oberfläche der Lösung schwimmt. Nach Abkühlen wird über
eine Nutsche abgesaugt. Über eine Kolonne wird zunächst bei Normaldruck das Lö-
sungsmittel abdestilliert, dann im Vakuum der Wasserstrahlpumpe fraktionierend destil-
liert. Im Siedebereich 70-72 0 C; 20 Torr gehen 13g (79%) 3-Bromcyclohexen über.

1,3- Cyclohexadien
Br
Chinolin_
-HBr ^

In einer Destillationsapparatur mit möglichst kurzem Weg zwischen Kolben und Kühler
werden 32g (0,2 mol) 3-Bromcyclohexen (vorher 2mal destilliert) mit 60 ml Chinolin
versetzt. Der Ansatz wird langsam mit freier Flamme erwärmt, wobei nach kurzer Zeit
Reaktion eintritt und bei weiterem Erwärmen zwischen 80 und 10O 0 C Siedetemperatur
Cyclohexadien überdestilliert (Vorsicht; scharf stechender Geruch!). Die so erhaltenen
14,7g Rohsubstanz werden einmal mit 2N Schwefelsäure gewaschen, zum Trocknen
durch ein Faltenfilter gegossen und dann von einigen dünnen Scheibchen Natrium
198 Kapitel II. Eliminierung und Addition

destilliert. Zwischen 80 und 82°C/760 Torr gehen 11,8g (75%) 1,3-Cyclohexadien


über.

Mit N-Bromsuccinimid läßt sich Brom unter milden Bedingungen gezielt in die
Allylstellung einführen (Ziegler).
Diese in Tetrachlormethan durchgeführte Reaktion verläuft radikalisch, denn sie
wird durch Zusatz von Radikalgeneratoren wie Dibenzoylperoxid oder 2,2'-Azobis-
(isobutyronitril) (siehe S. 176) sowie durch Belichtung beschleunigt. Ein Bromatom
zieht aus der Allylstellung ein Wasserstoffatom an sich. Dabei entstehen ein Allyl-
radikal und ein Molekül Bromwasserstoff. Letzteres bildet mit einem Molekül
N-Bromsuccinimid ein Molekül Brom, das mit dem Allylradikal Allylbromid und ein
neues Bromatom bildet, welches die Kettenreaktion fortsetzt. N-Bromsuccinimid ist
in Tetrachlormethan wenig löslich, seine Funktion bei dieser Reaktion besteht offen-
bar darin, ständig eine kleine Konzentration von molekularem Brom bereitzustellen.
Formelmäßig kann der Kern des Prozesses folgendermaßen dargestellt werden:

Br- + -CH2-CH=C -> HBr + [-CH-CH=C <-> -CH=CH-C^]

-CH-CH=C + Br2 —> — CH- CH=CX + Br*


Br

O O

H 2 C /C \ H2C/C\
I NBr -i- HBr —> \ NH + Br2

Steht eine Methylengruppe wie im Beispiel der Ölsäure zwischen zwei Doppel-
bindungen, so ist sie der radikalischen Substitution besonders leicht zugänglich (siehe
S.474).

Cycloadditionen

Die 7r-Elektronen der Doppelbindung und Dreifachbindung können mit zwei n-


Elektronen geeigneter Partner zwei tr-Bindungen ausbilden, so daß drei-, vier-, fünf-
oder sechsgliedrige Ringe entstehen. Man nennt diese Reaktionen Cycloadditionen.

\ /

— L 4-
-r' T •/
«C ^
*- ~ C/V
—C —
\ \ / \
Typen der Cycloadditionen 199
I I
\ / \ / -C-C-
C-C + C=C | |
/ \ / \ -c—c-
I I

+ X-Y-Z \ }
-C-C-
/ \

Methylen, das einfachste Garben liefert mit Olefinen Derivate des Cyclopropans.
Photolytisch aus Diazomethan oder Keten nach

oder

erzeugtes „heißes" Methylen addiert sich in der Gasphase, wenn nachträglich Iso-
merisierung des Primäraddukts unterdrückt und etwas Sauerstoff (Radikalfanger)
anwesend ist, weitgehend stereospezifisch, das heißt c/s-2-Buten gibt ds-Dimethyl-
cyclopropan. In flüssiger Phase entsteht in Gegenwart von zahlreichen Inertmolekü-
len (Fluorkohlenwasserstoff), durch deren Stoß der energiereiche Singulett- in den
Triplettzustand übergeht, ein Gemisch von eis- und fraws-Dimethylcyclopropan.

H
CH3 CH3
H H
H-C-H Y/ CH3

H3C CH3 ||
CH 3 CH 3 CH3 CH3 CH3

Dichlorcarben, von dem schon auf S. 193 die Rede war, reagiert mit Cyclohexen zu
7,7'-Dichlornorcaran, mit Phenolat zu Salicylaldehyd (S. 273), mit primären Aminen
zu Isonitrilen.
200 Kapitel II. Eliminierung und Addition

7,7-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan (Dichlornorcaran).
Phasentransfer -Verfahren
Cl
c
Q) C(Ci)2 —- L P '
Cl
Zu einer Lösung von 10,2g (0,12SmOl) Cyclohexen in 100 ml Chloroform, die
250mg Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid enthält, tropft man bei O 0 C unter Rühren die
Lösung von 50g NaOH in 50g Wasser und rührt noch weitere 30 min im Eisbad, dann
über Nacht bei Raumtemperatur. (Falls Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid nicht verfüg-
bar ist, stellt man sich eine kleine Menge durch Sstündiges Erhitzen von Benzylchlorid
in überschüssigem Triethylamin unter Rückfluß her. Nach Abdampfen wird der Rück-
stand mit Ether sorgfältig durchgerührt und abgesaugt.) Die Emulsion wird in 1 I Wasser
gegossen, das Chloroform im Vakuum abdestilliert, die wässerige Lösung 2mal mit Chlo-
roform ausgeschüttelt und die Chloroformlösung über MgSO4 getrocknet. Nach Abdestil-
lieren des Lösungsmittels wird der Rückstand im Vakuum destilliert. (Da der Ansatz stark
schäumt, muß man dabei sehr vorsichtig erhitzen.) Bei 77—79 0 C gehen 15—16g (75 bis
80%) 7,7'-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan über.

In diesem Präparat wird das „Phasentransfer-Verfahren" angewandt. Lipophile


quartäre Ammoniumionen, hier C6H5CH2N(C2H5)J, bilden mit zahlreichen Anio-
nen in organischen Lösungsmitteln lösliche lonenpaare. Das Dichlorcarben ent-
steht wahrscheinlich in der Chloroformphase, die das Olefin enthält, aus dem quar-
tären Ammoniumtrichlormethancarbeniat; das dabei entstehende quartäre Chlorid
kehrt in die Wasserphase zurück und bringt von dort neues CCl3" ins Chloroform
usw. Man vermeidet so die sonst notwendige Herstellung der sehr starken Base
Kalium-terf-butanolat und das Arbeiten in wasserfreiem Medium. Da die in der
organischen Phase gelösten lonenpaare nicht solvatisiert sind, zeigen ihre Anionen
in vielen Fällen stark erhöhte Reaktionsbereitschaft. Als Beispiel sei die nucleophile
Substitution des Chlors im 1-Chloroctan durch Natriumcyanid angeführt, die beim
Kochen der wässerigen Emulsion so gut wie keinen Umsatz zeigt, nach Zugabe von
Decan als organische Phase und 1,3 molprozent Tributylhexadecylphosphonium-
bromid aber schon nach 2stündigem Kochen vollständig beendet ist.
Die präparativ wichtigste Cycloaddition ist die von Diels und Alder erforschte
Diensynthese, Addition von 1,3-Dienen an Olefine oder Alkine, dann Dienophile
genannt, die zu ungesättigten Sechsringen führt ([4 + 2]-Cycloaddition). Dabei rea-
giert das konjugierte Dien in räö/rf-Konformation unter cw-Addition mit dem Dien.
Einige Beispiele:
Butadien und Fumarsäure-diethylester geben /ran,s-Cyclohexen-4,5-dicarbon-
säure-diethylester, 1,3-Cyclohexadien und Fumarsäure-diethylester /raAw-Bicyclo-
[2.2.2]oct-2-en-5,6-dicarbonsäure-diethylester (siehe unten).
Cyclopentadien liefert mit Maleinsäureanhydrid e«dö-2-Norbornen-5,6-dicarbon-
säureanhydrid (e«Jo-Bicyclo[2.2.1]hept-2-en-5,6-dicarbonsäureanhydrid) und mit
/?-Benzochinon das „Cyclopentadienchinon".
Ausführung der Diels-Alder-Synthese 201

Cyclopentadien dimerisiert, als Dien und Dienophil zu Bicyclopentadien (endo-


3a,4,7,7a-Tetrahydro-4,7-methanoinden) (siehe S. 203).

Diels-Adler Reaktionen
Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-trans-dicarbonsäure

- CO2C2H5

\\" ^CO2C2H5
CO2C2H5
a) 4,0g (50 mmol) 1,3-Cyclohexadien und 8,6g (50 mmol) Fumarsäure-diethylester
werden im Einschmelzrohr (Angaben auf S. 27 beachten!) etwa 1 5 h auf 10O 0 C er-
wärmt. Nach dem völligen Abkühlen wird das Reaktionsgemisch mit etwas Ether in
ein Kölbchen gespült und nach Abdestillieren des Ethers im Siedebereich 155-158 0 C
Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-fraA?s-dicarbonsäure-diethylester überdestilliert. Ausbeute
11,7g (93%).

CO2C2H5 /[ /O2H
NaOH

CO2C2H5 CO2H

b) 1,5g (5 mmol) Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-fra/7s-dicarbonsäure-diethylester wer-


den in 15 ml 95proz. Ethanol gelöst, mit 6,5 ml 2N Natronlauge versetzt und 1 h unter
Rückfluß gekocht. Nach Abdestillieren des Ethanols wird die wässerig-alkalische Lösung
mit 2N Salzsäure angesäuert und ungeachtet des bereits ausgefallenen Produkts 3 mal
mit Essigester extrahiert. Der Extrakt wird mit Natriumsulfat getrocknet und das Lösungs-
mittel abdestilliert. Man erhält so 1,1 g (94%) Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-f/-ans-dicar-
bonsäure. Nach 2maligem Umkristallisieren aus je 20 ml Wasser schmilzt das Produkt
bei 203—204 0 C.

endo-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhydrid (3,6-Methylen-1,2,3,6-tetrahydro-
phthalsäureanhydrid oder eA?c/o-Bicyclo[2.2.1 ]hept-2-en-5,6-dicarbonsäureanhydrid-
[IUPAC]).

Cyclopentadien bereitet man sich durch thermische Spaltung des technischen Di-
cyclopentadiens. Dazu destilliert man etwa 30g des Dimeren über eine kleine Füll-
202 Kapitel II. Eliminierung und Addition

körperkolonne, wobei man das Ölbad auf 170—18O 0 C heizt. Das Monomere mit Sdp.
40—41 0 C wird in einer eisgekühlten Vorlage über einigen Körnchen Calciumchlorid auf-
gefangen. (Cyclopentadien dimerisiert bei mehrtätigem Stehen wieder vollständig.) -
9,8g (lOOmmol) gepulvertes reines Maleinsäureanhydrid (Schmp. 52—53 0 C) wird in
50 ml Benzol suspendiert. Unter Rühren und Außenkühlung mit Eis/Wasser trägt man
innerhalb 10 min 7,0g (106 mmol 8,7 ml) Cyclopentadien ein. Das Maleinanhydrid geht
in Lösung; meist beginnt schon während der Umsetzung die Abscheidung des Addukts
in farblosen Nadeln. Nach anschließendem SOminütigem Rühren ohne Kühlung ist die
Reaktion beendet. Man verdünnt mit 50 ml Ligroin (Sdp. 100-14O0C), läßt bis zur voll-
ständigen Kristallisation im Kühlschrank stehen, saugt ab und wäscht mit Ligroin. Man
erhält 13,5-15 g (82-92%) farbloses Addukt, das bei Verwendung reiner Reagenzien
sofort bei 162—163 0 C schmilzt. Wird dieser Schmp. nicht erreicht, löst man in wenig
heißem Benzol, setzt vorsichtig Ligroin zu und läßt erkalten.

5,8-Dioxo-1 A4a,5,8,8a-hexahydro-1,4-methano-naphthalin
(„Cyclopentadienchinon").

O
O
2,8 g (26 mmol) p-Benzochinon werden in 8 ml Benzol suspendiert und mit 3,8 g
(58 mmol) Cyclopentadien (siehe Präparat oben) versetzt. Unter Selbsterwärmung (bis
etwa 6O 0 C) entsteht eine Lösung. Nach 1 h ist das farblose Produkt auskristallisiert.
Man kocht kurz auf dem Dampfbad auf, versetzt mit 8ml Petrolether (Sdp. 40-6O0C)
und läßt abkühlen. Nach Absaugen auf der Nutsche und Waschen des Rückstandes mit
wenig Petrolether erhält man 5,6-5,8 g (87-90%) Addukt mit Schmp. 155-1570C.

3,6-Diphenyl-3,6-dihydrophthalsäure-dimethylester

C6H5 C6H5 CO 2 CH 3 C6H5

C X<^C02CH3
+ 1
C6H5 CO 2 CH 3 C6H5

In einem Ölbad von 15O 0 C werden 1,55g (7,5 mmol) Diphenylbutadien (siehe S. 456)
und 1,16g (8,2 mmol, 1,OmI) Acetylendicarbonsäuredimethylester 5 h erwärmt. Das
Produkt kristallisiert beim Anreiben mit Methanol. Aus heißem Methanol erhält man
2,1 g (78%) gelbliche Prismen vom Schmp. 99 0 C.

Cyclische Dienophile bilden vorzugsweise endo- Produkte. (Die Vorsilben endo und
exo kennzeichnen die geometrische Lage von Substituenten bei bicyclischen Syste-
men vom Typ des Bornans: Stellt man sich das Bornan in einer Kugel eingeschlossen
Reaktivität der Diene 203

vor, ist der Substituent endo-ständig, wenn er sich innerhalb dieser Kugel befindet
und exo-ständig, wenn er aus ihr herausragt.)

,U 2 U 2 M 5
150°

X. CO 2 C 2 H 5

CO 2 C 2 H 5

CO 2 C 2 H 5

OCH, OCH,
H O

Zur Reaktivität läßt sich sehr allgemein feststellen: Ein Dien ist gegenüber einem
elektronenarmen Dienophil (und das sind die meisten, siehe unten) umso reaktions-
fähiger, je elektronenreicher es ist. 2,3-Dimethylbutadien reagiert mit dem als Dieno-
phil besonders beliebten Maleinsäureanhydrid 5 mal rascher als Butadien. Mit dem
unsymmetrischen 2-Methyl-5-methoxy-l,4-chinon reagiert Butadien nur an der elek-
tronenärmeren Doppelbindung.
Elektronenanziehende Substituenten erhöhen die Reaktionsfähigkeit der Dieno-
phile. Ethylentetracarbonitril gehört zu den reaktionsfähigsten, Ethylen zu den am
wenigsten reaktiven Olefinen. Chinone, Malein- und Fumarsäureester, Maleinsäure-
anhydrid liegen (in ansteigender Reihe) dazwischen. Olefine reagieren rascher als
Alkine. N-Arylsubstituierte Imide der Azodicarbonsäure sind die reaktionsfähigsten
Dienophile. Typisch für alle Cycloadditionsprodukte, besonders die der Diensyn-
these ist, daß sie bei höherer Temperatur in die Ausgangskomponenten zerfallen. So
wird Cyclopentadien aus dem stabilen Dimeren, in das es bei Raumtemperatur von
204 Kapitel II. Eliminierung und Addition

selbst übergeht, durch Erhitzen (Destillation) erzeugt. Acrolein dimerisiert zum 2,3-
Dihydropyran-2-carbaldehyd.
O
n

N-Ar Ar = Arylrest

ii
O

HC' CH2
I II
HC, CH-CHO

Mit der Diels-Alder-Reaktion verwandt ist die indirekte substituierende Addition


„enophiler", auch heteroatomarer Doppelbindungen an Olefine mit allylständigem
Wasserstoff. Diese „Enreaktion" liefert zum Beispiel aus Methylencyclopentan und
Maleinsäureanhydrid (Cyclopentenylmethyl)bernsteinsäureanhydrid.

c 006 O

Die Diels-Alder-Reaktion ist bestimmt durch die konzertierte Umwandlung der


beiden rc-Bindungen des Diens (4rc-Elektronen) und der 7i-Bindung des Dienophils
(27r-Elektronen) in zwei ^-Bindungen und eine rc-Bindung des Cycloadditionspro-
duktes - suprafaciale [4 + 2]-Cycloaddition. Die Umwandlung der Edukt-Orbitale
in die Produkt-Orbitale läßt sich durch ein Korrelationsdiagramm darstellen, dessen
Abszisse den Reaktionsablauf und dessen Ordinate die Energie wiedergibt. Bei sym-
metrischer Annäherung der beiden Reaktanden wird jedes der beiden Moleküle durch
die Symmetrieebene m halbiert - das Symmetrieelement m bleibt während des gan-

zen Reaktionsablaufes erhalten. In bezug auf m sind nun die Edukt- und die Produkt-
Orbitale symmetrisch oder antisymmetrisch. Es werden nur Edukt- und Produkt-
Korrelationsdiagramm für die Diels-Alder-Reaktion 205

Orbitale gleicher Symmetrie miteinander korreliert. Dabei ist zu beachten, daß sich
Korrelationslinien gleicher Symmetrie nicht kreuzen können (Kreuzungsverbot).

O
A (o*-o?)

X
X
X
X
X

anti-
bindende

MOs < /--

bindende
\
MOs < S -V 5+ it
\
\
\

\ \
\ \
\ -A-Jf-(O1-O2)
\
\
\
\
\

Wie das Korrelationsdiagramm zeigt, werden nur bindende MOs der Edukte mit
bindenden MOs des Produktes korreliert; die Reaktion ist nach den Woodward-
Hoffmann-Regeln thermisch symmetrieerlaubt.
206 Kapitel II. Eliminierung und Addition

Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man in erster Näherung nur die Wech-
selwirkung zwischen den Grenzorbitalen (frontier orbitals) der Reaktanden betrach-
tet: Die Diensynthese ist danach eine Überlappung des höchsten besetzten MOs
(highest occupied MO, HOMO) des Diens mit dem niedrigsten unbesetzten MO
(lowest unoccupied MO, LUMO) des Dienophils oder umgekehrt. Damit es zur
bindenden Wechselwirkung (Überlappung) kommen kann, müssen die Grenzorbitale
gleiches Vorzeichen besitzen.

Dien HOMO

Dienophil LUMO

Eine thermische Cycloaddition zweier Monoolefine zu Cyclobutanen (suprafaciale


[2 + 2]-Cycloaddition) ist dagegen nicht symmetrieerlaubt. Symmetrieelemente die-
ser Reaktion sind die beiden Spiegelebenen In1 und m 2 .
m,

AA —(of-o$)

Wie das Diagramm zeigt, muß das mit zwei Elektronen besetzte bindende (Ti1 — Tt2)-
Edukt-Orbital mit dem antibindenden (a\ + <rf)-Produkt-Orbital korreliert werden;
[2 + 2]- und [2 + 3]-Cycloadditionen 207

das ist jedoch eine thermisch symmetrieverbotene Reaktion. Erfolgt sie dennoch
(thermisch), dann nur schrittweise über ein biradikalisches oder zwitterionisches Zwi-
schenprodukt. So macht die bei 20O0C schrittweise verlaufende Dimerisation des
Dichlordifluorethylens über das Tetrachlortetrafluorcyclobutan die Synthese des
Cyclobutanrings möglich. Tetrafluorethylen reagiert bei 2250C sogar mit dem wenig
additionsfreudigen Acetylen zu Tetrafluorcyclobuten. Dagegen ist die suprafaciale
[2+ 2]-Cycloaddition photochemisch erzielbar. In diesem Fall sind die Edukt-Orbi-
tale (Ti1 — Ti2) und (TC* + rcf) jeweils mit einem Elektron besetzt, so daß beim Über-
gang in die Produktorbitale eine energetische Kompensation möglich ist. Ein Bei-
spiel für die photochemische Reaktion ist die Dimerisation der kristallographischen
a- und ^-Modifikationen von (trans)-ZimtsäurG zu a-Truxillsäure bzw. jS-Truxill-
säure. Einige weitere Beispiele folgen auf S. 208 und 477.

a-Truxillsäure ß-Truxillsäure
(Kopf-Schwanz-Dimeres) (Kopf- Kopf -Dimeres)

Wichtig für die Synthese von stickstoffhaltigen Fünfringsystemen ist die „1,3-di-
polare Cycloaddition" von Diazoalkanen oder Aziden an Doppel- oder auch Drei-
fachbindungen, die zu 1-Pyrazolinen bzw. Triazolinen führt (siehe Kapitel Hetero-
cyclen). Dabei reagieren die DiazoVerbindungen und Azide als 1,3-Dipol mit einem
Dipolarphil (R. Huisgen), dessen Reaktivität hier angenähert der der Dienophile
gleicht. Der Mechanismus dieser [3 + 2]-Cycloaddition ähnelt dem der Diensynthese,
auch reagiert das Dipolarophil stereospezifisch. Beispiele für solche mesomere 1,3-
Dipole sind:

© _©./ © _ _©_/
N=N-C 4-> N=N-C Diazoalkane

N=N-N-R «-> N=N-N-R Azide


© _e_ e e_
R-C=N-O.! «-» R—C=N-O| Nitriloxide
/7\ S~\ /T\ £\

CP=O-OI <-+ IG.—OH5l °zon

C=N-Ul ^ C—N—O| Nitron

Daneben gibt es instabile Vertreter, die nur in situ erzeugt und umgesetzt werden
können:
208 Kapitel II. Eliminierung und Addition

© _e_ ® e
R-C=N-JSL- <-* R—C=N-JVJ- Nitrilimin
\ I _e \e | e_
C=N-N- <-> C—N—N— Azomethinimin
/ e — /

Zur Photochemie der Alkene

Die thermische ds-fra/w-Isomerisierung von Olefinen ist durch besonders hohe


Aktivierungsenergien ausgezeichnet und findet nicht leicht statt. Durch Licht be-
stimmter Wellenlänge läßt sich aber ein 7c-Elektron der Doppelbindung ins nächst
höhere Orbital anheben (TI —> TU*), wobei es sehr kurzfristig den entgegengerichteten
Spin beibehält (angeregter Singulettzustand) und - nach Spinumkehr - den ange-
regten Triplettzustand herstellt. Hierbei tritt eine vorübergehende Entkopplung der
7i-Bindung ein, so daß m-Olefine durch Bestrahlung in die energieärmeren trans-
Isomeren und umgekehrt umgelagert werden könne. Da isolierte C=C-Bindungen
nur Wellen absorbieren, die kürzer als 200 nm sind, also in einem Gebiet liegen, in
dem wegen der UV-Absorption durch Glas und Lösungsmittel schlecht zu arbeiten
ist, benutzt man leichter und längerwellig anregbare Chromophore, die ihren Tri-
plettzustand auf andere Moleküle übertragen können. Als derartige Sensibilisatoren
sind Carbonylverbindungen geeignet, bei denen die Einstrahlung bei etwa 300 nm
ein nichtbindendes 2p-Elektron des Sauerstoffs auf ein 7U*-MO anhebt (n —> TT*). Der
angeregte Sensibilisator aktiviert seinerseits das Olefin in den Triplettzustand, das
heißt zum spinentkoppelten System.
Bei der Photoreaktion der Olefine geht ein derart angeregtes Molekül mit einem
ni^htangeregten die thermisch symmetrieverbotene [2 + 2]-Cycloaddition zum Vier-
ringsystem ein, so daß beispielsweise aus Butadien in Gegenwart das Sensibilisators
Acetophenon frans-l,2-Divmylcyclobutan (neben wenig m-Isomerem) entsteht.

CH=CH72
CH = CH2 /
H2C=CH' __ H 2 C-C

H 2 C=CH H2C-C/H
XH=CH2 \
CH = CH2

Polymerisation der Alkene

Polymerisation des Styrols

a) Thermische und Radikal-initiierte Polymerisation und deren Inhibierung: Das für die
Versuche benötigte käufliche Styrol wird durch Destillation im Vakuum der Wasserstrahl-
pumpe weitgehend vom Stabilisator befreit und bis zur Verwendung im Kühlschrank
aufbewahrt; Sdp. 36 0 C; 12 Torr. In sauberen Reagenzgläsern werden folgende Proben
durch Schütteln in Lösung gebracht.
Polymerisation des Styrols 209

1.1OmI Styrol
2. 10 ml Styrol + 100 mg Dibenzoylperoxid
3. 10 ml Styrol + 10 mg Hydrochinon
Die mit Korkstopfen locker verschlossenen Reagenzgläser werden 24 h in einen, auf
8O 0 C einregulierten, Trockenschrank gestellt. Nach dem Erkalten, bei dem das Reagenz-
glas manchmal zerspringt (Vorsicht!), läßt sich das unterschiedliche Ausmaß der Poly-
merisation an der Konsistenz erkennen. Probe 1 hat die Viskosität von zähem Honig,
Probe 2 ist glasig erstarrt, Probe 3 ist flüssig geblieben. - Zur Isolierung des Poly-
styrols löst man jeweils 5,0 g der 3 Proben — das Reagenzglas mit der Probe 2 zerschlägt
man zweckmäßig (Schutzbrille!) — in je 25ml Benzol bei Raumtemperatur, was bei
Probe 2 einige Stunden erfordert. Die benzolische Lösung läßt man innerhalb 30 min in
75 ml kräftig gerührtes Methanol eintropfen, wobei sich das in Methanol unlösliche
Polymer ausscheidet. Nach weiterem 2stündigem Rühren läßt man noch 2 h stehen,
filtriert und wäscht gut mit Methanol. Bei dieser Behandlung liefert Probe 1 etwa 1 g
noch zum Verklumpen neigendes Produkt und Probe 2 4,0—4,8 g pulveriges, farbloses
Polymerisat. Probe 3 löst keine Trübung in Methanol aus; schon 0,1 % Hydrochinon ver-
mögen also die thermische Polymerisation völlig zu unterbinden.
b) Polymerisationsgrad und Initiatorkonzentration: Wie oben setzt man folgende Ver-
suche in Reagenzgläsern an:

4. 1OmI Styrol
5. 10 ml Styrol + 10 mg Dibenzoylperoxid
6. 10 ml Styrol + 20 mg Dibenzoylperoxid
7. 10 ml Styrol + 100 mg Dibenzoylperoxid
Nach 6-tägigem Erhitzen im Trockenschrank auf 8O 0 C sind alle Proben zum spröden
Harz erstarrt. Nach Zerschlagen der Gläser (Schutzbrille!) werden die klaren Polymerisate
in der Reibschale zerdrückt. Je 5 g werden in verschlossenem Erlenmeyerkolben in 15ml
kaltem Benzol unter gelegentlichem Umschwenken gelöst. (Man notiere die teilweise
mehrere Tage betragenden Lösungszeiten.) Bei gleicher Einwaage bietet die Viskosität
ein Maß für den Polymerisationsgrad. Die benzolischen Lösungen zeigen in der Folge
von Probe 4 bis Probe 7 eine auffallende Viskositätsabnahme. Daß die Polymerisation bei
den Proben 4—7 nach 6 Tagen bei 8O 0 C so gut wie vollständig abgelaufen ist, läßt sich
leicht zeigen: Je 1 g der Produkte wird in 20 ml Benzol gelöst und wie bei Versuch a)
in kaltes Methanol eingerührt. Man vergleiche die Ausbeuten an Polystyrol.
c) Depolymerisation des Polystyrols: Etwa 1-2 g Polystyrol werden in ein starkwan-
diges Reagenzglas eingebracht; mit Knierohr, Gummistopfen und Saugrohr baut man
sich eine Crack-Apparatur auf. Im Vakuum der Wasserstrahlpumpe erhitzt man das Poly-
styrol mit fächelnder Flamme, wobei sich das Polymerisat aufbläht und das monomere
Styrol abdestilliert. Im gelben Destillat, dessen Geruch durch Brenzprodukte beeinträch-
tigt wird, läßt sich das Styrol durch die Entfärbung von Brom in Chloroform nachweisen.
d) Kationische Polymerisation des Styrols: Je 3 ml Styrol, in 2 Reagenzgläsern, die in
kaltes Wasser eingestellt sind, versetzt man vorsichtig mit einigen Tropfen konz. Schwe-
felsäure oder Borfluoridetherat. An der Viskositätserhöhung läßt sich im Laufe einiger
Minuten die Polymerisation verfolgen. Der exotherme Charakter wird besonders deut-
lich, wenn man die Polymerisation ohne Außenkühlung „durchgehen" läßt. Man führe
210 Kapitel II. Eliminierung und Addition

diesen Versuch nur im 1-ml-Maßstab durch (Schutzbrille und Abzug benutzen; unter
Umständen wird ein Teil der Probe aus dem Reagenzglas herausgeschleudert!). Auch
Perchlorsäure, Aluminiumchlorid, Zinn(IV)-chlorid oder Eisen(lll)-chlorid sind wirksame
elektrophile Katalysatoren der Vinylpolymerisation.

Zu einer Reihe wichtiger Kunststoffe führt die Polymerisation von Olefinen, bei
der durch entsprechende Initiatoren erzeugte Ionen oder Radikale sich an das Olefin
anlagern und die so entstandenen neuen Ionen oder Radikale in vielfacher Wieder-
holung unter Auflösung der Doppelbindung zu Makromolekülen weiter reagieren.
Benannt werden diese Kunststoffe, indem man „Poly" vor den Namen des Mono-
meren setzt (obwohl die Doppelbindung der monomeren Olefine bei der Polymerisa-
tion verlorengeht).
Die elektrophile (kationische) Polymerisation ist anhand der beschriebenen Di-
merisation des Isobutens (2-Methyl-l-propens, S. 194) verständlich, wenn man sich
vorstellt, daß das primär durch Protonenkatalyse entstandene 1,1,3,3-Tetramethyl-
butyliumion mit 2-Methyl-l-propen weiter reagiert. Mit wenig Isopren mischpoly-
merisiert, bildet Isobuten einen wertvollen kautschukartigen Kunststoff Ethylen läßt
sich durch Protonenkatalyse nicht polymerisieren.
Polyethylen, das anfangs nur unter großem Energieaufwand (2000 bar, 25O0C)
radikalisch (O2-Katalyse) hergestellt werden konnte, läßt sich mit Hilfe des von
K. Ziegler entwickelten Koordinationskatalysators aus Titan(IV)-chlorid und AIu-
miniumalkyl - der wahrscheinlich eine ionische Reaktion auslöst - ohne Druck- und
Temperaturerhöhung gewinnen. Im Gegensatz zum Hochdruckpolyethylen besteht
Niederdruckpolyethylen weitgehend aus unverzweigten Makromolekülen (und hat
deshalb einen höheren Schmelzbereich der Kristallite sowie eine größere Dichte). Bei
etwas erhöhtem Druck bis 100 bar wird die Mitteldruckpolymerisation nach dem
Phillips-Verfahren an Schwermetallkatalysatoren auf Trägermaterialien durchge-
führt.
Propylen gibt mit Ziegler-Katalysator ein „isotaktisches" Produkt (Natta), also ein
solches, bei dem die Verzweigungsstellen in den Makromolekülen weitgehend gleiche
Konfiguration haben. Isotaktische Polymere schmelzen höher und sind mechanisch
stabiler als ataktische. Der Einfluß der Stereochemie auf die Eigenschaften der Poly-
meren ist besonders beim Polybutadien augenfällig: Das durch Radikalpolymerisa-
tion aus Butadien erhaltene Produkt, das (wie Guttapercha in der Isoprenreihe, siehe
S. 214) hauptsächlich t rans- (oder E-)Doppelbindungen enthält, gibt durch Vulkani-
sieren (Einbau von Schwefelbrücken durch Erhitzen mit Schwefel) ein wenig elasti-
sches Vernetzungsprodukt, während das mit einem Koordinationskatalysator er-
haltene einen elastischen „Gummi" liefert.
Typen der Polymerisation 211

Die anionische Polymerisation, das Gegenstück zur geschilderten kationischen,


verlangt entsprechend dem nucleophilen Charakter der C=C-Bindung stark elek-
tronenspendende Hilfsmittel, wie zum Beispiel Alkalimetalle. Mit Natrium wird das
ohnehin reaktionsfähigere konjugierte 1,3-Dien zum Radikalanion, das — vielleicht
nach Absättigung der Radikalstelle durch ein weiteres Natriumatom oder nach
Dimerisierung — die Additionskaskade in Gang setzt.

H2C=CH-CH=CH2 + Na > H2C-CH-CH-CH2*


NaT

Mit Natrium ist Butadien erstmalig technisch zum künstlichen Kautschuk „Buna"
polymerisiert worden. Da hierbei 1,2- und 1,4-Addition, sowie Addition an die iso-
lierten Doppelbindungen des entstehenden Polymeren unkontrolliert nebeneinan-
der herlaufen, hatte das Produkt nach Vulkanisierung nicht die idealen elastischen
Eigenschaften des natürlichen Polyisoprens. - Mit Alkali-organischen Verbindungen
(beispielsweise Butyllithium oder Natriumnaphthalinid) läßt sich die anionische
Polymerisation der Olefine leicht starten.
Zur radikalischen Polymerisation erzeugt man im unverdünnten, gelösten, sus-
pendierten oder emulgierten Monomeren, beispielsweise durch Erhitzen von Di-
benzoylperoxid oder Azobis(isobuttersäurenitril) Startradikale. Diese lagern sich
an die (elektronenreichere Stelle der) Doppelbindungen an und erzeugen dadurch
neue Radikale. Bei unsymmetrischen Olefinen wird vorwiegend, aber nicht aus-
schließlich das Radikal gebildet, das die größere Stabilität hat, also aus Propen
Isopropyl, aus Styrol a-Benzyl.

C.H.CO—O—O—COC«H 2C 6 H 5 - + 2CO 2

CH,
N=C-C-N =N—C-C=E N
I I
CH3 CH3

Fortlaufend weitere Addition erzeugt lange Kettenmoleküle, deren Wachstum etwa


durch Kombination zweier Radikale oder durch Radikalübertragung (siehe unten)
oder durch Zugabe von Radikalfangern (Reglern) oder durch Aufbrauchen des Mono-
merenvorrats beendet wird. Das Fortschreiten der Polymerisation läßt sich anhand
der zunehmenden Viskosität der Lösung verfolgen. Durch absichtliches Stoppen so-
wie durch die Bemessung des Initiators läßt sich die durchschnittliche Kettenlänge
der Makromoleküle einstellen. Je mehr Initiator vorhanden ist, desto mehr Ketten
kommen gleichzeitig zum Wachsen, auf die sich die Monomerenmenge verteilt. Bei
einem Verhältnis von einem mol Initiator auf 1000 mol Monomer beträgt der Poly-
merisationsgrad nach der Theorie 1000.
212 Kapitel II. Eliminierung und Addition

Tatsächlich sind die durch Polymerisation oder Polykondensation erhaltenen


makromolekularen Substanzen keineswegs - wie einige natürliche Makromoleküle
(Proteine, Nuleinsäuren) - von einheitlicher Molekülgröße, sondern bilden Popula-
tionen von Molekülen verschiedener Größe, polydisperse Systeme, die durch ihre
Durchschnittsmolekülmassen charakterisiert sind. Benutzt man hierzu eine Methode,
die die eingebrachten Moleküle zählt, wie Osmometrie oder Endgruppenbestimmung,
erhält man einen Mittelwert der Molekülzahl, das „Zahlenmittel" Mn. Methoden,
durch die die individuellen Molekülgrößen proportional gemessen werden wie Licht-
streuung, Viskosimetrie oder Gelchromatographie liefern dagegen das „Gewichts-
mittel" Mw. Mn und Mw klaffen desto weiter auseinander je polydisperser das
System ist; ist es völlig einheitlich, stimmen beide überein.
Uneinheitlichkeit der Polymeren kommt, außer durch die erwähnten Molekular-
massenunterschiede und die nicht ausschließlich ablaufende „Kopf-Schwanz"-Addi-
tion auch dadurch zustande, daß eine Radikalkette mit einer zweiten unter Radikal-
übertragung reagiert und so an dieser eine neue Radikalstelle erzeugt. Diese kann
zum Startpunkt einer neuen Kette werden, so daß Verzweigungen entstehen. Ab-
sichtlich kann man solche Stellen zum Aufpropfen von Ketten anderer Zusammen-
setzung benutzen.

H
I
R-CH 2 -CH-CH 2 -CH + R-CH 2 -C-CH 2 - • • • • —

R-CH 2 -CH-CH 2 -CH 2 + R-CH 2 -C-CH 2 - ••••

Trifft die Seitenkette auf eine analoge Radikalstelle einer zweiten Kette, so kommt
es zur Vernetzung.

H2C = C-CH 3
I
C• O=C-O-CH 2

C O=C-O-CH2
I
H7C = C-CHo

Um definiert vernetzte Polymere zu erhalten, versetzt man die Monomeren mit


speziellen Vernetzungsreagenzien wie 0-Divinylbenzol oder Ethylen- bis (2-methyl-
acrylsäureester), die zwei polymerisationsfähige C=C-Bindungen enthalten. (Ver-
netzung ohne Vernetzungsreagenzien ist durch y-Strahlung möglich, die Radikal-
stellen erzeugt). Vernetzte Polymere sind nicht mehr thermoplastisch und in keinem
Solvens löslich, also auch nicht als Lösungen formbar oder spinnbar; sie quellen nur,
je nach Vernetzungsgrad, mehr oder weniger stark.
Die folgende Tabelle enthält einige der wichtigsten vinylpolymeren Kunststoffe.
Terpene 213

Monomer Polymer (Handelsname)


Eigenschaften und Verwendungszweck
Polyethylen. Durchscheinend, wachsartig; Plastiktüten, unzerbrechliche
Schalen, Flaschen, Eimer (Baylon, Hostalen, Lupolen).
Polystyrol. Glasklar hart oder feingeschäumter Isolierstoff (Styropor);
vernetzt, Basis für Ionenaustauscher (siehe S. 84).

Polyvinylchlorid (PVC). Harte Folien; mit Weichmachern weiche Folien


und Schläuche.
H2C=C-CO2C2H5
Polymethacrylat. Glasklar hart; Kunstglas (Plexiglas).
CH3

=CH- Polyvinylacetat. Klebstoffe, Lacke, Folien.

H2C=CH-CN Polyacrylnitril. Textil-Fasern (Orion, Dralon).

H2C=CH-CONH2 Polyacrylamid. Vernetzt mit Methylenbis(acrylamid). Träger für Gelelek-


trophorese (siehe S. 103).

x Polytetrafluorethylen (Teflon). Chemisch und thermisch sehr resistent;


widerstandsfähige Maschinenteile, Antihaftüberzüge von Kochtöpfen und
Bratpfannen.

Einige der Monomeren weisen erhebliche Toxizität auf.

Terpene

Der aus verschiedenen Wolfsmilchgewächsen, vor allem dem Kautschukbaum (Hevea


brasiliensis), gewonnene natürliche Kautschuk depolymerisiert bei der trockenen
Destillation zu 2-Methyl-l,4-butadien (Isopren). Umgekehrt läßt sich Isopren - das
auch aus den C5-Schnitten der Naphthaspaltung oder synthetisch durch Crackung
von 2-Methyl-l-penten, dem Dimerisierungsprodukt des Propens, oder aus Kalium-
acetylid und Aceton gewonnen werden kann - mit Hilfe von Katalysatoren zu
Kautschuk polymerisieren. In der Natur wird der Kautschuk wie alle Terpene enzy-
matisch aus Essigsäure über Mevalonsäure aufgebaut. Aus dieser bildet sich der
Pyrophosphorsäureester des 3-Methyl-3-butenols (Isopentenylpyrophosphat), der
sich teilweise zu 3-Methyl-2-butenyl-pyrophosphat (Dimethylallylpyrophosphat) iso-
merisiert. Isopentenyl-pyrophosphat verdrängt dann mit der Doppelbindung als
Nucleophil das Pyrophosphat aus dem Dimethylallylpyrophosphat (F.Lynen). Durch
stereospezifisch gezielte Markierung einzelner Wasserstoffatome mit Deuterium oder
Tritium ließ sich zeigen, daß alle Reaktionen durch enzymatische Kontrolle unter
Einhaltung strenger sterischer Kriterien ablaufen. In den meisten Zellen werden da-
bei trans-(oder £"-)konfigurierte Doppelbindungen ausgebildet, wie bei der Reaktion
zu Geranylpyrophosphat (Monoterpen) und seiner Umsetzung mit einem weiterem
Molekül Isopentenylpyrophosphat zu Farnesylpyrophosphat (Sesquiterpen). Die
Enzyme von Hevea brasiliensis steuern die Aneinanderreihung von etwa 5000 Iso-
214 Kapitel II. Eliminierung und Addition

preneinheiten durch Anknüpfen von Isopentenylpyrophosphat jedoch so, daß alle


Doppelbindungen des Kautschuks cw-(oder Z-) konfiguriert sind. Das ebenfalls
natürlich vorkommende a\l-trans-(odGr E-)Polymer Guttapercha ist im Gegensatz
zu Kautschuk nicht elastisch.

OH
OPP OPP
'OH H+ 11
Mevalonsäure Isopentenylpyro- Dimethylallyl -
phosphat pyrophosphat

COPP C OPP "OPP


Geranylpyrophosphat

"OPP
Farnesylpyrophosphat Kautschuk

Außer dem Kautschuk leiten sich zahlreiche andere Naturstoffe vom Isopren ab;
sie werden als Oligomerisierungs- und Cyclisierungsprodukte unter dem Namen
Terpene zusammengefaßt, von denen hier nur einige wichtige aufgeführt werden
sollen: Geraniol ist Ausgangsstoff für die cyclischen Naturstoffe Limonen, Menthol,
a-Pinen und Campher. Der Farnesylrest liegt dem Azulengerüst zugrunde; sein
Dimerisierungsprodukt Squalen leitet über Lanosterol in die Klasse der Steroide
über. Dehydrierung von Squalen führt zu den Carotinoiden, deren Hauptvertreter
ß-Carotin in der Mohre vorkommt; Vitamin A1 ist der Alkohol des halben Moleküls.

Geramiol Menthol a - Pinen Campher

ß-Carotin
(Vitamin A 1

Azulengerüst
Herstellung und Reaktionen der Alkine 215

Alkine

Phenylacetylen

C 6 H 5 CHBrCH 2 Br _*° > C 6 H 5 C=CH

In einer Rückflußapparatur werden 24 g (0,43 mol) Kaliumhydroxid in 24 ml heißem


Methanol gelöst. Die Lösung wird gut gerührt, unter Rückfluß gekocht und mit kleinen
Portionen von insgesamt 24g (0,09 mol) Styroldibromid (siehe S. 192) versetzt. Man
läßt noch etwa 30 min sieden, dann abkühlen und versetzt mit 100 ml Wasser. Die
organische Schicht wird abgetrennt, die wässerige einmal mit etwa 150 ml Ether ausge-
schüttelt. Die vereinigten organischen Lösungen werden über Magnesiumsulfat ge-
trocknet. Der Ether wird über eine Vigreux- Kolonne abdestilliert und der Rückstand im
Vakuum destilliert. Die bei 63— 66 0C/ 40 Torr übergehende Fraktion besteht aus 5,5g
(59%) Phenylacetylen.

Vinylacetat
HC=CH + CH 3 CO 2 H —HgS°4 > H2C=CH-O-CO-CH3
In einem Dreihalskolben mit Gaseinleitungsrohr, Rührer und nachgeschalteter Kühl-
falle werden 10OmI Eisessig und 4 g feinst pulverisiertes HgSO4 vorgelegt. Der Reak-
tionskolben taucht in ein Wasserbad von 7O 0 C ein, die Kühlfalle befindet sich in einem
mit Trockeneis/Methanol gefüllten Dewar-Gefäß (ca. -7O 0 C). Unter heftigem Rühren
leitet man trockenes Acetylen in kräftigem Strom durch das Reaktionsgefäß (zwischen
C 2 H 2 -Stahlflasche und Apparatur wird eine Waschflasche mit SOproz. KOH, ein Trok-
kenturm mit CaCI2 sowie ein Hg -Überdruckventil geschaltet.) Das gebildete Vinylacetat
wird vom Acetylen mitgerissen und in der Kühlfalle kondensiert. Das überschüssige
Acetylen leitet man in den Abzug. Bei zu schwachem C 2 H 2 - Strom bleibt das Vinylacetat
zu lange im Reaktionsraum und bildet dort unter weiterer Anlagerung von Essigsäure
Ethylidendiacetat. Nach etwa 3 h befinden sich in der Vorlage 25—30 ml Vinylacetat, das
durch fraktionierende Destillation gereinigt wird. Nach geringem Vorlauf geht das
Vinylacetat bei 74-760C über.

Versuch: Herstellung von Polyvinylacetat - In einer kleinen Rückflußapparatur


werden 10 ml (nötigenfalls durch Ausschütteln mit Wasser und anschließende Destilla-
tion vom Stabilisierungsmittel befreites) Vinylacetat, 100 mg Dibenzoylperoxid und 2-3
Tropfen Wasser unter Rückfluß gekocht. Nach etwa 1 h ist der Kolbeninhalt zu einer
zähen Masse erstarrt.

Acetophenon aus Phenylacetylen

C 6 H 5 C=CH + H2O ^4 > C 6 H 5 COCH 3

20,4 g (0,2 mol) Phenylacetylen werden langsam unter Umschütteln zu einer warmen
216 Kapitel II. Eliminierung und Addition

Lösung von 5g (17mmol) Quecksilber(ll)-sulfat in der Mischung aus 10OmI Wasser


und 10 ml konz. Schwefelsäure gegeben. (Der dabei ausfallende gelbliche Niederschlag
wird allmählich flüssig.) Man fügt 30 ml Methanol zu und rührt 3 h bei 6O 0 C. Nach Ab-
kühlenlassen wird mit 100 ml Wasser versetzt, 3 mal mit je 100 ml Ether ausgeschüttelt
und die Etherlösung mit Na2SO4 getrocknet. Der Ether wird abdestilliert und der Rück-
stand (19,8g) destilliert. Die bei 82-850C/ 10 Torr übergehende Fraktion besteht aus
16,7g (69%) Acetophenon.

In logischer Fortsetzung der Alkensynthese aus Halogenalkanen führt die zwei-


fache Eliminierung von Halogenwasserstoff aus vicinalen Dihalogeniden (welche
zum Beispiel durch Addition von Halogen an Olefine gewonnen werden können)
oder aus geminalen Dihalogeniden (welche zum Beispiel aus Ketonen mit Phosphor-
halogeniden gewonnen werden können) zu Alkinen.
H H
I I
—C—C— —
I I
Cl Cl

X
Cl H c/
—C—C—
I I
Cl H

In beiden Fällen bildet sich zunächst ein Monohalogenolefin. Die /?-Eliminierung


des viel reaktionsträgeren vinylgebundenen Halogens erfordert starke Basen (zum
Beispiel Alkoxide) und höhere Temperaturen. Aus cw-(oder Z-)Halogenolefinen er-
folgt die fratts-Eliminierung um ein vielfaches rascher als die ds-Eliminierung, bei
der Synthese des Phenylacetylens aus den stereoisomeren jS-Bromstyrolen beispiels-
weise 200000mal so schnell. (Die Differenz der freien Aktivierungsenergien von cis-
(Z)- und trans(E)-Styrylbromid beträgt 31 kJ/mol (7,4 kcal/mol).

C6H5 Br C6H5, ,H
V_~/ Av = 2 105
> C6H5-C=
X
H H H Br
eis (oder Z) trans (oder E)

Entsprechend einer Alkensynthese können Alkine auch durch doppelte Halogen-


abspaltung von a,a',/?,/?'-Tetrahalogenalkanen (die allerdings schwieriger zu gewin-
nen sind) mit Metallen erhalten werden.

+2Zn
> Alkin + 2ZnCI2
Eigenschaften der Alkine 217

Acetylen selbst, das wichtigste Alkin, ist leicht aus Calciumcarbid und Wasser
oder in steigendem Maße durch Hochtemperaturpyrolyse (> 140O0C) von Kohlen-
wasserstoffen zugänglich. Das polymere Calciumcarbid (CaC=C)n wird durch Ver-
schmelzen von Koks und gebranntem Kalk im Lichtbogen (140O0C) erzeugt.
Alle Alkine sind exotherme Verbindungen, die sich bei hinreichender Temperatur-
erhöhung (Aktivierungsenergie) an der C=C-Bindung spalten (HC=CH —> 2 C +
H 2 + 226 kJ (= 54 kcal). Acetylen und seine Monosubstitutionsprodukte sind CH-
acide (siehe S. 337). Acetylen bildet mit Ag+ und Cu+ schwerlösliche Salze, für syn-
thetische Zwecke sind auch die Natrium- und Lithiumsalze von Bedeutung, ebenso
die Grignard-Verbindungen (siehe S. 436).
Die Acidität des mit dem C=C-Kohlenstoff verknüpften Wasserstoffs rührt von
der sp-Bindung her, generell werden Wasserstoffe an Bindungen mit steigendem
s-Anteil acider.
Das Acetylidanion ist nicht so nucleophil wie gesättigte Carbanionen. Die rc-Elek-
tronen der C=C-Bindung sind weniger nucleophil als die der C=C-Bindung. Die
vorwiegend elektrophilen Additionen verlaufen langsamer als an der Doppelbindung
und führen primär zu Olefmen (Vinylierung). Mit starken Basen sind auch nucleo-
phile Additionen möglich:

HC=CH + ROH (als RO') > RO-CH=CH2 Vinylether


HCN (als CN-) > CH2=CH-CN Acrylsäurenitril

NH > [ N— CH=CH2 /V-Vinyl-


pyrrolidon

(Hg
H3C-CO2H ^} > H2C=CH-OCOCH3 Vinylacetat

HC| (HB-.200-C) ^ H2C-CH-CI Vinylchlorid

Die durch Quecksilberionen katalysierte Vinylierung der Essigsäure wird im Prä-


parat S. 215 experimentell durchgeführt und die Polymerisation des Vinylacetats im
Versuch gezeigt. Die Addition von HCl kann weiter zum 1,1-Dichlorethan führen.
Vinylchlorid wird besser aus Ethylen und Chlor über 1,2-Dichlorethan mit nach-
folgender /?-Eliminierung von HCl hergestellt.
Vinylpyrrolidon läßt sich zu einem wasserlöslichen makromolekularen Produkt
(Polyvinylpyrrilodon) polymerisieren, das als Eiweißersatz bei Blutinfusionen dient.
Mit Wasserstoff in Gegenwart der üblichen Metallkatalysatoren wird die Drei-
fachbindung völlig hydriert. Mit Bleiacetat desaktiviertes Palladium auf Calcium-
carbonat (Lindlar-Katalysator, siehe S. 547) ermöglicht stereospezifische partielle
c/s-Addition zum Alken. Mit Natrium inflüssigemAmmoniak oder - in besonders
218 Kapitel II. Eliminierung und Addition

Chlor addiert sich an Acetylen zu Tetrachlorethan, aus dem durch Kochen mit
Lauge Trichlorethylen hergestellt werden kann.
Die Addition von Wasser an Acetylen führt zu Acetaldehyd; sie gelingt nur in An-
wesenheit eines Quecksilbersalzes in saurer Lösung. Die hierbei abgeschiedene Zwi-
schenverbindung, ein Derivat des Vinylalkohols, wird zu Acetaldehyd hydrolysiert.
In technischen Prozessen wirkt das Quecksilbersalz katalytisch, da die Zwischen-
verbindung laufend gespalten wird. Methylacetylen gibt bei analoger Umsetzung
Aceton, Phenylacetylen Acetophenon (Präparat S. 215). Die Anlagerung erfolgt also
nach der Markownikowschen Regel.
Die Ausarbeitung von Methoden zum gefahrlosen Arbeiten mit Acetylen unter
Druck hat seine technische Verwendung möglich gemacht (W. Reppe). Außer der ge-
nannten Vinylierungsreaktionen spielt auch die Ethinylierung, das ist die Anlagerung
des Alkins als Acetylid an elektrophile Atome eine große Rolle. So erhält man in
Gegenwart von Cu(I)-Salzen mit Formaldehyd Propargylalkohol, HC=C-CH2OH
und 2-Butin-l,4-diol, HOCH2-C=C-CH2OH sowie (mit Acetylen als elektro-
philem Partner) Vinylacetylen, H2C=CH-C=CH.
Über Nickel-haltigen Katalysatoren entsteht unter Cyclisierung aus drei Mole-
külen Acetylen Benzol (das schon Berthelot in winzigen Mengen beim Erhitzen von
Acetylen auf 400—50O0C erhalten hatte), aus 4 Molekülen entsteht Cyclooctatetraen,
ein gelbes Polyen, dessen Doppelbindungen sich aus Ringspannungsgründen nicht
in einer Ebene anordnen und deshalb nicht überlappen können, und aus 5 Mole-
külen unter anderem der Grundkörper der Naturstoffklasse der Azulene.

Mehrfache Alkine erhält man durch oxidative Kupplung, z. B. Schütteln der Cu(I)-
acetylide mit Sauerstoff. Natriumacetylid gibt mit lod Diacetylen, 1,3-Butadiin,
HC=C-C=CH.
Acetylenderivate kommen auch in Mikroorganismen und Pflanzen vor. Hier findet
man sogar solche mit bis zu fünf konjugierten Dreifachbindungen, die zusätzlich eine
oder mehrere Doppelbindungen, auch kumulierte enthalten können. - „Konjugierte"
Dreifachbindungen, auch solche mit Doppelbindungen, verhalten sich im übrigen
nicht wie konjugierte Diene (Delokalisation von Elektronen, 1,4-Addition usw.).

Weiterführende Literatur zu Kapitel Il

A.C. Cope und E. R. Trum bull, Olefins from Amines: The Hofmann Elimination Reaction and
Amine Oxide Pyrolysis, Org. React. 11, 317 (1960).
CH. De Puy und R.W. King, Pyrolytic cis-Eliminations, Chem. Rev. 60, 431 (1960).
Weiterführende Literatur zu Kapitel II 219

H. R. Nace, The Preparation of Olefins by the Pyrolysis of Xanthates. The Chugaev Reaction,
Org. React. 12, 57 (1962).
F. Gunstone, Hydroxvlation Methods, Adv. Org. Chem. /, 103 (1960).
M. Schröder, Osmium Tetraoxide Cis Hydroxylation of Unsaturated Substrates. Chem. Rev.
80, 187 (1980).
M. J. S. Dewar und R. C. Fahey, Die polare Addition von Halogenwasserstoffen an Olefine,
Angew. Chem. 76. 320 (1964).
F. W. Stacey und J. F. Harris jr., Formation of Carbon-Hetero Atom Bonds by Free Radical Chain
Additions to Carbon-Carbon Multiple Bonds, Org. React. 13, 150 (1963).
S. Schuster, Die Oxosynthese, Fortschr. Chem. Forsch. 2, 311 (1951).
L. Horner und E. H. Winkelmann, N-Bromsuccinimid, Eigenschaften und Reaktionsweisen,
Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 98,
Verlag Chemie, Weinheim 1961; Angew. Chem. 71, 349 (1959).
C. Djerassi, Brominations with N-Bromosuccinimide and Related Compounds, Chem. Rev. 43,
271 (1948).
W. E. Parham und E. E. Schweizer, Halocylcopropanes from Halopropanes, Org. React. 13, 55
(1963).
E. V. Dehmlow, Phasentransfer-katalysierte Zweiphasenreaktionen in der präparativen Orga-
nischen Chemie, Angew. Chem. 86, 187 (1974).
E.V. Dehmlow, Fortschritte der Phasentransfer-Katalyse, Angew. Chem. 89, 521 (1977).
J. Dockx, Quaternary Ammonium Compounds in Organic Synthesis, Synthesis 1973, 441.
R. B. Woodward und R. Hoffmann, Die Erhaltung der Orbitalsymmetrie, Angew. Chem. 81, 797
(1969).
I. Fleming, Frontier Orbitals and Organic Chemical Reactions, J. Wiley and Sons, London 1976.
M. und W. Günzl, Zur Entwicklung der Dien-Synthese, Kurt Alder zum Gedächtnis, Angew.
Chem. 72, 219 (1960).
J. Sauer, Diels-Alder-Reaktionen, Angew. Chem. 78, 233 (1966); 79, 76 (1967).
M. C. Kloetzel, The Diels-Alder-Reaction with Maleic Anhydride, Org. React. 4, l (1948).
H. L. Holmes, The Diels-Alder-Reaction, Ethylenic and Acetylenic Dienophiles, Org. React. 4,60
(1948).
L. W. Butz und A. W. Rytina, The Diels-Alder-Reaction, Quinones and Other Cyclenones, Org.
React. 5, 136 (1949).
K. Alder, Die Methode der Diensynthese, Neuere Methoden der präparativen organischen
Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 251, Verlag Chemie, Weinheim 1963.
J. Sauer und R. Sustmann, Mechanistische Aspekte der Diels-Alder-Reaktion: Ein kritischer
Rückblick, Angew. Chem. 92, 773 (1980).
R. Huisgen, 1,3-Dipolare Cycloadditionen, Angew. Chem. 75, 604 (1963).
R. Huisgen, Kinetik und Mechanismus 1,3-Dipolarer Cycloadditionen, Angew. Chem. 75, 742
(1963).
H. Stetter, Ketone durch Hydratisierung von Alkinen und Alkenen, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 816, Thieme, Stuttgart 1973.
R. J. Thomas, K. N. Campbell und G. F. Hennion, Catalytic Hydration of Alkylacetylenes, J. Am.
Chem. Soc. 60, 718 (1938).
III. Aromatische Substitution, I,

Experimente:

Brombenzol
/?-Dibrombenzol
Versuch: Hydrolysebeständigkeit von Brombenzol
2,4,6-Tribromanilin
Versuch: 2,4,6-Tribromphenol
Versuch: 2,4,4,6-Tetrabrom-2,5-cyclohexadienon
Nitrobenzol
w-Dinitrobenzol
l-Chlor-2,4-dinitrobenzol
1-Nitronaphthalin
o- und /7-Nitrophenol
Af,N-Dimethyl-/?-nitrosoanilin
Natriumbenzolsulfonat
Benzolsulfochlorid
Versuch: Benzolsulfonamid
p -Toluolsulfonsäure
Natrium-naphthalin-2-sulfonat
2,4,6 -Trinitrophenol (Pikrinsäure)
Versuch: Herstellung von Pikraten
Versuch: Herstellung von Komplexen mit 1,3,5-Trinitrobenzol
Versuch: Komplexe mit Ethylentetracarbonitril
2,4-Dinitro-l-naphthol-7-sulfonsäure
Benzol als Aromat 223

Ml. Aromatische Substitution, I.

Der aromatische Zustand

Das n-Elektronenmodell der Doppelbindung konjugiert ungesättigter Kohlenwasser-


stoffe (siehe S. 195) läßt sich zum Verständnis des aromatischen Zustands heran-
ziehen, indem man annimmt, daß sich im Bindungsgerüst des Benzols drei Ethylen-
Strukturelemente zu einem Ring zusammengeschlossen haben. In dem so entstande-
nen ebenen Gerüst mit Bindungswinkeln von 120° sind die a-Bindungen aller 6 Koh-
lenstoffatome sp2-hybridisiert. Den beiden nachstehend wiedergegebenen Kekule-
Formeln des Benzolkerns entsprechen 2 Elektronenformeln, in denen sich die 6 pz-
Orbitale paarweise in n -Wechselwirkungen befinden.

Es liegt im Wesen der exzentrischen Überlappung der rc-Elektronen, daß diese in


konjugiert ungesättigten Systemen nicht nur wie beim Olefin paarweise in Wechsel-
wirkung treten; vielmehr geht jedes pz-Elektron mit seinen beiden Nachbarn Bin-
dungsbeziehungen ein. Alle 6 rc-Elektronen des Benzolkerns verschmelzen zu einer
gemeinsamen „n-Wolke".

Dieser Grundzustand des Benzols läßt sich nicht mehr mit Bindungsstrichen wie-
dergeben. (Zuweilen kennzeichnet man daher die n-Wolke durch einen einbeschriebe-
nen Kreis. Wir benutzen im folgenden weiterhin die Schreibweise von Kekule und
sind uns bewußt, daß wir damit nur eine der mesomeren Grenzformeln formulieren.)
Das Übereinanderprojizieren der beiden Grenzformeln führt zu einem Bild des meso-
meren Grundzustands.
Der Mesomeriebegriff (C. K. Ingold, 1933) hat sich für die qualitative Diskussion
der statischen und dynamischen Aspekte organischer Moleküle als sehr fruchtbar er-
wiesen. Folgende Richtlinien schützen vor einer mißbräuchlichen Verwendung:
224 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

1. Mesomerie ist nur möglich zwischen Grenzformeln, die fast die gleiche Lage der
Atomkerne besitzen und sich im wesentlichen in der Verteilung der Bindungs-
elektronen unterscheiden. (Die Einschränkung „fast" ist durch die unterschied-
lichen Bindungslängen von Einfach- und Doppelbindung in den Grenzstrukturen
begründet).
2. Die Mesomerieenergie ist umso größer, je ähnlicher die Energieinhalte der fiktiven
Grenzformeln sind. (Zum Energieinhalt gelangt man näherungsweise, wenn man
die Energie der Bindungen addiert; zu beachten ist jedoch, daß Ladungstrennung
das Energieniveau einer zwitterionischen Grenzformel anhebt.)
3. Mesomerie tritt nicht zwischen Grenzformeln auf, die sich in der Zahl ungepaarter
Elektronen unterscheiden.
4. Mesomere Systeme müssen eben gebaut sein, damit die Wechselwirkung der TC-
Elektronen maximal ist. (Die Mesomerieenergie nimmt mit cos2 a ab, wenn mit a
der Winkel bezeichnet wird, um den zwei Teilstücke eines konjugierten Systems
gegeneinander verdreht sind.)
Zur Darstellung mesomerer Strukturen zeichnet man die Grenzformeln, die den
tatsächlichen Zustand der Verbindung gemeinsam umschreiben, und verbindet sie
jeweils durch einen Pfeil mit doppelter Spitze (<->).
Resonanz ist die im amerikanischen Schrifttum eingeführte Bezeichnung für das
gleiche Phänomen. Dieser Begriff wird nicht nur zur Beschreibung ungesättigter
Systeme verwendet, sondern geht über den der Mesomerie noch hinaus. Resonanz
kennzeichnet bereits die Wechselwirkung der Bindungselektronen einer Kovalenz
im quantenmechanischen Näherungsverfahren.
Die über die paarweise Bindung hinausgehende n -Wechselwirkung im Benzol-
system bringt einen weiteren Gewinn an Bindungsenergie. Ein gedachtes Cyclohexa-
trien ohne Konjugation sollte beim Sättigen mit Wasserstoff Hydrierungswärme lie-
fern, die dem Dreifachen derjenigen des Cyclohexens (119,6 kJ/mol = 28,6 kcal/mol)
entspricht. Statt mit 358,8 kJ/mol (= 85,8 kcal/mol) ist die Hydrierungswärme des
Benzols jedoch nur mit 208,2 kJ/mol = 49,8 kcal/mol exotherm. Der Grundzustand
des Benzols ist somit um 150 kJ/mol = 36 kcal/mol energieärmer als der des fiktiven
Sechsrings mit drei isolierten Doppelbindungen. Diese zusätzliche Bindungsenergie
wird als Mesomerieenergie oder Resonanzenergie des Benzols bezeichnet. Sie zeigt
anschaulich die zusätzliche Stabilisierung des Grundzustandes.

150 kj/mol

Statt abwechselnd Bindungen mit 148pm (1,48Ä) (für die C—C-Bindung) und
134 pm (1,34 Ä) (für die C=C-Bindung) hat das Benzol gleiche CC-Bindungslängen;
die Elektronenbeugung am Benzoldampf sowie die Röntgen-Strukturanalyse des
andere 6-Ring-Aromaten 225

kristallisierten Benzols ergaben eine 6-zählige Symmetrieachse mit einem CC-Ab-


stand von gleichmäßig 139 pm (1,39 Ä).
Außer Benzol sind auch andere cyclische oder polycyclische Verbindungen mit
konjugiertem Ti-Elektronensystem (nicht jedoch alle) resonanzstabilisiert und zeigen
mehr oder weniger ausgeprägt dessen typisches Reaktionsverhalten. Man faßt alle
diese Verbindungen unter dem Begriff aromatisch zusammen.
Im Gegensatz zum Benzol sind in anderen Aromaten die cyclischen Bindungen
meistens nicht gleichwertig. In den drei wichtigsten, gleichberechtigten Grenzformeln
des Naphthalins ist die 1,2-Bindung 2mal, die 2,3-Bindung dagegen nur einmal Dop-
pelbindung. Tatsächlich spiegeln die experimentell ermittelten Bindungslängen ent-
sprechend starke Unterschiede im Doppelbindungscharakter der Bindungen wieder.
Diese Unterschiede sind im Anthracen noch etwas ausgeprägter.

Der aromatische Charakter bleibt erhalten, wenn eine oder mehrere CH-Grup-
pen des Benzols oder polycyclischer Aromaten gegen Stickstoffoder gegen Oxonium-
Sauerstoff ausgetauscht sind. Im Pyridin steht ein freies Elektronenpaar am N noch
für die Salzbildung zur Verfügung.

H H H
H H
ri
H^tXH
"CT
H^N^H
"CT
H^^H

Benzol Pyridin Pyrylium-Ion

Additionsreaktionen und Hydrierungswärme zeigen, daß Cyclooctatetraen keinen


aromatischen Charakter hat (siehe S. 218). Schon der nicht ebene Bau (Wannen-
form) - ein ebener regulärer Achtring würde mit Bindungswinkeln von 136° zu stark
gespannt sein - genügt, ein Verschmelzen zu einer gemeinsamen n -Wolke zu verhin-
dern. Außerdem ist im Rahmen des M O-Verfahrens der aromatische Charakter an
das Vorhandensein von (4 n + 2) 7c-Elektronen gebunden (Hückel-Regel), eine Be-
dingung, die das Cyclooctatetraen mit 8 rc-Elektronen nicht erfüllt.
226 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Cyclooctatetraen 18-Annulen 1,6 -Methanocyclodecapentaen

Bei Erweiterung des konjugierten Ringsystems kommt man zu „Annulenen", die


der Hückel-Regel genügen, zum Beispiel das 18-Annulen (18 = 4 - 4 + 2 rc-Elektro-
nen). Cyclodecapentaen, ein „gespaltenes" Naphthalin, kann wegen der sich im Raum
störenden H-Atome in l- und 6-Stellung keine ebene Form annehmen, wohl aber,
wenn diese durch die Methanobrücke ersetzt sind (E. Vogel).
Außer an den weiter unten behandelten charakteristischen elektrophilen Substitu-
tionsreaktionen erkennt man aromatische Verbindungen an den zu tiefem Feld ver-
schobenen NMR-Signalen der an die Aromaten gebundenen Wasserstoffkerne. Das
Magnetfeld induziert in aromatischen Verbindungen Ringströme, die die benach-
barten Protonen gegenüber dem äußeren Feld magnetisch entschirmen. Während
die Signale der olefmischen Protonen bei 5,3 ppm, bezogen auf Tetramethylsilan als
Standard, erscheinen, liegen die des Benzols bei 7,3 ppm. Im Bereich von 7 bis 9,5 ppm
finden sich auch die Signale der anderen hier genannten Aromaten, während das
Signal des Cyclootatetraens als Singulett bei 5,8 ppm erscheint.
Das eben gebaute Cyclobutadien entspricht nicht der Hückel-Regel (47i-Elektro-
nen), es ist nicht nur nicht aromatisch, sondern offenbar weniger stabil, als ein cycli-
sches Dien sein sollte (,Antiaromat"). Die Grundverbindung kann nur bei tiefer Tem-
peratur in einer Matrix erhalten werden. Das 5gliedrige Cyclopentadienidion ver-
fügt wie das Benzol über ein System von 6 rc-Elektronen, da man das freie Elektronen-
paar des Carbanions in die n -Wolke einbeziehen muß; daß man dem Cyclopentadien
mit Alkalimetallen oder metallorganischen Verbindungen ein Proton entziehen
kann, ist der Bildung des mesomeriestabilisierten Anions zuzuschreiben. - Im Fer-
rocen, einem „Sandwich"-Komplex aus Eisen(II) und Cyclopentadien sind die beiden
Ringe, typisch wie beim Benzol, elektrophilen Substitutionsreaktionen zugänglich.

H
H H
O
HV—'H

Ferrocen

7-Brom-l,3,5-cycloheptatrien ist in wässeriger Lösung ionisiert, eine Folge der Sta-


bilität des aromatischen Tropyliumions mit 6 yr-Elektronen. - Auch das Tropolon,
Aromaten mit anderen Ringgrößen 227

von dem sich zahlreiche Naturstoffe ableiten, darf man als Abkömmling des Tro-
pyliumions und als aromatisches System ansprechen.

Tropolon

Das gleiche gilt für das bicyclische, tiefblaue Azulen, dessen Derivate sich in natür-
lichen etherischen Ölen finden. Neben zwei neutralen Grenzformeln lassen sich zahl-
reiche zwitterionische aufzeichnen, die den Tropylium- und Cyclopentadienylidring
enthalten. Thermisch kann Azulen zu Naphthalin isomerisiert werden.

Ebenfalls 6 7c-Elektronen und aromatischen Charakter haben die 5-gliedrigen


Heterocyclen Pyrrol, Furan und Thiophen (siehe Kapitel XIV). Bei dem mit 2 n-
Elektronen der Hückel-Regel entsprechenden Cyclopropeniumion macht die aro-
matische Mesomerie das extrem winkelgespannte System existenzfähig.

BF/
C6H5

Halogenierung der Aromaten


Brombenzol

FeBr,
H- Br7 + HBr

Als Apparatur dient ein 500-ml-Kolben mit Tropftrichter und Rückflußkühler, dem eine
Gasableitung aufgesetzt ist, die etwa 1 cm über der Oberfläche von 200 ml Wasser in
einem 1-1-Kolben endet und dann in den Abzug führt. — In den Kolben kommen 90 ml
228 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

(78g, 1,00mol) trockenes Benzol und 2 g grobe Eisenfeilspäne, in den Tropftrichter


53ml (166g, 1,04mol) Brom. Man läßt zunächst unter leichtem Schütteln 1—2 ml
Brom einf ließen, bis eine kräftige Reaktion unter Bromwasserstoff-Entwicklung einsetzt
(eventuell schwach erwärmen). Dann reguliert man das weitere Zutropfen des Broms
so, daß die Reaktionswärme das Benzol am Sieden erhält, die Umsetzung jedoch nicht
zu stürmisch wird. Gegen Ende erwärmt man noch kurze Zeit auf siedendem Wasserbad,
bis alles Brom verbraucht ist. Nun wird das Reaktionsgemisch aus einem größeren Rund-
kolben mit Wasserdampf destilliert. Sobald sich im Kühler Kristalle von p-Dibrombenzol
abscheiden, wechselt man die Vorlage und treibt noch einen Teil dieses Nebenprodukts
über. — Das zuerst übergegangene Brombenzol wird im Schütteltrichter abgetrennt, mit
Calciumchlorid mindestens 1 h getrocknet und destilliert. Die bei 140—17O 0 C über-
gehende Fraktion liefert bei erneuter Destillation im Bereich 152—158 0 C ziemlich reines
Brombenzol. Ausbeute 70-80 g (45-51 %); Sdp. 155 0C.
p-Dibrombenzol: Der Rückstand, der bei der ersten Destillation im Kolben geblieben
ist, wird noch heiß in eine kleine Porzellanschale gegossen und nach dem Erstarren ge-
meinsam mit dem Produkt aus der Wasserdampfdestillation auf einem Tonteller gereinigt
und aus wenig Ethanol umkristallisiert. Man erhält farblose Prismen mit Schmp. 87 0C.
Bromwasserstoffsäure: Bei der Reaktion sind 80g Bromwasserstoff entstanden, die
etwa 200 ml Wasser zur Absorption erfordern. (Wurde zu wenig Wasser vorgelegt, muß
die Vorlage, sobald sich Nebel zu zeigen beginnen, mit frischem Wasser gefüllt werden.)
Zur Reinigung wird die Bromwasserstoffsäure destilliert. Der Siedepunkt steigt nach
einem Vorlauf von Wasser auf 126 0 C. Bei dieser Temperatur geht 48proz. Bromwasser-
stoffsäure azeotrop über, die im Laboratorium oft gebraucht wird.

Versuch: Hydrolysebeständigkeit von Brombenzol - Reines Brombenzol spaltet


beim Kochen mit methanolischem Kaliumhydroxid kein Bromidion ab, wie die Zugabe
von verd. Silbernitrat-Lösung (siehe S. 173) nach dem Ansäuern mit verd. Salpetersäure
zeigt.

Das Halogen am Benzolkern läßt sich durch nucleophile Reagenzien sehr viel
schwerer austauschen als aliphatisch gebundenes. (Diese Resistenz kann durch ge-
eignete Substituenten am Benzolring stark verringert werden; siehe S. 280). Dagegen
kann am Aromat gebundenes Chlor, Brom oder lod zum Beispiel durch katalytisch
erregten Wasserstoff ersetzt werden. Mit Raney-Nickel in Methanol und in Gegen-
wart von genügend KOH (um den Halogenwasserstoff aufzunehmen) ist eine gleich-
zeitige Hydrierung des Kerns nicht zu befürchten. Auch mit Lithiumaluminiumhydrid
und verschiedenen seiner Derivate, mit Tri(n-butyl)zinnhydrid, mit Chrom(II)-
ethylendiamin-Komplex sowie mit Natrium in Alkohol kann Halogen reduktiv vom
Aromaten entfernt werden. Mit Magnesium (Grignard-Reaktion) oder Natrium
(Wurtz- und Fittig-Synthese) reagieren Alkyl- und Arylhalogenide vergleichbar
schnell.
Bei der Halogenierung nimmt der aromatische Kern ein elektrophiles Halogen-
Kation auf und stabilisiert sich dann durch Abgabe eines Protons. Das Halogenidion
braucht dabei nicht frei aufzutreten. Der Katalysator FeBr3, ZnBr2 oder AlBr3 - bei
der Bromierung des Benzols in Gegenwart von Eisen ist nicht dieses selbst, sondern
Halogenierung der Aromaten 229

FeBr3 wirksam — polarisiert das Brommolekül derart, daß ein Bromion mit Elektro-
nensextett auf den Benzolkern übertritt und ein komplexes Tetrabromoferration zu-
rückläßt. (Es ist dazu ebensowenig freies Br+ nötig wie ein freies H + bei Säure-Basen-
Reaktionen.) Das stark elektrophile Br+ beansprucht ein Elektronenpaar aus der
n -Wolke des aromatischen Kerns.

FeBr/

Der als Zwischenstufe auftretende sogenannte cr-Komplex besitzt ein sp3-hybridi-


siertes C-Atom. Der Verlust an aromatischer Mesomerie wird durch eine neue Meso-
merie, und zwar formal derjenigen eines Pentadienkations, teilweise kompensiert. Im
nächsten Reaktionsschritt übernimmt das komplexe Anion ein Proton vom tetraedri-
schen Kohlenstoff der Zwischenstufe, wodurch der aromatische Zustand wieder her-
gestellt wird. Die unbeständige Säure HFeBr4 zerfällt und gibt das FeBr3 für die
nächste Bromübertragung wieder frei. Prinzipiell gleichartig vollzieht sich die Chlo-
rierung des Benzolkerns unter der Katalyse mit elektrophilen Metallhalogeniden. -
Die notwendige Heterolyse des HaI2 wird durch polare Lösungsmittel begünstigt.
Der ^-Komplex stellt eine echte Zwischenstufe (siehe S. 171) dar, seine Bildung ist
der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Reaktion. Halogenierung (und Nitrie-
rung) des mit Deuterium oder Tritium markierten Benzols vollziehen sich mit gleicher
Geschwindigkeit wie die von C6H6. Ein „kinetischer Isotopeneffekt" (wie man ihn
beobachtet, wenn die [H]-Verbindung rascher reagiert als die [D]-Verbindung und
diese rascher als die [T]-Verbindung) sollte auftreten, wenn die C—H-Bindung im
geschwindigkeitsbestimmenden Akt gespalten wird. Hier aber wird der Wasserstoff
- oder sein Isotop - erst in einer rascheren Folgereaktion abgelöst.

2,4,6-Tribromanilin

H + 3Br 2

Unter dem Abzug stellt man aus 200 ml Wasser, 35g (0,4 mol) Kaliumbromid sowie
18,5ml (0,36 mol) Brom eine klare Lösung her und läßt sie aus einem Tropftrichter
innerhalb 40 min zur mechanisch gerührten Lösung von 10,0 g (9,8 ml, 0,107 mol) frisch
destilliertem Anilin in 300 ml Wasser und 1OmI konz. Salzsäure fließen. Dabei ver-
230 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

schwindet anfangs die Bromfarbe rasch; wenn sie bestehen bleibt, wird abgebrochen.
Das ausgefallene Produkt wird abgesaugt, mit verd. Natronlauge und mit viel Wasser
gewaschen. Nach Trocknen auf dem Tonteller reinigt man durch Vakuumdestillation aus
einem 100-ml-Schwertkolben mit Claisenaufsatz. Bei 167—170°C/12 Torr gehen
29-3Og (82-85%) rasch erstarrendes Öl über; Schmp. 118-1190C. -Auch das Um-
kristallisieren aus Ethanol ist zur Reinigung geeignet.

Versuch: 2,4,6-Tribromphenol

Von der Lösung aus 10 ml Brom und 20 g Kaliumbromid in 250 ml Wasser gießt man
langsam unter Umschütteln oder Rühren so viel zur Lösung von 1,5g Phenol in 75 ml
Wasser, bis die gelbe Farbe des Broms nicht mehr verschwindet. Der flockige Nieder-
schlag wird abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator über P 2 O 5 ge-
trocknet. Nach Umkristallisieren aus Cyclohexan liegt der Schmp. bei 94-950C.

Versuch: 2,4A6-Tetrabrom-2/5-cyclohexadienon

OH

1+ABr 2

Br Br

150 ml Brom-Kaliumbromid-Lösung wie oben werden mit der Lösung von 15g Na-
triumacetat in 100 ml Wasser versetzt. In 3-5 min läßt man dazu die Lösung von 1,5g
Phenol in 10OmI Wasser fließen, wobei sich ein gelbes Pulver ausscheidet. Man läßt
unter häufigem Umschütteln noch 4 h bei Raumtemperatur stehen, saugt ab, wäscht mit
Wasser und trocknet auf dem Tonteller. Ausbeute 6,0—6,5 g hellgelbes Produkt, das ge-
gen 12O 0 C unter Zersetzung schmilzt. — Die Verbindung ist nicht lagerbeständig und
selbst ein Bromierungsmittel. Aus einer wässerigen Kaliumiodid-Lösung wird unter Re-
duktion zum 2,4,6-Tribromphenol lod freigesetzt..

Im Gegensatz zu Benzol werden Anilin und Phenol schon ohne elektrophile


Katalysatoren unmeßbar rasch bromiert. An die Erstbromierung, hauptsächlich in
/7-Stellung zur funktionellen Gruppe, schließen sich Zweit- und Drittbromierungen
an, die zu 2,4,6-Tribromanilin bzw. -phenol führen. Die Orientierung in 2-, 4- und
6-Stellung wird anhand der Grenzformeln der a-Komplexe für o- und /?-Substitu-
tion plausibel. Neben den drei Carbenium-Grenzformeln, die infolge des Elektro-
nensextetts auf relativ hohem Energieniveau liegen, tritt eine Ammonium- bzw.
elektrophile Zweitsubstitution 231

Oxoniumstruktur auf. Amino- und Hydroxygruppe besitzen einen +M-Effekt


(mesomeren Effekt mit Elektronendonatorfunktion.) Da der Stickstoff oder der
Sauerstoff die positive Ladung ohne Oktetteinbuße übernehmen kann, sind diese
Grenzformeln wesentlich energieärmer und bestimmen in erster Linie die Elektro-
nenverteilung in den mesomeren Zwischenstufen. Das niedrige Energieniveau der
Zwischenstufen für die o- und /^-Substitution hat geringe Aktivierungsschwellen und
hohe Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zur Folge. Die Bereitschaft des Anilins
oder Phenols, ein Halogenkation zu übernehmen, ist so groß, daß zur Heterolyse des
HaI2 kein komplexbildendes Metallhalogenid nötig ist.

H Br

Dagegen kann bei der m-Bromierung des Anilins oder Phenols die Carbeniumlücke
nicht vom freien Elektronenpaar des Stickstoffs bzw. Sauerstoffs geschlossen werden.
Das 2,4,6 -Tribromphenol kann noch einmal ein Bromkation in der Position 4
aufnehmen. Eine Aromatisierung durch Protonenabgabe ist dann aber nicht mehr
möglich. Der Verlust des 0-gebundenen Protons liefert vielmehr 2,4,4,6-Tetrabrom-
2,5-cyclohexadienon, das man als eingefrorene Zwischenstufe der aromatischen Sub-
stitution auffassen kann. Das sehr empfindliche Tetrabromketon läßt sich nur isolie-
ren, wenn man den Bromwasserstoff abpuffert, was im Versuch mit Natriumacetat
geschieht. In Gegenwart von Säure kommt die Rückreaktion zu Tribromphenol zum
Zug.

Br Br Br Br

Wie Amino- und Hydroxygruppen besitzen auch Acylamino-, Alkoxy- und Acyloxy-
funktionen freie Elektronenpaare und einen +M-Effekt. Alle diese Gruppen be-
günstigen aufgrund ihrer elektronenliefernden mesomeren Eigenschaft eine elektro-
phile Zweitsubstitution in o- oder /7-Stellung. Am Kern gebundenes Halogen, das
ebenfalls in der Lage ist, eine positive Ladung zu übernehmen (-h M-Effekt), dirigiert
einen zweiten Substituenten gleichfalls in o- oder /7-Stellung, sein entgegengerichte-
ter induktiver Effekt (— !-Effekt) führt jedoch zur Elektronenverarmung des Kerns,
so daß die Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber der des Benzols meist herabgesetzt
ist.
Substituenten mit elektronenanziehendem mesomeren Charakter (— M-Effekt) wie
beispielsweise Nitro- und Carbonylgruppen erschweren die Zweitsubstitution und
232 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

zwar besonders in o- und p- Position. Der schon an Elektronen verarmte Benzolkern


ist weniger als das Benzol selbst bereit, für die Bildung des cr-Komplexes noch zu-
sätzlich eine volle positive Ladung zu übernehmen.

Außer vom mesomeren. Substituenteneffekt werden Richtung und Geschwindig-


keit der Zweitsubstitution, wie schon am Halogenbenzol besprochen, von elektrosta-
tischen oder induktiven Substituentenwirkungen geprägt. Die Polarität einer Kova-
lenz nimmt mit steigender Differenz der Elektronegativitäten der beteiligten Atome
zu. Diese Elektronegativität wächst nach dem Periodensystem der Elemente von
links nach rechts, und zwar in der ersten Periode stärker als in den folgenden, so daß
Fluor in dieser Funktion die Spitze hält. Da die wichtigsten Substituenten über Sauer-
stoff-, Stickstoff- und Schwefelatome an den aromatischen Kern gebunden oder
Halogenatome sind, wird unabhängig vom mesomeren Effekt in allen diesen Fällen
das C-Atom l des Benzolkerns positiviert. Diese Elektronenverarmung teilt sich
elektrostatisch - mit der Entfernung abnehmend — dem ganzen aromatischen Kern
mit, wodurch die Zweitsubstitution erschwert wird.
Wenn der Erstsubstituent eine positive Ladung trägt, wie im Trimethylanilinium-
ion oder (formal) im Nitrobenzol, ist die Geschwindigkeit der Zweitsubstitution in-
folge des induktiven Elektronenentzugs stark vermindert. Als Eintrittsstellen sind die
o- und p-Positionen besonders benachteiligt, weil an der Mesomerie der entsprechen-
den Zwischenstufen energiereiche Grenzformeln mit zwei benachbarten positiven
Ladungen beteiligt wären. Da im Zwischenzustand der m-Substitution die Ladungs-
verteilung günstiger ist, findet der Eintritt zum Beispiel des Broms so gut wie aus-
schließlich in w-Stellung statt.
Aus ähnlichen Gründen dirigieren die Sulfo-, Sulfonyl-, Carboxy-, Carbonyl-
und Nitrilgruppen (HOSO2- -SO2-, HO2C-, —CO- N=C-) am Benzol
Zweitsubstituenten in die m-Stellung. Bei den letzten drei trägt das mit dem Ben-
zolkern verbundene C-Atom zwar nicht eine volle, jedoch eine partielle positive
Ladung, so daß Grenzstrukturen mit positiver Ladung am benachbarten Ringkoh-
lenstoff auch hier nicht zur Mesomerie beitragen und deshalb Zweitsubstitution in
o- oder /^-Stellung fast nicht zum Zug kommt. Man hat die hier zusammengefaßten
Akzeptor-Gruppen früher als „Substituenten 2. Ordnung" bezeichnet.
Reaktionsgeschwindigkeit der Bromierung von Aromaten 233

4
N(CH 3 J 3 'N(CH33'3
).

H Br

Energiereiche Grenzformeln Zwischenstufe der


für die Zwischenstufen A77-Bromierung
der p- und o-Bromierung

Das Zusammenspiel der mesomeren und elektrostatischen Substituenteneffekte


bei der Zweitsubstitution wird noch von sterischen Faktoren ergänzt. Mit wachsen-
der Raumerfüllung des Erstsubstituenten wird die o-Substitution zugunsten der vom
Raumanspruch unabhängigen/?-Substitution benachteiligt.
Die folgende Aufstellung enthält die relativen Reaktionsgeschwindigkeiten (/crel)
der Bromsubstitution von Benzolderivaten in Abhängigkeit vom vorhandenen Erst-
substituenten (Rest). Sie zeigt, wie außerordentlich groß der Einfluß des Erstsubsti-
tuenten ist.
Rest N(CH 3 J 2 OH OCH 3 NHCOCH 3 CH3
*rel
1 Q 18
1011 109 108 340
Rest H CH 2 CI Cl, Br CO2H NO2
4
*rel 1,0 0,8 0,1 10- 10~ 6

Eine elektrophile Fluorierung ist nicht zu erzielen, da die F2-Heterolyse zuviel


Energie erfordert.
Bei der lodsubstitution der Aromaten ist die Umkehrreaktion nicht mehr zu ver-
nachlässigen:
ArH + I 2 - ArI + Hl

Elementares lod ist ein schwächer elektrophiles Agens als Cl2 oder Br 2 ; nicht das
Benzol selbst, wohl aber Phenole und Arylamine als stärker nucleophile Aromaten
werden unmittelbar iodiert. Dagegen sind ICl, I 2 + AgClO4 (J. Goubeau, 1932) oder
I 2 + Ag2SO4 in starker Schwefelsäure (W.A. Waters, 1950) wirksamere lodierungs-
mittel. Auch lod in Gegenwart von Oxidationsmitteln wird empfohlen z. B. mit HgO;
die Behandlung des Benzols mit lod und rauchender Salpetersäure bei 50-8O0C
dürfte wohl die bequemste Methode zur Darstellung des lodbenzols sein.
Mineralsaure Lösungen von unterchloriger oder unterbromiger Säure sind ener-
gische Halogenierungsmittel (Halogenkationen). Für die Bromierung selbst sehr
reaktionsträger Aromaten mit Brom und Silbersulfat in konzentrierter Schwefelsäure
darf man wohl auch das Bromkation verantwortlich machen.
Eine handliche Wägeform des Broms („festes Brom") ist das leicht zugängliche rote,
bei 1350C schmelzende Pyridiniumperbromid C 5 H 5 NH + Br 3 ". In der Lösung tritt
dabei das im Gleichgewicht Br3" ^ Br~ + Br 2 vorhandene Br2 in Reaktion.
234 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Af-Bromsuccinimid und andere N-Bromcarboxamide vermögen sowohl als Quelle


für „positives" Brom als auch für Bromatome zu dienen. Bei Benzolhomologen kann
man daher Kern- und Seitenkettenbromierung erzielen, wobei Lösungsmittel, polare
Katalysatoren oder Radikalzünder eine gewisse Lenkung gestatten. Über die Bro-
mierung von allylständigem Kohlenstoff siehe S. 196.
Die schon lange bekannten photochemischen Additionen von Chlor und Brom an
Benzol, die zu Hexahalogencyclohexanen führen, sind Radikalkettenreaktionen. Die
erstere wird industriell durchgeführt, da dem einen der isomeren Produkte, dem
y-Hexachlorcyclohexan starke insektizide Wirkung zukommt.

Nitrierung und Nitrosierung

Nitrobenzol

HN
°3 L
H 2 SO 4

Zu 125ml (23Og) konz. Schwefelsäure in einem starkwandigen 1-1-Kolben gießt man


allmählich unter Umschütteln 10OmI (14Og) konz. Salpetersäure (d = 1,40). Nachdem
man die warme Mischung durch Eintauchen in kaltes Wasser auf Raumtemperatur abge-
kühlt hat, fügt man unter häufigem Umschütteln langsam in mehreren Anteilen 89 ml
(78g, 1,00mol) Benzol zu. Wenn hierbei die Temperatur über 50-6O0C steigt, taucht
man vor dem weiteren Eintragen des Benzols das Gefäß kurze Zeit in Eis/Wasser. Bei
jedem Zusatz von Benzol ist eine vorübergehende intensive Orangefärbung zu beob-
achten. Nachdem man den Kolben mit aufgesetztem Steigrohr noch 30 min in einem
Wasserbad von 6O 0 C erwärmt hat, trennt man im Schütteltrichter die obere Schicht, die
das Nitrobenzol enthält, ab und wäscht sie im Schütteltrichter mit Wasser, dann mit verd.
Natronlauge und zuletzt mit Wasser, wobei zu beachten ist, daß das Nitrobenzol jetzt
die untere Schicht bildet. Man erwärmt das Nitrobenzol auf dem Wasserbade so lange
mit wenig Calciumchlorid, bis die anfangs milchige Flüssigkeit klar geworden ist. Bei
der anschließenden Vakuumdestillation geht das Nitrobenzol bei 86-88 0C / 12 Torr über,
Sdp. 208-21O0C / 760 Torr; Ausbeute 100-105 g (81-85%).

/77- Dinitrobenzol

O7N

In einem 200-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 40 ml (74g) konz. Schwefelsäure


vorsichtig mit 20,0 ml rauchender Salpetersäure (d = 1,51; 30,2 g, 0,48 mol). Dazu läßt
man aus dem Tropftrichter in 20min unter mechanischem Rühren 20,Og (0,16 mol)
frisch destilliertes Nitrobenzol fließen und sorgt dabei durch gelegentliche Außenküh-
Nitrierung von Benzolderivaten 235

lung dafür, daß die Temperatur bei 60—7O 0 C bleibt. Das Gemisch wird noch 45 min auf
dem siedenden Wasserbad erhitzt und dann auf 70Og Eis/Wasser gegossen. Der hell-
gelbe Niederschlag des rohen /77-Dinitrobenzols, der zu 6% das o-Isomere enthält, wird
abgesaugt, in einer Reibschale mit Natriumhydrogencarbonat-Lösung fein zerrieben und
nach erneutem Absaugen und Waschen mit Wasser an der Luft getrocknet, Ausbeute
25-26 g (93-97%); Schmp. 73-8O0C. - Das so gewonnene Rohprodukt wird durch
mehrmaliges Umkristallisieren aus Methanol und Abkühlen im Eisbad gereinigt. Zum
Nachwaschen verwendet man dabei wenig eiskaltes Methanol. Reines m-Dinitrobenzol
schmilzt bei 9O 0 C.

1-Chlor-2,4-Dinitrobenzol

xCl
HNO3

Wie bei der Herstellung von A77-Dinitrobenzol (voranstehend) bereitet man in einem
500-ml-Kolben eine Mischung von 80 ml konz. Schwefelsäure und 40 ml rauchender
Salpetersäure (d = 1,51) und tropft in diese in 30min 20,0 g (0,18mol) Chlorbenzol,
wobei die Innentemperatur 60-7O 0 C nicht übersteigen soll. Nach anschließendem
halbstündigem Erhitzen auf dem siedenden Wasserbad gießt man das zweiphasige Ge-
misch unter Rühren mit einem Glasstab auf 500 g zerstoßenes Eis. Von den Kristallen des
rasch erstarrenden Reaktionsproduktes hebt man eine Probe als Impfmaterial auf. Man
löst den gesamten Ansatz in 10O ml Benzol, trennt im Schütteltrichter die Phasen, wäscht
die Benzollösung mit Wasser, filtriert sie wenn nötig, und trocknet sie mit Calciumchlorid.
Dann destilliert man das Benzol auf dem Wasserbad ab und entfernt die letzten Reste
bei mäßigem Unterdruck. Nach Aufnehmen des Rückstandes in 90 ml warmem Methanol
oder Ethanol läßt man unter Animpfen abkühlen. Wenn sich das Reaktionsprodukt zu-
nächst ölig abscheidet, erwärmt man es schwach, bis das System eben wieder einphasig
wird, und impft erneut an. Nach Aufbewahren im Kühlschrank saugt man 30—31 g blaß-
gelbe Kristalle mit Schmp. 51 0 C ab. Vorsichtiger Wasserzusatz zur Mutterlauge fällt
weitere 2-3 g mit Schmp. 49-5O0C. Gesamtausbeute 88-92%.

Die Nitrierung ist die wichtigste Methode, Stickstoff mit dem aromatischen Kern
zu verknüpfen. Ähnlich wie bei der Halogenierung ist auch die Geschwindigkeit der
Nitrierung sehr stark von der Natur des Aromaten abhängig, so daß die Nitrierbedin-
gungen sehr unterschiedlich sein können.
Mischungen von konzentrierter oder wasserfreier Salpetersäure mit konzentrierter
Schwefelsäure bezeichnet man als Nitriersäure. Auch aus Alkalinitrat und konzen-
trierter Schwefelsäure kann man Nitriersäure bereiten.
Durch geeignete Wahl der Nitrierungsbedingungen - hier vor allem des Wasser-
gehalts der Nitriersäure - kann man die Mono- oder die schwerer erfolgende Dini-
trierung des Benzols zur Hauptreaktion machen. Unter den Bedingungen der Dar-
stellung des Nitrobenzols wird das reaktivere Toluol schon teilweise dinitriert. Um
236 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Mononitrotoluol (60% /?-, 4% m- und 36% o-Isomer) zu erhalten, legt man den Koh-
lenwasserstoff vor und rührt nur wenig mehr als l Äquivalent Nitriersäure ein.
Die zweite Nitrogruppe sucht überwiegend die m-Stellung zur ersten auf. Die Über-
führung des m-Dinitrobenzols in das 1,3,5-Trinitrobenzol erfordert energische Be-
dingungen, nämlich Behandlung mit großem Überschuß reiner Salpetersäure in
rauchender Schwefelsäure bei höherer Temperatur. Bequemer gelangt man zum 1,3,5-
Trinitrobenzol über das als Sprengstoff bekannte 2,4,6-Trinitrotoluol. Unter dem
substitutionserleichternden Einfluß der Methylgruppe nimmt die Trinitrierung des
Toluols mit wasserfreier Nitriersäure bei langsamer Temperatursteigerung bis UO 0 C
einen glatten Verlauf. Die Oxidation der Methylgruppe liefert Trinitrobenzoesäure
und deren Decarboxylierung das symmetrische Trinitrobenzol.
Viele aromatische Polynitroverbindungen können durch genügend starke Initial-
zündung (Quecksilberfulminat) zur Explosion gebracht werden.
Primäre und sekundäre Arylamine werden, um Oxidation durch die Salpetersäure
zu verhindern, vor der Nitrierung am Stickstoff acyliert.
Bei der Nitrierung durch Salpetersäure-Schwefelsäure-Gemische ist das Nitronium-
ion, NOj, das aktive Agens. Seine Existenz hat sich unter anderem durch Röntgen-
Strukturanalyse des kristallisierten Nitroniumperchlorats, NOjClO4", sowie des
Distickstoffpentoxids, NOjNO3", ergeben und konnte spektroskopisch in der Ni-
triersäure nachgewiesen werden. In wasserfreier Nitriersäure liegt das Gleichgewicht

HONO2 + 2H 2 SO 4 — NO2+ + H3O+ + 2HSO 4

weitgehend auf der rechten Seite (Gefrierpunktserniedrigung weist auf 4 gelöste Teil-
chen hin); mit steigendem Wassergehalt nimmt die NOj-Konzentration und damit
die Nitrierungsgeschwindigkeit ab. Die elektrophile Aktivität des Nitroniumions er-
gibt sich aus dem Auftreten von Grenzformeln mit Elektronensextett am Stickstoff:

^)=N =5 «_> U=N+-UI <-> |Ü—N+=5

Die Nitrierung in konzentrierter oder reiner Salpetersäure verläuft wesentlich


langsamer als mit Schwefelsäurezusatz. Wässerige Salpetersäure, oder auch Lösun-
gen wasserfreier Salpetersäure in Nitromethan, Eisessig oder Essigsäureanhydrid,
verwendet man zur Nitrierung von Aromaten, die reaktiver als Benzol selbst sind. Mit
großer Wahrscheinlichkeit ist auch hier allein das Nitroniumion, das durch Auto-
protolyse entsteht, das elektrophile Agens.
Nitrierungen mit reinen kristallisierten Nitroniumsalzen haben mehr theoretisches
als praktisches Interesse. Dagegen wurden mit dem aus N 2 O 5 , HF und BF3 leicht
zugänglichen Nitroniumfluoroborat zahlreiche Nitrierungen ausgeführt (G. Olah,
1956).
Die Nitrierung mit Distickstoffpentoxid im organischen Lösungsmittel, in dem es
kovalent vorliegt, verläuft nicht über freie NOj-Ionen; N 2 O 5 dient hier als Donator
für das Kation, ähnlich wie Cl2 als Cl+-Generator. Acylnitrate, RCO—O—NO 2 ,
Nitrierung des Naphthalins 237

aus AgNO3 und Carbonsäurechlorid oder Salpetersäure und Carbonsäureanhydrid


können ebenfalls zur Nitrierung verwendet werden.
Der Substitutionsakt von NOj vollzieht sich nach dem gleichen Additionsschema,
das für die Halogenierung (S. 227) beschrieben wurde; die Protonenabgabe unter
Rückbildung des aromatischen Systems tritt als rasche Folgereaktion auf.

HSO;

1-Nitronaphthalin

CHCOONO

Unter einem Abzug versetzt man in einem 500-ml-Erlenmeyerkolben 90 ml Eisessig


und 50 ml Acetanhydrid unter Eiskühlung langsam mit 20,0 ml konz. Salpetersäure
(d = 1,40; 0,180 mol). Man erwärmt in einem Wasserbad von 4O 0 C und trägt während
15min 20,0 g (0,156 mol) feingepulvertes Naphthalin portionsweise unter gelegent-
lichem Umschütteln oder Rühren ein. Das gelbe Gemisch wird 2 h auf 5O 0 C und 7 h
auf 70—75 0 C erwärmt, wobei sich geringfügig nitrose Gase entwickeln. Nach Eingießen
in etwa 1 I Eis/Wasser und Stehenlassen über Nacht wird filtriert, mit Wasser, Natrium-
hydrogencarbonat-Lösung und wieder mit Wasser gewaschen. Das auf einem Tonteller
getrocknete, orangefarbene Rohprodukt wird in einem 100-ml-Schwertkolben im Va-
kuum der Wasserstrahlpumpe destilliert. Bei 160—165 0 C / 12 Torr gehen fast ohne Vor-
lauf 24—25 g Nitronaphthalin mit Schmp. 47—53 0 C über. Eine 9proz. Verunreinigung
durch 2-Nitronaphthalin entfernt man durch Umkristallisieren aus 300 ml Petrolether
(Sdp. 40—8O 0 C); dabei ist durch Animpfen beim langsamen Abkühlen der Lösung Ölab-
scheidung zu vermeiden. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank erhält man
18,5-20,5 g (69-76%) 1-Nitronaphthalin mit Schmp. 56-570C. Aus der eingeengten
Mutterlauge lassen sich noch 2 g weniger reines Produkt gewinnen.

Bei der Nitrierung des Naphthalins ist der Reaktionsgeschwindigkeitsunterschied


zwischen Mono- und Disubstitution geringer als bei einkernigen Aromaten. Aus die-
sem Grund führt man elektrophile Substitutionen beim Nitronaphthalin unter milde-
ren Bedingungen durch.
Die Orientierung der elektrophilen Substitution ist so gut wie ausschließlich kine-
tisch bestimmt; für die Produktverteilung sind die relativen Geschwindigkeiten der
Reaktionen an den verschiedenen C-Atomen der cyclischen Systeme maßgebend.
Man erhält diese, relativ auf Benzol bezogenen Konstanten experimentell im Kon-
kurrenzversuch, indem man definierte Gemische aus der Probesubstanz, beispiels-
238 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

weise Chlorbenzol, und Benzol mit einem Unterschuß eines elektrophilen, beispiels-
weise nitrierenden, Agenzes behandelt. Im gewählten Beispiel zeigt sich dann, daß
neben 1000 Molekülen Benzol nur 33 Moleküle Chlorbenzol nitriert werden; die
Konkurrenzkonstante K des Chlorbenzols bezogen auf Benzol ist somit 0,033.
Während bei der Nitrierung des Benzols jede der 6 CH-Gruppen die gleiche Reak-
tionschance besitzt, liefert die Nitrierung des Chlorbenzols, wie ein weiterer Versuch
ergibt, 29,6% o-, 0,9% m- und 69,5% /?-Nitrochlorbenzol. Es gilt somit

v- _ Chlorbenzol 2 /Cp + 2 /Cm H- /Cp _


-
Benzol

wobei /C0, km und kp als die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten be-


zeichnet werden. Die auf eine Benzolposition, deren spezifische Reaktionsgeschwin-
digkeit /CH = l gesetzt wird, bezogene Reaktionsgeschwindigkeitskonstante /C0 einer
o-Position des Chlorbenzols berechnete sich dann zu

~ 0,033- 6 = 0,029

Entsprechend gilt fcm = 0,0009 und fcp = 0,137. Diese partiellen Reaktionsge-
schwindigkeitskonstanten geben das Ausmaß der Aktivierung oder Desaktivierung
an, die der Erstsubstituent in jeder der möglichen Positionen bewirkt.
Zur Illustration dieses wertvollen Prinzips seien von einigen Verbindungen die
partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Nitrierung aller Positionen be-
zogen auf Benzol (/cBenzol = 1) angegeben:

NH-C6H5
0.029110.029 8 10 8-106
' '
0.001 k^ 0.001
2 -IQ 0.137 5-10 6

Wie bei der Bromierung beschleunigen auch hier aktivierende (das heißt die Reak-
tionsgeschwindigkeit erhöhende) Reste die Substitution vorwiegend in o- und p-
Stellung, wirken also o- und /^-dirigierend. Dagegen wird bei den stark desaktivierten
Benzolabkömmlingen die m-Substitution bevorzugt. Bei den Halogenbenzolen tritt
trotz Gesamtdesaktivierung überwiegend o- und/?-Substitution auf. Es liegt auch hier
ein unschwer zu durchschauendes Zusammenspiel von mesomeren, induktiven und
sterischen Substituenteneffekten vor, in welchem der + M-Effekt des Halogens die
Substitutionsrichtung, der — !-Effekt aber die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt.
Die bei der Halogenierung noch nicht erwähnte Reaktionsförderung durch Alkyl-
reste erstreckt sich vorwiegend auf o- und /7-Substitution. Für die Elektronenliefe-
rung der Alkylgruppen sind zwei Effekte verantwortlich zu machen: der induktive,
der in der Elektronegativität (sp2-C > sp3-C) seine Ursache hat und in der Reihe
Reaktionsgeschwindigkeit der Nitrierung 239

CH 3 < C 2 H 5 < C H ( C H 3 J 2 < C(CH 3 J 3

zunimmt, sowie möglicherweise durch Hyperkonjugation, die bei CH3 am stärksten


und bei C(CH3)3 am schwächsten ausgeprägt ist. Als Hyperkonjugation (Baker-
Nathan-Effekt) bezeichnet man die Tatsache, daß die C,H-Bindung als Elektronen-
donator dient und zum Beispiel im Fall der Substitution des Toluols eine zusätzliche
Delokalisierung der positiven Formalladung ermöglicht, wie mit der dritten und
vierten Grenzformel symbolisiert werden soll:

Die theoretische Deutung dieses Effektes ist jedoch nicht unumstritten.


Mit wachsendem Wirkungsradius des Alkylrests kommt es außerdem zu einer
steigenden sterischen Behinderung des Angriffs auf die 0-Stellung. So ist das Verhält-
nis o-Substitution: /7-Substitution beim Toluol 1,57 aber beim Cumol nur 0,22.
Bei den anellierten mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen Phenanthren
und Pyren wächst die Geschwindigkeit der Nitrierung mit steigender Ringzahl. Beim
Naphthalin sind die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten für die a- und
^-Stellungen 470- bzw. 50mal so groß wie die des Benzols (die entsprechenden Akti-
vierungsschwellen also entsprechend kleiner).
Bei der Bildung des a-Komplexes aus Naphthalin und dem elektrophilen Agens
bleibt die Mesomerie eines Benzolkerns unangetastet. Von den 255 kJ/mol (61 kcal/
mol) Mesomerieenergie des Naphthalins müssen also nur 105 kJ/mol (25 kcal/mol)
(255-150 kJ/mol) aufgebracht werden. Die Grenzformeln machen auch die Bevorzu-
gung der a-Substitution klar.

H NO2

Natürlich sind an der Mesomerie der Zwischenstufe auch Grenzformeln beteiligt,


die die positive Ladung im zweiten Kern tragen. Bei der Bromierung des Naphthalins
ist die !-Stellung sogar lOOfach gegenüber der 2-Position bevorzugt.
Aktivierende Erstsubstituenten dirigieren die Zweitsubstitution des Naphthalins
in denselben Kern, desaktivierende in den Nachbarkern (da sie diesen weniger be-
einflussen).
240 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

OH OH

o- und p-Nitrophenol
OH OH

HNO3

40g Natriumnitrat oder 50g Kaliumnitrat werden in einem 0,5-l-Rundkolben unter Er-
wärmen in 100 ml Wasser gelöst. Vor dem völligen Abkühlen auf Raumtemperatur läßt
man vorsichtig unter Umrühren 50g konz. Schwefelsäure zufließen und dann bei 2O 0 C
unter mechanischem Rühren aus einem Tropftrichter die durch Erwärmen verflüssigte
Mischung von 25 g kristallisiertem Phenol und 2,5 ml Wasser zutropfen, wobei man die
Temperatur stets zwischen 20 und 25 0 C hält. Nach 2stündigem Stehenlassen bei Raum-
temperatur versetzt man mit dem doppelten Volumen Wasser, läßt unter Kühlung mit
Eis/Wasser absitzen, gießt die wässerige Schicht so gut wie möglich von dem Öl ab, wie-
derholt das Auswaschen mit Wasser noch 3mal und destilliert das o-Nitrophenol mit
Wasserdampf ab. Das abgesaugte und zwischen Filtrierpapier getrocknete gelbe Prä-
parat ist im allgemeinen schmelzpunktrein; falls nicht, wiederholt man die Dampfdestilla-
tion. Schmp. 45 0 C; Ausbeute 12g (33%). — Das mitentstandene kaum flüchtige p-
Nitrophenol wird anschließend aus dem Rückstand der Wasserdampfdestillation isoliert.
Hierzu läßt man über Nacht im Kühlschrank stehen, saugt das Rohprodukt ab und kri-
stallisiert es unter Zusatz von ca. 2 g Tierkohle aus 250 ml 0,5N Salzsäure um. Das erste
Kristallisat beträgt 4g, aus der Mutterlauge kristallisieren nach Einengen weitere 2,5g
des fast farblosen p-Nitrophenols vom Schmp. 114 0 C (18%).

Die Flüchtigkeit des o-Nitrophenols rührt von der intramolekularen Wasserstoff-


brücke her, die keine starke Bindung an umgebende Lösungsmittelmoleküle (Solvata-
tion) oder gleiche Nachbarmoleküle zuläßt.
Nitrosierung der Aromaten 241

m- und/7-Nitrophenol sind in reinem Zustand farblos; 0-Nitrophenol ist gelb. Die


Salze aller drei Nitrophenole sind intensiv farbig, und zwar in der o- und m-Reihe
rotorange bzw. gelborange, in der /?-Reihe tiefgelb (Anwendung von p-Nitrophenol
als Indikator). Die Ablösung des Protons hat also einen bathochromen, das heißt
farbvertiefenden, Effekt zur Folge. (Darunter versteht man allgemein eine Verschie-
bung der Lichtabsorption nach längeren Wellen.) Der bathochrome Effekt der Salz-
bildung des Phenols selbst ist mit dem Auge nicht erkennbar, das Ultraviolett-Ab-
sorptionsspektrum zeigt aber die charakteristische Bandenverschiebung. Mit der Ein-
führung der chromophoren Nitrogruppe in das Phenolat überschreitet die langwellige
Absorptionsbande die Grenze zum Sichtbaren.
Phenole lassen sich schon mit verdünnter Salpetersäure nitrieren. Da die Nitrie-
rung bei völliger Abwesenheit von salpetriger Säure nur langsam in Gang kommt und
durch Spuren von Nitrit beschleunigt wird, liegt der - allerdings nicht streng bewie-
sene - Schluß nahe, daß es sich hier eigentlich um eine Nitrosierung handelt und die
Nitroverbindung durch eine sich rasch anschließende Oxidation der primär gebilde-
ten Nitrosophenole entsteht. Dabei wird aus Salpetersäure neue salpetrige Säure ge-
bildet, die den Kreisprozeß fortsetzt.

'i v\ LJM/"V // V\

• NO2 + HNO2

Allerdings ist das Verhältnis von o- zu /7-Nitrophenol bei der Nitrierung etwa 1:1,
während bei alleiniger Nitrosierung die /^-Stellung fast lOfach bevorzugt ist.
Hier sei auch die Hydroxynitrierung erwähnt, ein Prozeß, bei dem zum Beispiel aus
Benzol mit 55prozentiger Salpetersäure in Gegenwart von Quecksilbernitrat und
etwas salpetriger Säure 2,4-Dinitro- oder 2,4,6-Trinitrophenol gebildet wird. Dabei
findet als erstes eine elektrophile Mercurierung des Benzols statt. Der Quecksilber-
rest wird kationisch von NO + verdrängt, das so entstandene Nitrosobenzol geht
durch Reaktion mit Stickoxiden über das Diazoniumion (vgl. S. 600) in Phenol über,
welches nun nitriert wird.

Hg(NO3I2

Phenole und Arylamine werden mit Quecksilber(II)-acetat in o- und ^-Stellung


mercuriert. Thiophen, das dem Benzol aus Steinkohlenteer beigemengt ist, wird ra-
scher elektrophil substituiert als Benzol und kann durch Mercurierung oder Sulfonie-
rung (siehe S. 244) selektiv entfernt werden.
242 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

/V,/V-Dimethyl-p-nitrosoanilin
In einem 1-l-Stutzen werden 40g (0,33 mol) Dimethylanilin in 250 ml halbkonz. (also
etwa 5N) Salzsäure gelöst. Man umgibt den Stutzen mit Eis, gibt 200 g Eis hinein und
läßt aus einem Tropftrichter unter mechanischem Rühren während 20 min die kalte Lö-
sung von 25 g Natriumnitrit (0,36 mol) in 100 ml Wasser zufließen; dabei soll die Tem-
peratur nicht über 5 0 C steigen, und es sollen sich keine nitrosen Gase entwickeln. Nach
einstündigem Stehenlassen saugt man das orangegelbe Hydrochlorid scharf ab und
wäscht zweimal mit eiskalter 2N Salzsäure und dann mit wenig kaltem Ethanol. Nach
Trocknen an der Luft erhält man 50—55 g (82-90%) /V,/V-Dimethyl-p-nitroso-anilinium-
chlorid, das für die Reduktion (S. 576) und die Freisetzung des Dimethylamins (S. 278)
genügend rein ist. - Zur weiteren Reinigung des Hydrochlorids löst man das noch feuchte
Präparat in 600 ml heißer 2N Salzsäure, ohne dabei bis zum Sieden zu erhitzen. Nach
Zusatz von 200 ml 95 proz. Ethanol und 100 ml konz. Salzsäure bewahrt man über Nacht
im Kühlschrank auf, wobei sich das Hydrochlorid wieder abscheidet. Nach Absaugen
und Auswaschen mit wenig eiskalter 2iM Salzsäure gelangt man zu 35-38 g /V,/V-Di-
methyl-p-nitrosoaniliniumchlorid mit Schmp. gegen 18O 0 C (Zers.). — Herstellung der
freien Base: In einem 500-ml-Erlenmeyerkolben suspendiert man 20 g des umkristalli-
sierten Hydrochlorids (0,11 mol) im zweiphasigen System aus je 50 ml Wasser und
Methylendichlorid. Unter Rühren läßt man in 5—10min 70 ml 2N Natriumcarbonat-
Lösung zufließen. Nach weiterem 5-minütigen Rühren trennt man im Scheidetrichter und
schüttelt die wässerige Phase 2mal mit je 20 ml Methylendichlorid aus. Die vereinigten
organischen Lösungen wäscht man mit wenig Wasser und trocknet sie über Calcium-
chlorid. Man destilliert das Lösungsmittel am Rotationsverdampfer ab und nimmt den
Rückstand in 40 ml siedendem Benzol auf. Nach Abkühlenlassen auf 4O 0 C wird mit
dem gleichen Volumen Petrolether (Sdp. 40—8O 0 C) versetzt und mehrere Stunden im
Kühlschrank aufbewahrt. Nach Absaugen wäscht man mit wenig eiskaltem Gemisch
aus gleichen Teilen Benzol und Petrolether und erhält etwa 13g (26%) /V,/V-Dimethyl-
p-nitrosoanilin als grüne Blättchen mit Schmp. 84-860C.

Im Gegensatz zum dimeren Nitrosobenzol (S.490) liegt das AT,Af-Dimethyl-/7-


nitrosoanilin im kristallisierten Zustand in der monomeren grünen Form vor. Man
darf wohl die Mesomerie mit der zwitterionischen Grenzformel für diese Stabilisie-
rung verantwortlich machen.

Bemerkenswert ist die leichte nucleophile Substituierbarkeit der Dimethylamino-


gruppe durch OH ~, die zur Gewinnung von reinem Dimethylamin ausgenutzt wer-
den kann (siehe S. 278).
Die Alkylierung des A^N-Dimethyl-p-nitrosoanilins findet am Nitrosostickstoff
statt. Die Reaktionsprodukte liefern mit Alkalihydroxid Nitrone, zwitterionische Ver-
bindungen, deren Bindungssystem demjenigen der Azoxyverbindungen entspricht.
N-Nitrosierung 243

R-CH 2 -HaI + ON-V V N(CH3)2 + NaOH ——

R-CH = N-/ V N(CH3J2 + NaCl + H2O


"O

Im allgemeinen werden Nitrone durch JV-Alkylierung von Oximen oder durch Um-
setzung von N-Alkylhydroxylaminen mit Carbonylverbindungen hergestellt.

C=O + N-CH3 —> C=N-CH3 < C=N + X-CH3


R
R HO R g OH

Die Protonierung des JV,JV-Dimethyl-4-nitrosoanilins erfolgt am Sauerstoff und


führt zum gelben chinoiden Immoniumion.
Bei Nitrosierungen wie der des N,N-Dimethylanilins darf das Nitrosierungsmittel
nicht im Überschuß eingesetzt werden, da dieser die gebildete Nitrosoverbindung zur
Nitroverbindung und anderen Folgeprodukten oxidiert.
Sekundäre Arylamine wie AT-Methylanilin oder Diphenylamin liefern schon in
schwach saurer Lösung gelbe Nitrosamine. Zur Einführung der Nitrosogruppe am
Stickstoff ist nicht nur das Nitrosylion (vgl. S. 241) befähigt, sondern vermutlich auch
HONO, N 2 O 3 und NOCl. Die erwähnten Nitrosamine lassen sich durch Chlor-
wasserstoff in Alkohol, Ether oder Eisessig in die /?-Nitroso-Verbindung umlagern
(O.Fischer und E.Hepp). Es liegt jedoch keine echte intramolekulare Gruppen-
verschiebung vor, sondern eine Entnitrosierung, gefolgt von einem irreversiblen Ein-
tritt der Nitrosogruppe in die/?-Position.

HCl

Die milde Abspaltbarkeit der Nitrosogruppe vom Stickstoff aromatischer oder


aliphatischer Nitrosamine kann zur Isolierung und Reinigung sekundärer Amine
dienen, die als Nitrosamine aus wässeriger Lösung ausfallen oder mit organischen
Lösungsmitteln extrahiert und durch kurze Säurebehandlung regeneriert werden.
Nitrosamine sind wegen ihrer starken cancerogenen Wirkung mit äußerster Vorsicht
zu handhaben!
244 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Sulfonierung

Natriumbenzolsulf onat

Man versetzt 15Og flüssige rauchende Schwefelsäure mit 5—8% SO 3 -Gehalt in einem
300-ml-Erlenmeyerkolben unter gutem Umschütteln allmählich mit 44,5ml (39,0 g,
0,5 mol) Benzol und wartet dabei nach jeder Zugabe, bis sich der letzte Anteil, welcher
anfangs auf der Schwefelsäure schwimmt, beim Umschütteln gelöst hat. (Die Sulfonie-
rung erfordert etwa 10—15min.) Man läßt das Reaktionsgemisch aus einem Tropf-
trichter langsam unter Umrühren in 500 ml eisgekühlte, kalt gesättigte Kochsalz-Lösung
in einem 1-1-Becherglas fließen. Nach einiger Zeit, besonders leicht, wenn man die
Wandungen des Glases mit einem Glasstab reibt, scheidet sich das Produkt in glänzen-
den Blättchen aus; nach längerem Stehen hat sich ein dichter Kristallbrei gebildet. Man
saugt ab, preßt den Niederschlag mit einem Glasstopfen fest und wäscht 2mal mit wenig
gesättigter Kochsalz-Lösung. Das auf Filtrierpapier oder Ton luftgetrocknete Salz wird
pulverisiert und im Trockenschrank auf 11O 0 C erhitzt, bis es staubtrocken ist. Ausbeute
etwa 10Og mit Natriumchlorid verunreinigtes Natriumbenzolsulfonat. -Zur Reinigung
kristallisiert man 5 g des Rohprodukts aus absolutem Ethanol um (Natriumchlorid ist in
Alkohol sehr wenig löslich). Um das als Nebenprodukt entstandene Diphenylsulfon ab-
zutrennen, erwärmt man 30 g des pulverisierten Salzes mit 50 ml Ether, filtriert warm und
wäscht mit Ether. Nach Verdampfen des Ethers erhält man eine kleine Menge kristallines
Diphenylsulfon, das nach Umkristallisieren im Reagenzglas aus Ligroin bei 128—129 0 C
schmilzt.

Die aromatischen Sulfonsäuren gehören zu den stärksten Säuren der organischen


Chemie und stehen in der Aciditätskonstante nur wenig hinter der Schwefelsäure
zurück. Ihre Wasserlöslichkeit (Benzolsulfonsäure ist sehr hygroskopisch) und zu-
weilen geringe Kristallisationsneigung erschweren die Isolierung. Dagegen lassen
sich die Natrium- oder Kaliumarylsulfonate häufig aussalzen, wie das Beispiel Na-
triumbenzolsulfonat zeigt. Die Erdalkalisalze sind im allgemeinen leidlich wasser-
löslich; das bietet die Möglichkeit, im Anschluß an die Sulfonierung die überschüssige
Schwefelsäure als Calcium- oder Bariumsalz zu entfernen. Aus den löslichen Erd-
alkaliarylsulfonaten kann man dann durch Umsetzung mit Alkalicarbonaten leicht
die sulfonsauren Alkalisalze gewinnen.
Zur Sulfonierung des aromatischen Kerns gemäß

ArH + H 2 SO 4 ^ ArSO3H + H2O

genügt bereits konzentrierte Schwefelsäure; rauchende Schwefelsäure reagiert jedoch


wesentlich rascher. Daß das Schwefeltrioxid das aktive elektrophile Agens ist, zeigen
Mechanismus der Sulfonierung 245

Sulfonierungen mit den kristallisierten Komplexen aus SO3 und Dioxan oder Pyridin
sowie mit der Lösung von SO3 in Nitrobenzol.

SOoH

In rauchender Schwefelsäure (Oleum) liegt das SO3 wohl vorwiegend solvatisiert


als H 2 S 2 O 7 vor. Für die Sulfonierungen mit konz. Schwefelsäure macht man ein vor-
gelagertes Autoprotolyse-Gleichgewicht verantwortlich mit dem hypothetischen
HSOJ als aktiver Stufe.

3H 2 SO 4 ^± HSO3+ + H3O+ + 2HSO 4

In geringem Ausmaß reagieren die entstandenen Arylsulfonsäuren zu Diarylsul-


fonen weiter. Sulfone sind recht stabile Neutralkörper; ihre Herstellung durch Oxida-
tion von Thioethern wurde schon S. 161 an einem Beispiel beschrieben.

C 6 H 5 SO 2 OH + C6H6 > C 6 H 5 SO 2 C 6 H 5 + H2O

Die Abhängigkeit der Sulfonierungsgeschwindigkeit von der Natur der aromati-


schen Verbindung ist im großen ganzen die gleiche wie bei Halogenierung und Ni-
trierung, wenngleich quantitativ etwas schwächer ausgeprägt. Der Sulfonsäurerest
zeigt eine starke induktive Elektronenanziehung. Die Zweitsulfonierung ist daher er-
schwert und ergibt nahezu reine Benzol-m-disulfonsäure. Mit hochprozentigem
Oleum ist auch die Benzol-l,3,5-trisulfonsäure erhältlich.
Die Sulfonierung ist ein reversibler Prozeß. Die Desulfonierung zu Kohlenwasser-
stoff und Schwefelsäure erfolgt, je nach der Natur des Arylrestes, in siedender ver-
dünnter bis SOprozentiger Schwefelsäure. Normalerweise entspricht einer leichteren
Sulfonierung auch eine größere Hydrolyseempfindlichkeit. Die partielle Sulfonierung
mit anschließender Hydrolyse besitzt zur Trennung von Kohlenwasserstoffgemi-
schen einige Bedeutung.
Mit überschüssiger D2SO4 kann man in einer Folge elektrophiler Substitutionen
Benzol bis zum [D6]Benzol deuterieren.

Benzolsulf ochlorid

PCi5

Man mischt 80g des nach S. 244 gewonnenen rohen Natriumbenzolsulfonats mit 50g
pulverisiertem Phosphorpentachlorid in einem 500-ml- Rundkolben, erhitzt unter dem
Abzug 6 h im Ölbad auf 180 0 C und rührt dabei ab und zu um. Das abgekühlte Reak-
246 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

tionsprodukt gießt man langsam in einen Schütteltrichter, der 600 ml Eis/Wasser ent-
hält schüttelt mehrfach um, nimmt nach einstündigem Stehenlassen das Benzolsulfo-
chlorid mit Ether auf, wäscht die etherische Phase mit Wasser, trocknet sie mit wenig
Calciumchlorid und destilliert nach dem Abdampfen des Ethers im Vakuum. Die Haupt-
menge der charakteristisch riechenden Flüssigkeit geht bei 120—124 0 C / 1 2 Torr über;
Ausbeute 40-50 g. Reines Benzolsulfochlorid erstarrt in Eiswasser und schmilzt bei
14 0 C.

Sulfonsäurechloride stellt man meist aus Alkalisulfonaten mit PCl5 oder POCl3
her.
3ArSOoNa + + PCI5 > 3ArSO 2 CI + 2NaCI + NaPO3

Die Chlorsulfonsäure macht es möglich, die Sulfochloridgruppe direkt in den aro-


matischen Kern einzuführen. Mit Benzol erhält man so bei Raumtemperatur in
75prozentiger Ausbeute Benzolsulfochlorid.

C6H6 + 2HOSO 2 CI > C 6 H 5 SO 2 CI + H 2 SO 4 + HCI

Sulfochloride lassen sich mit Alkoholen oder Aminen in Sulfonsäureester bzw.


Sulfonamide überführen, jedoch vollziehen sich diese Umsetzungen viel langsamer
als bei den Carbonsäurechloriden. Daß man Benzolsulfochlorid, wenn auch nicht
ganz unzersetzt, mit Wasserdampf destillieren kann, beweist die Hydrolysestabili-
tät in neutralem bis schwach saurem Medium. Die Alkylester der Benzolsulfonsäure
und der billigeren /7-Toluolsulfonsäure (S. 247) sind geschätzte Alkylierungsmittel.
Man gewinnt sie durch dosierten Zusatz starker Natronlauge zur Lösung des Sulfo-
chlorids im betreffenden Alkohol.

Versuch: Benzolsulfonamid - In einer Porzellanschale verreibt man 10g feinpulveri-


siertes Ammoniumcarbonat mit etwa 1 ml Benzolsulfochlorid und erwärmt die Mischung
unter gutem Umrühren über einer kleinen Flamme, bis der Geruch des Sulfochlorids ver-
schwunden ist. Nach dem Abkühlen versetzt man mit Wasser, saugt ab, wäscht mehr-
fach mit Wasser und kristallisiert aus Ethanol um, dem man bis zur Trübung heißes Wasser
hinzufügt, Schmp. 156-1570C.

Die Sulfochloride reagieren mit primären und sekundären Aminen viel rascher als
mit dem weniger nucleophilen Hydroxylion. Man kann die Sulfonamide durch
Schütteln der Komponenten in lOprozentiger Natronlauge herstellen. Auch Pyridin
ist als HCl-Akzeptor geeignet. Auf die analytische Bedeutung der Sulfonamide zur
Trennung von primären und sekundären Aminen wurde schon S. 158 hingewiesen.
Darüber hinaus lassen sich flüssige primäre oder sekundäre Amine als kristalline
Benzol-, Toluol- oder /?-Brombenzolsulfonyl-Derivate charakterisieren.
/7-Toluolsulfonsäure 247

Die stark elektronenanziehende Sulfonylgruppe erhöht die Acidität des N-gebun-


denen Wasserstoffs der Sulfonamide so stark, daß diese in wässeriger Natronlauge
als Salze löslich sind.

C 6 H 5 SO 2 NHR + OH- > C6H5SO2-S-R + HOH

Nur formal ist der Stickstoff des Anions Träger einer vollen negativen Ladung; der
größte Teil davon wird vom Sulfonylrest abgezogen. - Mit Halogenierungsreagen-
zien, zum Beispiel Hypochloriten, geben primäre Sulfonamide N-Mono- oder N9N-
DihalogenVerbindungen, die als Oxidations- oder Desinfektionsmittel (Chlorliefe-
ranten) Verwendung finden. Ein wichtiger Vertreter ist das A^N-Dichlor-p-toluol-
sulfamid (Chloramin T).

p-Toluolsulfonsäure

CH3 CH3

H 2 SO 4 ^

SO3H

In einem 500-ml-Kolben mit Wasserabscheider (siehe S. 54, das seitliche Rohr soll
möglichst 10—15ml fassen) werden 40 ml (74g, 0,72 mol) konz. Schwefelsäure und
200 ml (174g, 1,90 mol) Toluol auf dem Babo-Trichter oder im Luftbad (nach Zugabe
von Siedesteinchen) zu kräftigem Sieden erhitzt. Von Zeit zu Zeit wird das abgeschiedene
Wasser in einen kleinen Meßzylinder abgelassen. Nach etwa 5-stündigem Kochen, wenn
sich 16-18 ml Wasser gesammelt haben (theoretisch entstehen bei der Reaktion 13,0 ml
Wasser), läßt man abkühlen und versetzt mit 12,5 ml Wasser, wobei der Kolbeninhalt er-
starrt. Man saugt ab und preßt zur Entfernung von Toluol und o-Toluolsulfonsäure gut
auf einem Tonteller ab, löst das zurückbleibende p-Toluolsulfonsäure-hydrat in etwa
70 ml heißem Wasser, kocht mit etwas Kohlepulver auf, saugt auf einer vorgewärmten
Nutsche bei geringem Unterdruck ab, wäscht mit 20 ml kochendheißem Wasser und
leitet in die erkaltete Lösung unter Kühlung durch ein weites Rohr (08mm) Chlor-
wasserstoffgas bis zur Sättigung ein. Die abgeschiedenen Kristalle werden auf einem
säurefesten Filter oder auf einer Glasfritte abgesaugt, mit wenig eiskalter konz. Salzsäure
gewaschen und noch 2mal in der gleichen Weise umkristallisiert. Man trocknet schließ-
lich im Vakuum über Kaliumhydroxid, das man vorher pulverisiert und mehrfach erneuert,
bis die Kristalle des p-Toluolsulfonsäure-monohydrats völlig frei von Salzsäure sind
(Probe mit Silbernitrat-Lösung). Schmp. 104-1050C; Ausbeute nach Smaligem Um-
kristallisieren 50-54 g (36-39%).

Die Sulfonierung mit einem Unterschuß an Schwefelsäure erlaubt die direkte Iso-
lierung der freien Sulfonsäure. Dies wird dadurch ermöglicht, daß das bei der Reak-
tion gebildete Wasser, das bei Anwendung der stöchiometrischen Menge Schwefel-
248 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

säure deren sulfonierende Wirkung bald aufheben würde (daher der Überschuß bei
der Methode von S. 244), abdestilliert und mit einem Wasserabscheider (Abb. 46)
vom Toluol getrennt wird. Mit diesem Kunstgriff läßt sich die gesamte Schwefel-
säure aufbrauchen.
Sulfoniert man Toluol bei O 0C mit Oleum (Bedingungen, unter denen keine Desul-
fonierung stattfindet), so gelangt man zu einem Gemisch aus 43% o-, 4% m- und
53% /7-Toluolsulfonsäuren. Dieses Verhältnis entspricht wohl dem der Reaktions-
geschwindigkeitskonstanten für die 0-, m- und /?-Sulfonierung bei dieser „kinetisch
kontrollierten Reaktion".
Bei der Sulfonierung oberhalb 100 0C mit noch etwas Wasser enthaltender Schwefel-
säure kommt dagegen auch die Desulfonierung zum Zug. In einer Folge von Sulfo-
nierungs- und Hydrolyseschritten wird das kinetische Produktgemisch von dem
thermodynamischen Gleichgewicht der drei isomeren Toluolsulfonsäuren unterein-
Toluol + H 2 SO 4 ^± Toluolsulfonsäuren + H 2 O

ander überlagert. Diese „thermodynamisch kontrollierte Reaktion" liefert bis zu


90% /?-Toluolsulfonsäure als stabiles Isomeres. Da sehr häufig ein und dieselbe Reak-
tion bei kinetischer oder thermodynamischer Kontrolle verschiedene Produkte
liefert, bietet sich in der Wahl der Reaktionsbedingungen oft eine Möglichkeit, die
Ausbeute an gewünschtem Produkt zu erhöhen.
Die 0-Toluolsulfonsäure ist Zwischenstufe bei der Herstellung des Süßstoffes
Saccharin. Man überführt zu dessen Herstellung ein Gemisch aus o- und p -Toluol-
sulfonsäuren in die Sulfochloride, friert das bei 690C schmelzende/?-Isomere aus und
behandelt den an der 0-Verbindung angereicherten flüssigen Teil mit Ammoniak. Das
Sulfonamid wird mit Permanganat zur 2-(Aminosulfonyl)benzoesäure oxidiert; diese
schließt spontan den Ring zum l,2-Benzisothiazol-3(2//>on-dioxid, dessen Natrium-
salz als Süßstoff Verwendung findet.

Als Nebenprodukt der Saccharinfabrikation ist /7-Toluolsulfochlorid (Tosyl-


chlorid) billig erhältlich. Der Tosylrest und noch mehr der der /7-Brombenzolsulfon-
säure („Brosylrest") sowie die Reste der aliphatischen Methansulfonsäure („Mesyl-
rest") und besonders der Trifluormethansulfonsäure („Triflatrest") gehören zu den
starken nucleofugen Gruppen.
Reversibilität der Sulfonierung 249

Natrium-naphthalin-2-sulfonat

H 2 SO 4

In einem 250-ml-Weithalskolben mit mechanischem Rührer und Tropftrichter werden


64g (0,50 mol) reines Naphthalin (Sdp. 93—94 0 C/12 Torr) im Ölbad geschmolzen
und unter stetem Rühren auf 165 0 C (Badtemperatur) erhitzt. Bei dieser Temperatur läßt
man in 30 min 38 ml (70g, 0,67 mol) konz. Schwefelsäure zutropfen. Man erwärmt das
Reaktionsgemisch unter Rühren 2 h auf 165-1670C, 1 h auf 17O 0 C und schließlich 1 h
auf 173 0 C (dabei verdampfen Wasser und etwas Naphthalin). Dann gießt man die
braune, noch heiße Reaktionsmischung in 450 ml Wasser in einem 1-1-Becherglas. Aus
der so gewonnenen Lösung wird die Sulfonsäure als Natriumsalz gefällt, indem man unter
mechanischem Rühren vorsichtig 15g Natriumcarbonat-decahydrat und danach lang-
sam 90 g gepulvertes Natriumchlorid einstreut. Die Lösung erstarrt in kurzer Zeit zu einem
Brei, der noch 6 h kräftig gerührt werden muß, um die Ausscheidung zu vervollständigen.
Der hellbraune Niederschlag wird auf einer großen Nutsche zunächst vorsichtig abge-
saugt, dann scharf abgepreßt (Dauer etwa 45min). Zur Reinigung löst man das rohe
Salz in 1 I heißem Wasser, erhitzt 15 min mit 15g Kohlepulver zum schwachen Sieden
und filtriert durch ein mit siedendem Wasser angefeuchtetes und vorgewärmtes großes
Faltenfilter. Der Filterrückstand wird 3mal mit je 50 ml heißem Wasser ausgewaschen.
Aus dem abgekühlten Filtrat kristallisiert das Natriumsalz in farblosen, glänzenden Blätt-
chen. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank saugt man ab und wäscht auf
der Nutsche 2mal mit je 50 ml eiskaltem Wasser. Die Mutterlauge wird im Vakuum zu-
sammen mit allem Waschwasser bis auf etwa 300 ml eingeengt und im Kühlschrank auf-
bewahrt. Die sich dabei abscheidende zweite Fraktion wird nach scharfem Absaugen
durch 2maliges Suspendieren in je 50 ml eiskaltem Wasser gewaschen und mit der ersten
Fraktion vereint im Trockenschrank bei 100-11O0C getrocknet. Nach dieser Reinigung
enthält das Präparat kaum noch Chloridionen (Probe mit Silbernitrat-Lösung).

Ein elegantes Verfahren zur direkten Darstellung der freien Naphthalin-2-sulfon-


säure aus den Komponenten findet man bei O. N. Witt [Ber. Dtsch. Chem. Ges. 48,
751 (1915)]. Es sei zur Abwechslung an Stelle der gegebenen Vorschrift empfohlen.
Das Trihydrat schmilzt bei 830C.
Naphthalin wird leichter sulfoniert als Benzol. Nimmt man die Substitution unter-
halb 4O 0 C vor, erhält man Naphthalin-1-sulfonsäure und -2-sulfonsäure im Verhält-
nis 96 : l im Einklang mit der üblichen Bevorzugung der !-Substitution (S. 239). Ar-
beitet man dagegen in wasserhaltiger Schwefelsäure bei 17O0C, also wie beim obigen
Präparat (bei der Sulfonierung wird Wasser gebildet), stellen sich die folgenden
Gleichgewichte ein:
SO3H

•T ^l r^ .Y ^XT'
,SO3H
*^

/**

^H 7 SO/
250 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Etwa 15% 1-Sulfonsäure und 85% 2-Sulfonsäure sind das Ergebnis dieser thermo-
dynamisch kontrollierten Reaktion. (Auch aus der reinen 1-Sulfonsäure erhält man
unter diesen Bedingungen das gleiche Gleichgewichtsgemisch.) Daraus folgt, daß so-
wohl die Reaktionsgeschwindigkeit der Bildung, als auch die der Hydrolyse von 1-
Naphthalinsulfonsäure größer sind, als die von 2-Naphthalinsulfonsäure.
Die Isomerengleichgewichte scheinen von sterischen Faktoren beeinflußt zu sein.
Die voluminöse Sulfonsäuregruppe wird in der !-Position des Naphthalins vom
Wasserstoff in Stellung 8 behindert. Auch beim Toluol liegt nur wenig o-Sulfonsäure
im Gleichgewicht vor (S. 248).
Andere Verhältnisse scheinen beim Anthrachinon zu herrschen, das erst bei höhe-
rer Temperatur von Oleum, und zwar ausschließlich in 2-Stellung, sulfoniert wird.
Zugabe von Quecksilber beeinflußt den Prozeß derart, daß man unter gleichen Be-
dingungen ein Gemisch von 97% 1-Sulfonsäure und 3% 2-Sulfonsäure erhält (R.E.
Schmidt, 1903). Da man die Säuren nicht wechselseitig ineinander überführen kann,
hat man es in beiden Fällen mit kinetisch kontrollierten Reaktionen zu tun. Mög-
licherweise erklärt eine primäre Mercurierung das Katalysephänomen.
Anilin wird besonders leicht sulfoniert. Die als Komponente für Azofarbstoffe
wichtige Sulfanilsäure wird durch Erhitzen des Aniliniumhydrogensulfats auf 2000C
(„Backverfahren") gewonnen.

C6H5-NH3 + HSOA~ -^=^- C6H5-NH2 + H 2 SO 4 -

Die Eigenschaften der Sulfanilsäure sprechen für das Vorliegen eines inneren Salzes
(„Zwitterion"). Da die aromatische Aminogruppe schwach basisch, die Sulfogruppe
dagegen stark sauer reagiert, ist es verständlich, daß die Sulfanilsäure nur mit Alkali-
hydroxiden, nicht aber mit verdünnten Mineralsäuren Salze bildet.
Die Amide der Sulfanilsäure sind wertvolle Chemotherapeutika gegen Strepto-
kokken- und Staphylokokken-Infektionen (G. Domagk, 1934). Die Stammverbin-
dung wurde mehr und mehr von Abkömmlingen verdrängt, die einen aromatisch-
heterocyclischen Rest am Stickstoff tragen, zum Beispiel dem Sulfathiazol.

N^
-SO 2 -NH-C/ J

Um solche Verbindungen durch Wechselwirkung eines Sulfochlorids mit einem


Arylamin zu erhalten, muß man die Aminogruppe der Sulfanilsäure reversibel schüt-
zen. Die Umsetzung des Acetanilids mit Chlorsulfonsäure ergibt das 4-Acetaminoben-
zolsulfochlorid. Nach Herstellung des substituierten Sulfonamids läßt sich der N-
Acetylrest leicht mit 2N Salzsäure entfernen. Die Sulfonamide sind nämlich gegen
Hydrolyse sehr viel stabiler als die Carboxamide (S. 315).
Pikrinsäure 251
CH 3 CO-NH

R-NH, HCl

SO 2 Cl SO2-NHR

Den Mono-, Di- und Trisulfonsäuren der Naphthylamine und Naphthole kommt
große technische Bedeutung zur Darstellung von Azofarbstoffen zu.

2,4,6-Trinitrophenol (Pikrinsäure)
OH OH
SOoH
H2SO, HNO.

20 g (0,21 mol) Phenol werden in einem Becherglas mit 45 ml konz. Schwefelsäure ge-
rührt, wobei sich unter Erwärmen eine bräunliche Lösung bildet. Diese Lösung läßt man
unter mechanischem Rühren in 100 ml konz. Salpetersäure (d = 1,41; 1,5 mol) eintrop-
fen, die sich in einem 500-ml-Kolben im Ölbad (ohne Heizung) unter dem Abzug be-
finden. Unter kräftiger Entwicklung nitroser Gase steigt dabei die Temperatur spontan
an. Zur Vervollständigung der Reaktion heizt man das Ölbad zunächst auf 10O0C, bis
die Gasentwicklung abgeschlossen ist, dann noch einige min bis auf 112 0 C. Die schon
in der Endphase einsetzende Kristallisation der Pikrinsäure wird durch Eingießen in die
Gfache Menge Eis/Wasser vollständig. Nach kurzem Stehenlassen wird abgesaugt, gut
ausgewaschen und noch feucht gesammelt. Ausbeute 35g (72%) Pikrinsäure mit
Schmp. 120-1210C. Aus Sicherheitsgründen soll das Präparat mit etwa 10% Wasser-
gehalt in einer Flasche ohne Schließstopfen (Explosionsgefahr beim Mahlen der
Kristalle) aufbewahrt werden. Eine Spatelspitze kann aus wässerigem Ethanol oder aus
Benzol zu nahezu farblosen, derben Kristallen mit Schmp. 122 0 C umkristallisiert werden.

Bei der Nitrierung des ungeschützten Phenols mit starker Salpetersäure entstehen
durch Oxidation unerwünschte Nebenprodukte. Man bedient sich daher des Kunst-
griffes, das Phenol mit Schwefelsäure in die weniger oxidationsempfindliche Phenol-
2,4-disulfonsäure überzuführen und dann erst die Salpetersäure einwirken zu lassen.
Das Nitroniumion verdrängt dabei nicht nur das Proton in 6-Stellung, sondern auch
die beiden Sulforeste.
Solche Substituentenverdrängungen - schon oben wurde die saure Hydrolyse der
Sulfonsäuren als elektrophile Substitution angesprochen - sind in großer Vielfalt be-
kannt. Neben SO3H lassen sich in geeigneten Fällen auch Halogen-, Carboxyl-
und Acetylgruppen gegen die Nitrogruppe austauschen. Die Desulfonierung der
Phenolsulfonsäuren ist auch durch Halogen möglich.
252 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Nitrogruppen erhöhen die Acidität des Phenols erheblich, wie die folgende Auf-
stellung der entsprechenden pKA-Werte (siehe S. 292) zeigt.

Säure pKA

Phenol 9,9
2-Nitrophenol 7,2
3-Nitrophenol 8,0
4-Nitrophenol 7,1
2,4-Dinitrophenol 4,0
2,4,6-Trinitrophenol 0,8

Mit dem pXA = 0,80, also der Säuredissoziationskonstante 0,16, nähert sich die
Pikrinsäure in ihrer Acidität starken Mineralsäuren. Nach Abspaltung des Protons
übernimmt jede der Nitrogruppen infolge ihres induktiven und mesomeren Effekts
einen Teil der negativen Ladung des Phenolations; mit dieser Ladungsverteilung geht
eine Senkung des Energieniveaus einher.
Wie das Trinitrotoluol (S. 236) besitzt auch die Pikrinsäure oxidierende und redu-
zierende Gruppen im Molekül, die ihr Sprengstoffcharakter geben.
Mehrfach nitrierte Verbindungen dürfen nicht stärker erhitzt (zum Beispiel destil-
liert) werden!
Bemerkenswert ist die Fähigkeit von Polynitroaromaten mit elektronenreicheren
Aromaten Komplexe zu bilden.

Versuch: Herstellung von Pikraten — Man löst 0,80 g reine Pikrinsäure in 20 ml


Benzol und verteilt die Lösung auf vier Reagenzgläser. Diese Proben versetzt man mit
den warmen Lösungen der in der Tabelle aufgeführten Mengen aromatischer Verbin-
dungen in je 2 ml Benzol. Es scheiden sich, teilweise erst nach kurzer Zeit, die kristalli-
nen Molekülverbindungen ab.

Aromatische Komplex
Verbindung Kristallfarbe Schmp. [0C]

0,40 g Naphthalin gelb 150—151


0,60 g Phenanthren orangegelb 144—145
0,20 g a-Naphthol rotorange 189-190
0,20 g 0-Naphthol rotorange 155

Daß es sich bei den Pikraten nicht um Salze sondern um Molekülverbindungen han-
delt, ergibt sich daraus, daß die saure Hydroxygruppe gar nicht erforderlich ist.
Donator-Akzeptor-Komplexe 253

Versuch: Herstellung von Komplexen mit 1,3,5-Trinitrobenzo! - Man verteilt die


Lösung von 0,80g farblosem 1,3,5-Trinitrobenzol in 12ml Methanol auf 3 Reagenz-
gläser. Diesen Proben setzt man die Lösungen von je 0,20g der aromatischen Kompo-
nenten in je 3 ml Methanol zu.

Aromatische Komplex
Verbindung Kristallfarbe Schmp. [0C]
Naphthalin blaßgelb 151-152
Phenanthren zitronengelb 159-160
N,N-Dimethylanilin schwarzviolett 108-109

Die Neigung des Ethylentetracarbonitrils (Tetracyanethylen) Molekülverbindungen


mit Aromaten zu bilden, übersteigt noch die der Pikrinsäure und zeigt, daß es sich
dabei nicht um ein Monopol der Polynitroaromaten handelt.

Versuch: Herstellung von Komplexen mit Ethylentetracarbonitril — Die farb-


losen Lösungen der aromatischen Kohlenwasserstoffe (s. unten) in Cyclohexan werden
mit dem gleichen Volumen der farblosen, kalt gesättigten Lösung von Ethylentetracar-
bonitril in Chloroform (Löslichkeit gering) gemischt, wobei die folgenden Farben die
Bildung der Molekülverbindungen anzeigen:

Aromat Benzol XyIoI Mesitylen Naphthalin Phenanthren Anthracen


Farbe hellgelb orange rotorange weinrot violett grasgrün
Im Falle des Anthracens verschwindet die Farbe bald wieder, worauf das farblose Diels-
Alder-Addukt auskristallisiert (zur Diensynthese vgl. S. 200).

Die in sehr großer Zahl bekannten, gut kristallisierenden Komplexe der Polynitro-
aromaten mit aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Phenolen, Arylaminen und
Arylethern haben analytische Bedeutung zur Stofftrennung und Identifizierung (siehe
S. 703). Neben der Pikrinsäure und dem Trinitrobenzol werden 2,4,6-Trinitroresorcin
(Styphninsäure), 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol (Pikrylchlorid) und 2,4,7-Trinitrofluo-
renon für diese Zwecke verwendet.
Die Komplexe lassen sich leicht spalten. Die der Pikrinsäure zerlegt man, indem
man ihre Lösungen in Benzol oder Chloroform mit warmer Natriumhydrogencar-
bonat-Lösung oder sehr verdünntem Ammoniak schüttelt; dabei geht die Pikrin-
säure in die alkalische Phase, die zweite Komponente in die organische. Komplexe
mit 1,3,5-Trinitrobenzol lassen sich häufig trennen, indem man sie in einem unpola-
ren Lösungsmittel über eine Aluminiumoxid-Säule laufen läßt, die das 1,3,5-Trini-
trobenzol adsorbiert.
Durch Röntgen-Strukturanalyse wurde gezeigt, daß die beiden Komponenten der
Komplexe mit ihren Ringebenen übereinander liegen. Danach und aufgrund weiterer
254 Kapitel III. Aromatische Substitution, I

Untersuchungen betrachtet man diese Komplexe als Ti-Komplexe (auch Elektronen-


Donator-Akzeptor-Komplexe oder „charge-transfer"-Komplexe genannt), bei denen
eine Wechselwirkung zwischen dem obersten besetzten Orbital des Donators und
einem unbesetzten Orbital der Polynitroverbindung als Akzeptor vorliegt. Formal
entstehen dabei zwei Radikalionen (die sowohl eine Formalladung als auch ein un-
gepaartes Elektron besitzen). Da das getrennte Elektronenpaar im Zustand der Spin-
kopplung verbleibt, haben die Komplexe keinen Biradikalcharakter (sind also auch
nicht paramagnetisch).
In den Ti-Komplexen ist die Bindung der Partner um so fester, je höher die Elek-
tronenaffinität des Akzeptors und je niedriger das lonisationspotential des Donators
ist. Die Donatoraktivität nimmt mit dem Alkylierungsgrad des Benzolkerns, insbe-
sondere aber beim Übergang zu polycyclischen Aromaten, zu.
Weitere Donator-Akzeptor-Komplexe liegen in den Chinhydronen (siehe S. 568)
sowie in Molekülverbindungen der Aromaten mit dem Silberion, mit Br2, Cl2, SO2
oder mit O2 vor. Ein außerordentlich wirksamer Akzeptor ist die an Elektronen ver-
armte Doppelbindung des Tetracyanethylens.

2,4-Dinitro-1 -naphthol-7-sulfonsäure (Flaviansäure)

OH OH
HOoS S
S03/H2S04 °3H HNO3

SO 3 H

50g (0,35 mol) fein pulverisiertes a-Naphthol werden unter dauerndem Umschütteln
allmählich in 20Og 25proz. Oleum (d = 1,93) eingetragen und gelöst. Dann wird je 1 h
im Ölbad auf 9O 0 C und 125 0 C erwärmt. - Um festzustellen, ob das a-Naphthol dabei
vollständig in die 1-Naphthol-2,4,7-trisulfonsäure umgewandelt worden ist, wird eine
Probe im Reagenzglas mit etwa 1OmI Wasser vermischt, die Lösung mit etwa 1OmI
konz. Salpetersäure versetzt und bis fast zum Sieden erwärmt. Wenn sich die gelbe Lö-
sung beim Abkühlen trübt oder Flocken abscheidet, ist die Reaktion durch Zugabe von
stärkerem Oleum und erneutes Erhitzen zu vervollständigen. — Die abgekühlte Schmelze
wird allmählich in 500 g zerstoßenes Eis eingerührt. Nach Filtrieren wird die braune
Lösung mit 85 ml konz. Salpetersäure (d = 1,41; 120 g, 0,82 mol) vermischt und 30 min
auf 5O 0 C erwärmt. Nach 12stündigem Stehenlassen bei Raumtemperatur wird abfiltriert
und aus heißer verd. Salzsäure umkristallisiert. Die so gewonnenen gelben, bei 151 0 C
schmelzenden Nädelchen werden zuerst auf Ton, dann im Exsikkator über Kaliumhydroxid
getrocknet. Ausbeute etwa 94 g (85%).

2,4-Dinitronaphthol (Martiusgelb) und seine 7-Sulfonsäure (Flaviansäure) fanden


früher als gelbe Wollfarbstoffe Verwendung. Flaviansäure dient auch als Basenfäl-
Weiterführende Literatur zu Kapitel III 255

lungsmittel (siehe S. 676). Bei der beschriebenen Herstellung ist - wie bei Pikrinsäure -
eine 2fache elektrophile Substitution des Sulforestes durch die Nitrogruppe beteiligt.

Weiterführende Literatur zu Kapitel III

P. Garratt und P. Vollhardt, Aromatizität, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1973.


RJ. Garratt und M. V. Sargent, Nonbenzoid Conjugated Cyclic Hydrocarbons, Adv. Org. Chem.
6, l (1969).
R. Stroh, Austausch von Wasserstoff gegen Chlor im Kern von Isocyclen mit aromatischem Cha-
rakter, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 651,
Thieme, Stuttgart 1962.
A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Wasserstoff in Isocyclen und Hetero-
cyclen mit aromatischem Charakter, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 5/4, S. 233, Thieme, Stuttgart 1960.
A. Roedig, Einführung von Jod in Isocyclen und Heterocyclen mit aromatischem Charakter,
Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 557, Thieme,
Stuttgart 1960.
W. Seidenfaden und D. Pawellek, Einführung der Nitrogruppe durch Austausch von Wasserstoff
gegen die Nitrogruppe, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl.,
Bd. 10/I9 S. 479, Thieme, Stuttgart 1971.
F. Muth, Methoden zur Herstellung und Umwandlung aromatischer Sulfonsäuren, Methoden
der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 429, Thieme, Stuttgart 1955.
C. M. Suter und A. W. Weston, Direct Sulfonation of Aromatic Hydrocarbons and Their Halogen
Derivatives, Org. React. 3, 141 (1946).
D.E. Pearson und CA. Buehler, Unusual Electrophilic Substitution, Synthesis /97/, 455.
K. Foster, Organic Charge-Transfer Complexes, Academic Press, London und New York 1969.
IV. Aromatische Substitution, Il

Experimente:
Benzophenon
3-Benzoyl-propionsäure
l-Tetraion
1-Indanon
a) Über 3-Phenylpropionyl-chlorid mit AlCl3
b) Aus 3-Phenylpropionsäure mit Polyphosphorsäure
Triphenylchlormethan
Cumol
1-Chlormethylnaphthalin
2,4-Dihydroxyacetophenon
4-(Dimethylamino)benzaldehyd
2,4-Dihydroxybenzoesäure
Salicylaldehyd
2-Naphthol
Dimethylammoniumchlorid
Versuch: Liebermannsche Reaktion
2,4-Dinitrophenylhydrazin
2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol(Pikrylchlorid)
Friedel-Crafts-Reaktionen 259

IV. Aromatische Substitution, II.

Acylierung und Alkylierung nach Friedel-Crafts


und ähnliche Reaktionen

Benzophenon

A(Cl3

Aktives Aluminiumchlorid: Voraussetzung für das Gelingen einer Friedel-Crafts-Reaktion


ist die einwandfreie Beschaffenheit des als Katalysator benutzten wasserfreien Alu-
miniumchlorids. Handelsübliche Präparate aus versiegelten Gefäßen, die schon einmal
geöffnet wurden, sind meist wegen der Undichtigkeit des Verschlusses teilweise hydroly-
siert und nicht mehr verwendbar. Man prüfe im schräg gehaltenen Reagenzglas über der
Flamme, ob sich eine kleine Probe vollständig oder wenigstens zum weitaus größten
Teil sublimieren läßt. Nicht allzu stark verdorbene Präparate lassen sich durch Sublima-
tion brauchbar machen. Für diese Sublimation, die unter dem Abzug durchgeführt wer-
den muß, ist eine sorgfältig getrocknete, mit einer Porzellanschale bedeckte Konserven-
dose gut geeignet; nach Beendigung des Prozesses, bei dem nicht zu stark geheizt wer-
den soll, schüttet man das lockere, nicht sublimierbare Material aus und hebt dann die
Krusten des sublimierten Aluminiumchlorids mit einem Messer von den Wandungen der
Dose und der Porzellanschale ab. Gelbe Farbe des Präparats hat keinen Einfluß auf dessen
Aktivität.
Acylierung: In die Lösung von 29,0 ml (35,2g; 0,25 mol) frisch destilliertem (Sdp.
75 0 C / 12 Torr) Benzoylchlorid in 12OmI (105g; 1,35 mol) frisch destilliertem, thio-
phenfreiem Benzol (das gleichzeitig als Reaktionskomponente und Lösungsmittel dient)
trägt man unter jeweils kurzem Abheben des Kühlers im Laufe von 10min 35g
(0,26 mol) fein pulverisiertes Aluminiumchlorid (das in einem verschlossenen Gefäß ab-
gewogen wurde) portionsweise ein. Nach jeder Zugabe schüttelt man kräftig um, bis
sich das Aluminiumchlorid gelöst hat. Anschließend versieht man den Rückflußkühler
mit einer Gasableitung, die in den Abzug führt, und erwärmt die tiefbraune Lösung 3 h
in einem Wasserbad von 5O 0 C; die anfangs starke Entwicklung von Chlorwasserstoff ist
dann beendet. Das überschüssige Benzol wird unter vermindertem Druck (etwa 200 Torr)
abdestilliert, bis das Reaktionsgemisch eben gallertartig zu erstarren beginnt. Den noch
warmen Kolbeninhalt gießt man vorsichtig auf etwa 300 ml Eis/Wasser und spült letzte
Reste mit etwas eiskaltem Wasser dazu. Nach Zusatz von 10 ml konz. Salzsäure wird so
lange kräftig geschüttelt, bis sich (in etwa 10 min) der feste braune Komplex vollständig
zersetzt und ein rotes Öl auf der wässerigen Phase gesammelt hat. Man nimmt die orga-
nische Phase in 1 50 ml Ether auf und schüttelt die wässerige noch einmal mit 50 ml Ether
aus. Die vereinigten Etherauszüge werden 2mal mit je 50 ml 2IM Natronlauge sowie ein-
mal mit 50 ml Wasser gewaschen und über wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet. An-
schließend destilliert man den Ether ab, füllt das zurückgebliebene rote Öl in einen
Schwertkolben mit Claisenaufsatz (Nachspülen mit etwas Ether) oder einen Kolben mit
260 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Kugelrohr und destilliert im Vakuum. Benzophenon geht bei 164—165 0 C / 1 2 Torr als
farbloses, kristallin erstarrendes Öl über; es wird aus dem Schwert oder Kugelrohr her-
ausgeschmolzen und pulverisiert. Ausbeute 39—40 g (86-88%) einer bei 46-47 0 C
schmelzenden farblosen Kristallmasse mit charakteristischem Geruch.

3- Benzoylpropionsäure
O
C
^COCHXH 7 CO 5 H

In einem 1 -I-Kolben mit mechanischem Rührer, Rückflußkühler und Gasableitung in den


Abzug werden 200 ml (175g, 2,25 mol) thiophenfreies Benzol und 30g (0,30 mol)
pulverisiertes Bernsteinsäureanhydrid (siehe S. 310) innerhalb von 45 min durch den mit
Schliffstopfen versehenen dritten Tubus mit 88 g (0,66 mol) fein pulverisiertem aktivem
Aluminiumchlorid (siehe voriges Präparat) in 4 Portionen versetzt, wobei man durch
kräftiges Rühren ein Zusammenballen verhindert. Kommt die exotherme Reaktion unter
Entwicklung von Chlorwasserstoff nach der ersten Zugabe von Aluminiumchlorid nicht
spontan in Gang, erwärmt man etwas. Nach Abklingen der Reaktion kocht man unter
ständigem Rühren noch 30 min im Ölbad unter Rückfluß. Dann läßt man (zur Hydrolyse
des Aluminiumchloridkomplexes) durch einen Tropftrichter innerhalb von 20 min 150 ml
Wasser in das gerührte Reaktionsgemisch fließen. Nach Zugabe von 45 ml konz. Salz-
säure tauscht man den Rückflußkühler gegen einen absteigenden aus und treibt das
Benzol durch Einleiten von Wasserdampf ab. Man überführt den noch heißen Rückstand
in ein Becherglas, spült mit etwas heißem Wasser und läßt abkühlen. Das kristalline Pro-
dukt wird abgesaugt, auf der Nutsche mit 10OmI verd. Salzsäure gewaschen und zur
weiteren Reinigung mit 35 g Natriumhydroxid in 250 ml Wasser 30 min auf dem sieden-
den Wasserbad verrieben. Man saugt vom Aluminiumhydroxid ab, rührt das Filtrat noch
heiß 5 min mit 2 g Aktivkohle, saugt ab und versetzt die fast farblose Lösung mit 60 ml
konz. Salzsäure. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank wird abgesaugt, mit
Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator getrocknet. Ausbeute 48—51 g (90-95%)
3-Benzoylpropionsäure mit Schmp. 114-1160C. Eine kleine Probe schmilzt nach Um-
kristallisieren aus Wasser bei 116-117 0C.

1-Tetraion

SOCl 2 AlCl3

Unter dem Abzug werden 30g (0,18 mol) trockene 4-Phenylbuttersäure (siehe S. 544)
in einem 100-ml-Kolben mit 18,OmI (0,25 mol) reinem Thionylchlorid übergössen und
nach Aufsetzen eines Rückflußkühlers mit Calciumchlorid-Rohr auf dem Wasserbad bis
Friedel-Crafts-Reaktionen 261

zum Schmelzen der Säure erwärmt. Ohne Wärmezufuhr läßt man dann die mit Freiset-
zung von SO2 und HCI verbundene Reaktion 30 min ablaufen und kocht dann noch
5 min unter Rückfluß. Nach Abkühlenlassen destilliert man das überschüssige Thionyl-
chlorid bei etwa 12 Torr und zum Schluß 10O 0 C ab. Das zurückgebliebene 4-Phenyl-
buttersäurechlorid ist für die Cyclisierung ausreichend rein. — In einem 250-ml-Kolben
mit Tropftrichter, mechanischem Rührer und Gasableitung in den Abzugsschacht wer-
den 34 g (0,25 mol) fein pulverisiertes Aluminiumchlorid (siehe oben) mit 90 ml, (78 g,
1,0 mol) trockenem, thiophenfreiem Benzol übergössen. Dazu läßt man während 30 min
unter Rühren die Lösung des 4-Phenylbuttersäurechlorids in 60 ml thiophenfreiem
Benzol tropfen und hält dabei die Temperatur durch Außenkühlung mit Eis/Wasser
unterhalb 1O 0 C. Man rührt noch 5 h bei Raumtemperatur und läßt zur Hydrolyse unter
erneuter Außenkühlung mit Eis/Wasser 100 ml Wasser in 30 min zutropfen. Nach Zusatz
von 1OmI konz. Salzsäure rührt man bis zur Lösung der festen Anteile weiter, trennt
im Schütteltrichter die organische Phase ab und schüttelt die wässerige mit 25 ml
Benzol aus. Die vereinigten Benzolextrakte werden mit Natriumhydrogencarbonat-
Lösung und dann mit Wasser gewaschen. Nach Abdestillieren des Benzols wird im
Vakuum destilliert; bei 122-124 0 C/10 Torr gehen 22—23 g (82-86%) farbloses 1-
Tetralon über.

1-lndanon

a) Über 3-Phenylpropionylchlorid mit Aluminiumchlorid

Analog der Herstellung von 1 -Tetraion (voranstehendes Präparat) werden 1,0 g (67 mmol)
reine 3-Phenylpropionsäure mit 6,0 ml (80 mmol) frisch destilliertem Thionylchlorid in
das Säurechlorid übergeführt, dann wird dessen Lösung in 25 ml thiophenfreiem Benzol
mit 12g (90 mmol) Aluminiumchlorid in 35 ml Benzol umgesetzt. Das Rohprodukt wird
in einem Schwertkolben oder Kugelrohr bei 117-118 0 C/12 Torr destilliert. Ausbeute
7,0-7,8 g (79-88%) farbloses 1-lndanon mit Schmp. 40-410C.

b) Aus 3-Phenylpropionsäure mit Polyphosphorsäure


60g Diphosphorpentoxid trägt man portionsweise unter Rühren und Kühlen im Eisbad
in 30 ml sirupöse Phosphorsäure (85proz., d = 1,71) ein. Nach Aufsetzen eines Calcium-
chlorid-Rohrs erwärmt man unter gelegentlichem Umschütteln 3 h auf dem siedenden
Wasserbad. Dann bringt man den Kolben in ein 70 0 C heißes Ölbad und trägt unter mecha-
nischem Rühren 10g (67 mmol) 3-Phenylpropionsäure spatelspitzenweise während
20 min ein. Wenn sich alles gelöst hat, entfernt man den Rührer und hält unter Feuchtig-
keitsausschluß noch weitere 80 min bei 7O 0 C, wobei sich das Reaktionsaemisch braun-
262 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

rot färbt. Nach Abkühlen auf 50 0 C wird in 200 ml Eis/Wasser gegossen und mit 3mal
70 ml Ether ausgeschüttelt. Die mit Natriumhydrogencarbonat und Wasser gewaschene
Etherlösung wird über Calciumchlorid getrocknet und der Ether im Vakuum abdestil-
liert. Das zurückgebliebene, noch blaßgelbe kristalline Rohprodukt wird wie oben an-
gegeben durch Vakuumdestillation gereinigt. Ausbeute 7,2—8,0 g (81—90%) 1 -Indanon,
das bei 40-410C schmilzt.

Die von C. Friedel und M. Crafts 1877 entdeckte Alkylierung und Acylierung des
aromatischen Kerns unter der Einwirkung von Aluminiumchlorid gehören zu den
wichtigsten Synthesen in der organischen Chemie. Bei der Ketonsynthese nach
Friedel-Crafts substituiert das aus dem Carbonsäurechlorid mit Aluminiumchlorid
erzeugte Acyliumion elektrophil den aromatischen Kern; das Proton liefert mit dem
komplexen Anion Aluminiumchlorid und Chlorwasserstoff

R-C +AlCl3 ^ R-C = O-AlCl3 ^ R-CO + AlCl4"


X

+ R-C=O

(H*) + [AlClJ" HClH-AlCt3

Daß der elektrophile Katalysator Aluminiumchlorid mindestens in stöchiometri-


scher Menge verwendet werden muß, rührt von der Bildung eines Komplexes aus dem
Keton und l mol Aluminiumchlorid her.
Aluminiumchlorid ist hochmolekular und nur wenig in inerten Lösungsmitteln
löslich. Die AlCl3-Komplexe der Carbonsäurechloride lösen sich jedoch in Schwefel-
kohlenstoff, Methylen- oder Ethylendichlorid. Vielfach verwendet man auch einen
Überschuß der zu acylierenden aromatischen Verbindung als Verdünnungsmittel.
Das dimere AlBr3 löst sich in Schwefelkohlenstoff und bietet die Möglichkeit, immer
in homogener Phase zu arbeiten. Oft verwendet man Nitrobenzol, in welchem Alu-
miniumchlorid als Komplex löslich ist, als resistentes Lösungsmittel für Acylierun-
gen.
Neben den Aluminiumhalogeniden dienen Zinntetrachlorid, Bortrifluorid oder
Eisen(III)-chlorid als mildere Friedel-Crafts-Katalysatoren, ebenso Zinkchlorid, das
jedoch nur bei stark nucleophilen Aromaten wirksam ist.
Im mesomeriestabilisierten Acyliumion befindet sich der größte Teil der positiven
Ladung am Sauerstoff (Oktett-Grenzformel). Die am Grundzustand untergeordnet
beteiligte Sextett-Grenzformel symbolisiert die elektrophile Aktivität des Ions, die
allerdings hinter derjenigen des Nitroniumions zurücksteht. Desaktivierte Benzol-
Ringschluß durch Friedel-Crafts-Reaktion 263

derivate wie Nitrobenzol, Benzoesäure oder Benzonitril sind daher der Friedel-
Crafts-Synthese nicht zugänglich.

R-C=OI <-» R—£=Q>

Carbonsäureanhydride sind ebenfalls geeignete Friedel-Crafts-Acylierungsmittel.


Sie verbrauchen allerdings 2 mol Lewis-Säure.

C 6 H 6 + CH3-C-O-C-CH3 + 2AICI 3 >


O O
C 6 H 5 -C=O-^AICI 3 + CH 3 COOAICI 2 + HCI
CH 3

Bernsteinsäureanhydrid liefert mit Benzol 3-Benzoylpropionsäure (S. 260). Deren


Reduktionsprodukt, 4-Phenylbuttersäure geht nach Umwandlung in das Säure-
chlorid leicht eine intramolekulare Acylierung zum l-Tetraion ein. Daß diese Um-
setzung in Benzol als Lösungsmittel ausgeführt werden kann (S. 260), beleuchtet den
Vorzug der Ringschlußreaktion vor der intermolekularen Acylierung.
O
O

-l- HCl

Analog gelangt man von 3-Phenylpropionsäurechlorid zu 1-Indanon. Diese intra-


molekulare Friedel-Crafts-Acylierung eröffnet den bequemsten Zugang zu substitu-
ierten Tetralinen und Indanen. Für solche Ringschlüsse zu cyclischen Ketonen hat
sich auch die Einwirkung von wasserfreiem Fluorwasserstoff, konz. Schwefelsäure
oder Polyphosphorsäure auf die freien Carbonsäuren bewährt. Polyphosphorsäure
wird heute als mildes und bequemes Kondensationsmittel am meisten geschätzt
(Nazarow); siehe Cyclisierung der 3-Phenylpropionsäure (S. 261).
Bei längeren co-Phenylcarbonsäurechloriden, die zu cyclischen Ketonen mit größe-
rer Ringgliederzahl führen, muß zur Vermeidung intermolekularer Reaktionen in
großer Verdünnung gearbeitet werden (Verdünnungsprinzip von Ruggli-Ziegler,
siehe auch S. 407). Ganz allgemein werden die Cycloalkane mit ungespannten Rin-
gen (Gliederzahl 5,6 mit Einschränkung auch 7) am raschesten gebildet; kleinere
(Gliederzahl 3,4) entstehen wegen Deformation der Valenzwinkel (Baeyer-Spannung)
langsamer, jedoch relativ glatt, mittlere (Gliederzahl 8-12) wegen gegenseitiger Be-
hinderung auf derselben Ringseite einander gegenüberstehender Methylenwasser-
stoffatome (Van der Waals-Spannung) und der Verdrillung der Torsionswinkel aus
der günstigen ekliptischen Anordnung von 60 (Pitzer-Spannung) kaum noch.
Größere Ringe bilden sich im allgemeinen wieder leichter.
264 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Aus Phosgen entstehen in doppelter Friedel-Crafts-Reaktion Diarylketone, aus


dem Gemisch von CO und HCl in Gegenwart von AlCl3 und Cu(I)Cl nach Gatter-
mann-Koch Aldehyde.

2 C6H6 + COCl 2 _HC[ -

HCl.AlCla.CuCl
ArH + CO Ar-C
Druck

Dabei wird aus CO und HCl offenbar das bei Raumtemperatur nicht stabile For-
mylchlorid in kleinen Anteilen gebildet, das die Friedel-Crafts-Reaktion eingeht.
Auch Phenylester von Carbonsäuren sind der Reaktion mit AlCl3 oder BF3 zu-
gänglich. Das Acyliumion acyliert den Kern eines zweiten oder des eigenen Moleküls
in o- oder/7-Stellung, so daß o- bzw. /?-Hydroxyphenylketone gebildet werden (Fries-
sche Verschiebung).

oder HO

Triphenylchlormethan

+ CCU (C 6 Hs) 3 CCl

Als Apparatur dient ein 1-l-Zweihalskolben mit Rückflußkühler, von dem eine Gasab-
leitung bis über die Oberfläche von etwa 300 ml Wasser in einen 1-l-Kolben und dann
weiter in den Abzugschacht führt; der zweite Tubus ist mit einem Stopfen verschlossen. —
Man legt 230 ml (204 g, 2,62 mol) thiophenfreies Benzol sowie 50 ml (80 g, 0,52 mol)
reinen, über Calciumchlorid getrockneten Tetrachlorkohlenstoff vor und trägt unter vor-
sichtigem Umschwenken während 25—30 min portionsweise 60g (0,45 mol) fein pul-
verisiertes aktives Aluminiumchlorid (siehe Präparat S. 259) ein, wobei man den Stopfen
jeweils nur ganz kurz abnimmt und das Aluminiumchlorid zwischendurch gut verschlos-
sen aufbewahrt. Damit die unter HCI-Entwicklung ablaufende Reaktion nicht zu stür-
misch wird, kühlt man von Zeit zu Zeit mit Eis/Wasser. Nach Abklingen der Hauptreaktion
erhitzt man noch 30 min auf dem siedenden Wasserbad unter Rückfluß und gießt das
abgekühlte dunkelbraune Reaktionsgemisch langsam unter stetem Umschwenken auf
eine Mischung von je 200 g gestoßenem Eis und konz. Salzsäure, die sich in einem 2-I-
Schütteltrichter befindet. Sollte das Eis vor der Zersetzung der ganzen Menge geschmol-
Herstellung von Cumol 265

zen sein, fügt man neues Eis und ebensoviel konz. Salzsäure zu. (Die Salzsäure dient da-
zu, die Hydrolyse des Triphenylchlormethans zurückzudrängen.) Man schüttelt kräftig und
setzt, falls sich dann die Schichten nicht trennen, 50-100 ml Benzol zu. Die wässerige
Phase wird noch einmal mit 10O ml Benzol ausgeschüttelt; die vereinigten Benzolextrakte
werden mit 40 ml eiskalter konz. Salzsäure gewaschen und über Calciumchlorid ge-
trocknet. Dann wird das Benzol auf dem siedenden Wasserbad soweit wie möglich ab-
destilliert, wobei man gegen Ende vorsichtig einige Milliliter Acetylchlorid oder reines
Thionylchlorid zufügt (zur Überführung von etwa entstandenem Triphenylmethanol in
Triphenylchlormethan). Der abgekühlte Rückstand wird mit dem gleichen Volumen ab-
solutem Ether durchgerieben und einige h im Eisbad aufbewahrt. Unter schwachem
Unterdruck saugt man den Kristallbrei auf der Nutsche ab, tränkt den scharf abgepreßten
Kristallkuchen nach Aufheben des Unterdruckes mit eiskaltem Ether und saugt erneut ab.
Aus der eingedampften Mutterlauge erhält man auf die gleiche Weise eine zweite, weni-
ger reine Fraktion. Die Gesamtausbeute an Rohprodukt beträgt nach Trocknen im Exsik-
kator über Schwefelsäure 100—105g (80—84%, bezogen auf Aluminiumchlorid),
Schmp. des Rohproduktes 108-110 0 C. - Zur Reinigung löst man das Rohprodukt in
möglichst wenig (etwa 70 ml) heißem Benzol, kocht unter Zusatz von einigen Millilitern
Acetylchlorid oder Thionylchlorid auf, fügt das 4fache Volumen Petrolether (40—8O 0 C)
zu, läßt nach Animpfen unter Eiskühlung kristallisieren und wäscht mit eiskaltem Petrol-
ether. Das im Vakuumexsikkator getrocknete Triphenylchlormethan muß, da es lang-
sam schon von der Luftfeuchtigkeit hydrolysiert wird, gut verschlossen aufbewahrt
werden. Zur Reinheitsprüfung ist die Titration einer Probe mit 0,1N alkoholischer Na-
tronlauge gegen Phenolphthalein geeignet. Das umkristallisierte Produkt schmilzt bei
110-1120C und ist immer noch blaßgelb. Ausbeute 80-85 g (64-67%).

Cumol

400 ml 80proz. Schwefelsäure, hergestellt durch langsames Eingießen von 317ml


96proz. Schwefelsäure in 115ml Wasser, werden in einem 1-l-Kolben mit Rückfluß-
kühler, mechanischem Rührer und Tropftrichter, in einem Ölbad auf 65 0 C (Badtempera-
tur) erwärmt. Bei dieser Temperatur läßt man unter starkem Rühren (wichtig, da Zwei-
phasenreaktion) innerhalb von 2 h die Mischung aus 38 ml (30 g, 0,50 mol) Isopropyl-
alkohol und 89,0 ml (78,0 g, 1,00 mol) thiophenfreiem Benzol zutropfen, rührt noch
weitere 2 h bei 65 0 C, läßt abkühlen und gießt in einen 1-I-Schütteltrichter. Man wäscht
die obere Schicht mit 50 ml Wasser, 100 ml 2N Natriumcarbonat-Lösung sowie 2mal
mit je 50 ml Wasser und trocknet über Natriumsulfat. Zweckmäßig verwendet man zum
Nachspülen des Scheidetrichters sowie zum Auswaschen des Trockenmittels einige
Milliliter Ether. Das Reaktionsprodukt wird über eine etwa 20cm lange Kleinfüllkörper-
kolonne oder eine entsprechende Vigreux-Kolonne fraktionierend destilliert. Nach einem
Vorlauf von Ether und Benzol und einer geringen Zwischenfraktion geht Cumol bei
149-152 0 C (HauDtmenae bei 151 0 C) über. Ausbeute 38-39 g (63-65%).
266 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Die Umsetzung des Benzols und seiner Derivate mit ^//cj/halogeniden wird von
AlCl3, FeCl3, SnCl4, BF3 oder ZnCl2 (Reihe fallender Aktivität) katalysiert. Wie die
Acylierung ist auch die Friedel-Crafts-Alkylierung eine elektrophile Substitution.
Bei primären Alkylhalogeniden spielt die Koordinationsverbindung mit dem elek-
trophilen Katalysator die Rolle des elektrophilen Agens, das mit dem positivierten
Carbeniumteil angreift.

+ CH 3 -Cl-AlCl 3 — + CH3 AlCl 4 -^ +HCl-HAlCl 3

Vermutlich schon bei sefc-Alkyl-, sicher aber bei terf-Alkylhalogeniden wird mit
Aluminiumchlorid das Carbeniumsalz (R)3C+AlCl4 gebildet, das besonders rasch
reagiert.
Polyhalogenalkane können mehrfach reagieren. Die Umsetzung des Tetrachlor-
kohlenstoffs mit Benzol (siehe S. 264) führt über die Zwischenprodukte Trichlor-
(phenyl)methan und Dichlor(diphenyl)methan zum Chlor(triphenyl)methan als End-
produkt. Das aus diesem mit AlCl3 entstehende Chlor(triphenylmethylium)aluminat
ist wegen völliger Delokalisierung der positiven Ladung nicht elektrophil genug,
Benzol zu substituieren. Dagegen reagieren die stärker nucleophilen Phenole ohne
Schwierigkeit weiter. Die Tritylierung des Phenols mit Triphenylmethylchlorid zum
/?-Tritylphenol ist sogar ohne Aluminiumchlorid möglich.

1 -Chlormethylnaphthalin

Vorsicht! 1-Chlormethylnaphthalin und die entstehenden Nebenprodukte sind tränen-


reizend und blasenziehend (Abzug!), die nebenher entstehenden Chlormethylether sind
cancerogen!
In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Rührer werden 25,6g
(0,2 mol) Naphthalin, 11 g Paraformaldehyd, 26 ml Eisessig, 16,5 ml 85proz. Phosphor-
säure und 36,2 ml konz. Salzsäure vermischt. Diese Mischung wird unter Rühren 6 h im
Wasserbad auf 80—85 0 C erwärmt. Danach kühlt man auf 15—2O 0 C ab und überführt in
einen Schüttelrichter. Nach Zugabe von ca. 200 ml Ether schüttelt man zweimal mit je
200 ml Eiswasser aus. Die Etherphase wird weiter mit 50—10OmI kalter 10proz. Kalium-
carbonatlösung und schließlich mit 100-200 ml kaltem Wasser gewaschen.
Das Ausschütteln mit Kaliumcarbonatlösung soll sehr vorsichtig geschehen, da durch
das in Freiheit gesetzte CO2 ein Überdruck im Scheidetrichter entstehen kann. Es muß
also regelmäßig belüftet werden. Die Etherlösung wird dann durch mehrstündiges Stehen
mit wasserfreiem Kaliumcarbonat und etwas Magnesiumcarbonat getrocknet. Wenn sich
dabei erneut eine wässerige Phase abscheidet, wird diese abgetrennt und der Überstand
erneut mit Kaliumcarbonat getrocknet. Sowohl das Auswaschen als auch das an-
Friedel-Crafts-Reaktion mit Olefinen 267

schließende Trocknen der Etherlösung muß sehr sorgfältig geschehen, da kleine Wasser-
oder Säurespuren eine Verseifung des Produktes bei der abschließenden Destillation
bewirken können.
Die trockene Etherlösung wird zur Entfernung des Lösungsmittels zuerst bei Normal-
druck, dann an der Öl- oder Wasserstrahlpumpe im Kugelrohr oder in einem Schwert-
kolben destilliert. Nach einem Vorlauf von unumgesetztem Naphthalin bei 90-11O0C
(Vorsicht! Kristalle können die Apparatur verstopfen) gehen bei 120—1350C (Luftbad)
und 1 Torr oder 148-1530C (Luftbad) und 14 Torr 23,0 g (65%) 1-Chlormethylnaph-
thalin über.

Die Chlormethylgruppe —CH2Cl wird in Aromaten durch „Chlormethylierung"


mit Formaldehyd (oder Paraformaldehyd) und Chlorwasserstoff eingeführt. Die
Reaktion wird mitunter durch Zinkchlorid katalysiert. Statt des monomeren oder
polymeren Formaldehyds können auch sein Dimethylacetal oder Chlormethyl-
methylether ClCH2OCH3 (aus Paraformaldehyd, HCl und Methanol; Vorsicht!
Carcinogen) eingesetzt werden.
Bei der Friedel-Crafts-Reaktion kann man die Stufe des Carbeniumions bzw. des
polarisierten Komplexes auch vom Alken aus erreichen.

H2C=CH2 + HCI + AICI3 -> CH 3 CH 2 CI^AICI 3

Zur industriellen Darstellung des als Ausgangsverbindung für Styrol wichtigen


Ethylbenzols läßt man Aluminiumchlorid und Chlorwasserstoff - beide in katalyti-
schen Mengen - auf Benzol und Ethylen einwirken.

0 3
C6H6 -»- H2C=CH2 - —> C
6 H s CH 2 CH 3

Die analoge Umsetzung des Propylens liefert das wichtige Cumol. Bei dem S. 265
beschriebenen Versuch wird das Isopropyliumion aus Isopropylalkohol und Schwe-
felsäure erzeugt.
Verschiedene Nachteile schränken die Bedeutung der Friedel-Crafts-Alkylierung
als Laboratoriumsmethode ein:
a) Mehrfachsubstitution des aromatischen Kerns
b) Isomerisierungen.
Zu a): Das aus Benzol und Methylchlorid mit AlCl3 entstehende Toluol wird rasch
weiter methyliert. Mit überschüssigem Methylchlorid kann man sukzessive die Stufe
des Hexamethylbenzols erreichen. Die Endstufe bildet das gelbe isolierbare Hepta-
methylbenzenium-chloroaluminat, dessen Struktur der eines cr-Komplexes entspricht.
HC

CH3 -I- CH 3 Cl + AICl3

HC
268 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Zu b): Primäre Alkylhalogenide gehen in Gegenwart von Aluminiumhalogeniden


in sekundäre über; für diese Umlagerung wird eine Hydrid Wanderung im Carben-
iumion verantwortlich gemacht.

CH-,-CH9-CH

Da se/c-Alkylhalogenide rascher in die Friedel-Crafts-Alkylierung eintreten, erhält


man aus Benzol mit n-Propylbromid und AlBr3 Isopropylbenzol. Mit milderen Kata-
lysatoren läßt sich die Isomerisierung mehr oder weniger vermeiden.
Die Friedel-Crafts-Reaktion ist reversibel; es kann daher zu scheinbaren Alkyl-
wanderungen kommen. So entsteht aus 0-, m- oder/?-Xylol nach längerer Einwirkung
von AlCl3 und HCl bei 500C das thermodynamisch bestimmte Gleichgewicht mit
17% o-, 62% m- und 21% /^-Isomerem, während die kinetisch kontrollierte Methylie-
rung von Toluol 55% 0-, 17% m- und 28% /^-Isomeres liefert. - Neben Stellungsiso-
merisierungen findet man Disproportionierungen, z. B. aus Alkylbenzol zu Benzol
und Dialkylbenzol. Auch Umlagerungen in den Seitenketten von Alkylbenzolen
werden bei der Reaktion mit Aluminiumhalogeniden beobachtet. Das aus sek-
Butylbenzol im Gleichgewicht entstehende Isobutylbenzol verdankt seine Entste-
hung einer Methylwanderung im Paar der Carbeniumionen.

Einheitliche Monoalkylierungsprodukte erhält man durch


lierung und nachträgliche Reduktion der Carbonylfunktion zur Methylengruppe.
Die Friedel-Crafts-Alkylierung läßt sich auf Olefine übertragen, wobei der aroma-
tischen Substitution eine olefinische Addition entspricht.

H3Cx Cl
C + H2C=CH2 _A^'3c > (CH3J2CH-CH2-CH2CI
H3C H

Die technisch wichtige Addition von Isoalkanen an Alkene erfordert ebenfalls


Friedel-Crafts-Katalysatoren und zeigt bezüglich der intermolekularen Hydridüber-
tragung zu dieser enge mechanistische Beziehungen (siehe auch S. 194).
Houben-Hoesch-Synthese 269

2,4- Dihydroxyacetophenon
OH OH

CH 3 CN
ZnCl 7 XHCl

HN

Wasserfreies Zinkchlorid: Man schmilzt Zinkchlorid im Reagenzglas über der Bunsen-


brennerflamme, bis kein Wasserdampf mehr entweicht, zerschlägt nach dem Abkühlen
vorsichtig das Glas, entfernt die Glassplitter, wiegt in einem verschlossenen Wägeglas
möglichst rasch ein Stück oder nur wenige Stücke des sehr hygroskopischen Kristall-
kuchens ab und pulverisiert diese unmittelbar vor der Verwendung in einer kleinen Reib-
schale.
Acylierung: Als Apparatur dient ein unter dem Abzug aufgebauter 300-ml-Kolben mit
unten erweitertem Gaseinleitungsrohr, das über zwei Waschflaschen mit konz. Schwefel-
säure und Sicherheitsflasche mit einer Chlorwasserstoff-Stahlflasche verbunden ist; die
Gasableitung führt in den Abzugschacht. — Zur Lösung von 16,5g (149 mmol) reinem
Resorcin (im Schwertkolben destilliert; Sdp. 16O 0 C / 12 Torr) und 11,5ml (9,0g,
0,22 mol) frisch destilliertem wasserfreiem (zuvor 1 h über Diphosphorpentoxid ge-
kochtem) Acetonitril in 75 ml absolutem Ether werden 6,0 g wasserfreies Zinkchlorid ge-
geben. Dann wird, zunächst unter Kühlung mit einem Eisbad, nach 30 min ohne weitere
Kühlung Chlorwasserstoff eingeleitet und öfter umgeschüttelt, wobei sich das Zink-
chlorid in etwa 1 h löst. Nach etwa weiteren 30 min trübt sich die rötliche Lösung und
erstarrt dann bald zum Kristallbrei. Man beendet die Gaseinleitung und bewahrt das Ge-
fäß, mit einem Korkstopfen verschlossen, noch 5 h bei Raumtemperatur im Abzug auf.
Ohne vorher abzusaugen, wird dann der Kristallbrei in 200 ml Wasser gelöst; dabei müs-
sen die ersten Milliliter vorsichtig unter Außenkühlung zugegeben werden. Nach Ab-
trennen der Etherschicht destilliert man in einem 500-ml-Kolben oder im Rotationsver-
dampfer aus der wässerigen Phase zur Entfernung des gelösten Ethers im Vakuum auf dem
Wasserbad etwa 10 ml Wasser über, ersetzt den absteigenden Kühler durch einen Rück-
flußkühler und erhitzt die gelbe Lösung 30min zum Sieden. Nach dem Abkühlen nimmt
man das abgeschiedene gelbe Produkt in 10O ml Ether auf, schüttelt die wässerige Phase
mit 2mal 70 ml Ether aus, trocknet die Etherextrakte über wasserfreiem Natriumsulfat und
destilliert den Ether ab. Ausbeute 13—15 g rohes 2,4-Dihydroxyacetophenon mit Schmelz-
bereich 125—135 0 C. — Zur Reinigung löst man in 180 ml heißer 1N Salzsäure, läßt lang-
sam erkalten und bewahrt noch einige h im Kühlschrank auf. Die Kristalle werden auf
einer Nutsche abgesaugt, mit einigen Millilitern eiskaltem Wasser gewaschen und im
Vakuumexsikkator über Kaliumhydroxid getrocknet. Ausbeute 9—10g (40—44%) bei-
gefarbenes 2,4-Dihydroxyacetophenon mit Schmp. 142-1440C. Erneutes Umkristalli-
sieren aus 160 ml 1N Salzsäure liefert 8—9 g (36—40%) reines Produkt mit Schmp.
144-1450C.

Die für die Herstellung von 2,4-Dihydroxyacetophenon angewendete Houben-


Hoesch -Synthese gestattet es, mehrfache Phenole unter schonenden Bedingungen
270 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

mit Nitrilen, HCl und Lewis-Säure zu Ketonen zu acylieren. Das Nitril vereinigt sich
mit Chlorwasserstoff zum Imidsäurechlorid, das unter der Einwirkung von Zink-
chlorid eine elektrophile aromatische Substitution bewirkt; das Imin wird an-
schließend hydrolysiert.
Phenol selbst oder 2-Naphthol werden lediglich in Imidsäureester,
ArO—Q=NH)CH3, übergeführt, unsubstituierte Aromaten reagieren nicht.
Bei der Gattermannschen Aldehydsynthese werden wie bei ihrem Vorbild, der
Houben-Hoesch-Synthzse, mehrfache Phenole von der Art des Phloroglucins und
Resorcins mit Blausäure bzw. Nitrilen und HCl in Ether acyliert, wobei vermutlich
ein Derivat des Formimidsäurechlorids ClHC=NX bzw. Homologe ClC(R)=NX
die elektrophilen Agenzien sind; die zunächst entstehenden Benzylidenimine hydro-
lysieren leicht. Bei weniger reaktiven Phenolen setzt man Zinkchlorid zu. Phenol-
ether, Alkylbenzole oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe benötigen
Aluminiumchlorid in Benzol oder Chlorbenzol als schärfere Kondensationsmittel.

NH
CH 3 -C = N + HCl —- CH3-C

NH
CHo-C
Cl

Ebenfalls auf Aromaten beschränkt, die nucleophiler sind als Benzol selbst (auch
Aniline, Pyrrole und Indole; siehe S. 271), ist die bequeme Aldehydsynthese nach
A. Vilsmeier. Aktive formylierende Agenzien sind dabei die aus N-Methylformanilid
oder A^N-Dimethylformamid und Phosphoroxychlorid entstandenen mesomeren
Kationen. Die mit aromatischen Verbindungen gebildeten Imoniumsalze werden
rasch hydrolysiert.

CH + POCI H-C PO2CI2


N
N N-CH3

R
=
R CH 3/
3/ C6
6 H5 mesomer

CH
O CH3
Ar-C R + H2O Ar-C + H2N
H
Cl- Cl -
Vilsmeier-Reaktion 271

Auch N,N-Dialkyl(chlomethylen)ammoniumchloride, die man aus N,N-disub-


stituierten Formamiden mit Phosphorpentachlorid, besser noch mit Phosgen, er-
hält, sind als Formylierungsmittel brauchbar.
O Cl
COCI2 -> H-C + CO2
X X^ +
NR NR 2
Cl ~

Daß N,N-Dimethylformamid in Gegenwart von Phosphoroxychlorid Styrol in


Zimtaldehyd sowie Phenylacetylen in jS-Chlorzimtaldehyd überführt, unterstreicht
erneut die engen Beziehungen zwischen aromatischer und olefinischer Reaktivität.
Zur Einführung der Formylgruppe in wenig nucleophile Aromaten wie Benzol
oder Naphthalin verwendet man neben einer Lewis-Säure (Dichlormethyl)methyl-
ether, den man mit Phosphorpentachlorid aus Ameisensäure-methylester erhält, oder
den entsprechenden Thioether (A. Rieche, 1960).
/OCH 3
+ 3
CICH-O-CH3 + ArH ' > Ar-CH

+H2
° > ArCH=O + CH 3 OH + HCI

Vorsicht! Die halogenierten Methylether sind cancerogen.

4-(Dimethylamino)benzaldehyd

P Ci3
+ (CH 3 ) 2 NCHO ° » (CH3J2N-^V- CHO

In einem 250-ml-Kolben mit Tropftrichter, auf dem ein Calciumchlorid-Rohr sitzt, Rührer,
Innenthermometer sowie Calciumchlorid-Rohr, das den vierten Tubus verschließt, wer-
den 35,5 ml (32,0 g, 0,44 mol) /V,/V-Dimethylformamid in 15 min unter Eiskühlung und
Rühren mit 10,OmI (16,7g, 0,11 mol) frisch destilliertem Phosphoroxychlorid versetzt;
dabei soll die Innentemperatur 10 0 C nicht übersteigen. Man ersetzt den Tropftrichter
durch einen zweiten und läßt durch diesen 14,1 ml (13,5 g, 0,11 mol) frisch destilliertes
/V,/V-Dimethylanilin während 20min in die weiterhin gekühlte und gerührte Mischung
fließen. Dann wird noch 2 h unter Rühren auf 9O 0 C erhitzt, das Gemisch auf 100 g Eis/
Wasser gegossen und durch tropfenweise Zugabe von 200 ml BOproz. Natriumacetat-
Lösung unter Rühren neutralisiert. (Steigt dabei die Temperatur höher als etwa 2O 0 C,
bildet sich ein grünblauer Farbstoff, der sich später nicht vom Produkt abtrennen läßt.)
Nach 12stündigem Aufbewahren im Kühlschrank haben sich 13—14g (79—85%) nahe-
zu farbloser kristalliner p-(Dimethylamino)benzaldehyd ausgeschieden (Schmp. 59 bis
63 0 C). — Zur Reinigung löst man in 35 ml heißem 95proz. Ethanol, filtriert durch einen
272 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

vorgewärmten Trichter, wäscht mit wenigen Millilitern siedendem Ethanol und stellt die
Lösung mehrere Stunden in den Kühlschrank. Der Kristallbrei wird abgesaugt, mit wenig
kaltem Ethanol gewaschen und scharf abgepreßt. Nach Trocknen über Calciumchlorid
im Vakuumexsikkator erhält man 8—9 g eventuell noch beigefarbenen Aldehyd mit
Schmp. 70—72 0 C. Durch Einengen der alkoholischen Mutterlauge auf ein Drittel ihres
Volumens und Kühlen im Kühlschrank gewinnt man nochmals etwa 1 g vom gleichen
Schmelzpunkt. Gesamtausbeute 55-60%.

2,4- Dihydroxybenzoesäure

OH OH

KHCO 3

CO 2 H

In einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler werden 40g (0,34 mol) Resorcin, 200 g
(2,00 mol) Kaliumhydrogencarbonat (oder 168 g Natriumhydrogencarbonat) und 400 ml
Wasser 2 h auf dem siedenden Wasserbad erwärmt und dann im Babo-Trichter 15 min
zum Sieden erhitzt. Nach dem Erkalten gießt man den Kolbeninhalt in einen 2-l-Stutzen
und säuert die dunkelbraune Lösung an durch langsame Zugabe von 180 ml konz. Salz-
säure (d = 1,1 9) mit einem Tropftrichter, dessen Rohr auf den Boden des Stutzens mün-
det. Dabei fällt das Produkt in fast farblosen Blättchen aus. Man läßt den Ansatz einige h
in einem locker verschlossenen Kolben im Kühlschrank stehen und saugt dann auf einer
Porzellannutsche ab. Nach Waschen mit eiskaltem Wasser und Trocknen an der Luft
erhält man so 32-35 g Rohprodukt. - Zur Reinigung kocht man diese in 130 ml Wasser
mit 3 g Aktivkohle kurz auf, filtriert durch einen vorgewärmten Glastrichter mit ange-
feuchtetem Faltenfilter und wäscht 2mal mit je 15 ml kochendem Wasser. Nach Abküh-
lenlassen, mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank, Absaugen und Trocknen im
Exsikkator über Calciumchlorid erhält man 24-26 g reines Produkt. Einengen der Mut-
terlauge auf das halbe Volumen und Kühlen liefern weitere 2—3 g. Gesamtausbeute 46 bis
50% 2,4- Dihydroxybenzoesäure, die bei 202-2040C unter Decarboxylierung schmilzt.

Der anionische Sauerstoff im Phenolation übertrifft in der Stärke des elektronen-


liefernden mesomeren Effekts noch die Aminogruppe. Die Kernsubstitution des
Phenolations durch das nur schwach elektrophile Kohlendioxid liefert ein ein-
drucksvolles Beispiel dafür, in welchem Ausmaß die Reaktivität des Benzolkerns
durch Substituenten beeinflußt wird. Das Phenolation verfügt über mehrere nucleo-
phile Zentren und bildet in der Kälte mit Kohlendioxid reversibel das Phenylcar-
bonation. In der Hitze liegt dessen Zerfallsgleichgewicht auf Seiten der Komponenten,
die sich nun zum Salicylation vereinigen. Die von H. Kolbe (1860) aufgefundene
Salicylsäuresynthese wird noch heute industriell ausgeführt: Trockenes gepulvertes
Natriumphenolat wird mit CO2 unter Druck auf 13O0C erhitzt; Ansäuern des Reak-
tionsprodukts ergibt in fast quantitativer Ausbeute Salicylsäure.
Salicylsäure und -aldehyd 273

Die Tatsache, daß es hierbei ausschließlich zur 0-Substitution kommt, ist auf
Chelatbildung (siehe S. 680) des Natriumions mit dem Phenolatsauerstoff und CO2
zurückzuführen; Kaliumphenolat wird unter denselben Bedingungen in o- und p-
Stellung angegriffen.
Bei den Anionen des Resorcins, Pyrogallols und Phloroglucins ist die Nucleophilie
des Kerns so groß, daß hier die Carboxylierung schon in wässeriger Lösung gelingt,
wie die Darstellung der 2,4-Dihydroxybenzoesäure aus Resorcin mit Alkalihydrogen-
carbonat in siedendem Wasser beweist (oben). Unter den gleichen Bedingungen wird
m-Aminophenol in das Tuberkulostatikum /j-Aminosalicylsäure (PAS) übergeführt.

Wenngleich eine mechanistische Beziehung zur Kolbe-Reaktion fraglich ist, sei


hier die Isomerisierung des Kaliumphthalats bei 40O0C zu Kaliumterephthalat er-
wähnt, der bei der Herstellung von Polyesterfasern („Terylen") aus Terephthalsäure
und z. B. Ethylenglykol industrielle Bedeutung zukommt (B. Raecke).

Salicylaldehyd

In einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter und Innenthermometer erwärmt


man die Lösung aus 12Og (3,00 mol) Natriumhydroxid und 120 ml Wasser im Wasser-
bad auf 8O 0 C, versetzt mit 37,5g (0,39 mol) reinem Phenol und läßt die Lösung nach
Entfernung des Wasserbads abkühlen, ohne dabei umzuschüttein, um ein Auskristalli-
sieren von Natriumphenolat zu vermeiden. (Falls doch Natriumphenolat auskristallisiert,
löst man es durch Erwärmen und versucht erneut, die kurzfristige Übersättigung bei
60—7O 0 C zu erreichen). Sobald die Temperatur der Lösung 7O 0 C beträgt - spätestens
jedoch, wenn die ersten Kristalle ausfallen — läßt man aus dem Tropftrichter etwa ein
Drittel von insgesamt 60,0 ml (0,75 mol, 90,0 g) Chloroform zulaufen und schwenkt
leicht um (wobei die Flüssigkeit vorübergehend fuchsinrot wird). Unter Einregulieren der
274 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Innentemperatur auf 65—7O 0 C durch Eintauchen des Kolbens in heißes Wasser fügt man
nach 10 min das zweite Drittel und nach weiteren 15 min den Rest des Chloroforms zu;
in diesem Stadium soll öfters umgeschüttelt werden. Zum Schluß wird das Reaktions-
gemisch noch 1 h im Wasserbad unter Rückfluß gekocht, wobei die Innentemperatur
schließlich auf etwa 75 0 C ansteigt. Man ersetzt den Tropftrichter durch ein Einleitungs-
rohr und leitet Wasserdampf ein (zur Ausführung der Wasserdampfdestillation siehe
S. 55), bis kein Chloroform mehr übergeht. Dann läßt man etwas abkühlen, säuert die
braune Flüssigkeit vorsichtig mit 2N Schwefelsäure an und leitet erneut so lange Was-
serdampf ein, bis sich aus dem Kondensat (insgesamt etwa 500—600 ml), keine Öltropfen
mehr abscheiden. Das Destillat wird mit 100 ml, dann mit 50 ml Ether ausgezogen. Aus
den vereinten Etherlösungen destilliert man die Hauptmenge des Ethers auf dem Wasser-
bad oder im Rotationsverdampfer ab. Der Rückstand, der neben Salicylaldehyd unver-
ändertes Phenol enthält, wird in einer Glasstöpselflasche mit 60 ml konz. Natriumhydro-
gensulfit-Lösung kräftig geschüttelt, wobei sich ein fester Brei der Hydrogensulfitver-
bindung des Aldehyds abscheiden muß. Nach 1 h saugt man auf einem kleinen Büchner-
Trichter scharf ab und wäscht zur vollständigen Entfernung von Phenol mehrere Male
mit je 10 ml Alkohol sowie schließlich mit Ether. Die perlmutterglänzenden Blättchenwer-
den im Abzug in einem 250-ml-Kolben mit Steigrohr durch vorsichtiges Erwärmen mit
12OmI 2N Schwefelsäure unter SO2-Entwicklung zersetzt. Nach dem Abkühlen schüttelt
man mit 2mal 50 ml Ether, trocknet die etherische Lösung mit Natriumsulfat und destil-
liert im Vakuum, wobei der Salicylaldehyd bei 73 0 C / 12 Torr als farbloses Öl übergeht.
Ausbeute 9-10 g (28-31 %).
Aus dem heiß filtrierten und mit Kochsalz gesättigten Rückstand der Wasserdampf-
destillation kristallisiert (öfters erst nach längerer Zeit) p-Hydroxybenzaldehyd aus. Er
läßt sich durch Umkristallisieren aus 50 ml Wasser unter Zusatz von wenig schwefliger
Säure reinigen. Schmp. 106-11O0C; Ausbeute 2-3 g.

Bei der Aldehydsynthese nach Reimer-Tiemann ist aus Chloroform und Alkali-
hydroxid entstandenes Dichlorcarben das elektrophile Agens.

CI3CH + OH- oder OR~ ^ CI3C- + HOH bzw ROH


CI3C- — Cl-C—Cl + Cl ~

Die Acidität des Chloroforms, die sich beispielsweise in einem basenkatalysierten


H, D-Austausch in schwerem Wasser oder in der Verschiebung des Protonenreso-
nanzsignals in Lösungsmitteln unterschiedlicher Basizität kundtut, hat ihre Ursache
im induktiven Effekt der Chloratome, die den größten Teil der negativen Formal-
ladung des Trichlormethylanions übernehmen. Dieses gibt ein Chloridion ab.
Dichlorcarben läßt sich auch durch thermische Zersetzung von Alkalitrichloracetaten
erhalten. - Eine Additionsreaktion des Dichlorcarbens an die Olefindoppelbindung
ist im Präparat auf S. 200 experimentell demonstriert. Auf S. 199 finden sich auch
einige Ausführungen über Carbene.
Reimer-Tiemann-Synthese und NIH-Verschiebung 275

I + CCl

30%
und analog

10%

Während die Addition des elektrophilen Dichlorcarbens an den Phenolat-Sauer-


stoff letztlich zu Triphenyl-orthoformiat führt, gehen aus der Anlagerung an die
nucleophilen Kernpositionen Cyclohexadienone hervor, die sich durch Verschiebung
eines Protons aromatisieren. Die anschließende Hydrolyse des Benzylidenchlorid-
Abkömmlings folgt bekannten Vorbildern (S. 174).
o- und /7-Kresol liefern neben Hydroxyaldehyden Derivate des Cyclohexadienons.
Die Methylgruppe blockiert hier eine Aromatisierung; auch die Hydrolyse des nicht
benzylständigen Dichlormethylrestes unterbleibt.

CHCl 3 _
NaOH '
CHO
Cl2CH
25% 12%

Biologische Oxidation von aromatischen Verbindungen


Aromatische Verbindungen werden im Säugetier (Leber) und durch Bakterien oder
Pilze oxidativ verändert („oxygeniert") und abgebaut. Benzol wird vom Hund z.B.
als Muconsäure (cis.cis- (oder Z,Z-) 2,4-Hexadien-l,6-disäure) im Harn ausge-
schieden. Der durch das Enzym Monooxygenase vermittelte Angriff des Sauer-
stoffs führt unter Aufhebung des aromatischen Systems zu Arenoxiden. Diese hoch-
reaktiven Zwischenstufen können a) zu Phenolen isomerisieren, b) zu trans-\,2-D\o\Qn
hydrolysieren, c) mit Thiolen (z. B. dem cysteinhaltigen Tripeptid Glutathion) zu S-
Arylverbindungen reagieren (Entgiftung).
276 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Die zum Phenol führende Isomerisierung ist mit einer Wanderung des dem Sauer-
stoff benachbarten H-Atoms in die Nachbarstellung verbunden (NIH-Verschiebung,
von National /nstitutes of //ealth, B. Witkop), was durch Isotopenmarkierung fest-
gestellt wurde.
Als Oxidationsprodukt des Naphthalins ist ein 1,2-Epoxid isoliert worden, das zu
1-Naphthol isomerisiert. Das 2,3-Epoxid ist nur in der valenztautomeren stabilen
Form des 3-Benzoxepins bekannt, die sich aus dem 1,2-Epoxid wegen des damit ver-
bundenen Verlust s der Benzol-Resonanz nicht bildet.

1,2-Epoxid 2,3 -Epoxid

Die Synthese der Arenoxide geht von Epoxiden halogenierter Cyclohexene aus
(E. Vogel), z. B.

H H2

-2HBr
Br H2

Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen

2-Naphthol

,5O3Na
NaOH
-Na2SO3

Für die anschließend beschriebene Alkalischmelze benutzt man am besten einen 1 mm


starken Kupfertiegel von ca. 9 cm Höhe, 8 cm oberem und 5 cm unterem Durchmesser,
der von einem Eisenring gehalten wird und ein nicht zu dünnes 360 0C-Thermometer, das
zum Schutz gegen das geschmolzene Alkali in einer etwa 18 cm langen und 10 mm wei-
ten Kupferhülse mit etwas Ölbadflüssigkeit (zur Wärmeübertragung) steckt. Zum Aus-
gießen der Schmelze wird ein etwa 25*35 cm großes Kupferblech benötigt dessen
Ränder 1 cm zu einer Wanne hochgezogen sind. Während des Versuchs, der unter dem
Abzug durchzuführen ist, müssen Schutzbrille und -handschuhe getragen werden. -
210 g (5,25 mol) Natriumhydroxid werden im Kupfertiegel mit 20 ml Wasser versetzt und
unter Umrühren erhitzt. Sobald die Temperatur von 28O 0 C erreicht ist, trägt man unter
fortdauerndem Erwärmen mit einer etwas kleineren Flamme 70,0 g (0,30 mol) feinge-
pulvertes Natrium-2-naphthalinsulfonat unter Umrühren ziemlich rasch ein und hält da-
bei die Temperatur zwischen 260 und 28O 0 C. Dann vergrößert man die Flamme etwas,
Phenole aus Sulfonaten 277

wodurch die Schmelze unter Entwicklung von Wasserdämpfen und Aufblähen schleimi-
ger wird, bis schließlich bei 31O 0 C die eigentliche Reaktion eintritt. Nachdem man die
Temperatur etwa 5 min bei 310—32O0C gehalten hat, ist die Schmelze dünnflüssig ge-
worden und die Reaktion beendet. Die Schmelze wird (mit einer kräftigen Tiegelzange)
sofort auf das Kupferblech in dünner Schicht ausgegossen, nach dem Abkühlen zer-
kleinert und in 1 I Wasser gelöst. Man fällt das Naphthol mit 500 ml konz. Salzsäure und
extrahiert 1 mal mit 200 ml und 2mal mit je 100 ml Ether. Nach dem Trocknen der ver-
einten Etherauszüge über Natriumsulfat destilliert man den Ether ab und reinigt den
Rückstand durch Vakuumdestillation in einem 100-ml-Schwertkolben oder Kugelrohr.
Nach geringem Vorlauf gehen bei 153 0 C / 12 Torr 25g (58%) 2-Naphthol über, die
aus dem Schwert oder Kugelrohr herausgeschmolzen und in einer Reibschale pulverisiert
werden; Schmp. des fast farblosen Präparats 119-121 0C. Durch Umkristallisieren aus
Benzol erhält man farblose Blättchen mit Schmp. 121-1220C.

Der nucleophile Austausch des Sulfonatrests erfordert energische Bedingungen. Im


Gegensatz zur sauren Hydrolyse der Sulfonate (elektrophile Substitution, S. 250) ist
die nucleophile alkalische Spaltung mit einem Wechsel der Oxidationsstufen ver-
bunden.

SO3Na .^xONa
-1-2NaOH-- y T +Na 2 SO 3 H-H 2 O

Das industriell wichtige Phenol wird außer durch Alkalischmelze des Natrium-
benzolsulfonats auch aus Chlorbenzol mit 15prozentiger Natronlauge bei 37O0C her-
gestellt. (Über das Auftreten von Arinzwischenstufen siehe S. 282). Die technische
Gewinnung von Phenol durch Autoxidation von Cumol ist auf S. 472 beschrieben,
die Umwandlung aromatischer Amine in Phenole auf S. 615.
Phenole reagieren in wässeriger Lösung sauer (siehe Tab. auf S. 252) („Carbol-
säure"). Die gute Mesomeriestabilisierung des Phenolations ist die Ursache der im
Vergleich mit Alkoholen gesteigerten Acidität.

Phenole können durch Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid erkannt werden. Die


meisten geben eine rotviolette Farbe, bei Brenzkatechin ist sie grün. Diese Farb-
reaktion wird auch von den auf S. 403 besprochenen Enolen und von 0c/-Nitro-
alkanen (S. 165) gegeben.
Die Hydroxygruppe der Naphthole ist reaktiver als die der Phenole. Im Gegensatz
zu Phenol lassen sich Naphthole direkt mit Alkohol und Schwefelsäure verethern.
278 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Auch die von Bucherer entdeckte reversible Überführung von Naphtholen in Naph-
thylamin in Gegenwart von Sulfit- oder Hydrogensulfitionen sei hier erwähnt. 2-
Naphthol läßt sich mit wässerigem Ammoniumsulfit bei 15O0C im Autoklaven zu
95% in 2-Naphthylamin umwandeln. Für die Umkehrreaktion benutzt man wässeri-
ges Natriumsulfit. 2-Naphthylamin ist cancerogen (siehe S. 518).

HSO;

Dimethylammoniumchlorid

1.NaQH B
(CH3J2N
2. H.,0 + "
(CH3J2NH +

In eine Lösung von 24,0 g (0,60 mol) Natriumhydroxid in 500 ml Wasser in einem 1-1-
Kolben trägt man 24,Og (0,13 mol) /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoaniliniumchlorid (S. 242)
ein und schüttelt die grüne Suspension nach Verschließen mit einem Schliff stopfen
kräftig durch. Dann wird der Kolben mit einem absteigenden Kühler verbunden. Als Vor-
lage dient ein 500-ml-Kolben, der mit 80 ml 2N Salzsäure (0,16 mol) beschickt ist; der
Destillationsvorstoß soll etwa 1 cm tief in die Säure eintauchen. Der Destillationskolben
wird (nach Zugabe von Siedesteinchen) im Babo-Trichter zunächst 0,5 h zum ganz
schwachen Sieden, dann so stark erhitzt, daß das entstehende Dimethylamin dabei zu-
sammen mit Wasser in die vorgelegte Salzsäure destilliert. Man kocht so lange, bis (nach
etwa 1 h) 300 ml übergegangen sind. Das von wenig /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoanilin gelb
gefärbte Destillat wird mit 5 g Aktivkohle 5 min unter Rühren auf dem siedenden Was-
serbad erwärmt und durch ein Faltenfilter filtriert. Die Kohle wird auf dem Filter 3mal
mit je 30 ml heißem Wasser gewaschen. Filtrat und Waschflüssigkeit konzentriert man
bei etwa 12 Torr auf etwa 50 ml, füllt diese (zur besseren Isolierung des Produkts) in
einen 100-ml-Kolben um (Nachspülen mit etwas Wasser) und destilliert im Vakuum das
Wasser völlig ab. Die Ausbeute an farblosem, über Kaliumhydroxid im Vakuumexsikka-
tor getrocknetem Dimethylamin-hydrochlorid beträgt 9,0—9,5 g (85—90%). Die wasser-
freie hygroskopische Substanz läßt sich aus 15-20 ml absolutem Ethanol Umkristallisie-
ren, wobei man allerdings 2-3 g verliert.
Das als Nebenprodukt entstandene Nitrosophenol scheidet man aus dem abgekühl-
ten Rückstand im Destillationskolben durch Ansäuern mit Schwefelsäure ab und nimmt
es im Schütteltrichter mit der nötigen Menge Ether auf. Die braungrüne Lösung wird
nach kurzem Trocknen mit CaCI2 auf dem Wasserbad auf einige Milliliter eingeengt und
scheidet dann beim Abkühlen p-Nitrosophenol kristallin ab. Schmp. 120—13O 0 C (unter
Zersetzung). Die völlige Reinigung des Produkts ist schwierig.

/?-Nitrosophenol steht mit seiner tautomeren chinoiden Form, dem Chinonmon-


oxim, im Gleichgewicht. In ganz reinem festem Zustand ist es fast farblos (Oxim),
die Lösungen sind olivgrün (Nitrosoform im Gleichgewicht).
2,4-Dinitrophenylhydrazin 279

Versuch: Liebermannsche Reaktion — Eine kleine Menge Nitrosophenol wird in


wenig geschmolzenem Phenol gelöst und die Lösung mit etwas konz. Schwefelsäure
versetzt. Es entsteht eine kirschrote Färbung, die nach Verdünnen mit Wasser und Zu-
gabe von Natriumhydroxid-Lösung in Blau umschlägt.

Die alkalische Hydrolyse Af-dialkylierter /j-Nitrosoaniline ist eine gute Methode,


sekundäre Amine in reiner Form zu gewinnen, da die definierte Alkylierung des
Stickstoffs nicht möglich ist (siehe S. 157).

2,4- Dinitrophenylhydrazin

NHNH
N2H4

In einem 500-ml-Erlenmeyerkolben löst man 20g (99 mmol) 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol


(siehe S. 235) in 15OmI warmem 95proz. Ethanol. Unter Umschwenken versetzt man
mit einer Mischung von 12 ml SOproz. Hydrazin-hydrat und 15 ml Ethanol. Die Lösung
färbt sich rotviolett; nach wenigen min beginnen sich rote Kristalle auszuscheiden. Man
erwärmt noch 2 h im Wasserbad von 7O 0 C, kühlt im Eisbad und saugt ab. Nach Waschen
mit 25 ml warmem Ethanol und anschließend mit 100 ml Wasser wird das leuchtend rote
Produkt bei 10O 0 C getrocknet; Ausbeute 18g (92%) 2,4-Dinitrophenylhydrazin mit un-
scharfem Schmp. unter Zersetzung bei 192—1950C. Zum Umkristallisieren eignet sich
Butanol oder Dioxan.

2,4-Dinitrophenylhydrazin wird zum Nachweis und zur Identifizierung von Car-


bonylverbindungen viel verwendet (siehe S. 347). Die Aldehyd- und Keton-2,4-dini-
trophenylhydrazone kristallisieren gut und lassen sich aufgrund ihrer Farbe im Dünn-
schichtchromatogramm gut erkennen (siehe S. 348).
280 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol (Pikrylchlorid)

PCI,

Unter dem Abzug werden in einem 500-ml-Kolben 50,0 g (0,22 mol) Pikrinsäure (siehe
S. 251; wird die handelsübliche Suspension von Pikrinsäure in Wasser benutzt, saugt
man auf einer Nutsche fest ab und trocknet im Vakuumexsikkator über Diphosphorpen-
toxid) mit 100 g (0,48 mol) Phosphorpentachlorid gut vermischt. Man setzt einen Rück-
flußkühler mit Gasableitung auf und erhitzt im 80—9O 0 C warmen Wasserbad. Nach ca.
15 min tritt unter Verflüssigung, Braunfärbung und Abspaltung von Chlorwasserstoff die
Reaktion ein. Nach deren Abklingen (in etwa 90 min) wird das Produkt langsam unter
kräftigem Rühren mit einem Glasstab auf 500—700 g zerstoßenes Eis gegossen und dann
auf einer Porzellannutsche abgesaugt. Zur Reinigung (unter dem Abzug) trägt man das
Rohprodukt langsam in eine Mischung von 50 ml Salpetersäure (d = 1,4) und 200 ml
konz. Schwefelsäure in einem 1 -l-Erlenmeyerkolben ein und erhitzt auf einer Heizplatte
auf 80—9O 0 C Innentemperatur. Unter Aufschäumen geht das Produkt in Lösung; diese
wird nach 1 min deutlich heller. Man läßt abkühlen, fällt das 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol
durch Eingießen in 800 ml Eis/Wasser, nutscht ab, wäscht mit Wasser und trocknet im
Vakuumexsikkator über Calciumchlorid; Rohausbeute 38—42 g. Zum Umkristallisieren
löst man in der Mischung aus 35 ml Benzol und 95 ml Ethanol in der Hitze auf, saugt bei
nur geringem Unterdruck durch eine im Trockenschrank vorgewärmte Nutsche und spült
Kolben- und Filterrückstand mit 30 ml heißem Benzol-Alkohol-Gemisch. Nach mehr-
stündigem Aufbewahren im Kühlschrank saugt man die blaßgelben Nadeln ab und
trocknet sie im Vakuumexsikkator über Calciumchlorid. Ausbeute 27-31 g (50-57%)
2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol mit Schmp. 80-820C.

Aromatisch gebundene Halogenatome sind normalerweise gegen nucleophilen


Austausch sehr resistent. Im /?-Chlornitrobenzol läßt sich das Halogen schon durch
Kochen mit verdünnter Natronlauge abspalten. Eine Häufung elektronenanziehen-
der Gruppen in o- oder /7-Stellung erhöht die Austauschfahigkeit des Halogens wei-
ter; 4-Chlor-l,3-dinitrobenzol reagiert bereits bei Raumtemperatur mit alkoholi-
scher Hydrazinlösung (siehe oben). 2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol steht in der Reak-
tivität den Carbonsäurechloriden nur wenig nach; es wird auch wie ein solches dar-
gestellt (und benannt) (siehe S. 303).
Aliphatische und aromatische SN2-Reaktionen unterscheiden sich im Energieprofil
grundsätzlich. Während bei der Umsetzung des Alkylhalogenids mit einem nucleo-
philen Partner nach SN2 lediglich ein Übergangszustand passiert wird (Abbildung
S. 169), zeigt die SN2-Reaktion der aromatischen Reihe ein Energieprofil mit zwei
Gipfeln. Nach Überwindung eines ersten Übergangszustandes wird eine Zwischen-
stufe gebildet; ein erneuter Energiehub führt über einen zweiten Übergangszustand
nucleophile aromatische Substitution 281

zu den Produkten. Obwohl das Energieprofil damit dem in Abbildung 74 für die
SN l-Substitution entspricht, hat die Zwischenstufe eine ganz andere Konstitution.
Dies sei am Beispiel der Umsetzung des 2,4-Dinitrochlorbenzols mit Hydrazin
illustriert. Die Anlagerung des Hydrazins an das C-I des Benzolkerns ist mit dem
Verlust der aromatischen Mesomerie verbunden. Die vom nucleophilen Agens in den
Kohlenstoffring hineingetragene negative Ladung wird von den beiden Nitrogrup-
pen übernommen. Hier liegt die Ursache der aktivierenden Wirkung solcher o- oder
/?-ständiger, elektronenanziehender Substituenten, wenn man den Übergangszustand
in erster Näherung mit der Zwischenstufe gleichsetzt. Das substituierte C-Atom ist
in der Zwischenstufe sp3-hybridisiert.

O9N

-HH2N-NH2

Die aktivierende Wirkung nimmt in folgender Reihe ab:

-N2+ > —NO > -NO2 > -CN > -CHO > -CO2H > N(CH 3 ) 3 > Cl > H

Sie kann bei Vorhandensein mehrerer Substituenten so stark sein, daß die Zwi-
schenstufe isolierbar ist. Bei der Überführung von 2,4,6-Trinitroanisol in das ent-
sprechende Phenetol durch Kaliumethanolat konnte J. Meisenheimer das tiefrote
kristalline Kaliumsalz gewinnen.

und andere mesomere Grenzformeln

Für alle aromatischen Substitutionen gilt folgende Orientierungsregel: Substi-


tuenten, die in o- und /^-Stellung die elektrophile Substitution erschweren, erleichtern
die nucleophile Substitution und umgekehrt.
282 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Im Gegensatz zu den aliphatischen Fluoriden sind die aromatischen, verglichen mit


den Chloriden und Bromiden, viel SN2-reaktiver (siehe l-Fluor-2,4-dinitrobenzol,
S. 618). Die hohe Elektronegativität des Fluors erleichtert den Angriff des Nucleo-
phils.
Ähnlich dem Halogen läßt sich bei ausreichender Aktivierung auch die Nitrogruppe
als Nitrit-Anion vom aromatischen Kern ablösen. So geht/7-Dinitrobenzol schon mit
siedender 2 N Natronlauge in Nitrophenol und Natriumnitrit über. Die alkalische
Spaltung des/j-Nitroso-^N-dimethylanilins (S. 278) ist ein Beispiel für die Verdrän-
gung der Aminofunktion. Auf den Austausch des Sulfonatrestes gegen die Hydroxy-
gruppe gründet sich die S. 276 ausgeführte Synthese von Phenolen.
Wasserstoff wird dann als Hydridion vom aromatischen Kern verdrängt, wenn er
ein Oxidationsmittel als Akzeptor findet. So erhält man bei der Behandlung von Ni-
trobenzol mit gepulvertem KOH bei 6O0C 2-Nitrophenol; ein Teil des Nitrobenzols
wird dabei zum Azoxybenzol reduziert.

O"
I
2C 6 H 5 -NO 2 -»• 3H" -C 6 H 5 -N = N-C 6 H 5 + 3OH"

Ein weiteres Beispiel ist die von Anthrachinon-2-sulfonat ausgehende Synthese des
Alizarins durch oxidierende Alkalischmelze (siehe S. 574).
Bei dem oben diskutierten Substitutions-Mechanismus vereinigt sich das nucleo-
phile Agenz mit der aromatischen Verbindung zu einer additiven Zwischenstufe. Die
anschließende Eliminierung führt den aromatischen Zustand wieder herbei. Der
neue Substituent tritt stets in der Position auf, die die austretende Gruppe verläßt.

Arine
Nichtaktivierte Halogenaromaten reagieren nicht oder nur unter Extrembedingungen
nach diesem Mechanismus. Ungewöhnlich leicht vollziehen sich dagegen der Über-
gang von ArHaI in ArNH 2 mit Kaliumamid in flüssigem Ammoniak sowie die
Bildung von Biphenyl aus Fluorbenzol und Phenyllithium bei Raumtemperatur. Hier
begegnet uns ein zweiter Reaktionsweg der nucleophilen aromatischen Substitution,
ein Eliminierungs- und Additionsmechanismus, der an seinen typischen Umlagerun-
gen leicht zu erkennen ist.
[l-14C]Chlorbenzol liefert mit Kaliumamid in flüssigem Ammoniak ein Gemisch
fast gleicher Teile [l-14C]Anilin und [2-14C]Anilin (J. D. Roberts, 1953). Dieses Er-
gebnis ist verständlich, wenn man Dehydrobenzol (Benz-in) als bindungssymmetri-
sche Zwischenstufe annimmt, die Ammoniak in zwei Richtungen addieren kann.
Arme 283

Die Bildung von Biphenyl aus Lithiumphenyl und Fluorbenzol (G. Wittig, 1942)
kommt so zustande, daß das Phenyllithium durch sein basisches Anion ein acides
ö-ständiges Wasserstoffatom vom Fluorbenzol als Proton abspaltet und durch
Lithium ersetzt. Abspaltung von LiF führt zum Dehydrobenzol, an das sich weiteres
Phenyllithium anlagert. Durch hydrolytische Abspaltung des Lithiums entsteht dann
Biphenyl.

^=1X /=\ H+

Sowohl l-Fluor- als auch 2-Fluornaphthalin werden entsprechend über Dehy-


dronaphthalin beide in l- und 2-Stellung phenyliert (R. Huisgen, 1955).
Die 14C-Markierung hat gelehrt, daß auch die alkalische Hydrolyse des Chlor-
benzols bei 37O0C über Dehydrobenzol abläuft.
Dehydrobenzol eignet sich sehr gut als Dienophil in der Diels-Alder-Synthese und
bildet zum Beispiel mit Phenanthren das 3flügelige 9,10-Dihydro-9,10a-benzeno-
anthracen (Triptycen) (siehe S. 620).

Außer den genannten sind inzwischen weitere Synthesen für Dehydrobenzol als
Zwischenprodukt entwickelt worden (siehe Lehrbücher). Alle gehen von o-Phenylen-
verbindungen mit einem nucleofugen und einem elektrofugen Rest (siehe S. 620) aus.
Die Isolierung eines Arins ist bisher nicht gelungen, das Ion C6H4" wurde jedoch
massenspektrometrisch beobachtet.

Die Hammett-Beziehung

Einen erfolgreichen Ansatz für quantitative Voraussagen des Ablaufs elektrophiler


aromatischer Substitutionen bietet die Hammett-Beziehung:
284 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

Man erhält eine Gerade, wenn man die Logarithmen der Dissoziationskonstanten
m- oder/?-substituierter Benzoesäuren gegen die Logarithmen der Geschwindigkeits-
konstanten der alkalischen Hydrolyse der zugehörigen Benzoesäureester aufträgt.
Die Gleichung

Iog(k/k0)= Q-log(K/K0)

charakterisiert eine durch den Nullpunkt führende Gerade, wobei k0 und K0 die
Reaktionsgeschwindigkeitskonstante des unsubstituierten Benzoesäureesters bzw.
die Dissoziationskonstante der Benzoesäure bedeuten. Die Werte k und K beziehen
sich auf die m- oder /^-substituierten Verbindungen. Die Linearität bleibt erhalten,
wenn man von den Daten der Esterhydrolyse zu den Geschwindigkeitskonstanten
anderer Seitenkettenreaktionen aromatischer Verbindungen übergeht; es ändert sich
dabei lediglich der reaktionsspezifische Q-Wert, also der Proportionalitätsfaktor.
Auch andere, die aromatische Seitenkette betreffende Gleichgewichtskonstanten
fügen sich dieser Beziehung.
Die an vielen tausend Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten geprüfte
Hammett-Gleichung:

Iog(/c//c0) =Q-a,

gilt auch für \og(K/K0). Die logarithmische Änderung einer Geschwindigkeits- oder
Gleichgewichtskonstanten unter dem Einfluß eines m- oder/?-Substituenten wird da-
bei mit dem Produkt aus der Substituentenkonstante a und dem reaktionsspezifischen
Q-Wert gleichgesetzt. (Man spricht hier auch von einer linearen Beziehung der Freien
Energie, da die Logarithmen von Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten
der Freien Energien proportional sind). Die Substituentenkonstanten o wurden aus
den Dissoziationskonstanten der substituierten Benzoesäuren ermittelt, für die will-
kürlich Q = +1 festgelegt wurde.
Die praktische Bedeutung der Hammett-Gleichung ist augenfällig: Verfügt man
über wenige Geschwindigkeits- oder Gleichgewichtsdaten substituierter Benzolderi-
vate, kann man diejenigen für weitere m- oder/?-substituierte Verbindungen mit einem
mittleren Fehler von ±15% vorausberechnen.
Größer noch ist der Erkenntnisgewinn. Die Substituenten-Konstante a gibt ledig-
lich die elektronische Fernwirkung des Substituenten am Reaktionsort, richtiger, am
C-I des 3- oder 4-substituierten Benzolkerns wieder. Positiver und negativer meso-
merer und induktiver Substituenteneffekt wirken sich auf Größe und Vorzeichen
von a aus. Wegen der von Reaktion zu Reaktion wechselnden sterischen Beeinflussung
durch o-Substituenten kann die Hammett-Gleichung dort nicht angewandt werden.
Negative a-Werte (Tabelle) bedeuten steigende Elektronendichte an C-I durch die
Elektronenlieferung vom Substituenten. Elektronenanziehende Substituenten ver-
ursachen Elektronenmangel im Kern und damit positive cr-Werte. Eine näherungs-
weise Zerlegung der o--Werte in Anteile des mesomeren und induktiven Effekts ge-
Hammett- Beziehung 285

lang R. W. Taft; zu den Vereinfachungen gehört die Gleichsetzung des induktiven


Effekts von m- und/?-Substituenten am C-I.
Wie zu erwarten, ist der mesomere Effekt von /?-Substituenten viel stärker als der
von m-Substituenten; aber auch bei letzteren ist er nicht null. Das Gegeneinander
von induktivem und mesomerem Effekt bei NH 2 , OH und den Halogenen, schon
auf S. 231 erwähnt, findet hier seinen zahlenmäßigen Ausdruck. Man erkennt bei-
spielsweise, daß sich mesomerer und induktiver Effekt /7-ständigen Fluors nahezu
aufheben. Die induktive Elektronenanziehung der Nitrogruppe übertrifft die gleich-
gerichtete mesomere bei weitem; lediglich der erstgenannte Effekt wird bei der Trime-
thylammoniogruppe wirksam.

Tabelle 1. Hammett-a-Konstanten für p- und m-Substituenten sowie deren Aufteilung auf Beiträge des
mesomeren (<rMp und <rMm) und induktiven Effekts (a,).

Substituent (T_ orm t7Mp ^Mm °"i

NH2 -0,66 -0,16 -0,76 -0,26 4-0,10


OH -0,36 0,00 -0,61 -0,25 + 0,25
OCH3 -0,27 + 0,12 -0,50 -0,11 + 0,23
CH3 -0,17 -0,07 -0,12 -0,02 -0,05
F + 0,06 + 0,34 -0,44 -0,16 + 0,50
Cl + 0,23 + 0,37 -0,24 -0,10 + 0,47
Br + 0,23 + 0,39 -0,22 -0,06 + 0,45
I + 0,28 + 0,35 -0,10 -0,03 + 0,38
CO2H + 0,27 + 0,36
CO2C2H5 + 0,52 + 0,40 + 0,20 + 0,08 -h 0,32
COCH3 + 0,52 + 0,31 + 0,25 + 0,04 + 0,27
CN + 0,68 + 0,63 + 0,09 + 0,04 + 0,59
NO 2 + 0,78 + 0,71 + 0,15 + 0,08 -h 0,63
(CH3)3N + + 0,86 + 0,90 0,00 + 0,04 + 0,86
NJ + 1,90 4-1,76

Nicht weniger aufschlußreich sind die reaktionsspezifischen Q -Werte, deren Vor-


zeichen und Größe angibt, ob und in welchem Ausmaß Zufuhr (negatives Q) oder
Entzug (positives Q) von Elektronen das Reaktionsereignis begünstigt. Hier liegt die
Bedeutung der Hammett-Gleichung bei der Klärung von Mechanismen. Wünscht
man den Elektronenbedarf am Reaktionszentrum zu ermitteln, dann führt man in die
Nachbarstellung einen Phenylrest ein und mißt den Einfluß von m- oder/?-Substituen-
ten auf die Geschwindigkeitskonstante. Die meisten Q-Werte für Seitenkettenreak-
tionen liegen zwischen — l und +1.
Qualitativ stehen die o-Werte auch zu den Geschwindigkeitskonstanten der Sub-
stitution von Benzolderivaten in Beziehung. Die elektrophile Substitution erfolgt
rascher als die des Benzols, wenn der Erstsubstituent negatives ap liefert. Alle Substi-
tuenten mit negativem <TM wirken o,p-dirigierend. Bei der quantitativen Prüfung ver-
sagt die Hammett-Gleichung zunächst; sie gilt erst wieder, wenn man neue G+ -Werte
einsetzt, in welchen der Beitrag mesomerer Elektronenlieferung viel stärker zur Gel-
tung kommt. Solche hat H. C Brown (1957) durch Messung der Geschwindigkeiten
der Solvolyse von kernsubstituierten a,a-Dimethylbenzylchloriden gewonnen.
286 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II

-er

Hierbei kommt die Bereitschaft des Substituenten X, die positive Ladung zu über-
nehmen, quantitativ zum Ausdruck, wie die Gegenüberstellung einiger er und G+-
Werte zeigt.

x
CH3O -0,27 -0,78
CH3 -0,17 -0,31
F +0,06 -0,07
CN + 0,68 +0,66
NO 2 + 0,78 +0,79

Die Anwendung der a+ -Werte ist dann angezeigt, wenn der aromatische Kern im
Übergangszustand der Reaktion einen erheblichen Teil der positiven Einheitsladung
zu tragen hat.
In begrenztem Umfang kann man einen der Hammett-Beziehung ähnlichen An-
satz nach Taft auch auf aliphatische Reaktionen anwenden.

Weiterführende Literatur zu Kapitel IV

G. A. Olah (Hrsg.), Friedel-Crafts and Related Reactions, 4 Bände, Interscience Publishers,


New York, London und Sydney 1963-1965.
C. W. Schellhammer, Die direkte Einführung von R-CO-Gruppen durch Umsetzung von Aro-
maten oder reaktionsfähigen Heterocyclen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 15, Thieme, Stuttgart 1973.
P. H. Gore, The Friedel-Crafts Acylation Reaction and Its Application to Polycyclic Aromatic
Hydrocarbons, Chem. Rev. 55, 229 (1955).
E. Berliner, The Friedel-Crafts Reaction with Aliphatic Dibasic Acid Anhydrides, Org. React. 5,
229(1949).
B. Chevrier und R. Weiss, Strukturen der intermediären Komplexe bei der Friedel-Crafts-Acylie-
rung, Angew. Chem. 86,12 (1974).
O. Bayer, Einführung der Aldehydgruppe in Aromaten, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7//, S. 16, Thieme, Stuttgart 1954.
N. N. Crounse, The Gattermann-Koch Reaction, Org. React. 5, 290 (1949).
H. Henecka, Ketone durch Umlagerung von Carbonsäure-arylestern (Fries-Verschiebung),
Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 379, Thieme,
Stuttgart 1973.
A. H. Blatt, The Fries Reaction, Org. React. /, 342 (1942).
F. Asinger und H. H. Vogel, Phenyl-alkane bzw. -cycloalkane durch Friedel-Crafts-Alkylierung,
Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 287

Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5//a, S. 501, Thieme,
Stuttgart 1970.
C. C. Price, The Alkylation of Aromatic Compounds by the Friedel-Crafts Method, Org. React.
3, l (1946).
G. A. Olah, Carbokationen und elektrophile Reaktionen, Angew. Chem. #5, 183 (1973).
R. Stroh, Chloralkylierung, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl.,
Bd. 5/3, S. 1001, Thieme, Stuttgart 1962.
R. C. Fuson und C. H. McKeever, Chloromethylation of Aromatic Compounds, Org. React. /, 63
(1942).
G. A. Olah und W. S. Tolgyesi, Haloalkylations in G. A. Olah (Hrsg.), Friedel-Crafts and Related
Reactions, Bd. 2, S. 659, Interscience Publishers, New York, London und Sydney 1964.
P.E. Spoerri und A.S. Du Bois, The Hoesch Synthesis, Org. React. 5, 387 (1949).
C.W. Schellhammer, Direkte Einführung der R-CO-Gruppen durch Umsetzen von Aromaten
bzw. reaktionsfähiger Heterocyclen mit Carbonsäurenitrilen, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 389, Thieme, Stuttgart 1973.
W.E. Truce, The Gattermann Synthesis of Aldehydes, Org. React. 9, 37 (1957).
A. Vilsmeier, Über die Herstellung von Aldehyden mit Hilfe von N-disubstuiertem Formamid,
Chem.-Ztg. 75,133 (1951).
C. Jutz, The Vilsmeier-Haack-Arnold Acylations. C—C Bond-Forming Reactions of Chloro-
methyleniminium Ions, Adv. Org. Chem. 9, 225 (1976).
A. S. Lindsey und H. Jeskey, The Kolbe-Schmitt Reaction, Chem. Rev. 57, 583 (1957).
B. Raecke, Synthese von Di- und Tricarbonsäuren aromatischer Ringsysteme durch Verschiebung
der Carboxyl-Gruppen, Angew. Chem. 70, l (1958).
H. Wynberg, The Reimer-Tiemann Reaction, Chem. Rev. 6O9 169 (1960).
J. Sauer und R. Huisgen, Nucleophile aromatische Substitutionen mit additivem Chemismus,
Angew. Chem. 72, 294 (1960).
J. F. Bunnett und R. E. Zahler, Aromatic Nucleophilic Substitution Reactions, Chem. Rev. 49,273
(1951).
J. A. Zoltewicz, New Directions in Aromatic Nucleophilic Substitution, Fortschr. Chem. Forsch.
59, 33 (1975).
C. F. Bernasconi, Mechanisms of Nucleophilic Aromatic and Hetero-aromatic Substitution.
Recent Developments, Chimia 34, l (1980).
R.W. Hoffmann, Dehydrobenzene and Cycloalkynes, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstr. und
Academic Press, New York und London 1967.
G. Wittig, Bildungsweisen und Reaktionen von Dehydrobenzol (Cyclohexadienin), Angew. Chem.
69,245 (1957).
G. Wittig, 1,2-Dehydrobenzol, Angew. Chem. 77, 752 (1965).
R. Huisgen und J. Sauer, Nucleophile aromatische Substitutionen über Arine, Angew. Chem. 72,
91 (1960).
T. Kauffmann, Die Hetarine, Angew. Chem. 77, 557 (1965).
H.H. Jaffe, A Reexamination of the Hammett Equation, Chem. Rev. 53, 191 (1953).
V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Experimente:

Essigsäure-ethylester
Benzoesäure-methylester
Adipinsäure-diethylester
Glykoldiacetat (l ,2-Diacetoxyethan)
Die Fettsäuren aus Fetten, Verseifung
Ethylenglykol aus dem Diacetat, Umesterung
Acetylchlorid
Butyrylchlorid
Benzoylchlorid
/?-Nitrobenzoylchlorid
/7-Phenylazobenzoylchlorid (Azobenzol-4-carbonsäurechlorid)
p -Brombenzoylchlorid
Benzyloxycarbonylchlorid
Versuch: Hydrolyse von Säurechloriden
Versuch: Esterbildung. Ethylacetat,/?-Nitrobenzoate
Essigsäureanhydrid (Benzoesäureanhydrid)
Buttersäureanhydrid
Bernsteinsäureanhydrid
Versuch: Hydrolyse von Anhydriden
Dibenzoylperoxid
Acetamid
Versuch: Amidsynthesen. Acetanilid, Benzanilid
Versuch: Acetamid-quecksilber
Versuch: Hydrolyse von Acetamid
Benzyloxycarbonyl-D, L-alanin
D,L-Alanylglycin
Versuch: Papierchromatographie
Succinimid aus dem Ammoniumsalz der Bernsteinsäure
Succinimid durch Umamidierung
Hofmann-Abbau des Nicotinsäureamids, 3-Aminopyridin
Acetonitril
Verseifung eines Nitrils zur Carbonsäure, Phenylessigsäure (Phenylacetamid)
Korksäure aus dem Dinitril
Harnstoff nach Wöhler
Versuche mit Harnstoff: Biuret, Reaktion mit Hypobromit, Reaktion mit salpetriger
Säure, Hydrolyse
290
Semicarbazid-hydrochlorid
Versuch: Benzaldehyd-semicarbazon
Cyclopentanon aus Adipinsäure
Säure-Base-Begriff 291

V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Säure - Base - Begriff

Die Definition einer Säure kann nicht ohne die einer Base erfolgen. Den umfassend-
sten Begriff für Säuren und Basen hat 1923 G. N. Lewis formuliert. Danach sind Säuren
alle Teilchen (A), die sich aufgrund einer Elektronenpaarlücke mit Basen verbinden,
also solchen Teilchen (B), die ein freies Elektronenpaar besitzen.

A + :B ^ Ä—B
oder A+ + :B~ ^ A—B
Lewis-Säuren sind also alle Kationen (außer Oniumionen wie N(CH3)J oder an-
deren Komplexen) aber auch neutrale Moleküle mit unaufgefüllten Elektronen-
schalen wie BF 39 AlCl 3 , SbCl5 und elektronenanziehende, d.h. elektrophile Systeme
wie CO2, SO3 und viele andere mehr.
Lewis-Basen sind außer der klassischen Base OH" alle Teilchen mit freiem Elek-
tronenpaar, also alle Anionen, aber auch neutrale Moleküle wie H2O, NH 3 , R2S
oder Olefine, d. h. alle nucleophilen Systeme.
Die enger gefaßte Definition einer Säure als Proton-Donator stammt von J. N.
Brönstedt und von T. Lowry aus dem gleichen Jahr (1923). Die Basen werden hier als
Proton-Acceptoren definiert und umfassen genau die oben beschriebene Gruppe von
Verbindungen. Säuren und Basen reagieren miteinander so, daß sich bei der Proto-
lyse ein Gleichgewicht einstellt, in dem neben der Säure AH und der Base B die zur
Säure „konjugierte" Base A~ und die zu B „konjugierte" Säure BH+ entsteht.
AH + B *± A' + BH+

Diese Reaktion beinhaltet die Konkurrenz von 2 Basen, nämlich B und A~, um
das Proton; wenn B stärker basisch ist als A", liegt das Gleichgewicht auf der rechten
Seite und umgekehrt. Lösungsmittel, die selbst Proton-Acceptoren oder -Donatoren
sind, hier vor allem das Wasser, protolysieren Säuren unter Bildung von Hydro-
nium-ionen.
l.AH + H 2 O <± A" + H 3 O +
K _ [A-J[H3O+]
1
[AH][H2O]
und werden von Basen zu Hydroxid-Ionen protolysiert.
2. B + H 2 O «* BH+ + OH"
= [BH+][OH-]
2
[B][H2O]
292 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Die annähernd konstante Konzentration der Wassermoleküle [H2O] kann in die


Konstanten K 1 bzw. K 2 einbezogen werden. Man erhält dann die Säurekonstante
KA und die Basenkonstante KB. Die Größe dieser Konstanten gibt die Stärke einer
Säure bzw. einer Base in verdünnter wässeriger Lösung an.

_ [A-J[H3O+] [BH+][OH-]
K
- "- [B]
Da jeder Säure AH eine Konjugatbase A~ entspricht, könnte man auch deren
Basenkonstante (KB) zur Kennzeichnung wählen, was jedoch keinen Vorteil bringt.
Hingegen ist es nützlich, die Basen (B) durch Angabe der Säurekonstanten ihrer Kon-
jugätsäuren (BH+) zu charakterisieren. Formuliert man in diesem Sinn die Protolyse
von BH+

3. BH+ 4- H 2 O 4± B + H 3 O +
so ergibt sich für die Säurekonstante KA, :

_ [B][H3O+]
A
' [BH+]

K A - und K8 hängen in folgender einfachen Weise zusammen:

KA. . K,-

Den Ausdruck [H3O+] [OH~] nennt man das lonenprodukt des Wassers.
Statt der Säurekonstanten, deren Werte zwischen ca. 10~ 25 (NH3 + H 2 O ?±
H- H3O+, extrem schwache Säure) und 109 (HClO4) liegen können, benutzt man all-
gemein die „Säurezahl" pKA, die den negativen dekadischen Logarithmus von KA
bedeutet: pKA = -logKA. Je stärker die Säure, desto kleiner ist ihr pKA-Wert. In
Wasser kann er — 1,73 (= pKA des H 3 O + ) nicht wesentlich unterschreiten und 15,75
(pKA von H 2 O) nicht wesentlich überschreiten. In nicht-wässerigen Lösungsmitteln
wie Alkoholen, Eisessig und flüssigem NH3 herrschen, je nach ihrer Basizität, andere
Protolysegleichgewichte.
Für die Beziehung der Säurezahl pKA, einer Konjugatsäure zur Basenzahl pKB
der entsprechenden Base gilt gemäß obiger Gleichung
pKA, + pK B =14
Die Stärke einer Säure und die ihrer konjugierten Base sind also einander kom-
plementär: Je stärker eine Säure, desto weniger basisch ist ihr Anion und vice versa.
In einfacher Weise bestimmt man den pK-Wert einer schwachen bis mittelstarken
Säure (bzw. Base) durch Halbneutralisation der verdünnten Lösung. Hierbei ist
nämlich in Gl. 1. [AH] = [A"] und somit KA = [H3O+], das heißt pH = pKA.
Carbonsäuren 293

Die wichtigsten Verbindungen saurer Natur im Alltag des organischen Chemikers


sind die Carbonsäuren, die durch die Carboxylgruppe

charakterisiert sind. Carbonsäuren sind schwach bis mittelstark mit pKA > 2
(Essigsäure: pKA = 4,75).
Zu den organischen Säuren gehören weiterhin Sulfon-, Sulfinsäuren, Phenole, so-
wie Enole (ebenfalls OH-acid); Ammonium- und Imoniumverbindungen (als Kon-
jugatsäuren), Sulfonamide, Amide, Imide (NH-acid); Thiole (SH-acid); Acetylene,
Trinitromethan, Triphenylmethan, 1,3-Diketone (CH-acid) und andere.
Über „harte" und „weiche" Säuren und Basen, sowie über Unterschiede zwischen
Basizität und Nucleophilie sind an anderen Stellen Ausführungen gemacht.

Carbonsäuren

Die Carbonsäuren verdanken ihren sauren Charakter der Tatsache, daß bei ihnen
eine OH-Gruppe an einem Kohlenstoffatom sitzt, das durch den doppelt gebundenen
Sauerstoff positiviert und somit H+-abstoßend ist. Den Hauptbeitrag an Energie, die
zur Ladungstrennung nötig ist, steuert die Mesomerie des entstehenden Carboxylat-
ions bei.

R OH R OH OH O
C C R-C + B *± R— C t e + HB+
n ~ l N
Von bedeutendem Einfluß auf die Säurestärke ist der Rest R. Dieser kann negati-
vierend sein wie die Alkylgruppen der Fettsäuren oder, wenn er ein elektronegatives
Atom X wie O, N, S, Halogen und so weiter mit —!-Effekt enthält, positivierend.
Dabei hängt die Größe der induktiven Wirkung natürlich vom Abstand des Substi-
tuenten von der Carboxylgruppe ab. Auch eine mesomere, die Acidität verstärkende
Wirkung geeigneter rc-elektronenhaltiger Gruppen ist bekannt, die sich bei den a,/?-
ungesättigten Fettsäuren als Resonanz-Stabilisierung des positiven Molekülteils for-
mulieren läßt.
294 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Tabelle 2. pKA-Werte einiger Säuren in Wasser (gerundet)


A. Carbonsäuren RCO 2 H
pK A
H 3,75 H3C-CH2-CH(Cl) 2,9 HO2C-CH2 (1.) 2,8
H3C 4,75 H3C-CH(Cl)-CH2 4,0 HO 2 C (1.) 1,2
_f_

H3CCH2CH2 4,8 H2C(Cl)-CH2-CH2 4,5 H3N-CH2 (Glycin) 2,35


H3C(CH2)9 5,0 ClCH2 2,85 C6H5 4,2
H 2 C=CH 4,25 Cl2CH 1,5 C6H4(O-NO2) 2,15
H3C-HC(OH) 3,1 Cl3C 0,7 C 6 HJm-NO 2 ) 3,5
H3C-CO 2,5 HS-CH2 3,7 C6H5(P-NO2) 3,4
B. Andere Säuren, Konjugatsäuren
Säure Säure pKA

Phenol 9,9 HNH3 (Ammoniumion) 9,3


1
p-Nitrophenol 7,15 HNH2(CH3) 10,65
HCN 9,3 HNH(CH3)2 10,75
Barbitursäure 4,0 HN(CH 3 ) 3 9,8
n-Butanthiol -11 HNH 2 (CH 2 COj) (Glycin) 9,8
Thiophenol ~7 HNH 2 (C 6 H 5 ) (Aniliniumion) 4,6
2
C6H5SO3H 0,7 HNH2(C6H4-/>NO2) 1,0
(^-NH2)C6H4SO3H 3,3
1
pKA-Werte anderer Nitrophenole siehe S. 252.
2
pKA-Werte weiterer Nitroaniliniumionen siehe S. 533.

—c o-
c
\OH \ 0-H
'

Säure-verstärkende
Wirkung eines O— H
Elektronen- Mesomerie der positiven Ladung bei
anziehenden Restes X a,/?- ungesättigten Säuren

Exakte Aussagen über induktive und mesomere Effekte von Substituenten hat man erst-
malig durch planmäßige Variation der Sustituenten aromatischer Carbonsäuren erhalten
(siehe „Hammet-Beziehung" auf Seite 283.)
Die Reaktionen der Carboxylgruppe sind 1. durch die Elektrophilie ihres C-Atoms
und 2. durch die Nucleophilie ihrer O-Atome bestimmt.

1. Die Elektrophilie des Kohlenstoffs befähigt diesen zur Reaktion mit nucleophilen
Agenzien. Diese wird als Acylierung (Acyl = RCO) bezeichnet.
Reaktionen der Carbonsäuren 295

,0
/
C9^
I _ - /^
°
+ :Y~ > R—C-Y —~OH" > R-C
'OH ciH \
Acylierungsprodukt

Hierzu gehören die meisten der in diesem Kapitel besprochenen Reaktionen. Nahezu
alle Derivate der Carbonsäuren (außer ihren Salzen und den Amiden) sind stärkere
Acylierungsmittel als die Säuren selbst. Die Reaktion verläuft über ein tetraedrisch ge-
bautes Addukt (Orthosäurederivat), das wegen der Resonanzstabilität der Carbonyl-
gruppe unter Abspaltung eines Liganden rasch in den trigonalen Zustand des Acylie-
rungsprodukts übergeht. Bewahrt man eine Carbonsäure in 18O-haltigem Wasser auf,
so findet ein Austausch von 16O gegen das Isotop statt, der auf dem Weg über die
Orthosäure zu verstehen ist.

18 18
OH
R-C + H 2 18 O <± R— C-OH <± R-C + H2O
OH OH OH

2. Die Carboxygruppe kann als Nucleophil mit einem ihrer Sauerstoffatome in Reak-
tion treten, besonders leicht im deprotonierten Zustand, als Anion. Wir sprechen von
^O
einer Acyloxyübertragung (R—C ^ ).

E = Elektrophiles Teilchen

Hierzu gehört zum Beispiel die Alkylierung von Carboxylationen zu Estern (S. 298) oder
die der Carbonsäuren mit Diazomethan zu Methylestern (S. 632).

Carbonsäuren werden durch energische Oxidation von Methylgruppen, primären


Alkoholen, Aldehyden oder durch oxidative Spaltung von C—C-Bindungen erhal-
ten. Weitere verbreitete Synthesemethoden sind:
Hydrolyse von Nitrilen oder Trihalogenmethyl-verbindungen,
Carboxylierung, also Einführung von CO2 in stark nucleophile Agenzien wie
metallorganische Verbindungen, Phenolate und andere (siehe S. 434).
296 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Einführung eines Carboxyalkylrests, —C—CO 2 H, durch Malonester- oder


Acetessigester-Synthese (siehe S. 413).

Carbonsäureester

Veresterung

Essigsäure-ethylester
CH 3 CO 2 H + C 2 H 5 OH <± CH 3 CO 2 C 2 H 5 + H 2 O
Die Reaktion erfolgt in einem 2-Hals-Schliffkolben von 0,51, dessen einer Tubus mit
einem 250 ml Tropftrichter, der andere mit einer Rohrbrücke und einem absteigenden
Schlangenkühler verbunden ist. Man erhitzt im Kolben eine Mischung aus 50 ml 96-
prozentigem Ethanol und 50 ml konzentrierter Schwefelsäure im Ölbad auf 14O 0 C und
läßt, sobald diese Temperatur erreicht ist, durch den Tropftrichter eine Mischung von
400 ml Ethanol und 400 ml Eisessig (je 7 mol) in dem Maße zufließen, wie der sich bil-
dende Essigester überdestilliert. Das Destillat wird zur Entfernung mitgegangener Essig-
säure im Scheidetrichter solange mit 1N Natriumcarbonatlösung geschüttelt (Vorsicht
Gasentwicklung, Schäumen!), bis die obere Schicht neutral ist, dann wird diese abge-
trennt, zur Entfernung des Alkohols mit einer Lösung von 10O g Calciumchlorid in 10O ml
Wasser ausgeschüttelt und nach Abtrennen über Calciumchlorid getrocknet. Fraktio-
nierte Destillation auf dem Wasserbad gibt 490-525 g (80—85% d.Th., bezogen auf
den Eisessig) vom Siedepunkt 78 0 C. Verwendung für Acetessigester (S. 401), Acetyl-
aceton (S. 401).

Benzoesäure-methylester
C 6 H 5 CO 2 H + CH3OH <± C 6 H 5 CO 2 CH 3 + H2O
30,5 g Benzoesäure (0,25 mol) werden in 150 ml Methanol nach Zugabe von 3 ml kon-
zentrierter Schwefelsäure 4 h am Rückflußkühler zum Sieden erhitzt. Man destilliert dann
auf 50 ml ab, versetzt mit 300 ml Wasser und ethert mehrmals aus. Die Etherschicht wird
mit 1N Natriumcarbonatlösung entsäuert, mit Na-sulfat über Nacht getrocknet und das
Lösungsmittel abgedampft. Beim Destillieren unter vermindertem Druck gehen bei
83 0 C / 11 Torr 26-30 g (80-90% d.Th.) des Esters über.

Adipinsäure-diethylester

HO 2 C(CH 2 J 4 CO 2 H + 2C 2 H 5 OH & H 5 C 2 O 2 C(CH 2 ) 4 CO 2 C 2 H 5 + 2H 2 O


In einem mit absteigendem Kühler und Thermometer versehenen 0,5-l-Rundkolben wer-
den 75 g Adipinsäure (0,5 mol), 180 ml abs. Ethanol (3 mol), 90 ml Toluol und 10 Trop-
Ester der Carbonsäuren 297

fen konz. Schwefelsäure vorsichtig im Ölbad erhitzt. Das azeotrope Gemisch aus Wasser,
Alkohol und Toluol beginnt bei 75 0 C überzugehen; man reguliert die Wärmezufuhr so,
daß in der Stunde nicht mehr als 100 ml Destillat erhalten werden. Wenn die Siedetem-
peratur 78 0 C erreicht hat, schüttelt man das gesamte Destillat zur Entfernung des Wassers
mit 75 g wasserfreiem K 2 CO 3 kräftig durch, saugt ab und gibt das Filtrat in den Reak-
tionskolben zurück. Nun wird nochmals wie zuvor langsam destilliert, bis 78 0 C erreicht
sind, dann der Rückstand in 0,5 I Ether gelöst, die Lösung mit Na-carbonatlösung ent-
säuert, verdampft und i. Vak. fraktionierend destilliert. Man erhält 95 g (=95% d. Th.)
Adipinsäure-diethylester, die bei 138 0 C / 20 Torr übergehen.

Glykoldiacetat (1,2- Diacetoxyethan)


CH22 OCOCH33
BrCH2-CH2Br + 2KOCOCH 3 > \ + 2KBr
CH 2 OCOCH 3
In einem 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler erhitzt man die Mischung von 62 g (29,5 ml,
0,33 mol) 1,2-Dibromethan, 20 ml Eisessig und 60g (0,61 mol) frisch geschmolzenem,
fein pulverisiertem Kaliumacetat (vgl. S. 309) in einer Heizhaube 2 h lang zum Sieden. Da-
nach destilliert man das Reaktionsprodukt vorsichtig durch einen absteigenden Kühler
ab, versetzt das Destillat abermals mit 62 g 1,2-Dibromethan und 80 g Kaliumacetat wie
oben, erhitzt 2—3 h zum Sieden und destilliert erneut ab. Das Destillat fraktioniert man an
einer Widmer-Spirale, fängt von 14O 0 C ab auf und destilliert danach nochmals die von
180—19O 0 C mit Hauptanteil bei 186 0 C siedende Fraktion heraus. Ausbeute 70g (73%
d.Th.).

Aus Carbonsäuren und Alkoholen entstehen, vorzugsweise beim Erhitzen in Ge-


genwart eines Protonen-liefernden Katalysators, in einer Gleichgewichtsreaktion
Ester und Wasser

RCO2H + R'OH * RCO2R' + H 2 O K=


[RCO2H] -[R' OH]*
Als Protonen-Lieferanten werden meistens starke Säuren wie Schwefelsäure, SuI-
fonsäuren oder Salzsäure verwendet, auch stark saure Ionenaustauscher des Sulfon-
säuretyps sind brauchbar, deren nachträgliche Abtrennung durch einfaches Dekan-
tieren oder Filtrieren möglich ist.
Die Gleichgewichtskonstante K beträgt für das Beispiel der Veresterung von Essig-
säure mit Ethanol bei molarem Ansatz
2/ . 2/
/ 3 / 3
V3 ' V3

das heißt, es befinden sich im Gleichgewicht je 2/3 mol (66%) Ester und Wasser sowie
V3 mol unumgesetzte Säure und Alkohol.
298 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Um zu höheren Ausbeuten zu kommen, erhöht man meistens die Menge einer


Reaktionskomponente und verschiebt damit die Lage des Gleichgewichts. Das Gleich-
gewicht läßt sich ferner nach rechts verschieben, indem man eines der Reaktionspro-
dukte laufend aus dem Ansatz abführt. Zur Darstellung schwerflüchtiger Ester wird
das bei der Reaktion gebildete Wasser dem Ansatz entzogen. Eine viel angewandte
Methode besteht darin, daß man eines der beiden oder beide Produkte azeotrop ab-
schleppt.

Andere Methoden zur Herstellung von Estern

1. Reaktion von „aktivierten" Derivaten der Säure wie Säurechloride oder -anhy-
dride mit Alkoholen, möglichst in Gegenwart von Basen zur Bindung des Protons.

+ HOR' -> R— C + H+ +
X OR'
X = RCO, HaI u.a.
Il
O

Diese Reaktionen sind exergonisch und verlaufen meist rasch und vollständig. Sie
sind besonders dann anzuwenden, wenn die alkoholische Komponente ein Phenol
ist, weil in diesem Fall die H "'"-katalysierte Veresterung versagt.
2. Reaktion des Carboxylat-Ions, als Alkali- (S. 297) oder als Ag+-SaIz, mit Alkyl-
halogeniden.

R-C + R'— X -> R-C + X-Ag +


Q-Ag + OR'
X = HaI

Bei dieser Acyloxyübertragung handelt es sich um eine nucleophile Substitution


(S. 166). X kann Halogen sein (meistens) oder auch eine andere nucleofuge Gruppe,
das heißt Anion einer starken Säure wie zum Beispiel Methoxysulfonyloxy
(— OSO2OCH3, Anion des Methylsulfats) oder Toluolsulfonyloxy (Tosyl,
-OSO2C6H4CH3).
Die Synthese von Phenylestern nach diesem Prinzip gelingt nur mit besonders
reaktionsfähigen Arylhalogeniden wie etwa l -Halogen- 2,4 -dinitro-benzolen oder
auf Umwegen.
3. Reaktion von Carbonsäuren mit Diazoalkanen (S. 632).
Die Reaktion ist so gut wie ausschließlich auf die Herstellung der Methylester mit
Diazomethan beschränkt, läßt sich jedoch besonders einfach und glatt durchführen
und wird deshalb sehr häufig angewendet.
Verseifung der Ester 299

Esterhydrolyse (Verseifung) und Umesterung

Wird im H+-katalysierten Gleichgewicht

RCO 2 H + R'OH ?± RCO 2 R' + H2O

die Konzentration des Wassers erhöht, so wird die rückläufige Reaktion begünstigt,
und es kommt zur Hydrolyse des Esters zu Säure und Alkohol. Von Verseifung spricht
man meistens, wenn ein Ester durch wässerige Alkalilaugen hydrolysiert wird. Seifen
sind die Salze der höheren Fettsäuren, die bei der Verseifung der Fette, der natür-
lichen Ester des Glycerins, entstehen. Im Gegensatz zur sauren Esterhydrolyse, die
zu einem Gleichgewicht führt, wird der Ester bei der alkalischen Verseifung völlig
gespalten, da in einem zweiten Schritt die Säure in das Salz übergeführt wird, das
wegen seiner Resonanzstabilisierung nicht mehr mit dem Alkohol reagiert:

RCO2R' + NaOH -> RCOjNa+ + R'OH


RCO2R' + NaOR" *± RCO2R" + R'OH

Der Verbrauch an OH~-Ionen, der sich durch Titration leicht feststellen läßt, gibt
das Äquivalentgewicht der veresterten Säure an. Ersetzt man in der H+-katalysierten
Reaktion das Wasser durch einen zweiten Alkohol oder in der basenkatalysierten
Reaktion durch sein Alkoxid, so kommt es zum Gleichgewichtsaustausch des Alkoxyl-
rests, daß heißt zur Umesterung.
In den allermeisten Fällen verläuft die Veresterung bzw. Hydrolyse in der Weise,
daß der Acylrest der Carbonsäure auf den Sauerstoff des Alkohols (bzw. der Acylrest
des Esters auf den Sauerstoff des Wassers) übertragen wird (Acyl-O-Spaltung). Der
Sauerstoff eines 18O-markierten Alkohols findet sich im Ester wieder. Die andere
Möglichkeit, Übertragung des Acyloxyrests auf den Alkylrest des Alkohols unter
Alkyl-O-Spaltung ist viel seltener. Sie tritt zum Beispiel bei der Alkylierung des Car-
boxylations und - noch seltener - bei der Säure-katalysierten Veresterung (Hydrolyse)
von solchen Alkoholen (Estern) auf, deren Alkylrest wie tert. Butyl leicht ein Carben-
iumion bildet.
O
Il
R'O—|—H R—C-O—|—H
i i
I l
R-C —— OH R'—— OH
Il
O
Acyl-O (normal) Alkyl-O (selten)

Die katalytische Wirkung des Protons besteht in der Regel in einer Bindung an den
Carbonyl-Sauerstoff, wodurch die Anlagerung des Alkohol(Wasser)-Sauerstoffs an
300 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

den so positivierten Carboxylkohlenstoff möglich wird. Das Addukt, ein Ortho-


säurederivat, in dem eines der drei Sauerstoffatome im Oniumzustand vorliegt, geht
unter Wasser-(Alkohol-)abspaltung in den Ester (die Säure) über.

O -^H + O +H 4
Il Il
R—C-OH R—C-OR'
Tl Ti
OH OH OH
I
R—C-OH +R'OH R—C-OH + H2O R—C-OR'
\)R'

Ersetzt man in dem voranstehenden Gleichgewicht H 2 O durch einen neuen Alkohol


R"OH, entsteht aus dem Ester RCOOR' auf dem Weg von rechts nach links der
neue Ester RCOOR" (Umesterung der Säure).
Ist der Rest R der Carbonsäure so elektronenreich, daß er ein Acyliumkation sta-
bilisieren kann, wie etwa bei der Mesitylencarbonsäure, dann kann die H2O-Ab-
spaltung der Anlagerung des Alkohols vorangehen; dieser Vorgang entspricht kine-
tisch einer SN l -Reaktion.

+ H HC

Mesitylencarbonsäure

Bei der Hydrolyse von Estern durch wässerige Metallhydroxide (Verseifung) ist der
erste Schritt eine Anlagerung des stark nucleophilen OH ~- Ions. Das Addukt zerfällt
irreversibel unter Alkoholabspaltung, da das Carboxylation wegen seiner Meso-
meriestabilisierung die energieärmste Komponente des Systems ist.

Verseif u ng:

R-C + OH" + R'O~ + R OH


'
OR' OR' OH

Setzt man statt des Hydroxidions einen zweiten Alkohol (als Alkoxid R"O~) in
die Reaktion ein, so findet durch Abspaltung von OR' aus dem Addukt in einer
Gleichgewichtsreaktion Umesterung (Acy !Übertragung) statt.
Verseifung und Umesterung 301

Umesterung:

R-C
/ + R"O~ *±
u>
R—C-OR" «± R-C
/ + R'O~
\>R' C^R* OR"

Die Geschwindigkeit der alkalischen Esterverseifung hängt sehr stark von der
Natur der Komponenten ab. Carbonsäureester mit elektronenanziehenden Grup-
pen am Alkylrest oder Phenolester werden rascher verseift als andere, ebenso die-
jenigen, die sich von stärkeren Säuren ableiten. Die Ester aromatischer Carbonsäuren
sind infolge Mesomerie (Delokalisierung der positiven Ladung vom Carbonyl-
Kohlenstoff) schwerer solvolysierbar.

u.s.w.

Orthoester sind Säurederivate der Struktur R—C(OROa. Sie sind nicht direkt aus
den Säuren (und Alkohol) zugänglich, sondern entstehen aus Imidoesterhydrochlori-
den oder Imidchloriden und Alkohol.

NH2CI- .OC2H5
X
R—C + 2C2H5-OH > RC-OC2H5 + NH4CI
OC 2 H 5 OC 2 H 5

Sie übertragen unter H+-Katalyse zwei ihrer Alkoxylreste auf Carbonylverbin-


dungen (Acetalisierung), Orthoameisensäure-triethylester wird dazu als präpara-
tives Reagens gebraucht. Da ihnen die mesomeriefahige C=O-Gruppe fehlt, sind
die Orthoester gegen Basen sehr beständig.

Die Fettsäuren aus Fetten, Verseifung


2 g eines Speisefetts werden mit 4ml Ethanol und 1 ml 1ON Kaliumhydroxid 1 h am
Rückfluß zum Sieden erhitzt (Schliff vor Aufsetzen des Kühlers von Lauge reinigen!).
Nach dem Abkühlen gibt man 15 ml Wasser zu, wobei sich alles klar löst. Nun wird mit
starker Schwefelsäure auf etwa pH 2 gebracht und die Emulsion mit Ether ausgeschüt-
telt. Einen kleinen Teil der Etherlösung versetzt man tropfenweise mit einer Lösung von
Diazomethan in Ether bis die gelbe Farbe gerade bestehen bleibt. Diese Probe ist nach
Abdampfen des Ethers zur gaschromatographischen Analyse des Gemischs der Fett-
säure-methylester geeignet. Der Hauptteil der Etherlösung wird i. Vak. abgedampft und
im Exsikkator getrocknet, wobei die Fettsäuren als farblose, z.T. schmierige Kristalle an-
fallen.
302 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Ethylenglykol aus dem Diacetat, Umesterung


CH 2 OCOCH 3 H
H+
CH 2 OH
| + 2CH 3 OH > | + 2CH 3 CO 2 CH 3
CH 2 OCOCH 3 CH 2 OH
In einem 250-ml-Kolben kocht man die Lösung von 49g (44,5ml, 0,33 mol) 1,2-Di-
acetoxyethan und 0,9g p-Toluolsulfonsäure in 60 ml Methanol 3 h unter Rückfluß.
Nach dem Abkühlen dampft man das Methanol am Rotationsverdampfer ab und schüttelt
den abgekühlten Rückstand zur Entfernung von Esterresten zweimal im Scheidetrichter
mit je 50 ml Ether aus. Die untere Phase wird durch kurzes Schütteln i. Vak. von rest-
lichem Ether befreit und dann bei 13 Torr und 90—12O 0 C Badtemperatur in einem
Kugelrohr destilliert, Ausbeute 16,5g (80%d.Th.) Ethylenglykol.

In der homologen Reihe der aliphatischen Carbonsäuren haben die ersten drei
Vertreter, Ameisensäure (Sdp. 100,50C), Essigsäure (Sdp. 1180C) und Propionsäure
(Sdp. 1410C) einen stechenden, die weiteren - soweit sie bei Raumtemperatur flüssig
sind - einen unangenehm ranzigen Geruch. Die gesättigten Fettsäuren im engeren
Sinne dieser Bezeichnung von C12 an sind fest, kristallin und nahezu geruchlos (PaI-
mitinsäure, C 15 H 31 CO 2 H, Schmp. 630C, Stearinsäure, C 17 H 33 CO 2 H, Schmp.
7O0C). Die für ihre Molekülgröße relativ hohen Siedepunkte der Carbonsäuren rüh-
ren von einer Dimerisierung über Wasserstoff-Brücken zwischen den Carboxyl-
gruppen her.

O • • • H-O
// \
R-C C-R
VH ...„'

Bei zunehmender Länge der Fettsäuren treten zwischen den Alkylketten auch van
der Waals'sche Wechselwirkungen hinzu, welche die Kristallisation der höheren
Fettsäuren bestimmen. In den wässerigen Lösungen der Alkalisalze von höheren
Fettsäuren (Seifen) assoziieren sich die hydrophoben Alkylketten, während die hy-
drophilen Carboxylat-Enden hydratisiert sind und sich um Kationen gruppieren
(„amphiphile" Wechselwirkungen der Seifen). Auf diese Weise bilden sich Aggregate
von vielen Molekülen, sogenannte Micellen, die entweder, mit dem hydrophilen Rest
um ein Kation geschart, die hydrophoben Ketten nach außen orientieren oder mit
den hydrophoben Ketten ein Fettröpfchen einschließen und die hydrophilen Car-
boxylat-Enden nach außen richten. So erklärt sich die Reinigungswirkung der Seifen-
lösungen sowie ihre Glitschigkeit und Filmbildung (Seifenblasen).
Die niederen Carbonsäureester sind farblose, angenehm fruchtähnlich riechende
Flüssigkeiten, die höheren Homologen sowie die Ester aromatischer Säuren vielfach
kristalline Substanzen. Da die Assoziation durch H-Brücken wegfällt, sind die Siede-
punkte der Ester mit kleinen Alkylresten (CH3, C 2 H 5 , C 3 H 7 ) niedriger als die der
Säuren:
Herstellung der Carbonsäurechloride 303

CH 3 COOCH 3 Sdp. 570C CH3COOH Sdp. 1180C.


CH 3 COOC 2 H 5 Sdp. 78 0 C

Die Methylester der Fettsäuren eignen sich daher auch gut zur Gaschromatogra-
phie. Bemerkenswert ist, daß die Schmelzpunkte der Methylester meist höher liegen
als die der entsprechenden Ethylester; so ist zum Beispiel Oxalsäure-dimethylester
fest (Schmp. 540C, Sdp. 1630C) der Diethylester flüssig (Schmp. -40,60C, Sdp.
1850C).
Die Ester spielen eine bedeutsame Rolle als Lösungsmittel und als aktivierte Car-
bonsäurederivate. So läßt sich die Alkoxylgruppe durch Amine, Hydroxylamin oder
Hydrazin ersetzen (S. 313). Ferner sei auf das umfangreiche Gebiet der Esterkonden-
sationen (S. 401) hingewiesen. Reduktion zu Alkoholen siehe S. 535.
Die biologisch wichtigen ungesättigten Fettsäuren, Komponenten der bei Raum-
temperaturflüssigenÖle, zeigen - wie diese gegenüber den gesättigten Fetten - durch-
wegs tiefere Schmelzpunkte.

Carbonsäurechloride und Säureanhydride

Acetylchlorid
3CH 3 CO 2 H + PCI3 > 3CH 3 COCI + H 3 PO 3
In einem 250-ml-Dreihalsschliffkolben, der, auf dem Wasserbad stehend, mit einem
100-ml-Tropftrichter, einem Thermometer und Rückflußkühler ausgestattet ist, läßt
man im Abzug zu 90g (1,50mol) wasserfreier Essigsäure aus dem Tropftrichter 72g
(0,50 mol) Phosphortrichlorid fließen. Dann erwärmt man solange auf 5O 0 C, bis die
lebhafte HCI-Entwicklung nachgelassen hat und zwei Schichten entstanden sind. Das
Acetylchlorid wird nun bei siedendem Wasserbad von der phosphorigen Säure (untere
Schicht) abdestilliert. Das Präparat wird durch 2-malige fraktionierende Destillation, das
zweite Mal nach Zugabe von 5 Tropfen Essigsäure (zur Entfernung möglicher PCI3-
Spuren) gereinigt, wobei die zwischen 48 und 53 0 C übergehende Fraktion aufgefangen
wird. (Siedepunkt von Acetylchlorid: 51 0 C). Ausbeute 70—80 g (60-67% d.Th.).
Verwendung für Essigsäureanhydrid (S. 308).

Butyrylchlorid
C 4 H 7 COOH + SOCI2 > C 4 H 7 COCI + SO2 + HCI
In einem 100-ml-Schliff-Rundkolben, der über einen Anschützaufsatz mit Rückfluß-
kühler (Calciumchloridrohr) und Tropftrichter verbunden ist, läßt man im Abzug zu 26 ml
(43 g, 0,36 mol) frisch über Leinöl destilliertem Thionylchlorid ohne Heizen oder Kühlen
26 g n-Buttersäure (0,30 mol) im Laufe einer Stunde zutropfen, wobei sich HCI und SO2
entwickeln. Dann erhitzt man 30 min auf siedendem Wasserbad und fraktioniert unter
Benützung einer Kolonne. Butyrylchlorid geht nach einem geringen Vorlauf bei 100 bis
101 0 C / 760 Torr als farblose Flüssigkeit über. Ausbeute 23-24 g = 75% d. Th.
304 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Benzoylchlorid
C 6 H 5 CO 2 H + SOCI2 > C 6 H 5 COCI + HCI + SO2
40g (0,33 mol) trockene Benzoesäure werden in einem 250-ml-Schliffrundkolben mit
aufgesetztem Kühler mit 10OmI (1,33 mol) frisch über Leinöl destilliertem Thionyl-
chlorid übergössen und im Ölbad unter Rückfluß auf 8O 0 C erwärmt (Abzug). Nach einer
halben Stunde ist die kräftige Gasentwicklung (HCI und SO2) beendigt; man gießt das
abgekühlte Gemisch in einen Fraktionierkolben und destilliert das überschüssige Thionyl-
chlorid auf lebhaft siedendem Wasserbad so weit wie möglich ab; es ist für die gleiche
Operation nochmals verwendbar.
Das Benzoylchlorid wird hierauf der Destillation im Vakuum unterworfen. Nach einem
beträchtlichen Vorlauf, der schon bei 3O 0 C Ölbadtemperatur übergeht und im wesent-
lichen aus (ebenfalls wieder verwendbarem) Thionylchlorid besteht, destilliert man die
Hauptmenge. Reines Benzoylchlorid siedet bei 87 0 C / 20 Torr oder 194 0 C / 760 Torr.
Ausbeute 40—42 g (= etwa 85%). Viel verwendetes Laboratoriumspräparat.

p-Nitrobenzoylchlorid
P(NO 2 )C 6 H 4 CO 2 H + SOCI2 > P(NO 2 )C 6 H 4 COCI + HCI + SO2
16,7g trockene p-Nitro-benzoesäure (0,10 mol, S. 484) werden im 100-ml-Schliff-
kolben mit 20,Og frisch über Leinöl destilliertem Thionylchlorid (0,17 mol) bei 110 bis
12O 0 C Badtemperatur am Rückflußkühler gekocht (Abzug). Nach ca. 30min wird das
Reaktionsgemisch homogen, nach 21/2 stündigem Kochen ist die HCI- und SO2-EnI-
wicklung abgeschlossen. Man destilliert das überschüssige Thionylchlorid bei Normal-
druck ab und überführt das rohe p-Nitrobenzoylchlorid noch warm in einen kleinen
Schwertkolben oder einen für die Kugelrohrdestillation geeigneten Kolben; mit wenig
trockenem Benzol wird nachgewaschen. Bei 141—142 0 C / 11 Torr gehen 17—18g
Säurechlorid als sofort kristallin erstarrendes, gelbes Öl über; Schmelzpunkt 71-720C.
Umkristallisieren aus 90 ml Ligroin (Sdp. 60-8O0C) liefert 14,5-15,5 g gelbe Nadeln
(78-84%d. Th.) vom Schmp. 72-730C.
Durch Umsetzung mit p-Nitrobenzoylchlorid lassen sich Alkohole als Ester mit defi-
niertem, scharfem Schmelzpunkt charakterisieren (S. 308).

p-Phenylazobenzoylchlorid (Azobenzol-4-carbonsäurechlorid)

In einem 100-ml-Rundkolben übergießt man das Gemisch von 5,0g (22 mmol) p-Phe-
nylazobenzoesäure (S. 490) und 5g wasserfreiem Natriumcarbonat mit 25ml frisch
über Leinöl destilliertem Thionylchlorid und kocht mit aufgesetztem Kühler und Calcium-
chloridrohr im Ölbad 1 V2 h unter Rückfluß (Abzug). Anschließend destilliert man über
einen absteigenden Kühler so viel wie möglich von dem Thionylchlorid ab und löst den
Rückstand durch Kochen mit 50 ml Ligroin (Kp. 90-10O0C) unter Rückfluß. Die Lösung
wird heiß durch ein Faltenfilter dekantiert und das Auskochen mit je 20 ml Ligroin noch
Herstellungsmethoden für Carbonsäurechloride 305

dreimal wiederholt. Die vereinigten Filtrate werden auf 50 ml eingeengt und auf O 0 C ab-
gekühlt. Das Säurechlorid wird abgesaugt, zweimal mit Petrolether (Kp. 30—6O 0 C) ge-
waschen und in einem Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxid und Paraffinschnitzeln
eine Woche lang getrocknet (Vakuum öfters erneuern). Man erhält 4,8 g (89%) orange-
rote Kristalle vom Schmp. 95 0 C, die zur Darstellung von Azoestern (S. 704) verwendet
werden können.

p- Brombenzoylchlorid
P-BrC 6 H 4 CO 2 H + CICOCOCI -> p-BrC 6 H 4 COCI + CO + HCI + CO2
In einem 100-ml-Kolben gibt man zur Suspension von 2,0g p-Brombenzoesäure in
20 ml Benzol zwei Tropfen Pyridin und 2 ml Oxalylchlorid und erhitzt mit Rückflußkühler
und Calciumchloridrohr im Abzug (Entwicklung von Kohlenoxid und Chlorwasserstoff!)
zum Sieden, bis eine klare Lösung entstanden ist (5 bis 10 min). Anschließend dampft
man vorsichtig im Vakuum ein, trocknet den Rückstand im Hochvakuum, nimmt mit
15ml warmem Petrolether auf und filtriert von ungelösten Anteilen. Beim Eindampfen
des Filtrats erhält man 2,0g (93%) p-Brombenzoesäurechlorid als kristallinen Rück-
stand. Ein reineres Produkt erhält man, wenn man das Filtrat im Tiefkühlschrank zur
Kristallisation aufstellt und das Säurechlorid absaugt: 1,4g (64%) weiße Nadeln vom
Schmp. 4O 0 C.

Säurechloride werden aus den Carbonsäuren oder ihren Salzen und Chloriden
anorganischer Säuren wie PCl3, PCl5, POCl3 oder SOCl2, mitunter auch organi-
scher Säuren wie ClCOCOCl, erhalten. Die Auswahl des Chlorierungsmittels richtet
sich nach der Leichtigkeit, mit der die Carbonsäure reagiert, nach dem Siedepunkts-
unterschied zwischen Chlorierungsmittel und Produkt und nach dem Preis. Wirkt,
wie bei der Essigsäure und ihren Homologen, bereits PCl3 leicht ein, zieht man dieses
dem energischer wirkenden PCl5 vor. Benzoesäure reagiert mit PCl3 weniger leicht,
gut aber mit PCl5, von dem allerdings nur 2 Chloratome ausgenutzt werden. (Nur
bei Einsatz von Salzen der Carbonsäuren reagieren auch die Chloratome des Oxy-
chlorids POCl3). Im Laboratorium verwendet man meistens Thionylchlorid, das
außer dem gewünschten Carbonsäurechlorid nur gasförmige Produkte (HCl, SO2)
bildet. Bei der - im Laboratorium - selteneren Verwendung des sehr giftigen Phos-
gens, COCl2, entstehen in analoger Weise die Gase HCl und CO2, aus Oxalylchlorid
entstehen HCl, CO und CO2.
Der Reaktionsmechanismus läßt sich mit Thionylchlorid am übersichtlichsten
formulieren: Es entsteht primär unter HCl-Abspaltung ein gemischtes Anhydrid, das
leicht SO2 abspaltet.

S=O " HCI > R-C


O Cl

Ähnlich verlaufen die Reaktionen mit den anderen Reagenzien.


306 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Benzyloxycarbonylchlorid
Chlorameisensäure-benzylester

C 6 H 5 CH 2 OH + COCI2 > C 6 H 5 CH 2 OCOCI + HCI

Vorsicht: Alle Arbeiten mit dem giftigen Phosgen müssen in einem gut ziehenden Abzug
bei bereitliegender Gasmaske ausgeführt werden.
Die Apparatur besteht aus einem 500-ml-Rundkolben mit drei nicht zu engen Schliff-
hälsen. Der mittlere ist für einen gut wirksamen Rührer vorgesehen, ein seitlicher für ein
in die Flüssigkeit eintauchendes Thermometer, der andere trägt einen Anschützaufsatz
mit Gaseinleitungsrohr, das bis dicht an die Oberfläche der Flüssigkeit heranreicht. Die
zweite Öffnung des Aufsatzes ist mit einem CaCI 2 -Rohr verschlossen. Die ganze Appara-
tur soll bequem in ein Dewargefäß mit Trichlorethylen-CO2 eingesenkt werden können,
das leicht wieder zu entfernen ist.
Man gibt in den Kolben 108g (1,0mol) frisch destillierten Benzylalkohol, stellt das
Gewicht des transportierbaren Anteils der Apparatur fest (ohne Rührwerk) und taucht
den Kolben in das Kältebad ein. Bei -1O 0 C (nicht tiefer kühlen, da Benzylalkohol bei
-15 0 C erstarrt) leitet man unter kräftigem Rühren Phosgen aus der Stahlflasche ein. Man
reguliert den Zustrom so, daß die Temperatur unter -10 0 C bleibt. Wenn sie anfängt,
rasch abzusinken (nach ca. 2 h), beendet man das Einleiten und kontrolliert durch Wä-
gung, ob etwas mehr als 1 mol Phosgen (98g) aufgenommen sind.
Wenn 105g Mehrgewicht erreicht sind, wird das Kältebad entfernt, das Gasleitungs-
rohr durch einen Stopfen ersetzt (CaCI 2 -Rohr bleibt!) und der Ansatz unter Rühren
langsam auf Raumtemperatur gebracht. Dabei entweichen HCI und überschüssiges
Phosgen. Zu ihrer völligen Entfernung saugt man mit einer Wasserstrahlpumpe unter steti-
gem Rühren sehr langsam 24 h lang im CaCI2-Turm getrocknete Luft durch den Kolben,
indem man den einen Außentubus als Einlaß, den anderen für das Saugstück benutzt.
Schließlich evakuiert man nach Entfernen des Rührers und Verstopfen des Mitteltubus
noch 5 min mit der Wasserstrahlpumpe. Man erhält ca. 150 g (93%) eines nahezu farb-
losen, flüssigen, nicht destillierbaren Chlorids. Es ist im Kühlschrank viele Monate lang
unzersetzt haltbar und wird zur Herstellung von Benzyloxycarbonyl-aminosäuren ver-
wendet.

Beim voranstehenden Präparat bildet sich fast ausschließlich der Monoester des
Dichlorids der Kohlensäure, da die Reaktivität des ersten Chloratoms des Phosgens
erheblich größer ist, als die des Benzyloxycarbonylchlorids.
Die niedrigen Säurechloride sind flüssig (die höheren fest) farblos und stark
Schleimhaut-reizend. Sie lassen sich unter vermindertem Druck unzersetzt destillie-
ren. Ihre Siedepunkte liegen wegen fehlender intermolekularer Wasserstoffbrücken
niedriger als die der entsprechenden Säuren.
Siedepunkte von
CH3COCl: 510C CH3CO2H: 1180C
C 6 H 5 COCl: 1960C C 6 H 5 CO 2 H: 25O0C

Formylchlorid zerfällt schon bei Temperaturen oberhalb -6O 0 C in CO und HCl.


Beständig ist dagegen Formylfluorid.
Reaktionen der Carbonsäurechloride 307

Die Säurechloride sind wirksame Acylierungsmittel. Ihre große Reaktivität gegen-


über allen nucleophilen Verbindungen verdanken sie dem stark elektronen-anziehen-
den Effekt des Chlors, der den elektrophilen Charakter des Carbonyl-Kohlenstoff-
atoms erheblich verstärkt. Da dieser Effekt beim Brom und Jod geringer ist, sind
Säurebromide und -jodide weniger reaktionsfähig. Säurefluoride sind ebenfalls reak-
tionsträger.

x x +x-
R-C + Nu- > R—C-Nu > R—C-Nu
^n
o '
o- o»
Nu = HOR, HNR 2 , HSR usw. oder deren Anionen, X = Cl, Br

Das tetraedrische Addukt aus Nucleophil (Nu") und RCOX zerfällt rasch zum
Acyl-Produkt und dem stabilen (solvatisierten) Halogenidion. Wasser hydrolysiert
die niederen Fettsäurechloride stürmisch bereits in der Kälte; die höheren und
Benzoylchlorid reagieren (auch wegen der verminderten Mischbarkeit) mit Wasser
erst in der Hitze.

Versuch: Hydrolyse von Säurechloriden -


a) Acetylchlorid: Man gieße in einem Reagenzrohr etwa 0,5 ml Acetylchlorid allmäh-
lich zu 2 ml Wasser. Ist das Wasser sehr kalt, kann man kurze Zeit die im Wasser unter-
sinkenden und mit diesem sich mischenden Tropfen des Chlorids beobachten. Schüttelt
man, so tritt eine lebhafte Reaktion unter Erwärmung ein.
b) Benzoylchlorid: Man führe den gleichen Versuch mit Benzoylchlorid aus. Auch bei
längerem Schütteln keine wahrnehmbare Veränderung; man muß einige Zeit kochen, um
die völlige Zersetzung zu erreichen. Nach dem Erkalten kristallisiert Benzoesäure aus. In
gleicher Weise bringe man Benzoylchlorid mit 2N Lauge zusammen.

Alkalihydroxide wirken wegen der größeren Nucleophilie des OH -Ions noch leb-
hafter als Wasser auf Säurechloride ein. Mit Alkoholen und Phenolen reagieren die
Säurechloride unter Bildung von Estern, mit Ammoniak, primären und sekundären
Aminen zu Amiden (S. 314) und mit Thiolen zu Thiolestern. Die relative Leichtig-
keit dieser Reaktionen entspricht der auf S. 168 angeführten Nucleophilitätsreihe.
+ H2O > RCO 2 H -HHCI
+ R'OH > RCO 2 R' H-HCI
+
+ HN(R') 2 > RCON(R') 2 ( + HCI)
Cl
+ R'SH > RCOSR' +HCI

Nach Schotten-Baumann kann man Amine und Hydroxylverbindungen wie Alko-


hole oder Hydroperoxide, in wässeriger Lösung unter Zusatz von Alkalihydroxiden
308 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

oder -carbonaten acylieren. Alkohol reagiert deshalb rascher als die OH~-Ionen,
weil die im Gleichgewicht - wenn auch in kleiner Menge - vorliegenden Alkoxid-ionen
viel nucleophiler sind.

ROH + OH- 4* H2O + RO-

AIs Basen besonders empfehlenswert sind tertiäre Amine im inerten Solvens oder
vor allem wasserfreies Pyridin als basisches Lösungsmittel.
Die Schotten-Baumann-Reaktion dient oft zum qualitativen oder quantitativen
Nachweis alkoholischer oder phenolischer Hydroxylgruppen. Weiterhin wendet man
Säurechloride an, um Alkohole oder Phenole als Ester aus Lösungen abzuscheiden
oder um sie zu charakterisieren. Man bedient sich hierbei oft des Benzoylchlorids
oder seiner Nitroderivate, da diese leicht kristallisieren.

Versuch: Esterbildung —
a) Ethylacetat. Zu 1 ml Ethanol fügt man tropfenweise unter Außenkühlung mit Wasser
das gleiche Volumen Acetylchlorid, versetzt dann, ebenfalls unter Kühlung, mit dem
gleichen Volumen Wasser und macht vorsichtig mit Natronlauge schwach alkalisch. Hat
sich nicht schon hierbei über der wässerigen Flüssigkeit eine leicht bewegliche Schicht
des angenehm riechenden Essigesters abgeschieden, so fügt man noch fein pulverisier-
tes Kochsalz hinzu, bis zur Sättigung, wonach sich Essigester abscheidet.
b) Ester von p-Nitrobenzoesäure: In einem Reagensglas werden 5ml einer 10proz.
wässerigen Lösung eines wasserlöslichen Alkohols mit 1-2 ml 2N Natronlauge alkalisch
gemacht, mit der Lösung von ca. 300 mg (mittlere Spatelspitze) p-Nitrobenzoyl-chlorid
(S. 304) in 1—2 ml Aceton versetzt und sofort kräftig 1 min lang geschüttelt. Schwache,
aber deutlich wahrnehmbare Erwärmung. Nach kurzer Zeit wird der farblose körnig kri-
stalline Niederschlag abgesaugt und mit Wasser gewaschen. Der Schmelzpunkt der rohen
Ester steigt nach dem Umkristallisieren aus Methanol und beträgt dann ( 0 C) beim Me-
thylester: 96, Ethylester: 57, n-Propylester: 35, Isopropylester: 110, n-Butylester: 35,
sek. Butylester: 25, Isobutylester: 68, tert. Butylester: 132 (Umsetzung dauert länger),
Cyclohexylester: 50, Benzylester: 86 und Phenylester: 132 0 C.

Essigsäureanhydrid
CH 3 COCI + CH 3 CO 2 Na > CH 3 COOCOCH 3 + NaCI

Zur Herstellung des Essigsäureanhydrids benützt man die gleiche Apparatur wie beim
Acetylchlorid (S. 303).
Zu 80g (1,00mol) fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat (dessen Herstel-
lung siehe unten) läßt man aus einem Tropftrichter tropfenweise 54 g (0,75 mol) Acetyl-
chlorid fließen. Sobald etwa die Hälfte des Chlorids hinzugefügt ist, unterbricht man die
Reaktion auf kurze Zeit, um mit Hilfe eines am unteren Ende der Länge nach breit ge-
drückten und etwas umgebogenen Glasstabs die breiige Masse durcheinander zu rühren,
und läßt erst dann den Rest so langsam nachfließen, daß kein unverändertes Acetyl-
chlorid abdestilliert. Hierauf destilliert man mit leuchtender Flamme unter fortwährendem
Carbonsäureanhydride 309

Bewegen des Brenners das Anhydrid von dem Salzrückstand ab. Das Destillat wird
schließlich unter Zusatz von 3 g fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat, welches
die letzten Anteile unveränderten Acetylchlorids vollends zu Essigsäureanhydrid umsetzt,
einer fraktionierenden Destillation unterworfen. Siedepunkt des Essigsäureanhydrids
138°C/760 Torr. Ausbeute 55-60 g (=65-72%). Das Präparat ist auf Chlor zu
prüfen, indem man eine Probe mit Wasser kocht und nach Zugabe von verdünnter HNO3
einige Tropfen Silbernitratlösung zufügt. Verwendung für Acetylierungen, Perkin-
Reaktion (S, 371).
In analoger Weise kann Benzoesäureanhydrid (Schmp. 42 0 C) präparativ gewonnen
werden.
Herstellung des wasserfreien Natriumacetats: Das kristallwasserhaltige Salz (3H 2 O)
erhitzt man in einer flachen Schale aus Eisen oder Nickel direkt über dem Brenner,
Nachdem das Kristallwasser verdampft ist, gießt man die Schmelze in eine Porzellan-
schale. Nach dem Erstarren wird das Salz noch warm gepulvert und sofort unter Ver-
schluß gesetzt. Auch das käufliche, wasserfreie Acetat muß vor dem Versuch ge-
schmolzen werden.

Buttersäureanhydrid
C 3 H 7 COCI + HO 2 CC 3 H 7 > C 3 H 7 COOCOC 3 H 7 + HCI

Man stellt sich Butyrylchlorid nach der auf S. 303 angegebenen Vorschrift dar, unterläßt
aber die Destillation; zum 10O 0 C heißen Ansatz läßt man im Verlauf von 15—20min
nochmals 26g (0,30 mol) Buttersäure bei derselben Temperatur zufließen. Nun wird die
Temperatur um 3O 0 C pro Stunde gesteigert, so daß nach 3 h 19O 0 C erreicht sind. Die
HCI-Entwicklung ist jetzt praktisch zu Ende, das Buttersäureanhydrid kann i. Vak. destil-
liert werden. Nach einem geringen Vorlauf geht fast die ganze Menge bei 96—98 0 C /
22 Torr über. Ausbeute 39 g = 83% d. Th.

Auch gemischte Anhydride, solche die zwei verschiedene Säurereste enthalten,


kann man dadurch bereiten, daß man Chlorid und Salz zweier verschiedener Säuren
anwendet. Da sich die gemischten Anhydride besonders der aliphatischen Säuren bei
höherer Temperatur gewöhnlich zu den symmetrischen disproportionieren, arbeitet
man dabei unter Kühlung in einem indifferenten Lösungsmittel wie Chloroform oder
Tetrahydrofuran, in welchem die Carbonsäuren durch Zusatz einer tert. Base wie
Triethylamin als Salze gelöst werden.
Das gemischte Anhydrid aus Essigsäure und Ameisensäure, ein starkes Formylie-
rungsmittel, entsteht schon beim Mischen von Essigsäureanhydrid mit hochprozenti-
ger Ameisensäure.
310 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Bernsteinsäureanhydrid
O
H 2 C^ C ° 2H CH
3-CO H2C-" C \
I + O > \ O + 2CH 3 COOH
2 H C
^CO 2 H CH3-CO 2 \C/

In einem 250-ml-Rundkolben, der mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr versehen


ist, werden 30 g Bernsteinsäure (0,25 mol) mit 50 ml (ca. 0,5 mol) frischem Essigsäure-
anhydrid (Präparat S. 308) auf dem Drahtnetz über kleiner Flamme unter öfterem Schüt-
teln so lange erhitzt, bis alles gelöst ist. Beim Abkühlen (zuletzt im Kühlschrank) kristalli-
siert Bernsteinsäureanhydrid in schönen Nadeln. Man saugt rasch ab, wäscht einige
Male mit kaltem Ether und trocknet im Exsikkator. Ausbeute 22,5g (88% d. Th.) vom
Schmp. 118-1190C.
In analoger Weise lassen sich auch andere schwer flüchtige Anhydride zum Beispiel
Benzoesäureanhydrid (Schmp. 42 0 C) darstellen.

Die Wasserspaltung zwischen 2 Carboxylgruppen durch ein anderes Carbonsäure-


anhydrid verläuft über das gemischte Anhydrid nach

RCOOH + CH3COOCOCH3 <± RCOOCOCH3 + CH3COOH


RCOOCOCH3 + HOOCR *± RCOOCOR + CH3COOH

Der Ablauf der umkehrbaren Reaktionen wird durch einen Überschuß des billigeren
(hier Essigsäure-)Anhydrids in die gewünschte Richtung gelenkt. Anhydride ent-
stehen unter anderem auch aus Carbonsäuren unter der wasserabspaltenden Wirkung
von Carbodiimiden (S. 329), die dabei in Harnstoffderivate übergehen.
Die Anhydride der Fettsäuren sind Flüssigkeiten oder kristallisierte Stoffe. Sie be-
sitzen einen scharfen Geruch, sind in Wasser unlöslich, lösen sich jedoch in indifferen-
ten organischen Lösungsmitteln. Ihr spezifisches Gewicht ist größer als das des
Wassers. Der Siedepunkt liegt höher als der der entsprechenden Säure; Sdp. Essig-
säure 118 0C, Sdp. Essigsäureanhydrid 138 0C; der Schmelzpunkt liegt im allgemeinen
tiefer.
Das chemische Verhalten der Anhydride gegen Wasser, Alkohole, Phenole, Thiole
sowie Amine gleicht vollkommen dem der (als gemischte Anhydride aus Carbon-
säure und Chlorwasserstoff aufzufassenden) Carbonsäurechloride (S. 307), nur rea-
gieren die Anhydride langsamer als die Chloride.

Versuch: Hydrolyse von Anhydriden — Man versetzt 3 ml Wasser mit 0,5 ml Essig-
säureanhydrid. Dieses sinkt zu Boden und löst sich selbst nach längerem Schütteln
nicht. Erwärmt man die Mischung des Anhydrids mit Wasser einige Zeit, so tritt langsam
Lösung ein. Nimmt man statt Wasser verdünnte Lauge, so geht die Auflösung rascher
vor sich. In Alkohol tritt beim kurzen Erwärmen der Geruch des Essigesters auf. Benzoe-
säureanhydrid ist bedeutend reaktionsträger.
Ketene und Lactone 311

Essigsäureanhydrid wird sehr häufig benutzt, um die Acetylgruppe in Alkohole,


Phenole oder Amine einzuführen. Ein Tropfen konzentrierte Schwefelsäure steigert
die Reaktionsgeschwindigkeit.
Die thermische Zersetzung an einem glühenden Platindraht überführt Essigsäure-
anhydrid unter weiterer Wasserabspaltung in Keten.

H3C-CO

H3C-CO

Im Laboratorium wird Keten in einer Radikalreaktion durch thermische Zerset-


zung von Aceton gewonnen.

CH3-CO-CH3 -> H2C=C=O + CH 4

Bequem und mit guter Ausbeute läßt es sich mit der von E. Ott entwickelten
„Ketenlampe" gewinnen. Keten dient ebenfalls als Acetylierungsmittel.
Unter der katalytischen Wirkung von Schwefelsäure geht Keten in das dimere
Diketen über, das die Struktur eines jS-Lactons hat. Solvolytische Ringöffnung führt
zu Derivaten der Acetessigsäure (S. 406). Das einfachste /J-Lacton, j8-Propiolacton,
entsteht aus Keten und Formaldehyd durch Cycloaddition.

H2C-CO H2C-CO CH2


x
I l I l H
\
H2C=C-O H2C-O 2C CO
H
Diketen ß-Propiolacton 2C °
y-Butyrolacton

Als Lactone bezeichnet man cyclische Ester, die durch Reaktion einer Carboxyl-
gruppe mit einer Hydroxylgruppe desselben Moleküls entstehen. Sie bilden sich
leicht - in einer H+-katalysierten Gleichgewichtsreaktion - wenn die alkoholische
Gruppe zum Carboxyl in y-Stellung (5-Ring) oder ^-Stellung (6-Ring) steht. Groß-
ringlactone, zu denen mehrere Aritibiotika gehören, bezeichnet man als Makrolide.
a-Hydroxycarbonsäuren können unter den Bedingungen der Esterbildung unter
gegenseitiger Wasserabspaltung aus 2 Molekülen 6-gliedrige Lactide bilden z.B.
Lactid aus Milchsäure:
312 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Dibenzoylperoxid
+20H
2C 6 H 5 COCI + H 2 O 2 " > C6H5CO-O-O-COC6H5 + 2CI~ + 2H 2 O

Zu 50 ml etwa 10 proz. wässerigem Hydrogenperoxid läßt man unter guter Eiskühlung


und stetem Schütteln, am besten in einer G lasstöpf seif lasche, abwechselnd 4N Natron-
lauge und Benzoylchlorid derart tropfen, daß die Lösung immer schwach alkalisch bleibt.
Nachdem etwa 30 ml Lauge und 15g Benzoylchlorid (0,11 mol) verbraucht sind, ist
das Hydrogenperoxid umgesetzt, Dibenzoylperoxid hat sich flockig abgeschieden, der
Geruch des Chlorids ist nahezu verschwunden. Man saugt ab, wäscht mit Wasser aus
und trocknet. Ausbeute 10—12g (80—95%). Zum Umkristallisieren stellt man ohne Er-
wärmen eine konzentrierte Lösung in Chloroform dar, filtriert diese falls nötig und läßt sie
langsam in das doppelte Volumen Methanol einfließen. Dabei kristallisiert die Substanz
in farblosen Prismen vom Schmp. 106—108 0 C (unter Zersetzung). Eine kleine Probe er-
hitze man im trockenen Reagenzglas rasch über der Flamme. (Vorsicht, Schutzbrille!)
Dibenzoylperoxid muß wie alle organischen Peroxide mit großer Vorsicht gehandhabt
werden.

Das Peroxid der Benzoesäure ist Ausgangssubstanz für die einfachste Synthese von
Epoxiden nach Prileschajew. Es wird nämlich in absoluter etherischer oder besser
benzolischer Lösung durch Natriumethylat in das Natriumsalz der Perbenzoesäure
und in Benzoesäureester gespalten.

C6H5C-O-O-CC6H5 C 2 H 5 ONa > C6H5C _ Q _ ONa + H 5 C 2 OCOC 6 H 5

O O O

Nach Abtrennen des Esters und Ansäuern wird die Perbenzoesäure in Chloroform
aufgenommen. Diese Lösung dient als Reagens für die oben genannte Reaktion mit
Olefinen. Ethylen selbst tritt nicht in Reaktion. In neuerer Zeit hat die in Substanz
stabile, kommerziell erhältliche m-Chlorperbenzoesäure die Perbenzoesäure weit-
gehend verdrängt (S. 496).
Die wenig beständigen Peroxysäuren sind viel weniger acid als die zugehörigen
Carbonsäuren. Die Fähigkeit der Diacylperoxide zur Spaltung in neutrale, radi-
kalische Bruchstücke macht diese Verbindungsklasse zu Initiatoren von "Radial-
Kettenreaktionen. Technisch besonders bedeutend ist die auf S. 208 am Beispiel des
Styrols ausgeführte Olefin-Polymerisation.

Carbonsäureamide
Allgemeines

Acetamid
A
CH 3 COONH 4 > CH 3 CONH 2 + H2O

80g (1,0 mol) Ammoniumacetat und 60 ml Eisessig (1,0 mol) werden auf dem Draht-
netz in einem kleinen Rundkolben mit aufgesetzter Widmer-Kolonne, Thermometer und
Herstellung der Carbonsäureamide 313

absteigendem Kühler 5—6 h lang im gelinden Sieden erhalten. Man achte darauf, daß
die Temperatur von 103 0 C nur wenig überschritten wird; der Eisessig und das bei der
Reaktion gebildete Wasser destillieren langsam ab und werden zur Kontrolle in einem
Meßzylinder aufgefangen. Wenn etwa 80 ml übergegangen sind, wird stärker erhitzt, bis
das Thermometer 14O 0 C anzeigt. Man läßt etwas abkühlen, gießt die noch warme
Schmelze in einen 250-ml-Rundkolben und destilliert fraktionierend im Vakuum. (Vorsicht!
Destillat kann im Kühler erstarren). Die bei 85—90 0 C / 12 Torr übergehende Hauptmenge
wird beim Abkühlen fest. Man saugt auf einer Nutsche scharf ab und trocknet den Rück-
stand auf Ton im nicht evakuierten Exsikkator. Aus dem Filtrat läßt sich ein weiterer Anteil
Acetamid herausdestillieren. Die reine Verbindung siedet bei 223 0 C / 760 Torr. Eine
kleine Probe soll aus Benzol umkristallisiert werden. Schmp. 8O 0 C. Ausbeute 55 g (über
90%). Verwendung des Präparats für Acetonitril (S.324).

Aus niedrigen Carbonsäuren kann man ganz allgemein das Amid herstellen, indem
man ihr Ammoniumsalz trocken destilliert oder zweckmäßiger, indem man es längere
Zeit mit einem Überschuß der Säure auf höhere Temperatur erhitzt und das gebildete
Wasser aus dem Reaktionsgemisch herausdestilliert (siehe oben). Der Überschuß
wirkt der Dissoziation des Salzes in Säure und Base entgegen.

CH 3 COjNH 4 *i CH 3 CO 2 H + NH 3

Amide entstehen auch bei der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure auf
Nitrile mit anschließender, leicht verlaufender Hydrolyse des Addukts (siehe S. 326).
Allgemeiner anwendbar ist die Acylierung von Ammoniak, primären oder sekundä-
ren Aminen mit Säurechloriden (S. 314) oder Säureanhydriden (S. 710). Die dabei
auftretenden Protonen können vom eingesetzten Amin selbst gebunden werden, es
wird dann nur die Hälfte acyliert. Zweckmäßiger arbeitet man jedoch entweder in
Gegenwart wässeriger Lauge oder unter Zusatz eines tert. Amins wie Pyridin, Chino-
Hn, Triethylamin und anderen als Protonen-Akzeptor. Da die Amine bedeutend
nucleophiler sind als die Hydroxyl-ionen, läuft die Amidbildung der alkalischen
Hydrolyse in Wasser den Rang ab. Auch Ester sind der Aminolyse zugänglich. In der
Reihenfolge der Acylierungsfähigkeit von Carbonsäurederivaten stehen sie aber we-
gen des relativ schwachen elektronenanziehenden Effekts der O-Alkylgruppe hinter
den anderen Carbonsäurederivaten zurück. Mit den stark nucleophilen Hydrazinen
reagieren die Ester allerdings genügend rasch zu Säurehydraziden (S. 708). Das noch
stärker nucleophile Hydroxylamin bildet aus allen Säurederivaten mehr oder weniger
leicht die Hydroxamsäuren.

OH
/
R—C' — R-C
/
X
NHOH NOH

Diese sind als kirschrote Fe(III)-Komplexe empfindlich nachzuweisen. Eine Aus-


nahmestellung bei Acylierungsreaktionen nimmt die Ameisensäure ein. N-Formyl-
314 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Verbindungen erhält man schon beim gelinden Erwärmen von primären oder sekun-
dären Aminen mit der hochprozentigen Säure.

Acylierungspotenz von Carbonsäurederivaten


R—C=O Cloride > Anhydride, Azide > Thioester > Phenylester > Alkylester > Amide
X = Cl OCOR N3 SR' OAr OAIk NR2

Versuch: Amidsynthesen -
a) Acetanilid. Zu 1 ml Anilin fügt man tropfenweise Acetylchlorid, wobei unter leb-
haftem Zischen eine heftige Reaktion eintritt, welche aufhört, sobald etwa das gleiche
Volumen des Chlorids hinzugefügt ist. Unter Kühlung und Reiben mit dem Glasstab ver-
setzt man mit dem fünffachen Volumen Wasser, wobei sich ein reichlicher Niederschlag
von Acetanilid abscheidet. Der Niederschlag wird abfiltriert und aus wenig heißem Wasser
umkristallisiert. Schmp. 115 0 C.

b) Benzamid. Zur Herstellung von Benzamid versetzt man 2N wässeriges Ammoniak


unter Schütteln mit einigen Tropfen Benzoylchlorid. Fast momentan scheiden sich farb-
lose Kriställchen flockig ab, die abgesaugt und aus Wasser umkristallisiert werden.
Schmp. 128 0 C.

Die SäureamideR —CONH2 sind mit Ausnahme des flüssigen Formamids kristalli-
sierte Substanzen. Die Anfangsglieder der homologen Reihe sind in Wasser leicht
löslich, auch die höheren Glieder lassen sich aus heißem Wasser Umkristallisieren.
Die Siedepunkte liegen viel höher als die der Säuren.
Der basische Charakter des Amidstickstoffs ist durch die Mesomerie sehr stark
vermindert, starke Säuren übertragen das Proton, und Alkylierungsmittel ihren
organischen Rest, auf den Sauerstoff des mesomeren System, weil das O-substituierte
Amid (A) - im Gegensatz zum N-substituierten (B) ein mesomeriefähiges System dar-
stellt. Harnstoff, das Diamid der Kohlensäure bildet ein schwerlösliches Nitrat (siehe
S. 327).

O OH
<-> R-C ; R-C
NH3
A B
protonierte Säureamide

Charakteristisch für die Säureamide sind ihre Verbindungen mit zweiwertigem


Quecksilber. Sie entstehen bei der Umsetzung der Amide mit Quecksilberoxid, zum
Beispiel
2CH 3 CONH 2 + HgO -> (CH 3 CONH) 2 Hg + H2O
Reaktionen der Carbonsäureamide 315

Versuch: Acetamid-quecksilber — Man löst etwas Acetamid in Wasser, versetzt mit


wenig gelbem Quecksilberoxid und erwärmt. Das Oxid geht hierbei in Lösung, indem
sich die oben formulierte in Wasser leicht lösliche Verbindung bildet.

Die zu Nitrilen führende Wasserentziehung und die Einwirkung von Hypohaloge-


niten auf Säureamide werden in späteren Präparaten behandelt. Durch saure oder
alkalische Hydrolyse wird die Amidgruppe mehr oder weniger leicht unter Rück-
bildung der Säuren abgespalten.

Versuch: Hydrolyse von Acetamid - Im Reagenzglas erhitzt man etwas Acetamid


mit 2N Natronlauge zum Sieden. Es tritt intensiver Ammoniakgeruch auf, die Lösung ent-
hält Natriumacetat. Die Essigsäure weist man nach, indem man mit Schwefelsäure gerade
kongosauer macht, das Reagenzglas durchschüttelt und dann zum Sieden erhitzt (Siede-
stein). Ein über die Mündung gehaltenes Lackmuspapier wird rot (Allgemeiner Nachweis
von flüchtigen Säuren, Geruch).

Benzyloxycarbonyl-D, L-alanin
C 6 H 5 CH 2 OCOCI + H 2 N-CH(CH 3 )CO 2 - -> C 6 H 5 CH 2 OCONH-CH(CH 3 )CO 2 H + Cl~
In einem 250-ml-Dreihalskolben, der mit 2 Tropftrichtern und Rührwerk versehen ist und
sich in einem Eiswasserbad befindet, löst man 8,9g (0,10 mol)D,L-Alanin (S. 354) in
50 ml 1N Natronlauge. Dann läßt man unter gutem Rühren und Kühlen gleichzeitig 17 g
(0,10mol) reines Benzyloxycarbonylchlorid (S. 306) und 50 ml 2N Natronlauge zu-
tropfen. Nach weiteren 1 stündigem Rühren unter Kühlen schüttelt man mit 50 ml Ether
aus (nicht zu heftig schütteln, Emulsionsbildung) trennt ab, verwirft den Ether und setzt
die wässerige Lösung zur Entfernung des gelösten Ethers in einem 1 -I-Kolben unter Was-
serstrahlvakuum, wobei tüchtig umgeschüttelt wird. Ist so die größte Menge des Ethers
entfernt, säuert man mit 45 ml halbkonzentrierter Salzsäure unter Kühlung an. Man läßt
einige Zeit bei O 0 C stehen, saugt den kristallinen Niederschlag ab und wäscht einige
Male mit eiskaltem Wasser. Zum Umkristallisieren wird unter gelindem Erwärmen in
30 ml Aceton gelöst und mit Wasser bis zur eben auftretenden Trübung versetzt. Beim
zu raschen Abkühlen scheidet sich das Benzyloxycarbonyl-alanin oft als Öl ab, kristalli-
siert aber beim Aufbewahren im Kühlschrank. Man saugt ab und trocknet über P 2 O 5 im
Exsikkator. Ausbeute 16-17 g (70-74%) vom Schmp. 115 0 C. Schmelzpunkt der L-Ver-
bindung: 84-860C.

Aminosäuren

Carbonsäuren, die eine Aminogruppe enthalten, werden als Aminosäuren bezeichnet.


Die wichtigsten sind aliphatische a-Aminosäuren, die eine primäre Aminogruppe am
C-Atom benachbart zur Carboxylgruppe besitzen. Alanin (a-Aminopropionsäure) ist,
wie die 19 anderen a-Aminosäuren (als L-Enantiomer, [(5)-Form] siehe S. 359) Bau-
316 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

stein der Eiweißstoffe (Proteine). Außer den cyclischen Iminosäuren Prolin und
Hydroxyprolin und der einfachsten, dem Glycin (Aminoessigsäure) leiten sich alle
vom Alanin ab, indem ein H-Atom seiner Methylgruppe durch aliphatische, aroma-
tische, Sauerstoff-, Stickstoff- oder Schwefel-haltige Gruppen substituiert ist. Die
wäßrige Lösung der meisten a-Aminosäuren reagiert angenähert neutral. Da ihre
Carboxylgruppe ein pKA um 2,5 hat, also bei pH 2,5 schon zu 50% und bei pH 7 zu
100% dissoziiert ist und ihre Aminogruppe (pKB ~ 9,5) bei pH 7,5 zu 99% protoniert
ist, liegen die a-Aminosäuren bei pH 7 als „Zwitterionen" vor. Der „isoelektrische
Punkt", bei dem die Zahl der positiven und negativen Ladungen einer gegebenen,
größeren Menge von Molekülen genau gleich groß ist, liegt bei den neutralen Amino-
säuren um pH 6.

R R R
I
H2N-CH-CO2- < +"" H3N-CH-CO2 —*-» H3N-CH-CO2H
-H 2 U

Zwitterion

Unter den Bedingungen der Veresterung (Alkohol und Chlorwasserstoff) läßt sich
die Carboxylgruppe verestern (Aminosäureester-hydrochloride), nach Zugabe von
Lauge läßt sich das Anion der Aminosäure an seiner NH2-Gruppe acylieren (siehe
obiges Präparat). Durch amidartige Verknüpfung einer a-Aminosäure mit der Amino-
gruppe einer zweiten (Peptid-Bindung) entsteht ein Dipeptid, die Fortsetzung des
Vorgangs führt zu Polypeptiden und Proteinketten.
Die Carboxylgruppe der Aminosäuren verdankt ihre relativ scark saure Natur (siehe
Tabelle 2, S. 294) dem induktiven Effekt des Ammoniumsubstituenten, der in der
a-Stellung am wirksamsten ist. /?-, y- usw. - Aminosäuren haben zunehmend höhere
pKA-Werte.
Der Benzyloxycarbonylrest (Z-Rest) hat als erste „Schutzgruppe" für die Peptid-
chemie große Bedeutung (Bergmann und Zervas). Er läßt sich nach erfolgter Peptid-
synthese ohne Angriff der Peptidbindung abspalten, zum Beispiel durch katalytisch
aktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) oder durch HBr in wasserfreiem Medium
(Solvolyse).
C 6 H 5 CH 2 Br HBr
R Rf
C6H5CH2JO-C-NH-CH-CO-NH-CH-CO-
! H
^^ \ O Z-Peptid
C 6 H 5 CH 3 ^ H 2 /Pt I
R
HOC—N H-CH

1-CO2
R R*
H2N-CH-CO-NH-CH-CO-
Aminosäuren und Peptide 317

Dieser Reaktion, die auf der Eigenschaft des Benzylrests beruht, bereitwillig in den
Carbenium- oder Radikalzustand überzugehen, sind alle Ester (und Ether) des
Benzylalkohols und seiner Derivate zugänglich. Im obigen Fall entsteht durch die
Esterspaltung eine Carbaminsäure, die leicht decarboxyliert.

Peptidsynthese

D,L-Alanylglycin
Formeln siehe weiter unten.
Zur Synthese von Peptiden nach der Mischanhydrid-Methode werden allgemein 2
Lösungen bereitet, wie hier am Beispiel der Reaktionskomponenten Benzyloxycarbonyl-
D,L-alanin ( -0,L-AIa) und Glycin-ethylesterhydrochlorid (GIyOEt-HCI) geschildert
wird.

Lösung I: 2,23g Z-D,L-Ala (10mmol) (S.315) werden, in 5ml trockenem Tetra-


hydrofuran gelöst, mit 1,4OmI (10mmol) Triethylamin neutralisiert und auf -15 0 C ab-
gekühlt. Nach 10 min werden 0,95 ml (10 mmol) Ethoxycarbonylchlorid zupipettiert, das
Reaktionsgemisch bleibt unter gelegentlichem Umschütteln möglichst kurze Zeit bis zur
Vereinigung mit der vorbereiteten Lösung Il im Kältebad.

Lösung II: 1,54g (1,1 mmol) GIy-OEt- HCI (S. 634) werden, in 30 ml Tetrahydro-
furan suspendiert, mit 1,54ml (1,1 mmol) Triethylamin versetzt und einige min umge-
schüttelt. Lösung I und Lösung Il werden im Kühlbad zusammengegeben sogleich dar-
aus entfernt und geschüttelt bis Raumtemperatur erreicht ist. Bei verschlossenem Gefäß
muß der Stopfen wegen der CO2-Entwicklung öfter gelüftet werden. Nun wird im Vak.
verdampft, der meist ölige Rückstand in 100—200 ml Essigester gelöst. Die Lösung wird
3mal mit 1N Salzsäure, 3mal mit 5proz. wäßriger KHCO3-Lösung und 3mal mit Wasser
gewaschen und über MgSO4 getrocknet. Der nach dem Abdampfen im Vak. zunächst
ölige Rückstand erstarrt beim längeren Aufbewahren kristallin. Das Gewicht des Roh-
produkts beträgt 2,37 g (77% d. Th.).
Zur Verseifung wird der Z-Dipeptidester in 20 ml Dioxan + 10ml 1N NaOH gelöst,
1 h bei Raumtemperatur aufbewahrt, danach mit 10OmI Wasser versetzt, mit 1OmI
1N H 2 SO 4 angesäuert und 3mal mit je 10O ml Essigester ausgeschüttelt. Die Lösung wird
nach dem Trocknen über MgSO4 im Vak. verdampft. Es hinterbleiben 2,03g (=94%
d. Th.) sirupöses Z-Dipeptid. Zur hydrogenolytischen Entfernung der Schutzgruppe
wird es in 80 ml Tetrahydrofuran gelöst und die Lösung nach Zusatz von ebensoviel
Wasser und 0,5g 10proz. Pd-Kohle Katalysator in einem engen Gefäß (Standzylinder)
durch langsames Durchleiten von Wasserstoff durch ein mit Fritte versehenes langes Ein-
leitungsrohr hydriert. Der Katalysator soll dabei im Schweben bleiben. Das Gefäß ist mit
einem doppelt durchlochten Stopfen versehen, durch dessen zweite Bohrung ein Ablei-
tungsrohr führt, das — zur Probe auf abgespaltenes CO2 — in ein Reagenzglas mit Barium-
hydroxidlösung eingetaucht werden kann. Wenn kein BaCO3 mehr ausfällt wird vom
Katalysator abfiltriert und die Lösung im Vak. zur Trockne verdampft. Man erhält 1,0g
D,/.-Alanyl-glycin (93% d.Th.). Nach Umkristallisieren aus wenig Wasser unter vor-
sichtigem Zusatz von Aceton schmilzt die Probe bei 236 0 C (unter Zersetzung).
318 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Versuch: Papierchromatographie — Die Ausgangsaminosäuren D,£-Alanin und


Glycin, das Dipeptid D,/.-Alanylglycin und einige andere verfügbare Aminosäuren werden
auf einen geeigneten Filtrierpapierbogen als kleine runde Flecken ihrer ca. 1 proz. wässe-
rigen Lösungen, wie auf S. 96 beschrieben, aufgetragen und nach dem Trocknen der
Flecken in einem Gemisch aus 75Tl. sek. Butanol, 20Tl. Eisessig und 15Tl. Wasser
(Volumina) aufsteigend Chromatographien. Nach einigen Stunden markiert man den
oberen Lösungsmittelrand, läßt den Bogen an der Luft oder im Trockenschrank trocknen
und besprüht ihn mit einer 1 proz. Lösung von Ninhydrin in Methanol. Die violettblauen
Flecken, die die Position (R F -Werte) der Substanzen anzeigen, sind nach einigen Stun-
den ohne zusätzliches Erwärmen sichtbar, sie erscheinen viel rascher, wenn man das
Papierchromatogramm z. B. in einem Trockenschrank erhitzt.
Auch die Dünnschichtchromatographie (S. 91) ist sehr gut zur Analyse von Amino-
säuren und Peptiden geeignet.

Peptide und Proteine

Die Peptidbindung, eine Amidbindung zwischen der Carboxylgruppe einer und der
Aminogruppe einer zweiten L-a-Aminosäure bildet das Grundprinzip für den Bau
einer Vielzahl peptidartiger Wirkstoffe, z. B. Insulin, Hypophysenhormone, und der
größenordnungsmäßig aus 100 und mehr Aminosäuren zusammengesetzten Proteine.
Da die Amidbindung wegen ihrer Mesomerie (S. 314) partiellen Doppelbindungs-
charakter besitzt, besteht prinzipiell die Möglichkeit einer cis/trans-Isomerie. In den
Polypeptidketten herrscht ganz überwiegend die etwas energieärmere trans-Konfi-
guration vor.

trans || |
0 O-
H H
O N - O N +
^/ \ \^ \
eis C <-> C
1 I

H
. /1 H 8 H
, /3
' C N C C
vH v v N/
H v
8 R-' \ &
Teil einer Polypeptidkette (Tripeptid)

Man nennt den durch die Reihenfolge (Sequenz) der a-Aminosäuren gegebenen
Bau die Primär Struktur; aus ihr leitet sich durch intermolekulare Wechselwirkung
Peptide und Proteine 319

von C=O und HN (Wasserstoffbrücken) die Sekundärstruktur (wendelartige Be-


reiche, Helix; Faltblattbereiche) und - durch zusätzliche Wechselwirkungen wie
Disulfidbrücken, lonenbeziehung zwischen —NH 3 und —CO^, „hydrophobe Bin-
dung" zwischen lipophilen Seitenketten verursacht - die Tertiärstruktur ab, die für
die biologischen Funktionen maßgebend ist. Die Tertiärstruktur zahlreicher Pro-
teine ist heute durch Röntgenstrukturanalyse ihrer Kristalle bekannt, nachdem
J. C. Kendrew und M. Perutz 1960 erstmalig diese Technik erfolgreich zur Struktur-
ermittlung der O2-transportierenden Hämoproteine Myoglobin (im Muskel) und
Hämoglobin (im roten Blutkörperchen) angewandt haben.
Die Peptidsynthese ist eine Acylierungsreaktion; die acylierende Aminosäure wird
als carboxyl-aktiviertes Derivat mit der Aminogruppe der zweiten Aminosäure ge-
kuppelt. Da sie mit der Aminogruppe ihresgleichen nicht reagieren darf, muß diese
reversibel geschützt sein. Die Carboxylgruppe der Aminkomponente braucht nicht
unbedingt geschützt zu sein, aus Gründen der Löslichkeit und um denkbare Neben-
reaktionen ganz zu vermeiden, benutzt man aber meistens Aminosäureester.
Als N-Schutzgruppe haben sich neben speziellen Resten der in Präparat S. 315
verwendete Benzyloxycarbonylrest (Z) und der ter/-Butyloxycarbonylrest (Boc
(CH3)3COCO) besonders bewährt. Der erste Rest kann mit den auf S. 316 ge-
schilderten Reagenzien ohne Beschädigung der Peptidbindung abgespalten werden,
der zweite durch Protonen in wasserfreiem Medium als Isobuten +CO 2 .
Zur Aktivierung der Carboxylgruppe der N-geschützten Acylkomponente sind
viele Reaktionen ausgearbeitet worden, die in der Spezialliteratur zu finden sind. Bei
der hier behandelten Peptidsynthese macht man von den gemischten Anhydriden (A)
der Z-Aminosäuren und Ethylkohlensäure Gebrauch, die aus den Triethylammo-
niumsalzen mit Chlorameisensäure-ethylester (Ethoxycarbonylchlorid) bei tiefer Tem-
peratur entstehen und ohne Isolierung mit dem Ethylester der zweiten Aminosäure
umgesetzt werden. Esterverseifung und hydrogenolytische Abspaltung des Z-Rests
führt zum Dipeptid.

ZNHCH(CH 3 )CO 2 - + CICOC2H5 -> ZNHCH(CH 3 )COCOC 2 H 5

8 A ÄS
A + H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -> ZNHCH(CH 3 )CONHCH 2 CO 2 C 2 H 5 + CO2 + C 2 H 5 OH

H2/Pd C OH
H 2 NCH(CH 3 )CONHCH 2 CO 2 H < ' < " I

Weitere Acyl-aktive Derivate (wie A) sind die Azide oder die Ester mit stark sauren
Phenolen (o-Nitrophenol, Halogenphenole, Thiophenol) und viele andere. Auch
Dicyclohexylcarbodiimid kann zur Wasserabspaltung zwischen Carboxyl- und
Aminogruppe verwendet werden.
Bei der Peptidsynthese an fester Phase (Merrifield) erfolgt der schrittweise Aufbau
der Peptidkette beginnend an einer an einem Polystyrolharz benzylester-artig ge-
320 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

bundenen Aminosäure mit Boc-Aminosäuren, die mit Dicyclohexylcarbodiimid an-


geknüpft werden und deren geschützte Aminogruppe vor jeder weiteren Anknüpfung
acidolytisch freigesetzt wird. Dabei bleibt die wachsende Peptidkette an der festen
Phase, alle anderen Produkte der Reaktionen werden durch Auswaschen entfernt.
Zum Schluß spaltet man das Syntheseprodukt durch wasserfreie Acidolyse vom
Trägerharz ab.

-CH2OCOCH (R 1 )NH [COCH(R 2 n


)NH]COCH(R n+ 1 )NHBoc +HBr
>

/~A-CH2Br + HO 2 C-CH(R 1 JNHCO NH3


Peptid

a) Succinimid aus dem Ammoniumsalz der Bernsteinsäure

/CO 2 NH 4 - /C x
"2V -NH3 ^ "2V NH
LJ
JL
f*
—9n n
—£. 112*-'
HoC
*• ^x ^ '
/
2
-CO2-NH4+ &
In einem 250-ml-Rundkolben, der mit einem absteigenden Luftkühler und Thermometer
verbunden wird, löst man 39 g Bernsteinsäure (0,30 mol) durch langsame Zugabe von
50 ml konzentriertem Ammoniak unter Schütteln und Kühlen. Dann werden im Abzug
mit freier Flamme etwa 40 ml Wasser abdestilliert. Beim weiteren Erhitzen beginnt sich
das feste Salz unter Ammoniakentwicklung zu zersetzen, wobei die Temperatur am Ther-
mometer nicht ansteigt. Erst wenn sie, bei stetigem Weitererhitzen, 105 0 C erreicht hat,
wechselt man die Vorlage und fängt das bis 275 0 C übergerhende Destillat auf. Das
Succinimid erhält man in einer neuen Vorlage beim Weitererhitzen, das so lange fortge-
setzt wird, bis sich der restliche Kolbeninhalt unter Dunkelfärbung zu zersetzen beginnt.
Das erstarrte Destillat wird aus wenig eiskaltem Ethanol umkristallisiert. Man erhält 25 g
farblose Tafeln (= 76%) vom Schmp. 119-1220C. Das Präparat wird für /V-Bromsuccini-
mid (S. 197) gebraucht.

Imide sind doppelt acylierte (sekundäre) Derivate des Ammoniaks. Die Einführung
eines zweiten Acylrests in ein Säureamid erfordert normalerweise ein starkes Acylie-
rungsmittel und energische Bedingungen: Diacetimid (CH3CO)2NH wird aus Acet-
amid und Acetylchlorid in der Hitze erhalten. Im Fall des Succinimids führt schon
Erhitzen des Ammoniumsalzes der Bernsteinsäure zum Ziel. Das zunächst ent-
stehende Mono-amid wird intramolekular leicht von der in der Nähe befindlichen
zweiten Carboxylgruppe zum Imid acyliert. Der Fünfring bildet sich wegen der vor-
gegebenen Nähe der Reaktionsstellen besonders leicht.
Succinimid und Hofmann-Abbau 321

O
H 2 C' NH2
-H 2 O NH
H,C OH
X
O

b) Succinimid durch Umamidierung


-COoH
H2C H2C \
HCONH, NH HCO2H H2O
H2C. H2C,
^CO 2 H CO

In einem für die Vakuumdestillation geeigneten 100-ml-Schwertkolben verschließt man


den für die Siedekapillare bestimmten Tubus mit einem Gummistopfen, der zweite Tubus
trägt wie üblich das Thermometer. Man füllt 45,0 g Bernsteinsäure (0,38 mol) und 23,0 g
Formamid (0,51 mol) ein und erhitzt unter Normaldruck 4 h im Ölbad auf 180—19O 0 C
(Abzug). Anschließend gießt man vorsichtig die im Schwert kondensierte Ameisensäure
aus, läßt die Temperatur etwas absinken und destilliert das Succinimid im Wasserstrahl-
vakuum. Das gegen 150—16O 0 C / 1 2 Torr übergehende, kristallin erstarrende Produkt
wird aus 50 ml Ethanol umkristallisiert. Nach Stehen im Kühlschrank wird abgesaugt, mit
wenig eiskaltem Ethanol gewaschen und im Exsikkator über Schwefelsäure getrocknet:
28,5-30,5 g farbloser Tafeln vom Schmp. 119,5-1220C. Aus der eingeengten Mutter-
lauge lassen sich weitere 1,3-2,Og gewinnen, was die Ausbeute auf 79-83% d. Th.
erhöht.

Zwischen einer Säure RCOOH und einem Amid R'CONH2 stellt sich beim Er-
hitzen ein Gleichgewicht ein:
R-COOH + R'CONH 2 *± RCONH 2 + R'COOH

Entfernt man durch Abdestillieren die leichter flüchtige Komponente, hier die aus
Formamid gebildete Ameisensäure, so entsteht praktisch quantitativ das neue Amid.
Das Bernsteinsäurehalbamid schließt aus den oben genannten sterischen Gründen
unter Wasserabspaltung leicht den 5-Ring.

Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen

Hofmann-Abbau des Nicotinsäureamids, 3-Aminopyridin

a IN
CONH2
+ Br2 + ANaOH
"N
,NH2
+ Na 2 CO 3 + 2NaBr + H 2 O

In einem 1-I-Becherglas werden unter Kühlung mit einem Eis-Kochsalz-Bad unter Rüh-
ren 20g Natriumhydroxid in 215ml Wasser gelöst, anschließend rührt man 25,6g
322 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

(8,2 ml, 0,32 mol) Brom ein. Wenn die Temperatur auf O 0 C gestiegen ist, gibt man 16 g
(0,13 mol) fein gestoßenes Nicotinsäureamid unter starkem Rühren auf einmal hinzu und
rührt, bis die Lösung nach etwa 15 min klar geworden ist. Man erwärmt nun noch 45 min
auf 70-75 0C, kühlt wieder ab, sättigt mit ca. 45 g Natriumchlorid und schüttelt sieben mal
mit Methylenchlorid aus. Man trocknet über Natriumsulfat, dampft i. Vak. ein und erhält
ca. 10g gelbrote Kristalle. Diese werden zur Reinigung in 80 ml Benzol und 20 ml Pe-
trolether gelöst und die Lösung 20min mit 1 g Aktivkohle und 0,5g Natriumhydrogen-
sulfit am Rückfluß gekocht. Anschließend dekantiert man heiß durch ein Faltenfilter und
läßt das Produkt im Eisschrank kristallisieren. Beim Absaugen zerfließen die hygroskopi-
schen Kristalle sehr leicht. Deshalb dekantiert man die Mutterlauge besser, wäscht den
Rückstand mit 10 ml Petrolether und trocknet i. Vak., 8 g weiße Kristalle, Ausbeute 65%,
Schmp. 62-64 0C.

Von den Carbonsäureamiden ausgehend, führt eine wichtige Abbaureaktion zu


primären Aminen: Der Hofmann-Abbau der Säureamide mit Natriumhypobromit
(AW. von Hofmann, 1881). In seinem Verlaufe bildet sich zunächst ein AT-Brom-
carbonsäureamid, das in dem basischen Medium zum Isocyanat umgelagert wird.
Dieses addiert sofort Wasser zur Carbaminsäure, die spontan in CO2 und das Amin
zerfällt. Präparativ läßt sich der Hofmann-Abbau besonders schön am oben geschil-
derten Abbau des Nicotinsäureamids zu 3-Aminopyridin demonstrieren. Am klassi-
schen Beispiel des Acetamids ist die Reaktionsfolge so zu formulieren:

Br2 OH H2
CH 3 CONH 2 > CH 3 CONHBr " > CH3N=C=O °>
N- Brom Methyl-
acetamid isocyanat
CH 3 NHCO 2 H ^n > CH3NH2
"COj

Methylcarb- Methylamin
aminsäure

Die Reaktion des N-Bromamids mit Alkali wird häufig als a-Eliminierung zu
einem Acylnitren interpretiert, das dann umlagert:

QH
CHoCONHBr " > (CH 3 -)CO—Nl > CH3N=C=O

Nitrene besitzen wie die C-analogen Carbene nur ein Elektronensextett am Stick-
stoff. Wegen der dadurch gegebenen Labilität ist jedoch wahrscheinlicher, daß Acyl-
nitrene nicht als freie Zwischenprodukte des Hofmann-Abbaus auftreten. Vielmehr
kann die Wanderung des Alkylrestes in dem durch Deprotonierung des N-Bromamids
entstehenden Anion gleichzeitig mit der Ablösung des Bromanions eintreten:

QH
CH3CONHBr " > CH3-C-N-Br > CH3N=C=O
Hofmann- und Curtius-Abbau 323

Der wandernde Rest verbleibt bei seiner Umlagerung im Bereich des Reaktions-
komplexes, denn optisch aktive Gruppen bewahren nach analoger Wanderung ihre
Konfiguration.
AT-Bromsuccinimid bildet mit Alkali 3-Aminopropionsäure (ß-Alanin), der Hof-
mann-Abbau von Phthalimid ergibt Anthranilsäure (formulieren!), der von Harn-
stoff (S. 329) Hydrazin und daraus durch Oxidation molekularen Stickstoff.
Nach einem ganz ähnlichen Mechanismus verläuft der Curtius-Abbau der Carbon-
säureazide (T. Curtius, 1894). Diese werden entweder durch Nitrosierung der Carbon-
säurehydrazide (aus Carbonsäureestern und Hydrazin) oder - weniger glatt - aus
Carbonsäurechloriden oder gemischten Anhydriden mit Natriumazid erhalten:

CO 2 R' _" 2 p* > RCONHNH 2

RCOCI + NaN3

Beim Erhitzen der Carbonsäureazide in inerten Lösungsmitteln bilden sich die


Isocyanate (vgl. S. 327) in isolierbarer Form. Beim Curtius-Abbau werden Acyl-
nitrene nicht durchlaufen, vielmehr erfolgt die Wanderung des Restes R konzertiert
mit dem Austritt von molekularem Stickstoff:

In der Regel wird die Zersetzung der Carbonsäureazide jedoch in Ethanol vorge-
nommen, so daß man durch spontane Addition an die Isocyanate Ethylurethane er-
hält (formulieren!). Wegen der leicht erfolgenden hydrogenolytischen Abspaltung von
Benzylresten (S. 316) wird oft auch Benzylalkohol als Reaktionspartner verwendet:

RCON 3 + C 6 H 5 CH 2 OH —> RNHCOOCH 2 C 6 H 5


-N 2
Benzylurethan

RNHCO 2 CH 2 C 6 H 5 ^^—> RNHCO22 H ^-> RNH


-C 6 H 5 CH 3 ' ^ " -CO 2 '
Carbamin-
säure

Urethane werden allgemein sauer oder alkalisch verseift und geben so ebenfalls
die primären Amine:

RNHCO 2 R' _^.2°H > RNHCO 2 H ,^ > RNH 2

Eine Vereinfachung des Curtius-Abbaus stellt der Schmidt-Abbau dar, bei dem das
Carbonsäureazid in situ aus der Carbonsäure und Natriumazid im zweiphasigen
324 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Gemisch aus Chloroform und konzentrierter Schwefelsäure erzeugt wird (K. F.


Schmidt, 1923):

H 3
RCO 2 H " > RCON 3 — —--> RNH 2
N2 CO 2

Der Schmidt-Abbau kann auch auf Ketone angewandt werden und verläuft dabei
ähnlich der Beckmann-Umlagerung der Oxime (S. 348).
Achtung: Carbonsäureazide sind explosiv, deshalb müssen Curtius- und Schmidt-
Abbau unter Einhaltung angemessener Vorsichtsmaßnahmen (Schutzschild, Schutz-
brille) vorgenommen werden. Beim Schmidt-Abbau bildet sich überdies die flüchtige,
giftige Stickstoffwasserstoffsäure (Abzug!).
Seltener wird der Lossen-Abbau angewandt, bei dem Hydroxamsäuren unter ent-
sprechender Umlagerung zu Isocyanaten dehydratisiert werden:
RCONHOH —-> RNCO

Nitrile

Acetonitril
(
H 3 CCONH 2 _P^} > H3CC=N

In einen 250-ml-Rundkolben füllt man 20g Phosphorpentoxid (0,14 mol) ein, fügt 12g
(20 mmol) trockenes Acetamid hinzu, mischt durch kräftiges Schütteln, verbindet den
Kolben mit einem kurzen absteigenden Kühler und erhitzt dann die Mischung vorsichtig
mit einer nicht zu großen leuchtenden Flamme, wobei unter Schäumen und Aufblähen
Reaktion eintritt. Nach einigen min destilliert man unter stärkerem Erhitzen das Acetonitril
in die Vorlage (Reagenzrohr) über. Das Destillat wird mit seinem halben Volumen Wasser
versetzt, worauf man so viel festes Kaliumcarbonat hinzufügt bis sich dieses in der unte-
ren wässerigen Schicht nicht mehr auflöst. Man trennt dann im Scheidetrichter (mit
kurzem Ansatzrohr) und destilliert das Acetonitril nach Zugabe von wenig Phosphor-
pentoxid ins Fraktionierkölbchen. Sdp. 82 0 C. Ausbeute etwa 6 g (73% d.Th.)-

Bei der hier ausgeführten, allgemein anwendbaren Nitrilsynthese wird aus einem
Säureamid mit dem energisch wirkenden Trockenmittel P 2 O 5 Wasser abgespalten.
Die Reaktion ist im Prinzip umkehrbar (Amide aus Nitrilen). Da man Säureamide
ihrerseits durch Wasserabspaltung aus den Ammoniumsalzen erhält (siehe Präparat
S. 312), können beide Schritte vereint zur direkten Nitrildarstellung aus Carbon-
säuren dienen. Auch die Wasserabspaltung aus trans- (oder E-)Aldoximen führt zu
Nitrilen. Diese Reaktion ist als Abbaureaktion in der Zuckerchemie von Bedeutung
(Wohl, Zemplen).
Herstellung und Reaktionen der Nitrile 325

Eine wichtige Darstellungsmethode für Nitrile ist die nucleophile Substitution von
Halogen- oder anderen anionoiden Gruppen wie Tosyl durch Cyanid (Kolbe-
Synthese). Sie ist auf S. 150 praktisch und theoretisch abgehandelt. Die Synthese der
aromatischen Nitrile aus Diazoniumsalzen nach Sandmeyer wird auf Seite 616 be-
sprochen.
Die Nitrile der niederen Carbonsäuren (bis C13) sind flüssig, die höheren kristalli-
sierte Stoffe, deren Wasserlöslichkeit mit steigender Molekularmasse abnimmt.
Acetonitril hat die hohe Dielektrizitätskonstante 39 (Wasser ca. 80), ist daher ein
gutes aprotisches Lösungsmittel für ionisierende Verbindungen, in dem viele Hetero-
lysen rascher als in weniger polaren Solventien ablaufen.
Die Reaktionsfähigkeit der Nitrile gründet sich auf die Dreifachbindung, die ver-
schiedene Anlagerungsreaktionen am elektrophilen C-Atom ermöglicht. Die hydro-
lytische Spaltung zu Ammoniak und Säure, die durch längeres Erhitzen mit starken
Mineralsäuren oder starken Laugen erfolgt, beginnt mit der Anlagerung von Wasser
bzw. OH" an den Nitrilkohlenstoff und durchläuft die Amidstufe, die sich bei kon-
trollierter Arbeitsweise fassen läßt. Zu Amiden führt auch die Einwirkung von H 2 O 2
in schwach alkalischer Lösung, von Braunstein in siedendem Dichlormethan oder
von HCl-Gas in wasserfreier Ameisensäure (F. Becke). Im letzten Fall liefert die
Ameisensäure durch CO-Abspaltung das zur Hydrolyse (des Imidchlorids) nötige
Wasser. Weitere Reaktionen seien durch die Formelgleichungen angedeutet:

RCN + H22S _ > [R-C ] _ > R-C Thiocarbon-


saureamid

RCN + HCI > R—Cv > R-C Imidsäurechlorid-


hydrochlorid

Imidsäure-ethyl-
esterhydrochlorid
(Iminoester-
OC 2 H 5 oder -ether-
hydrochlorid)

Von präparativer Bedeutung ist das Formimidsäure-ethylester-hydrochlorid, das


beim Einleiten von trockenem HCl in eine Lösung von äquivalenten Mengen wasser-
freier Blausäure und Ethylalkohol in absolutem Ether auskristallisiert. Durch Alkohol
wird das Salz bei Raumtemperatur langsam zu Orthoameisensäure-triethylester und
Ammoniumchlorid gespalten.

NH2CI- OC 2 H 5
HC + 2C 2 H 5 OH > HC-OC2H5 + NH4CI
OC 2 H 5 OC 2 H 5
326 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Diese Synthese des Orthoameisensäureesters ist günstiger als die aus Chloroform
und Natriumethylat. Der Orthoameisensäureester findet zur Acetalisierung von
Carbonylgruppen Verwendung.
Nitrile lassen sich mit Metallen in protonenhaltigen Lösungsmitteln (S. 517) mit
katalytisch erregtem Wasserstoff (S. 547) oder mit Lithiumalanat zu primären Aminen
reduzieren (Präparat S. 536).

Verseifung eines Nitrils zur Carbonsäure, Phenylessigsäure (Phenylacetamid)


C 6 H 5 CH 2 CN + 2H 2 O + H 2 SO 4 > C 6 H 5 CH 2 CO 2 H + (NH 4 )HSO 4
40g (0,33 mol) Benzylcyanid (Phenylacetonitril, Präparat S. 150) werden in 40 ml Eis-
essig gelöst und mit der Mischung aus 40 ml konz. Schwefelsäure und 40 ml Wasser
versetzt. Die Lösung kocht man 45 min am Rückflußkühler, fügt nach Abkühlen im Eis-
bad das doppelte Volumen Wasser zu und saugt nach einiger Zeit die auskristallisierte
Phenylessigsäure ab. Wenn sich eine Probe in Natriumcarbonatlösung nicht klar löst
(Phenylacetamid), wird das ganze Rohprodukt in 200 ml 2 N Natriumcarbonatlösung auf-
genommen, die Lösung vom Amid abfiltriert und aus dem klaren Filtrat die Phenylessig-
säure mit Schwefelsäure langsam wieder ausgefällt. Die Säure kann direkt aus ziemlich
viel heißem Wasser oder/nach dem Trocknen, aus Petrolether umkristallisiert werden. In-
folge ihres niederen Schmelzpunkts (76 0 C) erscheint sie häufig zu Anfang ölig. Zur
Reinigung destilliert man die Phenylessigsäure zweckmäßig aus einem Säbelkolben oder
im Kugelrohr i. Vak., wobei sie nach kurzem Vorlauf bei 140—1440C / 12 Torr übergeht.
Die Ausbeute beträgt 34-38 g (82-92%d. Th,); sie kann durch Ausethern der ersten
schwefelsauren Mutterlauge ein wenig erhöht werden.
Unter milderen Bedingungen (3g Benzylcyanid in 8 ml konzentrierter Schwefelsäure
lösen, nach 6 h in 500 ml Wasser eingießen) führt die Verseifung im wesentlichen nur
bis zum Phenylacetamid (Schmp. 155 0 C).

Korksäure aus dem Dinitril


NCCH 2 (CH 2 ) 4 CH 2 CN > HO 2 CCH 2 (CH 2 ) 4 CH 2 CO 2 H
a) Saure Hydrolyse: 20g Korksäure-dinitril (1,6-Dicyanohexan, S. 151) (0,15 mol)
werden, wie oben für Phenylessigsäure beschrieben, mit einem Gemisch aus je 40 ml
Wasser, Eisessig und konzentrierter Schwefelsäure hydrolysiert. Die entsprechende Auf-
arbeitung liefert beim Ansäuern der alkalischen Lösung 24-25 g farbloser Korksäure
(94-97% d.Th.), die sich im Schmelzpunkt 139-14O0C bereits als recht rein erweist.
b) Alkalische Hydrolyse: Man kocht 20 g Korksäure-dinitril (0,15 mol) mit einer Lö-
sung von 18 g Natriumhydroxid (0,45 mol) in 30 ml Ethanol und 60 ml Wasser auf
dem Ölbad 5 h unter Rückfluß; die Abscheidung des Natrium-suberats kann gegen Ende
Stoßen verursachen. Man verdünnt mit 200 ml Wasser bis zur klaren Lösung und säuert
unter Kühlung im Eisbad vorsichtig mit 10OmI halbkonzentrierter Salzsäure an, wobei
sich die Korksäure kristallin abscheidet. Nach kurzem Stehen wird abgesaugt und mit
Wasser auf der Nutsche gewaschen. Nach dem Trocknen erhält man 23-24 g einer bei
137-1390C schmelzenden Korksäure (90-94% d. Th.).
Hydrolyse der Nitrile und Harnstoff 327

Zur Hydrolyse von Nitrilen mit empfindlichen Substituenten werden zuweilen


Umwege eingeschlagen. So kann man zum Beispiel die leicht verlaufende Addition
von Schwefelwasserstoff zum Thiocarbonsäureamid (S. 325) benutzen und dieses
dann leicht hydrolysieren oder mit Alkohol-HCl das Imidsäure-ethylester-hydro-
chlorid herstellen, das ebenfalls leicht hydrolysierbar ist.
Die Cyanhydrine (a-Hydroxynitrile, S. 360) und a-Aminonitrile (S. 354) lassen sich
nur mit Säure zu den a-Hydroxy- bzw. a-Aminosäuren hydrolysieren, da Alkali eine
Abspaltung von Cyanid bewirkt.
+ -
Über Isonitrile (Isocyanide) R—N=C| sind auf S. 519 einige Ausführungen ge-
macht.

Cyanat-lsocyanat

Harnstoff nach Wöhler


2KNCO + (NHJ2SO4 > 2OC(NH 2 ) 2 + K2SO4

Die Lösung von 41 g Kaliumcyanat (0,50 mol) und 40g Ammoniumsulfat (0,30 mol)
in 500 ml Wasser dampft man auf einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne.
Den Rückstand kocht man in einem Rundkolben erschöpfend mit absolutem Alkohol aus
und engt die filtrierte Lösung ein, bis beim Abkühlen und Impfen Kristallisation eintritt.
Man erhält 12-14 g Harnstoff (40-46%) vom Schmp. 132 0 C. Aus der Mutterlauge
isoliert man nach dem Abdampfen des Alkohols den Rest als Nitrat.
Zu diesem Zweck nimmt man den Abdampfrückstand in soviel Wasser auf, daß etwa
1 g in 5 ml gelöst sind und gibt auf 5 ml Lösung 1 ml konzentrierte Salpetersäure zu. Das
Harnstoffnitrat, das sofort in farblosen Kristallen ausfällt, wird nach wenigen min abge-
saugt und mit wenig eiskaltem Wasser gewaschen.

Mit der Wöhler'schen Harnstoff-Synthese wurde 1828 zum ersten Mal ein Produkt
der Zelltätigkeit von Säugetieren künstlich erhalten. Das Cyanation ist ein meso-
meres, ambidentes Ion, das nucleophil mit seinem Sauerstoff- oder Stickstoffende
reagieren kann. Es bildet mit dem NH^-Ion 2 Säure-Basen-Gleichgewichte, in denen
als Konjugatsäuren entweder Cyansäure oder Isocyansäure vorliegen.
Isocyansäure und Ammoniak reagieren unter Addition an die CN-Doppelbindung
zu Harnstoff.
^ NH3 + HO-C=N
NH; + [N=C-O]- Cyansäure
1
^ NH3 + HN=C=O
Isocyansäure
H-NH2 H2N
+ > C=O
HN=C=O H2N
328 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Die besondere Reaktivität des kumulierten Doppelbindungssystems zeigen auch


die Ester der Isocyansäure, die Isocyanate, die man zum Beispiel aus primären Aminen
und Phosgen oder durch den auf S. 323 behandelten Curtius-Abbau der Carbon-
säuren herstellen kann.

RNH 2 + CI2CO -> RN=C=O + 2HCI

Isocyansäure und ihre Ester reagieren unter Addition mit allen Nucleophilen, zum
Beispiel mit Wasser zu Carbaminsäuren, die leicht CO2 unter Bildung von Ammoniak
bzw. primären Aminen abspalten. Die hydrolytische Zersetzung des Phenylisocyanats
(S. 529) gibt auf diese Weise Anilin, das sich an die Ausgangssubstanz zu Diphenyl-
harnstoff anlagert.
-rn
C6H5N=C=O + H2O -> C 6 H 5 NHCO 2 H -^L-* C 6 H 5 NH 2
Carbaminsäure
C 6 H 5 NH 2 + C6H5N=C=O -> C 6 H 5 NHCONHC 6 H 5

Mit Alkohol entstehen die beständigen Ester der Carbaminsäuren, die Urethane,
mit Aminen substituierte Harnstoffe (siehe oben), mit Hydrazin Semicarbazide (siehe
Präparat S. 330).
Die große Reaktionsfähigkeit von a,o>-Diisocyanaten wird zur Herstellung von
Kunststoffen benutzt; durch Polyaddition von a, CD- Diaminen entstehen Polyharn-
stoffe, von a,c0-Diolen Polyurethane. Ist bei diesen Reaktionen etwas Wasser an-
wesend, bildet sich durch Hydrolyse, wie oben formuliert, CO2, das die in Polyaddi-
tion befindliche, fest werdende Masse zu einem leichten Schaumstoff auftreibt. -
Noch reaktionsfähiger im analogen Sinn als die Isocyanate sind ihre S-Analogen, die
Isothiocyanate (Senföle). Mit Aminen geben sie Thioharnstoffe.
Die Ester der Cyansäure (ROC=N) sind noch nicht lange bekannt. Man er-
hält die aromatischen Cyanate durch Einwirken von Phenolat auf einen Überschuß
von Chlorcyan, die einfachen aliphatischen Cyanate durch eine hier nicht näher zu
beschreibende Thermolyse von Alkoxy-l,2,3,4-thiotriazolen (E. Grigat, 1967).

+ ClCN ^ ff \ Y _ o - C = N + CI

Während die aromatischen Cyanate sogar in der Hitze stabil sind, lagern sich die
aliphatischen leicht in die Isocyanate um.
In ihrer Reaktionsfähigkeit stehen die Cyanate hinter den Isocyanaten zurück.
Auch die schon lange bekannten Thiocyansäureester, RSC=N, (Rhodanide) sind
in der aromatischen Reihe beständig, während sich die Alkylrhodanide leicht in die
Isothiocyanate (Senföle) umlagern lassen.
Auch die im folgenden Versuch angegebene Herstellung von Biuret durch Erhitzen
Reaktionen des Harnstoffs 329

des Harnstoffs beruht auf einer Addition und zwar des Harnstoffs an Isocyansäure,
die ihrerseits durch thermische Spaltung des Harnstoffs in Umkehrung seiner Syn-
these entstanden ist.

A
H 2 NCONH 2 > HN=C=O + NH3
H2NCONH2 + HN=C=O > H 2 NCONHCONH 2
Biuret

Versuche mit Harnstoff


Versuch: Biuret — In einem Reagenzglas erhitzt man eine Probe Harnstoff vorsichtig
über den Schmelzpunkt. Es wird NH3 abgespalten (Geruch); die erstarrte Schmelze
liefert, aus Wasser umkristallisiert, Biuret vom Schmp. 1930C. Versetzt man die wässerige
Lösung von Biuret mit wenig Kupfersulfatlösung und etwas Natronlauge, so tritt eine
schöne violette Färbung auf.
Versuch: Reaktion mit Hypobromit — Eine Lösung von Harnstoff in Wasser wird mit
Natronlauge alkalisch gemacht und mit einem Tropfen Brom versetzt: Stickstoffentwick-
lung als Folge eines Hofmann-Abbairs (S, 321) und Weiteroxidation des Hydrazin-
derivats.
Versuch: Reaktion mit salpetriger Säure - Zu einer mit Salzsäure angesäuerten
Lösung von Harnstoff fügt man wässerige Nitritlösung: Stickstoffentwicklung und CO 2 -
Bildung. Formulieren! Harnstoff wird zur Beseitigung von salpetriger Säure z.B. bei der
Synthese von Ethylnitrat (S. 147) verwendet.
Versuch: Hydrolyse — Eine Probe Harnstoff wird mit etwas Barytwasser [Ba(OH) 2 -
Lösung] im Reagenzglas gekocht. Es fällt langsam Bariumcarbonat aus und Geruch nach
Ammoniak tritt auf.

Harnstoff wird durch Säuren und Laugen nur langsam hydrolysiert, weil sein C-
Atom aus Mesomeriegründen wenig elektrophil ist. Dasselbe gilt für die Urethane.
In Gegenwart des Enzyms Urease wird Harnstoff rasch zu NH4" und Carbonat
hydrolysiert. Düngemittel!
Durch Abspaltung von Wasser (bzw. H2S) entstehen aus N,N-disubstituierten
Harnstoffen (bzw. Thioharnstoffen) Carbodiimide. Die Reaktion kann bei beiden
Körperklassen durch das System Phosphin/Tetrachlorkohlenstoff bewirkt werden
(R. Appel), bei Thioharnstoffen auch durch Schwermetallionen (Pb+ +, Hg+ +). Car-
bodiimide gehen äußerst leicht durch Anlagerung von Wasser in Harnstoffe über und
werden als wasserabspaltende Reagentien zum Beispiel in der Polynucleotid- oder
Peptidsynthese (S. 319) verwendet.

R-NH R— N R-NH
I -H 2 X p + H2O
I
C Y CO
I
X O Il I
R-NH R— N R-NH
X =O
Carbodiimid Harnstoffderivat
330 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Semicarbazid-hydrochlorid

NH2
N2H4 + HOCN > O=C
NH-NH2

O O CH3
Il Il /
H 2 NCNHNH 2 + CH 3 COCH 3 *± H2NCNHN=C

CH3

50g Hydrazinsulfat (0,30 mol) werden in einem 0,5-l-Becherglas in 200 ml siedendem


Wasser mit Natriumcarbonat genau neutralisiert und dabei gelöst. Dann kühlt man auf
50 0C, setzt die Lösung von 35g Kaliumcyanat (0,40 mol) in 10OmI Wasser im Laufe
von 5 min zu und läßt über Nacht bei Zimmertemperatur stehen. Nachdem man vom
auskristallisierten Hydrazodicarbonamid 1 (5—7 g) abfiltriert hat, fügt man 60 ml Aceton
(ca. 0,8 mol) zu, schüttelt kurz durch, saugt von wenig anorganischem Salz rasch ab
und gibt zum Filtrat weitere 10 ml Aceton. Der Ansatz bleibt unter öfterem Umschütteln
24 h stehen, während derer das Acetonsemicarbazon auskristallisiert. Es wird abgesaugt,
mit wenig Eiswasser gewaschen und an der Luft oder im Exsikkator getrocknet. Man er-
hält 30-35 g vom Schmp. 193-195 0 C.
Zur Zerlegung des Semicarbazons wird es pro 10g mit 8 ml konzentrierter Salzsäure
übergössen und unter Rühren und öfterem Eintauchen in ein Wasserbad von 5O 0 C in
Lösung gebracht, die manchmal schwach opalesziert. Man läßt sie im Eisbad erkalten.
Dabei kristallisiert das Semicarbazid-hydrochlorid zu einem dicken Brei, der scharf ab-
gesaugt, mit wenig eiskalter halbkonzentrierter Salzsäure und zweimal mit wenig kaltem
Alkohol gewaschen wird. Diese erste Kristallfraktion wiegt 14—15g und hat den noch
zu tiefen Schmelzpunkt von 136-1380C (unter Zersetzung). Zur Reinigung löst man sie
bei 2O 0 C in 25 ml 2N Salzsäure, gibt 50 ml Alkohol zu und stellt die Lösung ins Eisbad.
Beim Kratzen der Gefäßwand mit einem Glasstab scheiden sich Kristalle ab, die nach 1 h
abgesaugt, mit wenig kaltem Alkohol, dann Ether gewaschen werden. Man erhält ca. 6 g
reines Semicarbazid-hydrochlorid vom Schmp. 172—174 0 C. Aus der Mutterlauge dieser
Kristallisation werden durch Zugabe von 50 ml Ether und Aufbewahren im Eisschrank
weitere 2,5 g mit derselben Reinheit abgeschieden. Weitere 7 g vom Schmp. 173—174 0 C
erhält man schließlich durch Versetzen der salzsauren Mutterlauge der ersten Kristallisa-
tion mit dem doppelten Volumen an Alkohol, Kaltstellen, Absaugen und Waschen wie
oben. Die insgesamt isolierten 14-16 g Semicarbazid-hydrochlorid entsprechen einer
Ausbeute von 44—50%, bezogen auf das Acetonsemicarbazon.

Semicarbazid reduziert als primäres Hydrazid (der Carbaminsäure) Diammin-


Silber-Lösung und Fehling'sche Lösung.

1
Die Verbindung entsteht aus Semicarbazid und Isocyansäure nach
H 2 NCONHNH 2 + HNCO > H 2 NCONHNHCONH 2
Bei zu rascher Zugabe des Cyanats entsteht infolge einer relativ höheren Isocyansäurekonzentration
mehr Nebenprodukt.
Semicarbazone und Kalksalzdestillation 331

Mit Aldehyden, etwas langsamer mit Ketonen, tritt Semicarbazid unter Wasserab-
spaltung zu Semicarbazonen zusammen, die wegen ihrer leichten Spaltbarkeit besser
als die Phenylhydrazone und Oxime zur Abscheidung und Reinigung von Carbonyl-
verbindungen geeignet sind.

Versuch: Benzaldehyd-semicarbazon — Man löst eine Spatelspitze (einige 100 mg)


des dargestellten Hydrochlorids in 2-3 ml Wasser, fügt zum Abpuffern der entstehenden
H ^-Ionen eine Spatelspitze Natriumacetat zu und schüttelt mit einigen Tropfen Benzal-
dehyd. Um homogene Lösung zu erzielen, kann etwas Alkohol zugesetzt werden. Nach
kurzer Zeit kristallisiert das Benzaldehyd-semicarbazon aus. Man saugt ab und kristalli-
siert aus Alkohol um. Schmp. 214 0 C (Zersetzung). Durch gelindes Erwärmen mit kon-
zentrierter Salzsäure wird das Semicarbazon wieder in seine Komponenten zerlegt.

Ketone aus Carbonsäuren

Cyclopentanon aus Adipinsäure


A
[O 2 C(CH 2 J 4 CO 2 ]Ba >
In einem 500-ml-Rundkolben, der mit einem Innenthermometer, das fast bis zum Boden
reicht, und Destillieraufsatz mit absteigendem Kühlrohr ausgestattet ist, erhitzt man eine
innige Mischung von 102g Adipinsäure (0,70 mol) und 10g kristallisiertem Barium-
hydroxid (Ba(OH) 2 -SH 2 O) (30 mmol) im Metall- oder Luftbad langsam bis zum
Schmelzen (150-16O0C) und dann auf 285-29O0C. Man hält bei dieser Temperatur 2 h
wobei Cyclopentanon mit wenig Adipinsäure und Wasser überdestilliert; schließlich ver-
bleibt nur ein trockener schwarzer Rückstand im Kolben. Im Destillat trennt man das
Wasser vom leichteren Keton ab und trocknet dieses mit Kaliumcarbonat, wobei gleich-
zeitig die Adipinsäure entfernt wird. Destillieren über eine Kolonne liefert 30g (=48%
d.Th.) vom Siedepunkt 129-1320C / 760 Torr.

Die Bildung von Ketonen beim Erhitzen der Erdalkalisalze von Carbonsäuren
unter Abspaltung des Erdalkalicarbonats ist eine der ältesten Ketonsynthesen.
O
Il
H3C-C-O H3C
1 Ca > CO + CaCO3
H3C-C-O H3C
Il
O

Während sie bei Monocarbonsäuren nicht immer befriedigende Ausbeuten gibt,


erfreut sie sich zur Darstellung cyclischer Ketone allgemeiner Beliebtheit. Da das
332 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe

Barium-carbonat im obigen Versuch durch überschüssige Adipinsäure unter CO 2 -


Entwicklung und Bildung neuen Barium-adipats zersetzt wird ist es nicht nötig, die
ganze Adipinsäure als Barium-Salz einzusetzen, sondern man kommt mit einer kata-
lytischen Menge an Ba(OH)2 aus.

C 4 H 8 (COOH) 2 + BaCO3 > C 4 H 8 (COO) 2 Ba + CO2 + H2O

Für die Synthese von Ringketonen großer C-Anzahl (C15-C20) wie Muscon oder
Exalton eignen sich nach Ruzicka besser die Thoriumsalze.
Universeller sind die vom Malonester (S. 414) und Acetessigester (S. 413) ausge-
henden Ketonsynthesen. Allgemein werden Ketone bekanntlich durch Oxidation aus
sekundären Alkoholen erhalten. Zur direkten Umwandlung von Carboxylgruppen
in Ketone siehe Kap. EX.

Weiterführende Literatur zu Kapitel V

W.B. Jensen, The Lewis Acid-Base Definition: A Status Report, Chem. Rev. 78, l (1978).
CH. Rochester, Acidity Functions, Academic Press, London, New York 1970.
H. Henecka und E. Ott, Methoden zur Herstellung, Umwandlung und Decarboxylierung von
Carbonsäuren, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 359,
Thieme, Stuttgart 1952.
R. H. De Wolfe, Synthesis of Carboxylic and Carbonic Ortho Esters, Synthesis 1974, 153.
H. Henecka, Carbonsäureester, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 8, S. 503, Thieme, Stuttgart 1952.
H. Henecka und P. Kurtz, Carbonsäureamide, Methoden der organischen Chemie (Houben-
Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 653, Thieme, Stuttgart 1952.
R. A. Boissonnas, Selctively Removable Amino Protective Groups Used in the Synthesis of
Peptides, Adv. Org. Chem. 3, 159 (1963).
W. H. Härtung und R. Simonoff, Hydrogenolysis of Benzyl Groups Attached to Oxygen, Nitro-
gen, or Sulfur, Org. React. 7, 263 (1953).
E. Wünsch, Synthese von Peptiden, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 15/1 und /5/2, Thieme, Stuttgart 1974.
W. Grassmann und E. Wünsch, Synthese von Peptiden, Fortschritte Chemie organischer Natur-
stoffe, Herausg. L. Zechmeister, Bd. 13, S. 444, Springer-Verlag, Wien 1956.
Th. Wieland, Aus der Chemie der Polypeptide, Angew. Chem. 7/, 417 (1959); Th. Wieland, Peptid-
Synthesen, Angew. Chem. 63, l (1951), 66, 507 (1954); Th. Wieland und B. Heinke, Peptid-Syn-
thesen, Angew. Chem. 69, 362 (1957).
N. F. Albertson, Synthesis of Peptides with Mixed Anhydrides, Org. React. 12,157 (1962).
H. Henecka, Ersatz der Carboxylgruppe durch die Aminogruppe, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 497 (1952).
E. S. Wallis und J. F. Lane, The Hofmann Reaction, Org. React. 3, 267 (1947).
F.A.S. Smith, The Curtius Reaction, Org. React. 3, 337 (1947).
H. Wolff, The Schmidt Reaction, Org. React. 3, 307 (1947).
W. Lwowski, Über Nitrene und die Zersetzung von Carbonylaziden, Angew. Chem. 70,922 (1967).
P. Kurtz, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Nitrilen und Isonitrilen, Methoden
der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 247, Thieme, Stuttgart 1952.
Weiterführende Literatur zu Kapitel V 333

E. Grigat und R. Pütter, Synthese und Reaktionen der Carbonsäureester, Neuere Methoden der
präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 6, S. 155, Verlag Chemie, Weinheim
1970; Angew. Chem. 70, 219 (1967).
R. G. Arnold, J. A. Nelson und J. J. Verbanc, Recent Advances in Isocyanate Chemistry, Chem.
Rev. 57,47 (1957).
K. Ziegler, Salzdestillation nach L. Ruzicka, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. 5, S. 755, Thieme, Stuttgart 1952.
Vl. Reaktionen der Carbonyl-
gruppe, I.

Experimente:

Versuch: Hydrogensulfitverbindung
Acetaldehyd-diethylacetal
Acetessigester-ethylenacetal
2-Ethyl-l,3-dithian
Versuch: l - Phenylethyliden -1,1- bis(thioessigsäure)
Versuch: Paraformaldehyd
Versuch: Paraldehyd
Versuch: Metaldehyd
Versuch: Reduktion von Silberionen
Versuch: Fehlingsche Probe
Versuch: Schiffsche Probe
Versuch: Hexamethylentetramin
Versuch: Acetaldehyd und Ammoniak
Versuch: Benzaldehyd und Ammoniak
Isobutyraldehyd-cyclohexylimin
Versuch: Schiffsche Base
!-(N-Morpholino)-l-isobuten
1-(N- Pyrrolidino)-l-cyclohexen, 2-Allylcyclohexanon
2 - Benzoylcyclohexanon
Versuch: Semicarbazon des Ethylmethylketons
Versuch: Phenylhydrazon des Benzaldehyds
Versuch: 2,4-Dinitrophenylhydrazone von Aldehyden und Ketonen
Acetophenonoxim
Acetanilid durch Beckmann-Umlagerung
Cyclohexanonoxim
e-Caprolactam aus Cyclohexanonoxim
Versuch: Polymerisation von e-Caprolactam
Mannich Reaktion. Gramin
Strecker-Synthese. D,L-Alanin
Methylamin durch reduktive Methylierung
a- Pheny lethy lamin
Spaltung des racemischen a-Phenylethylamins mit D-Weinsäure
Mandelsäure
l - Phenyl-2-nitroethylen
336
Aldolverknüpfung unter Basekatalyse. Dibenzalaceton
Aldolverknüpfung unter Säurekatalyse. Benzalacetophenon
Versuch: Acetaldehydharz
Polarisierung der Carbonylgruppe 337

Vl. Reaktionen der Carbonylgruppe, I.

Einige einfache Additionen an die Carbonylgruppe

Das hervorstechende Merkmal der Carbonylgruppe C=O ist die elektrophile


Eigenschaft des Kohlenstoffs. Diese ermöglicht die zahlreichen Umsetzungen der
CarbonylVerbindungen, die durch nucleophile Addition eingeleitet werden, wobei
die Aldehyde in der Regel reaktionsfähiger sind als die Ketone, da der <5( + )-Charak-
ter des Kohlenstoffs in den Ketonen durch den -h I-Effekt zweier Alkylgruppen stär-
ker abgeschwächt wird.
r\ I I I
X : • • • C=O > X—C—O- + H+ > X—C—OH
I I I

Der <5( + )-Charakter der Carbonylgruppe kommt auch in der Lage der typischen
Carbonylfrequenz im IR-Spektrum zum Ausdruck: gesättigte offenkettige Ketone
zeigen die Bande bei 1705 bis 1725 cm"*, also bei geringerer Frequenz als die gesättig-
ten Aldehyde, deren Bande bei 1720 bis 1740 cm~ 1 liegt. Die im vorigen Kapitel be-
handelten Carbonsäureamide besitzen, wenn sie nicht a,/J-ungesättigt sind, Carbonyl-
banden um 1680 cm" l . Dafür wie für ihre geringe Reaktivität an der Carbonylgruppe
ist der mesomere Einfluß des Stickstoffs verantwortlich. Die gesättigten Carbon-
säureester haben Carbonylbanden um 1740Cm"1, in diesem Fall bedeutet die hohe
Frequenz jedoch keine gesteigerte Reaktivität, vielmehr wirkt sich der( — )-I-Effekt der
Alkoxygruppe auf die Carbonylfrequenz aus. Säurechloride besitzen Banden bei
1800cm"1 und Anhydride zwei Carbonylbanden bei 1810 und 1750 cm"1, während
die Carbonylschwingungen von Carbonsäuren, durch deren dimere Struktur be-
dingt, bei 1710cm"1 liegen und verbreitert sind.
Als nucleophile Addenden an Aldehyde und Ketone kommen vor allem in Betracht:
Ammoniak und primäre oder sekundäre Amine, Hydroxylamin und Hydrazine;
Carbanionen wie Cyanid, Acetylide sowie Anionen von Nitrolalkanen, Carbonsäure-
estern oder -anhydriden, von aliphatischen Aldehyden und Ketonen oder von
Organometallverbindungen (siehe Kapitel IX); außerdem organische Verbindungen
mit nucleophilem Kohlenstoff wie z. B. Phenole (siehe S. 374).

N=C', R—C=C T , O2N-Cr, O=C-Cr, —C~ MgX;

Weiterhin lagern sich an: Das Hydrogenslfition, HSO3" (zu „BisulfitVerbindun-


gen"), Alkohole und Mercaptane (zu Acetalen und Mercaptalen), aliphatische Diazo-
verbindungen (siehe S. 630), das Hydridion H", die Elektronen eines unedlen Me-
talls (Reduktion, siehe Kapitel XI, S. 511), Peroxide ROO": und viele andere.
338 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

Die Addition an die C=O-Gruppe verläuft in manchen Fällen spontan, in den


meisten, muß durch Säuren oder Basen katalysiert werden. Protonen oder Lewis-
Säuren (ZnCl2, AlCl3, BF3 u.a.) lagern sich an den Sauerstoff der Carbonylgruppe
an und verstärken dadurch die elektrophilen Eigenschaften des Carbonylkohlen-
stoffs.

H+ + O=C -> HO=C <-> HO-C +

Eine beschleunigende Wirkung von Basen tritt auf, wenn diese durch Protonenent-
zug die nucleophilen Eigenschaften des Addenden steigern oder überhaupt erst her-
vorbringen.
Oe
-> -C=C

Eine wichtige Methode zur quantitativen Abscheidung von Carbonylverbindungen


ist die Fällung mit Hydrogensulfit; da die so gewonnenen kristallinen Hydrogen-
sulfitverbindungen leicht wieder zu zerlegen sind, lassen sich Carbonylverbindungen
auf diese Weise auch reinigen.

Versuch: Hydrogensulfitverbindung eines Aldehyds — Zu einigen ml ca. 40 proz.


Natriumhydrogensulfit-Lösung gibt man unter kräftigem Rühren oder Schütteln einige
Tropfen Benzaldehyd, Nach kurzer Zeit fällt das kristallisierte Na-SaIz der or-Hydroxy-
benzolsulfonsäure C 6 H 5 CH(OH)SO 3 Na aus. Zur Zerlegung siehe Vorschrift auf S. 634.

Die Addition des Hydrogensulfitions an die C=O-Gruppe ist, wie viele solche
Additionsreaktionen, eine Gleichgewichtsreaktion. Beim Erwärmen mit schwachen
Laugen oder mit Säuren wird der Hydrogensulfitrest als Sulfit oder SO2 aus dem
Gleichgewicht entfernt, die Bisulfitverbindung also zerlegt:

OH O
I Il . +QH " > S O 3 - + H 2 O
R-C-SO3 *± R-C + HSO 3 ; HSO3--<
I I \—-JTT-*
+H
H 2 SO 3 -> SO2 + H 2 O
H H

Acetaldehyd - diethylacetal
CH 3 CHO + 2C 2 H 5 OH > CH 3 CH(OC 2 H 5 J 2 + H2O
In einer V 2 -l-Flasche werden 20g wasserfreies Calciumchlorid in 13OmI 95proz.
Ethanol gelöst. Man kühlt die Flasche im Eisbad auf 8 0 C und läßt dann 62 ml frisch de-
stillierten Acetaldehyd (Kp. 20-220C) vorsichtig an der Innenwand der Flasche hinab-
Acetale und Ketale 339

laufen, so daß er eine Schicht auf der Lösung bildet. Nun schließt man die Flasche fest
mit einem Korkstopfen und schüttelt sie kräftig einige min lang durch. Sie wird dann ein
bis zwei Tage bei Raumtemperatur aufbewahrt und gelegentlich geschüttelt. In dieser
Zeit teilt sich der Inhalt der Flasche in zwei Phasen. Die obere Phase wird schließlich ab-
getrennt und dreimal mit je 30 ml Wasser gewaschen. Anschließend trocknet man sie
über Kaliumcarbonat und unterwirft sie einer fraktionierenden Destillation in einer Ap-
paratur mit einer wirksamen, wenigstens 90 cm langen Kolonne. Man sammelt die von
101-103,50C siedende Fraktion, 55—70 g, Ausbeute 42-54% d.Th.

Acetessigester-ethylenacetal
H 2 C-CH 2

°\ /°
CH 3 COCH 2 CO 2 C 2 H 5 HOCH2-CH2OH > \/
H3C CH2-CO2C2H5

In einem mit Rückflußkühler und Wasserabscheider versehenen 250-ml-Kolben werden


30g Acetessigsäure-ethylester, 16,Og Ethylenglykol, eine Spatelspitze p-Toluolsulfon-
säure und etwa 50 ml Benzol bis zum Aufhören der Wasserentwicklung erhitzt. Man
dampft i. Vak, ein und destilliert den Rückstand: Kp 99-101 0 C / 1 7 Torr, Ausbeute 31 g
(77%).

Aus Aldehyden und Alkoholen bilden sich Acetale, dabei verläuft die erste Stufe
zum „Halbacetal" häufig spontan, die zweite bedarf einer milden Säurekatalyse.

OR' + OR'
RCHO + R'OH *± R-CH R'QH/H\ R-CH
H
\ 2° \
OH OR'
Halbacetal Acetal

Die Bildung von Ketalen aus Ketonen und Alkoholen verläuft deutlich schwieri-
ger und wird häufig, wie oben, mit Toluolsulfonsäure als Katalysator in siedendem
Benzol unter Auskreisen des gebildeten Wassers durchgeführt. Auch aus Keton und
Orthoameisensäureester lassen sich Ketale erhalten (formulieren!).

2-Ethyl-1,3-dithian
S-CH2
HSCH 2 CH 2 CH 2 SH + C 2 H 5 CHO > C 2 H 5 CH ^CH2
S-CH2

In einem 1-I-Dreihalskolben löst man 11,6g (14,4ml, 0,2 mol) Propionaldehyd und
21,6g (20 ml, 0,2 mol) 1,3-Propandithiol in 500 ml Chloroform und rührt 1 h. Dann
kühlt man mit Eis auf O 0 C, fügt auf einmal 8 ml Bortrifluorid-etherat zu, rührt noch 1 h
340 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

intensiv und stellt das Gemisch dann für 15 h in den Eisschrank. Anschließend wird auf
ein Gemisch von 200 ml 10proz. Natronlauge und Eis gegossen, die (untere) organische
Phase dreimal mit kalter Natronlauge und mit Wasser gewaschen und über Kaliumcar-
bonat getrocknet. Nach Eindampfen i. Vak. destilliert man bei 94—98 0 C und 16 Torr über
eine kleine Kolonne und erhält 17,4g (65%) Thioacetal.

Versuch: 1 - Phenylethyliden-1,1 -bis(thioessigsäure) -

C6H^ /SCH 2 CO 2 H
C6H5COCH3 + 2HS-CH2-CO2H > C
H 3 C/ ^SCH2CO2H

1 g Acetophenon (S. 434) wird durch kurzes Erwärmen in 2 ml Thioglykolsäure gelöst.


In die abgekühlte Lösung wird blasenweise HCI-Gas eingeleitet. Nach kurzer Zeit er-
wärmt sich der Ansatz, und das Reaktionsprodukt beginnt sich, mitunter in Tröpfchen,
auszuscheiden; bei weiterem Einleiten erstarrt alles zu einem Kristallbrei. Man saugt ab
und wäscht mit möglichst wenig eiskaltem Wasser, bis das Filtrat etwa pH 3—4 zeigt.
Umkristallisieren aus wenig Wasser, in dem das Mercaptal in der Hitze sehr leicht löslich
ist, liefert 1,52g (ca. 50%) weiße Nadeln mit Schmp. 132-1330C.

Die Dithioacetale (Mercaptale, Mercaptole) bilden sich aus Thiolen und Alde-
hyden oder Ketonen unter der katalytischen Wirkung von starken Mineral- oder
Lewis-Säuren. Durch Erhitzen mit wässerigen Säuren werden die Dithioacetale
hydrolytisch in die Ausgangskomponenten zurückgespalten, allerdings viel schwieri-
ger als die ihnen analogen Acetale (S. 338). Gegen Alkalien sind Acetale und Thio-
acetale beständig. Letztere lassen sich mit Raney-Nickel unter Entschwefelung hy-
drogenolytisch spalten. Damit ist neben den Reduktionen nach Kishner-Wolff
(S. 544) und Clemmensen (S. 510) eine weitere Methode zum Ersatz von Carbonyl-
sauerstoff durch Wasserstoff gegeben.
Formaldehyd und Acetaldehyd polymerisieren leicht. In frisch bereiteter wässe-
riger Lösung liegt Formaldehyd fast ausschließlich als Hydrat HO—CH2—OH
(Dihydroxymethylen) vor, das sich unter H2O-Abspaltung in einer durch H + - oder
OH ~ katalysierbaren Gleichgewichtsreaktion zu „ Polyoxymethylenhydraten"
HOCH2-<OCH2)n—OCH2OH kondensiert. Übersteigt die Zahl n etwa 10, fallen
die Kondensationsprodukte als farblose Pulver aus, und es entsteht, wenn man das
Lösungs- und Kondensationswasser abdampft, ein Gemisch von Makromolekülen
mit bis zu 100 C-Atomen, der amorphe Paraformaldehyd. Je nach Polymerisations-
grad lösen sich diese Produkte beim Kochen in Wasser rascher oder langsamer auf,
wobei sie zu kleineren Molekülen abgebaut werden. Beim Erhitzen auf 160-17O0C
zerfällt Paraformaldehyd durch schrittweisen Abbau von den Enden her in gasförmi-
gen Formaldehyd, der auf diese Weise bequem erzeugt werden kann. Beim Erhitzen
von Paraformaldehyd mit kleinen Mengen Schwefelsäure entsteht das bei 640C
Mercaptale und Paraldehyd 341

schmelzende, in organischen Lösungsmitteln und in Wasser lösliche kristallisierte


1,3,5-Trioxan (Trioxymethylen). Wasserfreier Formaldehyd ergibt, in Petrolether,
Benzol oder anderen Verdünnungsmitteln in Gegenwart geeigneter Initiatoren,
hochpolymere Polyoxymethylene vom Molekulargewicht 50000 und höher, die als
Kunststoffe verwendet werden können, wenn durch Blockierung der Endhydroxyle,
etwa durch Acetylierung, die Pyrolysierbarkeit verhindert wird.
H H
H x ^CH3 I I
/C- H,C- C- O - C - CHO3
J

CT ~0 O "O I I
I I H. I I^ O O
H2C. ^CH2 CN ^ V X. I I
^O" H 3 C- "O^ ^CH3 H 3 C- C- O - C - CH3
1,3,5 - Trioxan Paraldehyd
I I
H H
Metaldehyd

Versuch: Paraformaldehyd - 100 ml der auf S. 468 bereiteten wässerigen Formalde-


hydlösung werden mit einigen ml verd. Salzsäure in einer Porzellanschale auf dem
Wasserbad zur Trockne eingedampft. Es bleibt ein weißer amorpher Rückstand („Para-
form") zurück, der sich in keinem der gebräuchlichen Lösungsmittel löst. Eine Probe
wird durch Kochen mit viel Wasser in Lösung gebracht, eine andere in einem Reagenz-
glas über freier Flamme vorsichtig erhitzt. Sie verflüchtigt sich unter teilweiser Subli-
mation und stechendem Formaldehydgeruch.

Beim Aufbewahren von Acetaldehyd trimerisiert sich dieser allmählich zum flüssi-
gen Paraldehyd. Diese Reaktion läßt sich durch Protonen außerordentlich be-
schleunigen.
Wie beim oben erwähnten Trioxan, fallen auch beim Paraldehyd die typischen
Aldehydreaktionen negativ aus.

Versuch: Paraldehyd — In einem nicht zu kleinen Erlenmeyerkolben versetzt man 5 ml


frisch destillierten Acetaldehyd unter Kühlung mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure.
Wenn die heftige Reaktion zu Ende ist, schüttelt man, um die Schwefelsäure zu entfer-
nen, in einem kleinen Tropftrichter den gebildeten Paraldehyd mit Wasser, trennt nach
dem Absitzen die obere Schicht, den in Wasser unlöslichen polymeren Aldehyd ab (bei
zu starker Verdünnung muß man ausethern), trocknet mit wenig CaCI2 und destilliert
aus einem kleinen Fraktionierkolben. Siedepunkt 124 0 C/760 Torr.

In Umkehrung zu seiner Bildung kann der Paraldehyd wieder in Acetaldehyd


zurückverwandelt werden, wenn man nach Zusatz einiger Tropfen konz. Schwefel-
säure auf dem Wasserbad den leicht flüchtigen Gleichgewichtspartner über eine
Kolonne abdestilliert. Nach dieser Methode kann man sich jederzeit frischen Acetal-
dehyd bereiten.
342 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

Man prüfe reinen Paraldehyd auf die Aldehydreaktionen mit ammoniakalischer


Silbernitrat-Lösung, fuchsinschwefliger Säure (siehe unten) oder Natriumhydrogen-
sulfit-Lösung. Sie fallen negativ aus. Unterhalb O 0C tritt die tetramere cyclische Form
des Acetaldehyds auf, der kristallisierte „Metaldehyd", das 2,4,6,8-Tetramethyl-
tetroxocan.

Versuch: Metaldehyd — In einige ml mit dem doppelten Volumen absolutem Ether


verdünnten Acetaldehyd leitet man unter Kühlung mit Eis/Kochsalz einige Blasen HCI-
Gas ein. Nach kurzer Zeit scheidet sich Metaldehyd in Kristallnadeln aus; er wird abge-
saugt und mit Ether gewaschen. Das Filtrat liefert nach gleicher Behandlung weiteren
Metaldehyd.

Metaldehyd, der als „Hartspiritus" Verwendung findet, ist wie Paraldehyd haltbar
und, frisch bereitet, geruchlos. Er zeigt keine Aldehydreaktion; beim Aufbewahren
tritt jedoch deutlich Acetaldehydgeruch auf, als Zeichen dafür, daß sich auch hier
langsam ein Gleichgewicht einstellt. Durch Erhitzen kann Metaldehyd vollständig
depolymerisiert werden.
Von diesen reversiblen Polymerisationen der Aldehyde sind die unter C—C-Ver-
knüpfungen verlaufenden zu unterscheiden. So geht Formaldehyd unter der Wir-
kung von ganz schwachen Alkalien [Ca(OH)2, CaCO3] in Glykolaldehyd, Glycerin-
aldehyd und weiter in ein Gemisch von Hexosen über, aus dem E. Fischer D, L-
Fructose isoliert hat. Die basekatalysierte Polykondensation des Acetaldehyds führt
zu nichtdefinierten Harzen; sie fällt, wie die zu definierten Produkten führende Aldol-
reaktion, unter die Addition CH-acider Verbindungen an die Carbonylgruppe (S. 337).

Versuch: Reduktion von Silberionen - 5 proz. Silbernitrat-Lösung wird tropfenweise


mit 2N Ammoniak versetzt, bis der hellgelbe Niederschlag eben wieder in Lösung ge-
gangen ist. Von der so hergestellten ammoniakalischen Silbernitrat-Lösung werden
einige ml zu einigen Tropfen mit Wasser verdünnter Formaldehyd- oder Acetaldehyd-
Lösung gegossen. Zu einem Teil des Gemisches gibt man einen Tropfen Natronlauge; es
fällt sofort metallisches Silber aus. Die schwach alkalische Probe ohne Zusatz von Na-
tronlauge scheidet erst nach längerer Zeit - rascher beim Erwärmen - Silber aus, das sich
z.T. als Spiegel an der Gefäßwandung niederschlägt.
Versuch: Fehlingsche Probe — Durch Vermischen gleicher Volumina 7proz. Lösung
von CuSO 4 -BH 2 O in Wasser und SOproz. Lösung von Natriumkaliumtartrat in 3—4N
Natronlauge erhält man Fehlingsche Lösung. Einige ml dieses Reagenzes werden mit
mehreren Tropfen Form- oder Acetaldehyd-Lösung versetzt. Nach Erwärmen zum Sieden
scheidet sich gelbes CuOH aus, das sich rasch in rotes, unlösliches Cu2O verwandelt.

Durch diese Metallionen werden Aldehyde zu Carbonsäuren oxidiert. Präparativ


verwertet wird die milde Oxidation von Aldehyden zu Carbonsäuren mit Ag2O, das
aus Silbernitrat und Natronlauge unmittelbar vor der Oxidation bereitet wird.
Reaktionen von Aldehyden 343

Versuch: Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure (Schiffsche Probe) — Man


löst einige Körnchen Fuchsin heiß in Wasser zu einer etwa 0,2proz. Lösung und gibt in
der Kälte nach und nach starke wässerige schweflige Säure zu, bis sich die Mischung
nach einiger Zeit entfärbt hat. Aus dem so gewonnenen Reagens, das sich (gut verschlos-
sen) längere Zeit hält, wird mit Aldehyden eine rote Farbe erzeugt. Man prüfe seine Emp-
findlichkeit an jeweils stärker verdünnten Aldehyd-Lösungen. In Wasser schwer löslichen
Aldehyden, wie Benzaldehyd, setzt man etwas Alkohol zu. Der Alkohol ist vorher für
sich zu prüfen, da er nach längerem Stehen, besonders am Licht, nachweisbare Mengen
von Acetaldehyd enthält. Die vom Formaldehyd erzeugte blaurote Farbe wird durch
konz. Salzsäure mehr blau, während sie bei anderen Aldehyden unter diesen Umständen
fast ganz zurückgeht.

Die Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure erlaubt eine scharfe Unterscheidung


zwischen Aldehyden und Ketonen. Glucose reagiert in verdünnter wässeriger Lösung
negativ. Eine Vorstellung zum Mechanismus der Farbreaktion findet man auf S.583.

Einwirkungen von Aminen auf Carbonylverbindungen


Versuch: Hexamethylentetramin - Einige ml Formalinlösung werden mit demselben
Volumen konz. Ammoniak versetzt und in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad
trocken gedampft. Es bleibt ein kristalliner Rückstand von Hexamethylentetramin (Uro-
tropin) zurück.
Versuch: Acetaldehyd und Ammoniak. 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazin —
10 ml des beim Destillieren von technischem Acetaldehyd unterhalb 25 0 C übergehenden
Anteils werden im kleinen Erlenmeyerkolben in Eis/Kochsalz-Mischung gekühlt und unter
leichtem Schütteln langsam mit 20 ml konz. Ammoniak versetzt. Unter gelegentlichem
Umschütteln läßt man bei Raumtemperatur 2 h stehen und saugt dann die gebildeten
Kristalle ab. Nach dem Trocknen im nicht evakuierten Exsikkator über NaOH hat das
Präparat einen Schmp. von 95-960C.
Die entsprechende Reaktion von Acetaldehyd mit Ammoniak in Ether ist als Reini-
gungsschritt des Aldehyds beim Präparat (S. 478) durchzuführen.
Versuch: Benzaldehyd und Ammoniak, Hydrobenzamid -1 ml reiner Benzaldehyd
gibt beim Schütteln mit 10 ml konz. Ammoniak nach einiger Zeit einen farblosen kristal-
linen Niederschlag, der nach Absaugen und Umkristallisieren aus wasserfreiem Alkohol
bei 10O 0 C schmilzt.

Der erste Schritt bei der Reaktion der Carbonylgruppe mit Ammoniak, primären
oder sekundären Aminen besteht immer in einer Addition des Stickstoffs an den
elektrophilen Kohlenstoff zu einem Addukt, das mit seinem Dehydratisierungs-
produkt im Gleichgewicht steht.

C=O + NH3 <± C +± C=NH + H2O


R R OH R
344 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

Je nach Natur der Reste R und R' setzen sich diese Rrimärprodukte weiter um:
Beim besonders reaktionsfähigen Formaldehyd führt eine Folge von Additions-
und Kondensationsschritten bis zum hochsymmetrisch gebauten Hexamethylen-
tetramin. Sein räumlicher Aufbau tritt in vielen anderen polycyclischen Verbindungen
auf und stellt im Adamantan, dem entsprechenden Kohlenwasserstoff, einen Aus-
schnitt aus dem Diamantgitter dar (C statt NH).
Beim Acetaldehyd entsteht ein Trimeres, der ,Aldehydammoniak", dem die Struk-
tur des 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazins zukommt.
3 Moleküle Benzaldehyd kondensieren sich mit 2 Molekülen Ammoniak zum N9N'-
Dibenzyliden-benzdiyldiamin (Hydrobenzamid).
H
H
\ /N\ ^ N = CH-C 6 H 5
H 3 C-C ^C-CH 3 /
I l C 6 H 5 -CH
HN^ .NH \
N = CH-C 6 H 5
Hydrobenzamid

Urotropin Adamantan

Isobutyraldehyd-cyclohexylimin

CH3
X
CH-CH =
CH37

Zu 20,2g (23ml) Cyclohexylamin tropft man unter Eiskühlung und Rühren 14,4g
(18,2ml) Isobutyraldehyd. Nach 30min vervollständigt man die Wasserabscheidung
durch Zusatz von einigen Körnchen Kaliumhydroxid und trennt das Imin nach einigen
Stunden von der wässerigen Phase im Scheidetrichter. Wenn die Trennung nicht glatt ver-
läuft, kann sie durch Zusatz von Ether erleichtert werden. Man trocknet die organische
Phase über weiterem Kaliumhydroxid, dampft ggf. den Ether i. Vak. ab und destilliert
das Produkt im Wasserstrahlvakuum, Sdp. 82 0 C / 26 Torr, Ausbeute 26,1 g (85%).

Versuch: Schiffsche Base — 1 ml Anilin in 5 ml Ethanol wird mit 1 ml Benzaldehyd


im Reagenzglas einige min zum Sieden erhitzt. Beim Abkühlen kristallisiert gelbes /V-
Benzylidenanilin mit Schmp. 52 0 C. - Beim Erwärmen mit verd. Salzsäure tritt bald der
Geruch von Benzaldehyd auf.

Die Imine (Azomethine, „Schiffsche Basen") entstehen aus allen Carbonylverbin-


dungen mit primären Aminen durch Addition und Wasserabspaltung. Die aliphati-
schen Imine sind unbeständig und schwer rein zu erhalten, die aromatischen dagegen
Imine und Enamine 345

meist gut kristallisierende Verbindungen. Die C=N-Bindung in Konjugation mit den


beiden aromatischen Ringen verleiht ihnen die gelbe Farbe.

Imine lassen sich - zum Beispiel durch katalytisch erregten Wasserstoff - zu se-
kundären Aminen reduzieren. Bei dieser reduktiven Alkylierung von Aminen brau-
chen die Imine nicht isoliert zu werden. Auf dem Umweg über die a-Carbanionen der
aliphatischen Imine lassen sich Aldehyde in a-Stellung alkylieren (Stork, 1963, Wittig,
1963, Kapitel K).

1-(N-Morpholino)-l-isobuten

O
(CH 3 J 2 CH-CHO + f ^] (CH 3 ) 2 C = CH-N O
N
^N^ —/
H

In einem 100-ml-Kolben mit Wasserabscheider und Rückflußkühler werden vorsichtig


21,8g (22ml, 0,25 mol) Morpholin und 18,Og (23ml, 0,25 mol) Isobutyraldehyd ge-
mischt. Man füllt den Wasserabscheider bis zum Überlauf mit Isobutyraldehyd und kocht
3 h unter Rückfluß. Dabei sammeln sich 9 ml Wasser. Anschließend wird i. Vak. destil-
liert, wobei das Enamin bei 56—57 0 C / 11 Torr übergeht, Ausbeute 28,6g (81 %).

1-(N-Pyrrolidino)-1-cyclohexen f 2-Allylcyclohexanon

ON
BrCH 2 -CH = CH2 l /*^^2 CH-CH 2
H

CH 2 -CH=CH 2

In einem 500-ml-Kolben mit Wasserabscheider und Rückflußkühler werden 19,6g


(21 ml, 0,2 mol) Cyclohexanon und 18,Og (21 ml, 0,2 mol) Pyrrolidin in 300 ml Benzol
so lange gekocht, bis sich 3,8 ml Wasser abgeschieden haben (ca. 3 h). Anschließend
dampft man am Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand i. Vak. aus einem
geräumigen Kolben (Schäumen!). Bei 114-120°C/16 Torr gehen 24,0 g (79%) Enamin
über.
346 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

Diese löst man in einem mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter ausgestatteten
500-ml-Dreihalskolben in 200 ml Acetonitril, tropft in 30min 23,1 g (16,5ml) AIIyI-
bromid zu und kocht 13h unter Rückfluß. Anschließend wird der größte Teil des Ace-
tonitrils i. Vak. (am Rotationsverdampfer) abdestilliert. Man nimmt den Rückstand mit
120 ml Wasser auf, erhitzt das Gemisch zur Zerlegung des Iminiumsalzes 20 min im sie-
denden Wasserbad und schüttelt nach dem Abkühlen viermal mit je 50 ml Ether aus. Die
vereinigten Etherphasen werden mit wenig gesättigter Ammoniumsulfatlösung gewa-
schen, über Natriumsulfat getrocknet und am Rotationsverdampfer eingedampft. Nach
einem Vorlauf von unumgesetztem Cyclohexanon geht das Allylcyclohexanon während
der Vakuumdestillation bei 92—95°C/16 Torr über, Ausbeute 9,3g (42%).

2- Benzoylcyclohexanon

C6H5COCi

Man stellt 24,0 g Pyrrolidinocyclohexen wie vorstehend beschrieben dar und löst sie in
einem mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter ausgestatteten 500-ml-Drei-
halskolben in 25OmI CH2CI2 und 15,9g (22ml) Triethylamin. Bei O 0 C werden nun
22,4 g (18,5 ml) Benzoylchlorid in 175 ml Chloroform zugetropft. Man rührt über Nacht
bei Raumtemperatur, versetzt dann mit 70 ml konz. Salzsäure und 175ml Wasser und
kocht zur Hydrolyse des Benzoyl-enamins 5 h bei starkem Rühren unter Rückfluß. Nach
dem Abkühlen wird die Chloroform- Phase abgetrennt, dreimal mit je 100 ml Wasser ge-
waschen, über Natriumsulfat getrocknet und nach Filtration am Rotationsverdampfer
eingedampft. Der Rückstand wird getrocknet und aus Ether/Petrolether umkristallisiert,
Ausbeute 20,7 g (65%) vom Schmp. 92-93 0 C.

Sekundäre Amine lagern sich ebenfalls an Carbonylverbindungen an, doch ist bei
diesen die stablisierende Wasserabspaltung nur zwischen Hydroxygruppe und dem
Wasserstoffatom des a-ständigen C-Atoms möglich. Durch destillative Entfernung
des Wassers erhält man hier Vinylamine („Enamine") eine ebenfalls gegen wässerige
Säure sehr empfindliche Verbindungsklasse. - Enamine sind von großer Bedeutung,
da die Ladungsaufspreizung in dem mesomeren System

- .
C=C- N ~ C-C=N

einen glatten Angriff von Elektrophilen am C-2 ermöglicht (Stork, 1954). Die üb-
licherweise eingesetzten sekundären Amine sind Pyrrolidin, Piperidin und Morpholin.
Als Elektrophile eignen sich besonders Säurechloride und aktivierte Alkylierungs-
Enamine, Semicarbarone und Hydrazone 347

mittel wie Allylhalogenide und a-Halogencarbonsäureester, sowie elektronenarme


Olefine («,/^-ungesättigte Carbonylverbindungen). Einfache Alkylhalogenide ergeben
oft Produktgemische.
Die oben beschriebene Umsetzung des !-(N-Pyrrolidino)-l-cyclohexens mit Allyl-
bromid (Formeln siehe S. 345) führt über das labile Immoniumsalz zum 2-Allylcyclo-
hexanon und gestattet somit die Alkylierung eines Ketons in der a-Stellung. Die oben
erwähnte Alkylierung von Carbanionen entsprechender Imine (siehe S. 446) ergibt
grundsätzlich die gleichen Produkte. Sie ist jedoch aufwendiger, dabei aber viel
drastischer, verläuft aber auch mit normalen Alkylhalogeniden glatt.
Die Acylierung von Enaminen führt zunächst zu den stabilen vinylogen Carbon-
säureamiden, in denen die auf S. 314 besprochene Mesomerie der Amide über die
Doppelbindung hinweg (vinylog) auftritt.

C-C6H5 ^ ^--C6H5

Erst die energische saure Hydrolyse führt zu den 1,3-Dicarbonylverbindungen


weiter (Formeln siehe S. 346). 1,3-Dicarbonylverbindungen werden auch durch Ester-
kondensationen erhalten (S. 401).
Beim Hydrieren gehen die Enamine in terf-Amine über.

Semicarbazone, Hydrazone, Oxime


Versuch: Semicarbazon des Acetons oder Ethylmethylketons - (Die Herstellung
von Acetonsemicarbazon als Zwischenprodukt ist bei dem Präparat S. 330 beschrieben,
die des Benzaldehydsemicarbazons auf S. 331). Man löst einige hundert mg Semicarba-
zidhydrochlorid in 2 ml Wasser, fügt eine Spatelspitze Natriumacetat zu und versetzt mit
0,2 ml Aceton oder Ethylmethylketon. Das nach einigen Stunden auskristallisierte Semi-
carbazon wird abgesaugt, mit wenig Eiswasser gewaschen und trocken gesaugt. Nach
Aufbewahren im Exsikkator hat das Acetonsemicarbazon den Schmp. 185—187 0 C, das
des Butanons den Schmp. 135—136 0 C. - Semicarbazone können durch Aufkochen mit
wässeriger Mineralsäure leicht wieder in die Komponenten gespalten werden.

Versuch: Phenylhydrazon des Benzaldehyds-Zur Lösung von 1 ml Phenylhydrazin


(S. 621) in 10 ml 10proz. Essigsäure gibt man tropfenweise, unterbrochen durch kräfti-
ges Schütteln des verschlossenen Gefäßes 1 ml Benzaldehyd. Die Kristalle werden ab-
gesaugt und aus wasserhaltigem Ethanol umkristallisiert; Schmp. 158 0 C.

Versuch: 2,4-Dinitrophenylhydrazone von Aldehyden und Ketonen — Zur Sus-


pension von 200 mg 2,4-Dinitrophenylhydrazin (S. 279) in 5 ml Methanol gibt man ganz
langsam konz. Schwefelsäure, bis alles gelöst ist. Nach Zusatz von 100-200 mg der Car-
bonylverbindung fällt entweder nach wenigen Minuten das kristallisierte 2,4-Dinitro-
348 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

phenylhydrazon aus, oder wenn das nicht der Fall ist, beim Verdünnen mit dem gleichen
Volumen 2N Schwefelsäure. Man kann auch eine gesättigte Lösung des Reagenzes in
Salzsäure verwenden. Die kristallisierten Derivate bilden sich mit nahezu quantitativer
Ausbeute. Sie werden aus Ethanol umkristallisiert. Schmelzpunkte der Dinitro-phenyl-
hydrazone von: Formaldehyd 166 0 C, Acetaldehyd 1680C, Benzaldehyd 237 0 C, Aceton
1280C, Butanon 115 0 C, Acetophenon 25O 0 C. Sie lassen sich papierchromatographisch
oder dünnschichtchromatographisch trennen und charakterisieren.

RF-Werte von Dinitrophenylhydrazonen einiger Carbonylverbindungen auf Kieselgel mit dem Lauf-
mittel Chloroform, Hexan, Essigsäure-ethylester (100:20:10 Vol.)

Formaldehyd 0,23 Furfural 0,24


Acetaldehyd 0,24 Aceton 0,34
Propionaldehyd 0,39 Butanon 0,48
Benzaldehyd 0,40 Phenylbutanpn 0,46

Hydrazin selbst gibt mit Carbonylverbindungen in zweifacher Kondensation die


sog. Azine, Formaldehyd reagiert unter Vernetzung zu einem hochmolekularen
Produkt. Phenylhydrazin hat sich in der Zuckerchemie als wichtigstes Reagenz be-
währt (Osazone, S. 387). Phenylhydrazone von a-Oxocarbonsäureestern entstehen
durch Kupplung von Acetessigestern oder Malonestern mit Benzoldiazoniumsalz
(S. 603, Japp-Klingemann-Reaktion). Reduktion zu Aminosäuren, Fischer'sche Indol-
synthese (S. 655).

Acetophenonoxim
NOH
H2
C 6 H 5 COCH 3 + H 2 NOH " ° > C6H5C^
CH3
Zur Lösung von 24g (0,20 mol) Acetophenon in 10OmI Ethanol gibt man die Lösung
von 16,8g (0,24 mol) Hydroxylaminhydrochlorid in 30 ml Wasser und die von 15g
Kaliumhydroxid in 20 ml Wasser. Man erwärmt 2 h auf dem Wasserbad, verdünnt mit
200 ml Wasser und bringt nach Abkühlen den pH mit Schwefelsäure auf 3—4. Der dabei
gebildete Niederschlag wird abgesaugt und mit Wasser gewaschen. Man erhält 24-25 g
Oxim (89-93% d. Th.) vom Schmp. 55—57 0 C. Ein bei 59 0 C schmelzendes Präparat
wird durch Umkristallisieren aus Ethanol/Wasser erhalten.

Acetanilid durch Beckmann-Umlagerung. 10g Acetophenonoxim werden in


1 I trockenem Ether gelöst, in die Lösung trägt man bei 1O 0 C nach und nach unter
Rühren 17g Phosphorpentachlorid ein. Nach 3 stdg. Rühren bei Raumtemperatur ver-
setzt man unter Kühlen vorsichtig mit Eiswasser, schüttelt gut durch, trennt die Ether-
schicht ab, wäscht sie 2mal mit Wasser und trocknet mit Na2SO4. Aus der weitgehend
eingeengten Lösung kristallisieren 6,5—7 g (65—70% d. Th.) Acetanilid aus, das nach
Umkristallisieren aus Ether/Petrolether bei 115 0 C schmilzt.
Bildung und Reaktion der Oxime 349

Cyclohexanonoxim

C 6 H 10 O + NH2OH "H2° > C 6 H 10 NOH


In einem 2-l-Rundkolben löst man 85g (1,20 mol) Hydroxylaminhydrochlorid in 200 ml
Wasser. Unter guter mechanischer Rührung und Außenkühlung, damit die Temperatur
nicht über 4O 0 C steigt, gibt man 98g (1,00 mol) Cyclohexanon zu und läßt dann eine
Lösung von 66g (wasserfreiem) Natriumcarbonat in 18OmI Wasser aus einem Tropf-
trichter einfließen. Dabei scheidet sich das Cyclohexanon-oxim kristallin aus.
Da die Beckmann-Umlagerung, die auf S. 350 ausgeführt wird, ein sehr reines Oxim
erfordert, erhitzt man den Kolben im siedenden Wasserbad, bis das Oxim geschmolzen
ist. Nach dem Erkalten durchsticht man mit einem Glasstab die erstarrte Ölschicht, gießt
die wässerige Phase ab und schmilzt das Oxim noch einmal mit 60 ml Wasser unter ge-
legentlichem Umschütteln. Nach Abtrennen des Wassers destilliert man das Oxim aus
einem 300 ml Claisenkolben mit Schwertansatz oder im Kugelrohr. Bei 103-105 0 C/
12 Torr gehen 95-95 g (75-85%) farblose Substanz über, die einen Schmp. von 88 0 C
hat.

Die Oxime sind wichtige Derivate der Carbonylverbindungen. Die Geschwindig-


keit ihrer Bildung aus Aldehyden (rascher) und Ketonen zeigt zwischen pH 5 und 7
ein Minimum. Im Sauren erfolgt Aktivierung des Carbonylkohlenstoffs durch Proto-
nierung des Sauerstoffs, im Alkalischen liegt Hydroxylamin als nucleophile Base vor.
1. Die Oxime dienen als Derivate zur Kristallisation und Charakterisierung von
Aldehyden und Ketonen. Aus den Oximen können diese ziemlich leicht zum Beispiel
durch Behandeln mit einem Überschuß einer zweiten billigen Carbonylverbindung
wie Formaldehyd oder Benzaldehyd und Säure zurückgewonnen werden (Umoxi-
mierung).
2. Sie entstehen aus „aktiven" Methylenverbindungen und salpetriger Säure oder
ihren Derivaten (S. 421) über die tautomeren NitrosoVerbindungen und vermitteln
so den Zugang zu den Carbonylverbindungen.
3. Durch Reduktion mit fast allen denkbaren Mitteln gehen sie in primäre Amine
über.
4. Die Ketoxime erleiden beim Behandeln mit wasserabspaltenden Mitteln die auch
technisch wichtige Beckmann-Umlagerung.
5. Die Oxime kommen in geometrischen Isomeren vor, die oft ineinander umwan-
delbar sind und die man früher als syn- und anti-Formen bezeichnet hat, heute ver-
wendet man besser die Symbole Z und E.
Die syn/an //-Nomenklatur sollte endgültig verlassen werden, nachdem die einfache
Gleichsetzung syn = eis und anti = trans infolge eines Irrtums von Hantzsch starke
Verwirrung gestiftet hat. Das auf S. 348 hergestellte und einzig bekannte Isomere des
Acetophenonoxims, als anti-Form bezeichnet, hat nicht die damals angenommene
Struktur einer tf«//-(gegenüber)-Stellung von Methyl und Hydroxyl, sondern die
/rarts-Konfiguration bezüglich der OH- und Phenylgruppe. Bei den Aldoximen hat
sich die alte Nomenklatur auf die gegenseitige Stellung von Hydroxyl und Wasser-
350 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

stoffatom bezogen, so daß man das hochschmelzende Oxim des Benzaldehyds als
anti-Oxim bezeichnet hat. Man bedient sich auch der cis/trans Notation, wobei die
Stellung der OH-Gruppe gegenüber dem Rest mit höherer Priorität (S. 359) am C-
Atom maßgeblich ist. Die E/Z-Nomenklatur ist ohne besondere Voraussetzungen
eindeutig.

C
6H5v xCH3 CH
3, yC2H5 C
6H5v ,H C
6H5v xH

C C C HCIin C
Il Il Il —HCI m
Ether
> Il
N N N N
OH HO OH HO
(E-) oder trans- (E-) oder trans- (E-) oder Irans- (Z-) oder cis-
Acetophenon- Butanonoxim Benzaldoxim Benzaldoxim
oxim (Schmp. 36°) (Schmp. 132°)
früher: syn- oder a- anti- oder ß-

Mit Acetanhydrid geben (E-) oder /raAW-Aldoxime O-Acetylderivate, während aus


den (Z-) oder m-Formen durch ß-Eliminierung Nitrile entstehen. AT-Alkyl- (oder
Aryl-)Derivate der Oxime heißen Nitrone. Sie sind, wie schon auf S. 242 erwähnt,
aus Carbonylverbindungen und AT-substituiertem Hydroxylamin oder (bei R3 =
Alkyl) durch Umsetzung von Oximen mit Alkylierungsmitteln zugänglich. Nitrone
zeigen geometrische Isomerie, ebenso wie auch die Hydrazone.

R1
\C = N /°
R2/

c-Caprolactam aus Cyclohexanonoxim.


In einen 250-ml-Erlenmeyerkolben gibt man 55 ml reine konz. Schwefelsäure und trägt
portionsweise unter Kühlung und gelindem Schütteln 57 g Cyclohexanonoxim ein, wo-
bei die Temperatur nicht über 2O 0 C steigen soll.
Inzwischen hat man in einem 250-ml-Weithals-Rundkolben, mit Thermometer und
Rührer versehen, 30 ml reine konz. Schwefelsäure im Ölbad auf 12O 0 C vorgeheizt. Jetzt
dreht man den Brenner unter dem Heizbad ab und läßt aus einem Tropftrichter die klare
Lösung des Oxims unter gutem Rühren zufließen. Das Tempo des Zutropfens muß so
bemessen werden, daß die bei der Umlagerung frei werdende Reaktionswärme gerade
die Aufrechterhaltung einer Innentemperatur von 118—122 0 C ermöglicht. Die Einhal-
tung dieser Temperatur ist entscheidend für den Erfolg der Operation1. Nach der etwa
eine Stunde erfordernden Zugabe des Oxims heizt man noch 10min auf 125 0 C, läßt
erkalten und gießt auf 200 g zerstoßenes Eis. Unter energischer Kühlung mit Kälte-

1
Fällt die Temperatur unter 1150C, ist sofort das Zufließen des Oxims zu unterbrechen, bis durch Öl-
badheizung wieder 12O0C erreicht ist; bei Ansammlung größerer Mengen des Oxims wird nach dem
Aufheizen die Reaktion zu heftig.
e-Caprolactam durch Beckmann-Umlagerung 351

mischung neutralisiert man die wässerige Lösung mit konz. wässerigem Ammoniak, bis
Phenolphthaleinpapier eben gerötet wird. Die Temperatur darf dabei 2O 0 C nicht über-
steigen. Im Scheidetrichter entzieht man der wässerigen Lösung das Caprolactam durch
dreimaliges Ausziehen mit je 100 ml Chloroform. Die Auszüge werden gewaschen und
mit Calciumchlorid getrocknet. Nach dem Abdestillieren des Chloroforms auf dem Was-
serbad gießt man heiß in einen Claisen-Schwertkolben um und destilliert im Vakuum.
Bei 140 0 C / 1 2 Torr gehen 46-50 g farbloses, kristallin erstarrendes Caprolactam über,
(80-88% d.Th.), Schmelzpunkt 66—68 0 C.

Bei der durch Säuren aller Art (Mineralsäuren, PCl5, Tosylchlorid u.a.) ausge-
lösten Beckmann-Umlagerung der Ketoxime geht mit der Abspaltung der Hydroxyl-
gruppe zur Erhaltung des Elektronenoktetts am Stickstoff eine Wanderung desjeni-
gen Kohlenstoffrests einher, der zur OH-Gruppe trans-ständig ist. Die am Kohlen-
stoff entstehende Elektronenlücke, durch die Nitriliumgrenzform gemildert, wird
durch Anlagerung von H 2 O geschlossen. Aus dem E- oder /raws-Acetophenonoxim
entsteht auf diese Weise Acetanilid (und nicht Benzoesäuremethylamid), das cyclische
Cyclonexanonoxim gibt den 7-gliedrigen Ring des e-Caprolactams.

Die Beckmann-Reaktion zeigt wegen des (virtuellen) Elektronensextetts am Stick-


stoff enge Analogie zu den auf S. 322 besprochenen Reaktionen von Hofmann,
Curtius, Lossen und K. F. Schmidt bei den Carbonsäuren. Die Anwendung der letzten
(Stickstoffwasserstoff und starke Schwefelsäure) auf Carbonylverbindungen führt
ebenfalls zu Säureamiden. Im Überschuß vorhandener Stickstoffwasserstoff kann
sich in Konkurrenz zu Wasser in einer 1,3-dipolaren Cycloaddition an das ungesät-
tigte Zwischen-ion anlagern; aus Cyclohexanon entsteht dann 1,5-Pentamethyl-
entetrazol (Cardiazol).
352 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I
H
IN
-2H*

e-Caprolactam ist ein wichtiges Ausgangsmaterial für das Polyamid „Perlon"


(Polyamid 6). Beim Erhitzen mit katalytischen Mengen von Säure wie auch Base geht
es unter fortlaufender Umamidierung in hochmolekulares e-Aminocapronsäure-
amid über. Das Polymere „Nylon" (Polyamid 6.6) erhält man durch Erhitzen des
Salzes aus Hexamethylendiamin und Adipinsäure.

O
Il
,CJ Perlon (Polyamide)

•|yjx> Nylon (Polyamid 6.6)


H

Beide zeigen wegen der zahlreichen „Peptid"-Bindungen große Ähnlichkeit mit


dem natürlichen Polypeptid Seide, sind jedoch reißfester und stärker wasserab-
stoßend.

Versuch: Polymerisation von c-Caprolactam — Etwa 5 g reines c-Capro/actam wer-


den in einem normalen Reagenzglas (160:16 mm) unter Zusatz von einem Tropfen konz.
Salzsäure im Wasserbad geschmolzen. Nach dem Erstarren zieht man das Reagenzglas
in der Gebläseflamme kapillar aus, und zwar so, daß der Leerraum über der Substanz
möglichst gering ist. Nach Aufsetzen eines Gummistopfens mit Glasrohr evakuiert man
an der Wasserstrahlpumpe auf 12 Torr und schmilzt die Kapillare unter Vakuum ab. Dre
Polymerisation erfolgt beim sechsstündigen Erhitzen im Ölbad auf 25O0C, wobei man
das Reaktionsgefäß zweckmäßig mit einer Klammer unter der Badoberfläche fixiert. Nach
dem Abkühlen und Zerschlagen des Gefäßes erhält man eine spröde elfenbeinfarbene
Masse, die sich in der Wärme aus der Schmelze mit Hilfe eines Glasstabs zu feinen Fäden
ausziehen läßt.
Mannich-Reaktion 353

Mannich-Reaktion
Gramin

CH2O + (CH3J2NH

14ml Eisessig, 8g ca. 40proz. Formalinlösung und 9g wässerige, 50proz. Dimethylamin-


lösung (0,1 mol) werden unter Eiskühlung vermischt. Die kalte Mischung wird auf ein-
mal unter Rühren zu 11,7 g Indol (0,1 mol) gegeben, die sich in einem 250-ml-Becher-
glas befinden. Unter Erwärmung entsteht eine gelbe klare Lösung. Nach 4 h macht man
mit 2N Natronlauge alkalisch, wobei alles zu einem dicken Kristallbrei erstarrt. Man saugt
ab und wäscht mit Wasser alkalifrei. Nach dem Trocknen im Exsikkator über NaOH er-
hält man 17g farblose Kristalle vom Schmp. 132 0 C (über 95% d. Th.). Man kann aus
Aceton Umkristallisieren, wodurch der Schmp. auf 134 0 C ansteigt.

Als Mannich-Reaktion bezeichnet man die meist durch Protonen katalysierte


Kondensation eines sekundären Amins (seltener primäres Amin oder NH 3 ) mit Form-
aldehyd und Verbindungen mit potentiell anionoidem Kohlenstoff. Als Nucleophile
reagieren hier außer den enolisierbaren, aliphatischen Verbindungen mit beweg-
lichem Wasserstoff (incl. Alkinen) auch aromatische Ringe, die durch Elektronen-
abgebende Substituenten negativiert sind, also o- und /?-Stellungen in Phenolen oder
die /f-Stellung des Indols.
Beispiele:

C 6 H 5 COCH 3 + CH 2 O + HN(CH 3 J 2 > C 6 H 5 COCH 2 CH 2 N(CH 3 ) 2

oder
,OH ^
+ CH2O + H N } -

Beim oben ausgeführten Beispiel kann als Zwischenprodukt ein Indolenin formu-
liert werden.

Es ist sicher, daß die Reaktion in zwei Stufen abläuft. Zuerst bildet der Aldehyd mit
dem Amin ein Carbinolamin (A), dessen OH durch die Säure zu einem durch Meso-
merie stabilisierten Dialkylmethylenammoniumkation (B) abgespalten wird, an das
sich die nucleophile C-Komponente anlagert.
354 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

(R) 2 N-CH 2 OH -QH"> (R)2N=CH2 < > (R)2N-CH2


A B

—C: + CH2-N(R)2 > -C-CH2-N(R)2

A vollzieht am Kohlenstoff eine Aminomethylierung.


Dimethyl-methylenimmoniumchlorid bzw. -iodid, die einfachsten Beispiele für die
Zwischenstufe B lassen sich präparativ rein herstellen und sind auch kommerziell er-
hältlich. Ersteres kann mit Vorteil direkt in die Mannich-Reaktion eingesetzt werden
(L-F. Tietze 1976).
Außer dem weitaus am meisten gebrauchten Formaldehyd können auch andere
Aldehyde bei der Mannich-Reaktion verwendet werden.
Die „Mannich-Basen", die hier entstehen, ähneln in ihrer C—N-Bindung in ge-
wisser Weise den Alkylhalogeniden, besonders wenn sie quartären Stickstoff ent-
halten.
R-CH2-^HaI; R-CH2^2NR3

Sie können deshalb als Alkylierungsmittel dienen, wie beim Präparat Tryptophan
auf S. 422 präparativ gezeigt ist.

Strecker-Synthese

D,L-Alanin
CH3CHO + HCN + NH3 —> CH 3 CH(NH 2 )CN —> CH 3 CH(NH 2 )CO 2 H
13,2 g (300 mmol) frisch destillierter Acetaldehyd werden im Abzug in 100 ml Ether ge-
löst und in einer Druckflasche (verschraubbare Druckflasche genügt) über eine kalt ge-
sättigte Lösung von 18g (355 mmol) Ammoniumchlorid geschichtet. Dazu läßt man
unter Umschütteln und Eiskühlung aus einem Tropftrichter langsam eine Lösung von
20,0 g (400 mmol) Natriumcyanid in 30 ml Wasser tropfen. Die verschlossene Flasche
wird bei Raumtemperatur 3 h auf der Maschine geschüttelt, der Inhalt in einen 500 ml
Schliffkolben überführt und unter Eiskühlung nach und nach mit 100 ml konz. Salzsäure
(freie Blausäure!) versetzt. Nach dem Aufsetzen einer Destillationsbrücke zieht man den
Ether ab, beläßt noch 1 h auf dem siedenden Wasserbad und dampft schließlich die braun
gewordene Lösung im Vakuum zur Trockne ab. Durch einen mit konz. Ammoniak be-
feuchteten Glasstab überzeuge man sich davon, daß der Rückstand HCI-frei ist. Um eine
stärkere Verfärbung der Reaktionslösung zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Versuch
bis hierher zügig durchzuführen.
Den trockenen Rückstand kocht man 3mal mit 75 ml absolutem Alkohol unter Rück-
fluß auf, saugt jeweils ab und versetzt die vereinigten Filtrate mit etwa 20 ml Ether bis
zu beginnender Trübung. Nach Aufbewahren über Nacht im Kühlschrank wird von an-
organischen Salzen abgesaugt. Dann engt man die Lösung im Vakuum zur Trockne ein.
Strecker-Synthese 355

Den braunen Rückstand von Alaninhydrochlorid nimmt man mit 300 ml destilliertem
Wasser auf, schüttelt 10min mit 1-2 g Aktivkohle und saugt ab. Das hellgelbe Filtrat
wird sodann, wie unten beschrieben, mit einem Anionenaustauscher in freies Alanin über-
geführt. Die nun chloridfreie Lösung wird im Wasserstrahlvakuum zur Trockne einge-
dampft. Den Rückstand digeriert man mit 25 ml siedendem absolutem Ethanol, stellt
1-2 h in den Kühlschrank und saugt ab: 7,5-10 g fast farbloses Alanin (28-35% d. Th.)
mit Schmp. 264—267 0 C (Zers.)- Sind die Kristalle noch gelblich gefärbt, so löst man in
wenig 70proz. Alkohol und läßt unter kräftigem Rühren in 300 ml Aceton einfließen.
Ionenaustauscher: 80—10Og körniger Lewatit (MIH) (oder ein gleichwertiges Aus-
tauscherharz mittlerer Basizität, etwa DOWEX 1 oder 2 bzw. AMBERLIT IRA 400—410,
siehe S. 84) läßt man mehrere Stunden in 300 ml 2N Natronlauge quellen. In eine Aus-
tauschersäule (Glasrohr mit 2,5 cm Durchmesser und 1 m Länge) gibt man unten etwas
Glaswolle und füllt zu etwa 3/4 der Länge mit dem Austauscherharz. Damit keine Luft-
blasen eingeschlossen werden, füllt man das Rohr erst mit Wasser und schüttelt dann den
Austauscher hinein, der sich langsam absetzt. Die Harzzone wird auch oben mit Glas-
wolle fixiert. Man wäscht nun die Säule mit einigen Litern destilliertem Wasser aus, bis
die abtropfende Flüssigkeit neutral reagiert. Die Tropfgeschwindigkeit soll 1 Tropfen/Sek.
betragen. Der Austauscher darf nicht trocken werden.
Die Lösung des Alaninhydrochlorids wird mit der gleichen Durchlaufgeschwindigkeit
durch die Säule geschickt, wozu etwa 3 h erforderlich sind. Sodann spült man in gleicher
Weise mit etwa 600 ml dest. Wasser nach und arbeitet die Alaninlösung wie oben auf.
Weitere 200 ml Durchlauf werden zur Kontrolle der Vollständigkeit der Elution getrennt
eingedampft; besser zum Nachweis und sehr viel schneller ist die Farbreaktion mit
Ninhydrin (S.499).
Nach Gebrauch regeneriert man die Austauschersäule mit 300 ml 2N Natronlauge und
spült in derselben Weise wie oben bis zur neutralen Reaktion des Waschwassers nach.
Das Austauscherharz wird zweckmäßig unter Wasser aufbewahrt.

Die erste Synthese von a-Aminosäuren von A. Strecker verläuft über die a-Amino-
nitrile und stellt nach ihrem Mechanismus eine Aminoalkylierung (s. Erklärung zum
vorigen Präparat) des Cyanidions dar. Das aus einem beliebigen Aldehyd, hier dem
Acetaldehyd und dem Ammoniumion entstehende Carbinolamin (oder Aldehydimin)
reagiert mit CN" zum Alaninnitril, das durch Eindampfen mit Salzsäure zur Amino-
säure verseift wird.

NH3 + CH3CHO * H 2 N—CH(CH 3 )OH(oderHN=CHCH 3 )


+CN VerS
> H 2 N-CH(CH 3 )CN ' > H 3 N-CH(CH 3 )CO 2 -

Mit dem besonders reaktiven Formaldehyd entstehen durch 2- und 3-fache Reak-
tion außer Glycin (S. 315) auch Iminodiessigsäure (A) und Nitrilotriessigsäure (Tri-
methylamin-a,a',a"-tricarbonsäure, B), die wie besonders die Ethylendiaminotetra-
essigsaure C (Triton B, Versene, EDTA) als sehr wirksame Metallkomplexbildner aus-
gedehnte Verwendung finden.
356 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

CH2-CO2H CH2-CO2H
HN HO2C-CH2-N
CH2-CO2H CH2-CO2H
A B

HO2C-CH2 CH2-CO2H
N-CH2-CH2-N
HO2C-CH2 CH2-CO2H

Mit Hydrazin und Aceton liefert die Strecker-Synthese Hydrazoisobuttersäureni-


tril, das zur Azoverbindung NC-C(CH3)2—N=N-C(CH3)2—CN dehydriert wer-
den kann. Verwendung dieses Nitrils zur Auslösung von radikalisch verlaufenden
Olefinpolymerisationen (S. 211).

Leuckart-Reaktion

Methylamin durch reduktive Methylierung


2NH 3 + 3CH 2 O > 2H 2 NCH 3 + CO2 + H2O

250 g Ammoniumchlorid (4,7 mol) werden mit 570 g 35proz. Formaldehydlösung


(6,6 mol) in einem Destillierkolben mit absteigendem Kühler allmählich erhitzt. Man
steigert langsam bis auf 104 0 C — Thermometer in der Flüssigkeit — und hält so lange auf
dieser Temperatur, bis nichts mehr überdestilliert, etwa 41/2 h von Anfang an. Es haben
sich dann 100-12Og Wasser und Methylalkohol (aus dem Formalin stammend) in der
Vorlage kondensiert. Nachdem der Kolbeninhalt erkaltet ist, saugt man vom ausge-
schiedenen Ammoniumchlorid scharf ab und dampft das Filtrat auf dem Dampfbad auf
das halbe Volumen ein, saugt nochmals vom Ammoniumchlorid ab und engt das Filtrat
so weit ein, bis sich auf der Oberfläche eine Kristallhaut bildet. Nach dem Erkalten wird
das auskristallisierte Methylammoniumchlorid scharf abgesaugt. Das Filtrat engt man so
weit wie möglich ein und entfernt schließlich den Rest des Wassers im Vakuumexsikkator
über festem NaOH und konz. Schwefelsäure. Der Rückstand wird durch Digerieren
mit Chloroform von Di- und Trimethylammoniumchlorid befreit und schließlich scharf
abgesaugt. Mit dem zuerst auskristallisierten Salz zusammen ergeben sich so 110 bis
125g.
Um das rohe Salz vom restlichen Ammoniumchlorid zu befreien, wird es durch Aus-
kochen mit 250 ml absol. Alkohol eine halbe Stunde lang extrahiert. Aus dem Alkohol
scheidet man durch Abkühlen (CaCI 2 -Rohr!) reines Methylammoniumchlorid ab und
benützt die Mutterlauge zu einer weiteren Extraktion. Nach fünfmaligem Extrahieren er-
hält man etwa 10Og (37 %d. Th.).

In den Carbinolaminen ist die Hydroxylgruppe nicht nur, wie bei der Mannich-
Reaktion durch nucleophile C-Verbindungen ersetzbar, sondern auch unter Reduk-
Leuckart-Reaktion 357

tion durch anionischen Wasserstoff. Diesen liefert in der oben ausgeführten Methyl-
aminsynthese der im Überschuß vorhandene Formaldehyd, der dabei in Ameisen-
säure (Formiat) übergeht, die wieder als Reduktionsmittel dient und dabei zu CO2
oxidiert wird. Im Prinzip haben diese Vorgänge, besonders der erste, Ähnlichkeit mit
der später zu besprechenden Reaktion von Cannizzaro (S. 377).
Die unvermeidliche Bildung von Di- und Trimethylamin wird zur Hauptreaktion,
wenn man die Konzentration des Formaldehyds erhöht. Sie kommt dadurch zu-
stande, daß primäres Amin nach demselben Mechanismus ein- und zweifach weiter
methyliert wird. Formaldehyd als reduzierendes Methylierungsmittel für Amine
(Eschweiler). Durch Zusatz von Ameisensäure von vornherein erhält man bessere
Ausbeuten (Clarke).
Mit Ammoniak plus Ameisensäure(-estern) oder Formamid führt man nach
Leuckart generell die reduzierende Aminierung von Carbonylverbindungen durch.
Man erhält so primäre und sekundäre (oft als AT-Formylverbindungen) sowie tertiäre
Amine, deren Anteil vom Ausgangsamin und vom Verhältnis der Komponenten ab-
hängt.

//
+ H 2 N-C

or-Phenylethylamin

Ein 500-ml-Schliffkolben wird mit 125g Ammoniumformiat beschickt und mit einer
Destillationsbrücke (oder Kniestück und absteigendem Kühler) versehen; das Thermo-
meter soll durch den Stutzen bis in das Reaktionsgut eingeführt werden. Man heizt mit
einem Ölbad, bis das Thermometer 165 0 C in der siedenden Flüssigkeit anzeigt; das
wässerig-ammoniakalische Destillat wird verworfen. Man läßt die Badtemperatur auf
13O 0 C sinken, entfernt die Destillationsbrücke, versetzt vorsichtig mit 60g frisch dest.
Acetophenon (0,5 mol) und fügt zwischen Kolben und absteigendem Kühler senkrecht
ein etwa 30cm langes, weites Rohr (z.B. Destillationsaufsatz ohne Füllkörper) ein.
Innerhalb 1 h steigert man die Badtemperatur auf 175 0 C, wobei sich im oberen Teil des
Rohrs etwas festes Ammoniumcarbonat abscheidet und Wasser abdestilliert. Nach 4 h
bei 170—18O 0 C hat die nunmehr homogene Mischung durchreagiert.
Nach dem Erkalten schüttelt man im Scheidetrichter zur Entfernung von überschüssi-
gem Ammoniumformiat und Formamid mit 2mal 60 ml Wasser aus, die man ihrerseits
mit 30 ml Benzol auszieht. Das Rohprodukt zusammen mit der Benzollösung überführt
man wieder in den Reaktionskolben, versetzt mit 60 ml konz. Salzsäure und destilliert
358 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

das Benzol ab; dann tauscht man den Destillations- gegen einen Rückflußkühler aus und
hält die Reaktionsmischung zur Hydrolyse der /V-Formylverbindung noch 45 min am
Sieden.
Die erkaltete, saure Lösung schüttelt man zur Entfernung von Neutralanteilen mit
2mal 25ml Benzol aus. In einem 1 -l-Rundkolben macht man die saure Lösung an-
schließend vorsichtig mit 75 g Natriumhydroxid in 250 ml Wasser alkalisch, wobei sich
das a-Phenylethylamin als Schicht abscheidet. Das Amin wird mit Wasserdampf abge-
blasen, wobei man durch Ölbadheizung des Kolbens eine Vergrößerung des Flüssigkeits-
volumens vermeidet. Nach Sammeln von 600 ml Destillat reagiert das Kondensat nicht
mehr alkalisch. Im erkalteten Destillat nimmt man die Base in 50 ml Benzol auf, trennt
ab und schüttelt noch mit 4mal 25 ml Benzol aus. Die vereinigten Benzollösungen wer-
den mit einigen Plätzchen Kaliumhydroxid getrocknet. Nach Abdestillieren des Benzols
geht das a-Phenylethylamin bei 74—76 0 C / 1 5 Torr über; zweckmäßig läßt man die
durch die enge Siedekapillare eingesaugte Luft zuvor ein Natronkalkrohr passieren. Man
erhält 45-48 g (74-79% d. Th.) farbloses a-Phenylethylamin.

Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel

Die aus Acetophenon dargestellte Base ist das racemische Gemisch der Antipoden,
das im folgenden durch fraktionierte Kristallisation der Salze mit D-Weinsäure ge-
trennt wird. Die diastereomeren Salze aus D-Base/D-Säure und aus L-Base/D-Säure
haben verschiedene Löslichkeit in Alkohol, aus dem das letztere, schwer lösliche zu-
erst auskristallisiert. Über die anderen Möglichkeiten zur Aufspaltung von Race-
maten wie spezifische Enzymeinwirkung, Chromatographie an optisch aktiven Ad-
sorptionsmittel u. a, informiere man sich in den Lehrbüchern.

Spaltung des racemischen or-Phenylethylamins in die Antipoden


mit D-Weinsäure
In einem 1-l-Kolben löst man 50g D-Weinsäure (0,3 mol) in 400 ml 96proz. Alkohol
durch Erwärmen im Wasserbad auf 65-7O0C. In die mechanisch gerührte Lösung läßt
man durch einen Tropftrichter 40 g frisch destilliertes racem. a-Phenylethylamin (0,3 mol)
in 10O ml Ethanol innerhalb 10 min einfließen, wobei man die Badtemperatur auf 65-70 0 C
hält; meist scheidet sich das weinsaure Salz schon während der Zugabe des Amins aus.
Nach 4 h Rühren bei der angegebenen Temperatur heizt man auf 75 0 C auf, saugt die ab-
geschiedenen Kristalle auf einer vorgewärmten Nutsche rasch ab und wäscht mit 50 ml
5O 0 C warmem Alkohol nach. Nach dem Trocknen erhält man 32-34 g L-a-Phenylethyl-
amin-D-hydrogentartrat (72-76% d. Th., bezogen auf L-Amin).
Zur Drehwertbestimmung löst man ca. 0,6 g, auf 1 mg genau abgewogen, in einem
10 ml Meßkölbchen in dest. Wasser und füllt bis zur Marke auf. In einem Polarimeterrohr
von 1 oder 2 dm Länge bestimmt man mit einem Polarimeter, den Drehwert und ermittelt
die spezifische Drehung:
optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 359

Dabei bedeuten: a D der Drehwinkel bei der Natrium-D-Linie, I die Rohrlänge in dm


und c die Konzentration in g/1 OO ml Lösung. Für das Aminsalz wird man einen Wert
nahebei [a]g° = +13,2° finden.

Das L-Amin-hydrogentartrat wird in 300 ml Wasser gelöst und mit 13g Na-hydroxid
in 50 ml Wasser und etwas Eis versetzt. Man nimmt das freigesetzte Amin in 80 ml Ether
auf und zieht die wässerige Phase noch 3mal mit 30 ml Ether aus. Nach Trocknen mit
festem KOH wird der Ether abdestilliert und das L-Phenylethylamin (12-14 g) wie auf
S. 358 im Wasserstrahlvakuum destilliert. Zur Drehwertbestimmung füllt man ein 1 dm-
Rohr rasch (Vermeidung der Carbonatbildung!) mittels Kapillarrohr mit dem frisch
destillierten L-Amin. Bei sorgfältigem Arbeiten wird man a D = -35,5 bis -37 0 C finden.
Ein aus Wasser umkristallisiertes Hydrogentartrat liefert mit a D = -38,30C ein nahezu
optisch reines L-Amin.
Aus der alkoholischen Mutterlauge des L-Amin-hydrogentartrats läßt sich beim Er-
kalten und Einengen das weinsaure Salz eines am D-Antipoden angereicherten Amins
erhalten; wie oben läßt sich daraus das Amin freisetzen. Optisch rein erhält man das D-
Amin über das in Wasser schwerlösliche Salz mit L-Äpfelsäure. Wenn L-Äpfelsäure zur
Verfügung steht, versäume man die Bereitung der D-Form nicht.

Die im wesentlichen auf Emil Fischer zurückgehende Bezeichnung der Antipoden


als zur D- oder L-Reihe gehörend, ist auch heute noch für die meisten Fälle ausreichend,
wo eine präparative Verknüpfung mit einer als D- oder L- definierten Aminosäure
(oder einem Zucker) hergestellt werden kann. Im vorliegenden Fall ergab sich die
Zuordnung der (-) drehenden Base zur L-Reihe durch die Oxidation zu L-Alanin.

CO2H
H 2 N-C-H
CH3
L - Phenylethylamin L - Alanin

Da aber eine solche Verknüpfung in vielen Fällen weder präparativ noch gedank-
lich möglich ist, haben Cahn, Ingold und Prelog eine eindeutig definierende Nomen-
klatur ausgearbeitet, bei der die Antipoden als (R)- und (S)-Formen unterschieden
werden. Die Einordnung erfolgt nach dem topologischen Drehsinn (Rectus = rechts
herum, Sinister = links herum), wenn die 4 ungleichen Substituenten am chiralen C-
Atom mit genau definierten Prioritäten ausgestattet und in bestimmter Weise abge-
zählt werden. Die Abzählung erfolgt nach dem Lenkrad-Modell, wobei der Substi-
tuent mit geringster Priorität (P4) als Lenksäule nach hinten weggerichtet wird, wäh-
rend die drei größeren (P1, P2 und P3) an den Enden der Speichen des Lenkrades ge-
dacht werden und in fallender Priorität entweder rechts (R) oder links (S) herum an-
geordnet sind:
360 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

s (R)

Die Prioritäten ergeben sich in erster Linie aus den Ordnungszahlen der Schlüssel-
atome (höhere Ordnungszahl bedeutet höhere Priorität, so daß am Ende der Lenk-
säule sehr häufig H steht). Bei zwei Schlüsselatomen gleicher Ordnungszahl (z.B.
zwei C-Atome) entscheidet die jeweils größere Zahl von Substituenten mit höchster
Ordnungszahl an diesen Substituenten. Doppelbindungen werden wie zwei Einzel-
bindungen gewertet. Die Regeln sind im einzelnen komplizierter, jedoch immer ein-
deutig. Man lese sie in den Lehrbüchern nach. Mit der Eindeutigkeit der Regeln nimmt
man häufig in Kauf, daß die Konfigurationssymbole (R) und (S) einen recht formalisti-
schen Charakter besitzen. In der Notation nach Cahn, Ingold und Prelog ist das
linksdrehende L-Phenylethylamin als (S)-Phenylethylamin zu bezeichnen und um-
gekehrt, jedoch ist die Übereinstimmung von Drehsinn, L- und (S)-Symbol zufallig
und keinesfalls verallgemeinerungsfähig. Nach den gleichen Prioritäten werden die
Symbole E und Z den unterschiedlich konfigurierten Doppelbindungen zugeordnet
(S. 372, 611,612).

Mandelsäure

HZ
C 6 H 5 CHO + HCN > C 6 H 5 CH(OH)CN ° > C 6 H 5 CH(OH)COOH
15g frisch destillierter Benzaldehyd (0,14 mol) werden im Abzug in einem Zylinder mit
Gummistopfen mit etwa 50 ml einer konzentrierten Lösung von Natriumhydrogensulfit
versetzt. Die Mischung wird solange mit einem Glasstabe umgerührt, bis sie zu einem
Brei der Bisulfitverbindung erstarrt ist, und dann noch kräftig durchgeschüttelt. Man
filtriert an der Saugpumpe ab, preßt fest zusammen und wäscht einige Male mit wenig
eiskaltem Wasser nach. Die Verbindung wird dann mit etwas Wasser zu einem dicken
Brei angerührt und mit einer kalten Lösung von 12g (~0,2mol) reinem Kaliumcyanid
in 25 ml Wasser versetzt. Nach kurzer Zeit gehen die Kristalle in Lösung, und das Man-
delsäurenitril scheidet sich als Öl ab, welches man im Scheidetrichter von der wässeri-
gen Lösung trennt und sofort weiter verarbeitet.
Verseifung des Nitrits: Das Nitril wird in einer Porzellanschale mit dem vierfachen
Volumen konzentrierter Salzsäure auf dem Wasserbad so weit eingedampft, bis sich an
der Oberfläche der Flüssigkeit Kristalle reichlich abzuscheiden beginnen. Man läßt das
Reaktionsgemisch über Nacht im Kühlschrank stehen, filtriert die abgeschiedenen
Kristalle nach dem Verreiben mit wenig Wasser an der Saugpumpe ab und wäscht sie
mit nicht zu viel Wasser nach. Aus dem Filtrat gewinnt man durch Ausethern noch eine
weitere Menge der Säure. Die rohe Mandelsäure wird auf einen Tonteller abgepreßt, ge-
trocknet und durch Umkristallisieren aus Benzol rein erhalten. Schmp. 1180C, Ausbeute
11—15g (50-70%d.Th.)-
Beispiele der Aldol-Verknüpfung 361

Bei der hier ausgeführten Variante der Cyanhydrinsynthese findet eine nucleo-
phile Substitution des locker gebundenen —SO3" durch CN~ in der Bisulfitverbin-
dung statt.

C 6 H 5 CH(OH)SO 3 - + CN- > C 6 H 5 CH(OH)CN + SO3"

Dabei entsteht eine Mischung gleicher Teile der D- und L-Formen des Cyanhydrins
(Mandelsäurenitrils) und aus ihr durch Verseifung D, L-Mandelsäure. Sie läßt sich ähn-
lich wie die racemische Base a-Phenylethylamin durch fraktionierte Kristallisation
der diastereomeren Salze mit dem Alkaloid Cinchonin spalten.
Das Amygdalin der bitteren Mandeln und anderer Steinfrüchte ist die glykosidische
Verbindung von D-( —)-Mandelsäurenitril mit Gentiobiose. Es gehört zu der Klasse
der /?-Glykoside,da es durch das Enzym Emulsin, eine ß-Glykosidase, in 2 mol GIu-
cose, Benzaldehyd und Blausäure gespalten wird.

Aldolverknüpfung
1-Phenyl-2-nitroethylen
O6H5CHO + CH 3 NO 2 > C 6 H 5 CH=CHNO 2 + H 2 O
2,8 ml Nitromethan (53 mmol) und 3,5 ml Benzaldehyd (frisch destilliert; 50 mmol)
werden in 20 ml Alkohol gelöst und unter Eis-Kochsalz-Kühlung kräftig gerührt. Zu
dieser Mischung tropft man langsam kalte methanolische Kalilauge aus 3,5g Kalium-
hydroxid, 5 ml Wasser und 10 ml Methanol. Man rührt so lange weiter, bis eine Probe in
Wasser klar löslich ist. Dann läßt man die Lösung des Reaktionsprodukts (falls kristallin
angefallen sein sollte, nach Auflösen in Eiswasser) unter Rühren in 60 ml eiskalte 1 N
Schwefelsäure einließen. Das dabei auftretende, bald erstarrende Öl wird nach dem
Festwerden sofort abgesaugt, im Exsikkator über Nacht getrocknet und aus wenig
Alkohol umkristallisiert. Man erhält etwa 3 g (40%d.Th.) Phenylnitroethylen in großen
gelben Nadeln, Schmp.: 58 0 C.

Nitromethan, eine durch den Einfluß der NO2-Gruppe besonders stark acide
CH-Verbindung lagert sich als Carbeniatanion leicht an den Carbonylkohlenstoff
an. Der dabei entstehende Alkohol spaltet schon in kalter verd. Säure seine benzyl-
ständige OH-Gruppe und einen benachbarten Wasserstoff ab unter Ausbildung des
energieärmeren konjugierten Systems des Phenylnitroethylens.
Die bei der gleichartigen Addition an aliphatische Carbonylverbindungen ent-
stehenden Nitroalkohole, RCH(OH)CH 2 NO 2 , sind in der Kälte gegen Säure be-
ständig. Beim Erhitzen mit Schwefelsäure werden sie allerdings wie alle Nitro-
alkane, auch sekundäre, über die aci-Form unter N 2 O- und H2O-Abspaltung in die
entsprechenden Aldehyde bzw. Ketone verwandelt (Nef-Reaktion). Nef hat die Reak-
tion besonders in der Zuckerchemie zur Verlängerung einer Aldose um ein C-Atom
362 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

angewandt. Das Zwischenprodukt A kann auch Wasser abspalten zur Hydroxam-


säure, die zu Hydroxylamin und Carbonsäure hydrolysiert wird.

^O H OH
R—G—N" + H+ > R-C=N
OH

H /OH /H /OH
R— C-N -> R-C + HN
X
OH O OH
(2HN(OH)2 —> 3H2O + N2O)

Aldolverknüpfung unter Basekatalyse

Dibenzalaceton

CH 3 COCH 3 + 2C 6 H 5 CHO —^-> H5C6CH=CHCOCH=CHC6H5 + 2H 2 O

In einem 250-ml-Weithalskolben löst man 10g Natriumhydroxid in 100 ml dest. Wasser


und 80 ml Ethanol. Eine Mischung von 10,6 g frisch destilliertem Benzaldehyd (10,1 ml,
100 mmol) und 2,9 g reinem Aceton (3,7 ml, 50 mmol) wird im Laufe von 10 min por-
tionsweise in diese mechanisch gerührte Lösung eingetragen; durch Einstellen des
Kolbens in Wasser von Raumtemperatur leitet man die Reaktionswärme ab. Nach weite-
rem 1 stdg. Rühren ist die kristalline Abscheidung des gelben Produkts beendet. Ab-
saugen, gründliches Waschen mit Wasser und Trocknen führt zu 11,0-11,6 g Rohpro-
dukt vom Schmp. 106—108 0 C. Zur Reinigung kristallisiert man aus 45 ml Isopropanol um,
wobei man im Eisbad kühlt, absaugt und mit wenig eiskaltem Isopropanol wäscht:
10,0-10,5 g reines, bei 110-111 0 C schmelzendes Dibenzalaceton (86-90% d.Th.)-

Aldolverknüpfung unter Säurekatalyse

Benzalacetophenon
H+
C 6 H 5 COCH 3 + C 6 H 5 CHO > C6H5COCH=CHC6H5 + H2O

In einer 10O ml Waschflasche mischt man 10,6 g Benzaldehyd (10,1 ml, 0,1 mol), 12,0 g
Acetophenon (0,1 mol, S. 423), beide frisch destilliert, und 12 ml Eisessig. Unter guter
Außenkühlung mit Eis und Eiswasser läßt man 90 min lang Chlorwasserstoff hindurch-
perlen, wobei man das entweichende Gas in Wasser einleitet (Rohr nicht eintauchen).
Mechanismus der Aldol-Verknüpfung 363

Die dunkelbraune Lösung erstarrt bald zum Kristallbrei, den man nach Austauschen des
Einleitungsrohrs gegen einen Stopfen mehrere h im Eisbad läßt. Am nächsten Tag gießt
man in einen 250-ml-Schliffkolben, spült mit etwas Eisessig nach und befreit im Was-
serstrahlvakuum von Eisessig und Salzsäure, wobei man innerhalb von 30 min die Öl-
badtemperatur auf 10O 0 C steigert. Beim weiteren Erhitzen innerhalb von 30 min bis auf
15O0C, tritt Chlorwasserstoffabspaltung ein. Nach deren Abschluß läßt man erkalten
und entnimmt dem Kristallkuchen Impfmaterial, bevor man aus 110 ml 96 proz. Ethanol
umkristallisiert. Durch langsames Erkalten und rechtzeitiges Animpfen vermeidet man
eine Ölabscheidung. Nach Aufbewahren im Kühlschrank saugt man die hellgelben Kri-
stalle ab, wäscht mit wenig eiskaltem Alkohol und trocknet: 17-18 g Benzalacetophenon
mit Schmp. 54—55 0 C (82-86%d. Th.).

Die Aldolverknüpfung, zu Unrecht oft als Aldolkondensation bezeichnet, erhielt


ihren Namen vom Produkt des Zusammentritts zweier Acetaldehydmoleküle zu ß-
Hydroxybutyraldehyd, das man Aldol genannt hat. Die Reaktion, die sowohl durch
Protonen und Lewis-Säuren als auch durch Basen katalysiert wird und prinzipiell
umkehrbar ist, hat allgemeine Bedeutung, sie findet zwischen Carbonylgruppen und
solchen Verbindungen statt, die eine acide CH-Gruppe enthalten. Ähnlich wie bei
der Cyanhydrinsynthese lagert sich das durch Einwirkung der Base entstandene
Carbanion an den Carbonylkohlenstoff an, für Acetaldehyd formuliert:

H3C-CHO + OH- ,=*- ICH2-CHO + H 2 O


H3C-CHO + - ICH2-CHO <=± CH3-CH-CH2-CHO
o-
H3C-CH-CH2-CHO + H2O *=t H3C-CH-CH2-CHO + OH-
O" OH
ß-Hydroxybutyraldehyd (Acetaldol)

Die so entstehenden /J-Hydroxycarbonylverbindugen (Aldole) spalten in vie-


len Fällen schon in der Kälte Wasser ab unter Ausbildung einer Doppelbindung in
Konjugation zum Carbonyl. Acetaldol läßt sich aus Acetaldehyd bei vorsichtiger
Arbeitsweise gewinnen, über 8O0C geht es in den ungesättigten Crotonaldehyd,
H3C—CH=CH—CHO, über, der im folgenden Versuch am Geruch erkannt wer-
den kann. Das beim Weitererhitzen gebildete Harz verdankt seine Entstehung der
oftmaligen Wiederholung der gleichartigen Reaktion an der Aldehydgruppe mit der
endständigen, vinylog aktivierten Methylgruppe.

Versuch: Acetaldehydharz — Einige Tropfen Acetaldehyd werden, in etwa 2 ml Wasser


gelöst, mit 0,5 ml verdünnter Natronlauge im Reagenzglas erhitzt. Unter Gelbfärbung
bildet sich über das Aldol Crotonaldehyd, der in der siedenden Lösung an seinem ste-
364 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

chenden Geruch erkennbar ist. Erwärmt man Acetaldehyd mit starker Lauge, so scheidet
sich gelbes Aldehydharz aus.

Auf die Bildung ähnlicher Stoffe durch voraufgehende Oxidation ist die Bräunung
von Ethylatlösungen und von ethylalkoholischem Kaliumhydroxid bei Luftzutritt
zurückzuführen.
Die katalytische Wirkung des Protons läßt sich durch eine Anlagerung an den
Carbonylsauerstoff und Addition des Carbeniumions an die im Gleichgewicht vor-
handene Enolform beschreiben.

H3CCH=O + H + <==> CH 3 CHOH

H /H H +/
H

H3C-C+ + H2C=C <=> H3C-C-CH2-C " H+ > Aldol


OH OH
OH OH

Bei der oben präparativ ausgeführten Reaktion von Benzaldehyd mit Acetophenon
in Gegenwart eines großen HCl-Überschusses bildet sich durch Addition an die Dop-
pelbindung das kristallisierte /?-Chlorketon, das durch thermische HCl-Abspaltung
in Benzalacetophenon übergeht.

Verbindungen dieses Typs bezeichnet man auch als Chalkone. Ist o-ständig zum
Carbonyl eine OH-Gruppe vorhanden, findet leicht Ringschluß zum Dihydroflavon
(Flavanon) statt, einem Vertreter einer großen Klasse von Naturstoffen (Flavone,
Flavonole, Anthocyane, Catechine).

Aceton besitzt 2 aktivierte Methylgruppen und tritt mit 2 mol Benzaldehyd zum
doppelt ungesättigten, ebenfalls gelb gefärbten Keton Dibenzalaceton zusammen.
Ohne Partner reagiert Aceton in Gegenwart von HCl-Gas zu Mesityloxid und Phoron,
von Schwefelsäure zu Mesitylen (symm. Trimethylbenzol).
Mit Formaldehyd als carbonylaktivem Partner finden Aldoladditionen besonders
leicht statt. Mit Acetaldehyd reagiert er 3mal zum Trihydroxymethylacetaldehyd, der
Aldolverknüpfungen mit Formaldehyd 365

durch ein weiteres Molekül zu Pentaerythrit reduziert wird. In äquimolaren Mengen


reagieren beide Aldehyde miteinander zu /?-Hydroxypropionaldehyd, aus dem bei
einer technischen Acroleinsynthese katalytisch Wasser abgespalten wird.

C(CH 2 OH) 4 OCH 2 + H 3 CCHO "H2° > H2C=CHCHO


Pentaerythrit Acrolein

In neuerer Zeit wird Acrolein technisch durch katalytische Oxidation von Propen
gewonnen.
Eine Reaktion des gleichen Typs zwischen Nitromethan und 3 mol Formalde-
hyd liefert Tris-hydroxymethylnitromethan, das durch Reduktion in Tris-hydroxy-
methylaminomethan, H2N—C(CH2OH)3 übergeht, eine beim biochemischen Ar-
beiten zur Herstellung von Pufferlösungen beliebte Base (Tris-Puffer). Mit Aldehy-
den läßt sich auch die CH-aktive Chlormethylgruppe des Chloressigesters zur Reak-
tion bringen. Der entstehende a-Chlorester spaltet HCl ab unter Ausbildung des
Epoxidrings. Man formuliere die Darzens-Glycidestersynthese (vgl. auch S.407).
Über zahlreiche weitere Reaktionen mit Carbanionen siehe Kapitel DC.
Die Aldolreaktion hat ihre biochemische Parallele im intermediären Kohlenhydrat-
Stoffwechsel. Durch das Enzym Aldolase wird spezifisch die Einstellung des Gleich-
gewichts zwischen Fructose-l,6-diphosphat und den Triosephosphaten Glycerin-
aldehyd-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat katalysiert.

H2O3P-O-CH2 H2O3P-O-CH2
CO CO
I I
HOCH
I
HOCH2^
HCOH ' H CO
I I
HCOH HCOH
I I
H2O3P-O-CH2 H2O3P-O-CH2

Die Transaldolase überträgt Dihydroxyacetonphosphat auch auf andere Aldosen.


Im Zusammenwirken mit Transketolase (Mechanismus siehe S. 380) besorgt sie im
Organismus den wechselseitigen Übergang von Hexosen in Pentosen und vice versa.
Näheres, auch über ähnliche Vorgänge bei der Synthese von Kohlenhydraten in der
Pflanze siehe in den Biochemiebüchern.
366 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I

Weiterführende Literatur zu Kapitel Vl

H. Meerwein, Herstellung und Umwandlung von Acetalen, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 6/3, S. 199, Thieme, Stuttgart 1965.
O. Bayer, Acetale, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1,
S. 417, Thieme, Stuttgart 1954.
A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Mercaptalen und
Mercaptolen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 195,
Thieme, Stuttgart 1955.
D. Seebach, Nucleophile Acylierung mit 2-Lithium-l,3-dithianen bzw. -1,3,5-thrithianen, Syn-
thesis 1969, 17.
R. Tiollais, Sur les aldimines derives des aldehydes acycliques; Preparation et proprietes physi-
ques d'aldimines, Bull. Soc. Chim. Fr. 1947, 715.
J. Szmuszkovicz, Enamines, Adv. Org. Chem. 4, l (1963).
S. Hünig und H. Hoch, Acylierung von Enaminen, Fortschr. Chem. Forsch. 14, 235 (1970).
A. Hochrainer, Die synthetische Bedeutung der Enamine, Österr. Chem. Ztg. 66, 355 (1965).
A.G. Cook, Enamines: Synthesis, Structure and Reactions, Marcel Dekker, New York und
London 1969.
L. G. Donaruma und W. Z. Heldt, The Beckmann Rearrangement, Org. React. 11, l (1960).
R. Schröter, Mannich-Reaktion, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 11/1, S. 731, Thieme, Stuttgart 1957.
FF. Blicke, The Mannich Reaction, Org. React. /, 303 (1942).
B. Reichert, Die Mannich-Reaktion, Springer Verlag, Berlin, Göttingen und Heidelberg 1959.
H. O. House, The Mannich Reaction, Modern Synthetic Reactions, 2. Aufl., S. 654, W. A. Benjamin,
Menlo Park 1972.
H. Hellmann und G. Opitz, Aminomethylierung, Eine Studie zur Aufklärung und Einordnung
der Mannich-Reaktion, Angew. Chem. 68, 265 (1956).
H. Hellmann und G. Opitz, a-Aminoalkylierung, Verlag Chemie, Weinheim 1960.
M. Tramontini, Advances in the Chemistry of Mannich Bases, Synthesis 1973, 703.
H. Böhme und M. Haake, Methyleniminium Salts, Adv. Org. Chem. 9, 107 (1976).
P. Kurtz, Anlagerung von Cyanwasserstoff an Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindungen (a-
Oxynitrile), Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 274,
Thieme, Stuttgart 1952.
P. Kurtz, Anlagerung von Cyanwasserstoff an Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindungen in Ge-
genwart von Aminen (a-Amino-nitrile), Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 279, Thieme, Stuttgart 1952.
M. L. Moore, The Leuckart Reaction, Org. React. "5, 301 (1949).
F. Möller und R. Schröter, Reduktion mit Ameisensäure (Leuckart-Wallach-Reaktion), Metho-
den der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9/1, S. 648, Thieme, Stuttgart
1957.
W. S. Emerson, The Preparation of Amines by Reductive Alkylation, Org. React. 4,174 (1948).
W. Teilacker, Spaltung von Racematen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. 4/2, S. 509, Thieme, Stuttgart 1955.
5. H. Wilen, Resolving Agents and Resolutions in Organic Chemistry, Topics in Stereochem. 6,
107(1971).
S. H. Wilen, A. Collet und J. Jacques, Strategics in Optical Resolutions, Tetrahedron 33, 2725
(1977).
A. W. Ingersoll, The Resolution of Alcohols, Org. React. 2, 376 (1944).
G. Blaschke, Chromatographie Racemattrennung, Angew. Chem. 92, 14 (1980).
Weiterführende Literatur zu Kapitel VI 367

R. S. Cahn, C. K. Ingold und V. Prelog, The Specification of Asymmetrie Configuration in Organic


Chemistry, Experientia /Z 81 (1956).
R. S. Cahn, C. Ingold und V. Prelog, Spezifikation der molekularen Chiralität, Angew. Chem. 78,
413 (1966).
R. S. Cahn, An Introduction to the Sequence RuIe, J. Chem. Educ. 41, 116 (1964).
E. L. Eliel, Recent Advances in Stereochemical Nomenclature, J. Chem. Educ. 48, 163 (1971).
O. Bayer, Höhere Aldehyde durch Aldolkondensationen, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1, S. 76, Thieme, Stuttgart 1954.
A. T. Nielsen und W. J. Houlihan, The Aldol Condensation, Org. React. 16, l (1968).
H. O. House, The Aldol Condensation and Related Reactions, Modern Synthetic Reactions,
2. Aufl., S. 629, W. A. Benjamin, Menlo Park 1972.
VII. Reaktionen der Carbonyl
gruppe, II.

Experimente:

Perkinsche Synthese. Zimtsäure


Erlenmeyer Synthese. D,L-Phenylalanin
Phenolharz
4-Methyl-7-hydroxycumarin
l,l-Di(/?-chlorphenyl)-2,2,2-trichlorethan
Cannizzaro-Reaktion des Benzaldehyds
Benzoin; Benzil
Butyroin
Versuch: Dibutyrylosazon
Versuch: Benzilosazon
Versuch: Ketyl des Benzoins
Benzilsäure
Pinakol aus Aceton und Isopropanol
Versuch: Glucosazon
Versuch: Reduzierende Wirkung
Versuch: Dünnschichtchromatographie
Versuch: Pentatrimethylsilylglucose
D-Glucose aus Saccharose
ß-Pentacetyl-D-glucose und Tetraacetyl-a-brom-D-glucose
D-Galactose aus Lactose. Schleimsäure
Octacetylcellobiose und Cellobiose aus Cellulose
Zimtsäure und Phenylalanin 371

VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II.

Einige aldolartige Kondensationen

Perkinsche Synthese, Zimtsäure


pu r*r\ —
3 2
C 6 H 5 CHO + (CH 3 CO) 2 O > C 6 H 5 CH=CHCO 2 H + CH3CO2H

21 g (0,2 mol) Benzaldehyd, 30 g (0,3 mol) Essigsäureanhydrid, beide frisch destilliert,


und 10g pulverisiertes, frisch entwässertes Natriumacetat (vgl. S. 309) 1 werden in
einem Kolben, welcher mit einem weiten, etwa 80 cm langen Steigrohr verbunden ist,
8 h lang in einem Ölbad auf 18O 0 C erhitzt. Dann gießt man das heiße Reaktionsgemisch
in einen größeren Kolben, spült mit Wasser nach und leitet so lange Wasserdampf hin-
durch, bis kein Benzaldehyd mehr übergeht. Man verwendet hierbei so viel Wasser, daß
sich die Zimtsäure bis auf einen kleinen Rest einer öligen Verunreinigung in Lösung be-
findet. Anschließend kocht man die Lösung noch kurze Zeit mit wenig Tierkohle und
saugt auf einer heißen Nutsche ab. Beim Abkühlen scheidet sich die Zimtsäure in glänzen-
den Blättern ab. Sollte sie nicht sofort den richtigen Schmelzpunkt besitzen, kristallisiert
man sie noch einmal aus heißem Wasser um. Schmp. 133 0 C; Ausbeute etwa 10g (ca.
35%d.Th.).

Erlenmeyer-Synthese, D,L-Phenylalanin

H2C-CO
C 6 H 5 CONHCH 2 CO 2 H —(CH 3 CQ) 2 Q > N Q

C6H5

X
H2C-CO C—CO
/ \ / \
C6H5CHO + N O > N O
X
C \
I I
PU
n
PM
U
U
^6 5 6 5

Hl/
^ > C 6 H 5 CH 2 CH(NH 2 )CO 2 H

Azlacton: In einem Kolben mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr erhitzt man unter
häufigem Umschütteln auf dem siedendem Wasserbad das Gemisch aus 17,9 g (0,1 mol)
Hippursäure (siehe S. 636), 8,2g wasserfreiem Natriumacetat (siehe S. 309), 30,6g

1
Käufliches „wasserfreies" Na-acetat kann störende Mengen Wasser enthalten.
372 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

Acetanhydrid und 10,6g (0,1 mol) Benzaldehyd (frisch destilliert). Nach etwa 10min
löst sich der Kolbeninhalt zu einer tiefgelben Flüssigkeit, aus der sich bald Kristalle ab-
scheiden. Man erhitzt noch eine Stunde weiter, läßt erkalten, gibt 10 ml Alkohol zu und
saugt ab. Den Rückstand wäscht man auf dem Filter nacheinander mit 15ml kaltem
Alkohol und 50 ml heißem Wasser.
Das Produkt ist genügend rein zur Weiterverarbeitung auf Phenylalanin. Ausbeute:
18g, Schmp. 165 0 C.
D, L-Phenylalanin: 10g des Azlactons werden in 1OmI Eisessig und 50 ml 40% Jod-
wasserstoff säure (die handelsübliche ist genügend rein) unter Zusatz von 3 g rotem
Phosphor anderthalb bis zwei h am Rückfluß gekocht. Dann läßt man das Reaktions-
gemisch auf etwa 7O 0 C abkühlen, saugt vom Phosphor ab und wäscht mit 10 ml heißem
Eisessig nach. Die vereinigten Filtrate dampft man im Vakuum zur Trockne ein, fügt zum
Rückstand 50 ml Wasser und dampft erneut ein. Zum trocknen Rückstand gibt man 10O ml
Wasser und 100 ml Ether und schüttelt so lange, bis sich alles gelöst hat. Die abgetrennte
wässerige Phase wird zur vollständigen Entfernung der Benzoesäure dreimal mit je 60 ml
Ether gewaschen. Die ganz schwach gelbliche wässerige Phase wird auf 50 ml eingeengt,
mit wenig Aktivkohle aufgekocht, klarfiltriert und mit konz. Ammoniaklösung auf einen
pH von 5—6 gebracht. Beim Abkühlen scheidet sich das Phenylalanin in farblosen Blätt-
chen ab. Sie werden aus der kalten Lösung abgesaugt und mit 15 ml kaltem Wasser ge-
waschen. Ausbeute: 4,5g (67%d.Th.). Reinheitsprüfung am besten papier- oder dünn-
schichtchromatographisch; der Zersetzungspunkt ist stark von der Erwärmungsge-
schwindigkeit abhängig.

Beiden beschriebenen Präparaten ist gemeinsam, daß ein aromatischer Aldehyd


unter Wasserabspaltung mit einer aktiven Methyl(en)gruppe reagiert. Bei der Perkin-
Reaktion ist es die Methylgruppe des Acetanhydrids, bei der Erlenmeyer-Synthese
die Methylengruppe des Azlactons, die beide unter der katalytischen Wirkung des
basischen Acetations als Carbanionen an die CO-Gruppe des Aldehyds angelagert
werden. In beiden Fällen spaltet sich wegen des benachbarten Benzolkerns und des
überschüssigen Anhydrids aus den primären Addukten Wasser ab.

Die Zimtsäure, die hier nach

H
: + (H 3 CCO) 2 O
O

H CO2H
Vers. ^ \=CX

C6H5 H

entsteht, hat die E- (oder /ra^-)Konfiguration. Die energiereichere isomere Z- (oder


ds-)Form (Allozimtsäure) kommt neben der Irans-Verbindung im Pflanzenreich vor.
Synthetisch wird sie durch partielle katalytische Hydrierung von Phenylpropiolsäure,
Perkinische und Erlenmeyer-Synthese 373

C6H5C=CCOOH, erhalten, die ihrerseits auf dem Weg einer allgemeinen Alkin-
synthese (siehe S. 216), durch doppelte HBr-Abspaltung aus 2,3-Dibrom-3-phenyl-
propionsäure zugänglich ist.
Die Doppelbindung der Zimtsäure ist durch die Nachbarschaft des Benzolrings
erheblich reaktionsfähiger als eine isolierte. Sie läßt sich durch Na-amalgam in ver-
dünnter Lauge reduzieren (S. 510), lagert spielend leicht Brom unter Bildung der eben
genannten Dibromverbindung an und dimerisiert sich, wie auf S. 207 ausgeführt ist,
beim Belichten zu den Truxillsäuren. Durch Decarboxylierung von Zimtsäure ent-
steht Styrol.
Bernsteinsäureanhydrid ist der Kondensation an seinen beiden CH2-Gruppen zu-
gänglich. Mit ungesättigten Aldehyden wie Zimtaldehyd und Blei(II)-oxid als Base
entstehen mehrfach ungesättigte Dicarbonsäuren. Polyensynthese (R. Kühn).
In der Malonsäure ist die Methylengruppe reaktionsfähiger als im Essigsäure-
anhydrid. Sie läßt sich daher nach Knoevenagel und Doebner unter milderen Bedin-
gungen, z. B. in Pyridin mit Aldehyden kondensieren. Dies ermöglicht eine Übertra-
gung der Perkinschen Reaktion in die aliphatische Reihe, wie die Synthese der Croton-
säure aus Acetaldehyd zeigt:

H 3 CCHO + CH 2 (CO 2 H) 2 > CH 3 CH=C(CO 2 H) 2

"C°2 > CH3CH=CHCO2H

Malonyl-Coenzym A ist auch bei der biologischen Fettsäuresynthese die aktive


Methylenkomponente.
Erlenmeyer-Synthese. Hippursäure wird durch Essigsäureanhydrid zum Azlacton
2-Phenyl-5-oxazolon dehydratisiert. Dessen reaktionsfähige Methylengruppe lagert
sich nach Deprotonierung an den aromatischen Aldehyd unter Bildung des Benzyli-
den-Azlactons 4-Benzyliden-2-phenyl-5-oxazolon an. Von den verschiedenen Mög-
lichkeiten zur Hydrierung der exocyclischen Doppelbindung und zur Hydrolyse des
Ringes wird in dem oben beschriebenen Präparat für beide Schritte lodwasserstoff
eingesetzt. Die Hydrolyse vor der Hydrierung gibt über eine unbeständige a-Amino-
zimtsäure eine a-Keto-carbonsäure; hier würde Phenylbrenztraubensäure entstehen.
Die Erlenmeyer-Reaktion läßt sich nicht auf aliphatische Aldehyde übertragen,
gut hingegen reagiert Aceton. Synthese von Dimethylbrenztraubensäure und Valin.
L-Phenylalanin gehört zu den normalen Proteinbausteinen. Wegen seiner Ver-
wandtschaft mit dem Tyrosin (p-Hydroxyphenylalanin) und damit zum Adrenalin,
Thyroxin und den Melaninen sowie dem Isochinolinring in zahlreichen Alkaloiden
verdient es besondere Beachtung.
374 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

H 2 C-CO 2 H C 6 H 5 CH 2 C 6 H 5 CH 2 CHCO 2 H
I \ I
HN HC-CO NH2
\ / \ +
CO NX O -^ C 6 H 5 CO 2 H
C6H5 C
C6H5
-H,0
'HI/P
N o C6H5CHO ^ C 6 H 5 CH^ H2O > C6H5CH2COCO2H
C
\/ /°~ \ " +NH3 + C 6 H 5 CO 2 H
i u N O
CeH5 % /
C
I
C6H5

Phenolharz
a) In einem 50 ml Rundkolben mit Schliff werden 9,4 g (0,1 mol) kristallisiertes Phenol
in 6,5 g 40proz. Formalinlösung (0,08 mol) aufgelöst. Man setzt 0,2 ml 6N Salzsäure zu
und erwärmt in einem Wasserbad unter Umschütteln bis die Innentemperatur 6O 0 C er-
reicht hat. Die nun einsetzende exotherme Polykondensation wird durch Entfernen des
Kolbens aus dem Wasserbad gemildert. Anschließend beläßt man den Kolben noch
30 min im siedenden Wasserbad. Von den zwei Schichten wird die obere wässerige abge-
gossen und das flüssige Harz bei 10O0C Außentemperatur nach Anlegen eines guten
Wasserstrahlvakuums durch Abdestillieren aller flüchtigen Bestandteile getrocknet. Zu-
rückbleibt ein zwischen 50 und 8O 0 C erweichender fast farbloser „Novolack", der noch
heiß in ein geeignetes Gefäß gegossen wird. Beim Abkühlen erstarrt er zu einer colo-
phoniumartigen Masse, die man, ohne daß sie härter wird, viele Stunden auf 15O 0 C er-
hitzen kann. Erhitzt man jedoch unter Zusatz von Hexamethylentetramin (Härter), wird
ein stark vernetztes, völlig unlösliches Produkt erhalten.
b) Der Versuch wird mit derselben Phenolmenge, aber einem Formaldehydüberschuß
(16g Formalinlösung, 0,2 mol) wiederholt. Das hierbei erhaltene Harz (ein „Resit")
zeigt einen bedeutend höheren Erweichungspunkt und ist nahezu in allen Lösungsmit-
teln unlöslich.
c) Aus dem Ansatz wie unter b), aber mit 0,2 ml 2N Natronlauge erhält man ein rot-
braunes Produkt, das sich in wässerigen Laugen auflöst und beim Zusatz von verdünn-
ten Säuren wieder ausfällt. Beim Erhitzen auf über 15O 0 C erhärtet es ohne Zusatz ande-
rer Stoffe (Resol).

Phenolharze, die ersten durch Druck und Hitze härtbaren Kunststoffe (Bakelite)
lassen sich nicht nur aus Phenol, sondern auch aus substituierten Phenolen (Kresolen,
Resorcin usw.) und nicht nur mit Formaldehyd, sondern auch mit anderen Aldehyden,
Kondensation vor Carbony!Verbindungen mit Aromaten 375

wie Furfural, technisch erhalten. Da der Aldehyd das Brückenkohlenstoffatom liefert,


ist seine Konzentration für den Grad der Vernetzung verantwortlich.

H 2 C-CO 2 C 2 H 5

4-Methyl-7-hydroxy-cumarin
10,2ml (SOmmol) frisch destillierter Acetessigester, 8,0g Resorcin und 9 g saurer
Kationenaustauscher, z.B. Amberlite IR-120 in der H+ -Form, im Vakuum bei 4O 0 C gut
getrocknet, werden unter Rühren auf 14O 0 C erwärmt. Nach einigen min tritt eine heftige
Reaktion unter Abspaltung von Ethanol ein, nach weiteren 5 min ist der Ansatz erstarrt.
Man hält weitere 20 min bei 15O 0 C und löst nach dem Abkühlen nochmals mit heißem
Alkohol unter Aufkochen. Die alkoholischen Filtrate werden zur Trockne verdampft, der
Rückstand wird mit wenig kaltem 50proz. Alkohol zerrieben und abgesaugt. Man erhält
9,7 g (69%d.Th.) des Cumarins. Nach Umkristallisieren aus 70proz. Alkohol beträgt der
Schmp. 181—1830C.

Die Verwendung fester Reagenzien, die hier mit dem unlöslichen H + -Harz gezeigt
wird, nimmt in der präparativen Chemie an Verbreitung zu.
Nicht nur Säure und Base als Katalysatoren, sondern auch Reagenzien wie Ylene
in der Wittig-Reaktion (S. 455), N-Bromsuccinimid (S. 198), Hydrierungskatalysa-
toren (S. 553) und Amine in der Merrifield-Synthese (S. 319) können an polymere
Träger gebunden, in fester Form eingesetzt werden. Der Vorteil dabei ist, daß die
Lösungen nach dem Abfiltrieren des festen Reagenzes weniger Nebenprodukte ent-
halten und so leichter aufgearbeitet werden können.
Das Eintreten einer Addition aromatischer Verbindungen an die Carbonylgruppe
hängt ab.
1. Von der Elektrophilie des Carbonylkohlenstoffs. Diese muß in allen Fällen,
außer beim Formaldehyd, durch Protonen oder Lewissäuren gesteigert werden.
2. Von der Nucleophilie der aromatischen Verbindung. Hier gelten die gleichen
Betrachtungen, wie sie für die Leichtigkeit der elektrophilen Substitution am Kern -
um eine solche handelt es sich auch hier - auf S. 238 angestellt wurden. Benzol und
Chlorbenzol reagieren nur mit niederen Aldehyden z. B. in Gegenwart von konz.
Schwefelsäure als Katalysator. Elektronen-liefernde Substituenten erleichtern die
Reaktion beträchtlich. So reagieren Phenole mit Formaldehyd auch unter Basen-
katalyse, mit Acetaldehyd in Gegenwart von sehr wenig HCl und mit dem reaktions-
trägeren Aceton oder Acetophenon, das mit Benzol selbst nicht zur Kondensation
zu bringen ist, nur bei Vorliegen einer großen HCl-Konzentration. Phenole sind auch
der ganz ähnlichen Mannich-Reaktion (S. 353) zugänglich. Vergleiche damit auch die
im Prinzip gleichartige Reaktion nach Friedel-Crafts (S. 259).
376 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

Die durch Säuren katalysierte Reaktion führt im 1. Schritt zu einem Alkohol, der
unter der Wirkung desselben Katalysators OH abspaltet und als Carbeniumion ein
zweites aromatisches Molekül substituieren kann.

Phenole und Formaldehyd. Unter alkalischen Bedingungen sind die primären Ein-
wirkungsprodukte, Hydroxybenzylalkohole, isolierbar, beim Phenol selbst 2,4-Di-
(hydroxymethyl)phenol. Dieselbe Verbindung bildet sich u. a. aus Formaldehyd und
Phenol auch unter Säurekatalyse, ist aber dort nicht faßbar. Beim Erwärmen in alka-
lischer oder saurer Lösung reagieren diese Benzylalkohole weiter, indem sie freie o-
und /»-Stellungen gleichartiger Moleküle substituieren. So entstehen die makromole-
kularen, über Methylenbrücken vernetzten Phenol-Formaldehydharze, in denen
auch in geringem Maß Etherbindungen vorkommen können. Unter der Einwirkung
geringer Säuremengen bilden sich die vorwiegend linearen Novolacke, mit Alkali die
wärmehärtbaren Resole, deren vollständige Vernetzung während der Nachhärtung
bei 150 0C eintritt.

Ausschnitt aus dem Molekül eines Phenoplasten.

Bei der oben präparativ ausgeführten Cumarinsynthese nach von Pechmann-


Duisberg wird die Ketogruppe des Acetessigesters (S. 401) durch Protonen, in unserem
Versuch vom festen Austauscherharz stammend, aktiviert. An die Addition der be-
sonders reaktionsfähigen 2-Stellung des Resorcins schließt sich die Abspaltung von
Wasser und Alkohol zum Cumarinderivat an. Die Stammsubstanz, Cumarin, wird
nach Perkin aus Salicylaldehyd und Essigsäureanhydrid erhalten. Vorkommen der
Cumarine im Pflanzenreich. Zwei Moleküle des 4-Hydroxycumarins kondensieren
Phenoplaste, Gesarol und Cannizzaro-Reaktion 377

sich spielend leicht mit Formaldehyd zum 3,3'-Methylen-bis-4-hydroxycumarin


„Dicumarol", das — als Antagonist von Vitamin K - die Blutgerinnung verhindert.

1,1-Di(p-chlorphenyl)-2,2,2-trichlor-ethan (Gesarol, DDT)

CI3C-CHO + 2C 6 H 5 CI "H2° > CI3C-CH(C6H4PCI)2

50g Chloralhydrat (0,3 mol) werden mit 100 ml warmer konz. Schwefelsäure geschüt-
telt. Nach Abtrennen der Schwefelsäure im Scheidetrichter gießt man das Chloral in
einen mit Thermometer und Rührer versehenen 500-ml-Weithals-Rundkolben. Nach
Zugabe von 61 g Chlorbenzol (0,55 mol) und 70 ml konz. Schwefelsäure läßt man unter
Rühren im Verlauf einer halben Stunde 50 ml 20proz. Oleum zutropfen, wobei die Tem-
peratur zwischen 20 und 25 0 C gehalten werden soll. Anschließend wird 4 h bei 3O 0 C
gerührt, dann auf 500 g Eis gegossen. Das sich zunächst schmierig ausscheidende Reak-
tionsprodukt erstarrt binnen kurzem zu einer farblosen Masse, die man absaugt, aus-
wäscht und in einer Porzellanschale auf siedendem Wasserbad mit Wasser digeriert, bis
keine Sulfationen mehr nachweisbar sind. Nach zweitätigem Trocknen im Vakuum-
exsikkator über Schwefelsäure sind es 62-66 g eines bei 96—101 0 C schmelzenden
Rohprodukts (65-69% d, Th.)-
Rein gewinnt man das Gesarol durch Aufkochen von 10g Rohprodukt mit 85ml
Alkohol unter Kohlezusatz und Filtrieren durch eine vorgeheizte Nutsche. Aus dem
Filtrat kristallisieren 6,5 g farbloser verfilzter Nadeln vom Schmp. 108 0 C.

Die altbekannte Verbindung ist nach der Erkennung ihrer insektiziden Wirkung
in größtem Umfang und mit durchschlagendem Erfolg, z. B. bei der Bekämpfung der
Malaria (Moskito) eingesetzt worden, in den letzten Jahren aber wegen ihrer großen
Beständigkeit, die zu einer Anreicherung im Fett vieler Organismen führt, zurück-
gezogen worden, obwohl ihr keine Toxizität an Säugetieren zugeschrieben werden
kann.

Cannizzaro-Reaktion des Benzaldehyds

2C 6 H 5 CHO + KOH > C 6 H 5 CH 2 OH + C 6 H 5 COOK


20g Benzaldehyd (frisch destilliert) werden mit einer kalten Lösung von 18g Kalium-
hydroxid in 12 ml Wasser in einem 100-ml-Kolben (mit Schliffstopfen) so lange kräftig
geschüttelt, bis eine bleibende Emulsion entsteht. Diese läßt man mit einem Korkstopfen
verschlossen über Nacht bei Zimmertemperatur (nicht kälter!) stehen. Dann gibt man so
viel Wasser (knapp 40 ml) zu, daß sich die abgeschiedenen Kristalle gerade lösen 1 und
1
Wenn man zu stark verdünnt, ist es schwer, den (im Wasser löslichen) Benzylalkohol vollständig zu iso-
lieren.
378 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

schüttelt fünf bis sechs mal mit je 40 ml Ether aus. Die vereinigten Etherauszüge enthal-
ten neben nicht umgesetztem Benzaldehyd den gebildeten Benzylalkohol; in der wässe-
rigen Phase ist die Benzoesäure als Kaliumsalz gelöst.
Die etherische Lösung wird zweimal mehrere min lang mit je 5 ml technischer Bisulfit-
lauge (40proz. Natriumhydrogensulfitlösung) kräftig durchgeschüttelt. Dann wäscht
man den Ether zur Entfernung der gelösten schwefligen Säure mit etwa 5 ml halbkon-
zentrierter Sodalösung (Hahn häufig öffnen!). Man trocknet mit geglühtem Natrium-
sulfat, dampft den Ether ab und destilliert den Rückstand im Vakuum. Siedepunkt des
Benzylalkohols: 95 0 C / 12 Torr. Ausbeute: 6—7 g (50-62% d. Th.)-
Die wässerige alkalische Lösung säuert man mit halbkonzentrierter Salzsäure an. Die
dabei ausfallende Benzoesäure wird kalt abgesaugt und direkt aus Wasser umkristalli-
siert. Schmp. 121 0C, Ausbeute: 10g (ca. 75%d.Th.)-

Die Cannizzaro-Reaktion, Disproportionierung von 2 Molekülen eines Aldehyds


zu je einem Molekül Alkohol und Säure, ist die - wahrscheinlich im Alkaliionkom-
plex verlaufende - Übertragung eines Hydrid Wasserstoffs von einem Aldehyd auf den
Carbonylkohlenstoff eines anderen. In der wässerigen Lauge dürfte der Hydriddona-
tor als hydratisiertes Anion vorliegen, aus dem die Abgabe von H~ erleichtert ist. Die
Carbonylgruppe des Acceptormoleküls ist durch die Komplexbildung elektrophil
aktiviert. Bei der Reaktion wird ein Äquivalent OH" verbraucht, sie ist nicht rever-
sibel.

R H
2R-/ xc<^cx* S: -c-R
\> HO^I /Il "^H - ~0'\\ + I^H
l| + H0
+M
Na + OH
nu- *P
2'~"NQ- M
Na °

C 6 H 5 x /H ^C 6 H 5 C6H5 ?ßH
2C 6 H 5 CHO y^ C^ ^C CH2
- BzI-O^I (\\ H - BzI-O II + I
+ BzlO'Na* MOI" + 0 O .0
'-Na"' Na
3?i = B e P Z y I ^ C 6 H 5 - C H 2 (BzIONa)

Katalytische Mengen von Benzylalkoholat rufen in gleicher Weise eine Dispropor-


tionierung des Benzaldehyds zu Benzoesäure-benzylester und Benzylalkohol(at) her-
vor, das so immer neu entsteht. Dieser „dehydrierenden Veresterung" entspricht in
der aliphatischen Reihe die Tischtschenko-Reaktion, bei der mit den schwächer basi-
schen Aluminiumalkoholaten gearbeitet wird, wodurch die sonst eintretende Aldol-
reaktion vermieden wird. Dabei bildet sich z. B. aus Acetaldehyd und Al-ethylat Essig-
säure-ethylester (mit Al 3+ /3 statt Na + wie oben zu formulieren). Al 3+ als Lewis-säure
wirkt ähnlich bei der Meerwein-Ponndorf-Reaktion (S. 533). Dort spielt das Al-
alkoholat die Rolle eines Hydriddonators an eine Carbonylverbindung, die so zum
entsprechenden Al-alkoholat reduziert wird (S. 534).
Cannizzaro-Reaktion und Benzoin 379

Die Cannizzaro-Reaktion ist durchaus kein Monopol der aromatischen Aldehyde;


auch Formaldehyd wird durch starkes Alkali zu Formiat und Methanol umgesetzt.
Seine reduzierende Wirkung auf andere Carbonylverbindungen in Gegenwart von
Basen (S. 364) ist als „gekreuzte" Cannizzaro-Reaktion aufzufassen. Daß die höheren
aliphatischen Aldehyde, vom Acetaldehyd ab, mit Alkali nicht disproportionieren,
liegt daran, daß die Aldolreaktion ihr mit ihrer größeren Geschwindigkeit den Rang
abläuft. Fehlt am a-C-Atom der Wasserstoff, so tritt auch in der aliphatischen Reihe
die Cannizzaro-Reaktion ein.

Acyloine

Benzoin; Benzil
Benzoin OH
PN- I
2C 6 H 5 CHO > C 6 H 5 COCHC 6 H 5
Das Gemisch aus 1OmI Benzaldehyd (frisch destilliert) in 25ml Alkohol und 2g Kalium-
cyanid in 5 ml Wasser wird 5 min lang am Rückfluß auf dem Wasserbad gekocht.
Dann läßt man langsam erkalten, saugt die abgeschiedenen Kristalle ab, wäscht sie mit
wenig Alkohol nach und trocknet sie auf dem Wasserbad. Um ganz reines Benzoin zu
erhalten, kristallisiert man eine kleine Probe des Rohprodukts aus wenig Alkohol um.
Schmp. 134 0 C. Ausbeute etwa 90%d.Th.

Benzil
OH
HN 3
C 6 H 5 COCHC 6 H 5 ° > C 6 H 5 COCOC 6 H 5

Das nach obiger Vorschrift hergestellte rohe Benzoin wird nach dem Trocknen fein pulve-
risiert und mit der doppelten Gewichtsmenge konz. Salpetersäure in einem Kolben mit
Rückflußkühler (Gasableitung vom Kühler in den Abzugsschacht) 2 h unter häufigem
Umschütteln auf einem lebhaft siedenden Wasserbad erhitzt. Nach beendeter Oxidation
versetzt man das Reaktionsgemisch mit kaltem Wasser, gießt nach dem Erstarren die ver-
dünnte Salpetersäure ab, wäscht mehrmals mit Wasser nach, trocknet auf Ton und
kristallisiert aus Alkohol um. Die abgeschiedenen Kristalle trocknet man nach dem Ab-
filtrieren an der Luft auf Filtrierpapier. Schmp. des Benzils 95 0C. Ausbeute etwa 80%d.Th.

In der sogenannten Acyloin- oder Benzoinkondensation liegt eine weitere interes-


sante Aldehydreaktion vor, die in der aromatischen Reihe unter der katalytischen
Wirkung von Kaliumcyanid erfolgt.
Als Zwischenprodukt bildet sich dabei das Anion des Cyanhydrins. Im Cyanhydrin
haben wir, analog zum Benzylcyanid (S. 408) ein acides H-Atom, das durch Basen ab-
380 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

gespalten werden kann. Das durch Mesomerie stabilisierte Anion A tritt mit dem
Carbonylkohlenstoff eines zweiten Aldehydmoleküls zusammen.

H
I _e e
C 6 H 5 CHO + CN- > C6H5-C-CN <=± C6H5-C-CN < > C6H5-C=C=N

O' OH A OH

OH H OHH O H
I l I l -CN- u I
C6H5-CI + C-C6H5 > C6H5-C-C-C6H5 > C6H5-C-C-C6H5

CN O CNO 9 OH

C R = CH3: ,,aktiver" Acetaldehyd


X
= CH 2 OH: „aktiver" Glykolaldehyd
Thiazoliumaddukt

Das Additionsprodukt geht unter Abspaltung von Cyanid in Benzoin über. Die
katalytische Beteiligung des Cyanids ist augenfällig. In der Reaktion des Cyanhy-
drinanions begegnet uns eine „Umpolung" (siehe S.445), bei der aus dem ursprüng-
lich elektrophilen Aldehydcarbonyl ein nucleophiles Carbanion wird. - Wie Benzal-
dehyd reagieren viele seiner am Ring substituierten Abkömmlinge und auch hetero-
cyclische Aldehyde wie Furfural (zu Furoin). Verwandt ist die Cyanid-aktivierte
Anlagerung von Aldehyden an aktivierte C,C-Doppelbindungen a,/?-ungesättigter
Ketone zu 1,4-Diketonen (H. Stetter, 1974).
Aliphatische Aldehyde mit beweglichem Wasserstoff am benachbarten C-Atom
gehen in Gegenwart des stark alkalischen Cyanids die Aldolreaktion ein, die von
ihnen abgeleiteten Acyloine sind deshalb auf diesem Weg nicht zu gewinnen. Ob die
auf S. 342 erwähnte Bildung des einfachsten Acyloins,desGlykolaldehyds aus For-
maldehyd nach einem ähnlichen Mechanismus verläuft, ist nicht sicher. Aus Acetal-
dehyd, in Mischung mit Brenztraubensäure, die dabei katalytisch decarboxyliert wird,
erhält man in vitro kleine Mengen von Acetoin, CH3COCH(OH)CH3 (Methylacetyl-
carbinol), wenn man als Katalysator Vitamin B1 (S. 662) oder andere Thiazolium-
verbindungen verwendet. Auch hier verläuft die Reaktion über ein stabilisiertes Anion,
bei dem anstelle von CN" der Thiazoliumring an die Aldehydgruppe addiert ist.
Thiamin-pyrophosphat (Cocarboxylase) als Coferment der Decarboxylierung von
Brenztraubensäure, biologische Acetoinbildung, Acetomilchsäure und Biosynthese
des Valins.
Das Enzym Transketolase kondensiert mit Hilfe des Coenzyms Thiaminpyrophos-
phat in reversibler Reaktion den kleineren Keto-anteil von Ketosen, als „aktiven"
Glykolaldehyd mit anderen Aldosephosphaten, aus Erythrose-4-phosphat wird z. B.
Acyloine 381

mit Xylulose-5-phosphat Fructose-6-phosphat gebildet. Die Reaktion entspricht


genau der Acyloinbildung unter CN'-Katalyse.
Primäre a-Ketoalkohole nennt man auch Ketole. Sie reduzieren wie auch die
Acyloine Silberdiammin-ionen und Fehlingsche Lösung (S. 342), wobei sie, vielleicht
über die im Gleichgewicht stehenden Endiole, in 1,2-Dicarbonylverbindungen über-
gehen.
In gärender Hefe lagert sich der „aktive Acetaldehyd" (S. 380), ein Zwischenprodukt
der .Glucosevergärung, an zugesetzten „freien" Acetaldehyd in präparativ lohnen-
der Menge zu optisch aktivem Acetoin, an Benzaldehyd zu optisch aktivem 1-Phenyl-
1-hydroxyaceton, BenzacetoinC6H5CH(OH)-COCH3, an (C Neuberg).
Ein präparativer Weg zu den Acyloinen der Fettreihe besteht nach Bouveault und
Locquin in der Einwirkung von Kalium- oder Natriumpulver auf die Ester der Fett-
säuren in nicht zu konzentrierter Ether- oder Benzollösung (S. unten).

Butyroin
PC2H5
Na
2C4H9-C > C4H9CO-CH(OH)C4H9
\>

In einem trockenen, mit Rückflußkühler, Calciumchloridrohr, kräftigem Rührer und


Schliff stopfen versehenen 500-ml-Dreihalskolben erhitzt man 10g (0,43g-Atom) von
Krusten befreites Natrium in 100 ml absol. XyIoI im Ölbad auf 105-11O0C, bis das Na-
trium geschmolzen ist. Unter möglichst kräftigem Rühren läßt man nun nach Entfernung
des Ölbades langsam abkühlen. Von dem so erhaltenen Natriumpulver wird das XyIoI vor-
sichtig abdekantiert und das Natrium unter jeweiligem Abgießen des Solvens mit drei-
mal 30 ml abs. Ether gewaschen. Schließlich gibt man 150 ml abs. Ether zu und versieht
den Reaktionskolben mit Rückflußkühler, Rührer und Tropftrichter.
Unter Rühren werden nun 25,0 g reiner Buttersäure-ethylester (215mmol) im Laufe
von etwa 80 min so zugetropft, daß der Ether durch die Reaktionswärme gerade im Sieden
bleibt. Anschließend rührt man noch 1 h bei Raumtemperatur, bis alles Natrium ver-
braucht ist und sich ein voluminöser, blaßgelber Niederschlag abgeschieden hat, sowie
eine weitere Stunde unter Kochen am Rückflußkühler. Sollten auch jetzt noch kleine
Natriumreste vorhanden sein, so setzt man wenig Methanol zu und rührt.
Das Reaktionsgemisch wird in einem Eisbad gekühlt und aus einem Tropftrichter
langsam unter Rühren mit einer Mischung von 13ml konz. Schwefelsäure und 45ml
Wasser versetzt. Man entfernt den Rührer, bevor das ausfallende Natriumsulfat zusam-
menbackt, gießt die etherische Schicht ab und digeriert den Salzkuchen unter jeweiligem
Dekantieren mit dreimal 15 ml Ether. Die vereinigten Etherlösungen werden im Scheide-
trichter mit 20 ml 10proz. Sodalösung gewaschen und über wasserfreiem Kaliumcar-
bonat getrocknet. Das Lösungsmittel wird abdestilliert und der Rückstand rasch im Was-
serstrahlvakuum destilliert (längeres Erhitzen ist zu vermeiden, da sich sonst ein hoch-
siedendes Nebenprodukt bildet). Man erhält 10g Butyroin (64%d.Th.) als blaßgelbes
Öl vom Sdp. 80—86 0 C / 12 Torr.
382 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

Für die Bildung eines Moleküls Butyroin werden zwei Moleküle Buttersäureester
und vier Atome Natrium benötigt. Man nimmt an, daß sich aus je einem Molekül
Ester und einem Atom Natrium Radikalanionen bilden, deren Dimerisierungspro-
dukt durch weiteres Natrium unter Eliminierung von Natriumalkoholat zum Dian-
ion des dem Butyroin zugrundeliegenden Endiols reduziert wird.

OR OROR
2Na
2C 4 H 9 CO 2 R ' > 2C 4 H 9 C- -> C4H9-C-C-C4H9
O_ O_O_
O
2Na
' 3Cr
Il
C4H9-C=C-C4H9 " > C4H9-C-CH-C4H9
-2NaOR I I ) . I
O_O_ OH

Die Endiole lassen sich präparativ vorteilhaft als Bis(trimethylsilylether) abfangen.


Die besondere Bedeutung der Acyloinkondensation liegt in ihrer Anwendung auf
a,co-Dicarbonsäureester, die auch dann gut zu cyclischen Acyloinen verknüpft wer-
den, wenn der entstehende Ring in den Bereich der kritischen „mittleren" Ringgröße
(8-14 Ringglieder) fällt (Hansley, Prelog, Stoll). Man nimmt an, daß die bei der Bil-
dung mittlerer Ringe störenden Wechselwirkungen durch das „Zusammenrutschen"
der beiden Estergruppen auf der Oberfläche eines Natriumkügelchens überwunden
werden. Tatsächlich stellt der Acyloin-Ringschluß der a,co-Dicarbonsäureester die
wirkungsvollste Methode zur Darstellung mittlerer Ringe dar.

(CH 7 J

Die Acyloine sind als oc-Hydroxyketone in gewisser Weise den Ketosen verwandt.
Wie diese reduzieren sie Fehlings-Lösung (analog Versuch, S. 342) und gleich ihnen
werden sie durch Phenylhydrazin in Osazone übergeführt. Der Vorgang ist auf S. 388
formuliert.

Versuch: Dibutyryl-osazon — 0,5g Butyroin und 0,5g Phenylhydrazin-hydrochlorid


werden mit 0,75g wasserfreiem Natriumacetat und 1OmI 50proz. Alkohol in einem
Reagenzglas 2-3 h im Wasserbad erwärmt. Beim Erkalten der Lösung scheidet sich ein
Öl ab, das bald kristallisiert; allenfalls kann mit etwas Wasser verdünnt werden. Nach
dem Umlösen aus Alkohol schmilzt das Dibutyryl-osazon bei 14O0C.
Reaktionen der Acyloine 383

Versuch: Benzilosazon - Man kocht 1 g Benzoin in wenig Alkohol und 0,5 ml Eis-
essig mit 1,5 ml Phenylhydrazin einige Zeit. Nach dem Erkalten kristallisiert das Osazon
des Benzils aus. Schmp. 225 0 C.

Die gleiche Verbindung entsteht aus Benzil mit Phenylhydrazin sowie durch
Autoxidation von Benzaldehydphenylhydrazon. Die Bildung der Osazone aus a-
Hydroxyketonen (und -aldehyden) wird auf S. 387 beschrieben.
Präparativ sind die Acyloine als Zwischenglieder für die Darstellung vieler 1,2-
Diketone wichtig, die daraus durch Oxidation, auf S. 379 mit Salpetersäure, ent-
stehen. Der einfachste aromatische Vertreter dieser Gruppe ist das Benzil (analog
Anisil, Furil usw.); er ist wie der aliphatische Grundkörper, das Diacetyl
CH3-CO-CO-CH3 (und auch das wasserfreie Glyoxal), gelb. Zum Diacetyl
gelangt man vom Ethylmethylketon aus über dessen Monoxim; bemerkenswert ist
die Kondensation von Diacetyl zu p-Xylochinon (formulieren!). Die Identität eines
der Aromastoffe der Butter mit Diacetyl hat A. Virtanen festgestellt.
Die Nachbarstellung der beiden C=O-Gruppen ermöglicht die Kondensation der
1,2-Diketone mit 0-Phenylendiamin zu Chinoxalinen.

Versuch: Ketyl des Benzoins— Man löst je etwa 0,1 g Benzil und Benzoin zusammen
im Reagenzglas in 10 ml Alkohol und fügt in der Kälte einige Tropfen Lauge zu. Sofort
entsteht eine rote Färbung, die beim Schütteln mit Luft verschwindet, nach kurzer Zeit
aber wiederkehrt und durch Schütteln erneut zum Verschwinden gebracht werden kann.
Dieser Wechsel läßt sich öfter wiederholen. Wenn nach Zugabe einiger weiterer Tropfen
Lauge die Färbung ausbleibt, ist kein Benzoin mehr in der Lösung.

Die Reaktion kommt dadurch zustande, daß Benzoin durch Alkali ins Anion des
Endiols (Stilbendiol) verwandelt wird. Das bei Ausschluß von Wasser in orangegel-
ben Kristallen darstellbare Kaliumsalz bildet mit Benzil in einer Redoxreaktion das
rote luftempfindliche Radikal Benzilkalium, welches auch durch Anlagerung von
metallischem Kalium an Benzil entsteht.

2 /R—C—C—R \
|| || + K oder
O O /
R-C=C-R + R—C—C—R —
I l Il Il
K + O' O ~ K + O O
384 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

™+ „ R— C— £— R R— C— C— R R-C=C-R R— C— C— R
2K- + 2 n i «-> n i «-» i , «-> i n
o o- oo -09 Q-O

O O

Das rote Radikalanion, von dem einige Grenzstrukturen notiert sind, gehört der
Klasse der Semichinone an (S. 577). Beim Schütteln mit Luft wird es teils zu Benzil,
teils zu Benzoesäure oxidiert.
Eine wichtige Reaktion des Benzils und seiner Verwandten ist die schon von Justus
Liebig entdeckte Benzilsäureumlagerung, die anschließend präparativ ausgeführt
wird.

Benzilsäure
OH
1
C 6 H 5 COCOC 6 H 5 °" > (C6H5)2C(
2. H 3 O \
CO2H
5 g Benzil werden mit 15 ml Alkohol und der Lösung von 5 g Kaliumhydroxid in 10 ml
Wasser 10 min lang auf dem Wasserbad im Sieden gehalten. Nach dem Erkalten wird der
Kristallbrei von benzilsaurem Kalium scharf abgesaugt, mit wenig Alkohol nachge-
waschen und in 20—30 ml kalten Wasser gelöst. Nach dem Filtrieren wird die klare Lö-
sung in der Siedehitze mit verdünnter Schwefelsäure gefällt, die teilweise in Kristallen
abgeschiedene freie Säure heiß abgesaugt und mit heißem Wasser gewaschen. Sie kann
direkt aus viel heißem Wasser oder, nach dem Trocknen, aus Benzol umkristallisiert wer-
den. Schmp. 15O 0 C; Ausbeute etwa 4g (~75%d.Th.).

Als erstes Stadium der Umlagerung tritt ein Additionsprodukt von Benzil mit
einem mol Alkalihydroxid auf, von dem aus der Platzwechsel des einen Phenylrestes
erfolgt:

C.HS C«„ OH
C6H5-C-C-OH > C
C'' ' *^ n u Pn -
W") O^ ^e^s V^w 2

Phenanthrenchinon liefert in gleichlaufender Reaktion Biphenylenglykolsäure (for-


mulieren). Die Benzilsäureumlagerung spielt auch bei anderen Verbindungen, wie
z. B. beim Trichinoyl und bei den Tropolonen eine Rolle.
Benzilsäure-Umlagerung, Photoreaktion der Ketone 385
Photoreaktion von Ketonen

Pinakol aus Aceton und Isopropanol

CH CH 3 CH CH3
hv
^C=O + HO-CH
/I -C
l\
^
CH, CH, 3 QHOHCH 3

325 ml eines Gemischs aus gleichen Volumina (ca. 2,2 mol) Aceton und Isopropanol
werden in einem mit fließendem Wasser kühlbaren Gefäß mit eintauchender, ebenfalls
gekühlter Quarzlampe (z.B. Hanau, TQ 150, No. 5600/001725) 3 Tage bei 5O 0 C ge-
halten. Dann destilliert man i. Vak. zuerst leichter flüchtige Bestandteile ab und fängt die
bei 12 Torr zwischen 75—8O 0 C übergehende Fraktion auf. Diese wird mit einer 90%
ihres Gewichts betragenden Menge Wasser homogenisiert. Man saugt das in Tafeln
(pinax) auskristallisierte Hexahydrat des Pinakols ab, trocknet es an der Luft und erhält
50-6Og (~15%d.Th.) vom Schmp. 46 0 C.

Ketone absorbieren ultraviolettes Licht u. a. im Bereich von 280-290 nm. Dabei


werden 2 nichtbindende (Ip)-Elektronen des Sauerstoffs in ein nichtbindendes n*-
Orbital angehoben (w-7i*-Übergang). Nach Umkehr des zunächst antiparallelen
Spins (Singulettzustand), also im Triplettzustand mit entkoppelten Elektronen, rea-
giert das Molekül mit Isopropanol unter Wasserstoffübertragung, und die beiden 2-
Hydroxypropylradikale vereinigen sich zum Pinakol. Aceton hat Isopropanol „sensi-
bilisiert".

H3C i T
H3Cx T t ,CH3
C=(V + H—C-OH
N
H3C H3C CH,

CH, H3C OHOHCH 3


\,
C-OH + -C- OH
H3C CH3 H3C'

Photo-angeregte Ketone können auch die jt-Elektronen von Olefinen aktivieren


(sensibilisieren) und sich an die Doppelbindung unter Bildung des Oxetanrings an-
lagern.
I I
—c—c—
(R)2C=O +
R 2C-O

Die Energieübertragung auf rc-Elektronensysteme ist auch möglich, ohne daß der
Sensibilisator selbst in Bindung tritt. Von der Photodimerisierung der Olefine ist auf
S. 208 die Rede.
386 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

Pinakonumlagerungen

Bei Einwirkung sehr starker Säuren spaltet sich aus Pinakol eine der ^/-/-Hydroxyl-
gruppen ab, das intermediär entstehende Carbeniumion erfahrt unter Wanderung
einer benachbarten Methylgruppe als Anion die als „Pinakolin-Umlagerung" be-
kannte Isomerisierung des Kohlenstoffskeletts. Das durch H + - Abspaltung schließ-
lich gebildete Keton Pinakon hat man früher als „Pinakolin" bezeichnet. Sein Reduk-
tionsprodukt, 2,2-Dimethyl-3-butanol erleidet mit Schwefelsäure eine ebenfalls mit
Gerüstumlagerung verbundene Dehydratisierung; es entsteht Tetramethylethylen
(„Retropinakolinumlagerung"). In beiden Fällen, die für eine große Zahl ähnlicher
„Wagner-Meerwein"-Umlagerungen charakteristisch sind, ist die treibende Kraft das
Bestreben, die durch OH "-Abspaltung entstandenen Elektronenlücken zum Oktett
aufzufüllen. Phenylgruppen wandern bei solchen Umlagerungen leichter als Alkyl-
reste. In der Chemie der bicyclischen Terpene, beim Übergang vom Borneol- zum
Camphen-typ spielt diese Art der Umlagerung eine klassische Rolle. - Mit schwach
sauren Katalysatoren (Al2O3) läßt sich aus Pinakol Wasser in normaler Weise zu
2,3-E>knethylbutadien abspalten.

H3C OHOHCH 3

H3C CH3
\_C/CH3
/v \
CH

H OH CH3

-H 7 O

Borne l Camphen
°

Kohlenhydrate

Eigenschaften der Zucker

Kohlenhydrate (Zucker) sind hydroxylhaltige Carbonylverbindungen, die ursprüng-


lich diejenigen Stoffe umfaßten, die der Summenformel Cn(H2O)n entsprechen, doch
zählt man auch die sauerstoffarmeren (Desoxy-)Zucker, von denen es in der Natur
viele gibt, zu dieser Klasse. Die Chemie der Kohlenhydrate ist durch das Verhalten
einiger Hydroxycarbonylverbindungen wie Benzoin (S. 379) und Butyroin (S. 381)
Osazonbildung 387

voranstehend in ihren Grundzügen beleuchtet. Die Erscheinungsform als cyclische


Halbacetale mit der spezifischen Reaktionsfähigkeit der so gebildeten „glykosidi-
schen" Hydroxylgruppe macht aber einige ergänzende Ausführungen nötig.
Als bisher erwähnte, auch für die Zuckerchemie charakteristische Reaktionen von
Hydroxycarbonylverbindungen vom Typ der Ketole oder Acyloine, —COCH(OH)—
seien genannt:
1. Leichte Oxidierbarkeit (mit Salpetersäure: Benzil aus Benzoin, S. 379, mit
Diamminsilberion, Fehlings-Lösung u.a.).
2. Bildung von Osazonen (Phenylosazon des Butyroins, S. 382 des Benzoins, S. 383).
Die Bezeichnung dieser Körperklasse stammt aus der Zuckerchemie (-ose-phenyl-
hydrazon), wo das Phenylhydrazin in den Händen von Emil Fischer ganz wesentliche
Fortschritte ermöglichte. Die Osazone sind gut kristallisierende, in Wasser schwer
lösliche Derivate der in freier Form nur schwer und langsam zur Kristallisation zu
bringenden Zucker. Man mache den folgenden klassischen Versuch:

Versuch: Glucosazon — Man vermischt die Lösungen von 2 g Phenylhydrazin in


1,5 ml Eisessig und 15 ml Wasser sowie von 1 g D-Glucose in 5 ml Wasser und erwärmt
auf 8O 0 C. Nach 20min beginnt sich das Glucosazon in feinen gelben Nadeln abzu-
scheiden. Nach einstündiger Reaktionsdauer kühlt man ab, saugt die gelben Kristalle ab,
wäscht sie mit Wasser und läßt sie an der Luft trocknen. Schmp. 205 0 C. Das identische
Osazon erhält man auf gleiche Weise aus D-Fructose oder D-Mannose.

Zum Verständnis der reduzierenden Eigenschaften, auch der Ketosen, und der
Osazonbildung ist eine Betrachtung des Strukturelements nötig, in welchem eine CO-
oder CN-Doppelbindung neben einer sekundären Hydroxyl- (oder Amin)-funktion
steht. Die vorwiegend durch Basen (aber auch durch H + ) katalysierte Gleichge-
wichts-enolisierung (vgl. Keto-Enol Tautomerie auf S. 409) führt hier zu Endiol-
systemen, die - wie 0-Hydrochinone (Brenzkatechin) - leicht oxidiert werden. Die
Rück-tautomerisierung kann zu vertauschten CO und CHOH-Funktionen führen,
aber auch zum Stellungswechsel von H und OH in der ursprünglichen Carbonylver-
bindung (2-Epimerisierung nach Lobry de Bruyn - van Ekenstein). (In den Struktur-
formeln sind unbeteiligte OH-Gruppen oft nur als Striche angedeutet und H-Atome
weggelassen).
Die Formulierung von F. Weygand sieht auch hier einen Wechsel von „en" und
„on"-Formen vor und vermeidet die früher für möglich gehaltene direkte oxidierende
Wirkung des Phenylhydrazins. Den Grund dafür, daß sich die Reaktionsfolge nicht
über C-3 usw. fortsetzt, kann man in einer sehr wirksamen Stabilisierung der Osazone
durch eine innermolekulare Wasserstoffbrücke sehen. Da bei der Osazonbildung der
stereochemische Unterschied am C-2 der Aldose verschwindet und die Reaktions-
folge ebenso am Ketoncarbonyl der 2-Ketose einsetzen kann, liefern z. B. D-Glucose,
D-Mannose und D-Fructose ein und dasselbe Osazon. Bei der Hydrolyse mit ver-
dünnten Säuren geht es in ein 1,2-Diketon (Oson) über.
388 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

HC=O
I
HC=O HC-OH HOCH

C-OH

D-Mannose

H 2 COH H 2 COH H2C-OH

D-Glucose 1 Endiol C=O


I
D-Fructose

Osazonbildung
H H H
HC=N-NH-C66H5 n HC-N-NH-C6H5 HC-N-NH-C6H5

HC-OH C-OH C=O C 6 H 5 NHNH 2


-H 2 O

Aldose-phenyl- En-ol- Hydrazino-


hydrazon hydrazin ketose

H H
HC-N-NH-C6H5 HC=NH HC=N-NHC6H5
-C 6 H 5 NH 2
C H NHNH
C=N-NH-C6H5 C=N-NH-C6H5 6 5 2 >C = N —NHC 6 H 5
-NH3 I
Osazon

Die bis hier benutzten Formeln der Zucker sind nur bedingt richtig, weil die Car-
bonylgruppen nicht in freier Form, sondern überwiegend als Halbacetale vorliegen.
Der günstige Abstand des am C-5 befindlichen OH-Rests zur Aldehydfunktion der
Aldosen bedingt eine innermolekulare Addition an die CO-Gruppe, wobei ein O-
haltiger 6-Ring, eine Aldopyranose entsteht. In untergeordneter Menge ist auch ein
5-Ring (Furanose) am Gleichgewicht beteiligt, in dem die offene Carbonylverbin-
dung nur in winziger Menge vertreten ist. Sie ist zwar verantwortlich für einige Reak-
tionen wie die mit Cyanid(S. 354), Hydroxylamin und Phenylhydrazin, und sie wird
bei der „Mutarotation" durchlaufen, doch bestimmt die durch den Ringschluß ent-
standene „glykosidische" Hydroxylgruppe am ursprünglichen Carbonylkohlenstoff
weitgehend die Chemie der Kohlenhydrate.
Man kann die Ringe in der Tollens'schen Weise eckig oder in perspektivisch ebener

1
Die Zugehörigkeit aller Monosaccharide zur D- oder L-Reihe wird in der offenen Formel durch die Stel-
lung der OH-Gruppe am untersten unsymmetrisch besetzten C-Atom, hier C-5, nach rechts (D) oder
links (L) ausgedrückt.
Konformation der Zucker 389

Form darstellen; wirklichkeitsnäher, wenn auch unübersichtlicher ist die Sesselform,


bei der C-I bei D-Glucose die rechte untere Spitze einnimmt und der Acetalsauer-
stoff in dem vom Betrachter abgewandten Ringteil sitzt.

HCOH

HO l, OH

H9COH D - Glucose

H2COH H9COH
offene
Aldehydform

OH

Mutarotation

Die wässerige Lösung von aus Methanol kristallisierter D-Glucose (a-Anomer) zeigt
nach Omin eine spezifische Rotation von a D = +112°, die im langsamen, durch
Säuren oder Basen beschleunigten Verlauf auf +52° absinkt. Aus Eisessig kristalli-
sierte D-Glucose (ß-Anomer) zeigt die spezifische Drehung aD = +19°, die in Wasser
auf + 52° ansteigt. Diese bei allen Zuckern zu beobachtende Änderung der Drehung
(Mutarotation) rührt davon her, daß sich a- und j?-Form, die sich durch Stellung der
(glykosidischen) OH-Gruppen an C-I unterscheiden, über die offene Aldehydform
ineinander umlagern (siehe Formel). Im Gleichgewicht überwiegt die jS-Form (64,5%),
d. i. die energieärmere, in welcher alle Substituenten äquatorial stehen, während die
a-Form eine axiale OH-Gruppe an C-I enthält. Dort sind die OH-Gruppen an C-I
und C-2 c/5-ständig, was nach Böeseken zu einer stärkeren Erhöhung der Leitfähig-
keit von wässeriger Borsäurelösung durch a- als durch jS-Glucose führt (Erhöhung
der Säurestärke von Borsäure durch Bildung des Tetraesterkomplexes

H+).
-c/ \H

Bei Ketosen spielt sich die Ringbildung zwischen C-2 und dem 5-OH ab; sie lie-
gen als analoge Furanosen vor.
390 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

Reaktivität der glykosidischen Hydroxylgruppe

''Nw./OH H+ H H>^ ^OCHq

i "~
Carbenium - Oxonium ion Methylglykosid

H2C -OAC u r

AcO
OAc AcC)
Df

ß - Pentacetyl -D- gluco- a - Brom - tetracetyl - D - gluco-


pyranose pyranose

Die halbacetalische OH-Gruppe an C-I von Aldosen und am C-2 von Ketosen ähnelt
in ihrem Verhalten einer tert Alkoholgruppe, d. h. sie läßt sich leicht durch andere
Nucleophile substituieren. Der Grund ist die auch für die Säurelabilität von Acetalen
verantwortliche Ausbildung eines mesomerie-stabilisierten Carbenium- Oxonium-
ions. Durch Methanol und Chlorwasserstoff bildet sich das kristallisierte a-Methyl-
glucopyranosid * neben wenig j?-Anomerem. In den Glykosiden ist die Mutarotation
aufgehoben. Durch Acetanhydrid werden alle OH-Gruppen der D-Glucose acetyliert,
in der /?-Pentacetyl-D-glucose (Präparat S. 395) läßt sich die O-Acetylgruppe am C-I
mit HBr in Eisessig durch Br ~ ersetzen, man isoliert die schwerer lösliche Tetraacetyl-
a-bromglucose (S. 395). Die so entstandenen, an den O-Atomen geschützten Brom-
derivate der Monosaccharide sind wertvolle Komponenten für die Synthesen von
Glykosiden, z. B. auch von Disacchariden und Oligosacchariden. In ihnen läßt sich
das Halogen durch andere Nucleophile ersetzen.
Die Konfiguration von Glucosiden an C-I läßt sich besonders leicht nach Acety-
lierung der übrigen OH-Gruppen im ^-NMR-Spektrum bestimmen. Das Acetal-
Proton steht in den /J-Glucosiden axial und koppelt mit dem transkoplanar ange-
ordneten 2-H (Winkel zwischen beiden H 180°) zu einem Dublett mit der besonders
großen Kopplungskonstanten von J = 7-8 Hz. In den a-Glucosiden steht das 1-H
dagegen äquatorial und zum 2-H in einem Winkel von nur 60°, das Dublett hat dann
eine Kopplungskonstante von nur ca. 3 Hz.
In den 13C-NMR-Spektren von Pyranosiden erscheint das C-I mit axialem — OR
bei höherem Feld als das mit äquatorialem.
Einige weitere Monosen. — Außer den schon genannten Aldohexosen o-Glucose
und D-Mannose sowie der 2-Ketose Fructose seien noch die D-Galactose, ein Be-

1
Zuckerderivate, in denen die am ursprünglichen Carbonylkohlenstoff sitzende OH-Gruppe durch alko-
holische, N- oder S-haltige Reste ersetzt ist, nennt man (a- oder ß-)Glykoside. Soll ein bestimmtes GIy-
kosid benannt werden, so wird der Name des Zuckers eingesetzt: ß-Glucosid aus Glucose, a-Mannosid,
/?-Ribosid usw. Zur genauen Bezeichnung kann man noch die Pyranose- oder Furanose-Form berück-
sichtigen : a-Methylglucopyranosid.
Konfiguration an C-I, seltenere Zucker 391

standteil des Milchzuckers, die Aldopentosen D-Xylose, Baustein des hochmoleku-


laren Xylans (Holz, Stroh, Kleie), D-Arabinose, D-Ribose (/?-glykosidischer Bestand-
teil der Ribonucleinsäuren RNS), der Desoxyzucker D-2-Desoxyribose (in DNS) und
als Ketopentosen die im „Pentosephosphat-Zyklus" als Phosphorsäureester beteilig-
ten D-Xylulose und D-Ribulose genannt. Die einfachste optisch aktive Aldose ist
C3H6O3. Ihre rechtsdrehende Form ist als d-Glycerinaldehyd von E. Fischer der
Stereochemie aller Zucker zugrunde gelegt worden. Später konnte gezeigt werden,
daß sie (zufällig) wirklich die D-Konfiguration besitzt. Beteiligung an der Aldolase-
reaktion siehe auf S. 342. Es existieren auch Monosen mit mehr als 6 C-Atomen. Nur
erwähnt sei hier die Klasse der Aminozucker: Glucosamin, Neuraminsäure, Mura-
minsäure.

HC=O
— HC = O HC = O HC = O
|— HOCH2 OH
~ öd <ß>

H2COH H2COH H2COH H2COH


D-Galactose D-Xylose D-Arabinose D-Ribose

HC=O H2COH
-H I=O
— HC=O
I— h~OH
H2COH H2COH H 2 COH
D-2-Desoxyribose D-Ribulose D-Glycerinaldehyd

Die Reduktion von Monosachariden führt zu Zuckeralkoholen, von denen der


von D-Glucose abgeleitete Sorbit am bekanntesten ist. Die Oxidation erfolgt am
leichtesten (zum Beispiel mit Hypobromit) an der Aldehydfunktion. Dabei entstehen
die Aldonsäuren, z. B. aus Mannose Mannonsäure usw. Die Uronsäuren sind Pro-
dukte der selektiven (enzymatischen) Oxidation der primären Alkoholfunktion, sie
enthalten noch die Möglichkeit der Bildung vonGlykuroniden, glykosidartigen Kon-
jugaten. Solche werden von mannigfachen Substanzen, z. B. dem Bilirubin oder von
Steroidhormonen, auch von Pharmaka, in der Leber gebildet und stellen gut lösliche
Ausscheidungsformen im Harn dar. Schließlich sind noch die durch Oxidation beider
Enden (z. B. mit Salpetersäure) erhältlichen Zuckersäuren zu erwähnen. Die auf S. 396
aus Galactose hergestellte Galactarsäure wird als Schleimsäure bezeichnet.
Aus Glucuronsäure geht biosynthetisch über L-Gulonolacton die L-Ascorbin-
säure hervor, die als das den Scorbut verhindernde Vitamin C erkannt wurde
(A. Szent-Györgyi). Das stark reduzierende Endiol verdankt seine beachtliche
Acidität (pKA ~ 4,5) der Nachbarschaft einer CO-Gruppe zur Doppelbindung, die
die Bildung des mesomeren Anions zuläßt.
392 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

6 O
CO22 H
r

H O

-H 2 O
HO"C
> T X
0 -2 H ^ °Ä
«oV^
1
HOCH
H CO H 2 COH I
HCOH

Glucuronsäure L-Gulonolacton L-Ascorbinsäure Anion


(mit Glucosezählung)

Disaccharide, Polysaccharide

Disaccharide bestehen aus 2 Monosacchariden, indem ein Baustein mit einer seiner
Hydroxylgruppen die glykosidische Hydroxylgruppe einer zweiten Monose ersetzt
hat. Dabei kann die Glykosidbindung a- oder /^-Konfiguration haben. Fortsetzung
dieses Bauprinzips führt über Trisaccharide, . . . Oligosaccharide zu den aus „vielen"
(mehrere hundert) Einheiten bestehenden Polysacchariden. Die wichtigsten Disac-
charide sind Maltose (Malzzucker), die durch Einwirkung der a-Glykosid-spaltenden
Enzyme (a-Amylasen) auf Stärke oder Glykogen als Hydrolyseprodukte entsteht. Sie
besteht aus 2 Molekülen D-Glucose, die durch a ( l —>4) Verknüpfung verbunden
sind. In der Lactose (Milchzucker), die im Präparat S. 395 mit Säure gespalten wird,
tritt als glykosidisch gebundener Baustein D-Galactose auf, die nach ß (l —>4) ver-
knüpft ist. Von besonderer Art ist die Verknüpfung der Bausteine D-Glucose (a-)
und D-Fructose (ß-) im verbreitetsten Disaccharid, der Saccharose (Rohrzucker,
engl. Sucrose): hier ist die Bindung durch Kondensation der beiden glykosidischen
OH-Gruppen geschaffen, Saccharose reduziert deshalb nicht Fehlingsche Lösung.
Sie ist durch Säuren besonders leicht zu hydrolysieren (S. 394), ebenso durch das
Hefeenzym Saccharase (Invertin, gibt „Invertzucker", eine l : l Mischung beider Zuk-
ker, wie sie auch im Honig vorliegt. Dünnschichtchromatographie auf S. 394).

HOCH2

(H) a (H) a
Maltose Lactose
^ a - D - Glucopyranosyl - 4 ß - D -Galactopyranosyl -
D-glucopyranose D-glucopyranose

* Maltose und Lactose reduzieren und kommen in a- und ß-Formen vor, welche Mutarotation zeigen.
Di- und Polysaccharide 393

HOCH7 H2COH
V
H2COH

HOCH2
H2COH
Saccharose Cellobiose*
a - D - Glucopyranosyl -ß- 4 ß - D - Glucopyranosy l -
D-f ructof uranosid D -glucopyranose

Unter den Polysacchariden ist die Cellulose als Holzbestandteil, rein in Baumwolle
und anderen Samenhaaren, als Pflanzenfaser (Leinen) und Pflanzengerüstsubstanz
am weitesten verbreitet. Sie besteht aus 10000-20000 j?-l,4-verknüpften D-Glucose-
einheiten, die im Präparat S. 396 acetolytisch so getrennt werden, daß das Disac-
charid Cellobiose, an allen OH-Gruppen acetyliert, als Octa-acetat kristallisiert an-
fällt. Die Acetylreste werden durch Umesterung mit Na-ethylat als Essigester abge-
spalten.
In der Stärke (Reservepolysaccharid der Pflanzen) und im Glykogen (Muskel,
Leber) sind hunderte von D-Glucosemolekülen a-glykosidisch verknüpft, wobei durch
Miteinbeziehung der 6-ständigen OH-Gruppen mehr oder weniger stark verzweigte
Makromoleküle vorliegen. Durch Bacillus macerans werden helicale Bereiche der
Stärke transglykosidierend in ringförmige aus 6-8 ringförmigen Glucoseeinheiten
bestehende Cyclodextrine umgewandelt, die wegen ihrer Eigenschaft interessant
sind, in wässeriger Lösung mit zahlreichen in die Höhlung passenden Molekülen
kristallisierte Einschlußverbindungen zu bilden (F. Gramer). Die Polysaccharide wer-
den als Glykane bezeichnet. Dextran ist ebenfalls ein Glucan, doch sind die a-Glu-
coseeinheiten in 1,6-Stellung verknüpft (durch Epichlorhydrin vernetztes Dextran-gel
zur Chromatographie [S. 85] Sephadex®).
Hexosamine sind in den Heteroglycanen wie Hyaluronsäure, Heparin Murein,
Chitin enthalten.
Xylan, eine aus ß(\ —»4)-verknüpften Xylosebausteinen bestehende „Hemicellu-
lose", die im Holz, reichlich in Stroh, Maiskolben und Kleie vorkommt, wird durch
Hydrolyse mit Schwefelsäure in die Pentosemoleküle gespalten, die einer Dehydrati-
sierung zu Furfural unterliegen (Präparat S. 647). Hexosen geben beim Erhitzen mit
Säuren in ähnlicher Weise 5-Hydroxymethylfurfural. Auf der Spaltung der beiden
Furanderivate durch Anilin unter Bildung von Polymethinfarbstoffen (siehe S. 649)
beruht eine Methode der Sichtbarmachung von Zuckern im Papier- oder Dünn-
schichtchromatogramm.
Zur gaschromatographischen Trennung werden die Monosaccharide mit Trime-
thylchlorsilan oder Bistrimethylsilylamin (CH3)3Si—NH-Si(CH3)3 (Hexamethyl-
disilazan) in die flüchtigen Trimethylsilylether übergeführt, wobei sämtliche Hydro-

* In der vorliegenden Formel ist der rechte Glucosebaustein wie in Zellulose selbst um die Längsachse
um 180° gedreht.
394 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

xylgruppen in das Strukturelement —OSi(CH3)3 übergeführt werden können (Ver-


such unten).

Versuch: Reduzierende Wirkung — Man erhitzt je 20-50 mg Traubenzucker, Fructose


(Lävulose) und Rohrzucker, wie bei den Aldehydreaktionen auf S. 342 beschrieben, mit
ammoniakalischer Silbernitrat- und Fehling'scher Lösung. Eine weitere Probe Rohr-
zucker wird mit wenig 2N Salzsäure einige Minuten im Reagenzglas gekocht, nach Ab-
kühlen mit 2N Natronlauge neutralisiert. Wiederholung der Fehling'schen Probe.

Versuch: Dünnschichtchromatographie — Die verfügbaren Zucker werden in ver-


dünnten wässerigen Lösungen einzeln und in Mischung aufgetragen, ferner eine ver-
dünnte wässerige Lösung von Bienenhonig (ca. 1 proz.) sowie die aus dem Spaltansatz
von Saccharose (unten) entnommene Probe, die man in 10 ml Wasser aufgelöst hat.
Auf Silicagelplatten chromatographiert man z.B. mit einer Mischung aus 5 Vol. Isopro-
panol, 3 Vol. /7-Butanol und 2 Vol. 0,1 M wässeriger Borsäure über Nacht. Zur Sichtbar-
machung kann man mit einer Lösung von 1,0 g Anilin und 1,8 g Phthalsäure in 100 ml
wassergesätt. /7-Butanol besprühen und bei 10O 0 C trocknen, besonders einfach lassen
sich Kohlenhydrate durch Besprühen der Platte mit 2N Schwefelsäure und anschließen-
des Erhitzen auf 100-12O0C aufgrund der durch Verkohlung entstehenden dunkelen
Flecke nachweisen. Fructose hat hier R F ca.O,3,Glucose R F ca. 0,4.

Versuch: Pentatrimethylsilyl-glucose - 1,3g Glucose, die über Phosphorpentoxid


bei 8O 0 C im Vakuum getrocknet sind, werden in 10 ml trockenem Pyridin aufgeschlämmt
und mit 10 ml Hexamethyldisilazan versetzt. Der Ansatz wird 90 min auf 105 0 C erwärmt,
wobei er schon nach wenigen Minuten klar wird. Die Lösung wird im Wasserstrahl-
vakuum auf dem Dampfbad soweit wie möglich abgedampft (das Silazan siedet bei
125 0 C/760 Torr) und das Öl im Hochvakuum in einem Kugelrohr destilliert. Das zwi-
schen 120-130°C/0,2 Torr übergehende farblose flüssige Produkt wiegt 3,4g
(89%d.Th.).
Zur Zerlegung werden einige Tropfen der silylierten Glucose in 1 ml Eisessig, dem
wenige Tropfen Wasser zugesetzt sind, kurz über freier Flamme aufgekocht. Als Nach-
weis für den zurückgewonnenen Zucker dient die Dünnschichtchromatographie auf
Kieselgel, z.B. mit Aceton/Wasser (9:1 VoI) als Laufmittel. Nach dem Trocknen wird
das Chromatogramm, auf das man auch unzerlegtes Trimethylsilylprodukt aufgetragen
hat, wie oben mit 2N Schwefelsäure sichtbar gemacht. Glucose hat hier R F 0,65, das
lipophilere Derivat 0,85.

D-Glucose aus Saccharose


Die Mischung von 750 ml Alkohol, 30 ml rauchender Salzsäure und 30 ml Wasser wird
auf 45-5O0C erwärmt. Bei dieser Temperatur trägt man unter stetem Umschütteln por-
tionsweise 250 g reinen, fein gepulverten Rohrzucker („Staubzucker") ein, der vollständig
in Lösung gehen muß. Hier entnimmt man ca. 0,5 ml der Lösung, die man zur späteren
Dünnschichtchromatographie in einem Schälchen im Exsikkator über festem KOH ein-
dampft. Beim Erkalten des Ansatzes scheidet sich die gebildete D-Glucose — die
D-Fructose bleibt gelöst — als zähes Harz ab, in das man nun einige dg wasserfreier
Herstellung und Reaktionen der Zucker 395

Glucose einimpft. Häufiges Reiben mit dem Glasstab befördert die Kristallisation, die
mehrtägiges Stehen erfordert. Dann ist die Abscheidung zu einem fast farblosen, fein
kristallinen Pulver geworden, das man absaugt und alsbald wieder in 20—25 ml heißem
Wasser löst; in der Wärme fügt man absol. Alkohol bis zur Trübung hinzu (120—150 ml)
und läßt unter Umrühren und Animpfen erkalten. Nach längerem Stehen wird abgesaugt,
mit Alkohol gewaschen und im Vakuumexsikkator scharf getrocknet. Ausbeute 50-60 g.
Schmp. 1460C.

ß-Pentacetyl-D-glucose und Tetracetyl-a-brom-D-glucose

25 g fein gepulverte wasserfreie D-Glucose werden in der Reibschale mit 12g entwäs-
sertem Natriumacetat gemischt und in einem 0,5-1-Rundkolben mit 125g reinem Essig-
säureanhydrid unter häufigem Schütteln auf dem Wasserbad erhitzt, so daß nach etwa
30 min klare Lösung eingetreten ist. Nach weiteren 2 h gießt man die Lösung in dünnem
Strahl unter Rühren in 1 I Eiswasser. Die ausfallende Kristallmasse wird möglichst sorg-
fältig zerkleinert und, wenn nach einigen Stunden die Hauptmenge des überschüssigen
Essigsäureanhydrids zersetzt ist, abgesaugt, hierauf noch mehrere Stunden unter Wasser
aufbewahrt. Schließlich wird wieder abgesaugt, scharf abgepreßt und aus etwa 120 ml
Alkohol umkristallisiert. Die so gewonnene Pentacetylglucose ist für die weitere Ver-
arbeitung genügend rein. Ausbeute 35—40 g.
Tetracetyl-a-brom-D-glucose. 25g der peracetylierten Glucose werden in fein ge-
pulvertem Zustand mit 50g bei O 0 C gesättigter Eisessig-Bromwasserstofflösung 1 unter
Kühlung mit Eis übergössen, durch kräftiges Schütteln in Lösung gebracht und 2 h bei
Raumtemperatur stehen gelassen. Man gießt hierauf unter Rühren in 850 ml Eiswasser,
schüttet das Wasser von dem ausgefällten Niederschlag ab, der nach gründlichem Zer-
reiben in einer Schale mit Eiswasser abgesaugt und ausgewaschen wird. Dann bringt
man das Rohprodukt mit 15OmI Ether in Lösung, läßt im Scheidetrichter das ausge-
schiedene Wasser ab, trocknet die Lösung mit geglühtem Natriumsulfat und dampft sie
bis zur Hälfte ein. Hierauf läßt man in Eis-Kochsalz auskristallisieren, saugt nach einigem
Stehen die schneeweißen Kristalle ab und wäscht sie mit stark vorgekühltem Ether nach.
Gesamtausbeute 15g. Nach scharfem Trocknen im Vakuumexsikkator ist das Präparat
haltbar. Schmp. 88-890C.

D-Galactose aus Lactose. Schleimsäure

In 250 ml Wasser, dem man 3 ml konzentrierte Schwefelsäure zugemischt hat, werden


10Og Milchzucker 2 h lang am Rückflußkühler zum Sieden erhitzt. Zum Schluß kocht
man noch einige Minuten mit Tierkohle und fällt, ohne zu filtrieren, die Schwefelsäure mit
der berechneten Menge Bariumhydroxid (Ba(OH) 2 + 8H 2 O); das sind ungefähr 15g,
die man in heiß gesättigter wässeriger Lösung unter gutem Schütteln der Zuckerlösung in
diese einfließen läßt. Die Reaktion darf nicht alkalisch werden. Wenn die Lösung frei von
Schwefelsäure (und Barium) ist, wird sie abgesaugt und nach Zugabe von 3 ml Eisessig
im Vakuum bei 40—5O 0 C Badtemperatur auf 60 ml eingeengt. Der entstehende Sirup
wird noch warm mit 10OmI Eisessig zur klaren Lösung vermischt, aus der nach dem

1
Darstellung siehe beim Präparat S. 192. Brom Wasserstoff ist auch in Stahlflaschen verfügbar.
396 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

Erkalten beim Reiben mit dem Glasstab oder nach dem Einimpfen einiger Galactose-
kristalle dieser Zucker auskristallisiert. Man läßt der Kristallisation einen Tag lang Zeit,
saugt auf einer Filterplatte scharf ab, wäscht mit wenig kaltem Eisessig, dann mit wenig
kaltem Methylalkohol und schließlich mit Ether. Ausbeute 20—25 g. Schmp. 165 0 C.
Die Reinheit der dargestellten Galactose prüfe man durch Bestimmung der spezifi-
schen Drehung im Polarimeter. Eine wässerige Lösung, die in 10 mM g Substanz enthält,
soll im dm-Rohr um +8,15° drehen. Dann ist [a] p 0 = +81,5°.
Da die Galactose Mutarotation zeigt, beschleunigt man durch Zufügen von einem
Tropfen Ammoniak die Einstellung des Gleichgewichts.
Schleimsäure. 25g Galactose werden mit 300 ml Salpetersäure von der Dichte 1,15
auf dem Wasserbad bis auf etwa 50 ml unter Umrühren eingedampft.
Nach dem Erkalten wird die breiige Masse mit 50 ml Wasser verrührt, einige Stunden
stehen gelassen, abgesaugt und mit wenig Wasser nachgewaschen. Ausbeute 15-16 g.
Das Präparat dient für eine Synthese des Pyrrols auf S. 644.

Octacetyl-cellobiose und Cellobiose aus Cellulose


Octacetyl-cellobiose. In ein auf etwa -1O 0 C gebrachtes Gemisch von 75 ml Eisessig und
75 ml Essigsäureanhydrid läßt man 8 ml konzentrierte Schwefelsäure einlaufen, zweck-
mäßig in einer weithalsigen Schliff-Flasche. In diese Lösung trägt man, ohne weiter zu
kühlen, aber unter gutem Durchmischen 20g reiner Watte nach und nach ein. Von Zeit
zu Zeit wird mit einem Glasstab die allmählich flüssiger werdende Masse zerdrückt, bis
nach etwa einer Stunde eine viscose Lösung entstanden ist. Die gut verschlossene
Flasche wird bei etwa 3O 0 C aufbewahrt. Nach 4—5 Tagen beginnt, unter gleichzeitiger
Verfärbung der Lösung, die Abscheidung von Cellobioseacetat-Kristallen, die sich im
Verlauf weiterer 5 Tage stark vermehren. Nach Einstellen des Ansatzes in den Kühlschrank
vervollständigt sich die Abscheidung im Verlauf weiterer 5 Tage. Dann wird der Flaschen-
inhalt abgenutscht (Glasfritte), mit wenig kaltem Eisessig bis zum farblosen Ablaufen
nachgespült und gründlich mit Wasser gewaschen (Waschwasser nicht mit Mutterlauge
vereinigen). Zur völligen Entfernung anhaftender Schwefelsäure bzw. Sulfoessigsäure
wird die Kristallmasse mehrere Stunden in Wasser suspendiert, abgesaugt und schließ-
lich bei 7O 0 C getrocknet. Die Ausbeute an bereits recht reiner Octacetylcellubiose be-
trägt durchschnittlich 11-12 g.
Zum Umkristallisieren wird die Verbindung in der vier- bis fünffachen Gewichts-
menge Chloroform gelöst, filtriert, und die Lösung mit dem dreifachen Volumen Methanol
versetzt. Nach kurzem Aufkochen kristallisiert sie beim Abkühlen in schönen Nadeln aus.
Schmp. 220-2220C, spez. Drehwert +42° (CHCI3).
Durch Aufarbeitung der Mutterlauge läßt sich die Ausbeute erhöhen.
Cellobiose. 10g fein gepulverte Octacetyl-cellobiose werden unter starkem Rüh-
ren in 85ml einer 10proz. Natriumethylatlösung (in 95proz. Alkohol) während einer
Stunde in kleinen Anteilen eingetragen. Es tritt der Geruch nach Essigester auf. Nach
einer weiteren Stunde wird die gebildete Additionsverbindung abgesaugt, mit absol.
Alkohol gewaschen und in sehr wenig verdünnter Essigsäure gelöst. Nun fügt m^n die
5fache Menge Eisessig zu, filtriert und bringt durch Reiben mit einem Glasstab die Cello-
biose zur Kristallisation. Nach Stehen über Nacht im Eisschrank wird abgesaugt und aus
wenig Wasser, dem man bis zur Schwelle der Trübung Aceton zusetzt, umkristallisiert.
Ausbeute 3—4 g.
397

Weiterführende Literatur zu Kapitel VII

H. Henecka, Perkinsche Reaktion, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),


4. Aufl., Bd. 8, S. 442, Thieme, Stuttgart 1952.
J. R. Johnson, The Perkin Reaction, Org. React. /, 210 (1942).
H.E. Carter, Azlactones, Org. React. 3, 198 (1946).
G. Jones, The Knoevenagel Condensation, Org. React. /5, 204 (1967).
H. Kämmerer, Über Phenol-Formaldehyd-Kondensate definierter Konstitution und einheit-
licher Molekülgröße, Angew. Chem. 70, 390 (1958).
5. Sethna und R. Phadke, The Pechmann-Reaction, Org. React. 7, l (1953).
C. G. Overberger und K. N. Sannes, Polymere als Reagentien für organische Synthesen, Angew.
Chem. 86,139 (1974).
W. H. DaIy, Influence of Support Structure on Preparation and Utilization of Polymere Reagents,
Makromol. Chem., Suppl. 2, 3 (1979).
A.McKillop und D.W.Young, Organic Synthesis Using Supported Reagents, Synthesis /979,
481.
H. Henecka, Cannizzaro-Reaktion, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 8, S. 455, Thieme, Stuttgart 1952.
T. A. Geissman, The Cannizzaro Reaction, Org. React. 2, 94 (1944).
W. S. Ide und J. S. Bück, The Synthesis of Benzoins, Org. React. 4, 269 (1948).
H. Stetter, Die katalysierte Addition von Aldehyden an aktivierte Doppelbindungen - Ein neues
Syntheseprinzip, Angew. Chem. 88, 695 (1976).
5. M. McElvain, The Acyloins, Org. React. 4, 256 (1948).
J. J. Bloomfield, D. C. Owsley und J. M. Nelke, The Acyloin Condensation, Org. React. 23, 259
(1976).
K. T. Finley, The Acyloin Condensation äs a Cyclization Method, Chem. Rev. 64, 573 (1964).
K. Rühlmann, Die Umsetzung von Carbonsäureestern mit Natrium in Gegenwart von Tri-
methylchlorsilan, Synthesis /97/, 236.
K. Ziegler, Methoden zur Herstellung und Umwandlung großer Ringsysteme, Methoden der
organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 4/2, S. 729, Thieme, Stuttgart 1955.
R. Huisgen, Neuere Beiträge zur Chemie mittlerer Ringe, Angew. Chem. 69, 341 (1957).
J. D. Dunitz und V. Prelog, Röntgenographisch bestimmte Konformationen und Reaktivität
mittlerer Ringe, Angew. Chem. 72, 896 (1960).
R. A. Raphael, Recent Studies on Many-membered Rings, Proc. Chem. Soc. 1962, 97.
J. DaIe, Exploratory Calculations of Medium and Large Rings, Acta Chem. Scand. 27, 1115,
1130,1149(1973).
V. Franzen, Benzilsäure-Umlagerung, Chem.-Ztg. 82, 105 (1958).
S. Selman und J. F. Eastham, Benzilic Acid and Related Rearrangements, Quart. Rev. 14, 221
(1960).
CJ. Collins, The Pinacol Rearrangement, Quart. Rev. 14, 357 (1960).
A. Streitwieser jr., Wagner-Meerwein-Rearrangements, Chem. Rev. 56, 698 (1956).
L. Mester, Die Struktur der Zucker-phenylosazone, Angew. Chem. 77, 580, 618 (1965).
S. J. Angyal, Zusammensetzung und Konformation von Zuckern in Lösung, Angew. Chem. 81,
172(1969).
G. Wulff und G. Röhle, Ergebnisse und Probleme der O-Glykosidsynthese, Angew. Chem. 86,
173(1974).
K. Igarashi, The Koenigs-Knorr Reaction, Adv. Carboh. Chem. Biochem. 34, 243 (1977).
B. Capon, Mechanism in Carbohydrate Chemistry, Chem. Rev. 69, 407 (1969).
398 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II

G. Kotowycz und R. U. Lemieux, Nuclear Magnetic Resonance in Carbohydrate Chemistry,


Chem. Rev. 7J, 669(1973).
L. Birkhofer und A. Ritter, Die Silylierung als Hilfsmittel in der organischen Synthese, Neuere
Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. 185, Verlag
Chemie, Weinheim 1967.
VIIL Synthesen mit Estern

Experimente:
Acetessigester
Acetylaceton
a) Durch Claisen-Kondensation
b) Durch Kondensation mit Bortrifluorid
Versuch: Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid
1,3-Indandion (Diketohydrinden)
Phenylnitromethan via Phenyl-nitroacetonitril
Versuch: Acetessigster und Brom
Versuch: Rasche Umlagerung von Enol-acetessigester
Versuch: ad-Phenylnitromethan
Malonsäure-diethylester
l-Phenylbutan-3-on via a-Benzylacetessigester (Ketonspaltung)
Buttersäure via Malonsäure-diethylester
2-Methyl-l,3-cyclohexandion
2 - Benzyl -1,3 -cyclohexandion
D,L-Tryptophan via Acetaminomalonsäure-diethylester
D,L-Glutaminsäure aus Acrylnitril
8a-Methyl-l,2,3,4,6,7,8,8a-octahydro-l,6-naphthalindion
Claisenkondensation 401

VIM. Synthesen mit Estern

Die Esterkondensation

Herstellung von ß-Dicarbonylverbindungen

Acetessigester

Na C2H 5
2CH 3 CO 2 C 2 H 5 c 2°H 5 0 H > CH 3 COCH 2 CO 2 C 2 H 5

Für das sichere Gelingen dieses Präparates ist die Beschaffenheit des verwendeten Essig-
esters von großer Bedeutung, da vollkommen alkoholfreier Essigester selbst beim Er-
wärmen nur langsam von Natrium angegriffen wird, hoher Alkoholgehalt aber die Aus-
beute vermindert.
Ca. 350 ml Essigsäure-ethylester läßt man zur Entfernung von Alkohol etwa 24 h über-
ca. 10Og Calciumchlorid stehen-. Kurz vor Gebrauch gießt man den Ester rasch ab und
destilliert ihn unter Feuchtigkeitsausschluß. Man preßt 13g (ca. 0,56g-Atom) von
Krusten befreites Natrium durch die Natriumpresse in 125ml (ca. 1,3mol) des vorbe-
reiteten Essigesters, die sich in einem 500-ml-Kolben befinden, und setzt sofort einen
Rückflußkühler auf. Wurde der Essigester richtig behandelt, so darf er hierbei nicht sofort
stürmisch aufsieden, vielmehr tritt erst allmählich Wasserstoffentwicklung und gelindes
Sieden ein. Durch Heizung mit einem Ölbad hält man 2 h bei gelindem Sieden. Man
tauscht dann — auch wenn kleine Natriumreste noch ungelöst sind — den Rückflußkühler
gegen eine Destillationsbrücke aus und destilliert den überschüssigen Essigester zu-
sammen mit dem gebildeten Alkohol bei einer Ölbadtemperatur von 10O 0 C ab, zuletzt
im Vakuum. Man hebt den Kolben aus dem Ölbad, läßt kurz erkalten, fügt zum trocknen
Rückstand 65 ml Essigester und kocht erneut 0,5 h am Rückflußkühler. Dann wird wie-
der der alkoholhaltige Essigester abdestilliert und die ganze Behandlung noch zweimal
mit je 65 ml Essigester wiederholt. Zum Salzrückstand aus Natriumacetessigester fügt
man vorsichtig 50g Eis und setzt nach und nach etwa 13OmI 20proz. Schwefelsäure
zu, bis die Flüssigkeit eben sauer reagiert. Den sich abscheidenden Acetessigester trennt
man im Scheidetrichter ab, wäscht mit 20 ml 2N Natriumcarbonatlösung, dann mit etwas
Wasser und trocknet mit wenig Calciumchlorid. Zur Reinigung wird der Acetessigester
i. Vak. destilliert. Sdp. 71 0 C / 12,5 Torr, Ausbeute 50-57 g, entsprechend 82-90%d.Th.

Acetylaceton
a) Durch Claisen-Kondensation

NaNh2
H 3 CCO 2 C 2 H 5 + H 3 CCOCH 3 > H 3 CCOCH 2 COCH 3

Dieses Präparat gelingt nur dann gut, wenn alle Reagenzien und Reaktionsgefäße so
trocken wie möglich sind. Der Essigester wird 2 Tage über V10 seines Gewichts an
trockenem Calciumchlorid, dann nach raschem Filtrieren durch ein Faltenfilter einige
402 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

Stunden über geglühtem Calciumsulfat unter gelegentlichem Umschütteln aufbewahrt.


120 ml des trockenen Essigesters (1,21 mol) und 36,5 ml (0,50 mol) wasserfreies Aceton
werden in einen 500-ml-Rundkolben gefüllt, der mit einem CaCI 2 -Rohr verschlossen wird.
Unter Außenkühlung mit Eis-Kochsalz trägt man 34g (0,88 mol) fein gepulvertes Na-
triumamid1 aus einer dicht verschließbaren Weithalsflasche nach und nach ein. Es ent-
wickelt sich alsbald kräftig Ammoniak. Nachdem alles Natriumamid eingetragen ist, läßt
man untec häufigem Umschütteln noch 2 h in Eiswasser und weitere 12h bei Raum-
temperatur stehen, setzt dann etwa 10Og Eis und danach ebensoviel kaltes Wasser zu,
trennt die wässerige Schicht von dem übriggebliebenen Essigester und säuert bis eben
zum Verschwinden der alkalischen Reaktion mit verd. Essigsäure an. Aus dieser Lösung
wird das Acetylaceton mit gesättigter wässeriger Kupferacetatlösung als Kupfersalz ge-
fällt. 40g (0,2 mol) Kupferacetat (Cu(CH 3 CO 2 J 2 + H 2 O) werden fein gepulvert, in der
nötigen Menge siedenden Wassers gelöst. Wenn das Präparat unlösliches basisches Salz
enthält, fügt man kleine Mengen Essigsäure zu. Die Lösung verwendet man noch lau-
warm, ehe das Salz wieder auskristallisiert.
Das blaugraue Acetylaceton-Kupfer wird nach einigen Stunden scharf abgesaugt,
zweimal mit Wasser gewaschen, von der Nutsche direkt in einen Scheidetrichter ge-
bracht und darin unter Ether durch anhaltendes Schütteln mit 50 ml 4N Schwefelsäure
zerlegt. Nach dem Abtrennen der Etherlösung ethert man die saure Schicht nach, trocknet
die vereinigten Auszüge mit Calciumchlorid und bringt das Diketon nach Wegdampfen
des Ethers zur Vakuumdestillation. Die Hauptmenge geht zuerst bei 50—6O 0 C / 50 Torr,
bei der Wiederholung der Destillation bei 56-68 0 C / 50 Torr über. Ausbeute 15—20g
(= 30-40% bez. auf Aceton).

b) Durch Kondensation mit Bortrifluorid

Bl=3
CH 3 COCH 3 + (CH 3 CO) 2 O > CH 3 COCH 2 COCH 3 + CH 3 CO 2 H

In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Gaseinleitungs- und Ableitungsrohr (mit Trocken-


rohr und Schlauch in den Kamin) kühlt man das Gemisch von 23,2 g Aceton und 102 g
Acetanhydrid mit einem Eis-Kochsalz-Bad. Durch das Gaseinleitungsrohr leitet man über
eine Sicherheitsflasche in 1 h 10Og Bortrifluorid-Gas aus einer Stahlflasche ein (durch
Wägen des Reaktionsgefäßes bestimmt, etwa 2 Blasen pro Sekunde). Dann gießt man
das Gemisch in einem 1-1-Kolben auf die Lösung von 16Og Natriumacetat-Trihydrat in
500 ml Wasser (Wärmetönung!) und fängt in der nachfolgenden Wasserdampfdestillation
500 ml Destillat auf.
Eine Lösung von 48 g Kupferacetat in 600 ml Wasser von 85 0 C wird filtriert und dem
Wasserdampfdestillat zugefügt. Der Kupferkomplex wird nach Stehen im Eisschrank
über Nacht abgesaugt und durch Schütteln mit 200 ml 20%iger Schwefelsäure und 20OmI
Ether im Schütteltrichter versetzt. Man wäscht die wässerige Phase noch zweimal mit
Ether nach, trocknet die gesammelten Etherphasen über Natriumsulfat, zieht den Ether
i. Vak. ab und destilliert den Rückstand über eine kurze Kolonne: Kp. 134-1360C,
20-30 g, 50-75% Ausbeute.
1
Das Pulverisieren muß möglichst rasch, am besten in einem Metallmörser, ausgeführt werden (Schutz-
brille!). Die Qualität des Natriumamids ist entscheidend für die Ausbeute. Es darf nicht alt und ver-
wittert sein. Im Handel sind auch Aufschlämmungen von Natriumamid in Toluol erhältlich, die man
ebenfalls einsetzen kann.
Herstellung der 1,3-Dicarbonylverbindungen 403

Versuch: Farbreaktion mit Eisen(lll)-chlorid - Die wässerige Lösung von einigen


Tropfen Acetylaceton versetzt man mit einem Tropfen Eisen(111)-Chloridlösung. Rotfär-
bung als charakteristische Enolreaktion. Läßt man nun zu der mit Eis gekühlten Lösung
ziemlich schnell verdünntes Bromwasser fließen, verschwindet die rote Farbe des Eisen-
enolats für kurze Zeit, um dann rasch wiederzukehren. Vergleiche entsprechenden Ver-
such mit Acetessigester S. 410.

Benzoylaceton, C6H5COCH2COCH3, wird auf analoge Weise durch Claisen-


Kondensation mit Natriumamid aus Acetophenon und Essigester dargestellt. Aus-
beute bis zu 75% d. Th. Auch der umgekehrte, billigere Weg der Umsetzung von
Benzoesäureester mit Aceton führt bei Anwendung von Natriumamid zum Ziel,
nicht dagegen mit Natrium und Natriumethylat. Allgemein ist Natriumamid bei der
Synthese von 1,3-Diketonen vorzuziehen. Auch Natriumhydrid wird mit Vorteil
angewendet.

1,3-lndandion (Diketohydrinden)

CO 2 C 2 H 5
C6H, + H 3 CCO 2 C 2 H 5 NaQC2H5
\ 3 2 2 5 -2C 2 H 5 OH
CO 2 C 2 H 5

Hydr yse
V-CO
O UU2U C2M
H5 °' Q ->*
IC
•/ .. . •*

Natriumsalz des 1,3-lndandion-2-carbonsäure-ethylesters. - In einen 500-ml-Dreihals-


Schliffkolben, der mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter versehen im Ölbad hängt,
gibt man 23 g (1 g-Atom) Natrium, das auf folgende Weise feingepulvert worden ist:
Das von Krusten befreite Metall wird in einem 500-ml-Schliffkolben unter 300 ml XyIoI
(Isomerenmischung, Sdp. ca. 14O 0 C) im Ölbad unter Rückfluß erhitzt, bis alles ge-
schmolzen ist. Dann nimmt man den Kolben rasch aus dem Ölbad, verschließt ihn mit
einem Schliff stopfen, umwickelt mit einem Tuch und schüttelt mit aller Kraft, bis das in
feinste Tröpfchen zerteilte Natrium erstarrt ist. Je feiner die Zerteilung des Metalls aus-
fällt, desto besser gelingt die folgende Esterkondensation. Man läßt völlig erkalten und
spült das Pulver mit dem XyIoI in den vorbereiteten Reaktionskolben. Dann wird das
XyIoI so vollständig wie möglich abdekantiert. Zum Natriumpulver gibt man 111g
(0,5 mol) frisch destillierten Phthalsäure-diethylester und erhitzt auf 100—11O 0 C.
Unter Rühren läßt man innerhalb von 90 min 11Og Essigsäure-ethylester eintropfen,
der wie im vorstehenden Präparat getrocknet wurde. Wenn nach einer halben Stunde
etwa V3 zugegeben ist, fängt die Reaktion an, lebhafter zu werden. Man entfernt dann das
Ölbad und reguliert während der nächsten Stunde durch die Zutropfgeschwindigkeit des
Essigesters die Temperatur so ein, daß die Mischung immer im Sieden bleibt. Wenn alles
zugetropft ist, wird bei 95—10O 0 C 4 h weitergerührt und über Nacht aufbewahrt. Am
404 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

anderen Tag bringt man das ausgeschiedene leuchtend gelbe Natriumsalz nach Auf-
schlämmen in 10O ml abs. Ether auf die Nutsche, saugt ab und wäscht portionsweise mit
insgesamt 100—15OmI Ether nach. Dann wird trocken gesaugt und bei 8O 0 C im
Trockenschrank getrocknet. Die Ausbeute beträgt bis zu 90g (=75%d.Th.).
1,3-lndandion. — In einem 3-1-Becherglas, das mit einem Thermometer und mit einem
guten Rührer versehen ist, erhitzt man auf dem Drahtnetz 1 I Wasser auf 70-8O0C und
trägt 80g des gelben Natriumsalzes ein. Dann werden bei genau 7O 0 C unter kräftigem
Rühren 80 ml einer Mischung aus 3 Vol. konz. Schwefelsäure und 1 Vol. Wasser in dem
Maße zugegeben, daß die Temperatur konstant bleibt. Es findet starke CO2-Entwicklung
statt, die gegen Ende abklingt. Dann wird abgekühlt, das Kristallisat bei 10-150C ab-
gesaugt und mit kaltem Wasser säurefrei gewaschen. Nach dem Trocknen im Vakuum
beträgt die Rohausbeute 47g (=97%d.Th.), und der Schmp. 128-13O0C. Eine aus
Benzol-Petrolether (3:1) umkristallisierte Probe schmilzt bei 1330C.

Die Esterkondensation nach Claisen besteht formal aus der Abspaltung von Alko-
hol zwischen einer „aktiven", d. h. aciden Methin-, Methylen- oder Methylgruppe und
einem Ester nach

O O
Il \ // Il I //
R-C-OC2H5 + H—C-C > R—C—C—C + C 2 H 5 OH

Als Katalysatoren sind starke Basen nötig, sehr häufig wird Na-ethylat verwendet.
Die Wirkung der Base besteht darin, daß sie der aciden Komponente in einer Gleich-
gewichtsreaktion (a) ein Proton entzieht, so daß sich das mesomere Carbeniat-
Enolat Anion (A) mit seinem negativen C-Atom an das Estercarbonyl zum Addukt
B anlagern kann (Gleichgewichtsreaktion b):

a) C 2 H 5 O-Na +
+
i
H-C-C=O <=± C 2 H 5 OH + Na + \-6->>0
C-C
I ' ' /A\ \

o o-
S el I l
b) R-C/ + : C-C=O <=* R-C-C-C=O
OC H
* * 'J OC2H5I

c) R-C-C-C=O <=f R-C-C-C=O + C 2 H 5 O-


H ' ' ' '
Oc2H5 ^a (c)

Je stärker die Katalysator-Base, desto größer ist die Konzentration des mesomeren
Anions A und damit auch die von B. Das Addukt B kann unter Alkoholatabspaltung
Mechanismus der Claisen-Kondensation 405

in die 1,3-Dicarbonylverbindung C übergehen (Reaktion c), doch ist die Tendenz


hierzu kaum vorhanden, wenn C kein resonanzstabilisiertes Anion zu bilden vermag,
d.h. kein acides H-Atom mehr enthält; da alle Reaktionsstufen reversibel sind, wird
in einem solchen Fall vielmehr die Dicarbonylverbindung weitgehend zum Ester und
dem stabilisierten Anion A der aciden Ausgangskomponente gespalten. Eine viel
günstigere Lage der Gleichgewichte stellt sich ein, wenn B und C am mittleren C-
Atom noch mindestens l H-Atom tragen (C'), wenn also von einer aktiven Methylen-
oder Methylverbindung ausgegangen wurde. Dann setzt sich nämlich C mit dem
stark basischen Alkoholation in ein Säure-Basen-Gleichgewicht, das sehr weit auf
der Seite des schwächer basischen mesomerie-stabilisierten Carbeniat-Enolations D
liegt (Reaktion d). Dabei wird Alkohol gebildet:

O H O O
Il I Il ..- Il
d) R-C-C-C=O + C 2 H 5 O- R-C-C-C=O *-> R-C-C=C-O-
I l I l

+ C 2 H 5 OH

Man beachte, daß auch Reaktion d reversibel ist. Daher werden die Anionen der
1,3-Dicarbonylverbindungen durch überschüssigen Alkohol unter Umkehrung der
Reaktionen d, c, b und a aufgespalten. Alkohol vermindert also die Ausbeute bei allen
Esterkondensationen mehr oder weniger stark. Bei der im 1. Beispiel präparativ aus-
geführten Synthese des Acetessigesters, einer klassischen Substanz der organischen
Chemie, treten nach dem geschilderten Mechanismus 2 gleiche Moleküle, Essigsäure-
ethylester, zusammen (nach a, b, c und d formulieren!). Die Reaktion gibt mit Na-
ethylat in Ethanol wegen der ungünstigen Gleichgewichtslage nur wenige Prozent
Ausbeute, die bei Verwendung von alkoholfreiem Na-ethylat1 je nach dessen Menge
auf 35-75% ansteigt. Das vom Entdecker der Reaktion, Geuther, vorgeschlagene und
auch hier benützte Natrium bildet mit dem Alkohol, der im Essigester zum Gelingen
der Kondensation zu 1-2% enthalten sein muß, eine kleine Menge Ethylat, die die
Reaktion in Gang bringt (Rk. a, b). Da bei der Stufe c Alkoholat gebildet wird, ge-
winnt der Umsatz laufend an Geschwindigkeit. Die Ethylatkonzentration bleibt
allerdings wegen der Reaktion mit der Dicarbonylverbindung (Reaktion d) begrenzt,
bei welcher freier Alkohol entsteht. Dieser muß zur Verbesserung der Ausbeute mehr-
mals mit überschüssigem Essigester aus dem Ansatz abdestilliert werden. Als Neben-
reaktion verursacht das Metall die auf S. 381 geschilderte Acyloinbildung; weiterhin

1
Herstellung von alkoholfreiem Natrium-ethylat: Man läßt entweder unter Xylol gepulvertes Natrium
(S. 381) in abs. Ether unter Rückfluß mit der berechneten Menge an abs. Alkohol reagieren und destil-
liert anschließend den Ether ab oder man löst das Metall in abs. Ethanol und destilliert, zuerst bei Nor-
maldruck, später im ölpumpenvakuum aus einem Ölbad bei 15O0C den Alkohol unter Stickstoff völlig
ab. Vakuum erst nach völligem Erkalten vorsichtig aufheben (CaCl2-RoHr!) und die lockere schnee-
weiße Masse sehr rasch unter Überleiten von Stickstoff pulverisieren und sofort verwenden.
406 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

bildet sich durch Esterkondensation zweier Moleküle Acetessigester etwas Dehy-


dracetsäure(S.420).
Als besonders wirksamer Katalysator dient bei Claisen-Kondensationen Natrium -
amid. Sein Vorteil liegt darin, daß es als Salz der äußerst schwachen „Säure" NH 3
ein sehr stark basisches Anion (NHJ) bereitstellt, das auch den Verbindungen ge-
ringerer Acidität Protonen völlig entzieht. Diese Reaktion wird durch die Flüchtig-
keit des Ammoniaks noch befördert.

NaNH2 + H— C-CO -> C— C— O Na + + NH 3 T

Ferner fängt NaNH 2 den auftretenden Alkohol unter Alkoholatbildung ab, wobei
seine konjugierte Säure (NH3) wegen ihrer Flüchtigkeit nicht in die Reaktion ein-
greift.
C 2 H 5 OH + NaNH2 -> C 2 H 5 Q-Na + + NH 3 J

Noch stärkere Basen sind die Anionen des Na-hydrids, des Na-triphenylmethylids
(S. 589) oder geeigneter metallorganischer Verbindungen (Kapitel DC). So läßt sich
mit Mesityl-magnesiumbromid sogar Isobuttersäureester, dessen a-ständiges H-
At om besonders wenig zur Abspaltung als Proton neigt (warum?), mit seinesgleichen
zur Kondensation bringen. Mit solchen überaus starken Basen lassen sich auch Ester-
kondensationen zu nicht enolisierbaren /?-Dicarbonylverbindungen erzwingen (C. R.
Hauser).
Die Einführung eines Acylrests, z. B. des Acetylrest in aktive Methylenverbindun-
gen kann auch vom Anhydrid aus mit BF3 als Katalysator erfolgen (S. 402). Man
formuliere die katalytische Wirkung der Lewis-Säure ! Weitere Synthese des Acet-
essigesters aus Diketen (S. 311) und Alkohol.
Die Synthese des Indandioncarbonsäureesters aus Essigester und Phthalsäure-
diethylester (S. 403) ist eine doppelte Claisen-Kondensation, bei der das erste Produkt
als Anion mit der Nachbargruppe reagiert.

CO2C2H5
C2H5O O l 2 5

Die freie Säure spaltet als jS-Oxosäure leicht CO2 ab. Vom Indandion gelangt man
durch Oxidation zum l,2,3-Indantrion-(hydrat), das als „Ninhydrin" in der Analytik
der Aminosäuren (S. 499) weite Verwendung findet. Der Esterkondensation sind u.a.
noch zugänglich: Die aktiven Methylengruppen von Nitrilen, —CH2C=N, oder
die des Fluorens, die aktiven Methylengruppen des o- oder /7-Nitrotoluols oder die
zahlreicher Heterocyclen.
Variationen der Claisen-Kondensation 407

Mit Ameisensäureester als Esterkomponente entstehen Hydroxymethylen-Verbin-


dungen (jS-Oxoaldehyde)

R' O R' OH
I ^ I /
R—CO-C—C <=± R-CO-C=C
H
\n \l
n

mit Kohlensäureester /J-Oxoester (Einführung der Carboxylgruppe)

RCOCH(R')CO 2 C 2 H 5

mit Oxalsäurediethylester, einer besonders reaktionsfähigen Verbindung a-Oxo-


ester, z. B. /?-Nitrophenylbrenztraubensäureester aus /?-Nitrotoluol.

O 2 NC 6 H 4 CH 2 COCO 2 C 2 H 5

Als Kondensationsprodukt von Essigester mit Oxalsäure-diethylester hat der Oxal-


essigester,

H 5 C 2 O 2 CCH 2 COCO 2 C 2 H 5 ,

präparative Bedeutung.
Die intramolekulare Kondensation von Dicarbonsäureestern (Dieckmann) oder
Dinitrilen führt über cyclische ß-Ketoverbindungen und Ketonspaltung (S. 413) zu
cyclischen Ketonen. Nach diesem Prinzip gelingt beim Arbeiten in großer Verdün-
nung (warum?) die Synthese makrocyclischer Ketone, wie des Muscons, mit guter
Ausbeute (K. Ziegler).
2 Moleküle Bernsteinsäureester kondensieren sich beidseitig zum Succinylobern-
steinsäureester(l,4-Cyclohexandion-2,5-dicarbonsäureester).
Auch a-Chlorfettsäureester, besonders Chloressigester, lassen sich nach Darzens
in ähnlicher Weise mit Carbonylverbindungen kondensieren, wobei unter interner
Substitution des Halogens Glycidsäureester entstehen (S. 365).

-
R Cr + iC LrO 2 Cx 2 Hg —^- R C C^^^ ^ R C C Cx(J2C2Hg
H
X 1 H I K H H
H H CK

Auch das Anion des Dimethylsulfoxids, das man mit Natriumhydrid aus DMSO
darstellt, geht mit Estern eine Claisen-Kondensation zu /?-Ketosulfoxiden ein, welche
direkt oder nach Alkylierung am zentralen C-Atom mit Aluminium-Amalgam in
feuchtem Tetrahydrofuran zu Ketonen gespalten werden können:
408 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

^^^H
LR H
NaH
CH 3 -SO-CH 3 ^ CH3SOCH2 Na -^ ^- CH3SOCH2CO-V^N

Dies ist eine der wirksamen Methoden zur Darstellung von Ketonen aus Carbon-
säure-derivaten (s. besonders Kapitel DC).
Nicht nur die Ester organischer Säuren vereinigen sich mit Ketonen oder Säure-
estern in der geschilderten Art, auch die Ester der salpetrigen Säure und der Salpeter-
säure schließen sich an. Diese Reaktionen führen zu Oximen und Nitro Verbindungen,
die als Salze mit mesomeren Anionen (oft auch Salze der aci-Form genannt) anfallen.

r*2 H5 o~ , ^. s i u+
R-CO-CH 3 + O N O C2H5 > R— CO- C— N^ O > RCOCH=NOH

C6H5 C6H5, O
C2H
pu _i_ n NOP H
NC NC

^6H5 H C6H5
\ / +OH- \

NC NO2 H O

Die Kondensation der Alkylnitrite und -nitrate ist allerdings nicht so allgemein
durchführbar wie die der organischen Ester. Die anschließend beschriebene Synthese
des Phenylnitromethans bildet ein präparatives Beispiel. Die Methylengruppe des
Benzylcyanids ist durch die Nachbarschaft von Phenyl und CN besonders aktiviert.

Phenylnitromethan
Natriumsalz von Phenyl-nitroacetonitril
NaQC2h5
C 6 H 5 CH 2 CN + O 2 NOC 2 H 5 > C 6 H 5 C(CN)NO 2 Na +

8 g Natrium (ca. 0,35 g-Atom) werden in 12OmI absol. Alkohol in einem Rundkol-
ben von 500 ml Inhalt gelöst. In diese Lösung läßt man, unbeschadet einer Abscheidung
von Ethylat, unter Wasserkühlung das Gemisch von 35 g (0,3 mol) Benzylcyanid (S. 150)
und 32g (0,35 mol) Ethylnitrat (S. 147) nach und nach einlaufen. Das in der Über-
schrift formulierte Salz scheidet sich allmählich in kaum gefärbten Kristallen ab. Man
läßt zur Beendigung der Reaktion noch 1 h ohne Kühlung stehen, saugt dann ab und
wäscht den Salzniederschlag zuerst mit Alkohol-Ether (1 :1), dann mit Ether allein.
Ausbeute 40—45 g (= 70-80% d. Th.).
Eine Probe des Salzes gibt in alkoholischer Lösung mit Eisen(lll)-chlorid eine inten-
sive olivgrüne Farbreaktion.
Phenylnitromethan und Keto-Enol-Tautomerie 409

Phenylnitromethan
40 g Natriumsalz von Phenyl-nitroacetonitril werden im offenen Rundkolben unter einem
Abzug auf dem Babotrichter mit 600 ml 2N Natronlauge zu gelindem Sieden gebracht.
Dabei entwickeln sich große Mengen von Ammoniak. Wenn die NH3-Entwicklung auf-
gehört hat, ist die Spaltung beendet. Häufig beginnt das in überschüssiger Lauge
schwer lösliche Natriumsalz des Phenylnitromethans schon in der Hitze auszukristalli-
sieren. Wenn dies vor Beendigung des Prozesses eintritt, setzt man bis zur Lösung heißes
Wasser zu und kocht weiter, bis sich kein Ammoniak mehr entwickelt. Dann läßt man
erkalten und säuert unter guter Eiskühlung und stetem Umschütteln mit etwa 220 ml
halbkonzentrierter Salzsäure an bis zur deutlichen Kongoreaktion (pH 2—3) und voll-
ständiger Ausfällung der in Flocken ausfallenden ac/'-Nitroverbindung. Starke CO 2 -
Entwicklung! Das Reaktionsgemisch bleibt über Nacht stehen, damit die empfindliche
ac/'-Verbindung Zeit hat, sich in das stabile Phenylnitromethan umzulagern. Am anderen
Morgen ethert man erschöpfend aus, schüttelt die Etherlösung mit Natriumcarbonat-
lösung durch, dampft den Ether ungetrocknet ab und treibt den Rückstand mit Wasser-
dampf über. Das Destillat wird wiederum in Ether aufgenommen, dieser mit Calcium-
chlorid getrocknet und der Inhalt der Lösung nach dem Abdampfen auf dem Wasserbad
i. Vak. destilliert. Das Phenylnitromethan geht bei 118-119 0 C / 16 Torr als hellgelbes
Öl über mit einer Ausbeute von 14—18g (ca. 50%d.Th.).

Über Keto-Enol-Tautomerie

Am Beispiel des Acetessigesters, an dem die Verhältnisse besonders eingehend stu-


diert wurden, soll das Wesen dieser wichtigen Gleichgewichtsreaktion (Tautomerie)
erörtert werden. Acetessigester nimmt in der Kälte eine begrenzte Menge Brom auf,
eine Reaktion, die nur der Enolform zukommt.

Br Br
racph I l _UDr
HBr
0 J Br2 > HX-C-C-CO9C9H,
I " " ' I l langsam
OH HO H
Br
I
H3C-C-C-CO2C2H5
Il I
O H

Man kann daher mit einer eingestellten Bromlösung die im Acetessigester ent-
haltene Enolmenge quantitativ erfassen (Bromtitration nach K. H. Meyer). Eine rasch
austitrierte Lösung verbraucht nach kurzer Zeit erneut Brom, d. h. es hat sich dann
frisches Enol nachgebildet. Daraus geht hervor, daß sich in einer Lösung von Acet-
essigester Keto- und Enolform im Gleichgewicht befinden. Die Einstellung dieses
Gleichgewichts erfolgt unter den Arbeitsbedingungen der Bromtitration so langsam,
daß die Genauigkeit der Erfassung des Enolanteils nicht merklich beeinträchtigt wird.
410 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

Versuch: Acetessigester und Brom - Man löst etwa 0,5ml Acetessigester unter
Schütteln in der nötigen Menge Wasser, fügt einige Tropfen Eisenchloridlösung hinzu
und läßt in der Kälte aus einem Tropfrohr solange verdünntes ca. 0,5proz. Bromwasser
ziemlich rasch zutropfen, bis die rote Färbung des Ferri-Enolats verschwunden ist. Nach
kurzer Zeit tritt die Färbung erneut auf und kann durch einige Tropfen Bromwasser wie-
der zum Verschwinden gebracht werden. Das Spiel läßt sich so lange wiederholen, bis
aller Acetessigester in Bromacetessigester umgewandelt ist.

Das Verhältnis, in dem Keto- und Enolform sich im Gleichgewicht befinden, ist
von der Natur des Lösungsmittels abhängig.
Lösungsmittel /o Enol
Wasser 0,4
Eisessig 5,7
Ethylalkohol 12,0
Benzol 16,2
Petrolether 46,4

Zwischen der Beteiligung tautomerer Stoffe am Gleichgewicht und ihrer Löslich-


keit im betreffenden Lösungsmittel besteht die Beziehung

worin c die Konzentration, L die Löslichkeiten der beiden Isomeren a und b und G
eine vom Lösungsmittel unabhängige Konstante sind. Beim Acetessigester ist im
Hinblick auf die Tabelle der Ketoester in Wasser leichter löslich als der Enolester,
dieser ist in Petrolether leichter löslich als der Ketoester. Daß die OH-haltige Enol-
form weniger polar (auch leichter flüchtig) ist, ist der intramolekularen Wasserstoff-
brücke zuzuschreiben.

H
H3C-C^ ^C-OC22H5
I Il
•v*
Der flüssige Acetessigester besteht zu 92,5% aus Keton und zu 7,5% aus Enol. Das
frisch destillierte Präparat ist aber erheblich enolreicher, da der Enolester früher ab-
destilliert und in der siedenden Flüssigkeit nachgebildet wird.

Versuch: Rasche Umlagerung von Enol-acetessigester — Man löst 0,5g Acet-


essigester in 4 ml 1N Natronlauge, kühlt in Eis auf O 0 C ab und fügt unter Umschütteln
4 ml gekühlte 1N Salzsäure auf einmal hinzu. Es bildet sich eine Emulsion, die schon
nach wenigen Sekunden klar wird. Das in Wasser schwerer lösliche Enol ist anfangs
Phenylnitromethan und Keto-Enol-Tautomerie 409

Phenylnitromethan
40 g Natriumsalz von Phenyl-nitroacetonitril werden im offenen Rundkolben unter einem
Abzug auf dem Babotrichter mit 600 ml 2N Natronlauge zu gelindem Sieden gebracht.
Dabei entwickeln sich große Mengen von Ammoniak. Wenn die NH3-Entwicklung auf-
gehört hat, ist die Spaltung beendet. Häufig beginnt das in überschüssiger Lauge
schwer lösliche Natriumsalz des Phenylnitromethans schon in der Hitze auszukristalli-
sieren. Wenn dies vor Beendigung des Prozesses eintritt, setzt man bis zur Lösung heißes
Wasser zu und kocht weiter, bis sich kein Ammoniak mehr entwickelt. Dann läßt man
erkalten und säuert unter guter Eiskühlung und stetem Umschütteln mit etwa 220 ml
halbkonzentrierter Salzsäure an bis zur deutlichen Kongoreaktion (pH 2—3) und voll-
ständiger Ausfällung der in Flocken ausfallenden ac/'-Nitroverbindung. Starke CO 2 -
Entwicklung! Das Reaktionsgemisch bleibt über Nacht stehen, damit die empfindliche
ac/'-Verbindung Zeit hat, sich in das stabile Phenylnitromethan umzulagern. Am anderen
Morgen ethert man erschöpfend aus, schüttelt die Etherlösung mit Natriumcarbonat-
lösung durch, dampft den Ether ungetrocknet ab und treibt den Rückstand mit Wasser-
dampf über. Das Destillat wird wiederum in Ether aufgenommen, dieser mit Calcium-
chlorid getrocknet und der Inhalt der Lösung nach dem Abdampfen auf dem Wasserbad
i. Vak. destilliert. Das Phenylnitromethan geht bei 118-119 0 C / 16 Torr als hellgelbes
Öl über mit einer Ausbeute von 14—18g (ca. 50%d.Th.).

Über Keto-Enol-Tautomerie

Am Beispiel des Acetessigesters, an dem die Verhältnisse besonders eingehend stu-


diert wurden, soll das Wesen dieser wichtigen Gleichgewichtsreaktion (Tautomerie)
erörtert werden. Acetessigester nimmt in der Kälte eine begrenzte Menge Brom auf,
eine Reaktion, die nur der Enolform zukommt.

Br Br
racph I l _UDr
HBr
0 J Br2 > HX-C-C-CO9C9H,
I " " ' I l langsam
OH HO H
Br
I
H3C-C-C-CO2C2H5
Il I
O H

Man kann daher mit einer eingestellten Bromlösung die im Acetessigester ent-
haltene Enolmenge quantitativ erfassen (Bromtitration nach K. H. Meyer). Eine rasch
austitrierte Lösung verbraucht nach kurzer Zeit erneut Brom, d. h. es hat sich dann
frisches Enol nachgebildet. Daraus geht hervor, daß sich in einer Lösung von Acet-
essigester Keto- und Enolform im Gleichgewicht befinden. Die Einstellung dieses
Gleichgewichts erfolgt unter den Arbeitsbedingungen der Bromtitration so langsam,
daß die Genauigkeit der Erfassung des Enolanteils nicht merklich beeinträchtigt wird.
412 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

ausgeführt ist, einer neutralen Form eine solche mit Säurenatur, die sog. aci-Form,
gegenüber (Hantzsch).

\ /H o ^ //OH
/Cx C= N
< "^ ^o
Nitroverbindung aci- Nitroverbindung

Die Brommethode erlaubt auch hier, die Gleichgewichte quantitativ zu erfassen.


Das zuerst bekanntgewordene, wichtigste Beispiel der „Desmotropie" liegt beim
Phenylnitromethan vor, das als stabiler neutraler Nitrokörper (Öl) und als labile
kristallisierte #d-Nitroverbindung existiert

C 6 H 5 CH 2 NO 2 und C6H5CH=NOOH

Versuch: aci-Phenylnitromethan - Man schüttelt etwa 2—3 g Phenylnitromethan mit


15ml 2N Natronlauge in einem weiten Reagenzglas. Der neutrale Nitrokörper wird in
der Kälte infolge seiner geringen Löslichkeit in Wasser nur ganz langsam ins lösliche Salz
verwandelt. (In alkoholischer Lösung verläuft die Salzbildung sehr rasch.) Durch Er-
hitzen bringt man das Öl in kurzer Zeit in Lösung. Danach kühlt man ab, fügt zu der alka-
lischen Lösung in einem kleinen Becherglas einige Stückchen Eis und versetzt auf ein-
mal mit 20 ml 2N Schwefelsäure. Das freie aci-Phenylnitromethan scheidet sich in farb-
losen kristallinen Flocken aus, die man sofort absaugt, mit Wasser wäscht und auf Ton
abpreßt. Bei raschem Arbeiten kann man einen Teil des Präparates aus Petrolether (Sdp.
50-6O0C) (unter Zugabe von einigen Körnchen Calciumchlorid) Umkristallisieren. Eine
kleine Probe löst man in wenig Alkohol und fügt einen Tropfen FeCI3-Lösung hinzu.
Eine zweite, größere Probe versetzt man unter Kühlung mit einigen Tropfen kalter alko-
holischer Bromlösung; das Brom wird entfärbt. Die gleichen Reaktionen verlaufen bei
dem als Präparat (S. 409) dargestellten Phenylnitromethan negativ.
Den Rest der aci-Nitroverbindung läßt man, in Alkohol gelöst, über Nacht stehen. Die
Lösung nimmt danach weder Brom auf, noch zeigt sie die Farbreaktion mit Eisenchlorid.
Wenn man einige Körnchen auf einem Uhrglas liegen läßt, findet man sie am anderen
Tag in ein Öl umgewandelt.

Wie man sieht, ist die #a-Form des Phenylnitromethans nur wegen ihrer kleineren
Umlagerungsgeschwindigkeit vorübergehend faßbar; im Gleichgewicht hat sie kei-
nen Bestand. - Substanzpaare, bei denen die Tautomeren mit den üblichen Hilfsmit-
teln isoliert werden können, hat man als „desmotrop" bezeichnet.
Malonestersynthese 413

Synthesen mit Acetessigester und Malonestern

Malonsäure-diethylester

KCN + CICH2CO2K > NCCH 2 COOK + KCI

NCCH 2 COOH + 2C 2 H 5 OH ^-> H 2 C(CO 2 C 2 H 5 ) 2 + NH4^


Unter dem Abzug werden in einer großen Porzellanschale 95g (1,0mol) Monochlor-
essigsäure in 200 ml Wasser gelöst, im Wasserbad auf 5O 0 C erwärmt und bei dieser
Temperatur mit festem, trocknem Kaliumcarbonat neutralisiert, wozu 75 g erforderlich
sind. Man fügt dann 55g feinpulverisiertes, reines Natriumcyanid (oder 70g KCN)
(1,1 mol) hinzu und steigert unter gutem Umrühren die Temperatur sehr langsam bis
unter lebhaftem Aufsieden die Bildung des Cyanacetats vor sich gegangen ist. Nun dampft
man das Reaktionsgemisch unter Umrühren mit einem Glasstab auf dem Drahtnetz so-
weit ein, bis ein in die zähflüssige bräunliche Salzmasse eintauchendes Thermometer
135 0 C zeigt. Man läßt erkalten, rührt jedoch auch während des Abkühlens noch mit
einem Spatel um, da das Produkt sonst zu einer harten, kaum pulverisierbaren Masse
zusammenbackt. Es wird dann schnell in einer großen Reibschale gut zerkleinert und in
einem mit Rückflußkühler verbundenen Kolben von etwa 1 I Inhalt unter gutem Um-
schütteln zuerst mit 50 ml absol. Alkohol und anschließend mit der erkalteten Mischung
aus 200 ml absol. Alkohol und 150 ml konz. Schwefelsäure allmählich versetzt. Man er-
wärmt nun die breiige Masse unter öfterem Umschütteln 2 h auf siedendem Wasserbad,
kühlt gut ab und versetzt, wieder unter Umschütteln, mit 400 ml Wasser. Nachdem man
das ungelöste Salz abgesaugt und auf dem Filter mehrmals mit Ether gewaschen hat,
schüttelt man das restliche Filtrat mit diesem Waschether und noch zweimal mit frischem
Ether tüchtig aus. Der gesamte Etherauszug wird mit einer konzentrierten wässerigen
Natriumcarbonatlösung solange durchgeschüttelt (Scheidetrichter hierbei anfangs nicht
verschließen!) bis er nicht mehr sauer reagiert, trocknet mit wasserfreiem Natriumsulfat,
dampft den Ether ab und rektifiziert den zurückgebliebenen Malonester. Sdp. 195 0 C /
760 Torr, Ausbeute 90—10Og (= 56-63% d. Th.).

1-Phenylbutan-3-on (Ketonspaltung)

a- Benzylacetessigester
In einem auf dem Wasserbad montierten, mit Rührer, Rückflußkühler (Calciumchlorid-
rohr) und Tropftrichter ausgestatteten 500-ml-Dreihalskolben löst man 4,6g (0,2g-
Atome) Natrium in 10OmI absol. Ethanol. Ohne abzukühlen versetzt man mit 26g
(25,0 ml, 0,2 mol) Acetessigsäure-ethylester und tropft dann unter Rühren 26 g (23,5 ml,
wenig mehr als 0,2 mol) Benzylchlorid zu. Daraufhin wird unter Rühren zum Sieden er-
hitzt bis die Lösung neutral reagiert (nach etwa 2 h), dann der Rückflußkühler mit einer
Destillationsbrücke und einem absteigenden Kühler vertauscht und die Hauptmenge des
absol. Alkohols unter Rühren (zur Wiederverwendung) bei schwachem Unterdruck ab-
destilliert. Nach dem Abkühlen wird das Salz unter Kühlung mit Eisstückchen in Wasser
gelöst. Die organische Phase wird durch mehrmaliges Ausethern abgetrennt, nach dem
Abdampfen der mit MgSO4 getrockneten Etherlösung wird im Vak. fraktionierend destil-
414 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

liert. Der a-Benzylacetessigester geht bei 135—138°C/5 Torr über. Man erhält 29g
(52%d.Th.)-

1-Phenylbutan-3-on

22,Og (0,1 mol) a-Benzylacetessigester werden mit der Lösung von 6,0g Natrium-
hydroxid (0,15mol) in 10OmI BOproz. Ethanol bei Zimmertemperatur versetzt und 2 h
unter Rühren am Rückfluß zum Sieden erhitzt. Man dampft den Alkohol ab, verdünnt mit
50 ml Wasser, ethert aus, destilliert das Keton im Vak. und erhält 11,9g (80%d.Th.)
Ausbeute vom Sdp. 115-12O0C / 15 Torr. Das Dinitrophenylhydrazon (hergestellt wie
auf S. 347) schmilzt bei 125-1260C.

Buttersäure via Ethylmalonsäure-diethylester


(H 5 C 2 O 2 C) 2 CHNa + C2H5I > (H 5 C 2 O 2 C) 2 C(H)C 2 H 5
>
(H 5 C 2 O 2 C) 2 C(H)C 2 H 5 Hydrolyse, -CO 2 H 3 CCH 2 CH 2 COOH

Bei Synthesen mit Malonester ist besonders darauf zu achten, daß alle Substanzen und
Lösungsmittel völlig trocken sind und die Apparatur stets durch ein großes frisch ge-
fülltes Calciumchloridrohr abgeschlossen ist. Geringe Mengen Wasser vermindern die
Ausbeute sehr stark.
Ethylmalonester. In einem 250-ml-Schliffkolben mit gut wirkendem Rückflußkühler
und Tropftrichter löst man 4,6 g Natrium (0,2 g-Atom) in 75 ml absol. Alkohol auf, ver-
setzt die erkaltete Lösung allmählich mit 33,6 g Malonsäure-diethylester (0,21 mol)
(Abscheidung von Natriummalonester) und fügt unter Umschütteln in kleinen Anteilen
25 g Ethylbromid (0,23 mol) oder 36 g Ethyliodid (0,23 mol) hinzu. Man erwärmt dann
auf dem Wasserbad, bis die Flüssigkeit nicht mehr alkalisch reagiert, was nach ein bis
zwei h erreicht ist, destilliert den Alkohol im Vakuum auf einem Wasserbad von 40—5O 0 C
ab und nimmt den Ester aus dem Rückstand mit Ether auf (2—3mal extrahieren). Nach
dem Verdampfen des Ethers destilliert man das Rohprodukt im Vakuum. Sdp. 68-7O0C /
12 Torr Ausbeute rund 30g (=80%d.Th.).
Ethylmalonsäure. Die erkaltete Lösung von 15g Kaliumhydroxid in 12ml Wasser
wird in einem kleinen, mit Rückflußkühler versehenen Rundkolben unter Umschütteln
nach und nach mit 19g Ethylmalonester (0,1 mol) versetzt. Die anfangs entstehende
Emulsion erstarrt bald zu einer festen Masse von Kaliumethylmalonester. Man erwärmt
jetzt langsam auf dem schwach siedenden Wasserbad bis die Verseifungsreaktion unter
starker Selbsterwärmung eintritt. Man setzt das Erhitzen noch solange fort, bis die Öl-
schicht verschwunden ist, läßt erkalten, schüttelt das - häufig kristallisierende - Reak-
tionsgemisch im Kolben zur Entfernung von nicht verseiften Esterresten zweimal mit Ether
durch (Gummistopfen aufsetzen!), den man einfach abgießt. Dann säuert man unter Eis-
kühlung mit 5OmI halbkonzentrierter Salzsäure auf pH 2-3 an und schüttelt die Lösung
im Scheidetrichter fünfmal mit je 25 ml Ether aus. Nach dem Verdampfen des mit wasser-
freiem Natriumsulfat getrockneten Ethers bringt man den Rückstand durch Abkühlen
und Reiben zur Kristallisation. Die so gewonnene Ethylmalonsäure ist für die anschlie-
ßende Decarboxylierung zur Buttersäure genügend rein. Eine kleine Probe kristallisiere
man aus Benzol um. Schmp. 111 0C. Ausbeute 12g (96%).
Alkylierung der 1,3-Diketone 415

Buttersäure aus Ethylmalonsäure. 10g Ethylmalonsäure (0,76 mol) werden in einem


kleinen Fraktionierkolben, dessen möglichst langes Kondensationsrohr schräg nach oben
gestellt wird, während das Thermometerrohr verschlossen ist, in einem Ölbad solange auf
180 0 C erhitzt, bis sich kein Kohlendioxid mehr entwickelt, was nach etwa 30 min er-
reicht ist. Den Rückstand destilliert man dann aus dem gleichen Kolben in üblicherweise,
wobei die Buttersäure zwischen 162—163 0 C übergeht. Ausbeute 5-6 g (70-90%).

2-Methyl-1,3-cyclohexandion

KOH

Man versetzt die Lösung von 10g Kaliumhydroxid in 30 ml Wasser mit 30 ml Methanol
und anschließend mit 20g (0,18 mol) 1,3-Cyclohexandion, das man durch Erwärmen
in Lösung bringt. Nach Zusatz von 28g (12,3ml, 0,20 mol) Methyliodid (Vorsicht!
Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149) wird 8 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Ab-
kühlen saugt man den Niederschlag ab und dampft das Filtrat i. Vak. ein. Niederschlag
und Eindampfrückstand werden in 18OmI Sproz. Natronlauge gelöst. Zur Entfernung
neutraler Verunreinigungen schüttelt man mit Ether aus, befreit die wässerige (!) Phase
durch Erwärmen im Rotationsverdampfer von anhaftendem Ether, kühlt dann auf O 0 C
und säuert vorsichtig mit 4N Salzsäure bis pH 4 an. Der Niederschlag wird abgesaugt
und aus wenig Methanol kristallisiert, Ausbeute 11,3g (50%) 2-Methyl-1,3-cyclo-
hexandion vom Schmp. 204 0 C.
Das Präparat findet Verwendung zur Darstellung von 8a-Methyl-1,2,3,4,6,7,8,8 a-
octahydro-1,6-naphthalindion (siehe S. 425).

2- Benzyl -1,3-cyclohexandion

O O O
C 6 H 5 CH 2 Cl JLxCH2C6H5
\'-K+
(KI)
^xWn
Zur Lösung von 11,2g (0,1 mol) 1,3-Cyclohexandion in 22ml 20proz. Kalilauge gibt
man 13,9g (12,6 ml, 0,11 mol) Benzylchlorid und 1 g Kaliumiodid (als Katalysator, vgl.
S. 173) und erwärmt 2 h unter Rückfluß. Nach dem Abkühlen wird Natronlauge bis zur
völligen Lösung des Öles zugesetzt und zur Entfernung von Neutralstoffen ausgeethert.
Die wässerige (!) Phase wird am Rotationsverdampfer i. Vak. vom anhaftenden Ether be-
freit und das Produkt durch Ansäuern mit verd. Salzsäure auf pH 4 ausgefällt. Man saugt
ab und kristallisiert aus viel Methanol, Ausbeute 8,0 g (40%) vom Schmp. 187 0 C. Durch
Einengen der Mutterlauge kann man eine zweite Fraktion gewinnen.
Das Präparat dient zur Darstellung von 7-Phenylheptan-1-säure (siehe S. 544).
416 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

In neueren Arbeiten werden die Natriumsalze der 3-Keto- und Malonester häufig
mit Natriumhydrid in Dimethylformamid dargestellt. Da der Angriff des mesomeren
Anions auf das Alkylhalogenid eine nucleophile Substitution darstellt, beschleunigt
das aprotische, polare Lösungsmittel DMF solche Reaktionen gegenüber Alkohol
als Lösungsmittel, der die Nucleophilität des (mesomeren) Anions durch Bildung von
Wasserstoffbrücken abschwächt (siehe S. 169).
DMF und (in höherem Maße) DMSO verstärken jedoch die Tendenz zur O-Alky-
lierung bei 3-Ketoestern. Die mesomeren Anionen der 1,3-Dicarbonylverbindungen
gehören nämlich, wie zahlreiche andere, zur Klasse der alternativ reagierenden
(ambidenten) Anionen mit zwei verschieden stark nucleophilen Stellen und können
daher bei der Alkylierung oder Acylierung O- oder C-Substitutionsprodukte geben.
Weitere ambidente Ionen:

Cyanid |C=N| < > |C=N>e

Rhodanid fs—C=N | « » S=C=N)


Ö
Diazotat Ar—N=N-Ö| < > Ar-N-N=O

R R
\_e ^O \ °9
Nitroalkanat .C-N « > C=N
RX ^O RX
V^

Phenolat / VO° < > / =O

R
Säureamidat ~cv « » R-C u.a.
e
\

Ein anderes Anion mit dieser Eigenschaft ist uns schon im Nitrit auf S. 165 be-
gegnet, das bei der Alkylierung Gemische von Salpetrigsäureestern (O-Alkylierung)
und Nitroparaffin (N-Alkylierung) ergibt. Schon auf S. 165 wurde zur Erklärung etwa
ausgeführt: Findet die Alkylierung unter SN l-Bedingungen statt, so entsteht mehr
Salpetrigsäureester als Nitroparaffin. Umgekehrt steigt dessen Menge unter SN2-Be-
dingungen, unter denen die stärkere Nucleophilie des Carbanions zur Geltung kommt.
Für die Reaktionsweise aller ambidenten Anionen muß demnach die Natur des
Alkylierungs-(oder Acylierungs)mittels und die Polarität des Solvens maßgebend sein.
Das Lösungsmittel übt zusätzlich durch selektive Solvatationsfähigkeit einen diri-
gierenden Einfluß aus. Der negative Sauerstoff wird durch Lösungsmittelmoleküle mit
Tendenz zur H-Brückenbildung viel stärker umlagert, so daß in solchen sogar Alky-
lierungen des Phenolations, die in den allermeisten Lösungsmitteln nur am Sauerstoff
stattfinden, zu über 50% am Kohlenstoff verlaufen.
C- und O-Alkylierung 417

+C6H5CH2CUn
WassefjPhenol
oderCF 3 CH 2 OH

CH2C6H5

40-70% o-und p- Produkt

Bei den Anionen der 1,3-Dicarbonylverbindungen setzt die Alkylierung norma-


lerweise nur am C-Atom ein. Beim Acetessigester geben Alkylierungsmittel die
über Carbeniumionen wirken, wie Diazomethan, a-Chlormethylmethylether,
ClCH2 — O —CH3, oder Ethyliodid in Gegenwart von Silberoxid mehr oder weniger
große Anteile (100% bzw. 50% bzw. 10%) an O-Alkylverbindung (Alkoxycrotonsäure-
ethylester). O-Ethylacetessigester läßt sich aber besser aus dem Diethylacetal des
Acetessigesters durch Alkoholabspaltung beim Erhitzen gewinnen (formulieren !).
Die Acylierung des Natrium-acetessigesters, also des mesomeren Anions und die
des Natriummalonesters mit Säurechloriden oder Säureanhydriden liefert nur die
C-Acylverbindungen. Mit Acetylchlorid in Pyridin gibt jedoch freier Acetessigester
ausschließlich die O-Acetylverbindung. Diese läßt sich durch Erhitzen mit Kalium-
carbonat (und wenig Acetessigester) zur C-Alkylverbindung umlagern (Claisen).
CH3
O—COCH3 O CO
Il I
HX-C=CH-CO9C9H, H3C-C-CH-CO2C2H5
K 2 CO 3

Aus a-Acylacetessigestern läßt sich mit alkoholischem Natriumhydroxid der Ace-


tylrest bevorzugt abspalten, wodurch /J-Ketoester oft besser als durch Claisen-Kon-
densation zugänglich sind.

OH-
R-CO-CH-CO22^2"
C3H5 RCO-CH2-CO2C2H5 + CH3CO
I
HX-CO

Oxalessigester ist als Anion ebenfalls der C-Alkylierung zugänglich. Der zum Bei-
spiel mit Ethyliodid erhältliche ß-Ethyloxalessigester gibt bei der decarboxylierenden
Verseifung durch Säuren („Ketonspaltung", S. 419) a-Ketovaleriansäure.
C2H5
H5C2O2C-C-COCO2C2H5 > CH 3 CH 2 CH 2 COCO 2 H
H
418 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

a-Ketosäuren aus Azlactonen, siehe S. 371 .


Der oben beschriebenen Acylwanderung ähnlich sind die O —-> C-Verschiebungen
von Alkylresten in einfachen Enolethern, 1-Ethoxystyrol z.B. geht beim Erhitzen in
Butyrophenon über:

.OC2
5Hn
5 O
/
C fi H R —C
CH 2 CH2-C2H5

Man darf diese Reaktion nicht mit der als „Claisen-Umlagerung" bekannten Iso-
merisierung der Allylether von Enolen und Phenolen zu den C-Allylverbindungen
verwechseln, von der die Beispiele des Allylacetessigesters und des Allylphenols
formuliert sind.

XCH
H2C' H 2 C' "CHo

.
CO 2 C 2 H 5 CO 2 C 2 H 5

CH, CH,

,CH
H2C' H2C CH
HO

(Cope -Umlagerung)

Hierbei besteht die Umlagerung in einer sigmatropen Reaktion ^ der Cope-Um-


lagerung des 1,5-Hexadiens vergleichbar.

= CH 2 oder O

1
Sigmatrope Reaktionen sind Umlagerungen im Molekülskelett von Allyl- und vinylogen Allyl-verbin-
dungen, die mit einem Wechsel von ^-Bindungen einhergehen. Bei einer 3.3-sigmatropen Reaktion wan-
dert ein Rest (hier —X—CH=CH 2 ) vom C-I zum C-3 eines Allylsystems
Säure- und Ketonspaltung 419

Der große präparative Wert der CH-aciden Ester liegt darin, daß sich die C-
alkylierten Malonester zu den Malonsäuren verseifen und diese zu Fettsäuren de-
carboxylieren lassen. Die vom Acetessigester abgeleiteten jS-Ketoester lassen sich in
zwei Weisen spalten:
1. Spaltung durch starke Basen (Spaltung zu einer Säure, „Säurespaltung").

R-C -C-C'
OC22 H5 M

Beim Erhitzen mit starken Basen (OH , OR ) wird das Molekül in Umkehrung
der Claisen-Kondensation zwischen a- und ß-C-Atom zerlegt (vgl. reversible Reak-
tionen b und c auf S. 404). Na-Ethylat spaltet zu zwei mol Ester, Na-hydroxid unter
gleichzeitiger Esterverseifung zu zwei Carbonsäure-anionen.
Beispiel: Bernsteinsäure aus Acetessigester + Chloressigester

H3C-CO-CH-CO2R H3C-CO-CH-CO2R QH_ H3C-CO2- H2C-CO2-


mH2
H2C-Ql > H2C-CO2R ° > + H2C-CO2-
CO 2 R

Die Umsetzung mit starken Laugen ist stets von der „Ketonspaltung" begleitet,
was ihren präparativen Wert mindert.
2. Spaltung durch Erwärmen mit verdünnten Laugen oder Säuren in Wasser
(„Ketonspaltung").

O
R—C—C— C
I
OC 2 H R

Bei diesem Vorgehen tritt die Hydrolyse der Estergruppen in den Vordergrund.
Aus alkylierten jß-Ketoestern entstehen dabei intermediär die Salze bzw. die freien
/?-Ketosäuren in Lösung. Da sie leicht CO2 abspalten, isoliert man Ketone (siehe
Präparats. 413).
Beispiel: Lävulinsäure aus Acetessigester + Chloressigester

H3C-CO-CH-CO2C2H5 —-—> H3C-CO-CH-CO2H


H2
I ° I
H 2 C-CO 2 C 2 H 5 H2C-CO2H

H 2 C-CO 2 H
420 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

Die Decarboxylierung erfolgt auch bei den Derivaten der Malonsäure, allerdings
nicht mit derselben Leichtigkeit wie die der /?-Ketonsäuren. Die Synthesen via Malon-
ester ergeben jedoch einheitliche Produkte. Die auf S. 414 dargestellte Ethylmalon-
säure wurde durch trockenes Erhitzen zur Buttersäure decarboxyliert. Die leichte
Decarboxylierbarkeit der jS-Oxosäuren wird von Westheimer auf die Ausbildung
eines H-verbrückten Übergangszustands zurückgeführt, der primär zur Enolform
des resultierenden Ketons führt.
R
'
R-C C=O -> R-C C=O
'Ik J I H
o) Co o o
K H

Eine andere Verwendungsmöglichkeit des Acetessigesters (und des Malonesters)


ist die oxidative Verknüpfung zweier Moleküle durch lod, die beim Natrium-acet-
essigester zum Diacet-bernsteinsäureester und so allgemein zu 1,4-Diketonen führt:

C2H5O2C CO 2 C 2 H 5

H3CCO-C-C-COCH3
H H

2,5- Hexandion -3,4-dicarbonsäure-diethylester

Dehydracetsäure entsteht aus Acetessigester durch intermolekulare Kondensation


(formulieren!). Beim Kochen mit Säuren wird der Lactonring unter Bildung einer
Triketocarbonsäure aufgespalten, die CO2 und H 2 O verliert und so in 2,6-Dimethyl-
y-pyron übergeht.

C^ CO +H n H 3 C-CO OC-CH 3 H 3 C-C C-CH 3


3
Il I ^H ^- I \ . H * -TT7^ H H
HC. .CC^ H2Cx^ /< !"r HC^ /CH
C 2
^C' COCH3 C' CO2H ° C^
II Il II
0 0 0

Wie man leicht einsieht, können 1,3-Diketone nur im Sinne der Säurespaltung auf-
gebrochen werden. H. Stetter hat diese Reaktion auf cyclische 1,3-Diketone ange-
wandt, die nach Alkylierung in der 2-Position zu langkettigen Ketosäuren geöffnet
werden. Aus 1,3-Cyclohexandion erhält man z.B. durch Benzylierung das 2-Benzyl-
derivat (Präparat S. 415), dessen Behandlung mit Natronlauge die 5-Oxo-7-phenyl-
heptansäure ergibt (Verlängerung um 6 C-Atome):
Beispiele für Keton- und Säurespaltung 421

— C6H5CH2CH2CO(CH2)3C02H

Die präparative Durchführung dieser Säurespaltung wird erst bei der Wolff-Kish-
ner-Reduktion beschrieben, mit der die Ketosäure schließlich zur 7-Phenylheptan-
säure reduziert wird (siehe S. 544).
Analog erhält man aus 1,3-Cyclohexandion mit Methyliodid das 2-Methyl-l,3-
cyclohexandion, das weiter unten (S. 425) als Ausgangsmaterial für eine Michael-
Addition verwendet wird.
Genau so wie im Malonester selbst, läßt sich auch in Acylaminomalonestern (oder
Acylaminocyanessigestern oder -acetessigestern) das a-ständige H-Atom durch Alkyl-
reste verschiedener Art ersetzen. Im folgenden Präparat wird Acetaminomalonester
verwendet. Man erhält ihn aus Malonester durch Nitrosierung mit Nitrit in Eisessig,
die zum Oxim des Mesoxalesters führt.

CO2C2H5 CO 2 C 2 H 5 CO 2 C 2 H 5
Redukti n
^H2 + HONO -> C-NOH - ° > HC-NH-COCH3
| | + Acetylierung |
CO 2 C 2 H 5 CO2C2H5 CO2C2H5

Die reduzierende Acetylierung mit Zn-Staub in Eisessig und Essigsäureanhydrid


gibt mit guter Ausbeute das Aminosäurederivat.
Die Malon- und Acetessigester sind auch der Kupplung mit Diazoniumsalzen zu-
gänglich (S. 603). Darstellung der Phenylhydrazone von a-Ketosäureestern (Japp-
Klingemann-Reaktion).

Acetaminomalönsäure-diethylester (Reaktionsgleichung obenstehend)


Isonitrosomalonester (Mesoxalesteroxim). — In einem 1-l-Dreihalskolben, der mit Rührer,
Tropftrichter und Bunsenventil versehen ist, löst man 16Og (1 mol) Malonsäure-diethyl-
ester in 180 ml Eisessig. Dazu gibt man im Verlauf von 8 h portionsweise unter gutem
Rühren eine gesättigte wässerige Lösung von 190 g Natriumnitrit. Die anfangs grüne klare
Lösung wird allmählich trübe und erwärmt sich auf 35—4O 0 C. Nach Zugabe des Nitrits
trennt man in einem Scheidetrichter die Schichten und schüttelt die obere organische
Phase einmal gründlich mit gesättigter Kochsalzlösung durch. Am nächsten Morgen wird
die untere Kochsalzlösung abgelassen und der obere rohe Isonitrosomalonester durch
eine 2 cm dicke feste Schicht von wasserfreiem Natriumsulfat auf der Nutsche abgesaugt,
wodurch er wasserklar wird. Man erhält etwa 18Og.
Acetaminomalonsäure-diethylester. — Der gesamte rohe Isonitrosomalonester wird in
einem 2-I-Weithals-Rundkolben in einer Mischung von 500 ml Eisessig und 500 ml
Essigsäureanhydrid gelöst. Unter sehr gutem Rühren trägt man portionsweise 17Og
guten Zn-Staub, so ein, daß die Temperatur nicht über 5O 0 C steigt. Bei guter Außen-
422 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

kühlung (Topf mit durchfließendem Leitungswasser) braucht man dazu höchstens 2 h.


Man rührt noch weitere 2 h unter Kühlung, läßt absitzen und saugt vom Zinkacetat ab.
Ohne ganz trocken zu saugen, wäscht man mit wenig Essigsäureanhydrid nach und hört
mit dem Durchsaugen auf, sobald die Nutsche mit dem trockenen Niederschlag sich er-
wärmt. Niederschlag sofort mit viel Wasser aufschwemmen! Das Filtrat wird im sieden-
den Wasserbad i. Vak. völlig eingedampft und der feste Rückstand aus 150-20OmI
heißem Ethanol umkristallisiert. Man stellt über Nacht in den Eisschrank und erhält grobe
farblose Kristalle vom Schmp. 94—96 0 C. Ausbeute: 130-14Og (60-65 d. Th.).

D,L-Tryptophan

CH3CONHCH(C02C2H5)2 --

Skatyl-acetaminomalonsäure-diethylester. — Die Reaktion wird in extrem wasserfreiem


Ethanol ausgeführt, das nach der auf S. 111 beschriebenen Methode bereitet wurde. In
250 ml dieses Alkohols, die sich in einem 500-ml-Zweihals-Schliffkolben befinden, wer-
den 2,8g (0,12g-Atom) Natrium gelöst, dann 21 g (0,12mol) Gramin (S. 353) und
26g (0,12mol) Acetaminomalonester (vorstehendes Präparat). Jetzt gibt man 30g
(0,24 mol) Dimethylsulfat (Vorsicht giftig) portionsweise so schnell zu, daß der Ansatz
nicht zum Sieden kommt und läßt ihn verschlossen 4 h bei Raumtemperatur stehen.
Dann wird in 1—21 Eiswasser eingegossen und das fest abgeschiedene Reaktionsprodukt
abgesaugt, das man mit wenig Wasser wäscht und im Exsikkator trocknet. Man erhält
30g (75%) Rohprodukt. Eine aus wässerigem Alkohol umkristallisierte Probe schmilzt
bei 152-1 53 0 C.
Tryptophan. - 30 g (ca. 0,1 mol) des vorstehend erhaltenen rohen Skatylaminomalon-
esters werden mit einer Lösung von 19g Natriumhydroxid in 190 ml Wasser 4 h unter
Rückfluß zum Sieden erhitzt. Gegen Ende setzt man etwas Aktivkohle zu, filtriert durch
ein Faltenfilter in einen 0,5-l-Stutzen und versetzt unter Eiskühlung mit 50 ml eiskalter
konz. Salzsäure, wobei die Temperatur nicht über 25 0 C ansteigen darf. Nach mehrstün-
digem Aufbewahren im Kühlschrank wird die leicht rosa gefärbte Skatyl-acetaminomalon-
säure abgesaugt und sofort decarboxyliert. Hierzu erhitzt man sie mit 12OmI Wasser
2—5 h unter Rückfluß. Ohne auf eine etwaige Ausscheidung des Decarboxylierungspro-
dukts /V-Acetyltryptophan Rücksicht zu nehmen, versetzt man dann mit einer aus 16g
NaOH und 40 ml Wasser hergestellten Lauge und erhitzt zur Hydrolyse der Acetylver-
bindung weitere 20 h unter Rückfluß zum Sieden. ,Dann wird mit Aktivkohle entfärbt,
heiß filtriert und das Filtrat nach dem Erkalten mit 24 ml Eisessig angesäuert, wobei ein
reichlicher Niederschlag ausfällt, der sich beim Aufbewahren im Kühlschrank noch ver-
mehrt. Man saugt am anderen Tag ab und kristallisiert auf folgende Weise um: In 200 ml
Wasser, das 5 g NaOH enthält, auflösen, filtrieren, mit 100 ml 96proz. Alkohol versetzen,
auf 7O 0 C erwärmen und 7,5 ml Eisessig zugeben. Beim langsameren Abkühlen scheidet
sich D, L-Tryptophan in Kristallen ab, die abgesaugt, mit wenig Eiswasser, dann mit
Alkohol und schließlich mit Ether gewaschen werden. Sie zersetzen sich ab 17O 0 C. Man
erhält 14g (80% bez. auf Skatylaminomalonester).
Synthese von Tryptophan und Glutaminsäure 423

Durch Substitution des a-Wasserstoffs in Acylaminomalonestern und Hydrolyse


unter Decarboxylierung lassen sich in genereller Weise a-Aminosäuren synthetisie-
ren. Die Alkylierung wird oft mit Hilfe der Alkylhalogenide vorgenommen, z. B. mit
Benzylchlorid, was zum Phenylalanin führt. Bei der Tryptophansynthese macht man
von der alkylierenden Eigenschaft der Mannich-Basen Gebrauch (siehe S. 354). In
ihnen läßt sich der Stickstoff durch nucleophile Substituenten ersetzen, besonders
leicht wenn er im quartären, positiven Zustand vorliegt. Die Substitution durch das
Anion des Acetaminomalonesters führt zur Vorstufe des Tryptophans.

^
JC-NHCOCH 3

W2H5

/O2C2H5
CH2-C — NHCOCH3 —- —- D ,L- Tryptophan

W2H5

Michael-Addition

D,L-Glutaminsäure aus Acrylnitril

CH 3 CONHCH(CO 2 C 2 H 5 ) 2 + H2C=CHCN >

H+ H2
CH 3 CONHC(CO 2 C 2 H 5 ) 2 ' ° > HO 2 CCH 2 CH 2 CHCO 2 H
H 2 CCH 2 CN NH2

ß-Cyanethyl-acetaminomalonester. — In einem 250-ml-Schliffkolben, der mit einem


CaCI2-Rohr verschlossen ist, löst man 0,1 g Natrium in 50 ml absol. Alkohol. Danach
gibt man 21,7 g (100 mmol) Acetaminomalonester (Präparat S. 421) zu und versetzt die
Suspension unter Schütteln und Außenkühlung mit Eiswasser innerhalb einiger Minuten
mit 6,1 g (115 mmol) Acrylnitril. Der klare Ansatz bleibt 1 h bei Raumtemperatur stehen
und wird dann unter öfterem Umschütteln im Eisbad abgekühlt. Die ausgeschiedenen
Kristalle werden abgesaugt und mit dem geringfügigen Niederschlag vereinigt, der beim
Eingießen der alkoholischen Mutterlauge in 200 ml Eiswasser ausfällt. Im ganzen erhält
man 22-25 g (ca. 90%) trockenen Nitrilester vom Schmp. 92-940C.
D, L-Glutaminsäure. — 21,6g (80 mmol) Cyanethyl-acetaminomalonester werden mit
75 ml konz. Salzsäure 6 h unter Rückfluß zum Sieden erhitzt. Nach dem Eintrocknen
i. Vak. nimmt man den Rückstand in 25 ml Wasser auf, stellt mit konz. Ammoniak ein pH
von 3 ein und gibt 50 ml Alkohol zu. Das beim Reiben der Gefäßwand bald kristalli-
sierende Glutaminsäuremonohydrat wird nach einigen Stunden abgesaugt und zum Um-
424 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

kristallisieren in 50—80 ml kochendem Wasser gelöst (einige Kristalle zum Impfen zurück-
behalten!). Nach dem Filtrieren wird die heiße Lösung (ca. 8O 0 C) mit demselben Volu-
men 96proz. Alkohol versetzt, angeimpft und unter öfterem Umrühren im Eisbad abge-
kühlt. Nach 1—2 h wird abgesaugt, mit 20 ml Alkohol gewaschen und an der Luft ge-
trocknet. Man erhält 6,5-7,5 g (49-57%d.Th.) des D, L-Glutaminsäure-monohydrats,
das sich ab 199 0 C zersetzt.

Eine der Carbonylgruppe oder einem ähnlichen Akzeptor (z. B. —CN, —NO 2 ) be-
nachbarte Kohlenstoffdoppelbindung stellt ein mesomeres System dar, in dem der
/J-Kohlenstoff eine starke positive Partialladung trägt:

\ß a \+ __
f * —— [*—^f* f\ f^ /"* f* ^l
^C-C C-O — /C-C-C-O|

/(!=C—C = NI « > )c—C=C=Uf


X X
I I

Sie ermöglicht die Addition nucleophiler1 Agenzien, z.B. von NH 3 an Acryl-


ester zum ß-Alaninester. Die entsprechende Addition von Carbanionen an solche
Systeme bezeichnet man als Michael-Addition. Diese stellt eine bedeutungsvolle prä-
parative Möglichkeit zur C,C-Verknüpfung dar.
Während das oben verwendete Acrylnitril einer der stärksten Michael-Akzeptoren
ist, gelingt die Reaktion auch mit «,^-ungesättigten Estern, z. B. mit Maleinsäure-
ester:
O
Il
ROC\ /H K+ CH3CO CO2R
Il 1.CH 3 COCHCO 2 R—^ \H_(LH_CH C0 R
,C. 2. H 3 O + /
^H RO 2 C

Geht man vom Anion des Malon- oder des Acetessigesters aus, so lassen sich die
Produkte den üblichen Decarboxylierungsreaktionen und Säurespaltungen unter-
werfen. Letzteres gilt auch für die Michael-Addukte der 1,3-Cyclohexandion-Anionen
an Acrylnitril und andere elektronenarme Olefine nach Stetter:

-CH7-CN

Die normale Addition an die isolierte Doppelbindung der Olefine wird bekanntlich durch einen elektro-
philen Schritt eingeleitet (vgl. S. 190).
Michael-Addition 425

NaOH
HO 2 CCH 2 CH 2 CHCOCH 2 CH 2 CHCOH

Man unterrichte sich über die Stereochemie der Addition von Na-Malonester an
4-/m-Butyl-l-cyclohexen-l-carbonitril (Abramovitch, Tetrahedron 24, 357 [1968]).
Häufig sind für die Durchführung der Michael-Addition katalytische Mengen Base
ausreichend. So lagert sich Acetaminomalonester unter der Wirkung von wenig
Ethylat an die Doppelbindung des Acrylnitrils an. Die katalytische Menge genügt,
da das im Primärschritt gebildete Carbeniation als stärkere Base dem zuvor aus
Ethylat entstandenen Alkohol das Proton entzieht, wodurch Ethylat wieder gebildet
wird.
CO2C2H5 CO 2 C 2 H 5
I
CH3CONH-C-CO2C2H5 + C 2 H 5 OH CH3CONH-C-CO2C2H5 + C 2 H 5 O'
H2C-CH-CN H2C-CH2-CN

Das Additionsprodukt gibt nach der Hydrolyse der Nitril-, Ester- und N-Acetyl-
Gruppen unter Decarboxylierung D, L-Glutaminsäure.
Genügend reaktionsfähige Partner wie 2-Methyl-l,3-cyclohexandion und Me-
thylvinylketon gehen die Michael-Reaktion gelegentlich schon ohne Katalysatorzu-
satz in warmem Wasser ein:

Das dabei gebildete 2-Methyl-2-(3-oxobutyl)-l,3-cyclohexandion cyclisiert leicht


unter Aldol-Kondensation zu dem bicyclischen Diketon 8a-Methyl-l,2,3,4,6,7,8,8a-
octahydro-l,6-naphthalindion. Bei der hier angewandten azeotropen Destillation
mit Pyrrolidin verläuft der Ringschluß über das Enamin.

HoC
-H 9 O

OH

8a-Methyl-1,2,3,4,6,7,8,8a-octahydro-1,6-naphthalindion
In einem 100-ml-Schliffkolben rührt man die Suspension von 5 g 2-Methyl-1,3-cyclo-
hexandion (40 mmol, Herstellung S. 415) und 5,4g Butenon (Methylvinylketon,
426 Kapitel VIII. Synthesen mit Estern

77 mmol) in 50 ml Wasser 6 h bei 65 0 C. Anschließend entfernt man überschüssiges


Methylvinylketon bei 40 0 C i.Vak. am Rotationsverdampfer, sättigt die wässerige Lö-
sung mit NaCI und extrahiert dreimal mit Methylenchlorid. Die CH2CI2-Lösung wird über
Natriumsulfat getrocknet, eingedampft und ihr Rückstand im Hochvakuum in einem
Kugelrohr destilliert (Badtemperatur 12O 0 C / 0,2Torr). Man erhält 6,5g Michael-Ad-
dukt (83%).
Die Lösung des Produkts in ca. 25 ml Benzol wird unter Kühlung mit 0,3 ml Pyrrolidin
versetzt und anschließend am Wasserabscheider gekocht, bis das Benzoldestillat klar
übergeht. Nach dem Abkühlen verdünnt man das Reaktionsgemisch mit Ether und wäscht
das Pyrrolidin mit 1N Salzsäure heraus (bis die Waschlösung sauer bleibt). Anschließend
wäscht man mit Wasser und gesättigter NaCI-Lösung, trocknet über Natriumsulfat, fil-
triert, dampft i. Vak. ein und filtriert den Rückstand mit Methylenchlorid, dem man lang-
sam bis zu 3% Essigsäure-ethylester zusetzt, über 15Og Kieselgel. Das Filtrat wird ein-
gedampft und der Rückstand bei 0,2 Torr und 115°C Badtemperatur in einem Kugel-
rohr destilliert. Man erhält 4,4g (75%) öliges Produkt, das im Kühlschrank kristallisiert.
Die Kristalle können mit kaltem Ether gewaschen oder aus wenig Ether umkristallisiert
werden und schmelzen dann bei 49—5O 0 C.

Auch die in Kapitel VII (S. 379) besprochenen Anionen der Cyanhydrine lassen sich
in einer Michael-Reaktion an elektronenarme Doppelbindungen addieren (,Addition
von Aldehyden an aktivierte Doppelbindungen", H. Stetter).

Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII

H. Henecka, Carbonsäureester durch Esterkondensationen, Methoden der organischen Chemie


(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. S9 S. 560, Thieme, Stuttgart 1952.
C.R. Hauser und B.E. Hudson jr., The Acetoacetic Ester Condensation and Certain Related
Reactions, Org. React. /, 266 (1942).
C.R. Hauser, F.W. Swamer und J.T. Adams, The Acylation of Ketones to Form /?-Diketones or
0-Keto Aldehydes, Org. React. 5, 59 (1954).
J. P. Schaefer und JJ. Bloomfield, The Dieckmann Condensation, Org. React. /5, l (1967).
W. S. Johnson, The Formation of Cyclic Ketones by Intramolecular Acylation, Org. React. 2,114
(1944).
O. Bayer, Aldehyde aus a,ß-Epoxy-carbonsäuren und Aufbau von Aldehyden aus Carbonyl-
Verbindungen, Methoden der organischen Chemie (Houben -Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1,
S. 326, Thieme, Stuttgart 1954.
M. S. Newman und B. J. Magerlein, The Darzens Glycidic Ester Condensation, Org. React. 5,413
(1949).
M. Ballester, Mechanisms of the Darzens and Related Condensations, Chem. Rev. 55,283 (1955).
H. Henecka, Carbonsäureester durch Abwandlung anderer Carbonsäureester unter Erhalt der
Estergruppe, Alkylierung, Acylierung u.a., Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. S9 S. 600, Thieme, Stuttgart 1952.
A. C. Cope, H. L. Holmes und H. O. House, The Alkylation of Esters and Nitriles, Org. React. 9,
107(1957).
Weiterführende Literatur zu Kapitel VIII 427

H. O. House, The Alkylation of Active Methylene Compounds in Modern Synthetic Reactions,


2. Aufl., S. 492, W. A. Benjamin, Menlo Park 1972.
H. Stetter, Darstellung langkettiger Carbonsäuren ausgehend von Cyclohexandionen-(l,3),
Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 2, S. 34, Verlag
Chemie, Weinheim 1960; Angew. Chem. 67, 769 (1955).
D.S. Tarbeil, The Claisen Rearrangement, Org. React. 2, l (1944).
S. J.Rhoads und N.R.Raulins, The Claisen and Cope Rearrangements, Org. React. 22, l (1975).
H. Henecka, Michael-Addition, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller),
4. Aufl., Bd. 5, S. 590, Thieme, Stuttgart 1952.
E. D. Bergmann, D. Ginsburg und R. Pappo, The Michael Reaction, Org. React. 10, 179 (1959).
H. O. House, The Michael Reaction in Modern Synthetic Reactions, 2. Aufl., S. 595, W. A. Benja-
min, Menlo Park 1972.
H.A. Bruson, Cyanoethylation, Org. React. 5, 79 (1949).
IX. Metallorganische Verbindungen

Experimente:

Synthese von Alkoholen


Methylmagnesiumiodid, l - Methyl -1 - cyclohexanol
Benzhydrol aus Benzaldehyd
Triphenylcarbinol aus Benzoesäure-ethylester
Synthese eines Ketons aus einem Nitril: Acetophenon
Synthese einer Carbonsäure: Cyclohexancarbonsäure
Vinylmagnesiumbromid, l -Vinyl -1 -cyclohexanol
Beispiel eines Ethinylmagnesiumbromids, 4-Phenyl-3-butin-2-ol
Reformatzky-Reaktion, 1-Hydroxyclohexylessigsäure-ethylester
aus Cyclohexanon und Bromessigsäure-ethylester
n-Butyllithium
2-Diphenylhydroxymethyl-2-ethyl-l,3-dithian
Benzylierung von Isobutyraldehyd-cyclohexylimin
2,2 - Dirnethyl - 3 - phenylpropanol
2-Methylthiodecansäure-ethylester
Versuch: (E)-2-Decensäure-ethylester über das Sulfoxid
3,3,5,5 -Tetramethylcyclohexanon
3- Phenyl-2-propanol
Versuch: Bereitung eines Ylens
l-(3-Nitrophenyl)-l,3-butadien
l,4-Diphenyl-l,3-butadien
m - Nitrozimt säure - methylester
a) Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran
b) m -Nitrozimtsäure-methylester
Cyclohexylidenessigsäure-ethylester
Dimethylsulfoxoniummethylid und 1,1-Diphenyloxiran
die Metall-Kohlenstoff-Bindung 431

IX. Metallorganische Verbindungen

In den metallorganischen Verbindungen ist ein Metall unmittelbar an Kohlenstoff


gebunden. Die Metall-Kohlenstoff-Bindung ist im allgemeinen stark polarisiert, da
Metalle eine viel geringere Elektronegativität als Kohlenstoff besitzen. Häufig ist die
ionische Grenzform gemäß

Me-C- < » Me® |C—

deshalb auch stark beteiligt. Die Carbanionen der metallorganischen Verbindungen


sind starke Nucleophile, die für viele bedeutende Reaktionen herangezogen werden
können.
Zur Darstellung metallorganischer Verbindungen dienen hauptsächlich der Halo-
gen-Metall-Austausch

R—HaI + 2Me 1 > R-Me + MeHaI

und die Metallierung aktivierter C,H- Bindungen mit Metallen oder anderen metall-
organischen Verbindungen.

-C-H + Me > -C-Me + ^H 2

-C-H + RMe > -C-Me + RH

Weniger wichtige Darstellungsmethoden wie Ummetallierung und Addition von


Metallhydriden an Mehrfachbindungen werden an entsprechender Stelle behandelt.

Grignard-Verbindungen

Synthese von Alkoholen

Methylmagnesiumiodid, 1 - Methyl-1 -cyclohexanol

O HO CH,

-I- CH 3 MgI — —

In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter (Calciumchloridrohre)


und Rührer läßt man auf 6,1 g Magnesiumspäne (0,25 g-Atom) nach und nach die Lo-
432 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen

sung von 41 g (18ml, 0,29 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vgl.
S. 149) in 60 ml absol. Ether fließen. Nach Zugabe von ca. 10 ml wartet man das Ein-
treten der Reaktion ab (Selbsterwärmung unter Sieden des Ethers), das sich durch Ein-
trübung des Ethers ankündigt. Wenn die Reaktion nicht spontan anspringt, setzt man ein
Körnchen lod zu und erwärmt vorsichtig, wenn sie zu heftig wird, kühlt man das Reak-
tionsgefäß von außen mit Eiswasser. Der Hauptteil der Lösung aus dem Tropftrichter
wird so zugefügt, daß das Gemisch ständig am Sieden bleibt. Man spült den Tropftrichter
mit etwas absolutem Ether und erwärmt das Reaktionsgemisch beim Abflauen der Um-
setzung 30 min mit einer Schale heißem Wasser zum Sieden. Danach ist das Magnesium
fast ganz aufgelöst. Man kühlt nun mit Eiswasser und gibt aus dem Tropftrichter unter
Rühren die Lösung von 19,6 g (21 ml, 0,20 ml) Cyclohexanon in 20 ml Ether langsam zu.
Anschließend erhitzt man noch 15min zum Sieden. Zur Zersetzung des Grignard-Ad-
dukts kühlt man wieder mit Eiswasser und setzt solange ca. 7proz. Salzsäure zu, bis sich
alles Magnesiumhydroxid aufgelöst hat. Die Etherphase wird abgetrennt und die wässe-
rige Phase noch zweimal mit Ether extrahiert. Die vereinigten Etherphasen werden mit
Wasser und konzentrierter Natriumhydrogencarbonatlösung (zur Entfernung von Säure-
resten) gewaschen und über Kaliumcarbonat getrocknet. Nach dem Abdampfen des
Ethers i. Vak. destilliert man den Rückstand im Wasserstrahlvakuum und erhält 18,Og
(79%) 1-Methyl-1-cyclohexanol, das bei 69—72 0 C / 25 Torr übergeht und bei Kühlung
im Eisbad zu einer bei 25 0 C schmelzenden Kristallmasse erstarrt.

Nicht spontan reagierende Grignard-Ansätze können meistens durch Zugabe eines


lodkristalls in Gang gebracht werden. Wenn dieses Mittel versagt, kann man einige
Magnesiumspäne, die mit absol. Ether vorher durch Dekantieren fettfrei gewaschen
wurden, im Reagenzglas zusammen mit einigen Körnchen lod bis zu dessen Subli-
mation über freier Flamme erhitzen und das so „angeätzte" Metall dem Ansatz zu-
setzen. Oft hilft es auch, eine Grignard-Reaktion mit wenigen Magnesiumspänen in
Ether mit einem gut reagierenden Alkylhalogenid (CH3I, C 2 H 5 Br) im Reagenzglas
anlaufen zu lassen und den lebhaft reagierenden Ansatz rasch in den Hauptkolben
einzukippen, wenn in diesem außer Magnesium und Ether erst wenig des reaktions-
trägen Halogenids enthalten ist. - Manche Halogenide reagieren nur in der Wärme
oder im Verlauf von 1-2 Tagen mit dem Metall. In solchen Fällen muß wegen der
Autoxidation des Grignard-Reagenzes unter Schutzgas gearbeitet werden.

Benzydrol aus Benzaldehyd

C 6 H 5 CHO + C 6 H 5 MgBr > (C 6 H 5 ) 2 C(H)OH


In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter (Calciumchloridrohre)
und Rührer läßt man auf 3,2g Magnesiumspäne (0,132 g-Atom) nach und nach die
Lösung von 29 g (19 ml, 127 mmol) reinem, konstant siedendem Brombenzol in 50 ml
absol. Ether fließen. Man wartet nach Zugabe von etwa einem Viertel der Lösung das
Eintreten der Reaktion ab (Selbsterwärmung unter Sieden des Ethers). Durch Eintragen
eines kleinen Körnchens lod wird die Reaktion, die sich bisweilen hartnäckig verzögert,
sicher und rasch in Gang gebracht. Bei der Bereitung der Phenylmagnesiumbromidlösung
Beispiele für Grignard-Reaktionen 433

ist es wichtig, die Umsetzung durch zeitweise Kühlung in mäßigen Grenzen zu halten
und den Zufluß des Brombenzols so zu regulieren, daß sie immer von selbst eben weiter-
geht. Aus dem Tropftrichter wird das restliche Brombenzol mit wenig absol. Ether in den
Kolben gespült. Wenn das Metall zum größten Teil gelöst ist und sich ein Abflauen des
Prozesses bemerkbar macht, erhitzt man die Lösung in einer Schale mit warmem Wasser
zum Sieden, bis nur noch einige Flitter von Magnesium übrig sind. Dann kühlt man in
Eiswasser und läßt unter Rühren, zuerst unter Kühlung, 10,6g (1OmI, 0,1 mol) frisch
destillierten Benzaldehyd, mit 1OmI Ether gemischt, in rascher Tropfenfolge in die
Grignardlösung einfallen. Zum Schluß läßt man noch 15min lang am Rückflußkühler
sieden, bringt in die wieder erkaltete Lösung unter gleichzeitiger Außenkühlung auf ein-
mal 20—30 g Eis, dann zur Lösung des Magnesiumhydroxids die eben nötige Menge
halbkonz. Salzsäure, trennt die Etherschicht im Scheidetrichter ab und extrahiert mit
wenig frischem Ether nach. Sollte an einem mit der Etherlösung benetzten Glasstab noch
Benzaldehydgeruch wahrnehmbar sein, schüttelt man die Lösung nach dem Einengen
auf das halbe Volumen erst 5 min lang mit einer 40proz. Lösung von NaHSO3 kräftig
durch, dann mit wenig Na2CO3-Lösung, trocknet kurz mit Calciumchlorid und erhält
nach dem Verdampfen des Ethers das Benzhydrol als bald erstarrendes Öl. Ausbeute
nach dem Abpressen auf Ton 12—14g (75—80%). Der Alkohol kann aus Ligroin oder
aus wenig Ethanol umkristallisiert werden. Schmp. 68 0 C.

Triphenylcarbinol aus Benzoesäure-ethylester


C 6 H 5 CO 2 C 2 H 5 + 2C 6 H 5 MgBr > (C 6 H 5 J 3 COH
Zu der wie beim vorstehenden Präparat, aber aus der doppelten Menge Magnesium und
Brombenzol bereiteten Grignardlösung läßt man 15g (14,3ml, 0,1 mol) Benzoesäure-
ethylester, gemischt mit 15 ml absol. Ether unter den gleichen Bedingungen wie dort zu-
tropfen, hält zum Schluß noch eine halbe h im Sieden und arbeitet wie beschrieben auf.
Der feste Rückstand von Triphenylcarbinol wird aus Benzol umkristallisiert. Farblose
Prismen vom Schmp. 162 0 C. Ausbeute 20g (- 77% d. Th.).

Beim Erhitzen von Benzhydrol in indifferenten Lösungsmitteln bildet sich schon


in Gegenwart minimaler Säuremengen der Di-benzhydrylether (SN l -Reaktion des
Carbeniumions). Das ist der Grund, warum bei der präparativen Darstellung von
Benzhydrol die vollständige Entfernung von schwefliger Säure durch Ausschütteln
mit Natriumcarbonatlösung notwendig ist. Da Triphenylmethyl-(Trityl-)ether aus
demselben Grund durch milde Säureeinwirkung (oder auch durch katalytische Hy-
drierung) gespalten werden, kann die Tritylgruppe zur vorübergehenden Blockierung
von OH-Gruppen, z. B. in der Zuckerchemie sowie von Thiol- und Aminogruppen
in der Peptidchemie dienen.
434 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen

Synthese eines Ketons aus einem Nitril


Acetophenon
NMgBr
Il H O3 +
CH3CN + C 6 H 5 MgBr -> CH3-C-C6H5 > CH 3 COC 6 H 5

Man stellt sich nach der oben gegebenen Vorschrift aus 40 g (26,6 ml, 0,25 mol) Brom-
benzol und 6,4 g (0,25 g-Atom) Magnesium eine etherische Lösung von Phenylmagne-
siumbromid her, läßt dazu die Lösung von 8,0g (10 ml, 0,195 mol) Acetonitril in 10 ml
Ether tropfen und erhält das Reaktionsgemisch noch 1 h auf dem Wasserbad im Sieden.
Dann gießt man in einen 1-1 -Rundkolben auf Eis, fügt 100 ml etwa 8N Schwefelsäure
zu, treibt den Ether und das entstandene Acetophenon mit Wasserdampf über, ethert
das Destillat aus, trocknet mit CaCI2 und destilliert das Keton nach dem Wegdampfen des
Ethers fraktionierend i. Vak. Sdp. 88 0 C /12 Torr. Ausbeute 10— 12g (45-50% d. Th.).
Das Destillat muß wasserhell sein und beim Abkühlen in Eis kristallisieren. Schmp. 22 0 C.
Analog kann aus Benzylmagnesiumchlorid und Acetonitril Phenylaceton (1-Phenyl-
2-propanon) bereitet werden. Das Keton wird über die Hydrogensulfitverbindung ge-
reinigt und i. Vak. destilliert. Die Ausbeute übersteigt nicht 25%, bezogen auf Acetonitril.

Synthese einer Carbonsäure


Cyclohexancarbonsäure

In einem mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter (Calciumchloridrohre) ausgestatte-


ten 250-ml-Rundkolben werden 4,85g (0,20 g-Atom) Magnesiumspäne nach Zugabe
einiger lodkristalle mit 3,0 ml von bereitgestellten 23,7 g (23,7 ml, 0,2 mol) Cyclohexyl-
chlorid (S. 144) und 1,OmI absol. Ether versetzt. Man erwärmt vorsichtig mit kleiner
Flamme bis die Reaktion angesprungen ist, was sich am freiwilligen Sieden des Ansatzes
zeigt. Nun wird mit 25 ml absol. Ether verdünnt und die Hauptmenge des Cyclohexyl-
chlorids, vermischt mit 25 ml absol. Ether mit einer solchen Geschwindigkeit eingetropft,
daß der Ether stets am Sieden bleibt. Zum Abschluß wird noch 15 min auf dem Wasser-
bad zum Sieden erhitzt. Während der Reaktionskolben jetzt mit Leitungswasser abge-
kühlt wird, zerschlägt man, zunächst unter einem Tuch, dann in einer großen Reibschale
rasch 350 g (8 mol) frisch vom großen Stück abgebrochenes festes Kohlendioxid (Trok-
keneis) zu erbsengroßen Stückchen, füllt diese sofort in ein 1 - 1 - Becherglas und gießt die
Grignardlösung möglichst rasch darauf (starke CO2-Entwicklung). Schnelles Arbeiten ist
erforderlich, weil das feste CO2 aus der Luft rapide Wasser ankondensiert. Man rührt
einige min mit einem kräftigen Glasstab um und versetzt dann unter stetigem Umrühren
mit 20OmI 2IM Salzsäure, wobei das überschüssige Trockeneis verdunstet. Im Scheide-
trichter trertnt man die wässerige Schicht vom Ether, schüttelt sie nochmals mit 50 ml
Ether aus und vereinigt die Etherlösungen. Sie werden dann 2 mal mit 50 ml 2 N Natron-
lauge ausgeschüttelt, wobei die Säure als Salz herausgelöst wird. Um den gelösten Ether
zu entfernen, wird die alkalische Lösung in einer Saugflasche mit aufgesetztem Gummi-
Spezielle Anwendungen der Grignard-Reaktion 435

stopfen an der Wasserstrahlpumpe unter Schütteln 5 min lang dem Unterdruck ausge-
setzt. Dann säuert man unter Eiskühlen und Umschütteln mit 50 ml konz. Salzsäure an,
wobei die Säure meist zuerst ölig, aber bald kristallisierend ausfällt. Man erhält 14—15 g
Rohprodukt, die nach dem Absaugen und Trocknen im Exsikkator über konz. H 2 SO 4
durch Vakuumdestillation aus einem kleinen Schwertkolben gereinigt werden. Bei 122 bis
124 0 C / 15 Torr gehen 13-15 g (50-60% d.Th.) rasch erstarrende Säure über, die bei
31 0 C schmelzen.
Der nicht sehr intensive, aber auf die Dauer unangenehme Geruch der alicyclischen
Fettsäure haftet tagelang an Händen und Kleidern. Deshalb vermeide man Verspritzen
und unsauberes Arbeiten hier besonders.

Vinylmagnesiumbromid, 1-Vinyl-1-cyclohexanol
THF
H2C = CHBr+ Mg -^-— H2C = CHMgBr

HO CH = CH2

In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter (Calciumchlorid-


rohre) werden 6,1 g (0,25 g-Atom) Magnesiumspäne mit 80 ml absol. Tetrahydrofuran 1
übergössen und mit einem Körnchen lod versetzt. Aus 32,Og (21 ml, 0,30 mol) Vinyl-
bromid und 80 ml absol. THF, die beide im Tiefkühlschrank vorgekühlt sind (Vinyl-
bromid siedet bei 16 0 C!) bereitet man eine Lösung, von der man aus dem Tropftrichter
sofort ca. 5 ml zulaufen läßt. Nun rührt man und erwärmt gegebenenfalls vorsichtig mit
einem warmen Wasserbad, bis sich der Beginn der exothermen Reaktion durch Verblassen
der lodfarbe zu erkennen gibt. Danach wird der Rest der Vinylbromidlösung langsam so
eingetropft, daß das Reaktionsgemisch eine Temperatur von 40-5O0C behält. An-
schließend erwärmt man von außen für 30min auf 5O 0 C. Danach ist alles Magnesium
verbraucht. Man kühlt langsam unter Rühren zunächst auf Raumtemperatur und dann
auf O 0 C. Dabei scheidet sich das Vinylmagnesiumbromid feinkristallin ab. Bei O 0 C wer-
den unter weiterem Rühren 19,6g (0,20 mol) Cyclohexanon in 50 ml absol. Ether zu-
getropft. Anschließend rührt man über Nacht bei Raumtemperatur und gießt dann auf
15OmI gesättigte, eisgekühlte und mit Eisstücken versetzte Ammoniumchloridlösung,
trennt die organische Phase ab und schüttelt die wässerige Phase noch dreimal mit je
100 ml Ether nach. Die vereinigten organischen Lösungen werden über wenig Natrium-
sulfat von anhaftenden Wassertropfen befreit, filtriert und zur Entfernung des Tetra-
hydrofurans am Rotationsverdampfer bei nicht mehr als 5O 0 C Badtemperatur einge-
dampft. Man nimmt den Rückstand mit 10OmI Ether auf und trocknet sorgfältig über
Pottasche. Nach Filtrieren und Abdampfen des Ethers geht der Rückstand bei 15 Torr
und 66-69 0 C über: 16,3 g (65%), die beim Abkühlen zu einer bei ca. 5 0 C schmelzen-
den Masse erstarren.

Vorsicht bei der Reinigung von THF, vgl. Warnung in Organic Syntheses, CoIl. Vol. 5, S. 976, J. Wiley
and Sons, New York, London, Sydney, Toronto 1973.
436 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen

Mit Vinylrnagnesiumc/7/o/vtf ist die Ausbeute höher, jedoch kann nicht mehr auf einen
mit Kühlsole gespeisten Rückflußkühler verzichtet werden.

Beispiel eines Ethinylmagnesiumbromids, 4-Phenyl-3-butin-2-ol

C6H5C=CH + C 2 H 5 MgBr > C6H5C=CMgBr + C2H6


C6H5C=CMgBr + CH 3 CHO > C6H5C=C-CH-CH3

OH

Man bereitet eine Ethylmagnesiumbromidlösung aus 6,1 g Magnesiumspänen (0,25 g-


Atom), 29,4g (20 ml, 0,27 mol) Ethylbromid und 60 ml absol. Ether, wie bei Methyl-
magnesiumiodid (S. 431) beschrieben. Nach 30min Kochen kühlt man die Grignard-
lösung auf Raumtemperatur und tropft unter Rühren und gelegentlichem Kühlen die
Lösung von 22,0 g (23,6 ml, 0,22 mmol) Phenylacetylen in 25 ml absol. Ether zu. Nach
kurzer Zeit beginnt die Entwicklung von Ethan. Vorsicht} Es entstehen etwa 5,5 I leicht
brennbares Ethan, das mit Luft explosive Gemische bilden kann. Man lösche alle Flam-
men in der Nähe und leite das Ethan von dem Calciumchloridrohr auf dem Rückfluß-
kühler durch einen Schlauch direkt in den Abzugskamin. Nach Abklingen der spontanen
Reaktion erhitzt man 3 h zum Sieden, kühlt dann auf O 0 C ab und tropft die Lösung von
19,6g (25ml, 0,44 mol, Überschuß!) frisch destilliertem Acetaldehyd in 30 ml absol.
Ether zu. Anschließend wird über Nacht bei Raumtemperatur gerührt. Zur Aufarbeitung
gießt man das Gemisch auf 150 ml eisgekühlte, gesättigte Ammoniumchloridlösung,
der man reichlich Eisstücke zugesetzt hat. Nach Trennung der Phasen und Nachethern
der wässerigen Lösung werden die vereinigten etherischen Phasen über Natriumsulfat
getrocknet, filtriert und eingedampft. Der Rückstand wird bei 138—144 0 C / 1 6 Torr über
eine kurze Kolonne destilliert und ergibt 24,0 g (75%) eines gelblichen Öls, das für die
Oxidation zu 4-Phenyl-3-butin-2-on verwendet werden kann (S. 481).

Alkyl- und Arylhalogenide lösen in Gegenwart von absol. Ether metallisches


Magnesium zu Grignard- Verbindungen auf (V. Grignard, 1901). Diesen wichtigsten
metallorganischen Verbindungen der klassischen organischen Chemie schreibt man
gewöhnlich die Formel RMgHaI zu. Am raschesten gehen die lodide, dann die
Bromide, schließlich die Chloride diesen Halogen-Metall-Austausch ein. Der für das
Eintreten der Reaktion notwendige Ether ist zu 2 Molekülen komplex an das Grig-
nard-Reagenz gebunden.

5 2 . , 2 5

O
R— Mg— HaI

6
H5C2 C2H5

Außer Diethylether können auch andere aliphatische Ether offener oder cyclischer
Mechanismus der Grignard-Reaktion 437

Struktur aber auch terf-Amine verwendet werden. Das oben beschriebene Vinyl-
magnesiumbromid kann z.B. nur in absol. Tetrahydrofuran erhalten werden (H.
Normant, 1957).
In Etherlösung scheint für die Grignard-Verbindungen die einfache Formel zu-
mindest nicht uneingeschränkt zuzutreffen. Mit Dioxan läßt sich im Falle des Ethyl-
magnesiumbromids MgBr2 ausfällen, während Mg(C2H5)2 in Lösung bleibt. In
Anwesenheit von Mg(C2H5)2 löst sich MgBr2 in Ether zu einer Lösung, die in jeder
Beziehung der Grignardlösung aus Ethylbromid und Mg gleicht. Es liegt also ein
Disproportionierungsgleichgewicht vor, das man als Schlenk-Gleichgewicht be-
zeichnet.

2RMgBr ?=* MgR2 + MgBr2

Die wahre Struktur des Grignard-Reagenzes ist sicher komplexer und stark vom
Lösungsmittel und der Konzentration abhängig. Zur Formulierung seiner Reak-
tionsweise kann man sich aber einfacher der allgemein gebrauchten Formel RMgX
bedienen.
Die Grignard-Verbindungen reagieren wie Carbanionen, da die kovalente Bin-
dung zwischen Kohlenstoff und dem Metall stark polarisiert ist. Sie werden durch
Substanzen, die aciden Wasserstoff enthalten, unter Anlagerung des Protons an R
zersetzt:
H-r-R'
i^i > HR + R'MgX
R-LMg-X

Es entsteht in diesem Fall der dem angewandten Halogenid entsprechende Koh-


lenwasserstoff RH und eine neue Magnesium-organische Verbindung, die z. B. bei
den Acetylen-Grignard-Verbindungen ihrerseits synthetische Verwendung findet.
Das einfachste Beispiel dieser Art ist die Zerlegung durch Wasser
H3CMgI + HOH > CH4 + HOMgI

Daher: vollständiger Feuchtigkeitsausschluß bei allen Grignard-Reaktionen! Da


die Magnesium-organischen Verbindungen außerdem leicht von Sauerstoff oxidiert
werden, ist bei länger dauernden Umsätzen Arbeiten unter einem Inertgas ange-
bracht.
In analoger Weise wie Wasser reagieren Alkohole, Phenole, Carbonsäuren, pri-
märe und sekundäre Amine, Oxime usw. Acetylen gibt durch MgX-Übertragung die
Magnesium-organische Verbindung HC=C-MgBr, die sich auf andere Weise nicht
herstellen läßt. In dem oben beschriebenen Beispiel (S. 436) wurde Phenylethinyl-
magnesiumbromid in gleicher Weise bereitet. Dies sind Beispiele einer Metallierung
durch Wasserstoff-Metall-Austausch. Bromacetylene RC=CBr sind zwar leicht er-
hältlich, sie reagieren jedoch mit Magnesium nicht im Sinne einer Grignard-Reak-
tion.
438 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen

Da ein reaktionsfähiges Wasserstoffatom aus einer Grignard- Verbindung stets


l mol Kohlenwasserstoff befreit, kann man die Anzahl aktiver Wasserstoffatome
einer Analysensubstanz durch Umsetzung mit Methylmagnesiumiodid und Messen
der gebildeten Methanmenge quantitativ bestimmen (Zerewitinow).
Für Synthesen ist die hervorragende Additionsfähigkeit der Grignard -Verbindun-
gen von weit größerer Bedeutung. Es findet allgemein Anlagerung des negativierten
organischen Rests an ungesättigte Systeme, wie /C=O, /C=N —, —C=N,
—N=O, statt; /C=C(^ und —C=C — reagieren nur, wenn sie in Konjugation zu
einer der erstgenannten Gruppen stehen (vgl. S. 45 1 ). Die Addition geht in der Weise
vor sich, daß das Grignard -Reagens in Gestalt der beiden Komponenten R ( - ) und
MgHal (+) aufgenommen wird, und zwar greift der negative Rest immer die Elek-
tronen-ärmere Seite, im Fall von /C=O also das C-Atom an. In dieser Beziehung
gleicht die Reaktion der auf S. 361 besprochenen Aldolbildung oder der ersten Stufe
der Esterkondensation (S. 404). Auch die Michael-Addition (S. 423) findet ihre Paral-
lele in der Reaktion a,/?-ungesättigter Carbonylverbindungen (vgl. S. 451).
Für die Einwirkung von Methylmagnesiumbromid auf Acetaldehyd ergibt sich
nachstehende Gleichung:
OMgBr
CH3-C + CH3MgBr -> C
\

Durch Wasser wird das Alkoholat hydrolytisch zersetzt. Als Resultat ist Acetal-
dehyd in Isopropylalkohol umgewandelt worden. Man kann die Addition von
Grignard -Verbindungen allgemein als „aufbauende Hydrierung" bezeichnen und
versteht so folgende Grignard-Synthesen:
Formaldehyd -> primäre Alkohole (RCH2OH)
Ethylenoxid -> primäre Alkohole (RCH2CH2OH)
andere Aldehyde —> sekundäre Alkohole
Ketone —> tertiäre Alkohole
Kohlendioxid —> Carbonsäuren
R
Nitrile —> Ketone (über Ketimine
\C=NH)

Die Reaktion der Ester, Chloride und Anhydride verläuft etwas komplizierter.
Auch hier findet in der ersten Phase die übliche Addition an die C=O-Gruppe statt.
Das Produkt eliminiert jedoch C 2 H 5 OMgBr zum Keton, das seinerseits rascher mit
weiterem Grignard-Reagens umgesetzt wird als der Ausgangsester.
Umfang der Grignard-Reaktion 439

OMgBr O OMgBr
Il CH3MgBr R _ C / CH
R-C-CH3 > R —U
r — CH
3
-C 2 H 5 OMgBr > " ^
OC 2 H 5 CH3

O
H-C + RMgBr > R—C{H "2^ > R-CHO
OC 2 H 5

Die Zersetzung durch Wasser liefert schließlich auch hier den tertiären Alkohol.
Im Falle des Ameisensäureesters, den man im Überschuß anwendet, gelingt es, die
Reaktion im ersten Stadium aufzuhalten und durch Zersetzung des l: 1-Addukts mit
Wasser Aldehyde zu gewinnen. Besonders geeignet für die Darstellung von Alde-
hyden ist Dimethylformamid. Über die Darstellung von Ketonen aus Carbonsäure-
derivaten siehe S. 441.
An stickstoffhaltigen Gruppierungen greift das Grignard-Reagens in gleicher
Weise ein. Nitrile ergeben dabei Ketone. Nitrosobenzol läßt sich mit Phenylmagne-
siumbromid in Diphenylhydroxylamin, (C6H5)2NOH, überführen.
Endständige Acetylene werden außer über ihre Grignard-Verbindungen auch als
Natrium- und Lithiumacetylide in flüssigem Ammoniak umgesetzt. Neben den üb-
lichen Ethinylcarbinolen des oben beschriebenen Typs, besitzen die aus Ethoxyacety-
len erhältlichen Ethoxyethinylcarbinole praktische Bedeutung. Ihre partielle Hy-
drierung mit Lindlar-Katalysator (S. 547) führt zu Ethoxyvinylcarbinolen, die sich
als 3-Hydroxyenolether mit Säure leicht zu a,ß-ungesättigten Aldehyden hydroly-
sieren lassen:

C2H M gBr RCQR


C2H5OC=CH ; u
U2H6
> C 2 H 5 OC=CMgBr ' > \-C=C-OC
/ I
2H6

R' OH
Rv Rx
H 2 /ündlar

Zu dem großen Anwendungsbereich kommt eine weitere Reaktion, die bei der
Darstellung des Grignard-Reagenzes häufig unerwünscht auftritt, bisweilen aber auch
angestrebt wird. Die Grignard-Verbindungen setzen sich, als metallorganische Ver-
bindungen mit organischen Halogenverbindungen oder Toluolsulfonsäureestern im
Sinne einer Wurtz-Reaktion um.
RMgHaI + HaIR' > R—R' + Mg(HaI)2

Besonders geeignet sind hierfür AlIyl- und Benzyl-Grignard-Verbindungen, bei


deren Herstellung man durch Verwendung eines Magnesium-Überschusses und sehr
langsames Zutropfen des Halogenids die C,C- Kupplung vermindern kann.
440 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen

Auch aromatische Reste verknüpfen sich in dieser Weise. So kommt es, daß man
bei der Darstellung von Phenylmagnesiumbromid stets etwas Biphenyl als Neben-
produkt erhält.
Viele der hier besprochenen Reaktionen von Grignard-Reagenzien werden auch
von den anderen metallorganischen Verbindungen in analoger Weise gegeben. Be-
sonders dient die Zersetzung mit Wasser zu Kohlenwasserstoffen allenthalben für die
Gehaltsbestimmung einfacherer metallorganischer Verbindungen und die Reaktion
mit Kohlendioxid zu Carbonsäure für den Nachweis metallorganischer Verbindun-
gen.

Zink- und Cadmium-organische Verbindungen

Reformatzky- Reaktion

1-Hydroxycyclohexylessigsäure-ethylester aus Cyclohexanon und


Bromessigsäure-ethylester

C 5 H 10 CO + BrCH 2 CO 2 C 2 H 5 -^-> C 5 H 10 C(OH)CH 2 CO 2 C 2 H 5

6,6 g (ca. 0,1 g-Atom) fein granuliertes Zink werden mit 40 ml Benzol überschichtet und
durch Auflösen eines Körnchens lod angeätzt. Man bereitet ein Gemisch aus 1OmI
(0,1 mol) Cyclohexanon, 33ml trockenem Toluol und 11,1 ml (0,1 mol) Bromessig-
säure-ethylester, von dem man zunächst 15 ml dem Zink/Benzol zusetzt. Nun wird zum
Sieden erwärmt (Rückfluß) und unter ständigem Sieden der Rest des Gemisches lang-
sam zugetropft. Nach weiterem 3-stündigem Rückflußkochen ist das Zink fast völlig in
Lösung gegangen. Das Reaktionsgemisch wird mit 15OmI 2N Schwefelsäure gut durch-
geschüttelt, die organische Phase abgetrennt, 2mal mit wenig 2N Schwefelsäure, dann
einmal mit 10proz. KHCO3-Lösung ausgeschüttelt und über Na2SO4 getrocknet. Bei der
Vakuumdestillation geht nach dem Abdampfen des Toluols und nach wenig Vorlauf die
Hauptmenge des Esters bei 115—12O 0 C/ 12 Torr über. Man erhält 12,2 g (=65%d.Th.).

Dialkylzink-Verbindungen waren die ersten in der organischen Chemie verwen-


deten metallorganischen Verbindungen (E. Frankland, 1849). Heute besitzen Zink-
organische Verbindungen noch Bedeutung bei der Reformatzky- und der Simmons-
Smith-Reaktion. In der Reformatzky-Reaktion werden a-Halogencarbonsäureester,
seltener andere a-Halogencarbonsäurederivate oder a-Halogenketone in die Zn-
organischen Verbindungen umgewandelt, die mit Ketonen oder Aldehyden die sub-
stituierten /Miydroxycarbonsäureester bilden. Aus diesen kann man leicht Wasser
zu entsprechenden a,ß-ungesättigten Estern abspalten.
BrCH 2 CO 2 C 2 H 5 + Zn > BrZnCH 2 CO 2 C 2 H 5

/—\ /—\ /QH


BrZnCH22 CO 2 C 2 H55 + ( )=0 > > ( K
V_/ W^CH 2 CO 2 C 2 H 5
Reformatzky- und Simmons-Smith-Reaktion 441

Die Reformatzky-Verbindungen sind gegenüber Carbonylgruppen weniger reaktiv


als etwa Grignard-Verbindungen. Im Gegensatz zu diesen reagieren sie nicht mehr
mit Estercarbonylgruppen, was ihre Darstellung erst ermöglicht. Nur in besonderen
Fällen können Reformatzky-Verbindungen wie die Alkylmagnesiumhalogenide vor-
ab gesondert dargestellt werden. Normalerweise gibt man, wie in dem obigen Ex-
periment a-Halogencarbonsäureester und Keton zusammen zu dem aktivierten Zink,
wobei beide Reaktionen unmittelbar hintereinander ablaufen.
Bei der Simmons-Smith-Reaktion (1959) läßt man Zink, das durch Aufziehen von
Kupfer oder besser Silber (J. M. Conia, 1972) aktiviert wurde, auf Diiodmethan ein-
wirken. Die entstehende Zink-organische Verbindung IZnCH2I addiert sich an Dop-
pelbindungen unter Bildung von Cylcopropanringen. Statt des Zink-Kupfer-Paares
kann auch (C2H5)2Zn eingesetzt werden.

Der Angriff der Zn-organischen Verbindung auf die Doppelbindung erfolgt elek-
trophil. Deshalb werden elektronenreiche Doppelbindungen besser umgesetzt als
z.B. a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen. Auffallend ist die Nachbargruppen-
hilfe von Hydroxyl in Allylalkoholen.

.OH
Zn(Cu)

Durch Ummetallierung erhält man aus Grignard-Verbindungen mit Cadmium-


dibromid die Cadmium-organischen Verbindungen R2Cd, die besonders gut für den
Aufbau von Ketonen aus Carbonsäurechloriden geeignet sind.

2RMgBr + CdBr2 > R 2 Cd + 2MgBr 2


R 2 Cd + R'COCI > R'COR + RCdCI

Bei den Grignard-Verbindungen hatten wir erwähnt (S. 438), daß die Primärpro-
dukte von Carbonsäurederivaten mit einem zweiten Mol des Reagenzes rascher rea-
gieren als die Carbonsäurederivate mit dem ersten, was zur Bildung von tert-Alko-
holen Anlaß gibt. Carbonsäurechloride sind am ehesten geeignet, die Stufe des
Ketons abzufangen, und mit R2Cd gelingt dies weit besser als mit RMgX. Eine Aus-
nahme bilden die Thiolester mit 2-Pyridinthiol (T. Mukaiyama, 1973), die auch mit
Grignard-Verbindungen in guten Ausbeuten Ketone liefern.
Im Kap. VIII (S. 407) haben wir die Claisen-Kondensation von Estern mit DMSO
und nachfolgender reduktiver Spaltung zu Methylketonen besprochen. Andere Me-
442 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

thoden zur Gewinnung von Ketonen aus Carbonsäuren folgen auf den Seiten 450
und 453.

Lithium-organische Verbindungen

Lithium-organische Verbindungen sind starke Basen und starke Nucleophile, sie sind
im allgemeinen reaktionsfähiger als die entsprechenden Grignard-Verbindungen. Die
einfachen Vertreter wie Methyl-, n-Butyl- und Phenyllithium werden aus metalli-
schem Lithium und den entsprechenden Alkylhalogeniden analog den Grignard-
Verbindungen dargestellt (siehe S. 443 und 683). Dazu wird das geschmeidige Li-
thium-Metall zu Drähten oder Bändern gepreßt oder einfach mit einem Hammer flach
geschmiedet und mit der Schere zu schmalen Streifen geschnitten. Schwierigere Prä-
parationen wie tert-Euiyl- und Vinyllithium erfordern den Einsatz von Lithium-Dis-
persion unter Argon-Schutzgas. n-Butyllithium kann in Ether (S. 443) oder Petrol-
ether dargestellt werden, für sec- und terf-Butyllithium findet nur Petrolether (Pentan)
Verwendung.
Methyllithium sowie n-, sec- und terf-Butyllithium sind (in Lösung) kommerziell
erhältlich und werden immer seltener im Labor dargestellt. Eine besonders wichtige
Rolle spielt das n-Butyllithium bei der Metallierung C,H-aktiver Verbindungen, d. h.
bei der Darstellung komplizierterer lithium-organischer Verbindungen. Ein beson-
ders wichtiges Beispiel ist die Deprotonierung von Phosphoniumsalzen in der Wittig-
Reaktion (siehe S. 455):

(C 6 H 5 J 3 P-CH 2 R + ,7-C4H9Li > (C6H5J3P-CH-R _yx >


X- Li X-

(C 6 H 5 J 3 P-CHR « > (C 6 H 5 J 3 P-CHR

Die Basizität der Lithiumalkyle hängt von ihrer Struktur und den Bedingungen der
Reaktion ab: ter/-Butyllithium ist stärker basisch als sec-Butyllithium und dieses
wieder stärker als n-Butyllithium. In Hexan liegt n-Butyllithium hauptsächlich als
hexameres Assoziat vor, während es in Ether oder THF unter Komplexierung des
Lithiums mit dem Ethersauerstoff bis zu Dimeren und Monomeren aufgespalten
wird. Dabei erhöht sich die Basizität des metallorganischen Reagenzes. Eine beson-
dere Steigerung der Basizität erreicht man in den monomeren JV,N,JV',JV'-Tetra-
methyl-ethylendiamin-Komplexen, in denen die Polarisierung der C,Li-Bindung
verstärkt ist:
Einen ähnlichen Effekt übt der Zusatz polarer nichtprotischer Lösungsmittel wie
z. B. HMPT (S. 169) aus, die ebenfalls das Li-Kation komplexieren und das Butyl-
anion damit basischer und nucleophiler machen.
Einfache Lithiumorganische Verbindungen 443

CH 3 CH 3

.-N x
CH 2
C4H9- - . . Li |
CH
'•• / 2

/\
CH3 CH3

n-Butyllithium

C 4 H 9 Br + 2Li > C4H9Li + LiBr

Ein 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Stickstoffeinlaß mit Tieftemperaturthermometer


und einem Pulvertrichter auf dem dritten Hals wird mit 200 ml absol. Ether gefüllt und mit
einem langsamen Strom getrocknetem Stickstoff durchspült. Über dem Trichter schneidet
man 8,6 g (1,25 g-Atom) flach gehämmertes Lithium mit einer Schere in schmale Strei-
fen, die noch blank in den Ether fallen sollen. Nun ersetzt man den Pulvertrichter durch
einen Tropftrichter mit Druckausgleich und Calciumchloridrohr, der 68,5 g (53 ml,
0,5 mol) /7-Butylbromid in 10OmI absol. Ether enthält. Man startet den Rührer, gibt
etwa 30 Tropfen der Butylbromid-Lösung hinein und kühlt den Kolben mit einem Koh-
lendioxid/Methanol-Bad von -30 bis -4O 0 C auf -1O 0 C. Wenn die Lösung trübe wird
und auf dem Lithium helle Flecken erscheinen, ist die Reaktion angesprungen. Nun tropft
man die restliche Butylbromid-Lösung in 30min zu und hält die Temperatur dabei auf
-1O 0 C. Anschließend wird noch 2 h weitergerührt, wobei die Temperatur auf 0-1O0C
steigen darf, jedoch nicht darüber, da Butyllithium Ether bei Raumtemperatur merklich
spaltet. Man filtriert das Reaktionsgemisch — möglichst unter Stickstoff — durch einen
Trichter mit Glaswolle in eine trockene Flasche, in der sich beim Stehen im Eisschrank
auch die feineren Schwebestoffe absetzen. Zur Aktivitätsbestimmung und für die Um-
setzung in Reaktionen pipettiert man von der überstehenden Lösung ab. Die Ausbeute
beträgt 80—90%.
Die Aktivität der Lösung wird auf folgende Weise bestimmt: 2 ml werden abpipettiert
und in ca. 10 ml Wasser hydrolysiert. Titration mit 0,1N Säure gegen Phenolphthalein gibt
den Wert für die Gesamt-Base.
Mit einer frischen Pipette werden nun abermals 2 ml der Reagenzlösung abgemessen
und in eine Lösung von 1 ml frisch destilliertem Benzylchlorid in 10 ml absol. Ether ge-
geben. Dabei reagiert nur das /7-Butyllthium gemäß

C 4 H 9 Li + C 6 H 5 CH 2 CI > C 6 H 5 (CH 2 J 4 CH 3 + LiCI

Nach 1 min titriert man die Restbase wie oben. Die Differenz der beiden Titrationen
entspricht der Konzentration an /?-Butyllithium. Die wie oben hergestellte Lösung ist
etwa 1,2 M.
Bei höherer Reaktionstemperatur aber in sonst entsprechender Weise kann Butyl-
lithium aus A7-Butylchlorid in Hexan oder Benzol dargestellt werden. Das kommerziell
erhältliche Butyllithium ist in Hexan gelöst. Für seine Gehaltsbestimmung genügt eine
einfache Titration mit 0,1N Säure nach Hydrolyse in Wasser.
444 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

Phenyllithium
Darstellung siehe S. 683.

2- Diphenylhydroxymethyl-2-ethyl-1,3-dithian

C2H5 H-C 4 H 9 Li -SC2H5 C 6 H 5 COC 6 H 5

H S Li S C-C 6 H 5
I OH

Ein 250-ml-Dreihalskolben wird mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter mit


Druckausgleich ausgerüstet, auf den Tropftrichter wird ein Dreiwegehahn gesetzt, des-
sen zwei andere Enden zu einem Luftballon und einer Stickstoffbombe führen. Auf diese
Weise ist es möglich, den Kolben mit Stickstoff zu durchspülen oder den Ballon aufzu-
blasen und (bei verstopftem Calciumchloridrohr) mit der Apparatur zu verbinden.
Im Kolben löst man 7,4g (0,05 mol) 2-Ethyl-1,3-dithian (Präparat von S. 339) in
50 ml absol. THF, in den Tropftrichter füllt man 30 ml einer 1,65M (0,05 mol) ButyJ-
lithiumlösung (käuflich oder wie oben dargestellt, Gehalt durch Titration, wie dort
angegeben, bestimmen). Man spült die Apparatur mit Stickstoff, verschließt das Cal-
ciumchloridrohr mit einem Gummistopfen, schaltet auf den mit Stickstoff gefüllten Ballon
um, kühlt den Kolben mit einem Kohlensäure-Methanol-Bad auf -3O 0 C, tropft das
Butyllithium ein und rührt 5 h bei dieser Temperatur. Anschließend kühlt man den Kolben
durch Zusatz weiterer fester Kohlensäure auf -78 0C, füllt unter Durchblasen von Stick-
stoff die Lösung von 9,1 g (0,05 mol) Benzophenon in 20 ml absol. THF in den Tropf-
trichter, schaltet wieder auf den Ballon um, tropft die Benzophenon -Lösung zu, läßt das
Bad auf Raumtemperatur kommen und rührt noch 24 h weiter.
Die fachgerechte Ausführung des Präparats nach D. Seebach, Synthesis 1969, 17,
verlangt Injektion der Reagenzien durch ein Septum in die geschlossene Apparatur, die
hier geschilderte, einfachere Arbeitsweise gestattet jedoch die Darstellung des Präparats
mit einer erträglichen Ausbeute-Einbuße.
Man gießt das Reaktionsgemisch auf 200 ml Wasser, schüttelt dreimal mit Methylen-
chlorid aus, wäscht die gesammelten Extrakte zweimal mit je 100 ml 10proz. Kalilauge
und einmal mit Wasser, trocknet über Pottasche, filtriert, dampft das Filtrat am Rotations-
verdampfer ein und kristallisiert den Rückstand aus 300 ml Methanol. Ausbeute 9,7 g
(59%), Schmp. 117 0 C. Durch Einengen der Mutterlauge gewinnt man weitere 1,2g
Dithian (zusammen 66%).

Neben den Phosphoniumsalzen sind viele Schwefelverbindungen begünstigte Ob-


jekte der Metallierung mit Butyllithium. Während Thioether sich nur schwer depro-
tonieren lassen, bilden Mercaptale (Dithioacetale bzw. -ketale) und hier besonders
die cyclischen 1,3-Dithiane nach E. J. Corey und D. Seebach (1965) leicht S-stabili-
sierte Carbanionen. Geht man vom unsubstituierten 1,3-Dithian aus, so gelangt man
nach der ersten Alkylierung zur Stufe der Aldehyde:
Lithiierte Dithiane 445

HgCl2 R
R _CHO
CH
°

Man bezeichnet solche Reaktionen, bei denen Ketone durch Einführung eines
elektrophilen Restes R in geeignete Carbanionen dargestellt werden, als „Umpo-
lungsreaktionen" (D. Seebach, 1969). Die im 1,3-Dithian „latent" oder „maskiert" ent-
haltene Acylgruppe RCO reagiert dabei nicht in der gewohnten Form des elektro-

philen Acylkations RCO, das mit einem Nucleophil R " ein Keton bilden würde
(siehe S. 441), sondern unter „Umpolung" als (verkapptes) nucleophiles Acylanion
„RCO" mit einem Elektrophil. Man spricht deshalb auch von „nucleophiler Acylie-
rimg".
Wir haben ein derartiges Verhalten bereits am Anion des Benzaldehydcyanhydrins
kennengelernt (siehe S. 380), allgemeiner verwendbar sind Cyanhydrine, deren Hydro-
xygruppe durch Veretherung mit leicht abspaltbaren Resten geschützt ist. Auch durch
Metallierung von Enolethern und Thioenolethern erhält man Acylanion-Äquiva-
lente.
Li
I
CH lCH3 .SC2H5
/ \ /
H2C=CHSC2H5 >
> H
Fl C-C
2^ W

Li
,SC2H5
HgC 2
-?*-+ H2C-C. ' > CH 3 COR
X
R

In den bis hier besprochenen Reaktionen wurde n-Butyllithium stets als Base ver-
wendet, und die benutzten Substrate besaßen keine elektrophilen Gruppen, mit de-
nen Butyllithium als Nucleophil reagiert hätte. Solche Gruppen sind Carbonylgrup-
pen aller Art, Imine, Sufoxide u.a.m. Auch die Cyangruppe in den oben erwähnten,
veretherten Cyanhydrinen würde Butyllithium als Nucleophil addieren, so daß man
für die Deprotonierung auf andere Basen ausweichen muß.
Als starke Basen, die keine nucleophilen Eigenschaften besitzen, haben sich Li-
thiumdialkylamide bewährt, besonders häufig werden Lithium-diisopropylamid
(LDA) und Lithium-diethylamid verwendet. Ersteres erhält man (S. 448) vor der
Metallierungsreaktion aus der Umsetzung von Diisopropylamin mit einem Äquiva-
lent n-Butyllithium, das zweite bequemer aus Lithium-Metall und Diethylamin bei
Gegenwart von Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT, S. 169).
446 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

[(CH 3 ) 2 CH] 2 NH + LiC4H9 -> [(CH 3 J 2 CH] 2 NLi + C 4 H 10


HMPT
(C 2 H 5 J 2 NH + Li > (C 2 H 5 J 2 NLi + ^H2

Die Lithium-dialkylamide dienen besonders zur Metallierung von Methylen- oder


Methingruppen in der Nachbarschaft von Akzeptoren wie z. B. Estern, Amiden und
Nitrilen (R. H. Schlessinger 1973):

LDA
CH 3 CH 2 CH 2 CO 2 CH 3 > CH 3 CH 2 CHCO 2 CH 3
Li

(CH3)2CHBr
> CH 3 CH 2 CHCO 2 CH 3
-LiBr I
CH(CH 3 ),

Die dabei als Zwischenstufen auftretenden Lithium-organischen Verbindungen


entsprechen den bei der Claisen-Kondensation formulierten, werden hier jedoch in
stöchiometrischer Menge erhalten, während sie bei der klassischen Claisen-Konden-
sation nur in geringer Menge am Gleichgewicht beteiligt sind und aus diesem bevor-
zugt abreagieren (siehe S. 404). Demgegenüber kann man das Lithiumsalz des Essig-
säure-terrbutylesters aus Essigsäure-fmbutylester mit Lithiumcyclohexylisopropyl-
amid als bei Raumtemperatur stabile Verbindung erhalten:

u< ,0
I
CH3-C - —- LiCH
L 7-C
\ THF/-80°C \
OC(CH 3 J 3 OC(CH 3 J 3

Sie kann wie oben alkyliert oder mit anderen Elektrophilen abgefangen werden;
Ester mit kleineren Alkoholkomponenten müssen durch Beibehaltung tiefer Tem-
peraturen vor der Claisen-Kondensation mit der eigenen Estergruppe bewahrt wer-
den und sind nur bei -780C in THF stabil.
Die reaktionsfähigeren Aldehyde und Ketone werden oft in Form ihrer Imine
metalliert (Stork, 1963). Dazu reichen bereits Grignard-Verbindungen als Basen aus,
aber die Lithium-dialkylamide haben sich auch hier stärker durchgesetzt.

Benzylierung von Isobutyraldehyd-cyclohexylimin

In einem 25Q-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Trockenrohr bereitet man


eine Lithiumdiethylamidlösung durch Eintragen von Lithiumstreifen, die mit einer Schere
von 1,18g (0,17 g-Atom) flach gehämmertem Lithiummetall geschnitten werden, in ein
gerührtes Gemisch von 30 ml Hexamethylphosphorsäuretriarnid (HMPT), 35ml Benzol
und 12,5 g (17,8 ml, 0,17 mol) Diethylamin. Bis zum Beginn und gegen Ende der Reak-
tion muß etwas erwärmt, nach Eintritt der Reaktion wenig mit Wasser gekühlt werden.
Stork-Alkylierung der Imine 447

Li +
CH3 CH3
c
\CHH -„,._., /
^A
CH=N-(^
\ LiN(C 2 H 5 J 2 ^ V~*-T r~\ *"*c"ic[
/ v_y /
CH3 CH3

CH3
C6H5CH2-C-CH = N-/~\
CH3

Anschließend kühlt man die braunrote Lösung in einem Dewar-Gefäß mit Methanol,
das durch Eintragen von fester Kohlensäure auf -6O 0 C gehalten wird. Um das Gemisch
rührbar zu halten, werden 15 ml absol. THF zugesetzt. Dann tropft man 26,1 g (0,17 mol)
Isobutyraldehyd-cyclohexylimin (Präparat von S. 344) zu und läßt unter weiterem Rühren
in 2 h auf-20 0 C kommen. Man kühlt auf-70 0C, tropft 21,7 g (19,6 ml, 0,17 mol) Benzyl-
chlorid zu, entfernt das Kühlbad und rührt weiter, bis sich das Gemisch auf Raumtempe-
ratur erwärmt hat. Man gießt es dann auf 200 ml Wasser, setzt Ether zu, schüttelt durch,
wäscht die etherische Phase noch dreimal mit Wasser, trocknet über Natriumsulfat,
dampft i. Vak. ein und destilliert den Rückstand im Vakuum der Ölpumpe, Sdp. 102 0 C /
0,1 Torr, Ausbeute 24,9g (60%).

2,2-Dimethyl-3-phenylpropanal

CH3 CH3
+
I / \ HUO
3
I
C6H5CH2C-CH = N - ^ ) — -~- C 6 H 5 CH 2 -C-CHO
CH3 CH3

Man erwärmt 20,0 g des benzylierten Imins unter Rühren mit 100 ml 2N H 2 SO 4 30 min
zum Sieden. Nach dem Abkühlen wird ausgeethert, die Etherphase zweimal mit ge-
sättigter Ammoniumsulfatlösung gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet, i. Vak. ein-
gedampft und destilliert, Sdp. 11O 0 C / 18 Torr, Ausbeute 7,7g (58%).

In dem hier behandelten Beispiel wird Isobutyraldehyd auf dem Umweg über das
Cyclohexylimin neben der Aldehydgruppe benzyliert. Angriffspunkt des Elektro-
phils und Elektronenverteilung im Carbanion bei der Stork-Alkylierung entsprechen
denen in einem Enamin, die Ladungsdichte und damit auch die Reaktionsbereit-
schaft sind beim metallierten Imin jedoch viel größer.
Die Umsetzung von Imin-Carbanionen mit Carbonylverbindungen gestattet die
Durchführung von „gezielten Aldolkondensationen" (Wittig 1963), in denen auch
Ketone mit schwachem (5( + )-Charakter die Rolle der Carbonylkomponente über-
nehmen können. So reagiert das Carbanion des Acetaldehyd-cyclohexylimins mit
Acetophenon zu dem durch Wasserstoffbrücke stabilisierten Hydroxyimin, dessen
Hydrolyse zu 3-Methylzimtaldehyd führt. Dieser könnte durch Aldolkondensation
der freien Komponenten (Acetaldehyd und Acetophenon) nicht erhalten werden, da
448 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen

dann Acetaldehyd als Carbonylkomponente mit sich selbst und mit Acetophenon als
Methylenkomponente reagieren würden (formulieren!).
C6H5 CH 2 -CH
X
CH 3 CH = N-^) -^- LiCH2CH = N c N
CH3 0-H'''
C
. 6H5,
H33O \
- C = CH-CHO
C"/

An Stelle der Imine lassen sich auch die JV,JV-Dimethylhydrazone von Aldehyden
und Ketonen mit LDA metallieren (E. J. Corey, D. Enders 1976).

2-Methylthiodecansäure-ethylester

>
CH 3 (CH 2 J 7 CH 2 CO 2 C 2 H 5 2 c^SSCH3 CH 3 (CH 2 J 7 CHCO 2 C 2 H 5
SCH 3

Man stellt eine Apparatur wie bei dem Präparat auf S. 444 zusammen und füllt in den
Kolben die Lösung von 5,5g (7,5ml, 55 mmol) Diisopropylamin in 50 ml absol. THF
und in den Tropftrichter 34 ml 1,62M Butyllithiumlösung (käuflich oder nach Präparat
S. 443), füllt Apparatur und Ballon mit Stickstoff, schaltet bei verschlossenem Calcium-
chloridrohr auf den Ballon um, kühlt den Kolben im Kohlensäure-Methanol-Bad auf
-78 0 C, tropft die Butyllithiumlösung zu und rührt 15 min bei -78 0 C. Unter Durchspü-
len von Stickstoff wird der Tropftrichter nun mit der Lösung von 10,0 g (11,5 ml, 50 mmol)
Decansäure-ethylester in 25 ml absol. THF beschickt. Man schaltet auf den Ballon um,
tropft die Lösung zu und rührt noch 30 min bei -78 0 C. Anschließend spült man wieder
mit Stickstoff und füllt die Lösung von 5,65 g (6,0 ml, 60 mmol) Dimethyldisulfid in 10 ml
absol. THF in den Tropftrichter. Man schaltet auf den Ballon um, tropft die Lösung bei
-78 0 C zu, entfernt das Kühlbad, laßt den Kolben auf Raumtemperatur kommen und rührt
noch 45 min. Dann gießt man das Gemisch in einen Schütteltrichter mit Ether und
10proz. Salzsäure. Nach Abtrennen der wässerigen Phase wäscht man nochmals mit
10proz. Salzsäure und mit gesättigter Natriumhydrogencarbonat-Lösung und trocknet
die Etherphase über Natriumsulfat. Das Filtrat wird am Rotationsverdampfer eingeengt
und der Rückstand im Vakuum der Ölpumpe über eine kurze Kolonne destilliert. Nach
einem Vorlauf siedet das Produkt bei 132—145 0 C/0,4 Torr, Ausbeute 7,9 g (64%).
Die Reinheit des Präparats läßt sich am besten im NMR-Spektrum in CCI4 kontrol-
lieren: Man vergleicht die Höhe des CH3S-Siguletts bei 2,06 ppm (3H) mit der des
Ethylmethylen-Quartetts bei 4,13 ppm (2H). Der RF-Wert auf einer Kieselgel-Dünn-
schichtplatte mit Chloroform beträgt 0,7 (Anfärben mit loddampf).
a,ß-ungesättigte aus gesättigten Estern 449

Versuch: (E)-2-Decensäure-ethylester über das Sulfoxid

Hl 4 H Ue
CH 3 (CH 2 ) 6 CH 2 —CH-CO 2 C 2 H 5 ° > CH 3 (CH 2 ) 6 CH 2 -CH—CO 2 C 2 H 5 ' >
SCH3 SOCH3

CH3(CH2J6-CH=CH-CO2C2H5

Zur Lösung von 1,0g 2-Methylthiodecansäure-ethylester (4 mmol) in 13ml Methanol


tropft man die Lösung von 0,87 g Natrium-meta-periodat in 6 ml Wasser und rührt das
Gemisch 24 h bei Raumtemperatur. Anschließend saugt man in einer kleinen Nutsche
ab, wäscht den Rückstand mehrmals mit Methanol, dampft die gesammelten Filtrate am
Rotationsverdampfer ein, nimmt das zurückbleibende Öl in Ether auf und trocknet mit
Natriumsulfat. Beim Eindampfen des Filtrats am Rotationsverdampfer bleibt das Sulfoxid
als gelbes Öl zurück. Im Dünnschichtchromatogramm an einer Kieselgelplatte mit
Chloroform ist der R F -Wert nun 0,2 der Fleck bei 0,7 soll weitgehend verschwunden
sein.
Das Sulfoxid wird in einem kleinen Kolben mit Kühler und Stickstoff-Ballon im Ölbad
8 h unter Stickstoff auf 120 0 C erhitzt. Anschließend destilliert man bei 0,4 Torr und einer
Badtemperatur von 100-13O0C in ein Kugelrohr: 0,75g (93%) 2-Decensäure-ethyl-
ester. Im NMR-Spektrum zeigen die Signale für die beiden Olefin-Protonen, H-2
Dublett bei 5,73 ppm (J = 16 Hz) und H-3 Dublett-Triplett bei 6,88 ppm (J = 7 und
16 Hz) (in CCI4), das Vorliegen der reinen E-Konfiguration.

Vielfältig wie die metallierbaren Verbindungen ist auch die Zahl der Elektrophile,
mit denen Carbanionen abgefangen werden können. Wir haben ausführlich Alkyl-
halogenide, Carbonylverbindungen und Ester besprochen. Daneben führen Chlor-
ameisensäureester zu (ß-Keto)-Carbonsäureestern, a,ß-ungesättigte Carbonylver-
bindungen zu 1,2-Addition an der Carbonylgruppe und 1,4-Addition im Sinne der
Michael-Reaktion (siehe S. 423) und Epoxide zu y-Hydroxy-Verbindungen.
Im vorstehenden Präparat dient Dimethyldisulfid als Elektrophil zum Abfangen
des Ester-a-carbanions. Der entstehende a-Methylthioester läßt sich leicht zum
Sulfoxid oxidieren, das im Sinne einer Cope-Eliminierung (S. 493) glatt zum a,/?-un-
gesättigten Ester eliminiert (B.M.Trost, 1976). Dabei bildet sich überwiegend der
E-konfigurierte 2-Decensäureester. Solche Eliminierungen verlaufen viel milder als
die klassischen Abspaltungen von Halogenwasserstoff aus a-Halogencarbonsäure-
estern. Zu Carbonylgruppen a-ständige Sulfoxide und Selenoxide sind allgemein vor-
teilhafte Zwischenstufen bei der Umwandlung von gesättigten in a,ß-ungesättigte
Carbonylverbindungen.

Dianionen

Genügend starke Basen vermögen zahlreiche Carbanionen ein weiteres Mal zu de-
protonieren. Dabei versuchen die negativen Ladungen sich möglichst auszuweichen.
450 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen

Bei der Behandlung von Acetylaceton mit Natriumamid in flüssigem Ammoniak


bildet sich zunächst das klassische 3-Carbanion, bei weiterer Einwirkung der Base
wird jedoch auch die !-Stellung deprotoniert. Die weniger sauren, also schwerer her-
stellbaren Carbanion-Positionen sind immer auch die nucleophileren, so daß das
Dianion an der !-Stellung alkyliert wird, was neue präparative Möglichkeiten gegen-
über der klassischen Alkylierung von 1,3-Diketonen eröffnet.

Na+ Na+ Na+


2 1 2
CH 3 COCH 2 COCH 3 " > CH 3 COCHCOCH 3 ^"" > H 2 CCOCHCOCH 3
NH3 NH3

CH 3 (CH 2 J 4 COCH 2 COCH 3

ß-Ketoester können nicht mit Natriumamid deprotoniert werden. Man stellt den
klassischen Natriumacetessigester z. B. mit Natriumhydrid in THF dar und kann
nun die Zweitdeprotonierung mit n-Butyllithium vornehmen, da der Carbonyl-
charakter von Keto- und Estergruppe im Monoanion bereits so stark abgeschwächt
ist (Delokalisierung der negativen Ladung, formulieren!), daß keine nucleophile
Addition mehr eintritt. Die Alkylierung erfolgt auch hier nicht in der klassischen a-,
sondern in der y-Position:

Na+ Na+
a c u
CH 3 COCH 2 CO 2 R " " > CH 3 COCHCO 2 R "- *"* > LiCH 2 COCHCO 2 R
TH F

^u"3' > CH 3 CH 2 COCH 2 CO 2 R

Eine gewichtige Rolle spielt die Dianion-Bildung auch in der Reihe der Carbon-
säuren. Hatte schon Ivanoff 1931 gezeigt, daß Phenylessigsäure mit überschüssigem
Grignardreagens in der a-Position deprotoniert wird, so läßt sich diese Reaktion mit
Lithium-diisopropylamid oder Butyllithium auf eine große Zahl von Salzen ali-
phatischer Carbonsäuren übertragen.

Li CH3
0
| i r HB I
CH 3 CH 2 CO 2 Na ^1' > CH 3 CHCO 2 Na 2 H o*
>
C4H9-CH-CO2H

Diese Reaktionsfolge würde die klassische Malonester-Synthese ersetzen können,


gibt aber häufig nicht so gute Ausbeuten wie diese.
Bei der Umsetzung von Carbonsäuren mit einem Überschuß von Methyllithium
bildet sich zunächst das Lithiumcarboxylat, und anschließend wird ein mol Methyl-
lithium an die Carboxylatgruppe addiert. Hydrolyse gibt dann das um ein C-Atom
längere Methylketon.
Dianionen und Kupferorganische Verbindungen 451

-CH4

Auch dies ist eine brauchbare Methode zur Darstellung von Ketonen aus Carbon-
säuren (vgl. S. 442).

Kupfer-organische Verbindungen
3,3,5,5-Tetramethylcyclohexanon
O O

CH 3 MgJ^
CuCl

a) Darstellung von Kupfer(l)-chlorid


Zu einer, in einem 250-ml-Becherglas gerührten, heiß bereiteten Lösung von 10,Og
Kupfer(ll)-sulfat-Pentahydrat und 2,6 g Natriumchlorid in 32 ml Wasser gibt man por-
tionsweise in größeren Abständen bei Raumtemperatur die Lösung von 2,1 g Natrium-
hydrogensulfit und 1,8g Natriumhydroxid in 16 ml Wasser. Das ausgefallene Kupfer(l)-
chlorid wird abgesaugt, zweimal mit je 20 ml Ethanol und 20 ml Ether gewaschen und
45 min im Hochvakuum getrocknet. Es ist licht- und luftempfindlich und muß alsbald
eingesetzt werden. Ausbeute ca. 3 g.

b) Grignard-Reaktion
In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Rückflußkühler mit
Calciumchloridrohr bereitet man, wie auf S. 431 beschrieben, die Grignard-Lösung aus
5,8g (0,24g-Atom) Magnesium, 34,0 g (15ml, 0,24 mol) Methyliodid (Vorsicht! Me-
thyliodid ist giftig, vergleiche S. 149) in 90 ml absol. Ether. Wenn sich nach kurzem
Kochen unter Rückfluß alles Magnesium gelöst hat, kühlt man auf Raumtemperatur, fügt
2,0g (8mol%) nach a) frisch bereitetes Kupfer(l)-chlorid zu und rührt 45min. An-
schließend kühlt man auf 5 0 C ab und tropft unter äußerer Kühlung mit einem Eisbad
27,6 g (30 ml, 0,2 mol) Isophoron in 30 ml absol. Ether so zu, daß die Temperatur des
Reaktionsgemisches nicht über 10—15 0 C steigt. Man kocht noch 1 h, zersetzt dann mit
25g Eis und fügt solange unter Kühlung mit Eiswasser 15proz. Salzsäure zu, bis sich
alles Magnesiumhydroxid gelöst hat. Die etherische Phase wird abgetrennt und die
wässerige zweimal mit je 20 ml Ether nachgewaschen. Man vereinigt die etherischen
Lösungen, trocknet über Natriumsulfat, zieht den Ether am Rotationsverdampfer ab und
fraktioniert den Rückstand aus einem 250-ml-Zweihalskolben mit Siedekapillare über
eine kurze Kolonne im Wasserstrahl vaku u m. Bei 16 Torr destilliert das Produkt nach
einem Vorlauf von Nebenprodukten bei 82—830C, Ausbeute 19,0 g (62%). Die Reinheit
des Präparats überprüft man am besten im 1H-NMR-Spektrum. Im Olefinbereich
(5—6 ppm) dürfen keine Signale auftreten, vielmehr erscheinen nur Singuletts bei
1,06 (CH 3 ), 1,60 (CH 2 -4) und 2,16 ppm (CH2-2,6) in CDCI3.
452 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen

«,^-Ungesättigte Carbonylverbindungen verfügen über zwei elektrophile Zentren:


das Carbonyl- und das ß-C:

Demzufolge kann der Angriff von metallorganischen Reagenzien zu zwei isomeren


Produkten führen.
Lithiumalky l-Verbindungen greifen immer nur das Carbonyl-C an (1,2-Addition),
Grignard-Verbindungen reagieren dagegen weniger eindeutig. M. S. Kharasch be-
obachtete 1941, daß man Grignard-Verbindungen durch Zusatz von Cu(I)-Ionen zur
überwiegenden 1,4-Addition im Sinne einer Michael-Reaktion bewegen kann, hier-
von macht die oben beschriebene Darstellung von 3,3,5,5-Tetramethylcyclohexanon
aus Isophoron Gebrauch. Bei dieser Reaktion treten Kupferorganische Verbindun-
gen als Zwischenprodukte auf, die man auch in stöchiometrischem Verhältnis ge-
winnen kann.

HO CH3

Übersichtlicher sind indessen die Dialkylkupferlithium-Verbindungen. Das beim


Umsatz von Kupfer(I)-iodid mit Methyllithium in Ether unlöslich ausfallende Me-
thylkupfer geht mit einem weiteren mol Methyllithium wieder in Lösung. Dabei
bildet sich das sogenannte Dimethylkupferlithium (H. H. Gilman, H. O. House,
E. J. Corey, G.H. Posner):
P|_| I:
3
CuI + CH3Li > CH3Cu > (CH 3 J 2 CuLi

Wie die von uns verwendete Formel des Grignard-Reagenzes bezeichnet auch
R2CuLi nur in vereinfachter Weise ein kompliziertes Gleichgewichtssystem. R kann
verschiedene Gruppen darstellen: Alkyl, Allyl, Vinyl und Phenyl sowie komplizier-
tere, substituierte Vertreter dieser Gruppen. Alle werden nach der oben für Dime-
thylkupferlithium angegebenen Methode hergestellt. Oft wird die Kupfer-organische
Verbindung durch Phosphine oder Thioether als Liganden stabilisiert.
Umsetzungen der Kupfer-organischen Verbindungen 453

Dialkylkupferlithium reagiert nur langsam oder gar nicht mit gesättigten Ketonen,
sehr selektiv jedoch mit a,ß-ungesättigten Carbonylverbindungen unter 1,4-Addi-
tion. Besonders vielseitig sind dabei die Divinylkupferlithium-Derivate, die bei ent-
sprechender Substitution der Doppelbindung deren Konfiguration bewahren.

OC 2 H 5
2H2C = C +CuI -- H 2 C=C (CuLi
Li

ö COCH 3
OC2H5

CH3 CO2CH3
(C 7 H 15 I 2 CuLi \ /
CH 3 -C=C-CO 2 CH 3 -^ - C=C x
C7H1/ (E) H

Dialkylkupferlithium geht auch C,C-Verknüpfungen im Sinne von Wurtz-Reak-


tionen mit Alkyl- und Vinylhalogeniden, Epoxiden und Allylacetaten ein, auch hier-
bei spielen Divinylkupferlithium-Derivate wieder eine bevorzugte Rolle, sie behalten
ihre Konfiguration an der Doppelbindung bei. Aus Säurechloriden und Dialkyl-
kupferlithium erhält man die entsprechenden Alkylketone.

Aluminium- und Quecksilber-organische Verbindungen

Von den zahlreichen Aluminium- und Quecksilber-organischen Verbindungen soll


hier nur auf jene eingegangen werden, die durch Addition an Doppelbindungen ge-
bildet werden. Alane ähneln in ihrer Reaktionsweise den Boranen, was wir schon bei
der Besprechung der Zieglerschen Polyethylenherstellung (S. 210) und des Diisobu-
tylaluminiumhydrids (S. 538) beobachten konnten. Dieses wird technisch durch Ver-
mählen von Aluminiumgrieß mit Isobuten und Wasserstoff unter Druck und an-
schließende Pyrolyse des Triisobutylalans gewonnen.
Dabei kann der erste Schritt als Addition von Alan an die Doppelbindung (Hydro-
aluminierung) aufgefaßt werden. Diisobutylaluminiumhydrid kommt als ungefähr-
liche 20-25 proz. Lösung in Toluol oder Hexan in den Handel und dient als selek-
tives Reduktionsmittel (S. 538). An Olefine addiert es sich in Umkehrung des zweiten
Schrittes bei seiner Darstellung.
454 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

,CH3
3HC=C

Während die durch Ummetallierung aus Grignard-Verbindungen erhaltenen Dial-


kylquecksilber-Verbindungen

2RMgBr + HgBr2 > R 2 Hg + 2MgBr 2

in der präparativen organischen Chemie keine wichtige Rolle spielen, haben die durch
Hydroxymercurierung mit Quecksilber(II)-acetat erhältlichen 2-Hydroxylalkyl-
quecksilberacetate erhebliche Bedeutung erlangt, da sie sich mit Natriumboranat
glatt zu den sekundären Alkoholen reduzieren lassen (H. C. Brown, 1967).

3-Phenyl-2-propanol

OH
C6H5CH2CH=CH2 H fl (OCOCH 3 ) 2 > C 6 H 5 CH 2 CHCH 2 HgOCOCH 3

OH
Na B H 4
H g . > C 6 H 5 CH 2 CHCH 3

In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer löst man 16,Og Quecksilber(ll)-acetat in


50 ml Wasser, setzt 50 ml Tetrahydrofuran und anschließend 5,85 g (6,5 ml, 50 mmol)
Allylbenzol zu und rührt 15 min bei Raumtemperatur. Der mit THF gefallene gelbe Nie-
derschlag löst sich nach Zugabe des Olefins wieder auf. Nun setzt man 50 ml 12proz.
Natronlauge und 50 ml einer 2proz. Lösung von Natriumboranat in 12proz. Natronlauge
zu, dabei wird die Quecksilber-Kohlenstoff-Bindung fast augenblicklich unter Ab-
scheidung von elementarem Quecksilber reduziert. Man sättigt die wässerige Phase
unter gelinder Kühlung mit 150 g Kaliumcarbonat und trennt die THF-Phase im Scheide-
trichter ab. Sie wird über Kaliumcarbonat getrocknet und im Vakuum eingedampft. Den
Rückstand destilliert man bei 10O 0 C/10 Torr in einem Kugelrohr: 5,45g (80%) Aus-
beute.

Die in dem Präparat veranschaulichte Reaktionsfolge entspricht im Resultat der


Markownikow-Hydratisierung des Ausgangsolefins. Diese gelingt jedoch nur unter
stark sauren Bedingungen in der Wärme, während der Umweg über die Hydroxy-
mercurierung durchweg bei Raumtemperatur und praktisch neutralem pH, also
unter sehr milden Bedingungen abläuft.
Hydroxymercurierung und Wittig-Reaktion 455

Wittig-Reaktion

Eine der heute wichtigsten C,C-Verknüpfungsreaktionen wurde erst 1954 von


G. Wittig aufgefunden, es ist die gemeinhin als Wittig-Reaktion bezeichnete Car-
bonyl-Olefinierung. In der typischen Ausführungsform wird ein Alkyltriphenylphos-
phonium-Salz (S. 159) in absolutem Ether unter Luftausschluß mit einer starken
Base wie Butyl- oder Phenyllithium zu dem leuchtend orangegelb bis rot gefärbten,
mesomeren Phosphinalkylen (Ylen <-> Ylid) umgewandelt, das beim Zutropfen von
Ketonen oder Aldehyden unter Entfärbung Olefine bildet, z. B.

C
(C 6 H 5 J 3 PCH 3 _;^ > (C6H5J3P-CH2 «-^ (C6H5J3P-CH2
Br- Ylen Ylid

C6H5
C6H5C C6Hs
° > ,C=CH2 + (C 6 H 5 J 3 PO
C6
fiH5n

Durch nucleophilen Angriff des Ylens an der Carbonylgruppe bildet sich zunächst
ein Betain, das über einen Oxaphosphetanring als Übergangszustand oder Zwischen-
produkt in Olefin und Triphenylphosphinoxid zerfallt:

R R R R R
\6W 8H \ _- \ \ /
~ ~ ^ C-QI > C^O > C + O

H 2 C^P(C 6 H 5 ) 3 H 2 C-P(C 6 H 5 J 3 H 2 C^P(C 6 H 5 J 3 CH2 P(C 6 H 5 J 3

Die Betaine scheiden sich in etherischer Lösung häufig ab, sie sind bei tiefer Tem-
peratur stabil, zersetzen sich jedoch meist schon in siedendem Ether, manchmal schon
bei Raumtemperatur in der gewünschten Weise. Wenn dies nicht hinreichend schnell
geschieht, erhitzt man im Bombenrohr oder besser in siedendem, absolutem Tetra-
hydrofuran.

Versuch: Bereitung eines Ylens

(C 6 Hs) 3 PCH 2 CH = CH2 ""0^1'» (C6H5J3P = CH-CH = CH2


Br"

In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter rührt


man die Suspension von 6,0g (16 mmol) trockenem, staubfeinem Allyl-triphenylphos-
phoniumbromid (S. 1 59) in 75 ml absol. Ether, tropft zunächst aus einer Pipette und nach
Eintritt der Gelbfärbung aus dem Tropftrichter 8,5ml (14 mmol) der 1,65M Butyl-
lithiumlösung (vorher titrieren, siehe S. 443) hinzu und rührt 60 min bei Raumtempera-
tur. Aus der tiefroten Suspension scheidet sich das Ylen langsam gelb aus.
456 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

1-(3-IMitrophenyl)-1,3-butadien

NO2

(C 6 H 5 ) 3 P=CH-CH =

In die wie oben bereitete Suspension des Ylens tropft man 1,5 g m-Nitrobenzaldehyd
in 20 ml absol. Ether (durch vorsichtiges Erwärmen lösen) zu, jedoch längstens bis die
Ylen-Farbe verschwunden ist. Man rührt noch 1 h bei Raumtemperatur und saugt un-
umgesetztes Phosphoniumsalz, Triphenylphosphinoxid und Lithiumbromid durch eine
breite Nutsche mit gutsitzendem Filter ab. Der Filterrückstand wird, noch ehe er zerfließt,
zweimal mit Ether nachgespült. Man wäscht die vereinigten Filtrate im Scheidetrichter
mit verdünnter Schwefelsäure und Wasser, trocknet über Natriumsulfat und erhält beim
Eindampfen das rohe Butadien als empfindliches gelbes Öl. Zur Reinigung löst man es
in 5 ml Benzol und gibt die Lösung auf eine mit Petroleumbenzin (Sdp. 25— 4O 0 C) und
100 ml (Schüttvolumen) grobem Kieselgel gefüllte Säule (S. 86). Man spült mit 2 ml
Benzol nach und eluiert zunächst mit 200 ml Petroleumbenzin (Sdp. 25— 4O 0 C) das
Benzol und anschließend mit 1 I Petroleumbenzin 2% Ether das Butadien. Das Eluat
wird in 100-ml-Erlenmeyer-Kolben aufgefangen, von denen man mit einer Kapillare
Flecke auf eine Dünnschichtplatte setzt. Man entwickelt die Platte mit Ether und macht
das Produkt (R F -Wert 0,75) mit loddampf sichtbar. Die das Produkt enthaltenden Kol-
ben werden vereinigt, man dampft sie vorsichtig im Rotationsverdampfer ein und trocknet
den Rückstand im Hochvakuum: 0,60g (34%) gelbes Öl, das im Tiefkühlfach kristallin
erstarrt. Es enthält noch c/s-Anteil, das reine trans- Produkt kann man durch verlustreiche
Kristallisation bei -2O 0 C aus sehr wenig Ethanol erhalten. Es schmilzt bei 55 0 C.

1A- Diphenyl -1,3- butadien

(C6H5J3P-CH2-CH=CH-C6H5 Cr + LiOC2H5
> (C6H5J3P=CH-CH=CH-C6H5 + LiCI + C 2 H 5 OH

(C6Hg)3P=CH-CH=CH-C6H5 + C 6 H 5 CHO
> C6H5-CH=CH-CH=CH-C6H5 + (C 6 H 5 J 3 PO
Man bereitet sich zunächst eine 0,2ISI Lösung von Lithiumethylat in Ethanol, indem man
0,42 g Lithium, mit einer Schere in feine Streifen geschnitten, unter Rühren in 300 ml
absolutes Ethanol einträgt und weiterrührt, bis alles Metall gelöst ist. In einem 1 -l-Drei-
halskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter löst man 20,0 g (48,3 mmol)
Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid (S. 159) und 5,5g (5,25ml, 52 mmol) Benzal-
dehyd in 70 ml absolutem Ethanol und gibt 253 ml der 0,2N Lithiumethylatlösung durch
den Tropftrichter in raschem Strahl unter Rühren zu. Das Gemisch färbt sich orangerot
und scheidet alsbald das Produkt in glänzenden Blärtchen ab. Man rührt noch 30 min,
gibt dann 230 ml Wasser zu und saugt das Produkt ab. Die Mischung aus 50% Ethanol
und Wasser ist so gewählt, daß Triphenylphosphinoxid noch nicht ausfällt. Man wäscht
die Kristalle mit 50 ml 60proz. Ethanol und trocknet sie bei 65 0 C im Vakuum: 5—6 g
Beispiele für die Wittig-Reaktion 457

(50-60%). Zur Reinigung wird aus Toluol unter Zusatz von Cyclohexan oder Ethanol
umkristallisiert, 3,2g (32%) Schmp. 147-1520C. Das Präparat findet Verwendung für
die Diels-Alder-Synthese auf Seite 202.

A7?-Nitrozimtsäure-methylester

a) Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran

NaQH
(C 6 Hs) 3 PCH 2 CO 2 CH 3 (C 6 Hs) 3 P=CHCO 2 CH 3
Br

In einem 500-ml- Becherglas werden 10,4g (25 mmol) Methoxycarbonylmethyltri-


phenylphosphoniumbromid (S. 159) in 250 ml Wasser gelöst. Man setzt einige Tropfen
einer Phenolphthaleinlösung zu und tropft unter Rühren 1N NaOH bis zum Farbum-
schlag nach Rot ein (ca. 25 ml). Der ausgefallene Niederschlag wird abgesaugt, gut
i. Vak. oder auf einer Tonplatte getrocknet und aus 100 ml Essigester kristallisiert: 7,1 g
(85%) des stabilen Ylens vom Schmp. 17O 0 C.

b) A7?-Nitrozimtsäure-methylester

NO2

'CH-CO 2 CH 3 + l' j +(C 6 H 5 J 3 PO


CO2CH3

In einem 250-ml-Rundkolben kocht man die Lösung von 3,0 g (20 mmol) m-Nitrobenz-
aldehyd und 7,8 g (23 mmol) Methoxycarbonylmethylen-triphenylphosphoran 3 h in
75 ml Benzol unter Rückfluß, dampft das Benzol i. Vak. ein und kristallisiert den Rück-
stand aus wenig Methanol. Dabei bleibt das Triphenylphosphinoxid in Lösung. Man er-
hält 2,7 g (65%) m-Nitrozimtsäure-methylester als gelbe Prismen, Schmp. 124 0 C.

Je stärker die Phosphor -Ylene durch Akzeptorgruppen stabilisiert werden, desto


leichter verläuft auch ihre Bildung aus den Phosphoniumsalzen. Benzyl-triphenyl-
phosphoniumchlorid kann schon in viel bequemerer Weise mit Ethylatanionen in das
Ylen umgewandelt werden, hierfür dient das oben beschriebene Cinnamyl-triphenyl-
phosphoniumchlorid als Beispiel, das mit Lithiumethylat in Ethanol zum Ylen de-
protoniert wird.
Das besonders aktivierte Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid
läßt sich bereits mit wässeriger Sodalösung in das Ylen umwandeln, im obigen Prä-
parat, m-Nitrozimtsäure-methylester, wird verdünnte Natronlauge verwendet. In
dem sich bildenden Methoxycarbonylmethylenphosphoran wird die negative La-
dung vom C-2 so wirkungsvoll zum Sauerstoff der Carbonylgruppe delokalisiert, daß
das Ylen farblos und gegen Wasser und Luft beständig ist. Unter normalen Umstän-
den reagiert es aber nur noch mit Aldehyden und nicht mehr mit Ketonen. Ähnlich
verhalten sich Ylene, die durch Keto-Carbonylgruppen stabilisiert werden.
458 Kapitel DC. Metallorganische Verbindungen

o (öf
(C 6 Hs) 3 PCH 2 CO 2 CH 3 "°°"> (C6H5)3P-CH-C/< > (C6H5J3P-CH=C
Br- OCH OCH

Den oben erläuterten Beispielen entsprechend, ist die Darstellung der nichtakti-
vierten Phosphinalkylene mit Butyllithium oder Phenyllithium besonders aufwendig.
Oft sind die Ausbeuten an Olefinen auch nicht sehr hoch. Methylencyclohexan bildet
sich aus Cyclohexanon und dem mit Butyllithium erzeugten Methylentriphenyl-
phosphoran nur mit 40% Ausbeute. Eine bedeutende Verbesserung der Reaktion er-
zielt man indessen, wenn man das Ylen mit dem aus Natriumhydrid erhältlichen
Natrium-dimethylsulfoxid in trockenem DMSO bereitet (70% neben etwas Benzol).

(C6H5)3P-CH3 - - (C6H5J3P = CH2


CT°
-^-
Br"

Besondere Aufmerksamkeit hat man der Stereochemie der Olefine gewidmet, die
aus Ylenen und Aldehyden erhalten werden (Schlosser, Bestmann). Die nichtstabili-
sierten Ylene neigen dabei deutlich zur Ausbildung von cis-(Z)- Olefinen.

C=C
(C6H5J3P=CHR + R'CHO -> \ + /=C\
H H H R'
(Z) (E)

Über Möglichkeiten zur stereoselektiven Darstellung von seinen (Z)- oder (E)-
Produkten unterrichte man sich in der Spezialliteratur.
Die carbonylstabilisierten Ylene bilden mit Aldehyden praktisch ausschließlich
(E)-Olefine, weniger gut stabilisierte Ylene nehmen eine Mittelstellung ein. Die Ur-
sachen für die stereoselektiven Abläufe der Wittig-Reaktionen sind komplex und
werden durch die Geschwindigkeiten der einzelnen Teilschritte kontrolliert.
Viele funktionelle Gruppen reagieren nicht mit Phosphinalkylenen und können
deshalb Bestandteil der Ylene oder ihrer Reaktionspartner sein. Ein bemerkenswertes
Beispiel ist die Synthese von Aldehyden aus Methoxymethylentriphenylphosphoran,
das man aus Chlordimethy lether erhält:

(C 6 H 5 J 3 P + CICH2OCH3 -> (C6H5J3P-CH2-OCH3

(C6H5)3P=CH-OCH3 _, """" > R-CH=CH-OCH3 -^_+ R-CH2-CHO


Homer- Wadsworth-Emmons-Reaktion 459
Cyclohexylidenessigsäure-ethylester
O O M3+
IlIl NaM Il ~
'l
(C 2 H 5 O) 2 P-CH 2 CO 2 C 2 H 5 "f." > (C 2 H 5 O) 2 P-CHCO 2 C 2 H 5
-H

^x-CHCO2C2H5 /
Cyclohexanon > f J + (C 2 H 5 O) 2 P

^ \>Na

Ein 250-ml-Dreihalskolben wird mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter ausge-


stattet, durch Verzweigungen ermöglicht man das Einführen eines Thermometers und den
Anschluß einer Gaszuleitung. Vom Rückflußkühler führt eine Gasableitung über ein
Calciumchloridrohr direkt in den Kamin (Achtung! Wasserstoffentwicklung). Man spült
die Apparatur mit trockenem Stickstoff und füllt 5,2 g 50proz. oder 3,3 g SOproz. Na-
triumhydriddispersion (0,1 1 mol) und 30 ml trockenes Benzol ein und tropft in 30— 40min
25,8g (23,0 ml, 0,1 15 mol) Diethoxyphosphonato-essigsäure-ethylester zu, wobei die
Temperatur ggf. durch Kühlung bei 30— 35 0 C gehalten wird. Man rührt noch 1 h bei
Raumtemperatur und tropft dann in 30-40 min 1 0,8 g (1 1 ,5 ml, 0,1 1 mol) Cyclohexanon
hinzu, wobei die Temperatur durch Kühlen mit einem Eisbad bei 20—3O 0 C gehalten wird.
Dabei scheidet sich ein sirupuröser Niederschlag von Natrium-diethylphosphat ab. Man
rührt noch 15 min bei 60-650C, kühlt auf Raumtemperatur ab und dekantiert das Pro-
dukt von dem sirupösen Niederschlag, der viermal bei 6O 0 C mit je 20 ml Benzol ge-
waschen wird, das nach Abkühlen auf Raumtemperatur dekantiert wird. Die vereinigten
Überstände werden am Rotationsverdampfer eingedampft, und man destilliert den Rück-
stand in einer kleinen Destillationsapparatur mit kurzer Kolonne bei 16 Torr und 112 bis
114 0 C. Ausbeute 13,Og (70%) Cyclohexylidenessigsäure-ethylester. Das Mineralöl
aus dem Natriumhydrid verbleibt im Destillationskolben.

Eine beliebte Alternative zur Wittig-Reaktion ist die P O-akti vierte Olefinierung
nach L. Homer (1959). Die reaktive Spezies ähnelt dabei mehr einem der vorbe-
sprochenen Carbanionen als den Phosphinalkylenen der Wittig-Reaktion. In der
allgemein verbreiteten Ausführungsform von W. S. Wadsworth und W. D. Emmons
(1961) erzeugt man das a-Carbanion eines Phosphonsäureesters mit Natriumhydrid
in Glykol-dimethylether oder Benzol, z. B.

-(RO) 2 POONa

Die PO-stabilisierten a-Carbanionen sind stärkere Nucleophile als die Phosphinal-


kylene, wie das präparative Beispiel der Darstellung von Cyclohexylidenessigsäure-
460 Kapitel IX. Metallorganische Verbindungen

ethylester zeigt, denn die analogen Phosphinalkylene reagieren in der Regel nicht
mehr mit Ketonen.
Wie bei den Carbonyl-stabilisierten Phosphinalkylenen erhält man bei Umset-
zung mit Aldehyden praktisch ausschließlich die E-konfigurierten Olefine.
Die Phosphonsäureester erhält man nach der Michaelis-Reaktion aus Phosphorig-
säureester und Alkylhalogeniden, z. B.
R
(RO) 3 P + BrCH 2 CO 2 R >
°\. P-CH2-CO2R
~ RBr
>
s
(RO) 2 PCH 2 CO 2 R

/^
R-Br-

Dimethylsulfoxoniummethylid und 1,1-Diphenyloxiran

CH3 CH CH2
H3C-S-CH3 + NaH > S + H2 + NaI
O I- CH37 ^O

CH CH2 C6H O
S + C 6 H 5 COC 6 H 5 > C CH2 + CH3SOCH3
X
CH3 0 C6H/

In einem 100-ml-Dreihalskolben werden 0,72 g Natriumhydrid (d. h. 1,44 g der 50%igen


oder 0,9g der 80%igen Suspension) mehrfach mit Petrolether gewaschen, um das
Mineralöl zu entfernen.
Man trocknet das Hydrid i. Vak., gibt 6,6 g Trimethylsulfoxoniumiodid (siehe S. 163) zu,
versieht den Kolben mit einem Rückflußkühler mit Stickstoffballon und einem Tropf-
trichter mit Druckausgleich und Trockenrohr. Man verdrängt die Luft durch Stickstoff
aus dem Ballon, ersetzt diesen durch einen Schlauch in den Abzug und tropft vorsichtig
30 ml über Calciumhydrid destilliertes (Kp. 64° / 4 mm) Dimethylsulfoxid hinzu. Vor-
sicht, Wasserstoffentwicklung! Die Temperatur darf nicht über 5O 0 C steigen! Nach
20 min Rühren wird der Stickstoffballon wieder aufgesetzt. Man tropft nun die Lösung
von 4,55g Benzophenon in 10 ml Dimethylsulfoxid zu und erwärmt 1 h auf 5O 0 C. An-
schließend gießt man das Reaktionsgemisch in 60 ml Eiswasser und schüttelt mehrfach
mit Ether aus. Die gesammelten Extrakte werden zweimal mit 25 ml Wasser gewaschen
und über Natriumsulfat getrocknet. Man dampft i. Vak. ein und erhält 4,4g Diphenyl-
ethylenoxid, Ausbeute 90%, Schmp. 52-56 0 C. Das Produkt kann aus Ethanol umkristalli-
siert werden, Schmp. 55—56 0 C.

Während die Stickstoff-Ylide sehr instabil sind und präparativ keine wichtige An-
wendung finden, reagieren die Schwefel-Ylide ähnlich, wenn auch mit anderem Er-
gebnis als die Phosphor-Ylide. Sie werden allgemein aus Sulfonium- oder Sulfoxo-
niumsalzen mit Natriumhydrid in DMSO erhalten.
Schwefel-Ylide 461

CH3 CH2

CH3 O
\ S
(CH 3 J 3 SO I- -> V
X
CH3 CH 2

Bei der Umsetzung mit Carbonylverbindungen erhält man ebenfalls Betaine, die
aber unter Verbleib des Sauerstoffs beim Kohlenstoff in Epoxide und Dimethylsulfid
bzw. Dimethylsulfoxid zerfallen. Für das oben durchgeführte Präparat wird folgen-
der Mechanismus angenommen:

CH O C6H5
C.H.COC.H. 3

-CH 3 SOCH 3
CH3 CHI22 CH
LH33' CH -C
CH 22—L
6-
JOI

Diese Methode ergänzt die auf S. 496 beschriebenen Darstellungsmethoden für


Epoxide.

Weiterführende Literatur zu Kapitel IX

G. E. Coates, M. L. H. Green, P. Powell und K. Wade, Einführung in die metallorganische Chemie,


Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1972.
K. Nützel, H. Gilman und G. F. Wright, Organo-magnesium-Verbindungen, Methoden der or-
ganischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. /3/2a, S. 47, Thieme, Stuttgart 1973.
M. S. Kharasch und O. Reinmuth, Grignard Reactions of Nonmetallic Substances, Prentice Hall,
New York 1954
H. Stetter und F. Wingler, Ketone aus metallorganischen Verbindungen und Carbonsäure-
nitrilen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 603,
Thieme, Stuttgart 1973.
H. Normant, Alkenylmagnesium Halides, Adv. Org. Chem. 2, l (1960).
W. Franke, W. Ziegenbein und H. Meister, Zur Herstellung der Acetylen-Bindung, Neuere Me-
thoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 261, Verlag Chemie,
Weinheim 1961; Angew. Chem. 72, 391 (1960).
K. Nützel, Organo-zink-Verbindungen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. /J/2a, S. 553, Thieme, Stuttgart 1973.
R. L. Shriner, The Reformatsky Reaction, Org. React. /, l (1942).
M.W. Rathke, The Reformatsky Reaction, Org. React. 22, 423 (1975).
M. Gaudemar, La reaction de Reformatsky au cours des trentes dernieres annees, Organomet.
Chem. Rev. AA, 183 (1972).
462 Kapitel EX. Metallorganische Verbindungen

H. E. Simmons, T. L. Cairns, S.A. Vladuchick und C. M. Hoiness, Cyclopropanes from Unsaturat-


ed Compounds, Methylene lodide, and Zinc-Copper Couple, Org. React. 20, l (1973).
K. Nützel, Organo-cadmium-Verbindungen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl -
Müller), 4. Aufl., Bd. /3/2a, S. 859, Thieme, Stuttgart 1973.
H. Stetter und F. Wingler, Ketone aus Carbonsäure-chloriden und Organo-cadmium-Verbin-
dungen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 560,
Thieme, Stuttgart 1973.
D. A. Shirley, The Synthesis of Ketones from Acid Halides and Organometallic Compounds of
Magnesium, Zinc and Cadmium, Org. React. 8, 28 (1954).
P. R. Jones und P. J. Desio, The less Familiär Reactions of Organocadmium Reagents, Chem. Rev.
7S, 491 (1978).
U. Schöllkopf, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von lithiumorganischen Verbin-
dungen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 13/1, S. 87,
Thieme, Stuttgart 1970.
H. Gilman und J.W. Morton jr., The Metalation Reaction with Organolithium Compounds, Org.
React. 8, 258 (1954).
G. Wittig, Synthesen mit lithiumorganischen Verbindungen, Neuere Methoden der präparativen
organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 469, Verlag Chemie, Weinheim 1963.
J. M. Mallan und R. L. Bebb, Metalations by Organolithium Compounds, Chem. Rev. 69, 693
(1969).
R. G. Jones und H. Gilman, The Halogen-Metal Interconversion Reaction with Organolithium
Compounds, Org. React. 6, 339 (1951).
H.W. Gschwend und H.R. Rodriguez, Heteroatom-Faciliated Lithiations, Org. React. 26, l
(1979).
D. Seebach, Methoden und Möglichkeiten der nucleophilen Acylierung, Angew. Chem. 81, 690
(1969).
D. Seebach, Nucleophile Acylierung mit 2-Lithium-l,3-dithianen bzw. -1,3,5-trithianen, Syn-
thesis 1969, 17.
O.W. Lever jr., New Horizons in Carbonyl Chemistry: Reagents for Nucleophilic Acylation,
Tetrahedron 32,1943 (1976).
B.-T. Gröbel und D. Seebach, Umpolung of the Reactivity of Carbonyl Compounds through
Sulfur-Containing Reagents, Synthesis /977, 357.
D. Seebach, Methoden der Reaktivitätsumpolung, Angew. Chem. 91, 259 (1979).
H.Reiff,Die gezielte Aldolkondensation, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie,
Herausg. W. Foerst, Bd. 6, S. 42, Verlag Chemie, Weinheim 1970.
G. Wittig und H. Reiff, Über gezielte Aldolkondensationen, Angew. Chem. 80, 8 (1968).
G. Wittig, Old and New in the Field of Directed Aldol Condensations, Fortschr. Chem. Forsch.
67, l (1976).
T. M. Harris und C. M. Harris, The y-Alkylation and y-Arylation of Dianions of ß-Dicarbonyl
Compounds, Org. React. 17, 155 (1969).
M. J. Jorgenson, Preparation of Ketones from the Reaction of Organolithium Reagents with
Carboxylic Acids, Org. React. 18, l (1970).
H. Stetter und F. Wingler, Ketone aus metallorganischen Verbindungen und Carbonsäuren und
ihren Salzen, Carbonsäureanhydriden, -estern, Lactonen und Ketenen, Methoden der organi-
schen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 586, Thieme, Stuttgart 1973.
G. H. Posner, Conjugate Addition Reactions of Organocopper Reagents, Org. React. 19, l (1972).
G. H. Posner, Substitution Reactions Using Organocopper Reagents, Org. React. 22, 253 (1975).
G. Bahr und P. Burba, Organo-Kupfer-Verbindungen, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 13/1, S. 735, Thieme, Stuttgart 1970.
J. F. Normant, Organocopper(I) Compounds and Organocuprates in Synthesis, Synthesis /972,
63.
Weiterführende Literatur zu Kapitel IX 463

H. Lehmkuhl und K. Ziegler, Organische Aluminium-Verbindungen, Methoden der organischen


Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 1314, S. 9, Thieme, Stuttgart 1970.
H. Reinheckel, K. Haage und D. Jahnke, Organoaluminium-Verbindungen in organisch-che-
mischen Reaktionen, Organomet. Chem. Rev. A 4, 47 (1969).
K. Ziegler, E. Holzkamp, H. Breil und H. Martin, Das Mülheimer Normaldruck-Polyäthylen-
Verfahren, Angew. Chem. 67, 541 (1955).
K. Ziegler, Neue Entwicklungen der metallorganischen Synthese, Angew. Chem. 68, 721 (1956).
K. Ziegler, Folgen und Werdegang einer Erfindung, Angew. Chem. 76, 545 (1964).
H. Sträub, K. P. Zeller und H. Leditschke, Organo-quecksilber-Verbindungen, Methoden der
organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 13/2b, S. l, Thieme, Stuttgart 1974.
R. C. Larock, Organo-quecksilber-Verbindungen in der organischen Synthese, Angew. Chem. 90,
28(1978).
L. Homer, Präparative Phosphorchemie, Fortschr. Chem. Forsch. 7, l (1966/67).
A. Maercker, The Wittig Reaction, Org. React. 14, 270 (1965).
U. Schöllkopf, Carbonyl-Olefinierung mit Triphenyl-phosphin-methylen, Neuere Methoden der
präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 72, Verlag Chemie, Weinheim
1961; Angew. Chem. 71, 260 (1959).
G. Wittig, Ursprung und Entwicklung in der Chemie der Phosphinalkylene, Angew. Chem. 68,
505 (1956).
S. Trippett, The Wittig Reaction, Adv. Org. Chem. /, 83 (1960).
H. J. Bestmann, Neue Reaktionen von Phosphinalkylenen und ihre präparativen Möglichkeiten,
Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. l, Verlag
Chemie, Weinheim 1967; Angew. Chem. 77, 609, 651, 850 (1965).
H. J. Bestmann und R. Zimmermann, Phosphinalkylene und ihre präparativen Aspekte, Fortschr.
Chem. Forsch. 20, l (1971).
L. D. Bergelson und M. M. Schemjakin, Synthese natürlich vorkommender Fettsäuren durch
sterisch kontrollierte Carbonyl-Olefinierung, Neuere Methoden der präparativen organischen
Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. 135, Verlag Chemie, Weinheim 1967; Angew. Chem. 76,
113(1964).
H. Pommer, Die Wittig-Reaktion in der industriellen Praxis, Angew. Chem. 89,437 (1977).
K. Sasse, Phosphonsäure-diester aus Phosphorigsäure-triestern durch Michaelis-Arbusovsche
und verwandte Reaktionen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl.,
Bd. 12/1, S. 433, Thieme, Stuttgart 1963.
W. S. Wadsworth jr., Synthetic Applications of Phosphoryl-Stabilized Anions, Org. React. 25, 73
(1977).
J. Boutagy und R. Thomas, Olefin Synthesis with Organic Phosphonate Carbanions, Chem. Rev.
74, 87 (1974).
H. König, Zur Chemie der Schwefelylide, Fortschr. Chem. Forsch. 9, 487 (1967/68).
X. Oxidation und Dehydrierung

Formaldehyd aus Methanol


Versuch: Gehaltsbestimmung einer Formaldehydlösung
Versuch: Autoxidation des Acetaldehyds
Versuch: Autoxidation des Benzaldehyds
Versuch: Autoxidation des Cysteins
Versuch: Hemmung der Autoxidation durch ein Komplexon
Acetaldehyd aus Ethanol mit Dichromat-Schwefelsäure
Octanal aus Octanol mit Pyridiniumchlorchromat
Jones-Oxidation
!.(-)-Menthon
2. 4-Phenyl-3-butin-2-on
Braunsteinoxidation von Zimtalkohol
/7-Nitrobenzoesäure aus /?-Nitrotoluol
Benzoldicarbonsäuren aus Xylolen, Terephthalsäure aus /?-Xylol, Isophthalsäure
aus m-Xylol
Chinolinsäure aus 8-Hydroxychinolin, Nicotinsäure
Versuch: Glykolspaltung mit Periodat
Nitrosobenzol aus Phenylhydroxylamin
Azobenzol-4-carbonsäure
Versuch: Azobenzol aus Nitrosobenzol und Anilin
Versuch: Azoxybenzol aus Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin
Trimethylaminoxid aus Trimethylamin
frww-Cyclohexan-l,2-diol aus Cyclohexen mit Hydrogenperoxid
2,4,6-Tribromnitrosobenzol aus 2,4,6-Tribromanilin mit Peroxyessigsäure
Stilbenoxid
Cyclohexanonoxim aus Cyclohexylamin
Mesoxalsäure-diethylester-hydrat aus Malonsäure-diethylester
Ninhydrin aus Diketohydrinden
Versuch: Ninhydrinreaktion
Adipindialdehyd aus Cyclohexen
Biphenyl-2,2-dialdehyd aus Phenanthren
a) in Chloroform
b) in Methanol
Oxidationsstufen 467

X. Oxidation und Dehydrierung

Von Oxidation spricht man, wenn einem Atom, Ion oder Molekül ein bzw. mehrere
Außenelektronen entzogen werden. Oxidationsmittel sind also stets elektrophile
Reagenzien. Durch die Elektronenaufnahme werden sie reduziert. Jede Oxidation ist
mit einer Reduktion gekoppelt. Die Elektronenübertragung muß nicht notwendiger-
weise in einem Schritt bestehen, die Elektronen können mit dem Substrat und dem
Oxidans verbunden bleiben, indem sie eine polarisierte kovalente Bindung bilden.
Zum Beispiel entsteht beim ersten Schritt der Oxidation des Toluols mit Chlor
Benzylchlorid. Dieses steht mit dem Benzylalkohol auf gleicher Oxidationsstufe:

6-
CHo-Cl -CH 2 OH

Ethan läßt sich mit Chlor im Licht u.a. zu Ethylchlorid oxidieren; Abspaltung von
H + und Cl" führt zu Ethylen, das somit - auch die gegenüber Ethan um 2 vermin-
derte Zahl der Elektronen zeigt es - ebenfalls ein erstes Oxidationsprodukt des
Paraffins ist:
H
+CI2(hv) I
H3C-CH3 H3C-C-CI H2C=CH2
-HCI -HCl
H
Oxidationsstufe 1

Ethylen, das auf der Oxidationsstufe des Ethylalkohols steht (reversible Wasserab-
spaltung), läßt sich mit Brom zu Dibromethan oxidieren, welches bei der Hydrolyse
Ethylenglykol liefert. Das Glykol ist andererseits auch aus dem Oxidationsprodukt
des Ethylens, dem Ethylenoxid, durch Hydrolyse zugänglich. Dibromethan, Ethylen-
oxid und Ethylenglykol stehen also auf der gleichen Oxidationsstufe, nämlich der des
Acetaldehyds, welcher durch Wasserabspaltung aus dem Glykol erhalten werden
kann:
Oxidationsstufe 1 H2C=CH,

BrCH2-CH2Br HO-CH2-CH2-OH
-2HBr
Oxidationsstufe 2 -H 2 O

H,C-CX
468 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Die Oxidation läßt sich auch durch direkte Wegnahme zweier H-Atome bewerk-
stelligen. Man bezeichnet eine solche Wasserstoffabspaltung auch als Dehydrierung1.
Als billigster Wasserstoffakzeptor kann dabei der Sauerstoff dienen, z. B. bei der
technischen Synthese des Styrols aus Ethylbenzol oder der des Formaldehyds aus
Methanol (unten). Wie bei der katalytischen Hydrierung, um deren Umkehrung es
sich hier handelt, wird dieser Prozeß durch feinverteilte Metalle der achten Neben-
gruppe sehr stark beschleunigt. Im Laboratorium wird auch Schwefel oder Selen als
Dehydrierungsmittel angewendet. Durch Wegnahme von Elektronen durch die po-
sitive Elektrode (Platin-, Kohle-Anode) lassen sich auch organische Verbindungen
elektrochemisch oxidieren. Hierbei kann sowohl der in Gegenwart von Wasser ano-
disch erzeugte Sauerstoff oder dort gebildetes Oxid die Oxidation bewirken, viele
Vorgänge werden aber durch Elektronenentzug eingeleitet, wonach das positive Ion
mit nucleophilen Komponenten des Ansatzes abreagiert. Die Reaktion kann auch
zur Bildung von Radikalen führen (Kolbesche Alkansynthese).

Oxidation mit Luftsauerstoff

Formaldehyd aus Methanol

H3COH + [O] > H 2 CO + H2O


Die Apparatur ist exakt nach den folgenden Angaben und nach Abbildung 75 unter einem
Abzug aufzubauen.
In einem geräumigen Wasserbad (Kochtopf) mit Thermometer steht ein 250-ml-
Rundkolben. Er ist gemäß Abb. 75 oder mit einem Gummistopfen verschlossen, durch

Abb. 75
1
Man unterscheide: Dehydrierung im Angelsächsischen = dehydrogenation; dehydration dagegen =
Wasserabspaltung.
Formaldehyd aus Methanol 469
den zwei dünne Glasrohre führen. Das eine reicht bis zum Boden des Kolbens; das zweite
ist an seinem oberen Ende in einem Winkel von 95—100° abgebogen und zu einer
Kapillare von 1,3mm innerem Durchmesser ausgezogen. Die Kapillare steckt, durch
einen Gummistopfen verbunden, in einem 40 cm langen, 2,5 cm weiten Rohr aus tem-
peraturunempfindlichem („Supremax"®) Glas, dem Kernstück der Apparatur; in ihm
findet an einem Kupferdrahtnetz die Reaktion statt.
Dieser Kontakt ist besonders sorgfältig folgendermaßen herzustellen: Ein etwa
80 x 6 cm großes Stück Kupfergaze (Maschenweite: ca. 2-2,5 mm; Drahtstärke: ca.
0,1-0,2 mm), das man, um es geschmeidiger zu machen, langsam durch die Bunsen-
brennerflamme gezogen hat, wird über die lange Kante eng zusammengefaltet, so daß
eine flachgedrückte Rolle von etwa einem cm Breite entsteht. Aus mehrfach zusammen-
gedrilltem 1-2 mm starkem Kupferdraht biegt man einen etwa 6cm langen Stab mit
einer Öse an jedem Ende. Auf diesen wickelt man nun das Gazeband möglichst eng wie
auf eine Garnspule in mehreren Lagen zu einer etwa 6 cm breiten Rolle, die eben in das
Glasrohr paßt. Sie wird in das Rohr eingeschoben, bis sie von dessen unterem Ende etwa
8 cm entfernt ist und dann noch von beiden Seiten mit zwei Stäben so zusammenge-
staucht, daß sie an der Glaswand möglichst anliegt (siehe Abb. 75).
Von der oberen Rohrmündung führt eine Gummistopfen-Glasrohr-Gummistopfen-
Verbindung in einen senkrecht absteigenden Schlangenkühler, an dessen unteres Ende
zwei hintereinander geschaltete Gaswaschflaschen angeschlossen sind, die bis zum
Hals in einer Eis-Kochsalz-Mischung stehen. Die letzte Waschflasche ist mit einer Was-
serstrahlpumpe verbunden. Außerdem steht eine Stickstoff-Stahlflasche bereit. Ist die
Apparatur in dieser Weise vorbereitet, heizt man das Wasserbad auf 46-470C; diese
Temperatur ist während des ganzen Versuchs genau einzuhalten! Nun füllt man 70,OmI
Methylalkohol in den Rundkolben, wartet einige Minuten, in denen sich das Methanol
erwärmt, dreht den Hahn zur laufenden Pumpe ganz auf und erhitzt dann, anfangs vor-
sichtig, die Kupferspirale mit einem starken Brenner, bis bei Rotglut die Reaktion beginnt.
Sie liefert genug Wärme (Knallgasreaktion), um den Kontakt schwach weiterglühen zu
lassen, ohne daß man von außen weiter heizt. Beachtet man diese Arbeitsvorschrift ge-
nau, werden Explosionen völlig ausgeschlossen. Bei zu niedriger Temperatur des Was-
serbades (42—44 0 C) würde zwar die Explosionsgrenze des Methanol-Luft-Gemischs
erreicht, aber die Flamme gelangte nur bis zur Kapillare, durch die sie wegen der großen
Strömungsgeschwindigkeit der Gase nicht weiter zurückschlagen könnte. (Vergleich mit
dem Bunsenbrenner, der auch nur bei zu langsamer Strömung zurückschlägt.)
Wenn sich in dem Kolben nur noch ein Rest von etwa 20 ml Methanol befindet, bricht
man den Versuch ab, indem man -r zur Vermeidung von Explosionen — die etwas geöffnete
Stickstoff-Stahlflasche an das lange, in das Methanol ragende Rohr anschließt, und so
die Luft durch das Schutzgas verdrängt. Dann erst stellt man die Wasserstrahlpumpe ab.
Die Menge des nicht übergeblasenen Methylalkohols wird gemessen. Hat man 50,0 ml
Methanol (ca. 40g; 1,24mol) verbraucht, enthalten die beiden Vorlagen 55—60 ml
30—40proz. (siehe anschließenden Versuch) Formaldehydlösung (44—51 %). Die Aus-
beuten können ziemlich stark schwanken, da bei diesem einfachen Modell einer techni-
schen Anlage die Reaktionsbedingungen schwer zu normieren sind.
Zur Dehydrierung von einem Mol Methylalkohol braucht man 0,5 mol Sauerstoff, also
pro Volumeneinheit Methanoldampf etwa 0,5 Volumen Sauerstoff oder 2,5 Volumen Luft.
Das stöchiometrische Gasgemisch muß also ca. 28% Methylalkohol enthalten. Da sich
die Volumina wie die Partialdrucke verhalten, muß die Verdampfungstemperatur so ein-
470 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

gestellt werden, daß der Dampfdruck des Methanols 28% des Atmosphärendrucks, also
ungefähr 210 Torr ausmacht1. Mit der hier gewählten einfachen Vorrichtung wird volle
Sättigung mit CH 3 OH-Dampf nicht erreicht, daher die etwas höhere Temperatur.

Versuch: Gehaltsbestimmung einer Formaldehydlösung - 5,00 ml einer Formal-


dehydlösung werden in einem Meßkolben mit Wasser auf 50,0 ml aufgefüllt. Davon bringt
man 20,0 ml in einen Erlenmeyerkolben von 250 ml, setzt erst 30 ml etwa Sproz. Hydro-
genperoxid, das vorher gegen Phenolphthalein genau neutralisiert wurde, dann 30,0 ml
eingestellter Natronlauge zu und schüttelt um. Nach kurzer Zeit beginnt unter Selbster-
wärmung Wasserstoffentwicklung, die sehr heftig wird und die man schließlich durch
kurzes Erwärmen zu Ende führt. Die erkaltete Lösung wird dann nach erneuter Zugabe
von Phenolphthalein gegen 1N Salzsäure titriert. Die verbrauchte Natronlauge gibt ge-
mäß der Gleichung:

2CH 2 O + H2O2 + 2NaOH > 2HCO 2 Na + H2 + 2H 2 O

den Formaldehydgehalt an. Wenn also z. B. 22,5 ml 1N Natronlauge bei der Reaktion
verbraucht wurden, enthielten die 20,0 ml (=2,00 ml der ursprünglichen Lösung)
22,5 • 30 mg = 0,675 g Formaldehyd, d.h. die Lösung war 33,8prozentig.

Bei dieser Umsetzung wird durch Addition von Hydrogenperoxid an zwei mol
H2CO ein Zwischenprodukt der Konstitution,

HOCH2-O-O-CH2OH

das Dihydroxymethyl-peroxid, gebildet, das man auch in kristallisierter Form isolie-


ren kann, das aber unter Basenkatalyse außerordentlich leicht in Formiat und Was-
serstoff zerfällt. Für diese Reaktion, die keinen reduzierend wirkenden atomaren
Wasserstoff liefert, gibt vielleicht der Abrollmechanismus am Anion des Peroxids ein
richtiges Bild:

H-C
Y
CH

OH OH

Die einfachen Aldehyde setzen sich mit neutralem Sulfit zu den Hydrogensulfit-

1
Umfassende Tabellen der Dampfdrucke organischer Verbindungen bei verschiedenen Temperaturen
findet man im Bd. II, 2a (1960) des mehrbändigen Nachschlagwerks „Landolt-Börnstein" (Zahlenwerte
und Funktionen aus Physik, Chemie, Astronomie, Geophysik und Technik), Springer Verlag, Berlin.
Mechanismus der Autoxidation 471

Additionsverbindungen um (siehe S. 338). Hierbei entstehen Hydroxylionen, deren


Titration ebenfalls eine Gehaltsbestimmung ermöglicht:
OH
RCHO H- SO 3 -- + H2O > R-C-SO3 + OH-
H

Die auch technisch in größtem Maßstab, wenn auch mit anderen Kontakten (Silber
oder Eisenoxid-Molybdänoxid) ausgeführte Oxidation des Methanols ist eine echte
Dehydrierung. An der heißen Oberfläche des Katalysators wird der Alkohol homoly-
tisch zu Aldehyd und Wasserstoff gespalten und dieser mit dem Luftsauerstoff zu
Wasser verbrannt, also aus dem Gleichgewicht entfernt:

H 3 COH <=> H2CO + H2; H2 + i O 2 > H2O

Viele organische Verbindungen reagieren schon bei normalen Temperaturen, meist


sehr langsam, mit Sauerstoff. Man bezeichnet diesen Prozeß als Autoxidation. Er
verläuft - soweit er im Dunkeln vor sich geht - nach einem Radikalmechanismus und
wird durch radikal-liefernde Reaktionen oder monovalent wechselnde Metallionen
(Fe, Co, Cu) in Gang gesetzt. An der Radikalbildung kann auch Licht beteiligt sein,
doch ist dessen Wirkung bei der Photooxidation (S. 476) eine andere. Beim Start der
Reaktionskette entreißt im ersten Schritt ein Startradikal (Sf) der autoxidablen
Substanz (RH) ein H-Atom und erzeugt so ein Primärradikal (R*), das sich mit dem
biradikalischen Sauerstoffmolekül zu einem Peroxyradikal zusammengelegt:

RH + Sf > R' + StH


Start
R* + *O—O' > R—O—O*

Die Bildungstendenz des Primärradikals bestimmt maßgeblich die Autoxidierbar-


keit einer Verbindung. Ist R - durch Resonanz stabilisiert, erfolgt die Oxidation leicht,
z. B. bei
Allylgruppierungen _CH=CH_£H_ _ _£H_CH=CH_
(Propargylgruppierungen)

Benzylgruppierungen: f ^~C* <—> •/ V=C' usw.


\=/ ^R \=/ "^R

Auch bei Aldehydgruppen: R—C=Q/ und

\
aliphatischen Ethern: Ö—O—R"
R'
trägt die Wechselwirkung des einsamen Elektrons mit den n- bzw. 7i-Elektronen aus
der Umgebung zu leichter Autoxidierbarkeit bei.
472 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Die Peroxyradikale setzen sich in einer Kettenreaktion weiter um. Einen beson-
ders übersichtlichen Verlauf nimmt die Autoxidation, wenn das Peroxyradikal mit
einem Wasserstoffatom der Ausgangssubstanz ein stabiles Hydroperoxid bildet und
so ein neues Radikal erzeugt, das die Reaktionsfolge fortsetzt:

Ketten- R—O—O' + RH > R—O—OH + R*


reaktion R» + Q2 > R—O—O* (s. oben)

Die Reaktion kommt zum Ende durch Ausscheiden der Peroxyradikale, die sich
in verschiedener Weise zu stabilen Produkten umsetzen, z. B.

Abbruch 2 R—O—O' > R—O—O—R + O2

Für die Autoxidation des Cumols gilt das Schema:

Bei Zusatz von Schwefelsäure erhält man aus dem Cumolhydroperoxid Phenol
und Aceton. Die starke, katalytisch wirkende Säure spaltet ein Hydroxyl ab, gleich-
zeitig wandert der Phenylrest nach Art einer Pinakol-Umlagerung an den Sauerstoff;
dann kommt es zu einer Anlagerung von Wasser und schließlich zur Spaltung:

/CH3
o-C-OH2
\
CH3

Da Cumol aus Benzol und dem in hoher Konzentration in den Crackgasen vor-
liegenden Propen leicht zugänglich ist (S. 265), wird diese Hock" sehe Synthese zweier
wichtiger Grundstoffe großtechnisch ausgenutzt.
Bei der Autoxidation der Aldehyde entstehen in einer Kettenreaktion Peroxy-
säuren. Diese reagieren rasch mit einem weiteren Molekül Aldehyd über den HaIb-
acetalester einer Peroxy säure zu zwei Carbonsäuren:
Beispiele für die Autoxidation 473

[Aldehyd >] R-C=O °2 > R-C^


^
O—O*
O H O l
# / #
R-C + R-C > R-C + R-C=O
\ % \
O—O* O O—OH
O H O-.-H R
R-C
# + R-C
/ > R-C
X /
#<J PC
\ O—OH %O NTN
O—O
V \OH
O

OH

Versuch: Autoxidation des Acetaldehyds —Zwei ml frisch dargestellten Acetaldehyd


(Präparat S. 478) schüttelt man einige Minuten mit Luft in einem gut verschlossenen
100-ml-Kolben, den man wegen des niedrigen Siedepunktes des Acetaldehyds ab und
zu in Eiswasser kühlt. Das Reaktionsgemisch wird zu gleichen Teilen in zwei Reagenz-
gläser pipettiert. Zur ersten Hälfte fügt man 2 ml verdünnte Kaliumiodid-Lösung sowie
einige Tropfen Stärkelösung; zur zweiten etwa 5 ml Wasser und prüft diese mit Indikator-
papier (Essigsäure). Nach 20 min versetzt man die wässerige Lösung ebenfalls mit 3 ml
der Kaliumiodidlösung und Stärke. Man wird finden, daß die oxidierende Lösung (Peroxy-
säure) anfangs viel, nach dem Stehen in Wasser nur noch wenig lod freisetzt) Für einen
korrekten Vergleich der Farbintensitäten muß man natürlich auch die erste Probe mit
5 ml Wasser verdünnen.

Versuch: Autoxidation des Benzaldehyds - Einige Tropfen Benzaldehyd läßt man


eine Stunde lang auf einem Uhrglas an der Luft stehen. Es bilden sich Kristalle von
Benzoesäure.
Das erste Autoxidationsprodukt des Benzaldehyds, die Peroxysäure, kann mit Acetan-
hydrid als Acetylbenzoylperoxid

O O
Il Il
H3 C—C—O—O—C—C6 H 5

abgefangen werden.

Auch bei der Autoxidation der aliphatischen Ether reagiert das Primärradikal zu
einer a-Hydroperoxyverbindung (I), die sich in verschiedener Weise weiter umsetzen
kann.
474 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

O—O*
I
R-C-O-CH2R + O2 > R-C-O-CH2R
I t I
H l H
I
O—O* H l
I I
R-C-O-CH2R + R-C-O-CH2R

H ii
0—OH
OH |
R-C-O-O-CH2R « R-C-O-CH2R + R-C-O-CH2R
H I H
H I

X
V
c/ \
IM IV

Die relativ stabilen Verbindungen vom Typ I, die auch aus Aldehyd, Alkohol und
Hydrogenperoxid zugänglich sind, können für die gefährlichen Detonationen, die
man von Etherperoxiden kennt, nicht verantwortlich sein. Man muß vielmehr eine
Umwandlung des Hydroperoxids I annehmen, die vielleicht unter Umlagerung zum
a-Hydroxyalkylhydroperoxid II und dessen weiterer Autoxidation zum dimeren
explosiven Ethylidenperoxid III oder zu oligomeren, labilen Ethylidenperoxiden IV
führt (A. Rieche).
Bei der Autoxidation der natürlich vorkommenden mehrfach ungesättigten trock-
nenden Öle begünstigt die zweifache Allylstellung der zwischen den homokonjugier-
ten Doppelbindungen stehenden Methylengruppen (Linolsäure, Linolensäure) den
Angriff des Startradikals. Infolge der Konjugationstendenz reagiert das primäre
Radikal am äußeren C-Atom, es bilden sich Hydroperoxiderivate konjugiert unge-
sättigter Glycerinester. Als Katalysatoren sind hier besonders Mn ++ -Ionen wirk-
sam (Leinölfirnis):

-CH=CH-C-CH=CH- « » -CH-CH=CH-CH=CH-
H
O—OH
+O92 I
^ -CH-CH=CH-CH=CH-

Die Parallelreaktionen der intermediären Peroxyradikale, bei denen es schließ-


lich zur Bildung stabiler, vernetzter hochpolymerer Peroxide kommt, nehmen wegen
der Beteiligung der Doppelbindungen einen komplizierteren Verlauf. Mehr oder
weniger neigen fast alle organischen Stoffe besonders im Licht zur Autoxidation, auf
Inhibierung der Autoxidation 475

der z. B. auch das Ranzigwerden der Fette, das Brüchigwerden des Gummis und
vieler anderer Materialien beruht.
Als Schutz gegen unerwünschte Autoxidationen kann man empfindlichen Stoffen
„Antioxidantien" („Inhibitoren") wie Sulfit, Hydrochinon, Diphenylamin u.a., bei
Lebensmitteln Tocopherole („Vitamin E", S. 678) zusetzen. Diese machen die Start-
radikale unschädlich, indem sie bereitwillig ihre Elektronen übertragen und dabei
selbst in stabile nicht autoxidable Verbindungen übergehen:

SO,- + Sf Str + 'SO3-


S2O6"
oder

St' StH +

St- StH +

Stark beschleunigt, wenn nicht überhaupt erst eingeleitet werden Autoxidationen


durch Spuren von Metallionen, die leicht univalent ihre Wertigkeit wechseln können,
wie Fe-, Co- oder Cu-Ionen. Ein klassisches Bispiel für ein solches System ist das
Reagens von Fenton, eine stark oxidierende Mischung aus H 2 O 2 und Eisensalz

HO—OH + Fe2+ HO* + OH- + Fe3


3+ +
HO—OH + Fe H—O—O' + H +

Versuch: Autoxidation des Cysteins in Gegenwart von Eisenionen — In einem


750-ml-Kolben löst man eine Spatelspitze freies Cystein in etwa 400 ml Wasser, gibt dazu
einen Tropfen verdünnte Eisen(lll)-chlorid-Lösung und schüttelt um. Die Lösung färbt
sich violett. Läßt man sie einige Zeit ruhig stehen, verschwindet die Farbe, um beim kräf-
tigen Schütteln an der Luft wieder zu erscheinen. Diesen Wechsel kann man so lange
wiederholen, bis alles Cystein zu fast unlöslichem Cystin oxidiert worden ist.

Versuch : Hemmung der Autoxidation durch ein Komplexon — 0,5 g Cystein wer-
den in 10 ml kaltem Wasser klar gelöst (eventuell abfiltrieren). Diese Lösung gießt man zu
gleichen Teilen in zwei große Reagenzgläser. Zu einer Probe gibt man eine Spur Dina-
trium-ethylendiamin-tetraacetat (Titriplex IM der Firma Merck, Darmstadt, auch EDTA)
476 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

und läßt die Gläser offen stehen. Nach einigen Stunden ist die Lösung, welcher der
Komplexbildner zugesetzt wurde, noch klar, während aus der anderen viel unlösliches
Cystin ausgefallen ist.

Im voraufgehenden Versuch verbindet sich zuerst das Cystein mit den Eisen(III)-
lonen zu einem violetten Komplex. In diesem Zustand überträgt der Schwefel ein
Elektron auf das Eisen; die Farbe verschwindet, es bildet sich Cystin aus 2 Molekülen
Cystein und Eisen(II)-Ionen, die beim Schütteln an der Luft wieder zu (Komplex-
bildenden) Eisen(III)-Ionen oxidiert werden. Im letzten Versuch wird die Autoxida-
tion dadurch unterdrückt, daß die - stets vorhandenen - Schwermetallspuren als
Chelate gebunden werden.
Bei den durch Farbstoffe (Chlorophyll, Bengal Rosa, Eosin u.a.) sensibilisierten
licht-induzierten Autoxidationen reagiert das Sauerstoffmolekül in der spinisomeren
Singulettform 1 O 2 . Dem Singulett-Sauerstoff ist die Verwitterung aller organischen
Substanzen in der Luft am Sonnenlicht zuzuschreiben. Während im Grundzustand des
O2-Moleküls bekanntlich die unteren TT* Orbitale jeweils durch ein rc-Elektron glei-
chen Spins besetzt sind (Triplettzustand, 3 O 2 ) kehrt geeignete Zufuhr von Energie
den Spin eines Elektrons um, so daß sich beide Elektronen mit antiparallelem Spin
auf einem ersten angeregten Niveau (92 kJ = 22 kcal energiereicher) oder einem
zweiten (155 kJ = 37 kcal energiereicher als der Triplettzustand) befinden. Diese
energiereichen Modifikationen sind für die sensibilisierten Photooxidationen verant-
wortlich. Solche Oxidationen können sich auch in lebenden Organismen abspielen
und dabei lebenswichtige Moleküle betreffen, wenn Sensibilisatoren, z. B. Porphyrine
oder mit der Nahrung aufgenommene Naturstoffe in die Haut gelangen und dort der
Sonne ausgesetzt werden. Hierbei treten schwere, unter Umständen zum Tod füh-
rende Irritationen auf.
Singulettsauerstoff kann auch auf chemischem Weg erzeugt werden, z. B. durch Zer-
setzung von H 2 O 2 mit NaOCl oder aus Kaliumperchromat, K 3 CrO 8 , aus Ozoniden
organischer Phosphorverbindungen wie (CH3O)PO3 —> (CH3O)3PO + 1 O 2 oder
beim thermischen Zerfall von Endoperoxiden (s.u.). Einige spezifische Reaktionen
VOn 1 O 2 :
1. Diene, speziall cyclische, addieren den Singulett-Sauerstoff nach Art einer
Diensynthese zu Endoperoxiden. Nach G. O. Schenk ist so aus a-Terpinen das im
Chenopodiumöl enthaltene wurmtötende Ascaridol zugänglich:

/)v.Sensibilisator
O2 —: •

.C
H3C HCH 3

a-Terpinen Ascaridol
Oxidation mit Singulett-Sauerstoff 477

Die aus polycyclischen Aromaten, z. B. aus Anthracen oder Rubren entstehenden,


analog gebauten, trans-annularen Peroxide geben ihren Sauerstoff als 1O2 beim Er-
wärmen wieder ab - das höher konjugierte System bildet sich dabei zurück.

C
6H5 C6H5
Rubren
(rubinrot)

2. Als weitere formale Analogie zum Verhalten eines Dienophils kann die Reaktion
von 1 O 2 mit der Allylposition von Olefinen betrachtet werden (siehe „En"-Reaktion,
S. 204). So entsteht z. B. aus 2-Methyl-2-penten ein Gemisch aus etwa gleichen Teilen
der Allylhydroperoxide.

H 2 C. O—OH
49%
H3Cx \'CH -CH
2 3

U3C' CH2 CH
51%
CH-CH,

3. Elektronenreiche Olefine wie Dihydropyran, Indan oder Diethoxyethen geben


in einer (2 + 2)Cycloaddition die sehr labilen Dioxetane, die schon bei Raumtempera-
tur in 2 Carbonylgruppen aufgespalten werden, die sich zunächst im angeregten
Triplett-Zustand befinden und diese Energie in Form von Licht abgeben (Chemilu-
mineszenz).

HO-OH O* O*
Il
C-C 7- ^ T C
H5C2O H5
OC2Fi H5C2O H H O C2H5

Dioxetane können auch aus ß-Bromalkyl-hydroperoxiden mit Base synthetisiert


werden. Unter anderem kann das aus 3-Brom-2-methyl-2-butylhydroperoxid er-
haltene Trimethyl-l,2-dioxetan als Energiequelle benutzt werden, die durch Energie-
übertragung aus den angeregten Spaltstücken solche Reaktionen im Dunkeln er-
möglicht, die sonst im Licht ablaufen („Photochemie ohne Licht"). So erhält man
z. B. beim kurzen Erhitzen einer Benzol-Lösung des Dioxetans mit Acenaphthylen
das eis- und trans-Dimere wie bei der Photodimerisierung. Die Energie des angereg-
ten Zustands läßt sich auch mit fluorescierenden Verbindungen als Licht freisetzen.
478 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

CH 3 Br CH3 CH3

H 3 C-C-CH-CH 3
Base
H 3 C- -H [[ Y
o
YoT
J
0-OH 0 —0 Einwirkung
auf

2 >=

eis- und trans- Dimer

Die Aktivierung des molekularen Sauerstoffs durch Eisenporphyrin-Enzyme (und


reduziertes NADP), die zur Inkorporierung einer OH-Gruppe führt (Hydroxylierung
zahlreicher Substrate, Monooxygenierung) ist im Kapitel IV am Beispiel der biolo-
gischen Phenolbildung erwähnt. Sie ähnelt dem chemischen Modell der elektrophi-
len Reaktion des elektronendefizienten Sauerstoffs, wie man es auch für die Hydroxy-
lierung durch Peroxyverbindungen annehmen muß (siehe S. 275).

Oxidation mit sauerstoffreichen anorganischen Verbindungen

Acetaldehyd aus Ethanol mit Dichromat-Schwefelsäure


Das Gelingen dieses Präparates hängt wesentlich vom sorgfältigen Aufbau der Appa-
ratur ab!

Abb. 76
Acetaldehyd aus Ethanol 479

Wie Abb. 76 zeigt, dient als Reaktionsgefäß ein 1 -I-Schliffrundkolben, der in einem
Babotrichter steht und einen Claisenaufsatz trägt. Im konzentrischen Tubus dieses Auf-
satzes sitzt ein zweifach durchbohrter weicher, gut passender Gummistopfen, durch den
ein Gaseinleitungsrohr bis zum Boden des Kolbens führt und ein 500-ml-Tropftrichter
so tief eingeschoben ist, daß seine Rohrmündung bis in den Kolbenhals reicht. Der Ein-
füllstutzen des Tropftrichters ist mit einem zum kurzen Rohr ausgezogenen Schliffknie-
stück verschlossen. In dem seitlichen Tubus des Aufsatzes steckt senkrecht ein etwa
40 cm langer Liebigkühler, dessen oberes Ende über eine Destillierbrücke mit einem
möglichst wirksamen absteigenden Kühler verbunden ist. An diesen angeschlossen, über
ein Reduzierstück und frischen Gummischlauch, sind zwei oder besser drei hinterein-
ander geschaltete Gaswaschflaschen, die in einem größeren Kühlgefäß stehen und mit
je 10O ml absolutem Ether beschickt sind. Den Thermometertubus der Destillationsbrücke
verschließt ein weicher festsitzender Gummistopfen; er klemmt einen Zwirnfaden mit ein,
an dem ein dünnes 50°- oder 1000C-Thermometer im Kondensationsrohr des Liebig-
kühlers hängt, dessen Quecksilberkugel sich auf halber Höhe des Kühlers befindet. Dem
Reaktionskolben ist eine Stickstoff- oder Kohlendioxid-Stahlflasche mit Reduzierventil,
Schwefelsäure-Blasenzähler und Bunsenventil (siehe S. 26) so vorzuschalten, daß
über ein T-Stück eine Schlauchverbindung zum Gaseinleitungsrohr, eine zweite zum
Kniestück führt.
Durch den Kühlmantel des Liebigkühlers läßt man während der Oxidation sehr lang-
sam Wasser von etwa 15—2O 0 C strömen, der absteigende Kühler wird mit auf wenige
Grad über Null vorgekühltem Wasser gespeist.
Da der Acetaldehyd schon bei 2O 0 C siedet und im Inertgasstrom übergetrieben wird,
ist es ganz besonders wichtig, darauf zu achten, daß die Apparatur auch gegen einen
geringen Überdruck gasdicht ist, und die Vorlage sehr gut gekühlt wird (Gaswasch-
flaschen ganz in die Kältemischung einpacken).
Ist die Apparatur betriebsfertig, gießt man durch den geöffneten Tropftrichter in den
Reaktionskolben nacheinander 125ml 95proz. Ethylalkohol (1,62mol), 80 ml Wasser
und — langsam — 50 ml reine Schwefelsäure. Den Tropftrichter selbst füllt man mit der
noch warmen Lösung von 200 g Natriumdichromat (0,68 mol; 25% Überschuß) in
270 ml Wasser und 10OmI Schwefelsäure. Nun stellt man die Anschlüsse zur Stahl-
flasche her und läßt so langsam N 2 bzw. CO2 durch die Apparatur strömen, daß die Blasen
noch bequem gezählt werden können und heizt unter dem Babotrichter. Wenn der Kol-
beninhalt zu kochen beginnt, kann man den Brenner wieder entfernen und die Dichromat-
Schwefelsäure aus dem Tropftrichter langsam mit einer solchen Geschwindigkeit zu-
fließen lassen, daß die exotherme Wärmetönung das Reaktionsgemisch ständig weiter
am Sieden hält und das Thermometer im Liebigkühler 25—3O 0 C anzeigt. Hat man - nach
etwa zwei Stunden - alle Säure zugegeben, läßt man noch 10 min weiter reagieren, löst
die Vorlagen, und schließt dann erst das Stahlflaschenventil.
Da sich der im Ether aufgefangene Acetaldehyd nicht durch fraktionierte Destillation
vom Lösungsmittel trennen läßt, führt man ihn in den kristallisierten Aldehydammoniak
über. Dazu bringt man den Inhalt der beiden Waschflaschen in einen kleinen Stutzen, der
durch ein Kältegemisch gut gekühlt wird und leitet aus der Stahlflasche Ammoniakgas
ein; als Einleitungsrohr verwendet man dabei, den weiten Rohrteil tief in der Flüssigkeit,
ein leeres gerades CaCI 2 -Rohr, das man zur Verteilung der sich bildenden Kristalle öfters
hin und her bewegt. Wegen des verdampfenden Ethers alle Flammen in der Nähe löschen !
Wird kein Ammoniak mehr aufgenommen, läßt man noch eine Stunde zur Vollendung der
480 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Kristallisation stehen, prüft eine abgegossene Probe im Reagenzglas, ob bei weiterem


Einleiten von NH3 noch eine Fällung entsteht, und saugt, wenn dies nicht der Fall ist,
den Aldehydammoniak auf der Nutsche ab. Der Niederschlag wird noch einige Male mit
absolutem Ether gewaschen und dann zuerst auf Filtrierpapier, schließlich im nicht-
evakuierten Exsikkator über Silikagel getrocknet. Das trockene Präparat ist, gut ver-
schlossen aufbewahrt, längere Zeit haltbar; unreine Präparate zersetzen sich nach weni-
gen Tagen unter Braunfärbung. Ausbeute 50-60 g (50-60%). Über die Struktur dieser
Verbindung siehe auf S. 344.
Zur Gewinnung des reinen Aldehyds baut man auf einem Wasserbad einen 250-ml-
Fraktionierkolben auf, dessen kurzes Ansatzrohr mittels Schlauchverbindungen über ein
zwischengeschaltetes U-förmiges gefülltes Calciumchloridrohr an einen senkrechten
Schlangenkühler mit angesetzter Vorlage angeschlossen ist. Den Tubus verschließt ein
zweifach durchbohrter Gummistopfen, in dem ein Destillationsthermometer sowie ein
kurzes Glasrohr stecken, welches mit einer Kohlendioxid-Stahlflasche verbunden ist. Das
Calciumchloridrohr wird bei tiefer Außentemperatur durch warmes Wasser schwach er-
wärmt, die Vorlage mit Eis-Kochsalz-Mischung gut gekühlt. In den Kolben gibt man die
Lösung von 25 g Aldehydammoniak in 25 ml Wasser, dann die erkaltete Mischung von
30 ml konz. Schwefelsäure mit 40 ml Wasser und füllt — um die Autoxidation des Alde-
hyds zu vermeiden - die Apparatur mit Kohlendioxid. Nun kann der freiwerdende Acetal-
dehyd überdestilliert werden (Sdp. 21 0 C). Dabei bleibt das Stahlflaschenventil ge-
schlossen.

Die Dehydrierung primärer Alkohole ist das wichtigste Verfahren zur Darstellung
der Aldehyde. Hierbei dient in der Technik fast ausschließlich der Luftsauerstoff
(siehe Präparat S. 468), im Labor wurde früher oft Dichromat verwendet, es ist jedoch
sehr schwierig zu vermeiden, daß der Aldehyd zur Carbonsäure weiteroxidiert wird.
Bei der Luftoxidation verhindern die hohen Temperaturen am glühenden Kontakt
schon von vornherein die Bildung der dehydrierbaren Aldehydhydrate; beim Arbeiten
in wässeriger Lösung destilliert man den Aldehyd am besten sofort nach dem Ent-
stehen aus dem Reaktionsgut heraus, dies gelingt freilich nur bei niedrigsiedenden
Aldehyden. Bei der vorstehend beschriebenen Darstellungsmethode sorgt der mit
warmem Wasser gespeiste Rückflußkühler dafür, daß der Acetaldehyd im Inertgas-
strom übergetrieben wird, während der höher siedende Alkohol kondensiert wird und
in den Reaktionskolben zurückfließt.

Octanal aus Octanol mit Pyridiniumchlorchromat

CH 3 (CH 2 J 6 CH 2 OH —C5H5NHCrO3Ci > CH3(Ch,2

Darstellung von Pyridiniumchlorchromat


Zur Lösung von 25 g (0,25 mol) Chromtrioxid in 46 ml 6N Salzsäure (0,28 mol) tropft
man bei 5 0 C in 10 min vorsichtig 19,6 g (0,25 mol) Pyridin. Man kühlt auf O 0 C ab, saugt
Oxidation primärer und sekundärer Alkohole 481

das orangerote Produkt auf einer Glasfilternutsche ab und trocknet es i. Vak., 45 g, Aus-
beute 84%. Es ist kaum hygroskopisch und kann im verschlossenen Gefäß, am besten
im Kühlschrank, unzersetzt aufbewahrt werden.

Oxidation
Man suspendiert 6,46 g (30 mmol) Pyridiniumchlorchromat in 40 ml Methylen-
chlorid, tropft sofort anschließend bei Raumtemperatur rasch die Lösung von 2,60 g
(20 mmol) 1-Octanol in 4ml Methylenchlorid zu und rührt 90min. Dann wird dekan-
tiert, und der Rückstand dreimal mit je 30 ml Methylenchlorid gewaschen. Man filtriert
die vereinigten Lösungen über 20g Kieselgel und wäscht dieses mit 100 ml Methylen-
chlorid nach. Die vereinigten Lösungen werden zur Entfernung restlichen Pyridins mit
20 ml 5proz. Schwefelsäure und dann noch dreimal mit je 20 ml Wasser gewaschen.
Man trocknet über Calciumchlorid, engt im Rotationsverdampfer ein und destilliert den
Rückstand bei 72 0 C / 20 Torr in einem Kugelrohr: 1,65g (64%).

Jones-Oxidation
1. (—)-Menthon

Man stellt zunächst eine eingestellte Chromsäurelösung her, indem man 10,0 g Natrium-
dichromat-dihydrat in 30 ml Wasser löst, 13,6g (7,4ml) konzentrierte Schwefelsäure
zusetzt und auf 50 ml mit Wasser auffüllt. Diese Lösung kann 0,1 mol des sekundären
Alkohols oxidieren. Hierzu werden 15,6 g (0,1 mol) (—)-Menthol in 40 ml Ether gelöst.
Unter Rühren und Kühlung auf 25—3O 0 C tropft man die Chromsäurelösung aus einem
Tropftrichter in 15min zu. Man rührt noch 2 h bei Raumtemperatur, trennt die Ether-
phase ab, wäscht die wässerige Phase noch zweimal mit je 20 ml Ether, wäscht die ver-
einigten Etherphasen mit gesättigter Natriumhydrogencarbonat-Lösung und Wasser,
trocknet über Calciumchlorid, dampft i. Vak. ein, destilliert den Rückstand im Wasser-
strahlvakuum bei 95—96 0 C über eine kurze Kolonne und erhält 12,9g Menthon, 84%
Ausbeute, [a]g°= -29,9° (unverdünnt, [a]o 0= -31,1°, c =20 in Chloroform).

2. 4-Phenyl-3-butin-2-on

Cr 3
C6H5C=C-CH-CH3 ° > C 6 H 5 C=CCOCH 3
OH
In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rührer und Tropftrichter löst man 24,0 g (0,165 mol)
4-Phenyl-3-butin-2-ol (S. 436) in 60 ml Aceton, kühlt von außen mit einem Eisbad und
tropft unter Rühren die Lösung von 20,Og Chromtrioxid (Überschuß! Bei Verwendung
482 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

geringerer Mengen enthält das Produkt noch unumgesetzten Ausgangsalkohol) und 19ml
konz. Schwefelsäure in 60 ml Wasser in 90 min zu. Anschließend wird das Gemisch noch
30 min bei O 0 C weitergerührt und dann in 500 ml Wasser und 300 ml Ether gegossen.
Man trennt die etherische Phase ab, wäscht sie zweimal mit Wasser und einmal mit ge-
sättigter Ammoniumchloridlösung, trocknet über Natriumsulfat, filtriert, dampft das FiI-
trat am Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand bei 12 Torr und 118—121 0 C
über eine kurze Kolonne, Ausbeute 7,2 g (30%) zimtartig riechendes Öl. Bei der Destilla-
tion muß die Temperatur des Heizbades auf bis 17O 0 C gesteigert werden, zur Sicherheit
Schutzbrille und -schild!

In neuerer Zeit sind verschiedene Laborverfahren beschrieben worden, in denen


der Chromtrioxid-Pyridin-Komplex CrO3 • 2C 5 H 5 N die Oxidation primärer Alko-
hole zuverlässig auf der Stufe des Aldehyds beendet (Collins, Ratcliffe). Ungefährlich
in der Herstellung und sehr praktisch in der Durchführung der Oxidation sind die
von Corey vorgeschlagenen Komplexe Pyridiniumchlorchromat C5H5NHCrO3Cl,
der für die oben beschriebene Oxidation von 1-Octanol zu 1-Octanal dargestellt und
verwendet wird, sowie Dipyridiniumdichromat (C 5 H 5 NH) 2 Cr 2 O 7 in Methylen-
chlorid oder (letzterer) in DMF. Mit diesen Reagenzien lassen sich auch beliebig
komplizierte primäre Alkohole in guten Ausbeuten zu Aldehyden oxidieren. Pyri-
diniumchlorchromat in CH2Cl2 eignet sich auch hervorragend zur Oxidation se-
kundärer Alkohole zu Ketonen, aber diese Reaktion läßt sich schon mit den klassi-
schen Chromsäurelösungen im allgemeinen gut durchführen. Empfindliche sekundäre
Alkohole wie z.B. Ethinylalkohole können mit der Jones-Oxidation (E.R.H. Jones)
ohne Beeinträchtigung der Dreifachbindung zu Ketonen oxidiert werden. Dabei ver-
setzt man den in Aceton oder Ether gelösten sekundären Alkohol mit der berechneten
Menge wässeriger Chromsäurelösung und erkennt das Ende der Reaktion manchmal
am Farbumschlag vom gelben Chromat zum grünen Cr(III)-Ion. Diese Oxidationen
verlaufen meist zweiphasig, wobei der sekundäre Alkohol und das gebildete Keton in
der Phasen-Grenzfläche mit dem Oxidationsmittel in Berührung kommen. Auf diese
Weise lassen sich selbst die besonders empfindlichen Ethinylcarbinole zu den Ketonen
oxidieren, wie im Beispiel des 4-Phenyl-3-butin-2-ons gezeigt.
Als besonders milde spezifische Oxidationsmittel für Alkohole können auch or-
ganische Schwefelverbindungen der Sulfoniumstufe dienen. Dabei kann die Oxida-
tion primärer Alkohole nicht über die Aldehydstufe hinausgehen, aus sekundären
Alkoholen erhält man natürlich die ohnehin meist gegen Oxidation beständigen
Ketone. Viel verwendet wird Dimethylsulfoxid, das elektrophile Agenzien (E) an
seinem Sauerstoffatom anlagert und dieses dann gegen den Sauerstoff der zu oxi-
dierenden Hydroxy l Verbindung austauscht. Das als Zwischenprodukt auftretende
Dimethylalkoxysulfoniumsalz (I) geht mit Base in ein Ylid (II) über, das in Carbonyl-
verbindung und Dimethylsulfid zerfallt. In der Pfitzner-Moffatt-Reaktion wird als
aktivierendes Agens Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) verwendet, das bei der Reak-
tion in Diphenylharnstoff übergeht. (Man vergleiche die Acyl-aktivierende Wirkung
Aldehyde durch Oxidation 483

des Carbodiimids bei Peptidsynthesen auf S. 319). Anstelle des Diimids kann auch
Acetanhydrid oder Diphosphorpentoxid verwendet werden.

CH3 CH3 H H3C H


/ +/ l -cnu
EQH X+ I
O +-S + E —> EO-S + HO—C-R > S—O—C-R
\H3 \H3 H H3C i
I

/H
V /
:—R (CH 3 J 2 S + O=C
CH3 H
Il
+
E: Dicyclohexylcarbodiimid, CH3CO aus Acetanhydrid, P4O10 u.a.

Zu den gleichen Oxidationen sind die Sulfoniumaddukte von Cl2 oder Af-Chlor-
succinimid an Dialkylsulfide fähig, die in analoger Weise, über Zwischenprodukte
wie I, reagieren dürften (E. J. Corey).

CH3
+
ci-ssxx
CH
e

Braunstein-Oxidation von Zimtalkohol

Mn 2
C6H5CH=CH-CH2OH ° > C6H5CH=CH-CHO
In einem 50-ml-Rundkolben, der mit einem Korkstopfen lose verschlossen ist, rührt man
die Lösung von 2,68 g (20 mmol) Zimtalkohol in 20 ml spektroskopisch reinem Ether mit
Hilfe eines Magnetrührstabes mit 12g aktivem Braunstein. Zur Dämpfung der Wärme-
tönung wird von außen mit Wasser von Raumtemperatur gekühlt. Nach 20 min ist die
Reaktion praktisch beendet. Zur Vervollständigung rührt man noch 2 h weiter, filtriert
dann über eine mit Ether aufgeschlämmte Säule von 10OmI Kieselgel (Durchmesser
ca. 30 mm, zum Füllen der Säule siehe S. 88), wäscht mit reichlich Ether nach, dampft
das Filtrat am Rotationsverdampfer ein und destilliert den Rückstand bei 25 Torr und
135—15O 0 C Badtemperatur in einem Kugelrohr: 2,30g (87%) Zimtaldehyd.
Der Verlauf der Oxidation läßt sich besonders gut UV-spektroskopisch verfolgen. Da-
zu pipettiert man vor Zusatz des MnO2 und danach anfangs im Abstand von je 10 min
je 0,2 ml der Lösung ab, verdünnt mit optisch reinem Ether auf 25 ml, nimmt von der
verdünnten Lösung mit einer frischen Pipette abermals 0,2 ml ab und verdünnt diese auf
50 ml. Die so erhaltene Lösung kann in die UV-Küvette gefüllt und zwischen 320 und
220 nm vermessen werden. Vor Beginn der Oxidation sieht man die Hauptbande des
484 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Zimtalkohols bei 252 nm, im Verlauf der Oxidation wird diese durch die Hauptbande des
Zimtaldehyds bei 282 nm ersetzt. Die Reaktion ist beendet, wenn diese Bande nicht mehr
ansteigt und eine symmetrische, von Schultern freie Gestalt angenommen hat.

Ebenfalls besonders milde und dabei äußerst einfach in der Durchführung ist die
selektive Oxidation von Allylalkoholen mit aktivem Braunstein in Methylenchlorid
oder Ether zu den a, ß- ungesättigten Aldehyden oder Ketonen. Sie wird durch Rühren
bei Raumtemperatur erreicht, bleibt aber praktisch auf Allyl- und Benzylalkohole
beschränkt. Aktiver Braunstein ist heute kommerziell erhältlich, kann aber auch nach
Vorschrift (J. Attenburrow et al. J. Chem. Soc. ^952, 1094, S. 1104ff.) dargestellt
werden.

p-Nitrobenzoesäure aus p-Nitrotoluol mit Dichromat-Schwefelsäure

Cr 3
° "» O2N-/""V-CO2H

In einem Dreihalsschliffkolben von 500 ml Inhalt, der mit Rückflußkühler, Rührer und
Tropftrichter ausgestattet ist, werden 77g Kaliumdichromat (0,26 mol), 23g p-Nitro-
toluol (0,17 mol) und 150 ml Wasser vorgelegt. In die gut gerührte Mischung läßt man
von 190 g reiner Schwefelsäure aus dem Tropftrichter etwa die Hälfte so rasch zufließen,
daß das Nitrotoluol schmilzt (Schmp. 51 0 C) und die Oxidation einsetzt. Die zweite Hälfte
der Schwefelsäure wird in dem Tempo zugetropft, daß die Reaktion unter Selbsterwär-
mung weitergeht, aber nicht zu heftig wird. Ist alles zugegeben und die Reaktion abge-
klungen, wird die Mischung noch 30 min zum gelinden Sieden erhitzt, dann abgekühlt
und mit 200 ml Wasser verdünnt. Die ausgeschiedene rohe p-Nitrobenzoesäure wird ab-
gesaugt in einem Literkolben mit 200 ml 1N Natronlauge übergössen und der Wasser-
dampfdestillation unterworfen. Geht kein unverändertes Ausgangsmaterial mehr über,
filtriert man von der alkalischen Lösung das restliche Chromhydroxid ab und rührt das
Filtrat in 120 ml 2 N Salzsäure ein. Die bei dieser Arbeitsweise zunächst sehr fein kristallin
anfallende p-Nitrobenzoesäure wird noch eine Stunde nachgerührt, wobei die Kristalle er-
heblich größer werden, sodaß sie abgesaugt und mit Wasser gut ausgewaschen werden
können. Die Trocknung kann im Heizschrank bei 120 0 C erfolgen. Man erhält 21 g (71 %)
vom Schmp. 236 0 C. Ein besonders reines Produkt vom Schmp. 238 0 C kann man ent-
weder durch Umkristallisieren aus viel Benzol erhalten oder durch Lösen in verdünnter
Natronlauge und fraktioniertes Wiederausfällen mit verdünnter Salzsäure. Die beim
schwachen Ansäuern ausfallende erste Fraktion nimmt praktisch alle Verunreinigungen
auf und wird abgetrennt. Bei stärkerem Ansäuern erhält man dann ein sehr reines Produkt.
aromatische Carbonsäuren durch Oxidation 485

Benzoldicarbonsäuren aus Xylolen mit Kaliumpermanganat

Terephthalsäure aus p-Xylol

In einem dreifach tubulierten 1-I-Rundkolben mit KPG-Rührer und Rückflußkühler löst


man 4,0 g Kaliumhydroxidplätzchen (0,10 mol) in 500 ml destilliertem Wasser, fügt 70 g
Kaliumpermanganat (0,44 mol) sowie 10,6g p-Xylol (12,3ml; 0,10 mol) hinzu und
verschließt den dritten Tubus mit einem Schliffstopfen. Unter Rühren erhitzt man im
Ölbad innerhalb von 30 min zum Sieden und hält dann 4 h bei einer Badtemperatur von
125 0C. Nach dieser Zeit ist das Permanganat verbraucht; sollte die überstehende Lösung
noch rotviolett sein, reduziere man mit einigen Tropfen schwefliger Säure. Noch heiß
saugt man vom Braunstein ab (Saugflasche vorwärmen) und wäscht mit 80 ml sieden-
dem Wasser nach. Dann erhitzt man den Braunstein noch einmal mit 100 ml Wasser und
5 ml 2N Natronlauge auf einem siedenden Wasserbad, saugt wieder ab und wäscht
zweimal mit 50 ml heißem Wasser. In die vereinigten, noch heißen Filtrate rührt man
60 ml konz. Salzsäure ein, worauf sich die farblose Terephthalsäure ausscheidet. Nach
Stehenlassen über Nacht saugt man ab, wäscht fünfmal mit je 30 ml Wasser und trocknet
2 h bei 11O 0 C. Man erhält so 14—15g Terephthalsäure (84-91%).
Terephthalsäure sublimiert unzersetzt oberhalb von 30O 0 C. Zur Charakterisierung ist
der mit überschüssigem Diazomethan (S. 632) oder mit Methanol-Schwefelsäure er-
hältliche Dimethylester geeignet. Nach achtstündigem Kochen des Gemisches von 7,0 g
Terephthalsäure, 15OmI Methanol und 6,0 ml reiner Schwefelsäure unter Rückfluß
scheidet sich beim Erkalten der kristalline Ester aus. Nun wird mit Eis gekühlt, abgesaugt
und aus 15OmI Methanol umkristallisiert. Ausbeute: 7,0-7,5 g Terephthalsäure-dime
thylester (86-92%) in farblosen Nadeln mit einem Schmp. von 14O 0 C.

Isophthalsäure aus /T?-XyIoI


Man verfahre genau wie für die Oxidation von p-Xylol beschrieben. Auch hier beträgt
die Ausbeute 14-15 g an der ebenfalls in Wasser schwer löslichen Benzol-1,3-dicarbon-
säure. Isophthalsäure sublimiert oberhalb 30O 0 C und schmilzt im geschlossenen Röhr-
chen bei 348 0 C. Der Dimethylester hat einen Schmp. von 67 0 C.

Chinolinsäure aus 8-Hydroxychinolin mit Salpetersäure, Nicotinsäure

-c°
In einem Stutzen von 0,5 I, der im Eisbad steht und mit Rührer und Thermometer ver-
sehen ist, werden 100 ml 65proz. Salpetersäure (d 1,4; 1,45 mol) gegeben. Unter Rühren
trägt man 14,5g (0,10 mol) 8-Hydroxychinolin (S. 680) portionsweise so langsam ein,
daß die Temperatur zwischen O und 5 0 C bleibt, was etwa 30 min dauert. Dann wird der
Reaktionsansatz auf dem Dampfbad zur Trockne gebracht. Der kristallisierte Rückstand,
486 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Chinolinsäurenitrat, wird in 10OmI kochendem Wasser gelöst, die Lösung nach Auf-
kochen mit wenig Aktivkohle filtriert und im Eisschrank abgekühlt. Es scheiden sich
9—10g (54-60%) Chinolinsäure ab, die sich ab 18O 0 C unter CO2-Abspaltung zersetzt
und bei 235-237 0 C als Nicotinsäure schmilzt.
Zur mikropräparativen Decarboxylierung erhitzt man 1 g Chinolinsäure im Reagenz-
glas in einem Ölbad von 20O 0 C eine Stunde lang. Der hellbraune Rückstand wird aus
wenig Wasser umkristallisiert und gibt mindestens 0,5g (70%) weiße Kristalle der
Nicotinsäure vom Schmp. 235 0 C.

Die starken anorganischen Oxidationsmittel wie Permanganat oder Chromsäure


führen, je nach Versuchsbedingungen, zu mehr oder weniger durchgreifendem Abbau,
wobei nur besonders resistente Molekülstrukturen, wie aromatische, heterocyclische
oder cycloaliphatische Oxidationsprodukte gewonnen werden oder solche, die sich
infolge ihrer Flüchtigkeit (Acetaldehyd, S. 478) der weiteren Oxidation entziehen. Da
der Gehalt einer Dichromatlösung an Polychromsäuren und Chromtrioxid, damit
also die oxidierende Wirkung, von der Säurekonzentration abhängt, kann man die
Geschwindigkeit und auch grob das Ausmaß der Oxidation durch die Menge der zu-
gesetzten konzentrierten Schwefelsäure regulieren. CrO3 wird oft auch in Eisessig-
lösung oder in Pyridin verwendet; geeignete organisch lösliche Derivate der Chrom-
säure sind Chromylchlorid (CrO2Cl2, Etards Reagenz) und Chromsäure-di-ter/-
butylester (CH3)3COCrO2OC(CH3)3.
Besonders schwer lassen sich Paraffine oxidieren. Die Methylgruppe im^-Nitroto-
luol wird vom Chromtrioxid nur wegen der Reaktivität der Benzylstellung in der Hitze
angegriffen. Außer C-Atomen, die mit negativeren Atomen (O, N, S usw.) substituiert
sind, bieten auch rc-Elektronen und tert-C-Atome dem Oxidationsmittel Angriffs-
möglichkeiten. Hat die Oxidation an einer Stelle eingesetzt, so geht sie von dort aus
schrittweise weiter. Methylgruppen, die an ein aliphatisches C-Atom gebunden sind,
werden oxidativ als Essigsäure abgespalten, die gegenüber allen Oxidationsmitteln
bemerkenswert stabil ist und aus dem Ansatz quantitativ heraus destilliert werden
kann. C-Methyl-Bestimmung nach Kuhn-Roth. Diese Reaktion hat in der klassi-
schen Strukturanalyse von Naturstoffen, z. B. von Terpenen eine besondere Rolle ge-
spielt, hat jedoch an Bedeutung verloren, seit man Methylgruppen mit ihren klaren
Signalen im NMR-Spektrum erkennt.
Gewisse aromatische Systeme werden unter milden Bedingungen zu Chinonen
oxidiert (2-Methyl-l,4-naphthochinon aus 2-Methyl-naphthalin, Präparat S. 565).
Unter energischeren Bedingungen können die Benzolringe in polycyclischen Kohlen-
wasserstoffen und Heterocyclen durch Permanganat in alkalischer Lösung oder auch
durch Chromsäure abgebaut werden. Aus Chinolin entsteht so Pyridin-2,3-dicar-
bonsäure (Chinolinsäure), da der Benzolring elektronenreicher ist als der Pyridin-
ring. Noch leichter bildet sich die Chinolinsäure aus dem bereits im Benzolring oxi-
dierten 8-Hydroxychinolin mit Salpetersäure (Präparat S. 485).
Baeyersche Probe und Glykolspaltung 487

CrO 3

Pyridin ist gegenüber Kaliumpermanganat so resistent, daß es bei Oxidations-


reaktionen gut als Lösungsmittel benutzt werden kann, daneben ist Aceton in der
Kälte relativ stabil und daher ebenso verwendbar.
Bei vorsichtigem Arbeiten kann man Olefine mit Permanganat zu 1,2-Glykolen
oxidieren. Diese Reaktion dient als „Baeyersche Probe" zur Erkennung von C=C-
Doppelbindungen (S. 186). Das Permanganation tritt dabei in einer Cycloaddition
nur von einer Seite an die Doppelbindung heran, und bildet über den cyclischen
Mangansäureester nur ds-Glykole, während mit Peroxyverbindungen über die
Epoxide trans~G\yko\e entstehen (siehe S. 497).

H,0
LJ^ V*,

YI
Mrr

Die C—C-Bindung der 1,2-Glykole wird durch überschüssiges Permanganat leicht


oxidativ weiter gespalten. Eindeutiger verläuft diese Spaltung jedoch mit Blei(IV)-
acetat (R. Criegee) oder Periodsäure (L. Malaprade). Diese beiden spezifischen Rea-
genzien dienen oft zur Erkennung und Lokalisierung benachbarter Hydroxylgruppen
oder der Ethanolamingruppierung.

OHOH

1O4- \ I
=0 + O=Ch> (+NH 3 )
OHNH

Versuch: Glykolspaltung mit Periodat — In einem Reagenzglas gibt man zu 3 Tropfen


einer 5—10proz. wässerigen Lösung eines 1,2-Glykols (z.B. Weinsäure, Glycerin oder
eines Zuckers) 3 Tropfen 5proz. Kaliumperiodatlösung und 3 Tropfen 1N Schwefelsäure,
schüttelt gut um und läßt etwa 5 min stehen. Dann reduziert man den Periodatüberschuß
mit 10 Tropfen gesättigter schwefliger Säure und weist die entstandenen Aldehyde mit
3 Tropfen Schiff-Reagens (siehe S. 343) nach. Es erscheint, manchmal erst nach einiger
Zeit, die charakteristische burgunderrote Farbe (Blindprobe!). Auch 2,4-Dinitrophenyl-
hydrazin-Lösung (S. 347) kann zum Nachweis dienen.
488 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Als billiges Oxidationsmittel mit ähnlichem Wirkungsbereich wie die Chromsäure


wird - auch in der Technik - häufig die Salpetersäure angewendet; meistens, wie im
Präparat S. 485, halbkonzentriert und in der Hitze. Bei höheren Konzentrationen tritt
die nitrierende Wirkung der Salpetersäure stärker in den Vordergrund. Beispiele für
Oxidationen mit Salpetersäure sind die Bildung von Adipinsäure aus Cyclohexanol
oder - in der Zuckerchemie - die Darstellung von Zuckersäuren aus Aldosen, z. B.
(S. 396) Schleimsäure aus Galactose. Vorsicht! Oxidationen mit Salpetersäure ver-
laufen oft sehr heftig.

-CH1

^ChT2
/H

POH HN 3
°
er
Allen in stark saurer wässeriger Lösung ablaufenden Oxidationsvorgängen ge-
meinsam ist der primäre Angriff der elektrophilen Oxidationsmittel auf genügend
elektronenreiche Stellen der Moleküle. Bei der Oxidation eines primären oder sekun-
dären Alkohols durch Chromsäure bildet sich ein Chromsäureester als erstes Pro-
dukt, der unter Abspaltung von Chromit (eigentlicher Oxidationsschritt, Elektronen-
übergang und Abgabe des C-gebundenen Wasserstoffatoms als Proton) in die Car-
bonylverbindung übergeht. Dieser Oxidationsschritt ist auch geschwindigkeitsbe-

H \/\ H
\lC-OH + CrO3 ->
~
C-O^CrO3H

stimmend. Deshalb werden axiale Alkohole schneller oxidiert als äquatoriale, wäh-
rend sonst äquatoriale Hydroxylgruppen schneller reagieren als axiale (z. B. bei der
Veresterung).

HO"
OH \ H
.schneller /langsamer

Man formuliere den Ablauf für die nachstehend präparativ ausgeführte Oxidation
des Phenylhydroxylamins zu Nitrosobenzol.
Nitrosoverbindungen 489

Nitrosobenzol aus Phenylhydroxylamin mit Dichromat-Schwefelsäure

Cr 3
C 6 H 5 NHOH ° > C 6 H 5 NO

11 g (ca. 0,1 mol) frisch bereitetes Phenylhydroxylamin (Präparat S. 519) werden in einer
eiskalten Mischung von 50 ml konz. Schwefelsäure und 250 ml Wasser durch portions-
weises Eintragen möglichst rasch gelöst (Vermeidung der auf S. 521 erwähnten Um-
lagerung zu p-Aminophenol). Dann läßt man die auf O 0 C abgekühlte Lösung unter Rüh-
ren ziemlich rasch zu einer Lösung von 11 g (55 mmol) Natriumdichromat in 200 ml Was-
ser fließen, die sich in einem mit Eis-Wasser gekühltem 1 -l-Stutzen befindet. Das Nitroso-
benzol scheidet sich alsbald in gelben Flocken aus. Man saugt auf einer kleinen Nutsche
ab, wäscht zweimal mit Wasser, bringt den Niederschlag samt Filter in einen Rundkol-
ben und destilliert das leicht flüchtige Nitrosobenzol mit Wasserdampf über. Die grünen
Dämpfe setzen sich schon im Kühlrohr in fast farblosen Kristallkrusten ab. Sie werden
zum Schluß, nach Abstellen des Kühlwassers, durch vorsichtige Dampfzufuhr ge-
schmolzen und so in die Vorlage gebracht. Das abfiltrierte Nitrosobenzol wird auf Ton
abgepreßt und im nichtevakuierten Exsikkator über Calciumchlorid (nicht über konz.
Schwefelsäure!) getrocknet. Ausbeute 8 g (ca. 70%). Eine Probe der trockenen Sub-
stanz wird im Reagenzglas mit wenig Ether gewaschen (grüne Lösungsfarbe) und zur
Schmelzpunktbestimmung nochmals getrocknet. Nitrosobenzol verflüssigt sich bei
68 0 C zu einer grünen Schmelze. Durch Umkristallisieren aus der doppelten Menge
Alkohol läßt es sich in absolut reiner, haltbarer Form gewinnen.

Aromatische Nitrosoverbindungen sind auch durch Oxidation primärer Amine


mit Peroxyverbindungen, z.B. mit Peroxyschwefelsäure (Caro'scher Säure) oder
Peressigsäure (30proz. Hydrogenperoxid in Eisessig) darstellbar. Die Oxydation des
2,4,6-Tribrom-anilins zum entsprechenden Nitrosobenzol wird im Präparat S. 494
ausgeführt. Die direkte Einführung der Nitrosogruppe in geeignete Aromaten auf
dem Weg der elektrophilen Substitution ist beim Präparat S. 242 (/?-Nitrosodime-
thylanilin) gezeigt worden.
Es gibt, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, nur tertiäre Nitrosoverbindun-
gen; befindet sich die NO-Gruppe an einem H-tragenden Kohlenstoff, so erfolgt
prototrope Umlagerung zum Oxim, das man manchmal auch als Isonitrosoverbin-
dung bezeichnet (vgl. S. 349).

t
H-C-N=O >
\ /
C=N-OH
i- R

Eine Anwendung dieser Reaktion, Oxidation von Cyclohexylamin zu Cyclohexa-


nonoxim durch Wolframat-aktiviertes Hydrogenperoxid wird im Präparat auf S. 497
beschrieben.
490 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Ein aliphatischer Vertreter der Nitrosoverbindungen ist z. B. das Nitrosoisobutan.


In festem Zustand sind fast alle Nitrosokörper dimer und damit farblos, in Lösung
und in der Schmelze je nach Temperatur mehr oder weniger monomer und damit
blau oder grün. Das Dissoziationsgleichgewicht erinnert an die beim Stickstoffdioxid
bekannten Verhältnisse:

(NO 2 J 2 <=> NO2 + NO2

Die Gruppe NO stellt den wirksamsten Chromophor dar, den wir kennen. Mit
einem für die Lichtabsorption belanglosen Rest, wie tert-Butyl, erzeugt sie den blauen
Nitrosokohlenwasserstoff
Ähnlich wie die Carbonylgruppe (S. 337) ist die Nitrosogruppe unter Aufrichtung
der N=O-Doppelbindung der Addition von nucleophilen Reagenzien zugänglich.
So läßt sie sich z. B. leicht durch die Elektronen eines unedlen Metalls oder durch
das Hydridion zur Aminogruppe reduzieren. Weitere Parallelen zwischen R—N=O
und (R)2C=O sind bei den zahlreichen Kondensationsreaktionen z. B. mit primären
Aminen, Arylhydroxylaminen oder aktiven Methylenverbindungen zu finden (z. B.
S. 500).

Azobenzol-4-carbonsäure aus Nitrosobenzol und p-Aminobenzoesäure


C 6 H 5 NO + H 2 NC 6 H 4 CO 2 H "H2° > C6H5N=NC6H4CO2H

In einem 250-ml-Rundkolben mit Rückflußkühler beläßt man die Lösung von 5,5g
(40 mmol) p-Aminobenzoesäure und 4,3 g reinem Nitrosobenzol (voriges Präparat) in
10OmI Eisessig 2 h lang auf dem siedenden Wasserbad. Gegen Ende der Reaktion
beginnt die Ausscheidung der Azobenzol-4-carbonsäure, sie wird beim Abkühlen auf
Zimmertemperatur (nicht tiefer!) vollständig. Die kupfer- bis bronzefarbigen Kristalle
werden abgetrennt, mit Eisessig und anschließend mit Wasser gewaschen und im Ex-
sikkator über Calciumchlorid getrocknet. Ausbeute: 5,5g (50%); Schmp.: 247—2490C.
Das schon ziemlich saubere Rohprodukt kann aus Alkohol umkristallisiert werden und
schmilzt dann etwa ein Grad höher.

Versuch: Azobenzol aus Nitrosobenzol und Anilin


C 6 H 5 NO + H 2 NC 6 H 5 "H2° > C6H5N=NC6H5

In einem großen Reagenzglas fügt man zur Lösung von 1 ml Anilin in 3 ml Eisessig die
von 1 g Nitrosobenzol in 10 ml Alkohol. Beim gelinden Erwärmen schlägt die Farbe nach
dunkelorange um. Nach 10min langem Erhitzen im siedenden Wasserbad setzt man
einige ml Wasser zu, worauf beim Abkühlen das Azobenzol in orangeroten Blättchen aus-
kristallisiert. Es wird abgesaugt mit 50proz. Alkohol gewaschen und auf Ton getrocknet.
Nach dem Umkristallisieren aus wenig Alkohol erhält man 1-1,5 g vom Schmp. 68 0 C.
Zur Abwechslung setze man nach dieser Vorschrift Nitrosobenzol mit einem anderen
gut zugänglichen aromatischen Amin um.
Azo- und Azoxybenzolderivate 491

Die Kondensation eines primären aromatischen Amins mit einer aromatischen


Nitrosoverbindung ist die beste Methode zur Herstellung unsymmetrischer Azover-
bindungen. Die Herstellung symmetrischer Azoverbindungen durch geeignete Re-
duktion von NitroVerbindungen wird auf S. 523, die allgemein bei nucleophilen Aro-
maten anwendbare Azokupplung auf S. 601 beschrieben.

Versuch: Azoxybenzol aus Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin


C 6 H 5 NHOH + ON-C6H5 > C6H5-N=N-C6H5
O
Zur Lösung von 1 g Nitrosobenzol in 1OmI Alkohol in einem großen Reagenzglas gibt
man 1 g Phenylhydroxylamin, dann fügt man einige Tropfen halbkonzentrierte Kalilauge
unter Umschütteln zu und erwärmt einige min im Wasserbad. Die gelbrote Lösung wird
nun abgekühlt, wobei beim Reiben mit dem Glasstab das Reaktionsprodukt als gelbes
Kristallisat ausfällt. Da Azoxybenzol schon bei 36 0 C schmilzt, scheidet es sich oft zu-
nächst ölig ab. Durch Umkristallisieren aus wenig Alkohol oder Petrolether (Impfkristalle
zurückhalten!) wird die Verbindung hellgelb, fast farblos erhalten.

Bei unsymmetrischer Substitution der N-Atome gibt es zwei isomere Azoxyver-


bindungen. Durch Reduktion gehen sie in dieselbe Azoverbindung über. Durch kon-
zentrierte Schwefelsäure erfahren Azoxyverbindungen eine interessante, mit der auf
S. 521 erwähnten Reaktion des Phenylhydroxylamins verwandte „Umlagerung", die
beim Azoxybenzol zum /?-Hydroxyazobenzol, der Muttersubstanz der sauren Woll-
farbstoffe, führt (vgl. S. 601).

Die Analogie der Nitroso- zu den Carbonylverbindungen gibt sich auch bei der
Reaktion mit metallorganischen Verbindungen zu erkennen. Nitrosobenzol reagiert
z. B. mit Phenylmagnesiumbromid (S. 493) zu Diphenylhydroxylamin. Diese Substanz
läßt sich mit Ag2O zum Radikal Diphenylnitroxid oxidieren (siehe S. 593).

Oxidationen mit Hydrogenperoxid

Trimethylamin-oxid aus Trimethylamin


(CH 3 ) 3 N + H2O2 > (CH 3 J 3 N^O + H2O
In einem 300-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 25,0 ml der käuflichen 33proz. wässeri-
gen Trimethylaminlösung (d 0,912; 0,13mol) unter Eiskühlung und gelegentlichem
Umschütteln mit insgesamt 20,0 ml SOproz. Wasserstoffperoxid (d 1,11; 0,2 mol) und
492 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

40 ml Wasser; der Zusatz erfolgt in vier Portionen jeweils im Abstand von 5 min. Ein
lockeres Verschließen des Gefäßes vermeidet Trimethylamin-Verluste. Nach Aufbewah-
ren über Nacht bei Raumtemperatur riecht das Reaktionsgemisch nicht mehr nach Amin.
Zur Zerstörung des überschüssigen Wasserstoffperoxids versetzt man in kleinen Portio-
nen mit insgesamt 0,5 g Mangandioxid. Nach Abschluß der Gasentwicklung wird in
einen 250 ml Schliffkolben filtriert und im Vakuum vom Wasser befreit. Der trockene
Rückstand wird durch kurzes Rückflußkochen in 190 ml Aceton und 35 ml Ethanol ge-
löst und heiß filtriert. Beim Erkalten kristallisiert das Trimethylaminoxid-dihydrat in farb-
losen Spießen vom Schm. 96 0 C aus. Läßt man die mit dem gleichen Volumen Ether ver-
setzte Mutterlauge einige Zeit im Kühlschrank stehen, erhält man eine zweite Fraktion,
zusammen 12—12,8g, entsprechend einer Ausbeute von 84—90%. Man überzeuge sich
von dem schwach basischen Charakter des Aminoxids, indem man eine Probe in weni-
gen Tropfen Wasser löst und mit wässeriger Pikrinsäurelösung versetzt. Es fallen gelbe
Nadeln des Pikrats aus (Zers.-P. 205 0 C). Trimethylaminoxid ist gegen siedende 2N Na-
tronlauge stabil; auf Zusatz von etwas Zinkstaub tritt sofort der typische Geruch des tert-
Amins wieder auf.

In den Aminoxiden ist der Sauerstoff koordinativ an den Stickstoff von terJ-Aminen
gebunden. Sie haben daher ein hohes Dipolmoment und sind wenig flüchtig. Die vier-
fache Substitution am Stickstoff führt zu einem tetraedrischen Molekül. Bei vier ver-
schiedenen Substituenten ist die Existenz einer (R)- und einer (S)-Form zu erwarten,
die z.B. am Methyl-ethyl-propyl-aminoxid auch gefunden wurden:

Pr O Et Et O Pr

^^
I ^
I
CH3 CH3
(S)-Form (R)-Form

Aminoxide sind schwache Basen, die Bindung des Protons erfolgt am Sauerstoff.
An ihm können auch andere Reaktionen stattfinden, von denen die mit Acylierungs-
mitteln zu erwähnen ist. Das bei der Reaktion mit Acetanhydrid entstehende O-
Acetyl-trialkyl-ammonium-Kation lagert sich um; nach hydrolysierender Aufar-
beitung lassen sich die den Alkylgruppen entsprechenden Aldehyde und sek-Amme
isolieren (Polonovski). Am Beispiel des Trimethylaminoxids formuliert:
N-Oxide und Cope-Eliminierung 493

CH
Acetylierung H 2CJ)

I O CH3
CH3

CH, „0
J=O + n ~ "~\
^°— H3C-N+ + ^C-CH3
(CH 3 J 2 NH 2 ^3
U
H2C-O-COCH3

H3C-N

CH3

Vergleiche hiermit die ähnliche „Pummerer-Reaktion" der Sulfoxide.


Beim Erhitzen geben höhere aliphatische Aminoxide unter cw-Eliminierung von
Dialkylhydroxylamin Olefine (Cope-Eliminierung).

R' R'
R' R' \r r /
RU_^R /=+\
H3C-N^_ H H3C
1
H3C^- ^ N-OH
H3C

Diese Reaktion dient sowohl zur Darstellung von Ölefinen als auch von Hydro-
xylaminen. Sie ist eine typische a's-Eliminierung (vgl. S. 189) und verläuft unter milde-
ren Bedingungen als die Ester- oder Xanthogenat-Pyrolyse.

fraf?5-Cyclohexan-1,2-diol aus Cyclohexen mit Hydrogenperoxid


in Ameisensäure (Peroxyameisensäure)

In einem 500-ml-Weithalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Thermometer erwärmt


man die Mischung von 150 ml 98—100proz. Ameisensäure und 30,6 g SOproz. Wasser-
stoffperoxid (27,5 ml; 0,30 mol) auf 35-4O0C. Unter lebhaftem Rühren läßt man 20,5 g
Cyclohexen (25,3ml; 0,25 mol) innerhalb von 15min eintropfen, wobei man durch
494 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Außenkühlung mit kaltem Wasser dafür sorgt, daß die Temperatur im Reaktionsgemisch
nicht über 45 0 C steigt! Anschließend rührt man noch 2 h bei 4O 0 C; dann werden
Ameisensäure und Wasser im Wasserstrahlvakuum bei höchstens 4O 0 C Badtemperatur
abgezogen (Schutzbrille und -schild!). Den Rückstand versetzt man portionsweise mit
100 ml 20proz. wässeriger Natronlauge und erwärmt eine Stunde auf dem Wasserbad.
Nach dem Erkalten macht man mit starker Salzsäure neutral (evtl. Säureüberschuß mit
etwas NaHCO 3 abstumpfen!) und dampft im Vakuum zur Trockne ein. Man extrahiert
den Rückstand 6 h lang mit 15OmI siedendem Isopropanol in einer Soxhlet-Appa-
ratur. Nach Abdampfen des Lösungsmittels destilliert man aus einem 10OmI Schwert-
kolben mit Claisenaufsatz. Bei 116—118 0 C / 12 Torr gehen 22-23 g Cyclohexandiol
(76-79 %) als farbloses kristallin erstarrendes Öl über. Sollte der Schmp. von 102-103 0 C
nicht sofort erreicht werden, kristallisiert man aus 70 ml Aceton um (19,5—20,5 g).

2,4,6-Tribrom-nitrosobenzol aus 2,4,6-Tribromanilin mit Peroxyessigsäure

Br

In einem Thermostat-Wasserbad von 4O 0 C (S. 13) hängt ein 500-ml-Zweihals-Schliff-


rundkolben (bzw. Dreihalskolben mit Glasstopfen), der einen KPG-Flügelrührer und
einen Rückflußkühler trägt. Man läßt den Rührer nicht zu schnell laufen und gibt dann
nacheinander in den Kolben 12OmI Eisessig (Überschuß), 25ml SOproz. wässeriges
Hydrogenperoxid („Perhydrol"; 0,22 mol), 1,5ml konz. Schwefelsäure, sowie langsam,
in kleinen Portionen 16,5g feingepulvertes 2,4,6-Tribromanilin (50 mmol) (S. 229).
Nun läßt man noch 8 h bei 4O 0 C Badtemperatur weiterrühren, verdünnt dann die noch
warme Suspension mit dem gleichen Volumen Wasser, läßt erkalten und saugt die hell-
ockergelben Kristalle ab. Sie werden über Nacht im evakuierten Exsikkator neben Silikagel
und festem Ätzkali getrocknet. Man erhält so etwa 16,5g eines schon ziemlich reinen
Produktes (95%), das nach dem Umkristallisieren aus Eisessig (während des Auf-
kochens färbt sich die Lösung grün!) einen Schmp. von 122-1230C hat (die Schmelze
wird dunkelgrün).

Die aromatischen Nitrosoverbindungen sind auf S. 489 behandelt.


Die in der präparativen organischen Chemie hauptsächlich verwendeten Peroxy-
verbindungen sind der Grundkörper, Hydrogenperoxid selbst, sowie die organischen
Peroxysäuren,

„v O—OH
Oxidationen mit Peroxysäuren und Wasserstoffperoxid 495

Diese gewinnt man aus höher konzentriertem (mindestens 30proz.) H 2 O 2 und


Carbonsäuren in Gegenwart von Schwefelsäure oder aus Diacylhydroperoxiden
durch Spaltung mit Alkoholat. Die besonders reaktionsfähige (wasserfreie) Ameisen-
säure setzt sich mit 30proz. H 2 O 2 unter eigener H + -Katalyse zu Perameisensäure
um. Über die Entstehung der Peroxycarbonsäuren bei der Autoxidation von Alde-
hyden wurde schon auf S. 472 berichtet. — Von den anorganischen Peroxysäuren ver-
dient die Peroxyschwefelsäure (Caro'sche Säure), H2SO5, Beachtung.
Hydrogenperoxid reagiert je nach den Versuchsbedingungen in zum Teil spezi-
fischer Weise. In alkalischer Lösung greift das Anion HO—O~ elektrophile Stellen
an, z. B. zur Carbonylgruppe konjugierte C=C-Doppelbindungen, a„/?-ungesättigte
Ketone geben Epoxyketone (E. Weitz).

H
\=c-c- *°*-° H - , \-Lc- > \_4_c_
/ I l / \ .•'->! / \ / Il
o o NOI- o o

In wässeriger Lösung läßt sich H 2 O 2 durch Zugabe kleinerer Mengen eines


Eisen(II)-salzes stark aktivieren (Fentons Reagens, siehe S. 475). Dieses besonders
starke Oxidationsmittel greift neben vielen anderen Substraten auch a-Hydroxycar-
bonsäuren unter oxidativer Decarboxylierung an (Abbau der Zucker über die Aldon-
säuren nach Fenton-Ruff):

OH O
-t-C H 2 O 2 , Fe" ? _c + CCj2 + H20

N
i o«

Es ist auch in der Lage, die Polymerisation der Olefine auszulösen. Bei solchen
„Redoxpolymerisationen" setzt man den ungesättigten Monomeren außer einer
Peroxyverbindung und Fe2 + ein Reduktionsmittel zu, welches Fe3 + laufend zu Fe + +
reduziert (W. Kern).
Eine Aktivierung des H 2 O 2 kann auch durch UV-Licht oder kleinere Mengen
Vanadin(V)-oxid, Osmium(IV)-oxid, Wolframat u.a. erfolgen (N. Milas). Im ersten
Fall dürfte es sich um eine direkte homolytische Spaltung in zwei OH-Radikale han-
deln, in den anderen um eine intermediäre Bildung von Peroxysäuren (Peroxyvana-
dinsäure, Peroxyosmiumsäure, Peroxywolframsäure). Die Oxidation eines aliphati-
schen Amins mit H 2 O 2 und Wolframat zum Oxim (Isonitrosoverbindung) wird im
Präparat S. 497 ausgeführt.
Ohne Aktivator eignet sich verdünntes Hydrogenperoxid zur oxidativen Spaltung
von l,2-Dicarbony!Verbindungen (Hollemann-Reaktion). Diacetyl wird z. B. glatt
zu Essigsäure, Brenztraubensäure zu Essigsäure und CO2 oxidiert:
496 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung
H2 2
H 3 CCOCOCH 3 ° > 2H 3 CCO 2 H

H2 2
H 3 CCOCO 2 H ° > H 3 CCO 2 H + CO2

Die Reaktion verläuft über Anhydride, die sich nach Primäraddition des Peroxids
an einen Carbonylkohlenstoff und anschließende Umlagerung bilden. Sie spielt eine
besondere Rolle bei der oxidativen Aufarbeitung von Ozonspaltungen a,/J-unge-
sättigter Carbonylverbindungen.
Auch die Oxidation tert-Amine zu Aminoxiden, wie sie im Präparat S. 491 be-
schrieben ist, gelingt ohne Aktivatoren:

T(R) 3 N-OH] > (R) 3 N^O


CiH L OH-J +H 2 O

Die potentiell elektrophile Natur eines Sauerstoffs im H 2 O 2 zeigt sich ebenso bei
den verwandten Synthesen der Sulfoxide, Sulfone und Phosphinoxide aus den ent-
sprechenden O-freien Verbindungen. Noch leichter verlaufen diese Oxidationen mit
den Peroxysäuren. In diesen ist die Bindung zwischen den O-Atomen infolge der ein-
seitigen Acylierung polarisiert, so daß die OH-Gruppe von vornherein elektrophil ist.

Stilbenoxid

CeH 5 V H C6H5 H
x
\ c __ c / ^ClC6H4CO3H '

r/ \6H5 \/
0
Man gibt die auf O C gekühlte Lösung von 11,Og 85proz. /n-Chlorperbenzoesäure
(54 mmol) in 12OmI Methylenchlorid portionsweise zur Lösung von 9,0g (50 mmol)
Irans-(E)-Stuben in 80 ml CH2CI2 von O 0 C und beläßt unter gelegentlichem Umschwen-
ken 20 h im Kühlschrank. Danach wird die in CH2CI2 schwerlösliche m-Chlorbenzoesäure
abgesaugt (8,0g, 80% d.Th.) und das Filtrat nacheinander mit 10proz. Natriumsulfit-
lösung (zweimal), gesättigter Natriumhydrogencarbonatlösung (zweimal) und einmal
mit Wasser gewaschen. Nach dem Trocknen über Natriumsulfat dampft man ein, kristalli-
siert den Rückstand aus wenig Diisopropylether im Tiefkühlfach und erhält 7,3 g (75%)
farblose Kristalle vom Schmp. 69—7O 0 C.

Das klassische Substrat für die Oxidation mit Peroxysäuren sind die Olefine, die
nach N. Prileschajew Epoxide geben:

/\rO
, .C6H5CO2H
-0-COC6H5
Epoxidierung mit m-Chlorperbenzoesäure 497

Für das oben beschriebene Präparat Stilbenoxid wird m-Chlorperbenzoesäure als


die wegen ihrer Stabilität heute besonders bevorzugte Peroxysäure verwendet. Führt
man die Reaktion mit Perameisensäure m hochprozentiger Ameisensäure aus (H2O2
in Ameisensäure), so wird das Epoxid unter Protonenkatalyse acidolysiert, es ent-
steht das Monoformyl-fraAw-glykol, das durch alkalische Hydrolyse leicht ins trans-
Glykol überführt werden kann (Präparat S. 493):

-.-t?
\ /
X
O X
f HC o 3H
>
HO
\|

/ ^
X
/
OCHO
H20
>
HO
/
. -
\l /

v%
\
OH

rä-Glykole werden aus Olefinen bei der bereits erwähnten Oxidation mit Per-
manganat (S. 487) oder mit dem stark oxidierend wirkenden (giftigen) Osmiumtetroxid
über cyclische Osmiumsäureester erhalten (R. Criegee). Mit Bleitetraacetat erfolgt in
^O
der Wärme die Anlagerung von zwei H3C—C -Radikalen zu Diacetyl-l,2-gly-
kolen ohne sterische Auswahl.
Über Epoxide aus Aromaten, Arenoxide, siehe auf S. 275.
Trotz ihres an sich elektrophilen Charakters können sich Peroxysäuren doch an
den positiven Kohlenstoff der Carbonylgruppe anlagern, wenn diese durch Protoni-
sierung des Sauerstoffs aktiviert ist. Die dabei entstehenden Addukte wandeln sich
sofort durch Peroxidumlagerung in Ester um. Diese Baeyer-Villiger-Reaktion führt
beim Cyclopentanon zum <5-Valerolacton:

Cyclohexanonoxim aus Cyclohexylamin (in Gegenwart von Wolframsalz)

H2O2; Wolfram* =NOH

In einem 400- ml -Weithals- Erlenmeyerkolben mit Rührer, Tropftrichter und Thermo-


meter werden 24,2ml (19,8g; 0,20 mol) frisch destilliertes Cyclohexylamin und 2 g
Natriumwolframat in etwa 120 ml Wasser gelöst. Man läßt den Rührer langsam laufen
und tropft 50 ml (0,44 mol) SOproz. Hydrogenperoxid („Perhydrol") innerhalb von
etwa 40 min zu. Dabei sorgt man durch Kühlen mit Eiswasser und zeitweiliges Unter-
brechen des Eintropfens dafür, daß die stark exotherme Reaktion stets bei etwa 2O 0 C
gehalten wird. Der während der Oxidation ausfallende weiße Niederschlag (Cyclohexyl-
amin-Cyclohexanonoxim-Additionsverbindung) wird jeweils durch Zugabe der eben
nötigen Menge Methanol (insgesamt etwa 80 ml) aufgelöst. Anschließend rührt man
498 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

noch 2 h bei 2O 0 C langsam weiter und läßt dann den Kolben, mit einem Uhrglas ab-
gedeckt über Nacht an einem nicht zu warmen Ort stehen. Nun neutralisiert man vor-
sichtig unter Kühlung mit halbkonzentrierter Salzsäure (das nicht umgesetzte Amin),
filtriert von einer eventuell entstandenen Trübung ab, versetzt das Filtrat bis zur Sätti-
gung mit Kochsalz und schüttelt es sechsmal mit je 150 ml Ether aus. Die vereinigten
Etherauszüge werden mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet und destilliert. Das
zurückbleibende rohe Kristallisat reinigt man durch Destillation im Schwertkolben oder
Kugelrohr unter Vakuum, wobei es bei 103-1050C / 12 Torr übergeht. Schmp.: 9O 0 C;
Ausbeute: 15g (66%).

Oxidation mit Selendioxid

Mesoxalsäure-diethylester-hydrat aus Malonsäure-diethylester


CO2Et HO CO2Et
SeO2
C
(H2O)
H2C^
CO2Et HO CO2Et
32g Malonester (0,20 mol) und 22,2g frisch sublimiertes Selendioxid (0,20 mol) wer-
den in 30 g XyIoI unter Rückfluß 16 h auf 13O 0 C erhitzt. Dann wird das Selen abfiltriert
und gut mit Ether ausgewaschen. Aus der mit Natriumsulfat getrockneten Ether-Xylol-
Lösung dampft man den Ether ab und fraktioniert den Rückstand im Vakuum. Nach
Übergehen des XyIoIs wird die Fraktion von 66-10O0C / 12 Torr aufgefangen und ein
zweites Mal destilliert. Die dabei erhaltene Fraktion von 90-10O0C / 12 Torr scheidet
bei längerem Stehen an der feuchten Luft große glasklare Kristalle von Mesoxalsäure-
ester-hydrat aus. Ausbeute 5,0g (13%). Nach Umkristallisieren aus Aceton Schmp.
57 0 C.
Das Selen wird durch Oxidation mit Salpetersäure zu Selendioxid regeneriert.

Ninhydrin (Triketohydrinden-hydrat) aus Diketohydrinden


O O

In einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Rührerwerden 11 g (0,10 mol)


frisch sublimiertes Selendioxid in 240 ml Dioxan und 5 ml Wasser gelöst. Unter Rühren
erwärmt man auf etwa 60-70 0C, fügt, ohne weiter zu heizen, 14,6g (0,10 mol) rohes
Diketohydrinden (Präparat S. 403) zu und kocht die Mischung 6 h lang unter Rück-
fluß. Dann filtriert man noch heiß vom ausgeschiedenen Selen ab, engt die Lösung auf
ein Drittel ein und versetzt den Rückstand mit 10OmI Wasser. Nun kocht man zur
Koagulierung des abgeschiedenen harzigen Materials kurze Zeit auf und filtriert ab. Das
Filtrat wird durch Destillation auf etwa 50 ml gebracht, filtriert, mit Aktivkohle aufge-
Selendioxid-Oxidation, Ninhydrin 499

kocht, nochmals filtriert, auf 25 ml eingeengt und über Nacht bei Zimmertemperatur
stehen gelassen. Das abgeschiedene rohe Ninhydrin wird abgesaugt, die Mutterlauge im
Vakuum weiter eingedampft und nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank die
zweite rohe Kristallisation abgesaugt. Die gesamte Rohausbeute beträgt 6,5-7 g (36 bis
40%). Zur Beseitigung der anhaftenden selenigen Säure wird aus wenig heißem Wasser
unter Zusatz von Aktivkohle umkristallisiert. Reinausbeute 5—6 g. Ninhydrin verliert bei
125-13O0C ein mol Wasser und schmilzt dann bei 241-2430C unter Zersetzung.
Man bringe das Präparat nicht auf die Haut; es reagiert nach einiger Zeit mit den
Aminosäuren zu dunkelvioletten Flecken, die aber mit starken Reduktionsmitteln wie
Dithionit oder mit starken Säuren zu entfernen sind!

Ninhydrin ist das wichtigste Farbreagenz für Aminosäuren (S. 711), bevorzugt für
a-Aminosäuren, die oxidativ zum C-ärmeren Aldehyd abgebaut werden. Das dabei
entstehende Ammoniak wird reduktiv in den Farbstoff eingebaut. Der „Ruhemann-
sche Purpur", ein mesomeres Anion ist dem Murexid (S. 691) ähnlich.

U.S.W.

Versuch: Ninhydrinreaktion (auch bei Präparaten von Aminosäuren auszuführen) -


Einige mg irgendeiner Aminosäure (siehe Präparate, S. 355) werden im Reagenzglas in
0,5 ml Wasser mit einigen Kristallen Ninhydrin über der freien Flamme gekocht; tiefe
Violettfärbung. Nach dem Abkühlen kann man die violetten Anionen durch Zusatz einiger
Tropfen Kupfer(ll)-acetatlösung als rotbraune Kristalle eines Kupferkomplexes ausfällen.
Diese sind wesentlich beständiger als die Alkalisalze.

Selendioxid ist ein spezifisch wirkendes Oxidationsmittel, das besonders durch


Nachbargruppen aktivierte Methylen- und Methylgruppen angreift (Riley 1932).
So oxidiert es Methylketone zu Ketoaldehyden und Ketone mit a-ständiger Methy-
lengruppe zu 1,2-Diketonen, aber allylische Methyl- oder Methylengruppen unter
milden Bedingungen zu Allylalkoholen. In beiden Fällen werden Seleninsäuren
(RSeOOH) als Zwischenstufen durchlaufen.
SeO2
— COCHO

— COCO-

H CH2OH
500 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Analoge Oxidationen sind auch mit salpetriger Säure, ihren Estern oder /?-Nitroso-
dimethylanilin auf dem Umweg über die Oxime bzw. Azomethine erreicht worden,
z. B. Triketopentan aus Acetylaceton.

H 3 C-CO
N(CH3J2 _ H20 > C=
H3C-CO

H3C-CO
H2
°- CO + H2N--/~\— N(CH3J2
H3C-CO

Die Oxidation mit Kaliumnitrosodisulfonat, die speziell zur Einführung eines


zweiten Sauerstoffatoms in Phenole geeignet ist und zu Chinonen führt, ist auf S. 572
besprochen.

Oxidation mit Ozon

Die Anlagerung von Ozon an ungesättigte organische Verbindungen, die Ozoni-


sierung, wird in einer Gaswaschflasche oder in einem speziellen Gefäß mit Schrauben-
oder Spiraleinsatz meist unter Kühlung ausgeführt. Zur Dichtung der Schliffe ver-
wendet man nicht Fett, sondern, wenn nötig, zerflossenes Phosphorpentoxid oder
Graphit. Schlauchverbindungen aus Gummi dürfen nicht benutzt werden. Als Lö-
sungsmittel eignen sich: Hexan, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Ethylchlorid,
Eisessig und Essigester. In den Kohlenwasserstoffen und Chlorverbindungen sind
viele Ozonide schwer löslich und scheiden sich daher während der Ozonisation aus.
Bei jedem Arbeiten mit ozonreichen Lösungen muß unbedingt eine Schutzbrille ge-
tragen werden!
Das Ozon selbst wird im Entladungsapparat (Ozonisator) aus durchgeleitetem
Sauerstoff erzeugt. Gute Entwickler liefern bis zu 10 Volumenprozente O3 im Sauer-
stoff. Zur Bestimmung der für die Ozonisierung erforderlichen Zeit wird folgender-
maßen geeicht: Man leitet einige min nach dem Einschalten des Entwicklers das aus-
tretende Ozon-Sauerstoff-Gemisch eine bestimmte Zeit (2-5 min) bei konstanter
Strömungsgeschwindigkeit durch eine wässerige Lösung von 1,0g Kaliumiodid, die
etwas Borsäure enthält. Das ausgeschiedene lod wird anschließend mit O,IN Natrium-
thiosulfat-Lösung titriert und so die pro min entwickelte Menge Ozon ermittelt,
l ml O,l N Thiosulfatlösung entspricht 2,4mg Ozon.
Beispiele der Ozonspaltung 501

Adipindialdehyd aus Cyclohexen mit Ozon

0 O3
—^- (Ozonid)
H2/Pd
— —

Man löst 12,3g Cyclohexen (Präparat S. 186; 0,15mol) in 14OmI Essigester, der am
Tag vorher viermal mit dem gleichen Volumen Wasser ausgeschüttelt, über Nacht mit
Calciumchlorid getrocknet und dann abdestilliert wurde. Das Ozonisiergefäß wird in
einem großen Dewargefäß mit Aceton- Kohlendioxid auf -50 bis -7O 0 C abgekühlt und
dann an den Ozonentwickler angeschlossen. Nicht zu lange vor dem (aus Gasgeschwin-
digkeit und Ozongehalt zu berechnenden) Ende der Ozonisation schaltet man hinter das
Reaktionsgefäß eine Waschflasche mit ca. 2proz. Kaliumiodidlösung. Das Ende der Oxi-
dation erkennt man an einer weingelben Färbung. Auf keinen Fall darf bei diesem Präparat
überozonisiert werden! Die klar und dünnflüssig gebliebene Lösung des Ozonids wird
noch kalt mit Hilfe von 0,5g frisch dargestelltem Palladium- Katalysator (siehe S. 553) hy-
driert. Nach Beginn der Wasserstoffaufnahme bremst man die exotherme Reaktion durch
Kühlen des Hydriergefäßes mit Eiswasser und läßt sie schließlich unter Selbsterwärmung
zu Ende gehen. Nach etwa einer Stunde und Aufnahme von dreiviertel der berechneten
Menge Wasserstoff kommt die Hydrierung zum Stillstand: Die Lösung wird nun durch
ein Faltenfilter abfiltriert.
Weniger Wasserstoff wird gebraucht, wenn bei der Ozonisation nicht genug gekühlt
oder überozonisiert wurde. Die Gegenwart von polymerem Ozonid, das nicht hydriert
wird, verrät sich dadurch, daß eine Probe der Essigesterlösung auf Zusatz von Ether eine
Fällung gibt. Da sich das polymere Ozonid bei der nachfolgenden Destillation explosions-
artig zersetzen kann, muß es entfernt werden. Dazu fügt man Ether zur Lösung und
schüttelt durch, bis mit weiterem Etherzusatz keine Fällung mehr entsteht. Wenn sich
nach kurzem Stehen das polymere Ozonid abgesetzt hat, gießt man die Lösung davon
ab und verdampft den Ether. Das Lösungsmittel wird mit einem Fraktionieraufsatz bei
30— 40 0 C im Vakuum abdestilliert.
Der Adipindialdehyd wird durch Destillation im Vakuum aus einem kleineren Kolben
mit Fraktionierkolonne isoliert. Man erhält 7—9 g (40—52%). Der reine Aldehyd siedet
bei 92-94 0 C / 12 Torr, wird in Eis- Kochsalz- Mischung fest und schmilzt dann bei -8
bis -7 0 C. Um ihn vor Autoxidation zu schützen, wird er unter Stickstoff oder Kohlen-
dioxid eingeschmolzen verwahrt. Das nach der Vorschrift auf S. 347 dargestellte Bis-
semicarbazon hat nach dem Umkristallisieren aus Alkohol-Wasser den Schmp. 206 0 C.

Biphenyl-2,2'-dialdehyd aus Phenanthren mit Ozon

a) In Chloroform

Man beachte die vor dem voraufgehenden Präparat stehenden Ausführungen


10,7 g (60 mmol) reines Phenanthren (Reinigung durch Umkristallisieren aus Ethanol;
Schmp. 100,50C) werden in einer Waschflasche oder einem geeigneten Ozonisiergefäß
(siehe oben) in 10OmI reinem Chloroform gelöst. Das Reaktionsgefäß wird im Dewar-
502 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

Gefäß mit Aceton-Kohlendioxid-Kältemischung auf -60 bis -7O 0 C gekühlt. Bei dieser
Temperatur leitet man nun Ozon-Sauerstoff-Gemisch in die Lösung ein, und zwar etwa
10—14 min länger als zur Aufnahme der theoretisch berechneten Menge nötig wäre. Das
Ende der Reaktion ist auch am Auftreten einer schwachen hellblauen Färbung in der
ozonisierten Lösung zu erkennen. Zur Verdrängung des überschüssigen Ozons leitet man
10 min reinen Sauerstoff durch das Reaktionsgemisch und spült schließlich die blaßgelbe
Lösung in einen Erlenmeyerkolben. Nach Versetzen mit 40 g Natriumiodid und 40 ml
Eisessig scheidet sich reichlich lod aus, das eine halbe Stunde später durch Schütteln
mit 10proz. Natriumthiosulfatlösung entfernt wird (Scheidetrichter). Man zieht die
wässerige Phase nochmals mit Chloroform aus und trocknet die vereinigten organischen
Lösungen über Natriumsulfat. Beim Abdampfen des Lösungsmittels bleibt ein zähes gel-
bes Öl (12,6g) zurück, das aus einem Schwertkolben oder im Kugelrohr im Hoch-
vakuum destilliert wird. Bei 154—155 0 C / 0,01 Torr gehen 10,5-11 g (84-88%) eines
blaßgelben Öls über, das nach einiger Zeit (evtl. Anreiben mit wenig Petrolether) zu gelb-
lichen Kristallen vom Schmp. 61—62 0 C erstarrt. Das Produkt läßt sich durch vorsichtiges
Umkristallisieren aus 70proz. Alkohol weiter reinigen (Impfkristalle zurückbehalten!
Langsam abkühlen lassen!). Der Schmelzpunkt des reinen Diphenyl-dialdehyds liegt bei
62-630C.

b) In Methanol
0-OH
CHO CH-OCH3
O3 KI
CH 3 OH \ / \

10,Og (56 mmol) reines Phenanthren wie unter a) werden durch Erwärmen in 200 ml
Methanol gelöst und durch rasches Abkühlen als fein verteilte Suspension ausgeschie-
den. Diese wird in einem geeigneten Ozoniergefäß (siehe oben) durch eine Aceton-Koh-
lendioxid-Kältemischung in einem Dewar-Gefäß auf -3O 0 C abgekühlt. Bei dieser Tem-
peratur leitet man unter gelegentlichem Schütteln ein Ozon-Sauerstoff-Gemisch mit
einer Geschwindigkeit von ca. 20 l/h ein, bis alles Phenanthren in Lösung gegangen ist.
Dazu wird etwa das 1,3fache der berechneten Menge Ozon benötigt. Zur Verdrängung
überschüssigen Ozons leitet man noch 10min reinen Sauerstoff durch das Reaktions-
gemisch und setzt dann in der Kälte 28g Kaliumiodid und 30 ml Eisessig zu, läßt 1/2 bis
1 h bei Raumtemperatur stehen und reduziert das ausgeschiedene lod mit 10proz. Na-
triumthiosulfatlösung. Unmittelbar danach dampft man im Rotationsverdampfer ein,
wobei sich das Produkt kristallin abscheiden soll, gegebenenfalls muß durch Kratzen mit
einem Glasstab nachgeholfen werden. Wenn alles Methanol verdampft ist, soll die
Kristallisation weit fortgeschritten sein; man setzt dann Wasser zu, saugt den Nieder-
schlag ab und trocknet ihn. Er wird in 40-50 ml Ether gelöst und durch Zusatz von 150 ml
Petrolether feinkristallin wieder ausgefällt, zum Schluß durch Kühlen im Aceton-Kohlen-
dioxid-Bad. Man erhält so 7,3-9,5 g (65-85%) gelbliche Kristalle vom Schmp. 61 bis
62 0 C, die wie oben weiter gereinigt werden können.
Bis-2,4-dinitrophenylhydrazon: 0,4 g 2,4-Dinitrophenyl-hydrazin werden in 2 ml konz.
Schwefelsäure gelöst und in 12 ml 70proz. Alkohol eingegossen. Dieses Reagens setzt
man der Lösung von 0,5 g Dialdehyd in 20 ml Alkohol zu, worauf sich das rotorange ge-
Mechanismus der Ozonspaltung 503

färbte 2,4-Dinitrophenylhydrazon sofort abzuscheiden beginnt. Nach Umkristallisieren


aus Ethylalkohol liegt der Schmp. bei 289-29O0C (Zersetzung).
Dioxim: Je 1 g Dialdehyd und Hydroxylaminhydrochlorid werden in 5 ml Pyridin und
5 ml Ethanol 2 h unter Rückfluß gekocht. Nach Abdampfen des Lösungsmittels ver-
reibt man den Rückstand mit 5 ml kaltem Wasser und filtriert. Das zurückbleibende Dioxim
schmilzt nach Umkristallisieren aus verdünntem Ethanol bei 186 0 C.

Die Reaktion von Ozon mit der Kohlenstoffdoppelbindung beginnt mit einer 1,3-
dipolaren Cycloaddition, die zu allererst ein „Primärozonid" liefert, nach dem man
lange Zeit vergeblich gesucht hat. Es ist erst 1960 bei der Ozonisierung des trans-Di-
terf-butyl-ethylens durch Criegee und Schröder als kristalline, äußerst labile Ver-
bindung gefaßt worden. Sie gab - als Beweis für die noch bestehende C—C-Bindung -
bei Reduktion das 1,2-Glykol:

OH OH
Red. I I
C= C -C-H -r-C — C — H
H/ V

Die Primärozonide sind aber im allgemeinen so reaktionsfähig, daß sie sich sofort
zu monomeren Ozoniden oder polymeren Peroxiden weiterverändern. Bei Anwesen-
heit von Methanol (Präparat S. 502) entstehen so Methoxyhydroperoxide. Ozoni-
siert man Tetramethylethylen in Gegenwart von Formaldehyd, erhält man das
Ozonid des Isobutylens. Diese Mannigfaltigkeit der Produkte läßt sich zwanglos so
deuten, daß das Primäraddukt spontan zu einer Carbonylverbindung und einem
Peroxidzwitterion zerfällt, das dem nachstehenden Formelschema gemäß über eine
erneute Cycloaddition zum Ozonid weiterreagiert (R. Criegee):
Primärozonid

C = C + O33
/ \

Jc—o—o—c—o-o
i
I I
Polymere Methoxyhydro-
Ozonide peroxid Methylenozonid

Die Ozonide werden beim Erwärmen mit wässeriger Säure zu zwei Molekülen
Aldehyd oder Keton und einem H 2 O 2 hydrolysiert. Da das H 2 O 2 Aldehyde oxidie-
504 Kapitel X. Oxidation und Dehydrierung

ren kann, arbeitet man üblicherweise reduzierend auf, indem man mit katalytisch er-
regtem Wasserstoff spaltet (wie beim Präparat S. 501) oder Kaliumiodid (wie beim
Präparat S. 502), Zink in Eisessig, Phosphite, Phosphine oder Thioether einwirken
läßt. Bei der Ozonisierung des Phenanthrens kann ein polymeres Ozonid isoliert
werden. Ringförmige Verbindungen können infolge der Bifunktionalität nach Auf-
spaltung des Primärozonids polymere Ozonide geben (die manchmal explosiv sind).
Bei offenen Olefinen bestehen die höher molekularen Ozonierungsprodukte wohl aus
den auf S. 503 formulierten polymeren Peroxiden.
Eine oxidierende Spaltung der Ozonide, z. B. mit verdünntem Hydroperoxid kann
ebenfalls zur Aufarbeitung der Ansätze und zur Gewinnung von Carbonsäuren die-
nen; a, ß- ungesättigte Carbonylverbindungen verlieren dabei ein C-Atom (formu-
lieren!). Bei der - allerdings wesentlich langsamer verlaufenden - Ozonolyse von
Alkinen entstehen ebenfalls Carbonsäuren.
Der Ozonabbau von Olefinen ist, wegen seiner besonders hohen Spezifität, ein
sehr wichtiges analytisches Hilfsmittel zur Lokalisierung von C=C-Doppelbindun-
gen. (Z.B. Strukturaufklärung des natürlichen und künstlichen Kautschuks sowie
zahlloser Naturstoffe).

Weiterführende Literatur zu Kapitel X

K. B. Wiberg (Herausg.), Oxidation in Organic Chemistry, Teil A, Academic Press New York und
London, 1965.
W. S. Trahanovsky (Herausg.), Oxidation in Organic Chemistry, Teil B, Academic Press New
York und London 1973.
W. S. Trahanovsky (Herausg.), Oxidation in Organic Chemistry, Teil C, Academic Press New
York, San Francisco, London 1978.
W. A. Waters, Mechanisms of Oxidation by Compounds of Chromium and Manganese, Quart.
Rev. /2, 277 (1958).
J. Carnduff, Recent Advances in Aldehyde Synthesis, Oxidation with no Skeletal Change, Quart.
Rev. 20,170 (1966).
O. Bayer, Oxidation von Methyl-, primären Alkohol-, Äther-, Aminomethyl- und Chlormethyl-
Gruppen zur Aldehydgruppe, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl.,
Bd. 7//, S. 135, Thieme, Stuttgart 1954.
D. Kramer, Oxidation von funktioneilen Gruppen, Methoden der organischen Chemie (Houben-
Weyl-Müller), 4. AuH., Bd. 7/2a9 S. 699, Thieme, Stuttgart 1973.
P.A. Plattner, Dehydrierungen mit Schwefel, Selen und Platinmetallen, Neuere Methoden der
präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 39, Verlag Chemie, Wein-
heim 1963.
G. Schiller, Dehydrierungen unter Abspaltung von molekularem Wasserstoff, Methoden der or-
ganischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 4/2, S. 333, Thieme, Stuttgart 1955.
K. Wimmer, Katalysatoren für die Wasserstoffabspaltung aus organischen Verbindungen (De-
hydrierung), Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 4/2, S. 192,
Thieme, Stuttgart 1955.
H. Hock und H. Kröpf, Autoxydation von Kohlenwasserstoffen und die Cumol-Phenol-Synthese,
Angew. Chem. 69, 313 (1957).
Weiterführende Literatur zu Kapitel X 505

D.R.Kearns, Physical and Chemical Properties of Singlet Molecular Oxygen, Chem. Rev. 71,
395 (1971).
P.Lechtken, Singulett-Sauerstoff, Chem. Uns. Zeit 8, 11 (1974).
E.H.White, P.D.Wildes, J.Wiecko, H.Doshan und CC.Wei, Chemically Produced Excited
States. Energy Transfer, Photochemical Reactions, and Light Emission, J. Am. Chem. Soc. 95,
7050 (1973).
K.-D. Gundermann, Chemilumineszenz organischer Verbindungen, Springer Verlag, Berlin-
Heidelberg-NewYork 1968.
E. J. Corey und J. W. Suggs, Pyridinium Chlorochromate. An Effective Reagent for Oxidation of
Primary and Secondary Alcohols to Carbonyl Compounds, Tetrahedron Lett. /975, 2647.
E. J. Corey and G. Schmidt, Useful Procedures for the Oxidation of Alcohols Involving Pyridinium
Dichromate in Aprotic Media, Tetrahedron Lett. /979, 399.
W.W.Epstein und F.W.Sweat, Dimethyl Sulfoxide Oxidations, Chem. Rev. 67, 247 (1967).
D. Arndt, Oxidation mit Mangan(IV)-oxid, Methoden der Organischen Chemie (Houben-Weyl-
Müller), 4. Aufl., Bd. 4/Ib9 S. 489, Thieme, Stuttgart 1975.
R. M. Evans, Oxidations by Manganese Dioxide in Neutral Media, Quart. Rev. 13, 61 (1959).
A.J.Fatiadi, Active Manganese Dioxide Oxidation in Organic Chemistry, Synthesis 1976, 65,
133.
H. Henecka und E. Ott, Herstellung von Carbonsäuren durch Oxidation, Methoden der organi-
schen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4.AufL, Bd. 8, S. 384, Thieme, Stuttgart 1952.
O. Bayer, Aldehyde durch oxydative Spaltung von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen, Metho-
den der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4.AufL, Bd. 7/1, S. 332, Thieme, Stuttgart
1954.
R. Criegee, Oxydationen mit Bleitetraacetat und Perjodsäure, Neuere Methoden der präparativen
organischen Chemie, Herausg. W.Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 21, Verlag Chemie, Weinheim 1963.
R. Criegee, Neuere Untersuchungen über Oxydationen mit Bleitetraacetat, Neuere Methoden der
präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 2, S. 252, Verlag Chemie, Weinheim
1960; Angew. Chem. 70, 173 (1958).
E.L.Jackson, Periodic Acid Oxidation, Org. React 2, 341 (1944).
D.Swern, Epoxidation and Hydroxylation of Ethylenic Compounds with Organic Peracids, Org.
React. 7, 378 (1953).
F. D. Gunstone, Hydroxylation Methods, Adv. Org. Chem. /, 103 (1960).
R. E. Parker und N. S. Isaacs, Mechanisms of Epoxide Reactions, Chem. Rev. 59, 737 (1959).
C. H. Hassall, The Baeyer-Villiger Oxidation of Aldehydes and Ketones, Org. React. 9,73 (1975).
H.J.Kabbe, Oxidation von Methylen-Gruppen, Methoden der organischen Chemie (Houben-
Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 677, Thieme, Stuttgart 1973.
G. Stein, Oxydationen mit Selendioxid, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie,
Herausg. W.Foerst, 4.Aufl., Bd. /, S. l, Verlag Chemie, Weinheim 1963.
N.Rabjohn, Selenium Dioxide Oxidation, Org. React 5, 331 (1949), 24, 261 (1976).
A. Schönberg und E.Singer, Die Chemie des Ninhydrins und anderer l,2,3-Tricarbony l Verbin-
dungen, Tetrahedron 34, 1285 (1978).
D. J.McCaldin, The Chemistry of Ninhydrin, Chem. Rev. 60, 39 (1960).
O. Bayer, Aldehyde durch Ozonspaltung von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen, Me-
thoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1, S. 333, Thieme, Stuttgart
1954.
R. Criegee, Mechanismus der Ozonolyse, Angew. Chem. 87, 765 (1975).
P. S. Bailey, Ozonation in Organic Chemistry, Academic Press, New York, San Francisco, Lon-
don 1978.
R S. Bailey, The Reactions of Ozone with Organic Compounds, Chem. Rev. 58, 925 (1958).
Xl. Reduktion und Hydrierung

Experimente:

3-Phenylpropionsäure (Hydrozimtsäure) aus Zimtsäure mit Natriumamalgam


Reduktion der Carbonylgruppe nach Clemmensen
1,2-Diphenylethan aus Benzil
4-Phenyl-buttersäure aus 3-Benzoyl-propionsäure
2 - Cyclohexen -1 - on, Birch-Reduktion
Anilin aus Nitrobenzol mit Eisen und Salzsäure
/?-Toluidin aus /?-Nitrotoluol mit Zinn und Salzsäure
Versuch: Chlorkalkreaktion nach Runge
Versuch: Isonitrilreaktion
Phenylhydroxylamin aus Nitrobenzol mit Zink und Ammoniumchlorid
N-Methylhydroxylamin
Versuch: Reduzierende Wirkung des Phenylhydroxylamins
Versuch: Einwirkung von Säure auf Phenylhydroxylamin
Versuch: AT-Nitrosophenylhydroxylamin (Cupferron)
Versuch: AT-Phenylbenzalnitron
Hydrazobenzol aus Nitrobenzol mit Zink in Natronlauge
Versuch: Azobenzol durch Dehydrierung
Versuch: Photochemische Umlagerung des Azobenzols
Symm. Diphenylthioharnstoff (Thiocarbanilid)
Phenylisothiocyanat (Phenylsenföl); Triphenylguanidin
Versuch: Reaktion der Amine mit Phenylisothiocyanat
Versuch: Phenylisocyanat aus Phenylisothiocyanat mit Quecksilberoxid
Thiophenol aus Benzsulfochlorid
Versuch: Quecksilber-thiophenolat aus Thiophenol
Versuch: Diphenyldisulfid durch Autoxidation des Thiophenols
Versuch: Reduktion eines Disulfids zum Thiol
m-Nitranilin aus m-Dinitrobenzol mit Ammoniumhydrogensulfid
Versuch: Unterschiedliche Basizität der Nitraniline
Trichlorethylalkohol aus Chloral
1,6-Hexandiol aus Adipinsäure-diethylester mit Lithium-alanat
4-Methylbenzylamin aus /7-Tolunitril mit Lithium-alanat
Natriumborhydrid-Reduktion von Ketonen und Aldehyden, Benzhydrol
/?-Nitrobenzylalkohol
(-h )-Isopinocampheol
4- Phenylbuttersäure
7- Phenylheptansäure
508 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Vorbereitung und Ausführung der Hydrierung


Herstellung einiger Hydrierungskatalysatoren
a) Palladium-Mohr
b) Palladium-Tierkohle
c) Platinoxid nach Adams
d) Raney-Nickel
3-Phenylpropionsäure aus Zimtsäure
Härtung eines Speiseöls
1-Naphthylamin aus l-Nitronaphthalin
a) mit Wasserstoff und Raney-Nickel
b) mit Hydrazin und Raney-Nickel
/7-Toluidin aus /?-Nitrotoluol
Versuch: Alanin aus Cystin mit Raney-Nickel
Dihydrocarvon
Reduktionsmittel 509

Xl. Reduktion und Hydrierung

Die Reduktion der funktionellen Gruppen organischer Verbindungen kann mit ver-
schiedenen Reduktionsmitteln in recht spezifischer Weise erreicht werden. Immer be-
steht dabei der eigentliche Reduktionsschritt in einer Bereicherung des Substrats an
Elektronen.
Von großer präparativer Bedeutung als Elektronenlieferanten sind unedle Metalle;
bei Anwendung in protonhaltigen Lösungsmitteln spricht man hierbei oft vom
„nascierenden Wasserstoff4.
Auch elektronenabgebende Kationen (z. B. Fe 2+ , Sn 2+ , Cr 2+ , Ti 3+ ) oder Anionen
(z.B. SH", S 2 O 4 *~ [Dithionit]) werden oft zur Reduktion in homogener Lösung
verwendet. In beiden Fällen folgt der Elektronenaufnahme durch das Substrat die
Anlagerung eines oder mehrerer Protonen.
Bei der Reduktion durch Hydridionen-Übertragung läuft der Vorgang ohne Tren-
nung der Elektronen vom Wasserstoff ab, das H"-Anion wird als Ganzes von einem
anorganischen oder organischen Donator (DH) auf eine elektronenarme Stelle des
Substrats (Acceptor; A) übertragen, ohne mit H + -Ionen zu H2 zu reagieren.

D—H + A + <=> D+ + A—H

In diese letzte große Gruppe der Reduktions-(Hydrierungs-)reaktionen, die oft


reversibel sind (Redox-Reaktionen), gehören u. a. die Cannizzaro-Reaktion, die Re-
duktion nach Meerwein-Ponndorf und die Reduktion mit Formaldehyd oder Amei-
sensäure. Die größte präparative Bedeutung haben inzwischen die Hydrid-Übertra-
gungen mit komplexen Metallhydriden.
Weitere Mittel zur Reduktion, über deren Mechanismus nicht immer vollständige
Klarheit herrscht, sind Hydrochinone und Endiole sowie Hydrazine, Hydrazone und
ihre Oxidationsprodukte, sowie Diimin (HN = NH). Hierbei können Einzelelektro-
nen-Übergänge bzw. H-Atome, also radikalartige Zwischenstufen eine Rolle spielen.
Schließlich ist von besonderer präparativer und technischer Wichtigkeit die direkte
Anlagerung von Wasserstoffgas an ungesättigte Systeme in Gegenwart von feinver-
teilten Übergangsmetallen (Platinmetalle, Nickel, Kobalt u. a.), die man als kataly-
tische Hydrierung bezeichnet. Eine Reihe von Metallionen und Komplexen, beson-
ders der Platinmetalle erlaubt auch Katalyse der Wasserstoffübertragung in homo-
gener Lösung.
510 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Reduktion mit Metallen

Amalgam-, Clemmensen- und Birch-Reduktion

3-Phenylpropionsäure (Hydrozimtsäure) aus Zimtsäure mit Natriumamalgam

C6H5CH=CHCO2H "l"! > C6H5CH2CH2CO2H

In einer Glasstöpselflasche von 250 ml Inhalt löst man 11,8g Zimtsäure (80,0 mmol)
unter Schütteln in 2N Natronlauge, die man portionsweise bis eben zum Umschlag des
Universalindikatorpapiers zusetzt, und füllt mit Wasser auf ca. 10OmI auf. Dann trägt
man in kleinen Stücken nach und nach 2proz. Natriumamalgam (Darstellung siehe unten)
unter stetem Schütteln und öfterem Anheben des Stopfens ein; im ganzen etwa 260 g.
Zum Schluß erwärmt man noch im Wasserbad (in warmes Wasser einstellen und dann
anheizen) bis sich alles Amalgam zu Quecksilber verflüssigt hat, läßt nach dem Erkalten
das Metall im Scheidetrichter ab und säuert mit Salzsäure an. Dabei scheidet sich die
Hydrozimtsäure zunächst ölig ab und erstarrt erst beim Abkühlen und Reiben mit dem
Glasstab. Man saugt ab und trocknet die rohe Säure im Exsikkator. Zur Reinigung wird
sie aus einem kleinen Schwertkolben oder einem Kugelrohr im Vakuum destilliert, wobei
sie bei 147-149 0 C / 11 Torr übergeht. Man erhält aus 10g Rohsäure etwa 9 g mit
Schmp. 47—48,50C.
Das Umkristallisieren aus Wasser ist schwierig, weil sich die Säure in rohem Zustand
zunächst ölig abscheidet.
Natriumamalgam: Quecksilber und Natrium reagieren miteinander unter Feuererschei-
nung. Daher muß man mit Schutzbrille im Abzug arbeiten.
Man erwärmt 300 g Quecksilber in einer mittelgroßen Reibschale auf 30—4O 0 C vor,
spießt das in kleine Würfel geschnittene Natrium (im ganzen 6,5g) auf einen spitzen,
etwa 30cm langen Glasstab und drückt die einzelnen Stückchen in rascher Folge unter
das Quecksilber, wobei man zum Schutz gegen das Verspritzen einen Tonteller auflegt.
Das erstarrte Na-amalgam wird noch warm in kleine Stücke zerschlagen und in einem
gut verschlossenen Gefäß aufbewahrt. Will man Na-reicheres Amalgam erhalten, muß
man in einem durch die Gasflamme geheizten Tiegel arbeiten.

Als reduzierende Metalle werden hauptsächlich verwendet: Na, Na-amalgam,


Lithium, Zn, Zn-amalgam, Zink-Kupferpaar, Sn, Al-amalgam in Alkoholen, wasser-
haltigen organischen Lösungsmitteln, in neutraler, saurer oder alkalischer wässeriger
Lösung oder in flüssigem Ammoniak. Die Metalle besitzen je nach ihrem elektro-
chemischen Potential die Tendenz, Elektronen aus der äußeren Schale abzugeben.
Da sich unedle Metalle in protonhaltigen Flüssigkeiten unter Wasserstoffentwick-
lung auflösen, spricht man in diesem Zusammenhang oft von Reduktionen mit
„nascierendem Wasserstoff4. Viele derartige Systeme entwickeln jedoch unter Be-
dingungen, unter denen sie organische Moleküle reduzieren, ohne Substrat kein
Wasserstoffgas, z. B. Hg-reiches Na-amalgam in Wasser oder Zink in Eisessig (Was-
serstoffüberspannung!). Man gewinnt ein umfassenderes Bild, wenn man als ersten
Reduktion mit Metallen 511

Schritt bei den meisten dieser Vorgänge eine direkte, nucleophile Reaktion des Me-
talls mit dem organischen Substrat (Chemisorption) annimmt. In Gegenwart von
Protondonatoren (Wasser, Alkohol u. a.) reagieren die zunächst entstehenden metall-
organischen Verbindungen sogleich weiter, wobei an die Stelle des Metalls ein H +
tritt. Ein übersichtliches Beispiel für die zwei Schritte einer solchen Reaktion bietet
die stufenweise Reduktion eines Alkyl- oder Arylhalogenids mit Magnesium über die
Grignard -Verbindung:

1. R-CI + Mg > RMgCI (Grignard-Reaktion, S. 431)


2. R-MgCI + H 2 O > RH + MgCIOH
1+2. RCI + Mg + H2O > RH + Mg+ + + Cr + OH~

Man darf annehmen, daß bei der reduktiven Enthalogenierung mit nascierendem
Wasserstoff ähnliche Umsetzungen vor sich gehen.
Von den ungesättigten Systemen sind erwartungsgemäß diejenigen leicht durch
Metalle ( + H"*") reduzierbar, die elektrophile Eigenschaften besitzen, wie ^C=O,
—NO 2 und —NO. Isolierte olefinische Doppelbindungen reagieren nicht, in Kon-
jugation zu einem Arylrest, einer Carbonylgruppe oder einer weiteren Doppelbin-
dung können sie jedoch reduziert werden, wie im vorstehenden Präparat gezeigt
wird. Einfache Aromaten sind im allgemeinen gegen die metallischen Reduktions-
mittel stabil, Substitution mit elektronenanziehenden Resten, wie in der Benzoesäure
oder Terephthalsäure bewirkt partielle Reduzierbarkeit des Benzolrings (A. v. Baeyer,
R. Willstätter). Ebenso sind die außerhalb der Resonanz stehenden Doppelbindungen
polycyclischer Aromaten, z. B. mit Na in Alkoholen reduzierbar. Mit Natrium oder
Lithium in flüssigem Ammoniak werden Aromaten zu den Dihydroaromaten redu-
ziert (A J. Birch, S. 515).
Die Reduktion der Carbonylgruppe durch Metalle ist wegen ihrer Variations-
breite von besonderem präparativen Interesse. Je nach dem pH des Lösungsmittels,
seinem Gehalt an verfügbaren Protonen, der Natur des Metalls und der des Substrats,
führt die Reduktion zu Alkoholen, 1,2-Glykolen (Pinakolen) oder Kohlenwasser-
stoffen (Clemmensen-Reduktion, S. 514). Zum Verständnis der verschiedenen Reak-
tionswege kann man sich von der chemisorbierten Carbonylverbindung die Vor-
stellung eines mesomeren über C und O gebundenen Ketyls (Radikalanions) (A-B)
machen (M = einwertiges Metall mit hoher H2-Überspannung, • = Elektron).

R
x
^C = O +
M M M M M M
A B

Durch den Chemisorptionsschritt ist schon ein Teil der Reduktion erfolgt, da hier-
512 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

bei mindestens ein Elektron von der Metalloberfläche aufs Substrat übergegangen ist.
Auch das Vorliegen freier Radikalanionen muß in Betracht gezogen werden.
Bei Aldehyden findet in proton-reicher Umgebung H * -Addition an den wenig be-
hinderten Kohlenstoff in B statt, es entstehen über die Alkoholatstufe vorwiegend
primäre Alkohole. Ketone, deren Carbonylkohlenstoff allgemein weniger reaktions-
fähig ist, reagieren aus der Form A heraus weitgehend unter Dimerisierung zu
Pinakolen.

C-O"

R
I
R— C-OH
I
R-C-OH
I
R

In stark saurer Lösung schließlich, in der die H2-Entwicklung am Metall (Zn) nur
durch Amalgamierung zu verhindern ist (Überspannung!), kann A sogar seinen
Sauerstoff verlieren und der Rest durch Elektronen aus dem Metall bis zur Stufe des
Kohlenwasserstoffs reduziert werden (Reduktion nach Clemmensen).

R>
X-OH 2 -H,0
_±V
R'
M M M* M+
+ M

Es sei hier auch die elektrolytische Reduktion an Kathoden hoher Überspannung


(Blei, Quecksilber) erwähnt, die im Mechanismus sehr ähnlich sein dürfte. Kathoden
aus Metallen ohne wesentliche Überspannung (Platin, Palladium, platinierte Me-
talle) liefern bei der Elektrolyse molekularen Wasserstoff, der durch die Anwesen-
heit des Edelmetalls katalytisch aktiviert wird und hydrierend wirkt. Über kataly-
tische Hydrierung s. S. 546 ff.
Lösungen der Alkalimetalle in Aminen, besonders in flüssigem Ammoniak werden
als äußerst wirksame, z.T. spezifische Reduktionsmittel verwendet (Birch-Reduk-
tion). Hierbei wird die blaue Farbe der Lösungen durch das Vorliegen solvatisierter
Elektronen hervorgerufen, die wohl auch bei der Reduktion an die elektrophilen
Zentren der Substrate herantreten. Die Radikalanionen werden in gleicher Weise,
wie bei der Reduktion an Metalloberflächen (S. 511), entweder durch Dimerisierung
weiter verändert oder durch stärkere Säuren als NH 3 (NH 4 ^, Alkohol) unter Pro-
Mechanismus der Birch-Reduktion 513

tonaufnahme zersetzt. Mit den stark reduzierenden Lösungen, besonders auch von
Lithium in flüssigem Ammoniak, gelingen sogar Reduktionen an aromatischen
Systemen mit Leichtigkeit. Naphthalin läßt sich mit Na in flüssigem NH 3 zu Tetralin
reduzieren, Benzoesäure leicht in die l,4-DihydroVerbindung überführen. Anisol
wird in die 2,5-Dihydroverbindung verwandelt, die sich, als Enolether, durch wässe-
rige Säuren über 3-Cyclohexen-l-on zu 2-Cyclohexen-l-on hydrolysieren läßt (Prä-
parat S. 515).

OCH, OCH

+2H

in Wasser

Auch zur Reduktion a,/?-ungesättigter Ketone zu gesättigten ist die Methode nach
Birch geeignet.
Am Diphenylether tritt mit der Lösung von Natrium in flüssigem Ammoniak eine
reduzierende Spaltung zu Na-phenyl und Na-phenolat ein (Schorigin, S. 154).

2Na
NaO-

Systeme, deren Spaltanionen in höherem Maß durch Mesomerie stabilisiert sind,


werden noch leichter reduktiv gespalten, so z. B. Allylalkohol und seine Derivate unter
Bildung von Propen, Benzylalkohol und seine Derivate zu Toluol.

Na in
H2C = CH-CH2OH fl.NH 3
H 2 C=CH-CH 3 + H2O

Main
/-CH 3 +CH 3 OH
fl. NH,

Hierauf beruht eine Methode zur leichten Abspaltung der Benzyloxycarbonyl-


Schutzgruppen bei Peptidsynthesen (S. 316).
514 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

Reduktion der Carbonylgruppe nach Clemmensen

1,2-Diphenylethan aus Benzil

Zn
C 6 H 5 COCOC 6 H 5 <" g) > C 6 H 5 CH 2 CH 2 C 6 H 5
H

Amalgamiertes Zink: 30 g (0,45 g-Atome) dünne Zinkgranalien oder, noch vorteilhafter,


in kleine Streifen geschnittenes Zinkblech von 0,2 mm Dicke werden im 250 ml Rund-
kolben 5min mit der Lösung von 3g Quecksilber(ll)-chlorid in 50 ml Wasser und
1 ml konz. Salzsäure geschüttelt. Anschließend dekantiert man und spült mit Wasser
nach.
Das amalgamierte Zink wird mit 7,0 g Benzil (33 mmol) und 100 ml halbkonz. Salz-
säure 5 h unter Rückfluß gekocht; nach der zweiten und vierten Stunde fügt man erneut
je 1OmI konz. Salzsäure zu. Noch warm gießt man vom Zink ab und spült mit etwas
heißem Wasser nach. Das beim Erkalten erstarrende Reaktionsprodukt wird abgetrennt,
mit Wasser gewaschen, getrocknet und aus einem kleinen Schwertkolben oder Kugel-
rohr destilliert; Sdp. 28O 0 C. Ausbeute: 5,0—5,2 g (82—85%). Der Kohlenwasserstoff läßt
sich aus wenig Alkohol oder niedrig siedendem Petrolether umlösen. Schmp. 50—52 0 C.
In gleicher Weise kann auch Benzoin zu 1,2-Diphenylethan reduziert werden.

4-Phenyl-buttersäure aus 3-Benzoyl-propionsäure

9 5 g Zink werden wie oben in einem 1-l-Rundkolben verquecksilbert. Nach Dekan-


tieren der Sublimatlösung fügt man 60 ml Wasser, 120 ml konz. Salzsäure, 75 ml Toluol
und 40g 3-Benzoyl-propionsäure (220 mmol, S. 260) zu und kocht 40 h am Rückfluß;
um das Sieden nicht unterbrechen zu müssen, arbeitet man zweckmäßig in einem Ab-
zug des Nachtraums. Während der angegebenen Reaktionszeit setzt man noch dreimal
je 50 ml konz. Salzsäure zu.
Nach dem Erkalten trennt man im Scheidetrichter die Toluolphase ab und schüttelt
die wässerige Lösung nach Verdünnen auf das doppelte Volumen mit zweimal 100 ml
Ether aus. Die vereinigten Toluol- und Etherlösungen werden mit Wasser gewaschen
und durch Destillation zur Trockne gebracht, das Toluol wird zum Schluß im Wasser-
strahlvakuum bei 8O 0 C Badtemperatur abgezogen. Anschließend überführt man den
Rückstand in einen 100- oder 150-ml-Schwertkolben und destilliert die Phenylbutter-
säure bei 169-171 0 C / 15 Torr. 30-33 g farblose Carbonsäure (82-90%) erstarren in der
Vorlage. Schmp. 47-480C.

Die Carbonylgruppe von Aldehyden und Ketonen läßt sich durch amalgamiertes
Zink in starker Salzsäure bis zur Stufe des Kohlenwasserstoffs reduzieren. Die Reduk-
tion verläuft nicht notwendigerweise über die Zwischenstufe des Alkohols, da Alko-
hole - außer Benzyl- und Allylalkoholen - unter den Bedingungen der Clemmensen-
Reduktion nicht reduziert werden. Eine mögliche Erklärung des Verlaufs ist auf S. 512
gegeben.
Zur Reduktion der Carbonyl- zur Methyl- bzw. Methylengruppe benutzt man
auch die auf S. 544 präparativ ausgeführte Methode von Wolff-Kishner oder man
Clemmensen- und Birch-Reduktion 515

überführt in die Mercaptale, die hydrogenolytisch mit (H-haltigem) Raney-Nickel


entschwefelt werden können.

C=O + 2R'SH
-H 2 O
VSR' Ni(H) ^
>
\ru
L» n 2

R l/ \R- R

Trotz des Umweges wird häufig auch zunächst mit Natriumborhydrid zum Alkohol
reduziert (S. 540), dieser in den Toluol- oder Methylsulfonsäureester umgewandelt
und letzterer mit Lithium-aluminiumhydrid oder besser Superhydrid (S. 539) zum
Kohlenwasserstoff reduziert.

2-Cyclohexen-1-on, Birch-Reduktion

OCH3\ / O
/ l
Li/NH3

Achtung! Wegen der Ammoniak-Dämpfe muß das Präparat unter einem gut ziehenden
Abzug ausgeführt werden.
Ein 1-I-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter, Gaseinleitungsrohr und Blasenzäh-
ler wird mit 10 g (10 ml, 93 mmol) Anisol, 50 ml absol. THF und 50 ml te/t-Butanol (als
Protonendonator) beschickt und mit einem Methanol-Trockeneis-Bad auf -78 0 C ge-
kühlt. Nun kondensiert man aus einer Ammoniak-Bombe ca. 300 ml NH3 so ein, daß
nur wenig Gas durch den Blasenzähler entweicht, und fügt in 30 min unter kräftigem
Rühren 2,3 g (0,33 g-Atom) Lithium in schmalen Streifen hinzu, die man durch Zer-
schneiden des flach gehämmerten Metalls mit einer Schere erhält. Nach beendeter Zu-
gabe werden Kühlbad und Blasenzähler entfernt. Man rührt noch eine Stunde, tropft
vorsichtig 20 ml Methanol zur Zerstörung überschüssigen Lithiums zu und läßt das
Ammoniak über Nacht verdampfen. Der Rückstand wird in 15OmI Wasser aufgenom-
men und dreimal mit je 40 ml Petrolether (Sdp. 40—6O 0 C) ausgeschüttelt. Die vereinig-
ten Extrakte werden zur Entfernung von Methanol und te/?-Butanol viermal mit je
20 ml Wasser gewaschen.
Der so behandelte Extrakt wird in einem 500-ml-Dreihalskolben mit Rührer, Tropf-
trichter und Innenthermometer im Eisbad auf ca. 5 0 C gekühlt. Nun tropft man unter
Rühren 100 ml halbkonzentrierte, auf ca. 5 0 C vorgekühlte Salzsäure zu und rührt 30 min
bei O 0 C, 30 min bei 35 0C, 1 h bei 6O 0 C und über Nacht bei Raumtemperatur. Man trennt
die organische Phase ab, schüttelt die wässerige Schicht dreimal mit je 50 ml Petrolether,
wäscht die vereinigten organischen Phasen zweimal mit je 30 ml gesättigter Natrium-
hydrogencarbonatlösung, trocknet über Natriumsulfat und destilliert den Petrolether
nach Filtration über eine kurze Kolonne ab. Der Rückstand wird unter Wasserstrahl-
Vakuum in einer Mikrodestillationsapparatur fraktioniert oder, weniger wirkungsvoll, in
einem Kugelrohr destilliert; bei 68 0 C und 22 Torr gehen 3,7g (41%) 2-Cyclohexen-
1 -on über.
516 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

Reduktion der Nitrogruppe

Die Reduktion der Nitroverbindungen mit Metallen in protonenhaltigen Lösungs-


mitteln liefert je nach der H + -Konzentration verschiedene Produkte. Am wichtigsten,
auch technisch, ist die Umsetzung in saurer Lösung, die bis zur Aminogruppe führt.

Anilin aus Nitrobenzol mit Eisen und Salzsäure


(Reaktionsgleichung in der Erläuterung)
Ein Dreihalskolben von 2 Liter Inhalt trägt in der Mitte einen Rührer, seitlich einen
Rückflußkühler und einen Tropftrichter von 200 ml Fassungsvermögen. Er kann in einem
Ölbad erhitzt werden. Die Füllung von 220 g (ca. 4g-Atom) Eisenpulver (Ferrum
reductum), 300 ml Wasser und 26ml (0,3 mol) konz. Salzsäure (d 1,18) wird unter
kräftigem Rühren etwa 10min gekocht. Dann läßt man innerhalb von 45min 123g
(1,00 mol) Nitrobenzol zutropfen, wobei die Heizung gemäßigt werden kann. An-
schließend wird noch eine Stunde zum Sieden erhitzt, dann wird das Anilin nach vor-
sichtigem Zusatz von 15 g Natriumcarbonat mit Wasserdampf übergetrieben. Wenn das
Destillat nicht mehr milchig sondern wasserhell abtropft, läßt man noch 300 ml Flüssig-
keit überdestillieren, löst dann pro 10OmI Destillat je 25g fein pulverisiertes Kochsalz
und schüttelt das Anilin dreimal mit je 10O ml Ether aus. Nun trocknet man die Etherlösung
mit einigen Stückchen Kaliumhydroxid (nicht mit CaCI2, da dieses mit Anilin einen
Komplex bildet), verdampft das Lösungsmittel und destilliert das Anilin vorsichtig mit
freier Flamme (Sdp. 184 0 C) oder besser im Vakuum. Ausbeute 80-87 g (86—93%).

p-Toluidin aus p-Nitrotoluol mit Zinn und Salzsäure


Granuliertes Zinn. - Man schmilzt in einem mit Ausguß versehenen eisernen Schöpf-
löffel vor der Gebläseflamme derbes Zinn und gießt es aus einem Meter Höhe tropfen-
weise in einen Eimer voll Wasser. Granuliertes Zinn ist auch kommerziell erhältlich.
119g (1,OOg-Atom) feine Zinngranalien werden in einem 2-l-Zweihalsrundkolben
mit 68,6 g (0,50 mol) p-Nitrotoluol übergössen und in der folgenden Weise durch einen
aufgesetzten Tropftrichter mit insgesamt 270 ml (3,15 mol) konz. Salzsäure (d 1,18)
versetzt: Man gibt zuerst 30 ml der Salzsäure zu, setzt sofort ein nicht zu enges Steigrohr
auf den Kolben und schüttelt um. Nach kurzer Zeit erwärmt sich die Mischung und gerät
schließlich in lebhaftes Sieden. Man kühlt von außen mit Leitungswasser, ohne aber die
Umsetzung völlig zu unterdrücken und fügt dann nach und nach, so daß die Reaktion
stets gut in Gang bleibt, unter dauerndem Schütteln die restliche Salzsäure zu. Zum
Schluß erhitzt man noch eine Stunde auf dem Wasserbad, versetzt die warme Lösung
mit 10OmI Wasser und fügt allmählich eine Lösung von 15Og technischem Natrium-
hydroxid in 200 ml Wasser bis zur stark alkalischen Reaktion hinzu1. Nun treibt man das
Amin mit auf 160-18O0C überhitztem Wasserdampf über (siehe S. 56), wobei der
Kolben in einem Ölbad von 16O 0 C erwärmt wird. Bei dieser Temperatur braucht man nur
1—1,2 Liter Destillat aufzufangen.

1
Bei alkaliempfindlichen Aminen kommt auch die elektrolytische Abscheidung in Frage.
Amine durch Reduktion von NitroVerbindungen 517

Dieses schüttelt man dreimal mit 10OmI Ether aus. Die Etherlösung wird getrocknet
und eingedampft. Es bleiben 51—52g rohes Amin mit Schmp. 40—42 0 C zurück. Um-
lösen aus wenig Petrolether (Fraktion 30-4O0C) führt zu 44-45 g (82-84%) p-Toluidin
in Form farbloser Tafeln vom Schmp. 43 0 C. Beim Stehen an Licht und Luft verfärbt sich
das Präparat leicht.

Zur vollständigen Reduktion der Nitrogruppe sind 6 Elektronen nötig, die vom
Metall geliefert werden.
1.C 6 H 5 NO 2 + 6e + 6 H + > C 6 H 5 NH 2 + 2H 2 O

Vom Zinn können in Salzsäure 4 Reduktionsäquivalente ausgenutzt werden, doch


wird in den oben beschriebenen Präparaten davon nicht ganz Gebrauch gemacht.
Das intermediär entstehende Zinn(II)-chlorid ist selbst ein starkes Reduktionsmittel.
Nitrile vermag es z. B. in Ether bei Gegenwart von HCl zu Aldehydiminen zu redu-
zieren (Stephens'sche Aldehydsynthese!).
In der Technik bedient man sich zur Reduktion der Nitroaromaten nicht des
teuren Zinns, sondern man arbeitet noch heute - falls nicht katalytisch in der Gas-
phase hydriert wird - nach dem alten Verfahren von Bechamp (1854) mit Eisenpulver.
Da die nötigen Elektronen 2Fe-Atomen entnommen werden können (Gl. 2) und vom
Fe 3+ -Ion Wasser unter Lieferung der nötigen Protonen zersetzt wird (Gl. 3), lautet
die theoretische Reduktionsgleichung, in die die Salzsäure nicht mit eingeht wie Gl. 4.
2. 2Fe > 6e + 2Fe 3 +
3. 2Fe 3+ + 6H 2 O > 2Fe(OH) 3 + 6H+
4. C 6 H 5 NO 2 + 2Fe + 4H 2 O > C 6 H 5 NH 2 + 2Fe(OH) 3

In praxi wird aber in Gegenwart von Salzsäure gearbeitet, da im neutralen Medium


die Reduktion der Nitroverbindungen einen anderen Verlauf nimmt (siehe später).
Auch scheidet sich nicht reines Fe(OH)3 ab, sondern Fe 3 O 4 -(H 2 O) n , das durch
Reaktion mit Fe2 + entsteht, so daß vom Metall mehr als 2 g-Atome auf l Mol Nitro-
benzol genommen werden müssen.
Neuerdings hat auch das katalytische Hydrierungsverfahren, und zwar mit Kupfer
oder Nickel als Kontaktmetall, für die Bereitung von Anilin aus Nitrobenzol Ein-
gang gefunden. Die katalytische Hydrierung einer aromatischen Nitroverbindung
wird bei den Präparaten auf S. 555 und S. 556 ausgeführt. Auch die Umsetzung von
Chlorbenzol mit konz. Ammoniak bei 34O0C und über 300 at, die über Dehydro-
benzol (S. 282) verläuft, gewinnt für die Anilindarstellung an Bedeutung.
Für die Reduktionsversuche von Nitroverbindungen im kleinen nimmt man am
zweckmäßigsten Zinn oder Zinn(II)-chlorid und konz. Salzsäure. Feste Substanzen
werden in Suspension schwer angegriffen und verlangen zur Auflösung einen Zusatz
von Alkohol oder Eisessig. Das Ende der Reduktion erkennt man im allgemeinen
daran, daß das Reaktionsgemisch bei Zugabe von Wasser klar bleibt, da die Hydro-
518 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Chloride der entstandenen Basen in Wasser meist löslich sind. Dabei ist zu beachten,
daß häufig schwerer lösliche Salze des Amins mit Hexachlorozinn(IV)-säure, H2SnCl6,
auftreten, die aber vom kochenden Wasser meistens gelöst werden. Wenn solch ein
Salz in reichlicher Menge auskristallisiert, kann es durch Absaugen isoliert und an-
schließend durch Lauge oder Schwefelwasserstoff zersetzt werden.
Die primären aromatischen Monoamine sind farblose Flüssigkeiten (Anilin,
o-Toluidin, Xylidin) oder feste Stoffe (p-Toluidin, Naphtylamine u.a.). Sie sind ohne
Zersetzung destillierbar und mit Wasserdampf flüchtig. In Wasser sind sie ziemlich
schwer löslich, Anilin zu 3 Prozent. Manche von ihnen bsonders j3-Naphtylamin,
sind krebserregend (Blasenkrebs). Man schütze sich deshalb beim Arbeiten vor der
Berührung oder der Einatmung der Dämpfe! Die Di- und Polyamine sind meistens
fest, mit Wasserdampf nicht flüchtig und im Wasser viel leichter löslich als die Mono-
amine.
Die Basizität der aromatischen Amine ist infolge der Beteiligung des nichtbinden-
den Elektronenpaars an der aromatischen Resonanz bedeutend geringer als die der
aliphatischen Amine.

Das protonierte Aniliniumion, in dem die Mesomerie unterbunden ist, ist um den
Betrag der Delokalisationsenergie energiereicher (20 bis 40 kJ/mol = 5-10 kcal/mol)
und gibt deshalb leicht ein Proton ab. Daher reagieren die wässerigen Lösungen der
Aniliniumsalze sauer (pK^ = 4,6). Sie enthalten die im Dissoziationsgleichgewicht
stehende freie Base, die sich in kleiner, aber deutlich nachweisbarer Menge (Chlor-
kalkreaktion) mit Ether ausschütteln läßt.

Versuch: Chlorkalkreaktion nach Runge - Man verdünnt 10 ml Anilinwasser (durch


Schütteln von 3 Tropfen Anilin mit 10 ml Wasser im Reagenzglas erhalten) mit 100 ml
Wasser und fügt einige ccm einer filtrierten Chlorkalklösung zu: Violettfärbung! Diese
empfindliche Probe gibt nur die wässerige Lösung des freien Anilins. Man kann die
Reaktion auch benutzen, um kleine Mengen vom Benzol oder Nitrobenzol zu erkennen,
indem man die Nitrierung und Reduktion im Reagenzglas durchführt.

Die Chlorkalkreaktion ist für Anilin spezifisch. Der Farbstoff ist ein kompliziertes
Chinonderivat, dessen Konstitution noch nicht geklärt ist.
Zur Charakterisierung der prim. und sek. aromatischen Amine dient oft die Über-
führung in ein bekanntes kristallines Derivat durch Acylierung, z. B. Acetylierung
(S. 710) oder Benzoylierung, besonders auch durch Umsetzung mit Benzol- oder
Reaktionen des Anilins 519

p-Toluolsulfochlorid (Tosylchlorid). Bei prim. Aminen wird manchmal auch die


Darstellung eines Azomethins (Schiff sehe Base, S. 344) herangezogen. Aromatische
Amine können im Papier- oder Dünnschichtchromatogramm durch Kuppeln mit
diazotierter Sulfanilsäure (Paulys Reagens) erkannt werden.

Versuch: Isonitrilreaktion - Man vermischt in einem Reagenzglas 2 Tropfen Anilin


mit 2 ml Alkohol, fügt 0,5 ml konz. Kalilauge und 5 Tropfen Chloroform zu und erwärmt
gelinde (Abzug). Charakteristischer, penetranter Geruch des Isonitrils (Isocyanids). Die
Bildung erfolgt über das aus Chloroform und Lauge primär entstehende Dichlorcarben:

Cl H Cl
/ I m ®/ +2OH~ © ©
R-NH2 + IC —> R—N—C — > R-N=CI + 2H 2 O + 2C\~
\ I \
Cl H Cl

Ganz analog liefert Ammoniak Cyanid (formulieren!).

Von besonderer Wichtigkeit sind die methylierten Aniline, namentlich die tertiäre
Base Dimethyl-anilin, die im Laufe des Praktikums mehrfach als Ausgangsmaterial
herangezogen (S. 242) und die technisch sehr viel gebraucht wird. Man methyliert das
Anilin im großen als salzsaures Salz mit Methylalkohol im Autoklaven. Das dabei
auftretende Methylchlorid besorgt die Methylierung.

Phenylhydroxylamin aus Nitrobenzol mit Zink und Ammonchlorid


C 6 H 5 NO 2 + 2Zn + 3H 2 O > C 6 H 5 NHOH + 2Zn(OH) 2
In einem 2-l-Stutzen versetzt man eine Lösung von 20g Ammoniumchlorid in 400 ml
Wasser mit 41 g (0,30 Mol) frisch destilliertem Nitrobenzol und trägt im Verlauf von etwa
40 min unter dauerndem Rühren mit einem Löffel 60 g Zinkstaub (mindestens 75proz.,
d.h. mindestens 0,7 g-Atome) ein. Der Stutzeninhalt wird dabei durch Einwerfen von
Eisstücken auf höchstens 1O 0 C gehalten.
Nachdem alles Zink eingetragen ist, rührt man noch 10 min — dann soll der Geruch
des Nitrobenzols vergangen sein — und filtriert an der Saugpumpe sofort das Zink-
hydroxid auf einer Nutsche ab. Hierauf gießt man das Filtrat in ein Becherglas um
(Lösung I). Den Zinkhydroxidschlamm wäscht man im Trichter mit 400 ml Wasser von
45 0 C derart aus, daß man ohne zu saugen die Nutsche mit Wasser füllt, vorsichtig auf-
rührt und dann erst so schwach saugt, daß das Wasser langsam durchläuft. Erst zum
Schluß wird scharf gesaugt, der Filterrückstand mit einem Glasstopfen zusammenge-
preßt und so Lösung Il erhalten. In jeder der beiden Lösungen (I und II) werden 12Og
520 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

feingepulvertes Natriumchlorid völlig gelöst, wodurch das Phenylhydroxylamin in feinen


Kristallflocken zur Abscheidung gebracht wird. Nach halbstündigem Stehen der Sus-
pensionen im Eisbad wird jede scharf abgesaugt, dann auf einem Tonteller gut abgepreßt
und auf dem Ton sofort in einem mit frischem Phosphorpentoxid beschickten Exsikkator
gebracht, der nicht evakuiert wird. Man erhält insgesamt 20—25 g Rohprodukt. Wenn
die zweite Fällung nicht wesentlich dunkler als die erste ist, löst man beide zusammen in
100—120 ml Benzol unter kurzem Aufkochen, filtriert rasch durch ein Faltenfilter im vor-
gewärmten Trichter und versetzt das warme Filtrat mit 50 ml Petrolether. Beim Abkühlen
kristallisiert das Phenylhydroxylamin in glänzenden, weichen farblosen Nadeln vom
Schmp. 81 0 C. Zur Ausbeutevermehrung kann man die Mutterlauge mit weiterem Petrol-
ether versetzt längere Zeit im Kühlschrank stehen lassen. Im ganzen erhält man 60—65%
bezogen auf Nitrobenzol. Für die Weiterverarbeitung zu Nitrosobenzol (Präparat S. 489)
wird das Präparat ohne besondere Reinigung verwendet. Dies muß jedoch bald ge-
schehen, da die nichtumkristallisierte Substanz im besten Fall einige Tage lang unzer-
setzt haltbar ist. Im Gegensatz dazu istp-Tolylhydroxylamin, das ausp-Nitrotoluol durch
Reduktion mit Zinkstaub in Alkohol oder mit Ammoniumhydrogensulfid in der Kälte dar-
gestellt wird, eine recht beständige Verbindung.
Da Phenylhydroxylamin bei manchen Personen schwere Ekzeme erzeugt, hüte man
sich, es, besonders in Lösung, auf die Haut zu bringen!

/V-Methylhydroxylamin aus Nitromethan mit Zink und Ammonchlorid


Durch die auf S. 519 beschriebene Reduktionsmethode kann man auch /V-Methyl-
hydroxylamin aus Nitromethan bereiten: In einen Stutzen von 500 ml, der in Eis steht
und mit gut wirkendem Rührer versehen ist, gibt man zur Emulsion von 30,5 g (0,50 mol)
Nitromethan in 200 ml Wasser, in dem 15g Ammoniumchlorid aufgelöst wurden, unter
kräftigem Rühren sehr vorsichtig 95g mindestens 75proz. Zinkstaub (d.h. mindestens
1 g-Atom). Die Temperatur muß ständig unter 15 0 C gehalten werden. Als Außenküh-
lung ist eine Eis-Kochsalzmischung zu empfehlen. Bei guter Kühlung benötigt man zur
Zinkzugabe etwa eine Stunde. Man saugt vom Zinkhydroxidschlamm ab, wäscht mit
wenig kaltem Wasser aus und säuert die Filtrate mit Salzsäure an (Universalindikator
pH 5—6). Durch Vakuumdestillation wird die Flüssigkeit bis zum Erstarren eingeengt.
Zwischendurch muß mehrmals das ausgefallene Ammoniumchlorid abgesaugt werden.
Zur Reinigung löst man das auf der Nutsche abgepreßte Salzgemisch in 1OmI absol.
Methanol, filtriert vom ungelösten Ammoniumchlorid ab und versetzt das Filtrat langsam
mit absolutem Ether, zunächst bis zur beginnenden Kristallisation, dann vorsichtig weiter.
Im ganzen werden 1OmI absoluter Ether zugegeben. Es scheiden sich etwa 20g
(= 50%) /V-Methylhydroxylamin-hydrochlorid ab. Schmp. 84-870C.

Zur partiellen Reduktion der Nitrogruppe kann außer Zink in ammoniumchlorid-


haltigem Wasser auch amalgamiertes Aluminium, am besten als Grieß verwendet
werden. (Aluminium einige Minuten in wässeriger Sublimatlösung schütteln, dann ab-
gießen). Dieses Metall läßt sich gut in Ether anwenden; das erforderliche Wasser wird
tropfenweise zugegeben. Die Brauchbarkeit von Ammoniumhydrogensulfid in Al-
kohol zum selben Zweck ist auf S. 526 erwähnt.
Darstellung und Eigenschaften der Hydroxylamine 521

Die organischen Abkömmlinge des Hydroxylamins, besonders die aromatischen,


sind schwache Basen. Phenylhydroxylamin ist eine unbeständige Verbindung, die
sich unter dem Einfluß des Luftsauerstoffs, von Alkalien und von Säuren verändert.
An der Luft oxidieren sich vor allem unreine Präparate zu Nitrosobenzol, das durch
seinen stechenden Geruch beim in Zersetzung befindlichen Phenylhydroxylamin er-
kannt wird.
Da sich Nitrosobenzol mit Phenylhydroxylamin zu Azoxybenzol kondensiert (s.
S. 491), findet man dieses unter den Zersetzungsprodukten des Phenylhydroxylamins.
Nebenher wird Azoxybenzol von Phenylhydroxylamin zu Azobenzol reduziert. Alle
Hydroxylaminderivate, RNHOH, wirken wie Hydroxylamin selbst reduzierend.

Versuch: Reduzierende Wirkung — Etwa 50mg Phenylhydroxylamin in 2ml war-


mem Wasser gelöst, werden mit einigen Tropfen ammoniakalischer Silbernitratlösung
(S. 342) versetzt. Ausscheidung von Silber, z.T. als Spiegel.

Versuch: Einwirkung von Säure — 2,2 g (20 mmol) Phenylhydroxylamin werden nach
und nach unter Außenkühlung mit Eis-Wasser zu einer kurz vorher bereiteten Mischung
von 1OmI konz. Schwefelsäure und 30g Eisstückchen gegeben. Man verdünnt dann
mit 200 ml Wasser und kocht so lange, bis eine mit Dichromatlösung versetzte Probe
nicht mehr nach Nitrosobenzol, sondern nach Chinon riecht (10-15 min). Die erkaltete
Lösung wird in einem zur Wasserdampfdestillation vorbereiteten (S. 55) 500-ml-Kolben
mit der Lösung von 2g (0,7 mol) Natriumdichromat (Na 2 Cr 2 O 7 • 2 H 2 O) in 20 ml
Wasser versetzt, dann wird durch Wasserdampf das gebildete Chinon vorsichtig über-
getrieben. Man kann 1,0—1,5g (50—75%) davon isolieren. Eine Probe des Kolbenrück-
stands läßt beim Versetzen mit starker Natronlauge deutlich Ammoniak am Geruch er-
kennen.

Durch Mineralsäuren in der Wärme erleiden Arylhydroxylamine eine „Umlage-


rung" : Aus Phenylhydroxylamin wird dabei p-Aminophenol, das im obenstehenden
Versuch zu p-Benzochinon oxidiert wurde. Der Mechanismus der intermolekularen
elektrophilen Substitution ist aus folgender Formulierung deutlich zu erkennen:

HNOH HNOH9

Auf dieser Reaktion beruht ein Verfahren, durch kathodische Reduktion von
Nitrobenzol das als Zwischenprodukt für Farbstoffe wichtige p-Aminophenol dar-
zustellen. Man arbeitet in alkoholisch-schwefelsaurer Lösung mit Bleikathoden, wo-
bei das auch in saurer Lösung intermediär entstehende Hydroxylaminderivat durch
522 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

die große Geschwindigkeit der Umlagerung vor der Weiterreduktion zu Anilin be-
wahrt wird.
Ist die/7-Stellung zur NHOH-Gruppe besetzt, wie z.B. im/7-Toluylhydroxylamin,
entstehen unter der Einwirkung starker Säuren andere Reaktionsprodukte. Zwar
tritt auch jetzt H 2 O in die /^-Stellung des mesomeren Immoniumions ein, doch ver-
hindert die Methylgruppe die Aromatisierung. Die Iminogruppe des Chinolimins
wird aber rasch hydrolytisch gespalten.

NH3

So entsteht nach E. Bamberger das einfachste Chinol, eine in Wasser sehr leicht
lösliche, im Gegensatz zum Chinon farblose Verbindung, deren präparative Isolie-
rung nicht einfach ist.
Man vergegenwärtige sich und formuliere hier die intermolekularen Substitutio-
nen bei anderen Anilinderivaten: Diazoaminobenzol —> p-Aminoazobenzol (S. 606);
Azoxybenzol —> p-Hydroxyazobenzol (S. 491); Af-Nitroso-N-methylanilin —> Nitro-
somethylanilin (O. Fischer und E. Hepp, S. 243) und N,JV-Dimethylaniliniumchlorid
(bei 2750C) zu 2,4-Dimethylanilin-hydrochlorid.

Versuch: /V-Nitrosophenylhydroxylamin (Cupferron) — 2,2g (20 mmol) Phenyl-


hydroxylamin werden in 20 ml 1N Salzsäure gelöst und unter Kühlung in Eis-Kochsalz-
mischung ziemlich schnell mit der Lösung von 1,4g (20 mmol) Natriumnitrit in 5ml
Wasser versetzt. Es scheiden sich sofort weiße Nadeln aus, die abgesaugt, mit eiskaltem
Wasser gewaschen und auf Ton getrocknet werden. 2,0—2,5 g (65—82%) vom Schmp.
59 0 C. Um das wasserlösliche Ammoniumsalz herzustellen, löst man die Substanz in
Ether (2 g in 100 ml) und fällt durch langsames Einleiten von trockenem Ammoniak das
farblose Salz, das abgesaugt, mit Ether gewaschen und im Exsikkator getrocknet wird.
Bei tropfenweiser Zugabe der gesättigten wässerigen Lösung des Cupferrons zu sehr ver-
dünnten Eisen(lll)- oder Kupfer(ll)-salzlösungen fallen die wasserunlöslichen Metall-
komplexe aus. Der /V-Nitrosoverbindung hat man wegen ihrer ziemlich großen Acidität
die Azoxystruktur eines /V-Oxids, dem Kupferkomplex die danebenstehend abgebildete
zuzuschreiben.

^N
cv ,,-ISI=NOH Il Cu
Cu Il
V / l M // 'V^Nx
O ° * C6H5

Andere N-Oxyde sind die schon auf S. 350 erwähnten Nitrone, die durch Konden-
Cupferron und Nitrone 523

sation von organischen Hydroxylaminen mit Aldehyden oder Ketonen — ähnlich wie
die mit ihnen verwandten Oxime - leicht entstehen.

Versuch: /V-Phenylbenzalnitron

C 6 H 5 NHOH + C 6 H 5 CHO > C 6 H 5 N(O)=CHC 6 H 5


~H 2 0
2,20g (20,2 mmol) Phenylhydroxylamin werden zusammen mit 2,15g (20,2 mmol)
frisch destilliertem Benzaldehyd in 25 ml Alkohol 30 min auf dem Wasserbad unter Rück-
fluß zum Sieden erhitzt. Beim Abkühlen und Versetzen mit dem halben Volumen Wasser
scheidet sich der größte Teil des Nitrons in gelben Kristallen vom Schmp. 105—107 0 C
aus. Man kann auf diese Weise 3,5g (ca. 85%) isolieren und zur Reinigung aus 10 ml
Benzol, dem man noch warm 1OmI Petrolether zusetzt, Umkristallisieren. Eine kleine
Probe wird im Reagenzglas mit 2N Schwefelsäure, der bis zur Lösung des Nitrons
Alkohol zugesetzt wird, gekocht. Geruch von Benzaldehyd.

Die Reduktion ungesättigter Nitroverbindungen ergibt statt der Hydroxylamine


die durch Prototropie entstandenen Aldoxime.

CH2-C = NOH

Nitrosoverbindungen, R—NO, die Primärprodukte der Reduktion von Nitrover-


bindungen, können nur unter ganz speziellen Reduktionsbedingungen erhalten wer-
den; meist werden sie sogleich weiter reduziert. Sie sind am bequemsten durch Oxi-
dation der Hydroxylaminderivate zugänglich und werden deshalb präparativ und
theoretisch im Kapitel X auf S. 489 behandelt.

Hydrazobenzol aus Nitrobenzol mit Zink und Natronlauge


2C 6 H 5 NO 2 + 5Zn + 1ONaOH —> C 6 H 5 NH-NHC 6 H 5 + 5Na 2 ZnO 2 + 4H 2 O
Ein 1-I-Zweihalsrundkolben trägt auf dem einen Tubus einen Rückflußkühler, der
andere ist mit einem Korkstopfen verschlossen. Diese Apparatur wird so aufgestellt, daß
sie ohne Mühe kräftig geschüttelt werden kann.
Es werden 50 g Natriumhydroxid (1,25 mol) in 150 ml Wasser gelöst; die noch warme
Lauge wird zusammen mit 50 ml Alkohol und 41 g (0,33 mol) Nitrobenzol in den Kolben
gegeben. Unter sehr kräftigem Schütteln setzt man zuerst 6-8 g Zinkstaub zu, läßt die
anfangs heftige Reaktion, stets weiter schüttelnd, zu Ende gehen und erhält dann durch
dauernde Zugabe von Zinkstaub das Reaktionsgemisch im Sieden. Man achte darauf,
daß die Umsetzung nicht allzu stürmisch wird, vermeide es aber, ihren Verlauf durch
Kühlen zu unterbrechen.
524 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Der Kolbeninhalt färbt sich zuerst rot (Azobenzol), wird aber schließlich lichtgelb,
wenn die nötige Menge des Reduktionsmittels zur Einwirkung gekommen ist. Man
braucht etwa 120—15Og (75proz.) Zinkstaub (ca. 2g-Atome). Sollte die Reaktion vor-
zeitig zum Stillstand kommen, erhitzt man auf einem lebhaft siedenden Wasserbad.
Es ist unerläßlich, den Kolbeninhalt fortwährend durch starkes Schütteln in Bewegung
zu halten, damit der schwere Zinkstaub mit der organischen Substanz stets gut durch-
mischt wird.
Zu der reduzierten und auf dem Wasserbad erhitzten Mischung gibt man schließlich
500 ml Alkohol, der in der Siedehitze das ausgeschiedene Hydrazobenzol löst. Der ganze
Kolbeninhalt wird siedend heiß auf einer Nutsche abgesaugt(vorher Flammen in der
Nähe auslöschen!), der Kolben sofort mit 50 ml heißem Alkohol nachgespült und mit
diesem der Filterrückstand ausgewaschen. Das Filtrat läßt man in der verschlossenen
Saugflasche erkalten, steigert die Kristallisation durch Kühlung in einer Kältemischung,
saugt nach einer Stunde scharf ab und wäscht das beinahe farblose Reaktionsprodukt
einige Male mit BOproz. Alkohol, dem man eine kleine Menge wässeriger schwefliger
Säure zugefügt hat, bis das Filtrat nicht mehr alkalisch reagiert. Durch Umkristallisieren
aus nicht zu viel Alkohol erhält man das Hydrazobenzol bei raschem Arbeiten völlig farb-
los und rein. Schmp. 124 0 C unter Gelbfärbung. Bei der großen Neigung zur Autoxidation,
die auch ein ununterbrochenes Arbeiten bei der Darstellung verlangt, ist Hydrazobenzol
— im Vakuum gut getrocknet- nur in gut schließenden, mit CO2 oder N2 gefüllten Gläsern,
besser noch in zugeschmolzenen Röhren, längere Zeit ohne Verfärbung haltbar. Die Aus-
beute an Rohprodukt, das zu den weiteren Präparaten direkt benutzt werden kann, be-
trägt 20-25 g (60—80%).

Hydrazobenzol besitzt als Vorstufe des Benzidins, das aus ihm mit starken Säuren
in intramolekularer Umlagerung entsteht, farbstofftechnische Bedeutung. Weiterhin
dient es zur Synthese pharmazeutischer Präparate (Butazolidin®). Wie im Hydrazin,
von dem es sich ableitet, läßt sich auch in Hydrazobenzol die N—N-Bindung durch
starke Reduktionsmittel (Zinn(II)-chlorid, Dithionit) aufspalten, wobei zwei Mole
Anilin gebildet werden. Die hervorstechendste Eigenschaft aber ist seine leichte
Oxidierbarkeit, z. B. durch Brom, die zum stabilen Azobenzol führt. Beim Schmelz-
punkt erleidet Hydrazobenzol eine für Hydrazinderivate ebenfalls typische Dis-
proportionierung: 2 Moleküle Hydrazin geben 2 Ammoniak und N 2 ; Hydrazo-
benzol gibt Azobenzol und 2 Mole Anilin. VgI. dazu die Zersetzung von 2H 2 O 2 zu
H 2 O und O 2 .

H
CfiHs—N H -N-C6H5 C 6 H 5 NH 2 N-C6H5
_i
C6H5-N H-HVJ-C6H5 C 6 H 5 NH 2 N-C6H5
H

Versuch: Azobenzol durch Dehydrierung - Man läßt 10g (130 mmol) Brom
(= 3,2 ml) in 75 ml 2N Natronlauge (150 mmol) unter Eiskühlung tropfen und schüttelt
mit dieser Hypobromitlösung in einem kleinen Scheidetrichter 9,2 g Hydrazobenzol
Hydrazo- und Azobenzol 525

(50,0 mmol), die in 60 ml Ether aufgelöst wurden, 10min lang durch. Die rote Ether-
schicht wird abgetrennt, verdampft und der rote Rückstand von Azobenzol aus wenig
Alkohol umkristallisiert.

Azobenzol, mit dem Chromophor -N=N- die Grundsubstanz der Azofarb-


stoffe (S. 601), ist eine sehr beständige, unzersetzt destillierbare Verbindung. Im Ge-
gensatz zu den aliphatischen Azoverbindungen sind die aromatischen durch Reso-
nanz der 7c-Elektronen der Azobrücke mit denen der beiden Kerne nachhaltig stabili-
siert. Dies ist einer der Gründe für die bedeutende Echtheit der Azofarbstoffe.
Azobenzol tritt als Z-(cis-) oder E-(trans-) Verbindung auf. Durch Licht wird die
energieärmere (£>Form in die energiereichere (Z)-Form umgelagert. Im folgenden
Versuch werden beide im Dünnschichtchromatogramm auf Kieselgel nebeneinander
nachgewiesen.

=N -J^> V=J/
C6H5
trans-(E-) c/s-(Z-)

Versuch: Photochemische Umlagerung — Man bereite sich eine kleine Objektträger-


Dünnschichtplatte mit Silicagel („Merck. G") nach der auf S. 91 gegebenen Anleitung
Wenige Milliliter einer etwa 1 proz. Lösung von reinem Azobenzol in Benzol werden
einige Minuten am Rückfluß gekocht und dann sofort zum Erkalten ins Dunkle gestellt.
Für ein gutes Gelingen des Versuchs ist entscheidend, daß diese Lösung und - während
des anschließenden Chromatographierens - das Chromatographiegefäß so weitgehend
wie möglich vor Licht geschützt werden! Ein Tropfen der abgekühlten Azobenzollösung
wird mit einer Kapillarpipette zu einem kleinen Fleck (0 ca. 3mm) auf den einen der
beiden markierten Startpunkte der Dünnschichtplatte aufgetragen. Dieser Fleck wird
einige Minuten dem direkten Sonnenlicht oder ca. eine halbe Stunde diffusem Tages-
licht ausgesetzt. Dann wird schnell auf dem zweiten Startpunkt ein kleiner Tropfen der
lichtgeschützten Lösung aufgetragen und der Dünnschicht-Objektträger in einen kleinen
passenden, zum Chromatographieren in Benzol vorbereiteten Zylinder (Anleitung S. 93)
gestellt, der verschlossen und sofort durch Überstülpen eines für Licht undurchlässigen
Behälters abgedunkelt wird. Nach 10-20 min hat die Benzolfront das obere Plattenende
erreicht; die Platte kann herausgenommen werden. Man sieht jetzt unterhalb der Lö-
sungsmittelfront zwei orangerote Flecken, (£)-Azobenzol, außerdem nicht sehr weit
über dem ersten belichteten Startpunkt das gelbe (Z)-Isomere.

Azobenzol hat schwach basische Eigenschaften. Mit konzentrierten Mineralsäuren


gibt es rote Salze, was man durch Übergießen der Substanz mit Salzsäure feststellt.
Durch Reduzieren mit geeigneten Mitteln erhält man aus Azoverbindungen wieder
die Hydrazoverbindungen.
526 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Starke Reduktionsmittel spalten, wie schon erwähnt Hydrazoverbindungen zu


primären Aminen. Da sich Azo Verbindungen durch Kupplung von Diazoniumsalzen
mit geeigneten Partnern leicht erhalten lassen (S. 601), kann man durch ihre reduktive
Spaltung besonders leicht aromatische Amine herstellen.
ArNf + Ar'H Ar-N=N-Ar' ArNH, Ar'NH,

Aromatische Azoverbindungen lassen sich auch z. B. mit H 2 O 2 oder Salpetersäure


zu Azoxyverbindungen oxydieren. Wir können somit zwischen den Reduktionspro-
dukten der Nitroaromaten mit gepaartem Stickstoff folgende chemische Beziehun-
gen formulieren (Reduktion v.l.n.r.):
-N=N- -N=N- —NH-NH-
I
O
Fe in H 2 O; Elektrolyse
Zn in Lauge ; Elektrolyse
Sn ^I2; S2O4 ; H 2 und Katalys itor
Dispropor :ionierung
O2; OBr~ u.a.
H2O2; HNO,

Azoxy- Azo- Hydrazo- Amino-Aromaten

Die Reduktion der aromatischen Nitroverbindungen ist nicht nur wissenschaftlich


sondern auch technisch von großem Interesse. Die Nutzbarmachung der im Stein-
kohlenteer enthaltenen Kohlenwasserstoffe begann mit der Entdeckung der Nitrie-
rungsreaktion. Die Reduktion des Nitrobenzols lieferte in technischem Ausmaß das
Anilin, das Ausgangsmaterial für zahllose Farbstoffe und pharmazeutische Präpa-
rate. Ihm schließen sich die Toluidine, Xylidine, Naphtylamine usw. an. Aromatische
Amine können aus den Nitroverbindungen durch die Elektronen eines Metalls in
Säure, an der Kathode in saurer Lösung, durch katalytisch aktivierten Wasserstoff
oder in bestimmten Fällen auch durch Ammoniumhydrogensulfid erhalten werden.
Der Vorgang verläuft, wie am Nitrobenzol präparativ gezeigt wird, über eine Reihe
von Zwischenprodukten:
ArNO2 ArNO ArNHOH ArNH,
Fe(neutral), Elektrolyse
Zn in NH4CI; Al-am lgam; SH" i.d. Kälte
Sn od. Fe od. E ektrolyse in HCI; H2 katalyt ;SH- i.d. Hitze
Peroxyverbindimgen i.d. Hitze
Peroxyverbindungen i.d. Kälte
Dichromat u.a.

Nitro- Nitroso- Hydroxylamino- Amino-Aromaten


Phenylisothiocyanat 527

Wenn unter den Bedingungen der Anilindarstellung weder Nitrosobenzol noch


Phenylhydroxylamin sich anreichern, so hat dies seine Ursache darin, daß im Sauren
die Reduktionsgeschwindigkeit dieser Zwischenprodukte weit größer ist als die des
Nitrobenzols selbst. Sie lassen sich jedoch in geeigneter Weise bei der elektrolytischen
Reduktion und bei der katalytischen Hydrierung nachweisen.
In neutraler Lösung verschieben sich die Verhältnisse zugunsten des Phenyl-
hydroxylamins, das auch in alkalischer Lösung neben Nitrosobenzol entsteht. Dort
kondensieren sich beide zum Azoxybenzol, das je nach Reduktionsart die auf S. 526
dargestellten weiteren Reduktionen erleiden kann. Beim mildesten Reduktionsver-
fahren, Kochen mit methylalkoholischer Na-methylatlösung, erhält man aus Nitro-
benzol in guter Ausbeute Azoxybenzol (N. Zinin). Das reduzierende Methylat ver-
wandelt sich dabei unter Oxidation in Formiat.

Phenylisothiocyanat und Thiole

Ähnlich wie CO2 mit primären Aminen zu Carbaminaten reagiert CS2 in Anwesen-
heit von Basen zu Dithiocarbaminaten.

,*•
R-NH2 + CS2 ———> R— NH- C ( -

In der aromatischen Reihe geht die Reaktion wegen der geringen Basizität des
Stickstoffs unter Abspaltung von H + und dann S ~ ~ weiter. An das intermediär ent-
stehende Isothiocyanat (Senföl) lagert sich sofort ein zweites Molekül des Amins an.
Es entsteht Diarylthioharnstoff:
H S NHAr
+ArN
Ar-N=C=S "* : S=C/
\
S' NHAr

In der aliphatischen Reihe gelingt die Eliminierung des Schwefels unter Bildung
der Senföle nur mit Schwermetallsalzen (HgCl2, FeCl3).

Symm. Diphenylthioharnstoff (Thiocarbanilid) — Man erhitzt in einem mit langem


Rückflußkühler versehenen Rundkolben 23 g (0,25 mol) Anilin, 30 g (0,40 mol) Schwe-
felkohlenstoff, 35 ml Alkohol und 6 g fein gepulvertes KOH drei h lang auf dem Wasser-
bad zum gelinden Sieden, destilliert am absteigenden Kühler Schwefelkohlenstoff und
Alkohol ab, versetzt den Rückstand mit Wasser, saugt die gebildeten Kristalle des Di-
phenylthioharnstoffs ab und wäscht sie mit Wasser, verdünnter Salzsäure und nochmals
mit Wasser. Nach dem Trocknen sind es 18-20 g (63—70%). Eine kleine Menge kristalli-
siert man aus Alkohol um (Schmp. 154 0 C), den Rest benutzt man ohne weitere Reini-
gung zur Darstellung von Phenylsenföl.
528 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Phenylisothiocyanat (Phenylsenföl); Triphenylguanidin -15g (ca. 65 mmol) des


rohen, oben erhaltenen Diphenylthioharnstoffs werden aus einem 250-ml-Kolben mit
60 ml konz. Salzsäure (d 1,18) auf dem Sandbad am absteigenden Kühler destilliert, bis
der Rückstand nur noch 10—15 ml einnimmt. Das Destillat wird nach Zugabe des glei-
chen Volumens Wasser ausgeethert, der Ether mit wenig Sodalösung ausgeschüttelt,
mit Calciumchlorid getrocknet, dann abgedampft und der Rückstand destilliert. Sdp.
des Phenylsenföls 222 0 C. Ausbeute um 8g (90%).
Neben dem Senföl entsteht bei der Einwirkung von Salzsäure auf Thiocarbanilid noch
Triphenylguanidin, das sich aus dem Kolbenrückstand nach Zugabe von 50 ml Wasser
und mehrstündigem Stehen als Hydrochlorid abscheidet. Durch Zersetzung mit ver-
dünnter Natronlauge in der Wärme erhält man die freie Base. Aus Alkohol farblose
Nadeln vom Schmp. 143 0 C.

Die Wirkung der konz. Salzsäure besteht hier hauptsächlich in der Abspaltung
von Anilin:

Nebenbei wird in geringem Umfang auch Schwefelwasserstoff abgespalten. Das


aus dieser Reaktion primär hervorgehende, äußerst reaktionsfähige Diphenylcar-
bodiimid lagert in der Lösung vorhandenes Anilin zu Triphenylguanidin an, ähnlich
wie sich aus Cyanamid und Ammoniak das einfache Guanidin bildet.

NHC6H5 N-C6H5 NHC6H5


S=C _ » C +C 6 H 5 NH 2 c /
\ -H2S » C 6 H 5 N-C
NHCH
6 5 NHC6H5

Diphenylcarbo- Triphenyl-
diimid guanidin

Die Senföle zeigen grundsätzlich die gleichen Additionsreaktionen wie die ihnen
isologen Isocyansäureester (siehe S. 327), z.B. O=C=N —C 6 H 5 , sie reagieren je-
doch viel langsamer, was schon aus der Darstellungsmethode für Phenylsenföl her-
vorgeht. Phenylisocyanat würde dabei durch Wasser sofort zersetzt.

Versuch: Reaktion der Amine mit Phenylisothiocyanat - Bei der im Präparat S. 527
beschriebenen Bildung des Diphenylthioharnstoffs reagiert das intermediär entstehende
Senföl sofort mit Anilin weiter. Hier wird diese Reaktion für sich ausgeführt. 5 Tropfen
Reaktionen des Phenylisothiocyanats 529

Phenylsenföl werden in einem kleinen Reagenzglas mit der gleichen Menge Anilin ver-
mischt und über einer kleinen Flamme gelinde erwärmt. Beim Reiben mit dem Glasstab
erstarrt die Schmelze zu Kristallen von Diphenylthioharnstoff, der aus Alkohol zur
Schmelzpunktprobe umkristallisiert wird. Schmp. 154 0 C.

Zum Vergleich sei auf die auf S. 328 geschilderte analoge Bildung von Diphenyl-
harnstoff aus Phenylisocyanat und Anilin hingewiesen. Phenylsenföl hat sich als
wertvolles Reagenz zum stufenweisen Abbau von Peptiden erwiesen (P. Edman,
1950). Es reagiert mit der terminalen Aminogruppe wie oben bei der Bildung von
Diphenylthioharnstoff aus Anilin beschrieben (S. 528) zu einem Phenylthioureido-
peptid, das unter H + -Einwirkung den Aminosäurerest als 2-Anilino-thiazol-5-on
verliert, welches sich in Gegenwart von Wasser ins 3-Phenylthiohydantoin umlagert.
R' R'
I PhNCS I
R-CH-CONH — CH- -— R — CH- CONH — CH —
I I
NH2 HN
)=s
HN

R O
\ // R'
HC-C I

I
NHC6H5

s
\ //
HC-C
HNx /N-C 6 H 5

Versuch : Phenylisocyanat aus Phenylisothiocyanat mit Quecksilberoxid — Man


erhitzt im Reagenzglas 0,5 ml Phenylisothiocyanat mit dem gleichen Volumen gelbem
Quecksilberoxid bis zum Sieden des Senföls. Das Oxid geht hierbei in schwarzes Queck-
silbersulfid über, gleichzeitig tritt der äußerst stechende Geruch des Phenylisocyanats auf.

Thiophenol aus Benzolsulfochlorid


C 6 H 5 SO 2 CI + 1,5Sn + 5HCI > C 6 H 5 SH + 1,5SnCI4 + 2H 2 O
In einen 250-ml-Zweihalskolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter gibt man 20g fein
granuliertes Zinn (170 mg-Atome, Überschuß), erhitzt auf dem Wasserbad, läßt 50 ml
530 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

konz. Salzsäure zufließen und tropft dann unter öfterem Umschütteln 8g (45 mmol)
Benzolsulfochlorid ein. Wenn die Hauptmenge des Zinns gelöst ist, treibt man das Thio-
phenol mit Wasserdampf über, fügt zum Destillat eine Spatelspitze Natriumdithionit (um
O 2 abzufangen), ethert es aus und trocknet die Etherschicht nach der Trennung mit
Natriumsulfat. Nach dem Abdampfen, zuletzt im Vakuum, wird das zurückbleibende
Thiophenol destilliert und geht fast völlig bei 173 0 C / 760 Torr über. Ausbeute 3—4 g
(60-80%).
Mit dem stark stinkenden Stoff darf nur unter einem gut ziehenden Abzug möglichst
im Stinkraum umgegangen werden. Vor allem bringe man nichts davon an Hände oder
Kleider, da der Geruch tagelang haften bleibt. Er kann durch Oxidation mit Hydrogen-
peroxid unschädlich gemacht werden.

Während die sehr stabile Sulfonsäuregruppe praktisch nicht reduziert werden kann,
läßt sich der Schwefel der Sulfonsäurechloride mit Metallen in die niedrigen Oxida-
tionsstufen überführen. Mit Zink in Wasser entsteht das Zn-SaIz der Sulfinsäure
(ArSO2H), mit Zinn in starker Mineralsäure über die Stufe der Sulfin- und Sulfen-
säure hinweg das Thiol. - Weitere Darstellungen der Arylthiole sind z. B. aus Dia-
zoniumsalzen oder Grignard-Verbindungen möglich.
Aliphatische Thiole werden besser durch nucleophile Substitution z.B. aus den
Alkylhalogeniden dargestellt (S. 160).
Die Thiole sind stärkere Säuren als die Alkohole, die aromatischen sogar so starke,
daß sie mit Alkali und Phenolphthalein scharf titriert werden können (Thiophenol hat
pKA ~ 7). Charakteristisch sind die gelben Blei- und die farblosen Quecksilbersalze.
Zum Nachweis der aliphatisch gebundenen SH-Gruppe (nicht der aromatisch ge-
bundenen) ist die intensive Farbreaktion mit Na-pentacyanonitrosoferrat (Nitro-
prussid-Natrium) in alkalischer Lösung besonders geeignet (siehe auch S. 162).

Versuch: Quecksilber-thiophenolat aus Thiophenol - Man versetzt die alkoholi-


schen Lösungen von Blei(ll)-acetat und Quecksilber(ll)-chlorid jeweils mit einigen
Tropfen Thiophenol.

Bemerkenswert ist die Leichtigkeit, mit der Elektronen vom Schwefel abgelöst
werden; schon durch den Sauerstoff der Luft, sofort aber durch schwache Oxida-
tionsmittel werden die Thiole zu den Aryl- bzw. Alkyldisulfiden oxidiert:

R—S—S—R
Red.

Versuch: Diphenyldisulf id durch Autoxidation des Thiophenols - Einige Tropfen


Thiophenol werden mit einigen ml stark verdünnter Ammoniaklösung auf einem Uhr-
glas über dem Wasserbad langsam zur Trockne verdampft (Abzug!). Es hinterbleibt ein
Öl, das beim Erkalten kristallisiert. Diphenyldisulfid vom Schmp. 61 0C.
Reaktionen der Thiole 531

Durch Reduktion gehen die Disulfide unter Aufnahme von Wasserstoff wieder in
die Mercaptane über. Auch durch andere nucleophile Agenzien wie Cyanid oder Sulfit
werden sie gespalten. Dabei entsteht neben einem Mol Thiol ein Rhodanid,
RSCN bzw. Thiosulfat (Bunte-Salz) RSSOf.

Versuch: Reduktion eines Disulf ids zum Thiol — 2 Tropfen Thioglykolsäure werden
in etwa 3 ml 2 Ammoniak gelöst. Dazu tropft man soviel 5-10proz. methanolische lod-
lösung, wie gerade noch entfärbt wird. Jetzt gibt eine Probe keine positive Reaktion mit
Nitroprussidnatrium; es ist das Disulfid entstanden. Versetzt man mit einigen Körnchen
Natriumborhydrid (S. 539), kann man nach kurzer Zeit mit Nitroprussidnatrium wieder
freie Sulfhydrylgruppen nachweisen. Ebenso tritt nach Zugabe von wenig Cyanid nach
kurzer Zeit die Rotfärbung auf.

Ein biologisches Beispiel für ein Redox-System dieser Art liegt im Cystein-Cystin
(siehe S. 475) oder Glutathion vor. Als cyclisches Disulfid verdient die Liponsäure
(Thioctsäure) Erwähnung, die zum Enzymkomplex Pyruvatoxidase gehört.

HC
/\CH/CHNCH /CHNCH /°2H
2 2

Liponsäure

Mit Chlor setzen sich Thiole und Disulfide zu Arylsulfenylchloriden um; Phenyl-
sulfenylchlorid ist eine tiefrote Flüssigkeit von großer Reaktionsfähigkeit, o-Nitro-
phenylsulfenylderivate von Aminosäuren in der Peptidchemie.
C 6 H 5 SH + Cl2 > C6H5SCI + HCI; RSSR + Cl2 > 2RSCI

Durch energische Oxidation, z.B. mit Brom oder Peroxy-Verbindungen, werden


aus den Thiolen die Sulfonsäuren gebildet. Aus Cystin entsteht so Cysteinsäure,
HO2CCH(NH2)CH2SO3H.

Reduktion mit Ammoniumhydrogensulfid

Von den zahlreichen Möglichkeiten der Reduktion mit anorganischen Anionen soll
hier nur ein Präparat ausgeführt werden. Andere Beispiele findet man in der Reduk-
tion von Benzoldiazoniumchlorid zu Phenylhydrazin mit Sulfit auf S. 621, in der
Reduktion von Indigotin zu Leukoindigo mit Dithionit auf S. 654, einer Azoverbin-
dung zum aromatischen Amin mit demselben Reduktionsmittel auf S. 566, bei der
reduktiven Verkochung des Benzoldiazoniumsalzes zu Benzol mit alkalischer Stannit-
lösung (S. 613), der Reduktion von/7-Nitrosodimethylanilin zum Diamin mit SnCl2
532 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

in HCl auf S. 576, sowie in der Reduktion des ungesättigten Azlactons mit lodwasser-
stoff und Phosphor bei der Synthese von Phenylalanin nach Erlenmeyer (S. 371).
Hierbei oxidiert sich das Reduktionsmittel HI zu elementarem lod. Dieses bildet mit
dem roten Phosphor Phosphortriiodid, das durch Hydrolyse neuerlich lodwasser-
stoff liefert. Letztlich ist also der Phosphor das Reduktionsmittel, wie auch bei der
Reduktion von Alkoholen auf S. 145.

+6H2
3I 2 + 2P > 2Pl 3 ° > 2H 3 PO 3 + 6Hl

Als ziemlich vielseitiges Reduktionsmittel (Alkylhalogenid —-> Alkan, Olefine —»


Alkane, Alkine —> trans-Olefine, Epoxide —> Olefine) sei auch das Cr(II)-Ion erwähnt.
Im anschließend beschriebenen Präparat wird von der reduzierenden Wirkung des
Hydrogensulfids auf eine Nitrogruppe Gebrauch gemacht.

/77-Nitranilin aus /77-Dinitrobenzol mit Ammoniumhydrogensulfid


m-C 6 H 4 (NO 2 ) 2 + 3H 2 S > Pn-C 6 H 4 (NO 2 )NH 2 + H2O + 2S
16,8g (0,10mol) reines, nötigenfalls aus Alkohol umkristallisiertes /77-Dinitrobenzol,
werden unter Erwärmen in 90 ml Ethanol gelöst und nach dem Abkühlen ungeachtet
einer Kristallisation mit 16ml 35proz. wässeriger Ammoniaklösung versetzt. Nachdem
man den Kolben gewogen hat, sättigt man bei Zimmertemperatur mit Schwefelwasser-
stoff und erhitzt dann, ohne H 2 S einzuleiten, 30 min am Rückfluß zum Sieden. Nach dem
Abkühlen mit Eis-Wasser wird wieder mit H2S gesättigt, wie eben erhitzt und dieser
Vorgang ein drittes Mal wiederholt. Jetzt soll das Gewicht um 10,5g (0,30 mol H2S)
zugenommen haben. Man verdünnt mit 10OmI Wasser, filtriert vom Schwefel ab,
wäscht den Niederschlag mit Wasser und extrahiert ihn mehrmals in der Wärme mit
2N Salzsäure. Aus den sauren Filtraten wird das /77-Nitranilin durch Neutralisierung mit
konz. Ammoniaklösung in Freiheit gesetzt. Nach dem Absaugen kristallisiert man aus
Wasser um. Man erhält 10—11 g (70-80%) gelbe Kristalle vom Schmp. 1140C.

Die Reduktion beider Nitrogruppen der Dinitrobenzole kann mit Zinn und Salz-
säure erreicht werden. Es entstehen dabei die entsprechenden Diaminobenzole
(Phenylendiamine), die von farbstofftechnischer Bedeutung sind (Bismarckbraun).
Will man nur eine Nitrogruppe reduzieren, bedient man sich des weniger energisch
wirkenden Ammonium- oder Natriumhydrogensulfids. Eine sehr schonende Reduk-
tion der Nitrogruppe ist auch mit Fe* +-Ionen in alkalischer Lösung möglich. Da-
bei werden andere reduzierbare Gruppen nicht angegriffen und man erhält z. B.
aus o-Nitrobenzaldehyd: o-Aminobenzaldehyd,
aus 0-Nitrozimtsäure : o-Aminozimtsäure.
Ortho- und /?-Nitranilin werden durch Nitrierung von Anilin dargestellt, nachdem
die oxidationsempfindliche und stark aktivierende Aminogruppe durch Acetylierung
die Nitraniline 533

geschützt worden ist (siehe S. 236). Auch die nucleophile Substitution des Chlors im
/7-Nitrochlorbenzol durch Ammoniak unter Druck bei höherer Temperatur ist eine
Möglichkeit zur Synthese des /?-Nitranilins.
Die Nitraniline sind gelb (Mesomerie), ihre protonierten Kationen farblos.
Die an sich schon geringe Basizität des Anilins (S. 518) wird durch eine Nitro-
gruppe, besonders in o- oder/7-Stellung aus denselben Gründen, die eine Zunahme
der Acidität der entsprechenden Phenole bewirken (S. 252), stark herabgesetzt.
Die Einführung einer zweiten Nitrogruppe in den Kern des Anilins setzt natürlich
dessen Basizität noch weiter herab. Die Effekte sind aus den pKA-Werten der kon-
jugierten Säuren ArNH 3 ersichtlich:

pKA-Werte einiger Nitroaniliniumionen


Anilin 4,58
w-Nitranilin 2,60
;?-Nitranilin 1,00
0-Nitranilin 0,87
2,4-Dinitranilin unlöslich.

Die ungleiche Basizität der Mono-nitraniline läßt sich durch den folgenden Ver-
such anschaulich machen:

Versuch: Unterschiedliche Basizität der Nitraniline — Je 0,05g der drei gelben


Nitraniline werden in Reagenzgläsern in je 1 ml konz. Schwefelsäure unter Umrühren
mit Glasstäben in Lösung gebracht. Die farblosen Lösungen werden in je 30 ml Wasser
eingegossen. Gelbes o-Nitranilin scheidet sich, als die schwächste Base, z.T. aus, die
p-Verbindung bleibt zwar gelöst, jedoch mit gelber Farbe, was teilweises Vorliegen der
freien Base anzeigt und /77-Nitranilin bleibt völlig protoniert und daher farblos in Lösung.
Als Indikator zeigt es seinem pKA gemäß ein Umschlagsintervall von pH 2-3.

Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley

Trichlorethylalkohol aus Chloral

Aluminiumethylat. - In einem 300-ml-Kolben mit Rückflußkühler übergießt man 5,4g


Aluminiumspäne oder Aluminiumgrieß (0,2 g-Atome) mit 60 ml absol. Alkohol und gibt
etwa 30mg Quecksilber(ll)-chlorid und eine Spur lod hinzu. Nach einigen Sekunden
setzt heftige Wasserstoffentwicklung ein1. Wenn die Reaktion sich verlangsamt, läßt

Tritt die Reaktion nicht sofort ein, erwärmt man vorsichtig unter Schütteln auf dem Wasserbad; sollte
das Aluminium auch dann nicht reagieren, muß man es mit verd. Natronlauge kurz anätzen und dann
die Lauge durch wiederholtes Dekantieren mit absolutem Alkohol wieder entfernen.
534 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

man sie durch 2—3stündiges Sieden auf dem Wasserbad zu Ende gehen. Das Metall hat
sich dann bis auf wenige Flocken gelöst. Dann wird der überschüssige Alkohol in einem
Ölbad von 210-22O0C abdestilliert. Den dunklen flüssigen Rückstand gießt man rasch
in einen Claisenkolben um und destilliert ihn mit der freien Flamme unter Verwendung
eines kurzen und weiten Luftkühlers rasch im Vakuum über. Sdp. 200—21O 0 C / 1 0 Torr.
Das noch flüssige Destillat wird in eine gut schließende Glasstöpselflasche umgefüllt,
in der es beim Erkalten erstarrt. Ausbeute etwa 29g (90%).
Zum Gebrauch pulvert man die nötige Menge Aluminiumethylat rasch in einem Mörser
und wiegt sie ab.
Trichlorethylalkohol. - In einen 500-ml-Dreihalskolben bringt man 60g (0,44 mol)
wasserfreies Chloral1, 15OmI absoluten Alkohol und 18g (1,1 mol) Aluminiumethylat.
Auf den mittleren Hals kommt ein Liebigkühler, der so langsam mit Kühlwasser gespeist
wird, daß sich während des nun folgenden Kochens des Kolbeninhalts eine Temperatur
von 30-4O0C im Kühler einstellt. Auf diese Weise soll der bei der Reaktion entstehende
Acetaldehyd aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Durch den zweiten Ansatz wird
aus einer Stahlflasche trockener Stickstoff langsam durch die Lösung geleitet. Die dritte
Öffnung wird durch einen Stopfen verschlossen. Sie dient zur Entnahme von Proben.
Der Kolben wird jetzt im Ölbad auf 135 0 C erhitzt. Nach etwa 24 h (verteilt auf 2-3
Tage) ist alles Chloral verbraucht, was mit folgender Reaktion zu erkennen ist:
Man entnimmt einige Tropfen des Reaktionsgemisches mit einer Pipette und versetzt
sie in einem Reagenzglas mit Wasser. Nach dem Absitzen des Aluminiumhydroxids wird
von diesem abgegossen und etwas gelbes Ammoniumsulfid zugegeben. Solange Chloral
anwesend ist, entsteht beim Aufkochen eine dunkelbraune Färbung.
Nachdem mit dieser Probe das Ende der Reaktion festgestellt worden ist, wird bei
12O 0 C der Alkohol abdestilliert und der Rückstand von Aluminiumtrichlorethylat nach
dem Erkalten mit 60 ml 4N Schwefelsäure zerlegt. Darauf destilliert man mit Wasser-
dampf und trennt im Destillat das Öl im Scheidetrichter ab. Die Wasserphase sättigt man
mit Natriumsulfat und schüttelt sie dreimal mit wenig Ether aus. Öl und etherische Lösung
werden vereinigt und mit Natriumsulfat getrocknet. Nach dem Abdampfen des Ethers
wird der Trichlorethylalkohol im Vakuum destilliert. Sdp. 84-970C / 125 Torr, Schmp.
16-170C, Ausbeute 45-50 g (74-82%).

Das Prinzip dieser Reaktion besteht in der Einstellung eines Hydridverschie-


bungsgleichgewichts zwischen dem Reduktionsmittel (a-Wasserstoff eines prim.
oder sek. Alkoholats) und der zu reduzierenden Carbonylverbindung, im obigen Fall
Al-ethylat und Chloral.

H 3 CCHO- + CI3CCHO < H 3 CCHO + CI 3 CCHQ-


H H

Durch Abdestillieren der am leichtesten flüchtigen Komponente, hier des Acetal-


dehyds, wird das Gleichgewicht ganz nach rechts verschoben.

Das wasserfreie Chloral stellt man sich aus Chloralhydrat durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure,
Trennung der beiden Schichten im Scheidetrichter und Destillation bei 980C / 760 Torr dar.
Reduktion nach Meerwein-Ponndorf-Verley 535

Das Aluminium hat sich wegen seiner Fähigkeit, die Reaktionspartner durch Kom-
plexbildung in Reaktionsnähe zu bringen und zu polarisieren, besonders bewährt.
Für schwerer zu reduzierende Carbonylverbindungen ist wegen der höheren Reak-
tionstemperatur Al-isopropylat in se/c-Propanol wirksamer, das dabei zu Aceton
oxydiert wird. Man versteht die Rolle des Al durch die folgenden Strukturformeln.

Ak >^ X >
0 O O O O O O O
R-C
Il I *=*
+,C-CH 33 R - C +
I, I
/C-CH3
^=*R - CI^ I ^=* I
+C-CH 3 R—C, + C-CH 3
Il
1 H^l | H^l | ^H I I^H |
R' CH3 R' CH3 R' CH 3 R' CH3

Bei Betrachtung der Reaktionsfolge von rechts nach links ist ohne weiteres erklär-
lich, daß Aceton - im großen Überschuß verwendet — AI-Salze primärer und sekun-
därer Alkohole dehydrieren kann: Präparative Oxidation nach Oppenauer. Die AI-
Verbindung des zu dehydrierenden Alkohols wird dabei durch Zugabe von Al-tert-
butylat oder Al-phenolat erzeugt. Als H-Akzeptoren werden besser höher siedende
Ketone wie Cyclohexanon oder auch /?-Benzochinon verwendet.
Weitere hydridabgebende Reduktionsmittel sind die Aldehyde (siehe Cannizzaro-
Reaktion und Tischtschenko-Reaktion, S. 378), besonders Formaldehyd (reduktive
Methylierung; Präparat Methylamin auf S. 356) sowie das Formiation (Reduktive
Aminierung von Carbonylverbindungen mit Ammonium-formiat nach Leuckart-
Wallach; S. 357).

Reduktion mit komplexen Metallhydriden

1,6-Hexandiol aus Adipinsäure-diethylester mit Lithium-aluminiumhydrid


Vorsicht! Lithium-aluminiumhydrid (Li-alanat) wird in Blechdosen unter Stickstoff ge-
liefert. Angebrochene Packungen sollen alsbald verbraucht werden. Die Substanz ist als
Pulver giftig für die Atemwege (Abzug!) und reagiert heftig mit Wasser. In Brand ge-
ratenes LiAIH4 mit Sand löschen!

ÜAIH4
H 5 C 2 O 2 C(CH 2 J 4 CO 2 C 2 H 5 > HOCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 OH

Der als Lösungsmittel verwendete Ether soll wasserfrei sein, ein kleiner Überschuß von
Li-alanat sorgt allerdings für sofortige Entfernung von Wasserspuren. Hierzu werden
300 ml „absoluter" Ether mit 2—3 Spatelspitzen gepulvertem Li-alanat eine Stunde am
Rückfluß gekocht (Calciumchloridrohr!). Danach kann man den Versuch im selben
Kolben ansetzen.
In einem 500-ml-Schliffrundkolben, der mit einem dichten Rührer, Tropftrichter und
Rückflußkühler - beide mit CaCI 2 -Rohr — versehen ist, werden 15OmI des absoluten
Ethers gebracht und sofort 4,2 g (0,11 mol) frisches Lithiumaluminiumhydrid zugegeben.
536 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Ohne die Auflösung abzuwarten, läßt man zur Suspension unter gutem Rühren 20 g
Adipinsäure-diethylester (0,10mol, Präparat S. 296) mit einer solchen Geschwindigkeit
zutropfen, daß der Ether nicht zu heftig siedet. Nach dem Eintropfen rührt man noch eine
Stunde bei Zimmertemperatur, kühlt dann mit Eis-Wasser auf O 0 C ab und läßt langsam
5 ml Wasser zutropfen. Danach fügt man 30 ml 2 N Natronlauge zu, wobei sich die an-
organischen Bestandteile als zäher Brei absetzen. Von diesem wird die Etherlösung ab-
dekantiert, mit geglühtem Natriumsulfat getrocknet und abdestilliert, zuletzt im Wasser-
strahlvakuum. Es bleibt ein Öl zurück, das beim Einstellen des Kolbens ins Eisbad
kristallisiert. Nach dem Umkristallisieren aus wenig Chloroform erhält man 8 g Hexandiol
(= 68%) vom Schmp. 40—41 0C.

4-Methylbenzylamin aus p-Tolunitril mit Lithium-aluminiumhydrid

ÜAIH4
H 3 CC 6 H 4 CN > H 3 CC 6 H 4 CH 2 NH 2
Vorsicht beim Umgang mit LiAIH4. Man beachte die dem vorigen Präparat vorange-
stellten Bemerkungen!
In einem wie beim vorigen Präparat ausgestatteten mit 15OmI absolutem Ether be-
schickten 500-ml-Rundkolben werden 4,2g frisches LiAIH4 (0,11 mol) suspendiert.
Man läßt unter Rühren eine Lösung von 11,7 g (0,10 mol) p-Tolunitril in 100 ml abso-
lutem Ether mit einer solchen Geschwindigkeit zulaufen, daß der Ether eben im Sieden
bleibt. Es wird noch eine Stunde bei Zimmertemperatur weitergerührt, dann mit Eis-
Wasser auf O 0 C gekühlt und das überschüssige Hydrid durch tropfenweisen Zusatz von
10 ml Wasser zersetzt. Durch Zufügen von 30 ml 2N Natronlauge werden die anorgani-
schen Bestandteile in Form eines zähflüssigen Niederschlags abgeschieden, von dem
abdekantiert wird. Die Etherlösung wird nach dem Trocknen mit geglühtem Natrium-
sulfat verdampft, der ölige Rückstand im Wasserstrahlvakuum fraktioniert destilliert, wo-
bei CO2 der Luft durch Vorschalten eines Natronkalkrohrs vor die Siedekapillare fern-
gehalten wird. Bei 80—81 0 C / 12 Torr gehen 9,7 g (= 80%) der flüssigen Base über.

Von den vielen komplexen Metallhydriden hat sich das in Ether und anderen orga-
nischen Lösungsmitteln lösliche Lithium-aluminiumhydrid als das wirksamste Re-
duktionsmittel besonders bewährt. Es entsteht bei der Reaktion von feinst gepulver-
tem Li-hydrid mit AlCl3 in Ether. Da es seine Wirkung durch Abgabe von Hydrid-
Ionen entfaltet, lassen sich mit ihm alle Verbindungen reduzieren, die ein elektrophiles
Zentrum besitzen. Theoretisch können alle vier H-Atome für die Hydrierung ausge-
nutzt werden, so daß z. B. nach

1. LiAIH4 + RCHO > [RCH 2 OAIH 3 ]-Li+

2. [R-CH2-OAIH3]- + RCHO > [(RCH 2 O) 2 AIH 2 ]- usw.


[(RCH 2 O) 4 AI]Li + 4H 2 O > 4RCH 2 OH + AI(OH) 3 + LiOH

l mol Reagens 4 mole Aldehyd zum primären Alkohol zu reduzieren vermag. In der
Reduktion mit Lithium-aluminiumhydrid 537

Tabelle ist eine Auswahl der wichtigsten funktionellen Gruppen, die mit LiAlH4
reduzierbar sind, zusammengefaßt:

Verbindung Produkt mol LiAlH4 pro mol (theoretisch)


Aldehyd, Keton Alkohol 0,25
Chinon Hydrochinon 0,25
Ester prim. Alkohol 0,5
Carbonsäure prim. Alkohol 0,7S1
Säurechlorid prim. Alkohol 0,5
prim. Säureamid prim. Amin( + 2H 2 ) 1,O1
tert. Säureamid tert. Amin 0,5
Nitril tert. Amin; Aldehyd 0,5; 0,25
Nitroverb., aliph. tert. Amine( + 3H 2 ) 1,5 '
Nitroverb., arom. Azoverbindung, prim. Amine 1,0 1,5
Sulfochlorid Thiol 0,75
Alkylhalogenid Kohlenwasserstoff 0,25

Zu den zwei theoretisch nötigen „Hydridionen" kommen ein bzw. zwei weitere, die durch die aktiven
Wasserstoffatome der CO2H- bzw. der NH2-Gruppe unter Bildung von Wasserstoff verbraucht wer-
den. Dasselbe gilt ceteris paribus für die Reduktion von Nitro-Verbindungen, wobei zu den nötigen 3
Elektronenpaaren und dem genannten der zusätzliche Verbrauch eines Hydridions (als H 2 ) durch
intermediär entstehenden aktiven Wasserstoff kommt (formulieren!).

Wie das Beispiel der Reduktion von Tolunitril zeigt (Präparat S. 536), reagieren in
manchen Fällen nicht alle Hydridwasserstoffe des Alanats mit dem Substrat, sondern
einige werden in einer inerten Zwischenstufe konserviert, so daß in praxi mehr (hier
l mol statt 0,5 mol) benötigt wird. Die nicht ausgenutzten Hydridäquivalente wer-
den bei der Zersetzung mit Wasser schließlich als Wasserstoff frei. Man behandle da-
her Li-alanat und die mit ihm ausgeführten Reaktionsansätze mit äußerster Vor-
sicht. - Bemerkenswert ist die Reduktion der Carboxylgruppe zum primären Alkohol.
Die Reduktion von Derivaten der Carbonsäuren vollzieht sich in zwei Schritten.
Im ersten wird ein Hydridion an die Carbonylgruppe addiert, im zweiten wird ein
Sauerstoffrest nucleophil durch Hydrid verdrängt und das auch bei den Carbonsäure-
amiden, so daß diese nicht primäre Alkohole sondern Amine ergeben (formulieren!).
Da der Zweit schritt bei der Reduktion der Amide relativ langsam verläuft, hat man
häufig versucht, die Reaktion zur Darstellung von Aldehyden nach der ersten Stufe
durch Hydrolyse abzufangen. Wirkungsvoll gelingt dies nur bei gewissen Amiden, in
denen die für Carbonsäureamide typische Delokalisierung des nichtbindenden Elek-
tronenpaars am Stickstoff in die Carbonylgruppe behindert ist. Charakteristische
Beispiele sind die Carbonsäure-imidazolide (H.A. Staab) und -aziridide (= ethylen-
imide, H. C. Brown).

O O
II /^ Il /CH2
R-C-NI l R-C-NCl
^ ^CH 2
Carbonsäure-imidazolid Carbonsäure-aziridid
538 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

In diesen sind die Carbonylgruppen reaktionsfähiger als in normalen Amiden, so


daß der erste Teilschritt der Reduktion der nachfolgenden Substitution den Rang
ablaufen kann. Nach H. C. Brown lassen sich jedoch auch normale N,N-Dialky\-
amide zu Aldehyden reduzieren, wenn man die Wasserstoffatome am Lithiumalanat
zuvor teilweise mit Alkohol gegen Alkoxy-Reste ausgetauscht hat.

LiAIH4 + 2—3C 2 H 5 OH > LiAIH^ 2 (OC 2 H 5 J 2-3 —RCON(CH3)2—^

Diisobutylaluminiumhydrid (S. 453), das sich bei Raumtemperatur als Reduk-


tionsmittel wie Lithiumalanat verhält, kann bei tiefen Temperaturen Ester, Amide
und Nitrile mit guten Ausbeuten auf die Stufe der Aldehyde reduzieren.
Olefindoppelbindungen bleiben von Lithium-aluminiumhydrid in siedendem Ether
meist unangegriffen. Das gilt jedoch nicht ohne weiteres für die Reduktion a,/?-un-
gesättigter CarbonylVerbindungen zu Allylalkoholen, wo sogar das milde Natrium-
borhydrid die C,C-Doppelbindung teilweise angreifen kann. Zusatz von etwas Alko-
hol zu Lithium-aluminiumhydrid oder die Verwendung von Lithium-aluminium-tri-
terf-butoxy-hydrid (aus Lithiumalanat und terf-Butanol) oder Natrium-aluminium-
di-methylglykoloxy-dihydrid (aus Natrium-aluminiumhydrid und Glykolmonome-
thylether) kann hier hilfreich sein.

LiAIH [OC(CH 3 ) 3 ] 3 NaAIH 2 (OCH 2 CH 2 OCH 3 ) 2

BH
s<
AIH[CH 2 CH(CH 3 ) 2 ] 2

Auch Diisobutyl-aluminiumhydrid und 9-Bora-bicyclo-nonan werden für die


saubere Reduktion a,/?-ungesättigter Carbonylverbindungen zu Allylalkoholen emp-
fohlen.
Bei Temperaturen über 10O0C reagiert LiAlH4 mit Olefinen stufenweise unter Bil-
dung von Li-aluminiumtetraalkylaten, die bei der Zersetzung mit Wasser Paraffine
liefern.

LiAIH4 + 4H2C=CHR > Li[AI(CH 2 CH 2 R) 4 ]

Eine durchgehende Reduktion von Ketonen zu Kohlenwasserstoffen ermöglicht


unter milderen Bedingungen der Zusatz von AlCl3 zum LiAlH4.
Das abgeschwächt wirksame Lithium-aluminium-tri-terf-butoxy-hydrid reduziert
Säurechloride zu Aldehyden.

O O
+ R C
Li [HAI (Oterf-But)3]~+ ~ V
Cl
Reduktion mit Natriumborhydrid 539

Diese Reaktion kann die klassische Reduktion nach Rosenmund (S. 549) ersetzen.
Von den anderen zahlreichen komplexen Metallhydriden ist besonders das Na-
triumborhydrid (Na-boranat, NaBH4) von präparativer Bedeutung. Es ist ohne
wesentliche Zersetzung in eiskaltem Wasser löslich. In verdünnter Lauge ist es auch
bei Zimmertemperatur recht stabil, in Alkoholen löst es sich weniger gut und ent-
wickelt langsam Wasserstoff. Durch wässerige Säuren wird es rasch unter !^-Ent-
wicklung hydrolysiert. In neutraler oder alkalischer Lösung kann man die Hydrolyse
durch Zusatz eines Edelmetallsalzes katalytisch stark beschleunigen. Platinsalze wer-
den z. B. spielend leicht zu feinst verteiltem Platin reduziert, das als Katalysator wirk-
sam ist. Der dabei entstehende Wasserstoff kann direkt zu katalytischen Hydrierun-
gen benutzt werden; das feinverteilte Metall, besonders auf Aktivkohle, stellt einen
sehr wirksamen Hydrierungskatalysator dar (siehe S. 554; H. C. Brown, 1962).
Natriumborhydrid ist ein wesentlich milderes Reduktionsmittel als Li-alanat. Es
greift nur die elektronenärmsten Stellen an. Die Tabelle zeigt die Unterschiede zum
Li-alanat, die man für partielle Reduktion ausnutzen kann. So werden Ketoester
und Ketosäuren zu Hydroxyestern und -säuren bzw. deren Lactonen reduziert, die
aromatische Nitrogruppe wird bei der Reduktion des /?-Nitrobenzoylchlorids nicht
angegriffen.
Reaktionen mit Natriumboranat
Reduzierbar Produkt
Aldehyde, Ketone Alkohole
Säurechloride Alkohole
Hydroperoxide Alkohole
Disulfide Thiole
nicht reduzierbar:
Säuren, Säureanhydride, Ester, Amide, Nitrile,
Imide, Acetale, NitroVerbindungen, Halogenide.

Auch die Boranate lassen sich durch partiellen Ersatz ihrer Wasserstoffe in Reak-
tivität und Spezifität abwandeln. Hier sei nur das stärker wirkende Na-cyanobor-
trihydrid, Na + [H3BCN]", erwähnt, das in speziellen Lösungsmitteln die Reduktion
von Tosylaten zu Kohlenwasserstoffen erlaubt und als Reduktionsmittel bei der re-
duktiven Methylierung von primären Aminen (ähnlich wie auf S. 356) mit Erfolg her-
angezogen wird.

RNH 2 + CH 2 O —Li[H3BCN] > RNHCH 3

a-Oxosäuren werden in Anwesenheit von Ammoniumionen (über die Iminosäuren)


reduktiv in a-Aminosäuren überführt. Auch mit Natriumborhydrid kann man Alkyl-
tosylate in Dimethylsulfoxid zu Kohlenwasserstoffen reduzieren. Li-triethylbor-
hydrid, Li[BH(C 2 H 5 J 3 ] („Superhydrid"), ist eines der stärksten bekannten Nucleo-
phile. Man erhält es aus Lithiumhydrid und Triethylboran
540 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

LiH + (C 2 H 5 J 3 B > Li[BH(C 2 H 5 J 3 ].

Es dient u. a. zur glatten Reduktion von Alkylhalogeniden oder -tosylaten zu Koh-


lenwasserstoffen.

Natriumborhydrid ist nicht so feuchtigkeitsempfindlich wie LiAIH4; es kann ohne


wesentlichen Aktivitätsverlust monatelang in einer gut schließenden Flasche aufbe-
wahrt werden.

Natriumborhydrid-Reduktion von Ketonen und Aldehyden, Benzhydrol

OH
NaBh4
C 6 H 5 COC 6 H 5 > C 6 H 5 CHC 6 H 5

In die Lösung von 1,8 g Benzophenon (oder 10 mmol eines anderen Ketons oder Alde-
hyds) in 8 ml Methanol gibt man unter Rühren mit einem Magnetstab portionsweise
0,4 g Natriumborhydrid und rührt noch 45 min. Danach versetzt man mit Wasser, schüt-
telt dreimal mit Ether aus, wäscht die Etherphase neutral und trocknet über Natriumsulfat.
Nach Filtration dampft man i.Vak. ein, kristallisiert den Rückstand aus Petrolether und
erhält 1,5g (82%) Benzhydrol vom Schmp. 68°C.
In derselben Weise kann man Benzalacetophenon (S. 362) zu Diphenylallylalkohol
(1,3-Diphenyl-2-propen-1 -öl, aus Petrolether, Schmp. 58 0 C), Dibenzalaceton (S. 362)
zu 1,5-Diphenyl-1,4-pentadien-3-ol (aus Petrolether-Benzol, Schmp. 64 0 C) und Zimt-
aldehyd zu Zimtalkohol (Sdp. 131 0 C bei 12 Torr, Schmp. 39 0 C) reduzieren.

p-Nitrobenzylalkohol

3H2
2P-NO 2 C 6 H 4 COCI + NaBH4 ° > 20-NO 2 C 6 H 4 CH 2 OH +
+ 2NaCI + 2HCI + H 3 BO 3

9,3g (50 mmol) p-Nitrobenzoylchlorid werden in 50 ml wasserfreiem1 Dioxan gelöst.


Dazu gibt man 1,5 g (40 mmol; Überschuß) fein pulverisiertes Natriumborhydrid und er-
hitzt die Suspension etwa 8 h lang in einem 250-ml-Schliffkolben auf einem Ölbad
zum gelinden Sieden. Man ersetzt das Ölbad durch ein Eisbad, läßt gut abkühlen (ohne
daß das Dioxan fest wird), und fügt dazu etwa 70 ml Wasser, anfangs — so lange sich
Wasserstoff entwickelt — langsam tropfenweise unter dauerndem Umschwenken des
Kolbens im Eiswasser. Dann schüttelt man kräftig durch und läßt über Nacht bei Zimmer-
temperatur stehen. Nun wird der gesamte Kolbeninhalt durch Abdampfen der Lösungs-
mittel im Vakuum zur völligen Trockne gebracht, der Rückstand mit 120 ml 1N Natron-
lauge versetzt und erst mit 100 ml, dann 5 mal mit je 50 ml Ether ausgeschüttelt. Die ver-

Eine Probe darf mit wenigen mg NaBH 4 kein H 2 entwickeln. Reinigung und Trocknung des Dioxans
siehe S. 114.
Mechanismus der Hydroborierung 541

einigten Etherauszüge werden nach dem Trocknen mit wasserfreiem Natriumsulfat im


Vakuum eingedampft. Es bleiben etwa 5,5g roher p-Nitrobenzylalkohol zurück (70%).
Dieser wird ohne große Verluste durch Vakuumdestillation aus einem kleinen Schwert-
kolben oder Kugelrohr gereinigt. Sdp. 185 0 C / 12 Torr; Schmp. 93 0 C.

Hydroborierung

Die olefinische Doppelbindung wird vom Natriumborhydrid nicht angegriffen, hin-


gegen von Diboran, B2H6 (H. C. Brown, 1959). Dieses reduziert nicht nur alle pola-
ren Doppelbindungen, sondern lagert sich in Form des monomeren BH3 sehr leicht
an alle sterisch gut zugänglichen C, C -Doppelbindungen so an, daß drei mol Olefin
zu Bortrialkylen aufgenommen werden. Dabei addiert sich das positive Bor regio-
selektiv an die elektronenreichere Seite, so daß nach

R-CH=CH2 _ R-CH-CH2 +2RCH=CH 2 v , R r | , pw vR


-> \ \ -> (HUH 2 UM 2 J 3 D
H-BH2 H BH2

3RCH 2 CH 2 OH + B(OH)
iMaUH

oxidativer Spaltung der B, C -Bindungen mit Wasserstoffperoxid in alkalischem


Medium Alkohole resultieren, die scheinbar durch eine Anlagerung von Wasser im
anti-Markownikow-Sinne an die Olefin-Doppelbindung zustande gekommen sind.
Hierin besteht der besondere präparative Wert der Methode.
Sterisch anspruchsvolle Olefine addieren sich nur zweimal oder, im Falle des Tetra-
methylethylens nur einmal (formulieren!) an BH3. Die Addition erfolgt immer
stereospezifisch als syn-(m-)-Addition und die so erhaltene Konfiguration bleibt
auch bei der Oxidation erhalten. Diese Verhältnisse lassen sich besonders klar an
der Hydroborierung des a-Pinens zeigen (siehe Präparat S. 543): Durch Addition von
2 mol a-Pinen an l mol BH3 bildet sich das Diisopinocampheylboran, in dem das
Bor an das weniger stark substituierte C-Atom der Doppelbindung getreten ist und
zur Methylgruppe trans-ständig steht. Bei der Oxidation zum Isopinocampheol
bleibt diese Konfiguration erhalten:

Durch Addition von BH 3 an 1,5-Cyclooctadien erhält man das stabile, lagerfähige


9-Borabicyclononan (9-BBN), das die meisten Reaktionen des BH3 in gedämpfter
Form eingeht.
542 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung
H
I
B
BH,

Das gasförmige giftige Diboran wird selten in Substanz verwendet. Man erzeugt
es in situ aus Boranat und Bortrichlorid (oder BF3) (Präparat S. 543):

3NaBH, BCU 3NaCI

oder in einem getrennten Kolben, aus dem es in das Reaktionsgefäß oder zur Berei-
tung einer Stammlösung in Tetrahydrofuran übergeleitet wird. In THF ist das BH3
an den Ethersauerstoff gebunden:

Die Trialkylborverbindungen sind durch Erhitzen mit Eisessig oder wasserfreier


Propionsäure zu den Kohlenwasserstoffen ( + Säureanhydriden) spaltbar (Proto-
lyse). Diese Reaktionsfolge bedeutet eine c/s-Anlagerung von Wasserstoff an die ur-
sprüngliche Doppelbindung, wovon jedoch selten Gebrauch gemacht wird. Der
größere präparative Wert der Hydroborierung liegt in der oben beschriebenen Oxi-
dierbarkeit der Boralkyle mit alkalischem Hydroperoxid zu Alkoholen. Oxidation
mit Chromtrioxid in saurer Lösung liefert Ketone, mit Halogenen gehen die Alkyl-
borane in Alkylhalogenide über.
Erhitzen mit
R-CH 7 -C ?-R'
Essigsäure

H2O2
NaOH
7
R LMo r
ru Lrui - D
r\ OH
l CrO 3
/B\ R-CH 7 -CO-F

HaI 2
R-CH 2 -CH(HaI)-R'

Eine weitere präparative Verwendung ist durch die Addition von Trialkylboranen
an a,ß-ungesättigte Carbonylverbindungen gegeben. Durch reduktive Alkylierung
erhält man so gesättigte Ketone mit längerer Kette
H
\ I I BR 3
I I H2O I I
C=C-C=O R-C-CH=C-OBR2 R-C-CH2-C
Beispiele der Hydroborierung 543

Man unterrichte sich auch über die Einschiebungen von Kohlenoxid in die B,C-
Bindung der Borane.
Diboran und 9-BBN sind vorzügliche Reduktionsmittel, welche Aldehyde und
Ketone glatt reduzieren, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auch Säurechloride,
-amide und Nitrile, kaum jedoch Ester. Bemerkenswert ist die besonders glatt ver-
laufende Reduktion von Carbonsäuren mit B2H6 zu primären Alkoholen.

( + )-lsopinocampheol

NaOH

Ein 250-ml-Dreihalskolben, der mit einem Tropftrichter mit Druckausgleich, einem Ther-
mometer, einem Rührer (Magnetrührer reicht aus) und einem Rückflußkühler ausge-
stattet ist, der über ein Calciumchlorid-Rohr und einen Schlauch mit dem Abzugskamin
verbunden ist, wird durch Erwärmen unter Stickstoff getrocknet und mit 1,65 g Natrium-
boranat, 60 ml durch Destillation über Lithiumalanat getrocknetem Diglykoldimethyl-
ether und 13,6g (-)-or-Pinen beschickt. Man taucht den Kolben in ein Wasserbad von
Raumtemperatur und tropft unter gutem Rühren in 15 min 7 ml Bortrifluorid-Etherat zu.
Dabei scheidet sich das Diisopinocampheylboran als weißer Niederschlag ab. Man rührt
1 h, und zersetzt das Boran dann durch vorsichtiges Zutropfen von 1OmI Wasser
(Wasserstoffentwicklung!). Man wärmt das Wasserbad auf 4O 0 C an, setzt in einem
Schuß 11 ml 12proz. Natronlauge und danach 11 ml SOproz. Wasserstoffperoxid zu und
rührt noch 30min bei Raumtemperatur. Das Gemisch wird mit 10OmI Ether ausge-
zogen und die etherische Phase zur Entfernung des Diglykoldimethylethers fünfmal mit
dem gleichen Volumen Wasser ausgewaschen. Man trocknet die Etherphase über
Magnesiumsulfat, destilliert den Ether über eine kurze Kolonne ab und den Rückstand
bei 2 mm und 80—82 0 C in einem Kugelrohr, wo das Isopinocampheol (13,1 g, 85%)
alsbald erstarrt. Es kann aus 5 ml Petrolether umkristallisiert werden und gibt dann Na-
deln vom Schmp. 55-570C, [or]g° = +32,8° (c = 1,0 in Benzol).

Die Anlagerung von B 2 H 6 an die Dreifachbindung läßt sich nach dem ersten
Schritt anhalten. Besonders gut gelingt dies mit Dialkylboranen. Die Alkenylborane
geben mit Essigsäure schon bei O 0 C unter Hydrolyse c/5--(Z)-Alkene, bei der Oxida-
tion mit H 2 O 2 über die Enole CarbonylVerbindungen. Aus endständigen Acetylenen
gewinnt man so durch Addition von Dialkylboranen und nachfolgende Oxidation
544 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

mit H 2 O 2 Aldehyde der gleichen C-Atom-Zahl (scheinbare anti-Marjcownikow-


Anlagerung von Wasser).

Reduktion nach Wolff-Kishner

4- Phenylbuttersäure

C 6 H 5 COCH 2 CH 2 CO 2 H " 2 ^' H2° > C 6 H 5 CH 2 CH 2 CH 2 CO 2 H


In einem 500-ml-Schliffkolben werden 20 g 3-Benzoylpropionsäure (112 mmol, S. 260)
in 200 ml Diglykol mit 20 ml SOproz. Hydrazinhydrat (320 mmol) und 25 g Kaliumhydro-
xid (450 mmol) im Ölbad 2 h unter Rückfluß gekocht. Dann unterbricht man das Sieden,
tauscht den Rückflußkühler gegen eine Destillationsbrücke aus und destilliert Wasser
und überschüssiges Hydrazinhydrat ab. Nun wird die Badtemperatur auf 180-19O0C
gesteigert, wobei Stickstoffentwicklung einsetzt, die nach 4 h abgeschlossen ist.
Nach dem Erkalten gießt man die klare gelbe Lösung in 200 ml Eis-Wasser und
säuert mit konz. Salzsäure vorsichtig an, wobei zuweilen die Carbonsäure sofort aus-
kristallisiert; eine ölige Abscheidung erstarrt nach mehrstündigem Aufbewahren im
Kühlschrank zum Kristallkuchen. Nach Absaugen, Waschen mit Wasser und Trocknen
im Exsikkator erhält man 16-17,5 g rohe 4-Phenyl-buttersäure (87-95%) mit Schmp.
44-460C.
Zur Reinigung destilliert man entweder im Vakuum aus einem Schwertkolben bzw. in
einem Kugelrohr oder man kristallisiert aus wenig niedrig siedendem Petrolether um, wo-
bei man durch Animpfen eine ölige Abscheidung vermeidet; die Aufarbeitung der Mut-
terlauge ist nötig. Schmp. 48-5O0C.

7- Phenylheptansäure

N
CH 2 C 6 H 5 -^^ C 6 H 5 (CH 2 ) 2 CO(CH 2 ) 3 CO 2 H » H «- H *°> C 6 H 5 (CH 2 J 6 CO 2 H

O
In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Innenthermometer werden 8,0g feingepulvertes
Natriumhydroxid in 60 ml Diethylenglykol gelöst. Dazu gibt man 8,0 g (40 mmol)
Reduktion nach Wolff-Kishner 545

2-Benzyl-1,3-cyclohexandion (S. 415), 5,0 ml (85 mmol) 85proz. Hydrazinhydrat und


7 ml Methanol und kocht 30 h unter Rückfluß. Anschließend destilliert man die flüchtigen
Anteile ab, bis die Innentemperatur 195 0 C beträgt und beläßt 14h bei dieser Temperatur.
Nach dem Abkühlen verdünnt man mit dem gleichen Volumen Wasser, säuert mit konz.
Salzsäure vorsichtig an, schüttelt mit Ether aus, trocknet die Etherphase über Natrium-
sulfat, filtriert, dampft i.Vak. ein und destilliert den Rückstand bei 14 Torr und Sdp.
201 0 C in einem Kugelrohr, Ausbeute an der öligen Säure 8,0g (98%).

Die hier beschriebene Reduktion einer Carbonylgruppe bis zur Stufe des Kohlen-
wasserstoffs wurde durch ihre ersten Bearbeiter so ausgeführt, daß ein Hydrazon zu
heißer wässeriger Lauge getropft (N.Kishner, 1911) oder mit Na-ethylat in Alkohol
im Einschmelzrohr viele Stunden auf 18O0C erhitzt wurde (L. Wolff, 1912). Später
fand man, daß das Hydrazon nicht vorher gebildet zu sein braucht, sondern während
der Reaktion entstehen kann und daß die Verwendung von Lösungsmitteln genügend
hohen Siedepunkts das Einschlußrohr unnötig macht. Bei der hier beschriebenen
Arbeitsweise von Huang-Minlon wird in Diglykol HOCH2CH2OCH2CH2OH
(Sdp. 25O0C) mit SOproz. Hydrazin unter Rückfluß das Hydrazon gebildet, durch
Abdestillieren überschüssiges Hydrazin und Wasser entfernt und dann auf die Zer-
setzungstemperatur gesteigert.
Nach D. J. Cram läßt sich die Reaktion sogar bei Raumtemperatur ausführen,
wenn man die vorher dargestellten trockenen Hydrazone in eine Lösung von tert-
Butanolat in absolutes Dimethylsulfoxid portionsweise einträgt.
Zum Mechanismus der Reaktion wird angenommen, daß sich unter der katalyti-
schen Wirkung der Base das Hydrazon zum Anion der Diazoverbindung, einem
Derivat des Diimins, umlagert, welche dann unter N2-Abgabe zerfällt. Das Diimin
entsteht auch intermediär bei der gelinden Oxidation von Alkylhydrazinen, z. B. mit
K3Fe(CN)6, die zu N2 und Kohlenwasserstoff führt.

XC = N —NH 2
R' R R R
\ X\ I N
^CH-N = NH —^- CH-N = N)~ - CH2 + N2
7 H
p R ~ * R' R'
Diimin
^CH-NH-NH2 ^**
R'

Bei dem Beispiel der Phenylheptansäure geht die Säurespaltung des 2-Benzyl-l,3-
cyclohexandions (S. 415) unter den Reaktionsbedingungen der Reduktion voran.
Die Wolff-Kishner-Reduktion ergänzt die auf S. 514 abgehandelte Clemmensen-
Reduktion, welche demselben Zweck dient, dort, wo es sich um säureempfindliche
Stoffe handelt, wie z. B. in der Pyrrol-, Indol- oder Furan-Reihe. Weitere Reaktionen
546 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

mit dem gleichen Resultat: Dithioketale -h Raney-Ni (S. 340), Reduktion mit Hydri-
den (S. 515).
Im Zusammenhang mit dem reduzierenden Zerfall des Alkyldiimins sei auf das
Phenyldiimin hingewiesen, das aus Phenylhydrazin bei der Oxidation (S. 622) oder
aus dem Benzoldiazoniumion bei der Reduktion (S. 620) entsteht und in analoger
Weise zerfällt:

-N = NH - (/ \> + N2

Hierher gehört auch die Stevens'sehe Aldehydsynthese aus /7-Toluolsulfonylhy-


draziden von Carbonsäuren, bei der ein Acyldiimin als Zwischenprodukt anzuneh-
men ist und die hydrierende Wirkung des unbeständigen Grundkörpers Diimin
HN=NH, der als starkes Reduktionsmittel wie bei der katalytischen Hydrierung
(unten) die beiden H-Atome an C,C-Doppelbindungen anlagert.

O2S

HL7 N-NHL2 ———


Oxidation

[HN = NH] — ZH + N 2
Di-imin

Die hydrierende Wirkung des Hydrazins in Gegenwart von feinverteilten Über-


gangsmetallen wird im nächsten Abschnitt gezeigt.

Katalytische Hydrierung

Ohne Katalyse zeigt molekularer Wasserstoff selbst bei höherer Temperatur keine
hydrierende Wirkung (obwohl z. B. die Absättigung einer C=C-Doppelbindung mit
ca. 125kJ/mol (30kcal/mol) exotherm verläuft; aber große Aktivierungsenergie!).
In Gegenwart spezieller Katalysatoren lagert er sich dagegen an ungesättigte Mole-
külgruppierungen schon bei Zimmertemperatur an. Die katalytische Hydrierung hat
mit der Entwicklung dieser Kontakte besonders in der Technik, aber auch im Labor-
Heterogene katalytische Hydrierung 547

atorium eine hervorragende Bedeutung gewonnen. In letzter Zeit hat auch die Ent-
wicklung löslicher Katalysatoren große Fortschritte gemacht.

Heterogene katalytische Hydrierung

Als heterogene Katalysatoren für Hydrierungsreaktionen verwendet man feinst ver-


teilte Metalle aus der Gruppe der Übergangselemente, am häufigsten Nickel, Platin
oder Palladium, gelegentlich auch Kobalt, die zur weiteren Vergrößerung der Ober-
fläche häufig auf Träger (Kohle, Kieselgel) aufgebracht sind.
Auf der Oberfläche des Katalysators werden sowohl Wasserstoffais auch Substrat
zunächst locker physikalisch adsorbiert (van der Waals-Kräfte). Dann findet unter
Beteiligung der Elektronen eine aktivierende Adsorption (Chemisorption) statt. Da-
bei werden die ursprünglichen Bindungen gelockert oder im Falle des molekularen
Wasserstoffs sogar mehr oder weniger bis zur Aufspaltung getrennt und gleichzeitig
stärkere Bindungen zur Katalysatoroberfläche hergestellt. Bei der exothermen
Chemisorption werden Energien von 40—200kJ/mol (10-50 kcal/mol) und mehr
frei. Um diese Beträge verringert sich die Energiebilanz der katalytischen Reaktion
gegenüber der ohne Katalysator.
Am leichtesten lagert sich der Wasserstoff in Gegenwart der oben genannten Kata-
lysatoren an unpolare Mehrfachbindungen, QC-Doppel- und Dreifachbindung an.
Daher ist die katalytische Hydrierung eine wertvolle Ergänzung zu den im ersten Teil
dieses Kapitels aufgeführten elektronen- oder hydridabgebenden Reduktionsmitteln,
welche C,C-Mehrfachbindungen im allgemeinen nicht angreifen. Die Leichtigkeit,
mit der solche ungesättigten Systeme Wasserstoff aufnehmen, hängt wesentlich von
den benachbarten Substituenten ab. So wird unter vergleichbaren Bedingungen z. B.
Ethylen etwa lOOmal rascher hydriert als Isobuten, 50mal rascher als 2-Buten und
l O mal rascher als Propen.
Die Addition erfolgt stereospezifisch in c/s-Stellung. Dies erkennt man an den
unterschiedlichen Hydrierungsprodukten aus (E/Z)-(ds, /rafls)-isomeren Olefinen
(formulieren!).
An die Dreifachbindung erfolgt die Wasserstoffanlagerung rascher als an die
Doppelbindung, so daß eine partielle Absättigung möglich ist. Ein durch Blei in-
aktivierter Pd-Kontakt gestattet es, die Hydrierung auf der Stufe des ds-Olefins an-
zuhalten (H. Lindlar).
Die mit nucleophilen Reduktionsmitteln besonders gut reagierenden polaren
Mehrfachbindungen, wie sie in der C=O, N=O und C=N-Gruppe vorliegen, wer-
den in Gegenwart der oben genannten Katalysatoren weniger leicht hydriert. Des-
halb kann man a,/?-ungesättigte Ketone meist glatt zu den gesättigten hydrieren. Bei
der katalytischen Hydrierung von Carbonylverbindungen zu Alkoholen inGegenwart
von Säuren treten Ether als Nebenprodukte auf. Ihre Bildung ist auf Alkoxycarben-
iumionen zurückzuführen, die aus Halbacetalen durch Wasserabspaltung entstehen.
Kaum noch angegriffen wird die C=O-Gruppe in den Carboxylderivaten, etwa
548 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

R1

OR 3

den Amiden oder Estern. Man kann jedoch auch hier die Stufe der Amine bzw.
Alkohole erreichen, wenn man in Gegenwart eines Kupferoxid-Kupferchromit-
(CuO—CuCr2O4)-Spezialkatalysators bei höherer Temperatur im Autoklaven ar-
beitet (H.Atkins). Die katalytische Reduktion der Nitro- und Nitrosogruppe zur
Aminogruppe verläuft mit befriedigender Geschwindigkeit, jedoch mit Abstand
langsamer, als die der olefinischen Doppelbindung. So kann man Nitroolefine in
Nitroalkane überführen:

RCH=CHNO2 "2/Pd > RCH 2 CH 2 NO 2

Sehr resistent, aber doch kataly tisch hydrier bar, sind aromatische und heteroaro-
matische Systeme. Die Reaktionsgeschwindigkeit läßt sich hier - und natürlich ganz
allgemein bei katalytischen Hydrierungen - durch Erhöhung von Wasserstoffdruck
und Temperatur beträchtlich steigern. In der Technik wird vorwiegend unter höheren
Drucken und in der Gasphase hydriert.
Die gleichen Katalysatoren, die die Absättigung der Doppelbindung ermöglichen,
wirken bei höheren Temperaturen, wie zu erwarten, auch beschleunigend auf die
entgegengesetzte Reaktion, die Dehydrierung ein.

Homogene katalytische Hydrierung

Einige Übergangsmetalle lassen sich auch als Komplexe in homogener Lösung zur
katalytischen Wasserstoffübertragung verwenden. Es sei hier das am besten unter-
suchte Tris(triphenylphosphin)rhodium(I)-chlorid erwähnt, das mit Alkenen und
Wasserstoff unter Liganden Verdrängung einen oktaedrischen Dihydrid-komplex mit
7i-gebundenem Alken bildet. Einschiebung (Insertion) des organischen Substrats
zwischen Metall und Hydrid ergibt eine metallorganische cr-Bindung, die durch das
zweite Wasserstoffatom in Katalysator und Alkan gespalten wird.

RhCl(PPh 3 ) 3 + H2 + Alken > PPh3 + RhH 2 CI(PPh 3 ) 2 -alken

> RhHCI(PPh 3 ) 2 -alkyl > RhCl(PPh 3 ) 2 + Alkan

Dieser katalytischen Hydrierung sind nur Alkene und Alkine zugänglich, CO, CN
oder Azo-Bindungen werden nicht angegriffen. Als Lösungsmittel dienen meist
Homogene katalytische Hydrierung, Hydrogenolyse 549

Benzol oder Gemische aus Benzol und Alkohol, jedoch sind selbst Aceton oder Nitro-
benzol geeignet. Die Hydrierung mit dem löslichen Katalysator ist sehr von steri-
schen Gegebenheiten des Substrats abhängig. So wird bei dem auf S. 557 gegebenen
Beispiel (Dihydrocarvon) die asymmetrisch disubstituierte Doppelbindung hydriert,
die trisubstituierte indessen nicht.
In Wasser gelöst katalysiert Pentacyanocobalt(II), [CO(CN)5]3', wohl auch als
Hydridokomplex, bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck die Anlagerung von
Wasserstoff an „aktivierte", z.B. konjugierte C,C-Doppelbindungen (1,3 Butadien—»
1-Buten und 2-Buten; Styrol, Zimtaldehyd) sowie an Chinone, Nitro- und Nitroso-
verbindungen (—> Azo-aromaten).

Substitutionen durch katalytisch aktivierten Wasserstoff


(Hydrogenolyse)

Elektronegative Atome, wie z. B. die Halogene in Aliphaten und Aromaten, lassen


sich katalytisch durch Wasserstoff ersetzen. Aus Säurechloriden kann man nach
K.W. Rosenmund (1918) auf diese Weise Aldehyde darstellen. Hierzu verwendet man
einen vergifteten Katalysator. Chlor in Benzyl- oder Allylstellung unterliegt leicht der
Hydrogenolyse. In dieser Position ist sogar der Sauerstoff durch H ersetzbar. So
liefern Benzylalkohol und seine Ester Toluol. Diese Reaktion macht man sich in der
Peptidchemie zur schonenden Abspaltung des Benzyloxycarbonylrests zunutze (siehe
Präparat S. 317).
Mit Raney-Nickel (H-haltig) gelingt die schon mehrfach erwähnte hydrogenoly-
tische Eliminierung des Schwefels.

Die Hydriereinrichtung

Die Hydriereinrichtung setzt sich aus der Wasserstoffquelle und der Hydrierappara-
tur zusammen. Beide sind über ein Hahnkreuz (H) und den Schlauch miteinander ver-
bunden.
Alle Schlauchverbindungen sind aus (möglichst kurzem) frischem Vakuumschlauch
herzustellen; alle Schliffe sorgfältig einzufetten, die Schliffverbindungen durch kräf-
tige Federn zu sichern. Die gesamte Anlage muß gasdicht sein. Davon überzeuge
man sich vorher, indem man sie unter dem Druck des Gasometers längere Zeit ste-
hen läßt. Sie wird unter einem Abzug aufgebaut (kein Feuer in der Nähe!).
Die Wasserstoffquelle (Abbildung 77) besteht im wesentlichen aus der Wasser-
stoffstahlflasche mit Druckminderventil (B; siehe S. 550) und dem Gasometer (G)
mit dem Niveaugefäß (N). Den Gasometer bildet ein Meßzylinder, dessen Größe dem
Wasserstoffverbrauch anzupassen ist. (Für die anschließend beschriebenen Präparate
sollte er möglichst l Liter Fassungsvermögen haben.) Sperrflüssigkeit ist Wasser.
550 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

Wasser

Meßzylinder
1 bis 2l

Zur Hydrier-
apparatur

Abb. 77

Zum
Gasometer

im

Wasserstrahl-
pumpe H£ H
H2
zum

]
-^- —^Ji 1 • Ul— Hydrfergefäß

>H5

offen

berdruckventil
Eintauchtiefe H
verstellbar
die Hydriereinrichtung 551
Erläuterungen zur Abbildung:
B = Wasserstoffstahlflasche mit Druckminderventil
H = Hahnkreuz
G = Gasometer-Meßzylinder
Hl = Glashahn
M = Magnetrührmotor
N = Gasometer - Niveaugefäß
R = Reaktionsgefäß (R l zum Magnetrühren; R2 zum Schütteln)
T = Tropftrichter mit Druckausgleichrohr
V = Stahlflaschenventil
Z = Überdruckventil; gleichzeitig Blasenzähler

Tabelle 3 Füllen der Hydrierapparatur mit H 2 und Hydrieren. 2mal Füllen und Abpumpen,
dann Füllen und Hydrieren

Hahnstellung A (auf) oder Z (zu)

Hahn-Nr. 1 2 3 4
Ausgangsstellung Z Z A A
1. H2-Flasche moderat auf,
Pumpe läuft bei offenem 5
2. Füllen des Gasometers A sofort danach Z
Gasometer gefüllt Z sofort danach A
3. H2-Flasche abdrehen Z
4. 1. Füllung des Hydriergefaß's
a) Evakuieren Hahn 5 zu A A
b) Gefäß evakuieren Hahn 5 auf Z
c) H 2 einlassen langsam A, dann Z
5. 2. Füllung
a) wie 4 a)
b) wie 4b)
c) wie 4c)
6. 3. Füllung, wie vorher
7 . Hydrieren, Schütteln A A Z Z
Nachfüllen d e s Gasometers Z Z A A
dann wie 1-3

Die eigentliche Hydrierapparatur. - Wegen der geringen Löslichkeit des Wasser-


stoffs in allen Lösungsmitteln muß während der Hydrierung der suspendierte oder
gelöste Katalysator selbst dauernd mit der Gasphase in Berührung gebracht werden,
damit er sich immer wieder neu mit H 2 beladen kann. Das erreicht man durch inten-
sives Rühren oder durch kräftiges Schütteln oder Vibrieren. In der Abbildung 77
bildet eine etwa 500ml fassende Saugflasche mit ebenem Boden (R 1) (dickwandiges
Glas oder ein normaler Rundkolben) das Reaktionsgefäß. Sie trägt über eine Schliff-
verbindung den abgebildeten Tropftrichter (T) mit Gaseinleitungsrohr und steht auf
552 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

einem Magnet-Rührmotor (M). Der Rohransatz ist mit einem Hahnkreuz (H) ver-
bunden.
Soll geschüttelt werden, kann an die Stelle von R l ein Schüttelgefaß mit angesetz-
tem Tropftrichter (R2, Abb. 77), und an die Stelle des Magnetrührers ein Schüttel-
stativ treten. Auch andere etwa birnenförmige Schüttelgefäße sind üblich.
Alle Teile der Hydrierapparatur müssen vakuumfest sein.

Vorbereitung und Ausführung der Hydrierung


Wasserstoff-Luftgemische werden durch den Katalysator (der in Spuren an den Wänden
des Reaktionsgefäßes haften kann) entzündet. Deshalb ist stets vor dem Einströmen-
lassen des einen Gases das andere durch Evakuieren (oder Verdrängen mit Stickstoff)
sorgfältig zu entfernen! Außerdem ist eine Schutzbrille zu tragen!
1. Einfüllen der Substanzen. — In das Reaktionsgefäß (R) wird der Katalysator und ein
Teil des Lösungsmittels gegeben, in den Tropftrichter (T) die im anderen Teil des Lö-
sungsmittels gelöste Substanz. Die Katalysatormenge beträgt etwa 5—10% der Sub-
stanzmenge. Als Lösungsmittel benutzt man etwa Eisessig, Essigester, einen Alkohol,
Ether oder Wasser. Die Wahl des Lösungsmittels spielt eine wichtige, noch nicht ganz
verstandene Rolle. Der Erfolg einer Hydrierung hängt oft entscheidend von der Reinheit
des Hydrierguts und des Lösungsmittels ab, da vor allem Schwefel — oft auch halogen-
haltige und andere Begleitstoffe den Katalysator desaktivieren („vergiften").
2. Füllen des Gasometers. - Bevor man die Hydriereinrichtung in Betrieb nimmt, wird
der Gasometerzylinder (G) frisch gefüllt. Dazu wird gemäß den Punkten 1—3 der Tab. 3
verfahren. Wenn Zweifel über die Luftfreiheit des Gasometers bestehen, muß der ge-
samte Vorgang noch ein- bis zweimal wiederholt werden. In der gleichen Weise wird der
Zylinder während der Hydrierung nachgefüllt, wenn der Wasserstoff verbraucht ist.
3. Füllen der Hydrierapparatur mit Wasserstoff. — Dazu verfährt man gemäß Punkten
4—6 der Tab. 3. Um Reste von Luft zu verdrängen, ist es ratsam, das Evakuieren und
Füllen gemäß Punkt 4 noch zweimal zu wiederholen. Dabei - und vor der Hydrierung —
ist selbstverständlich der Gasometer wieder zu füllen.
4. Ausführung der katalytischen Hydrierung. - Zuerst wird bei Hahnstellung 7 Tab. 3
der Katalysator „aushydriert", indem man den Magnetrührer (oder das Schüttelstativ)
in Gang setzt und am Meßzylinder (G) — ohne Nivellierung - den Wasserstand einige
Zeit lang beobachtet. Wenn er sich nicht, oder nicht mehr ändert, stellt man den Rühr-
(bzw. Schüttel-)-motor ab, läßt den Inhalt des Tropftrichters (T) zum Katalysator fließen
und mißt das Anfangsvolumen am Gasometer (G). Dazu bringt man durch Senken des
Niveaugefäßes (N) dessen Wasserspiegel mit dem im Zylinder auf eine Höhe. Nun kann
man (nach Hochstellen des Niveaugefäßes N) durch Wiedereinschalten des Motors die
Hydrierung anlaufen lassen. Während des gesamten Hydriervorgangs notiere man von
Zeit zu Zeit das Gasvolumen und fertige sich ein Diagramm der Kinetik an. Dieses ge-
stattet, das voraussichtliche Ende der Reaktion abzuschätzen.
Manche Hydrierungen gehen glatter vonstatten, wenn man den Inhalt des Tropf-
trichters nicht auf einmal, sondern während der Umsetzung tropfenweise zufließen läßt,
so daß das Substrat stets auf einen großen Katalysatorüberschuß trifft.
Wenn kein Wasserstoff mehr aufgenommen wird, evakuiert man gemäß Punkt 4a der
Tab. 3 und läßt über H5 vorsichtig Luft ein.
Durchführung der Hydrierung und Herstellung der Katalysatoren 553

Berechnung des Wasserstoffverbrauchs. - Ein mol Substanz braucht für je eine


Doppelbindung 22,4 Liter Wasserstoff unter Normalbedingungen. Nach der Formel

T-760
V = V0
273-p

- wobei p der abgelesene Barometerstand minus der Dampftension des Wassers bei
der betreffenden Temperatur, T die absolute Temperatur ist - beträgt das Volumen
eines Mols bei p - 760 Torr und t = 180C 25,2 Liter.
5,00 g Zimtsäure (Mol.-Gewicht 148) sind 0,034 mol; der Bedarf an Wasserstoff im
Präparat S. 555 beträgt unter den obigen Bedingungen daher 850 ml.
Die Messung der H2-Aufhahme bei bekannter Substanzeinwaage, speziell im
Mikromaßstab, ist eine elegante Methode zur Bestimmung der Anzahl ungesättigter
Gruppen in einer unbekannten Verbindung.

Herstellung einiger Hydrierungskatalysatoren.


Da die stark oberflächenaktiven (pyrophoren) Metallkatalysatoren an der Luft sehr leicht
verglimmen, achte man bei ihrer Herstellung und Handhabung sorgfältig darauf, daß
auch keine kleinen Reste irgendwo haften bleiben oder z. B. mit dem Filtrierpapier in den
Abfallbehälter gelangen (siehe dazu Versuch S. 556).
a) Palladium-Mohr. — In einem 1,5-2-I-Weithals-Erlenmeyerkolben oder Becher-
glas werden 0,5 g Palladium(ll)-chlorid in 1 Liter 80—9O 0 C heißem Wasser unter kräfti-
gem Durchmischen mit einem Vibromischer (oder auch Rührmotor) aufgelöst und mit
7 g Natriumformiat in 50 ml Wasser versetzt. Dabei fällt das Pd-Mohr augenblicklich in
feinsten Flocken aus, die sich beim weiteren Rühren am Boden des Gefäßes zusammen-
ballen. Unter Dekantieren wird der Niederschlag ausgiebig mit Wasser gewaschen. Man
bewahrt den Katalysator stets unter Wasser auf (0,3 g Pd in etwa 10 ml), von dem man,
wenn nicht in Wasser hydriert werden soll, das Wasser abdekantiert und durch das ge-
wünschte Lösungsmittel ersetzt.

Häufiger als in dieser reinen feinstverteilten Form werden Palladium und Platin
auf einem Träger, meist Aktivkohle oder auch Asbest (mit 5-30% Pd bzw. Pt) ange-
wendet.

b) Palladium-Tierkohle. - Die Tierkohle reinigt man, wenn nötig, indem man sie 6 h
lang in 10proz. Salpetersäure auf dem Wasserbad erhitzt, abfiltriert, säurefrei wäscht und
bei 10O 0 C trocknet. Man benutzt die auf S. 550 beschriebene Hydriereinrichtung. In den
Tropftrichter (T) gießt man die Lösung von 0,1 g Palladium(ll)-chlorid in 1OmI etwa
0,1N Salzsäure, im Reaktionsgefäß (R 1) suspendiert man 2g Tierkohle in 10OmI
Wasser. Nun leitet man so lange Wasserstoff durch die Apparatur, bis eine im umgekehr-
ten Reagenzglas aufgefangene Probe des ausströmenden Gases mit ruhiger Flamme ab-
brennt. Dann stellt man die Hähne gemäß Stellung 7 der Tab. 3 so, daß das Reaktions-
gefäß nur noch unter dem Druck des Gasometers steht und läßt unter kräftigem magne-
554 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

tischen Rühren langsam die Palladiumchloridlösung eintropfen. Ist die Lösung entfärbt,
wird der Katalysator auf einer Filterplatte abgesaugt und mit viel Wasser nachgewaschen,
wobei er wegen Entzündungsgefahr immer von Wasser bedeckt sein muß. Wenn im
Filtrat keine Säure mehr nachweisbar ist, wäscht man schnell zweimal mit Alkohol und
absolutem Ether und bringt das etherfeuchte Präparat sofort in einen Exsikkator, der
evakuiert wird. Nach 24 Stunden wird der Exsikkator durch vorsichtiges Einleiten von
Stickstoff oder Kohlendioxid geöffnet; der vollständig trockene Katalysator verglimmt
an der Luft nicht mehr und ist gut haltbar.

Palladium auf Bariumsulfat ist ein weiterer sehr wirksamer Hydrierungskatalysa-


tor, den man durch Fällen von Bariumsulfat in der Palladiumchloridlösung bereitet.
Er ist in mancher Beziehung den anderen Katalysatoren überlegen und ermöglicht
die Hydrierung z. B. von reduzierenden Zuckern zu ihren Alkoholen oder der Nitrile
zu primären Aminen bedeutend schneller als die anderen Edelmetallkontakte.

c) Platinoxid nach Adams. — Die Lösung von 2,1 g Hexachloro-platin(IV)-säure


(H2PtCI6) in 5ml Wasser wird in einem großen Porzellantiegel mit 20g reinstem Na-
triumnitrat vermischt und unter ständigem Rühren mit einem dicken Glasstab über einer
kleinen Flamme zur Trockne eingedampft. Man steigert die Temperatur allmählich. Der
Tiegelinhalt schmilzt und es beginnen sich braune Dämpfe von Stickstoffdioxid zu ent-
wickeln. Nun heizt man mit zwei großen Bunsenbrennern kräftig bis zur mittleren Rot-
glut (500-60O0C). Die Stickoxid-Entwicklung wird heftiger und geht nach 5-10 min
stark zurück. Man läßt erkalten, laugt mit destilliertem Wasser aus, wäscht den schweren
Bodenkörper mehrere Male unter Dekantieren nach, saugt ab und trocknet im Exsik-
kator. Das so erhaltene Platinoxid soll eine mittelbraune Farbe haben.

Der Platinoxidkatalysator nach Adams wird unmittelbar vor seiner Anwendung


im Hydriergefäß mit Wasserstoff zu dem eigentlich wirksamen feinverteilten Platin
reduziert, das schwarz aussieht.
Ein Platin-Aktivkohle-Katalysator wurde von H. C. Brown entwickelt. Er ent-
steht durch Reduktion einer Hexachloroplatin(IV)-säure-Lösung mit Natriumbor-
hydrid in Gegenwart von Aktivkohle.
Da die Edelmetall-Kontakte komplexe Hydride unter Bildung von Wasserstoff zer-
setzen, kann durch Zutropfen einer NaBH4-Lösung im „Eintopfverfahren" der Kata-
lysator gebildet und - nach Zugabe des Substrats - hydriert werden, ohne daß eine
Gas-Stahlflasche nötig ist.

d) Raney-Nickel. - Es ist schwierig, diese feinverteilte Form des Nickels im Labora-


torium herzustellen. Sie wird dadurch erhalten, daß man aus einer durch Schmelzen bei
1200-1500 0 C entstandenen Ni-AI-Legierung das Aluminium mit Lauge herauslöst, wo-
bei Wasserstoff haltiges Nickel (ca. 1 H pro 2 Ni) in äußerst feiner schwarzer Suspension
zurückbleibt. Diese wird mit Wasser alkalifrei gewaschen und unter Alkohol luftabge-
Beispiele für die katalytische Hydrierung 555

schlössen aufbewahrt. Raney-Nickel darf nie trocken werden, da es pyrophor ist! Man
mißt es nach Volumen; 1 ml abgesetzte Suspension enthält etwa 0,6 g Ni. Als Katalysator
wird es gewöhnlich im Gewichtsverhältnis 1:10 angewendet. Es katalysiert alle in Frage
kommenden Hydrierungen bei Zimmertemperatur etwa wie die Edelmetalle, viele Reak-
tionen erfordern jedoch geringen Wasserst off-Überdruck (2—5 bar). Gegen Halogen ist
Raney-Nickel besonders empfindlich.

Auf Grund seines Gehalts an „aktiviertem" Wasserstoff kann Raney-Nickel ohne


zusätzliches Wasserstoffgas H2-Additionen bewirken oder organisch gebundenen
Schwefel durch H ersetzen (S. 557).

3-Phenylpropionsäure aus Zimtsäure

H2/Pd
C 6 H 5 CH=CHCO 2 H > C 6 H 5 CH 2 CH 2 CO 2 H
Im etwa 250 ml fassenden Hydriergefäß wird 0,50g Pd-Tierkohle (S. 553) in 1OmI
SOproz. Methanol suspendiert. In den Tropftrichter kommt die Lösung von 5,0g
(0,33 mol) Zimtsäure in 20-30 ml desselben Lösungsmittels. Nach der oben geschil-
derten Arbeitsweise läßt man Wasserstoff absorbieren, von dem in ca. 3 h die be-
rechnete Menge (850 ml bei 18 0 C und 760 Torr; auf die örtlichen Verhältnisse umrech-
nen!) aufgenommen werden. Man filtriert vom Katalysator ab, verdampft das Lösungs-
mittel und kristallisiert die hydrierte Säure wie auf S. 510 beschrieben um. Schmp. 47 0C,
Ausbeute über 80%.

Härtung eines Speiseöls


Einige ml Olivenöl, Leinöl oder Lebertran werden auf einer Analysenwaage genau ge-
wogen, in 50 ml Essigester gelöst und nach Zugabe von 50-100 mg Platinoxidkatalysa-
tor (S. 554) wie im vorstehenden Präparat hydriert. Katalysator vorhydrieren! Dabei
wird die Wasserstoffaufnahme sorgfältig bestimmt und daraus anschließend die durch-
schnittliche Zahl der Doppelbindungen des untersuchten Öls ausgerechnet. Die hy-
drierten Produkte sind nach Abdampfen des Lösungsmittels talgartig fest, sie schmelzen
oberhalb von 5O 0 C.

1-Naphthylamin aus 1-Nitronaphthalin

NO2 NH2

+ 2H 2 O

a) mit Wasserstoff und Raney-Nickel


20,0 g 1 - Nitronaphthalin (115 mmol, S. 237) werden in 250 ml Methanol gelöst und mit
2 ml Raney-Nickel-Suspension (ca. 1-1,2 g Nickel) in ein 1-I-Hydriergefäß gespült; an
der Wand haftende Teilchen des Katalysators spült man mit etwas Methanol herunter.
556 Kapitel XI. Reduktion und Hydrierung

Man verdrängt die Luft durch Wasserstoff (vgl. S. 552) und beginnt mit dem Rühren
oder Schütteln. Nach Aufnahme von ca. 8600 ml (theor. 0,345 mol) Wasserstoff kommt
die Hydrierung zum Stillstand; die benötigte Zeit hängt von der Aktivität des Raney-
Nickels ab, dürfte aber kaum mehr als 3—4 h betragen. Ist die Wasserstoffaufnahme
rasch, unterbreche man jeweils das Rühren oder Schütteln, wenn man Wasserstoff in
das Meßgefäß nachfüllt.
Beim Abfiltrieren hält man wegen der Gefahr der Selbstentzündung das Raney-Nickel
stets methanolfeucht; nach dem Waschen mit Methanol kann man sich von den pyro-
phoren Eigenschaften des Nickels überzeugen, wenn man das Filter in einer Porzellan-
schale trocken werden läßt. Die methanolische Lösung wird eingedampft und der Rück-
stand mit wenig Lösungsmittel in einem 50 ml Schwertkolben mit Claisenaufsatz ge-
spült. Bei 154—157 0 C / 15 Torr gehen 14-16 g 1-Naphthylamin als rasch erstarrendes
Öl über. Umkristallisieren aus 15OmI Cyclohexan führt zu 12—13,5g feinen, bei 5O 0 C
schmelzenden Nadeln (73-82%).

b) mit Hydrazin und Raney-Nickel


In einem 1-I-Dreihalskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter wird eine
Lösung von 20g 1 -Nitronaphthalin in 250 ml Methanol mit 3—4 ml Raney-Nickel-
Suspension versetzt und zum Sieden erhitzt. In die gerührte, rückflußkochende Lösung
läßt man durch den Tropftrichter eine Mischung von 40 ml SOproz. Hydrazinhydrat und
80 ml Methanol innerhalb einer Stunde einfließen. Nach einer weiteren Stunde Rühren
und Rückflußkochen läßt man erkalten, filtriert (Vorsicht! pyrophores Nickel), destilliert
das Methanol ab und versetzt mit 60 ml Methylenchlorid und 20 ml Wasser. Nach
Schichtentrennung wird die wässerige Phase noch einmal mit 20 ml Methylenchlorid aus-
geschüttelt. Nach Abdestillieren des Methylenchlorids überführt man in einen Schwert-
kolben und arbeitet wie unter a) auf. Aus 14-15 g Destillat werden durch Umkristalli-
sieren 12-12,5 g reines 1-Naphthylamin mit Schmp. 5O 0 C erhalten (73-76%).

Bei der zuletzt beschriebenen Hydrierung wird der Wasserstoff durch die metall-
katalysierte Zersetzung des Hydrazins geliefert, wodurch sich der apparative Auf-
wand stark verringert. Der Anwendungsbereich dieser oft bequemen Methode ist je-
doch stark eingeschränkt, da viele Verbindungen, wie Amide, Ester, Aldehyde und
Ketone mit dem Hydrazin reagieren. Die katalytische Hydrierung der Hydrazone
(und der Oxime) führt zu primären Aminen.

p-Toluidin aus p-Nitrotoluol

-NH 2 + 2H 2 O

5,0g p-Nitrotoluol (40 mmol), welches zuvor aus Methanol bis zur Schmelzpunkts-
konstanz umkristallisiert werden muß (Schmp. 51,4 0 C), gibt man in ein 500 ml fassen-
des Hydriergefäß. In einem kleinen Meßzylinder wird in Wasser aufgeschlämmtes
Raney-Nickel mit Methanol ausgewaschen und nach dem Sedimentieren 5 ml des
Weitere Beispiele für die katalytische Hydrierung 557

methanolfeuchten Katalysators abgemessen. Dieser wird zusammen mit 250 ml Methanol


zu der zu hydrierenden Substanz gegeben. Die Apparatur wird wie üblich sorgfältig von
Luft befreit und mit Wasserstoff gefüllt. Bei kräftigem Rühren oder Schütteln werden über
90% des berechneten H2-Volumens in etwa 40 min aufgenommen. Die Reaktion ist be-
endet, wenn über einen längeren Zeitraum (30 min) keine H 2 -Aufnahme mehr feststell-
bar ist. Im Durchschnitt beträgt die Gesamtdauer der Hydrierung 21/2 h. Zum Schluß
wird der Katalysator abfiltriert (Vorsicht! siehe Präparat S. 556), mit Methanol ausge-
waschen, das Filtrat zusammen mit dem Wasch-Methanol im Vakuum eingedampft und
das verbleibende rohe yo-Toluidin in einem Säbelkolben oder Kugelrohr destilliert. Sdp.
20O 0 C / 760 Torr; Schmp. 45°; weiße grobkristalline Substanz. Ausbeute 3,1 g (80%).

Versuch: Alanin aus Cystin mit Raney-Nickel


Ni(H)
HO 2 CCHCH 2 SSCH 2 CHCO 2 H > 2CH 3 CHCO 2 H
NH2 NH2 NH2

In einem Reagenzglas löst man 50—70 mg Cystin in 5 ml 1N Ammoniak und fügt dazu
eine Spatelspitze Raney-Nickel. Nun wird das Reagenzglas 30—35 min lang unter öfte-
rem Schütteln in kochendes Wasser getaucht. Die erkaltete Lösung kann man direkt ne-
ben den Vergleichsaminosäuren Cystin und Alanin auf einen entsprechenden Filtrier-
papierbogen oder auf eine Dünnschichtplatte auftragen. Nach der auf S. 318 gegebenen
Vorschrift wird im Laufmittel se/r-Butanol/Ameisensäure/Wasser = 75:15:10 chro-
matographiert. Anschließend werden die Flecke mit Ninhydrinlösung (s. S. 318) sicht-
bar gemacht.

In dem Hydriergefäß löst man 0,45g Tris(triphenylphosphin)rhodiumchlorid in 80 ml


über Calciumhydrid destilliertem Benzol, evakuiert, füllt mit Wasserstoff, tropft dann die
Lösung von 5,0g (-)-Carvon in 1OmI Benzol zu und beginnt zu schütteln. Die Auf-
nahme der theoretisch berechneten Menge (830 ml) Wasserstoff benötigt etwa 3 h.
Anschließend filtriert man das Hydrierungsgemisch durch eine kurze Säule mit 60 g
Kieselgel, wäscht diese zweimal mit je 15OmI Ether nach, dampft die gesammelten
Filtrate i.Vak. ein, destilliert den Rückstand bei 14mm und 100-1020C in einem
Kugelrohr und erhält 4,5-4,8 g (89-95%) Dihydrocarvon.

Darstellung des Komplexes: Die Hydrierung springt zuverlässiger an, wenn man den
Katalysator-Komplex frisch herstellt. Dazu löst man 0,9 g frisch kristallisiertes Tri-
phenylphosphin in 26ml heißem Ethanol, gibt 0,15g Rhodiumtrichlorid-Trihydrat in
5 ml Ethanol hinzu und erhitzt 30 min zum Sieden. Anschließend werden die burgunder-
558 Kapitel XL Reduktion und Hydrierung

roten Kristalle heiß abgesaugt, mit 25 ml entgastem Ether gewaschen und i. Vak. ge-
trocknet. Man erhält 0,45g, Ausbeute 84%, vom Schmp. 157—158 0 C.

Weiterführende Literatur zu Kapitel Xl


K. N. Campbell und B. K. Campbell, The Addition of Hydrogen to Multiple Carbon-Carbon
Bonds, Chem. Rev. 31, 77 (1942).
E. L. Martin, The Clemmensen Reduction, Org. React. /, 155 (1942).
E. Vedejs, Clemmensen Reduction of Ketones in Anhydrous Organic Solvents, Org. React. 22,
401 (1975).
G.S.C. Buchanan und P.D. Woodgate, The Clemmensen Reduction of Difunctional Ketones,
Quart. Rev. 23, 522 (1969).
D. Staschewski, Der Mechanismus der Clemmensen-Reduktion, Angew. Chem. 71, 726 (1959).
W. Hückel, Reduktion von Kohlenwasserstoffen durch Metalle in flüssigem Ammoniak, Fortschr.
Chem. Forsch. 6, 197 (1966).
A. J. Birch, The Reduction of Organic Compounds by Metal-Ammonia Solutions, Quart. Rev. 4,
69(1950).
AJ. Birch und H. Smith, Reduction by Metal-Amine Solutions: Applications in Synthesis and
Determination of Structure, Quart. Rev. 12, 17 (1958).
R. G. Harvey, Metal-Ammonia Reduction of Aromatic Molecules, Synthesis /970, 161.
D. Caine, Reduction and Related Reactions of a,/?-Unsaturated Compounds with Metals in
Liquid Ammonia, Org. React. 23, l (1976).
A. J. Birch und G.Subba Rao, Reductions by Metal-Ammonia Solutions and Related Reagents,
Adv. Org. Chem. S9 l (1972).
G.R. Pettit und E.E. van Tamelen, Desulfuration with Raney Nickel, Org. React. 12, 356 (1962).
H.Muth und M. Sauerbier, Reduktion mit anorganischen Reduktionsmitteln, Methoden der
organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 4/Ic, S. 563 (1980).
H.Muth und M.Sauerbier, Metall-Salze als Reduktionsmittel, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 4/Id9 S. 487 (1981).
H. K. Porter, The Zinin-Reduction of Nitroarenes, Org. React. 20, 455 (1973).
A. L. Wilds, Reduction with Aluminum Alkoxides (The Meerwein-Ponndorf-Verley Reduction),
Org. React. 2, 178 (1944).
O. Bayer, Herstellung von Aldehyden durch Oxydoreduktion, Methoden der organischen Chemie
(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1, S. 186, Thieme, Stuttgart 1954.
T. Bersin, Reduktion nach Meerwein-Ponndorf und Oxidation nach Oppenauer, Neuere Metho-
den der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 137, Verlag
Chemie, Weinheim 1963.
C. Djerassi, The Oppenauer Oxidation, Org. React. 6, 207 (1951).
N. C. Deno, HJ. Peterson und G. S. Saines, The Hydride-Transfer Reaction, Chem. Rev. 60, l
(1960).
N. G. Gaylord, Reduction with Complex Metal Hydrides, Interscience Publishers, New York
und London 1956.
A. Hajos, Komplexe Hydride und ihre Anwendung in der organischen Chemie, Deutscher Verlag
der Wissenschaften, Berlin 1966.
H. Hörmann, Reduktion von Carbonyl-Verbindungen durch komplexe Hydride, Neuere Metho-
den der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 2, S. 145, Verlag Chemie,
Weinheim 1960; Angew. Chem. 68, 601 (1956).
W. G. Brown, Reductions by Lithium Aluminum Hydride, Org. React. 6,469 (1951).
H.C. Brown und S. Krishnamurthy, Forty Years of Hydride Reductions, Tetrahedron 55, 567
(1979).
Weiterführende Literatur zu Kapitel XI 559

A. Hajos, Reduktion mit Metallhydriden bzw. komplexen Hydriden, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4.AufL, Bd. 4/Id, S. l (1981).
H.A. Staab und W. Rohr, Synthesen mit heterocyclischen Amiden (Azoliden), Neuere Methoden
der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. 53, Verlag Chemie, Wein-
heim 1967; H.A. Staab, Angew. Chem. 74, 407 (1962).
J. Carnduff, Recent Advances in Aldehyde Synthesis, Reduction of Carboxylic Acids and Their
Derivatives, Quart. Rev. 20, 175 (1966).
E. Mosettig, The Synthesis of Aldehydes from Carboxylic Acids, Org. React. 8, 218 (1954).
E. Schenker, Anwendung von komplexen Borhydriden und von Diboran in der organischen
Chemie, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 4,
S. 173 (1966); Angew. Chem. 73, 81 (1961).
E. Winterfeldt, Applications of Diisobutylaluminium Hydride and Triisobutylaluminium äs
Reducing Agents in Organic Synthesis, Synthesis /975, 617.
H. Lehmkuhl und K. Ziegler, Dialkyl-aluminium-hydride als Reduktionsmittel, Methoden der
organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 13/4, S. 216, Thieme, Stuttgart 1970.
S. Krishnamurthy, Trialkylborohydrides äs New Versatile Reducing Agents in Organic Syn-
thesis, Aldrichimica Acta 7, 55 (1974).
H. C. Brown, Hydroboration, W.A. Benjamin, New York 1962.
H. C. Brown, Boranes in Organic Chemistry, Cornell University Press, Ithaca, N. Y. 1973.
G. Zweifel und H. C. Brown, Hydration of Olefins, Dienes and Acetylenes via Hydroboration,
Org. React. 13, l (1963).
H. C. Brown, Organoboranes - the Modern Miracle, Pure Appl. Chem. 47, 49 (1976).
H. C. Brown, Organoborane-Carbon Monoxide Reactions. A New Versatile Approach to the
Synthesis of Carbon Structures, Acc. Chem. Res. 2, 65 (1969).
C. F. Lane, Reduction of Organic Compounds with Diborane, Chem. Rev. 76, 773 (1976).
D. Todd, The Wolff-Kishner Reduction, Org. React. 4, 378 (1948).
S. Hünig, H.R. Müller und W. Thier, Zur Chemie des Diimins, Angew. Chem. 77, 368 (1965).
A. Fürst, R. C. Berlo und S. Hooton, Hydrazine äs a Reducing Agent for Organic Compounds
(Catalytic Hydrazine Reductions), Chem. Rev. 65, 51 (1965).
F. Zymalkowski, Katalytische Hydrierungen im organisch-chemischen Laboratorium, Enke
Verlag, Stuttgart 1965.
F. Zymalkowski e.a., Katalytische Hydrierung, Methoden der organischen Chemie (Houben-
Weyl-Müller), 4.Aufl., Bd. 4/Ic9 S. 14 (1980).
R.E. Harmon, S.K. Gupta und D. J. Brown, Hydrogenation of Organic Compounds Using
Homogeneous Catalysts, Chem. Rev. 73, 21 (1973).
B.R.James, Homogeneous Hydrogenation, J. Wiley & Sons, New York, London, Sydney,
Toronto 1973.
A. J. Birch und D.H. Williamson, Homogeneous Hydrogenation Catalysts in Organic Synthesis,
Org. React. 24, l (1976).
E. Mosettig und R. Mozingo, The Rosenmund Reduction of Acid Chlorides to Aldehydes, Org.
React. 4, 362 (1948).
O. Bayer, Aldehyde durch Reduktion von Carbonsäurechloriden, Methoden der organischen
Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1, S. 285, Thieme, Stuttgart 1954.
XII. Synthesen und Reaktionen der
Chinone, chinoiden Farbstoffe

Experimente:

2 - Methyl -1,4 - naphthochinon


l ,4 - Naphthochinon
/7-Benzochinon aus Anilin
Versuch: Hydrochinon aus Chinon
Versuch: Chinhydron
Versuch: Anilinochinon
Versuch: Cycloaddition an Cyclohexadien
Tetrachlor - o - benzochinon
Versuch: Dehydrierung von Brenzkatechin zu 0-Benzochinon
Dehydrierung des Tetralins
4-Methoxy-l,2-benzochinon (Teuber-Oxidation)
Kalium-nitrosodisulfonat
Anthrachinon
Versuch: Anthrahydrochinon
Alizarin
Chinizarin
/?-Amino-dimethylanilin
Versuch: Wursters Rot
Bindschedlers Grün
Versuch: Methylenblau
Malachitgrün
Kristallviolett
Versuch: Verhalten gegen Alkalien und Säuren
Fluorescein und Eosin
Kupfer-Phthalocyanin
Triphenylmethyl
Versuch: Lambert-Beer'sches Gesetz
Versuch: Triphenylmethylkation
Tetraphenyl-hydrazin
Versuch: Diphenylaminyl (Diphenylstickstoff)
Versuch: Farbreaktion des Tetraphenylhydrazins mit Schwefelsäure
1.3.5 -Triphenyl verdazy l
Versuch: Chemisches Verhalten des Radikals
Herstellung der Chinone 563

XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone,


chinoiden Farbstoffe und Radikale

Chinone

Herstellung der Chinone

Chinone können sich durch Einwirkung von Oxidationsmitteln aus aromatischen


Kohlenwasserstoffen bilden. So läßt sich z.B. 2-Methyl-l,4-naphthochinon durch
Oxidation von 2-Methylnaphthalin mit Cr(VI)-oxid erhalten (Präparat S. 565). Über
die Oxidation von Anthracen zu Anthrachinon siehe unten. In der Benzol- und auch
in der Naphthalinreihe geht man von Phenolen oder Aminen aus; die übersicht-
lichsten Synthesen sind Oxidation von/?- oder o-Dihydroxy-, Diamino- oder Arm'no-
hydroxyaromaten, die zu /?-Chinonen bzw. o-Chinonen führen.

NH
Chinon - diimin o-Chinon

Da /?-Aminophenole durch Diazokupplung (S. 607) von Phenolen und anschlie-


ßende Reduktion der AzoVerbindung gut zugänglich sind, stellt ihre Oxidation eine
der gebräuchlichsten Chinonsynthesen dar. Dies wird am Beispiel des Naphtho-
chinon-1,4 aus a-Naphthol gezeigt (S. 566). Der Grundkörper der /7-Chinone, p-
Benzochinon, wird durch Oxidation von Anilin erhalten (S. 567). Ein durch Elek-
564 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

tronenentzug (Oxidation) aus dem Amin entstehendes elektrophiles Gebilde (Radikal


oder Kation) kuppelt mit einem Anilinmolekül, das Dimere in analoger Weise usw.
zu dunkelgrünen Farbstoffen des Chinondiimintyps (Indaminchromophor), die durch
hydrolytische Spaltung sowie Weiteroxidation des dabei auftretenden /7-Phenylen-
diamins und Anilins in /7-Chinon übergehen.
Das ,Anilinschwarz" der Färberei ist das polymere Produkt einer weiteren oxida-
tiven Kondensation der obigen Polydiimine mit Anilin, das wahrscheinlich Phena-
zoniumgruppierungen enthält.

Die Oxidation von 0-Dihydroxyaromaten gibt die allgemein empfindlicheren o-


Chinone. Den Grundkörper erhielt R. Willstätter aus Brenzkatechin mit Silberoxid
in trockenem Ether. Als Oxidationsmittel besonders gut geeignet ist nach L. Horner
Tetrachlor-0-benzochinon (Versuch S. 572). Dieses 0-Chinon ist aus Brenzkatechin
durch Chlorierung zum Tetrachlorbrenzkatechin und dessen Oxidation mit Salpeter-
säure zugänglich (S. 571). Billiger bereitet man es aus dem technischen Pentachlor-
phenol mit demselben Oxidationsmittel (S. 571 ). Eine glatte Einführung von Sauer-
stoff in die p- oder o-Stellung zur phenolischen Hydroxylgruppe oder Aminogruppe
und Weiteroxidation zu den entsprechenden Chinonen gelingt oft nach H. -J. Teuber
mit dem Radikal Kalium-nitrosodisulfonat (Fremy'sches Salz). Diese tief violette
Verbindung wird aus Kalium-hydroxylamindisulfonat durch Oxidation mit Per-
manganat gewonnen (siehe Präparat S. 572).

SO3K SO3K
/ O x - /
HO-N -^- -0-N
\ ~ \
SO3K SO3K

(Beispiel:)

Da beim Anthracen Grenzstrukturen mit zwei benzoiden Ringen besondere Be-


deutung haben, werden die dazwischenliegenden C-Atome 9 und 10 besonders leicht
zum stabilen Anthrachinon oxidiert (mit Chromsäure in Eisessig/Schwefelsäure,
S. 573).
Anthrachinon ist infolge seiner zwei Benzolringe so stabil, daß es allen aromati-
schen Substitutionsreaktionen unterworfen werden kann (S. 250). Sulfurierung liefert
vorwiegend die 2-Sulfonsäure, deren Na-SaIz („Silbersalz") bei der großtechnischen,
klassischen Synthese des Alizarins (1,2-Dihydroxyanthrachinon) Verwendung findet.
Herstellung der Chinone 565

V^V
TT

O O
Anthrachinon Anthrachinon - 2 - sulf onsäure

Hierbei wird es nach Graebe und Liebermann einer Alkalischmelze unterworfen,


während derer durch Luftsauerstoff, im späteren Verfahren durch zugesetztes Oxi-
dationsmittel z.B. Kaliumchlorat, die Hydroxylgruppe in !-Stellung eingeführt wird
(S. 574).
Alizarin, einer der ältesten „Beizen"-Farbstoffe kommt, als Glykosid seines Hydro-
chinons in der Krappwurzel vor (Ruberythrinsäure, Krapplack) und bildete früher
einen der wichtigsten Farbstoffe. Es wird auf die Faser aufgebracht, nachdem diese
durch Ausfällung von Oxiden des Chroms, Eisens oder Aluminiums „gebeizt" wor-
den ist und bildet mit den Metallionen leuchtend farbechte Phenolatkomplexe.
Chinizarin (1,4-Dihydroxyanthrachinon), das durch eine Friedel-Crafts-Reaktion
von Phthalsäureanhydrid mit Hydrochinon gut zugänglich ist (Präp. S. 574), besitzt
nicht die Eigenschaft der Beizenfarbstoffe, da die beiden Hydroxylgruppen nicht zu-
einander benachbart sind.

2-Methyl-1,4-naphthochinon

In einem 500-ml-Kolben werden 14,2g (0,10 mol) 2-Methyl-naphthalin in 15OmI Eis-


essig gelöst. Unter mechanischem Rühren läßt man aus einem Tropftrichter eine Lösung
von 50g (0,5 mol) Chrom(VI)-oxid in 35ml Wasser im Laufe von 10min zutropfen.
Die Reaktion verläuft unter Selbsterwärmung. Die Außenkühlung mit Eiswasser soll so
bemessen sein, daß die Reaktionstemperatur bei etwa 6O 0 C bleibt. Die Abkühlung zeigt
das Ende der Reaktion nach Zugabe des Oxidationsmittels an. Nach einstündigem Er-
wärmen der Reaktionslösung auf siedendem Wasserbad wird in 500 ml Wasser einge-
rührt. Man saugt den grüngelben Niederschlag des Methyl-naphthochinons ab und
wäscht solange mit Wasser, bis die Waschflüssigkeit keine saure Reaktion mehr zeigt.
Das noch feuchte Rohprodukt wird in 75 ml Methanol 15 min unter Rückfluß gekocht
und die Lösung heiß in einen Erlenmeyerkolben filtriert. Man läßt langsam erkalten, stellt
noch 3 h in den Kühlschrank und saugt die gelben Nadeln vom Schmp. 105 0 C ab. Die
Ausbeute an 2-Methyl-1,4-naphthochinon beträgt 6,5—7 g (38—40% d. Th.).
566 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

1,4-IMaphthochinon
N = NR

Red. Ox.

Diazotierung von Sulfanilsäure (s. auch S. 606).


In einem 500-ml-Weithals-Erlenmeyerkolben werden 29g (167mmol) technische
Sulfanilsäure mit 9 g wasserfreier Soda in 17OmI Wasser unter Rühren und Erwärmen
gelöst. Man läßt im Eisbad auf 15 0 C abkühlen, gibt die Lösung von 12g (175 mmol)
Natriumnitrit in 35 ml Wasser zu und rührt das Gemisch sofort in 200 g Eis und 36 ml
konzentrierte Salzsäure in einem 1-I-Erlenmeyerkolben ein. Die Mischung wird nun-
mehr 15—25min im Eisbad gekühlt.

Kupplung mit a-Naphthol (s. auch S. 605) und Reduktion.


In der Zwischenzeit löst man in einem 2-l-Becherglas 24,0 g (166 mmol) a-Naphthol
(Schmp. 96 0 C) in der noch warmen Lösung von 37g NaOH in 200 ml Wasser. Nach
Erkalten gibt man 14Og zerstoßenes Eis zu und rührt langsam die eiskalte Lösung der
Diazosulfanilsäure ein. Die tiefpurpurrote Lösung des Azofarbstoffs rührt man noch 1 h,
erwärmt auf 45—5O 0 C und gibt unter mechanischem Rühren innerhalb von 10 min 80 g
Natriumdithionit (Na2S2O4) zu. Die Reaktionslösung nimmt dabei nach und nach eine
schmutzigbraune Färbung an. Bleibt der Farbumschlag aus, so muß mehr Dithionit zu-
gesetzt werden. Man erwärmt noch kurz auf 7O 0 C und läßt im Eisbad abkühlen, wobei
sich das gebildete 1-Amino-4-naphthol ausscheidet. Der dunkle Niederschlag wird
abgesaugt und mit frischer 1 proz. Natriumdithionit-Lösung gewaschen.
Das noch feuchte Produkt bringt man rasch mit 0,7g Zinn(ll)-chlorid und 21 ml konz.
Salzsäure in 270 ml Wasser unter Erwärmen in Lösung, filtriert und erhitzt nach Zugabe
von 35ml konz. Salzsäure 5-10 min zum Sieden. Nach Versetzen mit weiteren 35ml
konz. Salzsäure wird die aufgehellte Lösung auf O 0 C abgekühlt, wobei das Hydrochlorid
des 1-Amino-4-naphthols in schwach gefärbten Nadeln auskristallisiert.
Das abgesaugte, noch feuchte Produkt wird unter Rühren in 700 ml Wasser suspen-
diert und nach Zugabe von 35 ml konz. Schwefelsäure heiß gelöst. Unbeschadet einer
Trübung wird in eine Lösung von 24,5 g (82 mmol) Natriumdichromat in 340 ml Wasser
in einem 2-I-Rundkolben eingerührt, worauf sich nach kurzer Zeit das Naphthochinon in
Form braunschwarzer Kristalle ausscheidet. Man läßt auf Raumtemperatur erkalten,
saugt ab und wäscht mit Wasser. Das noch feuchte Produkt wird in 500 ml warmem
Ether gelöst und 10 min mit 4 g Aktivkohle geschüttelt. Man saugt ab und digeriert den
Kohlerückstand noch zweimal je 5 min mit je 300 ml warmem Ether. Aus den vereinigten,
klaren Lösungen destilliert man solange Ether ab, bis sich die gelben Kristalle auszu-
scheiden beginnen. Man läßt erkalten, stellt noch 1 h in den Kühlschrank und saugt ab.
Die Mutterlauge wird nochmals mit Aktivkohle behandelt und wie oben aufgearbeitet.
Die Gesamtausbeute beträgt 12-15,5 g (45-59%d.Th., bezogen auf a-Naphthol) an
gelben Nadeln vom Schmp. 124-1250C.
Herstellung von /7-Benzochinon 567

p-Benzochinon aus Anilin


NH2 O

CrO, , H*

Zu einer Lösung von 23 g Anilin (V4 mol) in einer Mischung von 100 ml reiner konzen-
trierter Schwefelsäure und 500 ml Wasser läßt man unter Eiskühlung und Rühren all-
mählich aus einem Tropftrichter die Lösung von 30 g Natriumdichromat in 75 ml Wasser
hinzufließen; die Temperatur soll nicht über 1O 0 C steigen. Das Reaktionsgemisch bleibt
dann an einem kühlen Ort über Nacht stehen, und am nächsten Morgen gibt man auf
gleiche Art 40g Dichromat in 120 ml Wasser hinzu. Nach 6 h saugt man die dunkel-
braune Lösung auf einer großen Nutsche ab und wäscht mit wenig Wasser. Das Filtrat
wird zweimal mit je V2 Liter Ether ausgeschüttelt. Die Etherlösung wird alsbald in einem
Kolben, der nachher zur Wasserdampfdestillation dient, abgedampft; den abdestillier-
ten Ether benützt man in 2 Anteilen zum nochmaligem Ausschütteln der Oxidations-
lösung und dampft die Auszüge abermals ein. Auf das zurückbleibende rohe Chinon, mit
dem man den Filterrückstand samt dem Nutschenfilter vereinigt hat, leitet man direkt
Wasserdampf und treibt es so in prächtigen goldgelben Kristallen in die Vorlage. Ausbeute
14—16g (ca. 50%). Das Chinon wird zuerst kurz zwischen Filtrierpapier und dann im
nicht evakuierten Exsikkator über CaCI2 getrocknet. Schmelzp. 116 0 C. Wegen seiner
großen Flüchtigkeit darf es nicht längere Zeit offen an der Luft gehalten werden (Ver-
such mit einer Probe). Zum Umkristallisieren können Alkohol oder Petrolether verwen-
det werden. Das reine, trockne Präparat ist längere Zeit haltbar. Durch Laugen wird es
momentan in ein schwarzes hochmolekulares Produkt unbekannter Konstitution, humin-
saures Salz, verwandelt.

Versuch: Hydrochinon aus Chinon - Etwa 2 g Chinon werden in 50 ml Wasser sus-


pendiert, das Wasser wird unter häufigem Umschütteln des Kolbens mit Schwefeldioxid
gesättigt. Nach einigem Stehen wird die entfärbte Lösung zweimal ausgeethert. Nach
dem Trocknen mit CaCI2 und Verdampfen des Ethers hinterbleibt das Hydrochinon
kristallisiert; es wird aus wenig Wasser umkristallisiert. Schmelzp. 169 0 C. Eine Probe
läßt beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure und einigen Tropfen Dichromat-
lösung Chinongeruch auftreten.

Versuch: Chinhydron - Man löst je 0,5 g Chinon und Hydrochinon in 50 ml warmem


Wasser und gießt in Lösungen zusammen. Fast augenblicklich kristallisieren die grünen
Nadeln von Chinhydron aus, die man absaugt, mit Wasser wäscht und zwischen Filtrier-
papier im nicht evakuierten Exsikkator über CaCI2 trocknet. Man koche einige Kristalle
im Reagenzglas mit Wasser und rieche an den Dämpfen.

Versuch: Anilinochinon - 4 g Chinon werden in 400 ml Wasser aufgelöst. Zu der auf


O 0 C abgekühlten Lösung bringt man 1,72g Anilin, gelöst in 1OmI 20proz. Essigsäure.
Man läßt unter häufigem Umschütteln 3 h lang in Eis stehen, saugt dann die rotbraune
kristallisierte Ausscheidung ab, trocknet sie im Vakuum und entzieht ihr durch mehr-
568 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

faches, vorsichtiges Auskochen mit Petrolether (Siedep. 80—9O 0 C) die Monoanilino-


verbindung, die beim Erkalten in goldbraunen Nädelchen herauskommt. Schmelzpunkt
119 0 C. Der unlösliche Anteil besteht aus Dianilinochinon.

Versuch: Cyctoaddition an Cyclohexadien — 2 g Chinon werden mit 6 g Cyclo-


hexadien (S. 197) am Rückflußkühler so lange — etwa 20 h — erhitzt, bis sich Kristalle
ausgeschieden haben. Der Kristallbrei wird mit wenig Alkohol digeriert, abgesaugt und
mit Alkohol gewaschen. Das Anlagerungsprodukt von 2 Dienmolekülen an ein Chinon
wird aus Alkohol umkristallisiert. Schmelzp. 196 0 C. Die ungleich rascher verlaufende
Cycloaddition des Chinons an ein Molekül Cyclopentadien ist auf S. 202 beschrieben.

Reaktionen der Chinone

Die wichtigsten Reaktionen der Chinone beruhen einerseits auf ihrer Reduzierbar-
keit, andererseits auf der Reaktionsfähigkeit der durch die Carbonylgruppen akti-
vierten C,C-Doppelbindungen.

Redoxverhalten
Durch Reduktion geht das chinoide System in das aromatische der Hydrochinone
über. Diese ihrerseits sind mehr oder weniger leicht zu den Chinonen oxidierbar.
Ob gegenüber einem zweiten Redoxsystem die oxidierende Wirkung des Chinons

-2e",-2H*

oder die reduzierende des Hydrochinons überwiegt, hängt von der Substitution und
von der Struktur ab und drückt sich im Normalpotential, E 0 , aus. /?-Benzochinon
läßt sich schon durch schweflige Säure zu Hydrochinon reduzieren (Versuch S. 567)
ist also ein starkes Oxidationsmittel, aus lodid setzt es in saurer Lösung lod frei. Die
Chinhydronelektrode besitzt gegenüber der Normalwasserstoffelektrode ein Poten-
tial von -h0,71 V, Chinhydron (d. h. sein Chinonanteil) ist relativ stark elektrophil.
Chinhydron. Die im obigen Versuch aus äquimolekularen Mengen von Chinon
und Hydrochinon entstehenden dunkelgrünen, metallisch schillernden, in Wasser
schwerlöslichen Kristalle, Chinhydron, bestehen aus einer l : !-Verbindung, in der
beide Komponenten durch die Wechselwirkung der jc-Elektronen des elektronen-
reicheren Hydrochinons mit dem elektronenärmeren Chinon zusammengehalten
werden (Elektronendonator-Akzeptor-Komplex, Charge Transfer Complex). Wie
schon auf S. 253 ausgeführt, bilden sich solche Molekülverbindungen allgemein zwi-
schen planaren Strukturen unterschiedlicher Elektronenaffinität, hier z.B. auch aus
Redox-Verhalten der Chinone 569

Chinon und Hexamethylbenzol. In ihren chemischen Reaktionen verhalten sich die


Charge-transfer-Verbindungen wie ihre getrennten Komponenten.
Chinhydron, als definiertes l: l Gemisch von Oxidans und Reduktans, bildet be-
kanntlich ein Standardsystem zur elektrochemischen Potentialmessung. Sein Anteil
an Oxidans (Chinon) gibt ihm gegenüber der Wasserstoffelektrode, wie schon er-
wähnt, ein Normalpotential von -1-0,71 V. Im analogen Gemisch aus Tetrachlor-/?-
benzochinon (Chloranil) und seinem Hydrochinon findet man E0 = 0,74, beim Tetra-
methyl-/?-benzochinon E0 = 0,46V. Der elektronenanziehende ( —I)-Effekt der (Ha-
logen) Substituenten drückt sich in einer (geringen) Steigerung der Oxidationskraft
des Halogen-Chinons gegenüber dem unsubstituierten (und damit in einer Vermin-
derung der Reduktionskraft des entsprechenden Hydrochinons) aus, der -h !-Effekt
wirkt entgegengesetzt. o-Benzochinon (E0 = -h 0,8 V) ist ein stärkeres Oxidations-
mittel als das /?-Chinon, doch wird sein Hydrochinon (Brenzkatechin) durch Tetra-
chlor-0-benzochinon (E0 = 0,87 V) zum Chinon oxidiert. - Die Chinone der kon-
jugierten Aromaten besitzen niedrigere Redoxpotentiale: 1,4-Naphthochinon:
E0 = 0,47 V, Anthrachinon: E0 = 0,15 V. Hier ist die hydrierte Form weniger be-
günstigt als etwa im Hydrochinon, so daß vom Anthrahydrochinon fast alle Chinone
reduziert werden. Auch Sauerstoff wird reduziert und zwar zum Hydrogenperoxid
(technischer Herstellung von H 2 O 2 ).
Infolge geeigneter Substituenten haben die an der biologischen Elektronenüber-
tragung beteiligten Chinone mit isoprenoider Seitenkette, wie die Ubichinone oder
die K-Vitamine genau die zu ihren Redoxfunktionen passenden Potentiale.

-^-CHj-CHAc-CH
n
CH3 CH3
Ubichinone Vitamin K

Reaktionen der chinoiden Doppelbindungen


Die C,C-Doppelbindungen der Benzochinone und der Naphthochinone sind durch
die nachbarständigen Carbonylgruppen aktiviert und damit - wie a,ß-ungesättigte
Ketone - zur Addition nucleophiler Reaktionspartner bereit. Es entstehen Derivate
des Hydrochinons.
O OH OH

-HHR -

Diesem Schema gehorchen die meisten wichtigen Reaktionen der Chinone, z. B.


die Anlagerung von HCl, HCN, Aminen, Thiolen u.a. Mit HCl entsteht als erstes
Produkt Chlorhydrochinon (R = Cl), das zu Chlor-/?-benzochinon oxidiert wer-
570 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

den kann. Bei weiterer Addition von HCl und Oxidation kommt man zum gelben
2,3,5,6-Tetrachlor-/?-benzochinon (Chloranil), das wie Tetrachlor-o-benzochinon als
präparatives Oxidationsmittel benutzt wird. Die Reaktion von /?-Benzochinon mit
Anilin (Versuch S. 567) führt zuerst zum Anilinohydrochinon, das infolge seines
niedrigeren Redoxpotentials von noch anwesendem Chinon zum Anilinochinon
oxidiert wird. Dieses lagert in gleicher Weise Anilin an die bisher unbeteiligte Doppel-
bindung an, das so entstehende Dianilinohydrochinon wird wiederum vom Mono-
anilinochinon zum Dianilinochinon oxidiert.

NHC6H5

Einen interessanten Verlauf nimmt die säurekatalysierte Addition von Acetanhy-


drid an Chinone (Thiele-Reaktion):
O OCOCH,
CH3COOCOCH3

'CH3
OCOCH3

Man gewinnt auf diese Weise die acetylierten Hydroxyhydrochinone, die nach Ver-
seifung und Dehydrierung zu den Hydroxychinonen führen.
Die C,C-Doppelbindungen der Chinone addieren ferner Brom zu Dibromcyclo-
hexendion-1,4 und weiter zu Tetrabromcyclohexendion-1,4. Ihre dienophilen Eigen-
schaften treten bei der glatt verlaufenden Reaktion des /?-Benzochinons mit Cyclo-
hexadien zum Bis-(endo-ethylen)-octahydro-anthrachinon in Erscheinung.

RMgCl

Chinol
Die Carbonylgruppen der Chinone können in normaler Weise reagieren, z. B. mit
Hydroxylamin zu Oximen (Chinonmonoxim siehe bei/?-Nitrosophenol, S. 278) oder
mit Grignard- Verbindungen zu Carbinolen. Solche Addukte, in denen die chinoide
Konjugation partiell erhalten ist, heißen Chinole.
Tetrachlor-o-benzochinon 571

Tetrachlor-o-benzochinon

4Cl 2

a) aus Brenzkatechin
In einem mit Gaseinleitungsrohr und Thermometer versehenen 2- oder 3fach tubulier-
ten 500-ml-Rundkolben werden 15,Og (136mmol) Brenzkatechin in 10OmI Eisessig
gelöst. Man leitet im Abzug trocknenes Chlor in kräftigem Strom ein, wobei die Tem-
peratur durch Außenkühlung mit kaltem Wasser unter 3O 0 C gehalten wird. Die Lösung
färbt sich orange und scheidet im Laufe von 30 min die farblosen Nadeln des Tetrachlor-
brenzkatechins aus. Unter gelegentlichem Umschütteln leitet man weiterhin Chlor ein,
bis nichts mehr absorbiert wird (etwa 15 min).
Nach Aufbewahren über Nacht im verschlossenen Kolben läßt man unter mechani-
schem Rühren eine Mischung von 20 ml rauchender Salpetersäure und 50 ml Eisessig
aus einem Tropftrichter in dünnem Strahl rasch zulaufen. Der Kristallbrei löst sich inner-
halb 3 min, die tiefrote Lösung wird nach weiteren 2 min auf 400 g Eis + Eiswasser ge-
gossen, wobei das Chinon als tiefrotes Pulver ausfällt. Nach 10 min saugt man scharf ab
und trocknet im Vakuumexsikkator. Die Ausbeute an rohem Tetrachlor-o-benzochinon
vom Schmelzpunkt 120—123 0 C beträgt 25-26 g (74,5—77,5%d.Th.). Das Produkt
läßt sich durch Umkristallisieren aus etwa 50 ml Tetrachlorkohlenstoff reinigen; 23—24,5 g
tiefroter Kristalle vom Schmelzpunkt 129 0C.

b) aus Pentachlorphenol

HNO,

Zur Suspension von 15Og (ca. 0,8 mol) techn. Pentachlorphenol in 300 ml Methylen-
chlorid, die auf dem Wasserbad siedet und gut gerührt wird, läßt man innerhalb von einer
Minute 20 ml konzentrierter Salpetersäure zulaufen. Der Kolbeninhalt färbt sich unter
Aufsieden tiefrot. Nach einer weiteren Minute gibt man 40 ml konzentrierte Salpeter-
säure rasch zu und rührt 15 min weiter. Dann wird mit Eiswasser auf 2O 0 C abgekühlt,
langsam mit 120 ml Wasser versetzt, weiter auf 1O 0 C abgekühlt, der ganze Ansatz ab-
gesaugt und der Rückstand auf der Nutsche mit wenig Methylenchlorid gewaschen. Er
besteht aus 18g (13%) rohem Tetrachlor-p-chinon (Chloranil).
Das Filtrat, das aus 2 Schichten besteht, wird in einem Standzylinder von 500 ml im
Ausgußbecken mit einem kontinuierlichen langsamen Wasserstrom gewaschen, der
von oben durch ein Glasrohr eintritt, das am Ende eine Fritte trägt und bis zum Boden
des Gefäßes reicht. Nach 30 min fließt neutrales Wasser ab. Jetzt trennt man die Schich-
ten im Scheidetrichter, trocknet die rote Methylenchloridphase mit Na2SO4 und dampft
im Vakuum zur Trockne. Den Rückstand löst man heiß in 150 ml Tetrachlorkohlenstoff
572 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

und läßt 2 h bei tiefer Temperatur kristallisieren. Man erhält 73 g Rohprodukt vom
Schmelzp. 124 0 C. Zur weiteren Reinigung löst man es in Ether, filtriert von einem gel-
ben Bodensatz ab, dampft die Etherlösung ab und kristallisiert aus Tetrachlorkohlenstoff
um. Das so erhaltene Chinon schmilzt jetzt bei 127—128 0 C. Aus der Mutterlauge kristalli-
siert nach Einengen auf die Hälfte und Kaltstellen nochmals Tetrachlor-o-benzochinon
vom Schmelzp. 12O 0 C aus, das ebenfalls aus Tetrachlorkohlenstoff umkristallisiert wird
und dann über 125 0 C schmilzt. Insgesamt resultieren 53g (38,5%).

Versuch: Dehydrierung von Brenzkatechin zu o-Benzochinon — Zu einer Lösung


von 25 g Tetrachlor-o-benzochinon in 250 ml wasserfreiem Ether fügt man auf einmal
11g reines Brenzkatechin in 50 ml Ether zu. Nach halbstündigem Kühlen auf -2O 0 C bis
-7O 0 C scheidet sich o-Benzochinon in tiefroten Blättchen ab. Man saugt ab und wäscht
vor dem Trockensaugen sofort gründlich mit vorgekühltem trockenen Ether nach. Aus-
beute 6,4—7 g (60—65% d.Th.). Aufbewahrung im Exsikkator über P 2 O 5 . Je nach Rein-
heitsgrad ist o-Benzochinon wenige Stunden bis mehrere Tage haltbar.

Versuch: Dehydrierung des Tetralins - 7,5g Tetrachlor-o-benzochinon und 1,9g


Tetralin (Siedepunkt 206 0 C) werden in 20 ml Benzol 2 h unter Rückfluß gekocht. Das
Reaktionsgemisch wird dann mit Wasserdampf destilliert, bis kein Naphthalin mehr über-
geht. Man trennt die Benzolphase ab und destilliert das Lösungsmittel ab. Nach Um-
kristallisieren des Rückstandes aus 3—4 ml Methanol erhält man die glänzenden, farb-
losen Blättchen des Naphthalins vom Schmelzpunkt 79-8O0C.

4-Methoxy-1,2-benzochinon aus Hydrochinon-monomethylether


(Teuber-Oxidation)
^OH ~ k l / _ ~ .— ^^s&

CHO

In einem 2- 1 -Weithalsrundkolben, der in einem größeren Gefäß mit Eis steht und mit
einem Rührer und Tropftrichter versehen ist, werden 3,0g Hydrochinon-monomethyl-
ether (24 mmol, S. 153) in 30 ml Ether gelöst. In einem zweiten 1-l-Gefäß, das eben-
falls in Eis steht, löst man gleichzeitig 15,Og Kalium-nitrosodisulfonat (56 mmol) und
3 g Natrium-dihydrogenphosphat in 800 ml Wasser. Diese Lösung gießt man portions-
weise in den Tropftrichter und läßt sie von dort unter Rühren rasch zum Hydrochinon-
ether tropfen. Die Temperatur im Reaktionsgefäß soll dabei nicht über 5 0 C steigen. Da-
nach rührt man noch etwa 1 h weiter und schüttelt das Reaktionsgemisch sechsmal mit
je 100 ml Chloroform aus. Die rote Chloroformlösung wird mit Natriumsulfat getrocknet
und im Vakuum bei Zimmertemperatur eingedampft. Es bleiben 3,2g (90%) rubinrote
Nadeln zurück, die sich gegen 85 0 C dunkel färben und bei 86— 89 0 C unter Zersetzung
schmelzen. Das o-Chinon ist selbst im Kühlschrank nicht sehr lange haltbar.

Darstellung von Kalium-nitrosodisulfonat

In einem 1 -I -Weithalskolben, den man dauernd in Eiswasser schüttelt, gießt man auf
200 g Eis 100 m!40proz. Natrium-hydrogensulfit- Lösung (techn. Bisulfitlauge;0,37mol),
oChinone und Anthrachinon 573

10OmI 35proz. Natriumnitritlösung (0,50 mol), 20 ml Eisessig sowie — nachdem man


5 min gewartet hat - 25 ml konzentriertes Ammoniumhydroxid. Dazu läßt man unter
dauerndem Weiterschütteln im Eisbad eine gut vorgekühlte Lösung von 13g Kalium-
permanganat (0,09 mol) aus einem Tropftrichter in möglichst rascher Tropfenfolge zu-
laufen. Anschließend läßt man noch etwa 10 min stehen und saugt dann unter Eisküh-
lung auf einer großen Nutsche vom Braunstein ab (Saugflasche in Eiswasser stellen,
Eisstückchen in die Nutsche legen). Zu dem Filtrat gießt man das gleiche Volumen einer
gut gekühlten, gesättigten Kaliumchloridlösung und läßt es 1—2 h in Eis stehen. Nun
wird das auskristallisierte Kalium-nitroso-disulfonat auf einer Glasfritte scharf abgesaugt.
Das rote Salz ist nur kurze Zeit beständig; um ein haltbares Präparat zu bekommen, muß
man es sofort Umkristallisieren. Dazu teigt man es in einem Becherglas mit 10OmI
1N Kalilauge an und gibt es unter Rühren in 800 ml einer auf 6O 0 C (nicht höher!) er-
wärmten 1N Kalilauge. Dabei löst es sich zu einer violetten Lösung, die sofort durch eine
Glasfritte gesaugt und in Eiswasser gestellt wird. Nach etwa 2 h werden die ausge-
schiedenen orangeroten Kristalle abgesaugt, vier- bis fünfmal mit je 200 ml Methanol
gewaschen (die Waschflüssigkeit muß zum Schluß neutral reagieren) und in einem
sauberen Vakuumexsikkator über Ätzkali getrocknet. Man erhält so 52 g (73%) Kalium-
nitroso-disulfonat. Dieses ist im Exsikkator über Alkali längere Zeit haltbar; an feuchter
Luft, besonders mit Säuredämpfen zersetzt es sich leicht unter Aufbrausen.

Bei freier /j-Stellung des Phenols tritt der Sauerstoff dort ein, sonst in die ortho-
Position zum Erstsubstituenten. So hat man eine besonders bequeme Möglichkeit zur
Darstellung von 0-Chinonen, die früher auf andere Weise nur schwierig zugänglich
waren. Bei einer Umsetzung, wie sie im vorstehenden Präparat beschrieben ist, wer-
den pro mol Phenol zwei mol des Radikal-Salzes verbraucht, von denen das eine zu
Hydroxylamin-disulfonat, das zweite zu Imidodisulfonat reduziert wird. Die Oxida-
tion verläuft nach einem radikalischen Reaktionsmechanismus.

Anthrachinon

CrO 3

O
1 g möglichst reines Anthracen wird in der eben nötigen Menge Eisessig in der Siede-
hitze gelöst; dazu fügt man ohne weiteres Erhitzen 3 ml konzentrierte Schwefelsäure
und unbeschadet einer Trübung oder Ausscheidung tropfenweise die Lösung von 4 g
Natriumdichromat in ganz wenig Wasser. Sehr heftige Reaktion unter fast augenblick-
lichem Verbrauch der Chromsäure; nach Zugabe von allem Dichromat kocht man noch
5 min. Beim Verdünnen mit Wasser fällt das Anthrachinon flockig aus; es wird nach
dem Absaugen, Waschen mit Wasser und Trocknen aus Eisessig umkristallisiert. Hell-
gelbe feine Nadeln vom Schmelzpunkt 285 0C.
Die vollkommen reine Verbindung ist farblos, Vergleich mit Benzo- und Naphtho-
chinon.
574 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Versuch : Anthrahydrochinon — Durch Erwärmen mit Natronlauge und Zinkstaub wird


Anthrachinon reduziert. Es geht mit tiefroter Farbe als Dinatriumsalz des Anthrahydro-
chinons in Lösung. Die filtrierte Lösung scheidet bei der Berührung mit Luft alsbald wie-
der Anthrachinon ab. — Formulieren Sie einige mesomere Grenzstrukturen des farbigen
Di-anions.

Alizarin (1,2-Dihydroxy-9,10-anthrachinon)
O O OH
,SO3Na
OH",Ox

O O
In einem Autoklaven erhitzt man die Mischung von 2 g (0,02 mol) Kaliumchlorat, 30g
technischem Natriumhydroxid und 10g (0,03 mol) feingepulvertem Natrium-2-anthra-
chinonsulfonat mit 40 ml Wasser 20 h lang auf 17O 0 C (Ölbad). Die erkaltete Schmelze
wird wiederholt mit heißem Wasser ausgezogen, die vereinigten filtrierten Lösungen
säuert man in der Hitze mit Salzsäure an. Der Niederschlag wird nach dem Erkalten ab-
gesaugt, mit verdünnter Salzsäure, dann mit Wasser gewaschen und getrocknet.
Zur Reinigung kocht man das Rohprodukt (am besten im Extraktionsapparat, Abb. 51)
mit Eisessig aus. Schöne rote Nadeln vom Schmelzpunkt 289 0 C. Auch die Sublimation
im Vakuum (S. 57) ist zu empfehlen. Beim Arbeiten im offenen Rundkolben, Temperatur
180-19O0C, erhält man viel schlechtere Ausbeuten an Alizarin.

Chinizarin (1,4-Dihydroxy-9,10-anthrachinon)
O

H2SO, ^

Eine Mischung von 5 g Hydrochinon und 20 g Phthalsäureanhydrid wird in einem offe-


nen Kolben mit einem Gemisch von 50 ml reiner konzentrierter Schwefelsäure und 10 ml
Wasser 3 h im Ölbad auf 170-18O0C und schließlich hoch 1 h auf 190-20O0C erhitzt
Die noch heiße Lösung gießt man dann unter Umrühren in 400 ml Wasser, welches sich
in einer Porzellanschale befindet, erhitzt bis zum Sieden und saugt heiß auf der Nutsche
ab. Der ganze Ansatz wird einmal wiederholt.
Der Rückstand wird im Trockenschrank bei 12O 0 C getrocknet. Er wird dann mit
30 ml XyIoI in einem Rundkolben mit aufgesetztem Rückflußkühler zum Sieden erhitzt
und durch einen Heißwassertrichter filtriert. Das Chinizarin kristallisiert in roten Blättchen
aus. Diesen Vorgang wiederholt man viermal, wobei man die Mutterlauge immer wieder
zum Extrahieren verwendet. Falls erforderlich, setzt man noch etwas XyIoI zu. Dieses
Rohprodukt wird getrocknet. Ausbeute 3-4 g. Schmelzpunkt 193-1940C
Zur Reinigung löst man das rohe Chinizarin in heißem Eisessig und setzt dann die
gleiche Menge heißes Wasser zu. Das Chinizarin fällt dabei teils in Blättchen, teils amorph
aus. Es wird heiß abfiltriert, getrocknet und aus XyIoI umkristallisiert. Der Farbstoff wird
bei 12O 0 C getrocknet Schmelzpunkt 1960C.'Ausbeute 3-3,5 g.
Chinoide Farbstoffe 575

Chinizarin löst sich in Alkalien, ebenso wie Alizarin, mit tief violetter Farbe. Es
läßt sich unzersetzt sublimieren.
Hydrochinon, infolge seiner Hydroxylgruppen mit Elektrophilen leicht reagierend,
braucht für die Friedel-Crafts-Reaktion mit dem Anhydrid nicht den starken Kata-
lysator AlCl3; Protonenkatalyse ist hier genügend.

Chinoide Farbstoffe

Durch Einbau chinoider 7i-Elektronensysteme in mesomere Strukturen entstehen


stark farbige Verbindungen, unter geeigneten Voraussetzungen Farbstoffe. Die Be-
dingungen zur Mesomerie erfüllt in einfachster Weise die Anordnung

wobei X allgemein N oder CR sein kann, während A O oderNR2 und B OH oder


NR2 sind. Die zunächst zu behandelnde Gruppierung mit X = N kam schon in dem
bei der Anilinoxidation auf S. 563 beschriebenen farbigen Zwischenprodukt vor. Sie
gehört einem Chinonimin an. Bei X = CAr trifft man auf die Triphenylmethan-Farb-
stoffe.

Chinonimin- Farbstoffe
Verschiedenartige Chinonimin-Farbstoffe erhält man bei Variation der Substituen-
ten A und B. Wenn A - O, B = OH sind, heißen sie

a) Indophenole O OH mesomer als Anionen

wenn A = O, B = N(R)2 heißen sie

b) Indoaniline mesomer mit der fast

energiegleichen Zwitterionenform "O

wenn A und B = N(R)2 heißen sie


c) Indamine, mesomere Kationen
576 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Von den Indophenolen hat nur 2,6-Dichlorindophenol (Tillmann's Reagens) als


Titrationsreagens für Ascorbinsäure gewisse Bedeutung, da das blaue Anion durch
das Reduktionsmittel entfärbt wird. Auch die Indoaniline beanspruchen weniger
Interesse als die Indamine. Deren Herstellung erfolgt durch oxidative Kupplung der
N,7V-Dialkyl-/?-phenylendiamine mit aromatischen terf-Aminen. Als Beispiel wird
hier /7-Aminodimethylanilin mit seinen Reaktionen beschrieben.
Man erhält das Diamin durch Reduktion von /7-Nitrosodimethylanilin. Die grüne
Nitrosoverbindung entsteht sehr leicht durch elektrophile Substitution am Dime-
thylanilin durch salpetrige Säure, wie im Präparat S. 242 gezeigt wird.

p-Amino-dimethylanilin

SnCl2
-N(CH 3 J 2

In einem kurzhalsigen Rundkolben von V2 Liter Inhalt löst man 10Og Zinn(ll)-chlorid
in 12OmI konzentrierter Salzsäure und trägt unter starkem Rühren oder Schütteln 38g
(0,2 mol) p-Nitroso-dimethylanilin-hydrochlorid (Präparat S. 242) in Form des feuchten
Rohproduktes nach und nach in kleinen Anteilen ein. Wenn die Reaktion nicht sofort
einsetzt, erwärmt man auf dem Wasserbad; das eingetragene Salz soll nach kurzer Zeit
vollkommen in Lösung gehen. Die Reaktion muß so reguliert werden, daß sie ständig in
Gang bleibt, ohne allzu stürmisch zu werden.
Die zum Schluß hellgelbe Lösung wird abgekühlt und unter Außen- und Innenküh-
lung (etwas Eis einwerfen) mit einer Lauge aus 15Og technischen NaOH in 300 ml
Wasser alkalisch gemacht; die anfangs ausgeschiedene Zinnsäure geht in der Haupt-
sache in Lösung. Nun nimmt man die frei gemachte ölige Base ohne Rücksicht auf kleine
Mengen noch ungelöster Zinnsäure in Ether auf, ethert noch 1—2 mal nach, trocknet kurz
mit geglühtem Kaliumcarbonat, dampft dann den Ether ab und läßt dieser Operation
sofort die Vakuumdestillation der freien Base folgen. Sie geht fast vollständig farblos bei
138-14O0C / 12 Torr über. Ausbeute 18-2Og (etwa 75%). Erstarrt beim Abkühlen,
Schmelzpunkt 41 0C. Das freie Amin ist ungemein luftempfindlich. Schon nach einigen
Stunden bräunt sich das anfangs farblose Präparat. Unter Stickstoff eingeschmolzen,
läßt es sich einige Wochen aufbewahren, in Berührung mit Luft kaum einen Tag. Da-
gegen sind die Salze beständig. Man führt die Base deshalb ins Hydrochlorid über. 14g
(ca. 0,1 mol) werden mit 20 ml 6N Salzsäure in einer Porzeljanschale auf dem Wasser-
bad eingedampft; der Rückstand wird im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure und
(getrennt aufgestelltem) festem KOH vollständig getrocknet.

Sehr schön erhält man fast allgemein die Hydrochloride organischer Amine, wenn
man sie bis zur sauren Reaktion auf Kongopapier mit alkoholischer Salzsäure neu-
tralisiert und dann durch allmähliche Zugabe von absolutem Ether das Salz unter
Reiben zur Ausscheidung bringt. Man hüte sich, durch allzu rasch hinzugefügten
Ether das Salz amorph auszufällen. Man warte erst die Kristallisation ab, die sich
Darstellung von Wursters Rot 577

meist darin kundgibt, daß sich an den mit dem Glasstab geriebenen Stellen ein pulvri-
ger Überzug bildet.

Durch Übergießen mit der gleichen Gewichtsmenge Essigsäureanhydrid wird die


Base acetyliert. Kurz im Wasserbad erwärmen, dann mit Wasser verdünnen. Um die noch
basische Acetylverbindung abzuscheiden, wird mit Natronlauge schwach alkalisch ge-
macht. Schmelzpunkt der aus Wasser umkristallisierten Substanz ist 13O0C.

Versuch: Wursters Rot — Man löst einige Körnchen des Hydrochlorids im Reagenz-
glas in einigen Tropfen verdünnter Essigsäure, fügt etwa 5 ml Wasser und einige Eis-
stückchen und dann einige Tropfen stark verdünntes Bromwasser oder Dichromat-
lösung zu. Es tritt eine prächtige Rotfärbung auf, die bei Zusatz von weiterem Oxidations-
mittel stark zurückgeht. Arbeitet man etwas konzentrierter und erhitzt die oxidierte Lö-
sung zum Sieden, so nimmt man den Geruch des p-Benzochinons wahr.

Bei der Oxidation von /7-Aminodimethylamlin, hier mit Brom oder Dichromat,
wird das Optimum an Farbstoff, dem sogenannten Wurster'sehen Rot bei Zugabe
von einem Atom pro Molekül, also bei Wegnahme eines Elektrons erzeugt. Es bildet
sich ein Radikalkation, das seine Stabilität der Delokalisierung der positiven Ladung
und des Einzelelektrons verdankt.

Geht man vom Tetramethyl-/?-phenylendiamin aus, so entsteht das Radikalkation


„Wursters Blau". Monovalente Oxidation geeigneter Hydrochinone in Gegenwart
von Basen führt zu ebenfalls farbigen Radikalanionen. Solche Radikalionen hat man
früher als Semichinone bezeichnet.
578 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Bei weiterer Oxidation geht das /7-Aminodimethylanilin ins säurelabile Chinon-


immoniumsalz über, das zu Chinon hydrolysiert wird. In der Kälte und in Anwesen-
heit einer reaktionsfähigen Komponente wie Phenol, Anilin oder Dimethylanilin wird
das Kation hingegen in einer elektrophilen Substitutionsreaktion zum Leukoindo-
anilin bzw. zum Leukoindamin abgefangen. Die Leukoverbindungen werden durch
das Oxidationsmittel sofort zu den Farbstoff-Kationen oxidiert. Mit Dimethylanilin
entsteht so Bindschedlers Grün.

+ {3~ N(CH 3 J 2

Chinonimoniumsalz durch
Oxidation aus p-Amino-dimethylanilin

(CH3)2N N(CH3)2

Leukoverbindung

(CH3J2N N(CH3J2

Bindschedlers Grün
(mesomer)

Die eben beschriebene Kupplung des Chinondiimins, aber mit aktiven Methylen-
komponenten, z.B. Pyrazolonen, bildet das Prinzip der chromogenen Entwicklung
in der Farbphotographie. Das durch Oxidation mit den Silberionen aus N9N-Di-
ethyl-/?-phenylendiamin entstandene Chinondiimin kuppelt mit der Komponente
zur Leukoverbindung, die durch weiteres Ag + zum Farbstoff oxidiert wird.

XN
H2C I

AlK
O
Pyrazolon

(C2H5J2N
AlK

Während die Indaminfarbstoffe kein färberisches Interesse haben, kommt ihren


tricyclischen Verwandten, den Phenazin-, Phenthiazin- und Phenoxazinfarbstoffen
Bindschedlers Grün und Methylenblau 579

eine gewisse Bedeutung zu. Bei ihnen ist der Brückenstickstoff Glied eines hetero-
cyclischen 6-Ringes. Als Beispiel sei der sehr bekannte Phenthiazinfarbstoff Me-
thylenblau genannt. Das Experiment seiner Herstellung aus Bindschedlers Grün mit
Schwefelwasserstoff lehrt den Zusammenhang der Farbstoffklassen. H 2 S lagert sich
an die chinoide C,C-Doppelbindung an, das Thiol schließt nach oxidativer Erzeu-
gung einer neuen Chinoniminstruktur auf analoge Weise den Ring zur Leukoverbin-
dung, die zum cyclischen Indamin oxidiert wird.

Bindschedlers Grün

,N,

(CH3J2N N(CH3J2 N
-H 7 S

(CH3)2N N(CH3J2

Methylenblau Leuko - methylenblau

Ähnlich verläuft der technische Prozeß, der von /?-Aminodimethylanilin + Dime-


thylanilin ausgeht und zur Einführung des Schwefels Thiosulfat benutzt. Methylen-
blau läßt sich leicht, auch durch biologische Systeme zur farblosen Leuko Verbindung
reduzieren und hat dieser Eigenschaft seine wichtige Stellung auch in diesem Bereich
der Chemie zu verdanken.

Bindschedlers Grün
7 g p-Aminodimethylanilin werden zusammen mit 6 g Dimethylanilin in 40 ml konzen-
trierter Salzsäure, die man mit ebensoviel Wasser verdünnt hat, gelöst. Unter Eiskühlung
und Rühren läßt man dazu aus einem Tropftrichter die Lösung von 10g Natriumdichromat
in 20 ml Wasser langsam zufließen. Dann setzt man die Lösung von 10g Zinkchlorid in
20 ml Wasser zu, worauf, besonders beim Reiben, das schöne Zinkdoppelsalz des Farb-
stoffs auskristallisiert. Nach einer halben Stunde saugt man ab, wäscht erst mit kaltem
Wasser, dann mit Alkohol und schließlich mit Ether. Ausbeute 10—12 g. Der Farbstoff ist,
gut getrocknet, längere Zeit haltbar.
2—3g des Farbstoffs bringt man mit 20 ml 2 N Salzsäure in einen Fraktionierkolben
und leitet bei vorgelegtem Wasserkühler Wasserdampf ein. Nach kurzer Zeit sieht man
die charakteristischen gelben Nadeln von Chinon übergehen.

Versuch : Methylenblau — In eine möglichst konzentrierte wässerige Lösung von Bind-


schedlers Grün leitet man langsam Schwefelwasserstoff ein, bis nach einiger Zeit der
Farbton auf Gelbrot zurückgeht. Jetzt setzt man verdünnte Salzsäure und die Lösung
580 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

von 0,3 g Natriumdichromat zu und bringt mit konzentrierter Zinkchloridlösung das


Zink-Doppelsatz über Nacht zur Ausscheidung.

Triphenylmethanfarbstoffe

Denkt man sich im mesomeren Indaminsystem den Stickstoff durch eine phenylsub-
stituierte Methingruppe ersetzt, so hat man die Klasse der Triphenylmethanfarbstoffe
vor sich. Den Indophenolen entspricht bei den Triphenylmethanfarbstoffen der
Benzaurintyp, den Indaminen der Typ des Malachitgrüns.

0
Benzaurin " ** Malachitgrün
(als Anion mesomer) (mesomeres Kation)

Durch eine zusätzliche „auxochrome" Gruppe in /^-Stellung des dritten Phenylrests


wird die Farbe vertieft: eine weitere Dimethylaminogruppe im Malachitgrün führt
zum Kristall violett, dessen methylfreier Grundkörper Parafuchsin heißt (Fuchsin
enthält einen monomethylierten Benzolring). Sowohl die Indamin- wie auch die
Triphenylmethanfarbstoffe lassen sich prinzipiell als Polymethinfarbstoffe (siehe
Cyaninfarbstoffe S. 682) auffassen.

2
Kristallviolett Parafuchsin
(eine Grenzform) (eine Grenzform)

Basische Triphenylmethanfarbstoffe

Die Synthese des Malachitgrüns erfolgt durch H+-katalysierte Kondensation (elek-


trophile Substitution) von Dimethylanilin mit Benzaldehyd, wobei 2 Moleküle der
Base in Reaktion treten. Sie führt zur Leukoverbindung des Farbstoffs, der daraus
durch Oxidation mit Bleidioxid über die farblose Carbinolbase abgeschieden und mit
Oxalsäure als Salz erhalten wird.
Basische Triphenylmethanfarbstoffe 581

C6H4- N(CH3J2
(H*)
C 6 H 5 -CHO + 2 -N(CH 3 J 2 C6H5-CH
X
C6H4-N(CH3J2
Leukomalachitgrün

N(CH3J2 N(CH3)2

C 6 H 5 -C C6H5-C-OH

N(CH'3'2
3) N(CH'3'2
3)

Farbstoff Carblnolbase
(mesomeres Kation) (farblos)

Kristallviolett wird durch Kondensation von Michlers Keton (4,4'-Bis-dimethyl-


aminobenzophenon, zugänglich aus Dimethylanilin und Phosgen) und Dimethyl-
anilin mit POCl3 als Lewis-Katalysator synthetisiert. Die Wasserabspaltung zum
chromophoren System erfolgt gleichzeitig mit der Substitution am Dimethylanilin.
Hydroxidionen lagern sich mit verfolgbarer Geschwindigkeit an den Methinkohlen-
stoff an, wobei unter Entfärbung die Carbinolbase entsteht, die in Wasser sehr
schwer löslich ist und so auch hier die Reingewinnung des Farbstoffs gestattet, der
durch Behandlung mit Säure aus ihr hervorgeht. Durch Säureüberschuß wird eine
Dimethylaminogruppe protoniert und damit von der Mesomerie ausgeschlossen: aus
dem Kristallviolett entsteht das grüne Doppelkation vom Farbcharakter des Mala-
chitgrüns.
H
+
.H
(CH 3 J 2 N (CH3J2N
C6H^-N(CH3)2 C6H^-N(CH3J2
Kristallviolett grünes Doppelkation
(mesomeres Kation) (Mesomerie eingeschränkt)

Malachitgrün
(Formeln siehe oben)

Darstellung der Leukobase: Eine Mischung von 30g (0,25 mol) Dimethylanilin und 10g
Benzaldehyd (ca. 0,1 mol) (beide frisch destilliert) wird mit 10g Schwefelsäure, die
man vorher mit 8 ml Wasser verdünnt hat, in einem Rundkolben mit Anschütz-Aufsatz
zusammengebracht. Der Kolben ist seitlich mit einem kurzen Kühler und im vertikalen
Rohr mit einem Rührer versehen. Man hält nun unter dauerndem Rühren 20 h lang im
Sieden (Ölbad von 15O 0 C), macht nach dem Erkalten mit Natronlauge alkalisch und
treibt mit Wasserdampf das überschüssige Dimethylanilin weg.
Nachdem die Flüssigkeit erkaltet ist, gießt man das Wasser ab, wäscht den Rückstand
mehrmals mit Wasser nach, das man zum Schluß möglichst vollständig entfernt, und löst
582 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

ihn im Kolben selbst unter Erwärmung auf dem Wasserbad in der eben nötigen Menge
Alkohol auf. Nach dem Filtrieren läßt man die Lösung über Nacht im Kühlschrank ste-
hen, wobei die Base sich in farblosen Kristallen abscheidet, welche abfiltriert, mit Alkohol
nachgewaschen und im Exsikkator getrocknet werden. Durch Einengen der Mutterlauge
läßt sich noch eine zweite Kristallisation gewinnen. Ausbeute 30 g.
Oxidation der Leukobase. 16,5 g des trockenen Präparats (0,05 mol) werden in 120 ml
2N Salzsäure heiß gelöst, die praktisch farblose Lösung verdünnt man mit 280 ml Wasser
und trägt unter guter Eiskühlung und stetem kräftigem Umschütteln des Gefäßes die Auf-
schlämmung von 13g Bleidioxid in 30 ml Wasser in die Lösung ein.
Aus der Farbstofflösung wird das Blei mit der Lösung von 25 g Natriumsulfat ausge-
fällt, dann wird vom Bleisulfat abgesaugt und aus dem Filtrat die Carbinolbase der wässe-
rigen Lösung von 25 g wasserfreiem Natriumcarbonat, ausgefällt. Nach dem Absaugen
wird der mit Wasser gut ausgewaschene Niederschlag in der siedenden Lösung von 10g
Oxalsäure und 1 g Ammoniumoxalat in 40 ml Wasser gelöst, wobei man die Base in
kleinen Anteilen einträgt. Zum Schluß wird filtriert und das Filtrat zu sehr langsamem
Erkalten aufgestellt. Die Kristallisation dauert gewöhnlich 1—2 Tage. Die abgesaugten
schönen Kristalle des Farbstoff-Oxalats werden im Exsikkator getrocknet.

Bleidioxid
Falls käufliches Bleidioxid nicht ausreichend aktiv sein sollte, kann man sich auf folgende
Weise eine Paste von aktivem Bleidioxid herstellen: 50g Bleitetraacetat werden auf
Zentrifugengläser verteilt und so lange unter 460 ml Wasser zerdrückt und verrieben, bis
alles Bleitetraacetat in braunes Bleidioxid übergegangen ist. Nun zentrifugiert man
10 min, dekantiert, rührt den Rückstand noch viermal mit je 460 ml Wasser auf und zen-
trifugiert jedesmal wieder, dann ist das überstehende Wasser schließlich neutral. Man
wirbelt den Niederschlag mit 50 ml Wasser auf, saugt auf einer Nutsche nicht ganz trok-
ken und rührt mit wenig Wasser zu einer Paste auf.

Kristallviolett
(Formeln S. 580, 581)
Eine Mischung von 24g (0,25 mol) Dimethylanilin, 10,8g (0,04 mol) 4,4'-Bis-dime-
thylaminobenzophenon (Michlers Keton) und 10g Phosphoroxychlorid wird in einem
offenen trockenen Kolben 5 h lang im lebhaft siedendem Wasserbad erhitzt. Die blau
gefärbte Schmelze wird dann in etwa 400 ml Wasser eingegossen und die Lösung mit
Natronlauge alkalisch gemacht. Der Überschuß an Dimethylanilin wird mit Wasserdampf
abgeblasen (Kühler); wenn keine Öltropfen mehr übergehen, läßt man erkalten, saugt
die erstarrte Carbinol-Base ab, wäscht gut mit Wasser nach und kocht mit der Lösung
von 4 ml konzentrierter Salzsäure in 1/2 I Wasser gründlich aus. Die blaue Lösung wird
siedend heiß durch ein Faltenfilter filtriert, den Rückstand kocht man mit kleineren Men-
gen der gleichen verdünnten Salzsäure so oft aus, bis fast alles in Lösung gegangen ist.
Die vereinigten Auszüge versetzt man nach dem Erkalten unter kräftigem Umrühren so
lange mit feingepulvertem Kochsalz, bis der Farbstoff ausgefällt ist. Er wird abgesaugt
und aus wenig Wasser umkristallisiert. Beim Erkalten scheidet sich das Kristallviolett in
derben, bronzeglänzenden Prismen ab, die man nach dem Absaugen auf Filtrierpapier
an der Luft trocknet. Ausbeute 14—15 g (um 75%).
Fuchsin und saure Triphenylmethanfarbstoffe 583

Beim Auskochen ist zu beachten, daß man mit möglichst wenig Salzsäure auskommt,
da bei einem Überschuß an Säure das viel leichter lösliche saure Salz des Farbstoffs ge-
bildet wird.

Versuch: Verhalten gegen Alkalien und Säuren — Die wässerige Lösung eines Tr i-
phenylmethanfarbstoffs wird mit einigen Tropfen Natronlauge versetzt. Der Farbton geht
bald zurück, indem sich gleichzeitig schwach angefärbte Flocken des Carbinols aus-
scheiden. Bei Zugabe von konzentrierter Salzsäure geht die Farbe über grün ins Gelb
des voll protonierten Moleküls über.

Die Entfärbung des Fuchsins durch schweflige Säure, wie sie zur Herstellung des
Schiff sehen Reagenzes auf Aldehyde (S. 344) ausgeführt wird, beruht auf der Ausbil-
dung von Amidosulfinsäuren in denen die Sulfinsäuregruppen als Akzeptoren die
freien Elektronenpaare des Stickstoffs an der Mesomerie mit dem Rest des Moleküls
hindern. Aldehyde bilden im System Amin - schweflige Säure a-Aminoalkylsulfon-
säuren, in denen die Elektronen am Stickstoff wieder für die Mesomerie des Farb-
stoffs frei sind.

H7N
C6H^-NH-SO2H
Paraf uchsin t rot Fuchsinschweflige Säure
mesomeres Kation farblos t keine Mesomerie

+ RCHO
UH 2 SO 3 )

R
H9N = V-N-CH-SO^H , =N—CH-SO33 H
^J H \=/ H
C6H^NH-CH-SO3H C6H^-NH-CH-SO3H
R
r o t t mesomeres Kation

Saure Triphenylmethanfarbstoffe

In dieser Klasse sind die Phthaleine von Bedeutung. Die Stammverbindung Phenol-
phthalein entsteht bei der durch Säure katalysierten Kondensation von Phthalsäure-
anhydrid mit 2 Molekülen Phenol, wobei sich das farblose y-Lacton der 4,4'-Dihy-
droxytriphenylcarbinol-0-carbonsäure bildet. Durch OH-Ionen wird eine Phenol-
gruppe deprotoniert, der Lactonring spaltet sich gleichzeitig auf, so daß das chromo-
phore System des tiefroten, mesomeren doppelten Anions entsteht. Mit H*-Ionen
ist der Vorgang rückläufig.
584 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Die analoge Schmelze von Phthalsäureanhydrid mit Resorcin führt zur Ausbil-
dung des Xanthenringsystems als Baustein des Fluoresceins. Dieser Farbstoff sowie
sein Tetra-0-bromderivat, das Eosin, sind auch im sauren Milieu farbig (gelb bzw.
rot). Man schreibt ihnen deshalb die chinoide Form zu, die hier vor der Spiranstruktur
des Lactons energetisch begünstigt ist, da sie mit der Oxoniumstruktur mesomer ist.
Die Anionen fluoreszieren intensiv gelbgrün bzw. orangerot.

Fluorescein
Eosfn (Tetrabromderivat ,Br an den mit Pfeilen bezeichneten Stellen)

Durch Hydrierung zum Triphenylmethan (Leukoform) wird bei allen Farbstoffen


der Farbcharakter beseitigt; viele Leukoverbindungen gehen schon an der Luft in die
Farbstoffe über. Vom Eosin abgeleitete, in der Phthalkomponente chlorierte
Phthaleine (Phloxin, Rose bengale) und solche mit basischen Gruppen (Rhodamine)
haben noch heute Bedeutung als Seidenfarbstoffe. Der Rest des stark fluoreszieren-
den Fluoresceins und Rhodamins kann in der Molekularbiologie zur Markierung
von Proteinen, z. B. Antikörpern dienen, die sehr empfindlich im Fluoreszenzmikro-
skop erkannt werden. Hierzu wird z. B. ein Derivat verwendet, das in /7-Stellung zur
Carboxylgruppe eine Isothiocyanatgruppe, —N=C=S, enthält, die Aminogruppen
des Proteins unter Thioharnstoffbildung (S. 529) addiert.

Fluorescein und Eosin


(Formeln oben)
15g Phthalsäureanhydrid (0,1 mol) werden in einer Reibschale mit 22g Resorcin
(0,2 mol) innig verrieben und im Ölbad auf 18O 0 C erwärmt Hierzu verwendet man
zweckmäßig einen 10OmI Weithals-Erlenmeyer-Kolben aus dickwandigem Duranglas.
In die geschmolzene Masse trägt man unter Umrühren mit einem Glasstab im Laufe von
10 min 7 g vorher durch Schmelzen entwässertes und dann pulverisiertes Zinkchlorid ein.
Man steigert darauf die Temperatur auf 21O 0 C und fährt mit dem Erhitzen so lange fort,
bis die immer dickflüssiger werdende Masse vollkommen fest geworden ist, wozu 1-2 h
Zeit erforderlich sind. Die erkaltete, spröde Schmelze wird mit Hilfe eines scharfen In-
Fluorescein und Eosin 585

strumentes aus dem Gefäß herausgekratzt fein pulverisiert und in einer Porzellanschale
mit 200 ml Wasser unter Zusatz von 1OmI konzentrierter Salzsäure 10min lang ge-
kocht. Es gehen hierbei die nicht in Reaktion getretenen Ausgangsmaterialien und ba-
sisches Zinksalz in Lösung. Man filtriert dann das Fluorescein von der wässerigen Flüssig-
keit ab, wäscht es so lange mit Wasser nach, bis das Filtrat nicht mehr sauer reagiert und
trocknet im Trockenschrank. Ausbeute fast quantitativ. Ein Körnchen des Präparats löse
man in wenig Ammoniak und verdünne im Becherglas mit 1 Liter Wasser.
Eosin. Zu 16,5 g (0,05 mol) Fluorescein, welche man in einem Kolben mit 80 ml Alko-
hol übergössen hat, läßt man aus einem Tropftrichter unter Umschütteln 36 g (=12 ml)
Brom (0,05 mol) innerhalb 20 min zutropfen. In der Mitte der Reaktion tritt vorüber-
gehend Lösung ein — Dfibromfluorescein ist in Alkohol löslich —, dann aber kommt das
schwer lösliche Eosin kristallin zur Abscheidung.
Nach 2 h wird filtriert, der Niederschlag mehrmals mit Alkohol gewaschen und im
Trockenschrank bei 11O 0 C getrocknet, wobei der Farbton heller wird.
Ammoniumsalz. Auf eine Kristallisierschale mit flachem Boden, welche zu 1/3 mit kon-
zentriertem wässerigem Ammoniak gefüllt ist, legt man ein weitmaschiges Drahtnetz und
darauf ein Filterpapier, breitet auf diesem Eosin in einer Schicht von etwa 1/2 cm Dicke
aus und überdeckt das Ganze mit einem Trichter. Die hellroten Kristalle nehmen sehr bald
eine dunklere Färbung an und sind nach etwa 3 h vollständig in das Ammoniumsalz ver-
wandelt, welches dunkelrote, grünschillernde Kristalle bildet. Das Ende der Reaktion ist
daran zu erkennen, daß sich eine Probe in Wasser vollständig auflöst.
Natriumsalz. 6 g Eosin werden mit 1 g entwässertem Na-carbonat verrieben, in einem
nicht zu kleinen weithalsigen Erlenmeyerkolben mit wenig Alkohol durchfeuchtet und
nach Zusatz von 5 ml Wasser so lange im Wasserbad erwärmt, bis die Entwicklung von
Kohlendioxid aufgehört hat. Zu der wässerigen Lösung von Eosin-Natrium fügt man 20g
Alkohol, erhitzt zum Sieden und filtriert die heiße Lösung. Beim Erkalten scheiden sich,
manchmal erst nach längerem Stehen, prächtige, braunrote Nadeln mit metallischem
Glanz ab, die nach dem Absaugen mit Alkohol gewaschen werden.

Hier sei noch ein anderer, aus der Phthalsäure erhältlicher Farbstoff erwähnt, das
Phthalocyanin.
586 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Kupfer-Phthalocyanin

Kupfer- Phthalocyanin
(Grenzstruktur)

Ein inniges Gemisch von 5,0g Phthalsäure (30 mmol) oder 4,5g Phthalsäureanhydrid,
1,0g Kupfer(ll)-chlorid (7,5 mmol), 25g Harnstoff (mehr als zehnfacher Überschuß)
und etwa 50 mg Ammoniummolybdat wird in einem dickwandigen großen Reagenzglas
unter häufigem Umrühren sechs bis sieben h lang im Ölbad auf 18O 0 C Innentemperatur
erhitzt. Dann läßt man erkalten, kocht die blaue Masse mit Salzsäure aus, saugt ab und
digeriert den Rückstand mit kalter 2N Natronlauge, saugt wieder ab, kocht das schön
blaue Pulver nochmals mit 2 N Salzsäure, wäscht wiederum gut mit Wasser, saugt ab
und trocknet im Exsikkator. Ausbeute: 3-3,5 g (70-80%).

Der hier im Eintopfverfahren hergestellte Kupferkomplex des Phthalocyanins


wurde 1934 durch Erhitzen von Phthalonitril mit Kupfer salz von Linstead syntheti-
siert.
Die Komplexe mit Kupfer und anderen Schwermetallen sind so beständig, daß sie
sich aus konz. Schwefelsäure mit Wasser unverändert ausfallen lassen (Versuch!).
Der Platinkomplex läßt sich sogar bei dunkler Rotglut im Vakuum unzersetzt
sublimieren. Diese große Stabilität ist auf den aromatischen Charakter des konju-
giert-ungesättigten heterocyclischen Tetraazaporphins [(4 x 4) + 27i-Elektronen) zu-
rückzuführen. Da die Phthalocyanine sehr lichtecht sind, werden sie häufig als Farb-
stoffe verwendet. Auf Textilien können sie wegen ihrer Unlöslichkeit nicht direkt
aufgebracht werden, sondern müssen aus ihrem Vorprodukt, dem l-Amino-3-imino-
isoindolenin (Phthalamidin) durch Wasserdampf auf der Faser entwickelt werden.
Durch sechzehnfache Chlorierung des Phthalocyanins entsteht ein ebenso wert-
voller grüner Farbstoff. Phthalocyanine ohne Benzolringe, Tetraazaporphine kön-
nen in ähnlicher Weise aus Succinimid hergestellt werden. Das Porphingerüsf der
Natur begegnet uns am Beispiel des Hämins (siehe S. 694).
Stabile Radikale 587

Organische Radikale

Triphenylmethyl

(C 6 H 5 J 3 CCI -*U (C 6 H 5 J 3 C-
Darstellung einer Triphenylmethyllösung. 2 g ganz reines, farblos lösliches Triphenyl-
chlormethan werden in einer Glasstöpselflasche von 25ml Inhalt in 20 ml Benzol ge-
löst. Dann trägt man 5 g Zinkstaub ein und schüttelt 5 min lang kräftig durch. Mit der
gold- bis orangegelben Radikallösung stellt man zuerst den bekannten Schmidlinschen
Dissoziationsversuch an. Man gießt von der klaren Lösung etwa 2 ml in ein großes
Reagenzglas, verdünnt mit 2 ml Benzol und schüttelt um. Die Lösung entfärbt sich, als-
bald aber kehrt die Farbe wieder. Durch erneutes Schütteln mit Luft kann das Radikal
wieder in das farblose Peroxid übergeführt werden. Die schöne Erscheinung läßt sich
noch einige Male wiederholen. Tritt beim ersten Schütteln nicht sofort Entfärbung ein,
dann hat man zuviel von der Triphenylmethyllösung verwendet. Man wiederholt dann
den Versuch mit der halben Menge. Den Rest der Hauptlösung filtriert man durch ein
Faltenfilter und schüttelt mit Luft den ungesättigten Kohlenwasserstoff als Peroxid aus,
das in farblosen Kristallen herauskommt und nach einigem Stehen abgesaugt und mit
Ether gewaschen wird. Schmelzpunkt unter Rotfärbung und Zersetzung bei 1830C.

Der Schmidlinsche Versuch, der hier ausgeführt wurde, demonstriert das Gleich-
gewichtsverhältnis zwischen Triphenylmethyl und seinem Dimeren. Das Verschwin-
den der gelben Farbe beim Schütteln mit Luft zeigt an, daß im Gleichgewicht vor-
handene gelbe Radikale rasch mit Sauerstoff zum farblosen Peroxid abreagieren. Die
Wiederherstellung des Gleichgewichts unter erneuter Dissoziation von farblosem
Dimeren erfolgt so langsam, daß man das Entstehen des gelben Radikals in der farb-
los gewordenen Lösung beobachten kann.
/=\ H
2(C 6 H 5 J 3 CCl-2(C 6 H 5 J 3 C ^ (C6H5J2C =
C(C6H5J3
AH*46kJ/mol(11kcal/mol)

Triphenylmethyl, historisch die erste organische Verbindung, bei der das Vor-
handensein einer freien Valenz, eines ungepaarten Elektrons, erkannt worden ist,
wurde von M. Gomberg 1900 bei Versuchen zur Darstellung von Hexaphenylethan
entdeckt. Triphenylmethyl dimerisiert jedoch nicht zu Hexaphenylethan, sondern
ein Triphenylmethyl-Kohlenstoff kombiniert mit dem Kohlenstoff in 4-Stellung
einer Phenylgruppe eines zweiten mesomeren Radikals (siehe oben) unter Bildung
von l-Diphenylmethylen-4-triphenylmethylcyclohexa-2,5-dien (W.T. Nauta). Diese
Art der Dimerisierung ist gegenüber der Bildung von Hexaphenylethan bevorzugt,
weil die sterische Abschirmung des Methylkohlenstoffs durch die 3 propellerartig
angeordneten Phenylreste eine direkte Dimerisierung der Methvlkohlenstoffe ver-
588 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

hindert. Ein echtes Hexaphenylethanderivat liegt jedoch im Dimeren des 9-Phenyl-


9-fluorenyl vor (H.A. Staab).

Das Dissoziationsgleichgewicht des Triphenylmethyldimeren liegt bei Raum-


temperatur weitgehend auf der Seite des Dimeren (Gleichgewichtskonstante
4 a2
K = 6,56 • 10~ 4 in m-Xylol bei 250C). Aus K = c (a = Dissoziationsgrad) er-
1 —a
gibt sich, daß in einer IM Dimerenlösung bei 250C nur ca. 1% des Dimeren disso-
ziiert vorliegt (bei 0,1 M sind es 4%, bei O 9 OlM 13%). Während im allgemeinen beim
Verdünnen farbiger Lösungen die Anzahl der farbigen Moleküle gleich bleibt (Gesetz
von Bouguer-Lambert-Beer: E = e - c - d ; die Extinktion ist proportional zur
Konzentration und zur Schichtdicke), steigt die Extinktion von Triphenylmethyl-
lösungen mit zunehmender Verdünnung an, weil sich die Anzahl der farbigen Tri-
phenylmethylmoleküle durch die wachsende Dissoziation erhöht.

Versuch: Lambert-Beer'sches Gesetz — Man überzeuge sich von seiner Gültigkeit,


indem man zwei, mit schwarzem Papier umwickelte Reagenzgläser mit gleichviel ml
(1-2) einer verdünnten Farbstofflösung (Tinte) beschickt, die Gleichheit der Farbinten-
sität durch Betrachtung von oben gegen einen weißen Untergrund feststellt und dann
eine Lösung mit 5—1OmI Wasser verdünnt. Denselben Versuch führe man mit zwei
gleichgroßen Proben der gelben Radikallösung aus, die man ohne starke Luftberührung,
am besten unter Stickstoff, in die Gläser einfüllt.

Die Dimerisierung von Triarylmethylradikalen wird überwiegend durch sterische


Effekte bestimmt. Jeder zusätzliche Substituent in den Phenylresten des Triphenyl-
methyls erhöht den Dissoziationsgrad. Tris(4-nitrophenyl)methyl und Tris(4-bi-
phenylyl)methyl sind als monomere dunkelgrüne Radikale in kristallisiertem Zu-
stand bekannt, und auch Tris(2-methylphenyl)methyl liegt in Lösung nahezu mono-
mer vor. In diesen Beispielen ist entweder der zentrale Methylkohlenstoff durch o-
Substituenten sterisch weitgehend abgeschirmt oder die Dimerisierung des Methyl-
kohlenstoffs mit einem Kohlenstoff in 4-Stellung der Arylreste durch große /?-Sub-
stituenten erheblich erschwert.
Triphenylmethyl zeichnet sich durch eine hohe Reaktivität aus. Seine Lösungen
Triphenylmethylkation und -anion 589

werden bei Zutritt von Luft entfärbt unter Bildung von farblosem Triphenylmethyl-
peroxid. Die Reaktion spielt sich in einer (kurzen) Kette ab (K. Ziegler)

(C 6 H 5 J 3 C- + O 2 ^=^(C 6 H 5 ) 3 COO- > (C 6 H 5 ) 3 COOC(C 6 H 5 ) 3 + (C 6 H 5 J 3 C-

Halogene reagieren momentan mit Triphenylmethyl unter Bildung von Halogen-


derivaten (Umkehr der Darstellung).
2 (C 6 H 5 J 3 C* + Br2 -> 2(C 6 H 5 J 3 CBr

Triphenylchlormethan dissoziiert in flüssigem Schwefeldioxid unter Bildung des


orangegelb gefärbten Triphenylmethylkations (Leitfähigkeitsmessungen, P. Waiden).
Das gleiche Carbeniumion entsteht auch beim Lösen von Triphenylcarbinol oder
Triphenylchlormethan in konzentrierter Schwefelsäure und bei ,dessen Umsatz mit
Metallchloriden (Lewis-Säuren wie ZnCl2, AlCl3, SnCl4, SbCl5) in Form von Dop-
pelsalzen.
(C 6 H 5 J 3 C 0 SbCI 6 0
SbCl./

in
(C 6 H 5 J 3 CCI ™*" > (C 6 H 5 J 3 C* + Cl9

(C 6 H 5 ) 3 C® + HCI + HSO43

Versuch: Triphenylmethylkation — Man bringt einige Körnchen Triphenylcarbinol


oder Triphenylchlormethan in 0,5 ml konzentrierter Schwefelsäure mit einem Glasstab
in Lösung. Durch Zusatz von wenig Wasser wird die tief orangegelbe Lösung vollkom-
men entfärbt. Gleichzeitig kommt das Carbinol unverändert zur Abscheidung.

Auch Carbanionen können aus Triarylmethanderivaten leicht hergestellt werden.


Die Umsetzung von Triphenylmethyl mit Natrium ergibt unter Elektronentransfer
das rote Triphenylcarbanion, das man einfacher aus Triphenylchlormethan mit
Natriumamalgam hergestellt oder durch Umsetzung von Triphenylmethan mit
Natriumamid erhält.
(C 6 H 5 J 3 C- + -Na -> (C 6 H 5 J 3 C 9 + Na0

Die auffallende Farbvertiefung, die bei der Umwandlung der farblosen Triaryl-
methanderivate in Triarylmethylradikale und Triarylmethylionen auftritt, beruht auf
der Ausbildung eines großen rc-Elektronensystems, in dem das ungepaarte Elektron,
bzw. die Ladung delokalisiert wird. Wie die vergleichbare Lage der ersten Absorp-
tionsbande anzeigt: (C6H5)3C + : 430 nm (C 6 H 5 J 3 C-: 514 nm und (C 6 H 5 ) 3 C~:
500 nm, stehen die mesomeren Systeme in naher Beziehung zueinander.
590 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe
•(od.+,-)

C-Radikale, die man als Bindeglied zwischen Carbeniumionen und Carbanionen


ansehen kann, können planar, flach pyramidal oder tetraedrisch sein. Carbenium-
ionen sind in der Regel planar, der zentrale Kohlenstoff ist dann sp2-hybridisiert.
Carbanionen dagegen besitzen in vielen Fällen eine pyramidale oder tetraedrische
Konfiguration.
n n
\7
n
Y/
^r*C *^c*
• - _^£
2
planar (sp ) pyramidal tetraedrisch
(109<a<120°) (sp3;a = 109°)

Die spektroskopische Untersuchung (Elektronenspinresonanz, optische Spektren)


und Röntgenstrukturanalyse ergab für die meisten C-Radikale eine planare oder
nahezu planare Konfiguration. Der Methylkohlenstoff in diesen Spezies ist sp2-
hybridisiert, und das ungepaarte Elektron befindet sich in einem/?-Orbital. Man be-
zeichnet diese Radikale als p- bzw. 7i-Radikale. Es gibt jedoch auch pyramidale bzw.
tetraedrische C-Radikale, z.B. CHF2, CF3, usw.

Tetraphenyl-hydrazin

KMn 4
2(C 6 H 5 ) 2 NH ° > (C 6 H 5 ) 2 N-N(C 6 H 5 ) 2
34g (0,2 mol) Diphenylamin werden in einer mit Gummi- oder Glasstopfen dicht ver-
schließbaren Flasche von etwa 400 ml Inhalt in 20OmI reinem Aceton gelöst. (Das käuf-
liche reine Aceton ist meist gegen Permanganat beständig. Andernfalls trägt man so lange
gepulvertes KMnO4 ein, bis dessen Farbe auch beim Kochen am Rückflußkühler etwa
V2 h lang bestehen bleibt; das dann abdestillierte Aceton ist für Oxidationen in diesem
Lösungsmittel brauchbar.) In die gekühlte Lösung trägt man unter fortgesetzter Kühlung
in Eiswasser und lebhaftem Schütteln nach und nach sehr fein gepulvertes Kaliumper-
manganat ein; vor jeder neuen Zugabe wartet man, bis Entfärbung eingetreten ist. Nach-
dem im Verlauf von 1 1 / 2 h etwa 16g Permangant verbraucht sind, trägt man weiteres
Oxidationsmittel ohne Außenkühlung ein, und zwar so lange, bis die Farbe V2 h lang
bestehen bleibt; keinesfalls jedoch mehr als 14g. Ein Teil des Diphenylamins wird bis
zum Phenylisonitril oxidiert (Geruch, Entwicklung von CO2). Hierauf entfärbt man mit
einigen Tropfen Alkohol oder Formaldehyd, saugt vom Braunstein abr den man scharf
abpreßt und zweimal mit wenig warmem Aceton auswäscht. Die klare Acetonlösung wird
Diphenylstickstoff 591

bei geringem Unterdruck aus einem Wasserbad von 35 0 C mit vorgelegtem Kühler ab-
gedampft, den Rest entfernt man im guten Vakuum bei einer Badtemperatur von 2O 0 C.
Das auskristallisierte Tetraphenylhydrazin wird unter Eiskühlung durch Übergießen
mit 20—30 ml Ether von Schmieren befreit und nach einigem Stehen scharf abgesaugt.
Durch Auftropfen von Ether wäscht man das Präparat rein. Man gewinnt so 20 bis 24 g
fast farbloses Rohprodukt (60—70% der Theorie), das für die nachfolgende Operation
direkt verwendet werden kann.
Reines Tetraphenylhydrazin vom Schmelzpunkt 144 0 C (unter Zersetzung) gewinnt
man durch Umkristallisieren aus Benzol-Methanol. Das Rohprodukt wird in 10OmI
Benzol bei Raumtemperatur unter Rühren gelöst, die Lösung filtriert, und dem Filtrat
langsam ca. 200 ml kaltes Methanol unter Umschütteln zugesetzt. Das reine Präparat
wird nach dem Absaugen mit Benzol-Alkohol 1:1, dann mit Alkohol allein gewaschen
und sofort im Vakuumexsikkator getrocknet. Die Mutterlaugen kann man im Vakuum
eindampfen und den Rückstand wie oben durch Digerieren mit kaltem Ether isolieren.
Die reine und gut getrocknete Substanz hält sich, vor Licht und Säuren geschützt, jahre-
lang unverändert.

Versuch: Diphenylaminyl (Diphenylstickstoff) — Man löst etwa 0,5 g Tetraphenyl-


hydrazin in 5 ml XyIoI und erwärmt langsam über einer kleinen Flamme. Die anfangs
farblose Lösung wird, noch ehe der Siedepunkt des XyIoIs erreicht ist, intensiv olivgrün.
Dies ist die Farbe des freien Radikals (>imaxi ~ 700 nm), das sich bei dieser Temperatur
sehr rasch weiter verändert. Das kurzlebige Diphenylaminyl disproportioniert unter Bil-
dung von Diphenylamin und p- bzw. o-Semidinderivaten (Dimere, Trimere usw.). In
Gegenwart von NO jedoch läßt sich Diphenylaminyl als Diphenylnitrosamin abfangen.

^ 2WzN HNC6H5

(C6H5)2N — (C6H5J2NH + (C6H5J2N-/^\- N-C6H5 +

•NO

(C6H5)2N-NO

Wie der Versuch von H. Wieland zeigt, dissoziiert Tetraphenylhydrazin oberhalb


8O0C sichtbar in Diphenylaminylradikale. Diese Dissoziation läßt sich, ohne die
sterischen Verhältnisse zu verändern, durch /7-Substitution beeinflußen und nimmt
mit der Natur der /?-Substituenten in folgender Reihe zu: NO 2 < CN < COOC6H5
< H < OCH3 < N(CH3)2. Die Dissoziation der Tetraarylhydrazine wird über-
wiegend durch den Hydrazingrundzustand bestimmt, insbesonders durch die Wech-
selwirkung der freien Elektronenpaare an den N-Atomen mit den Aryl-rc-Elektronen-
systemen. Diese Wechselwirkung muß bei der Dissoziation im Übergangszustand
aufgehoben werden, um die Integration der entstehenden freien Valenz in das n-
Elektronensystem zu ermöglichen. Die elektronendrückende Wirkung der p-
N(CH3)2, OCH3 und CH3-Gruppen führt offenbar zu einer hohen Elektronen-
592 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

dichte an den Hydrazin-N-atomen, die die homolytische Spaltung der N —N-Bin-


dung erleichtert. Elektronenakzeptor-Substituenten dagegen verstärken die Wechsel-
wirkung der freien Elektronenpaare mit den Aryl-rc-Elektronensystem und stabili-
sieren die Hydrazin-Bindung.
Durch eine ausreichende sterische Abschirmung des Aminylstickstoffs kann die
Dimerisierung unterdrückt werden, ein Beispiel dafür ist das monomere, in Form von
tiefblauen Kristallen isolierbare l,3,6,8-Tetra-terf-butyl-9-carbazolyl.

(CH3J3C C(CH3)3

Versuch: Farbreaktion des Tetraphenylhydrazins mit Schwefelsäure — Man


übergießt etwa 100mg Tetraphenylhydrazin mit konzentrierter Schwefelsäure. Es tritt
anfangs eine schöne rote Farbe auf, die nach kurzem Stehen in ein intensives Blauviolett
übergeht. Dieser Farbstoff ist identisch mit demjenigen, der bei dem bekannten Nach-
weis von Salpetersäure (und anderen Oxidationsmitteln) mit Diphenylamin gebildet
wird, nämlich dem Hydrogensulfat des /V,/V'-Diphenyldiphenochinon-diimmoniumions.

Aus Tetraphenylhydrazin geht der Farbstoff in einer der Benzidinumlagerung


vergleichbaren Reaktion mit anschließender Oxidation hervor.
Abfangreaktionen, wie die mit dem Radikal NO werden häufig zur chemischen
Identifizierung kurzlebiger Radikale herangezogen. Diphenylaminyl reagiert z.B.
auch mit Triphenylmethyl.
(C 6 H 5 J 2 N- + (C 6 H 5 J 3 C- (C6H5J2N-C(C6H5

Als Radikalstandard wird häufig das violette monomere 2,2-Diphenyl-l-pikryl-


hydrazyl (S. Goldschmidt) eingesetzt. Hydrazyle, deren freie Valenz am Stickstoff
leichter zugänglich ist als der Kohlenstoff des Triphenylmethyls stehen mit den ent-
sprechenden farblosen Tetrazanen in einem Dissoziationsgleichgewicht.

C6H5, C6H5,

C6H5 C6H5'

In vielen Fällen, z. B. bei Alkylradikalen wird neben der Rekombination^auch eine


Disproportionierung beobachtet, bei der ein Wasserstoffatom von einem Radikal
Nitroxide 593

auf das andere übertragen wird. Diese Reaktion kann außer anderem zum Abbruch
von Radikalkettenreaktionen führen (vgl. S. 211).

2CH 3 CH 2 - -Kombination-> CHCHCHCH

2CH 3 CH 2 - -Disproportioniert > CH3CH3 + CH2-CH2

Nitroxidradikale, Vertreter einer sehr interessanten Radikalgruppe, werden durch


Dehydrierung von Hydroxylamin oder durch Oxidation von Amin mit Peroxiden
erhalten (vgl. die Herstellung des K-Nitrosodisulfonats auf S. 572). Die Dehydrierung
von Diphenylhydroxylamin mit Silberoxid z. B. liefert das prachtvoll kristallisierte
granatrote Diphenylnitroxid.

Nitroxide mit benachbarten CH-Gruppierungen disproportionieren leicht zu


Hydroxylaminen und Nitronen:

2RCH2-N-R' -> RCH2-N-R' + RCH=N-R'


I I I
O* OH |OJ

Wird diese Disproportionierungsreaktion durch Alkylsubstitution in allen a-Stel-


lungen ausgeschlossen, wie z.B. in den 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-l-oxyl-Deri-
vaten, dann erhält man sehr stabile monomere Radikale, die unter Erhalt der freien
Valenz durch chemische Reaktionen (z.B. in 4-Stellung) variiert werden können.
Diese Radikale sind als Spinsonden in der Biochemie von besonderer Bedeutung, da
die Struktur des ESR-Spektrums von der Orientierung des Radikals in seiner Um-
gebung beeinflußt wird.

H2C^ ^CH2
H3C
-c c /Ch3
H3C^ ^N^ ^CH 3

O*

Die Nitroxide verdanken ihre Stabilität der Delokalisierung des Elektrons auf
Stickstoff und Sauerstoff, sind also gleichermaßen als N- und O-Radikale zu be-
zeichnen.
594 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Sauerstoff-Radikale sind auch von Verbindungen bekannt, die den Sauerstoff an


Kohlenstoffatome gebunden enthalten. Durch monovalente Reduktion (Elektronen-
zufuhr) mit Alkalimetall entstehen aus Ketonen Ketyle, Radikalanionen. Ein unter
O2-Ausschluß stabiles Ketyl ist das auf S. 383 gezeigte rote Benzilkalium. Andere
O-Radikale, die Aroxyle entstehen durch monovalente Oxidation von 2,4,6-substi-
tuierten Phenolen, z.B. aus 2,4,6-Tri-terr-butylphenol das blaue kristalline Phenoxyl
(E. Müller). Die Stabilität ist auf eine Delokalisierung des einsamen Elektrons zu-
rückzuführen, wobei die C-Radikal-Grenzstrukturen durch sperrige Reste (bis auf
die Reaktion mit O 2 ) geschützt sind. Radikalkationen finden wir auf S. 5 77 (Wursters
Rot, Wursters Blau). - An das Auftreten von kurzlebigen Radikalen bei der Photo-
chlorierung (S. 175), der Allylbromierung (S. 196), der Polymerisation von Olefinen
(S. 208) oder bei Antoxidantien (S. 475) sei hier erinnert.

1,3,5-Triphenylverdazyl
BH5
a) 1,3,5-Triphenylformazan .. _./
N—N
+ # \
C 6 H 5 N 2 + C 6 H 5 CH=NNHC 6 H 5 > C6H5-C H
N=N''
C6H5
10,2g (0,11 mol) Anilin werden in 75ml 4N Salzsäure mit der Lösung von 7,6g
(0,11 mol) Natriumnitrit in 15 ml Wasser, wie beim Präparat S.604 beschrieben, diazo-
tiert. Parallel dazu stellt man Benzaldehydphenylhydrazon her. Zur Lösung von 10,6g
(0,1 mol) reinem Benzaldehyd in 50 ml Dimethylformamid in einem 1-I-Erlenmeyer-
Weithalskolben werden unter Umschwenken 10,2 g (0,1 mol) reines Phenylhydrazin zu-
gesetzt (Erwärmung), die gelbe Lösung wird 30 min bei Raumtemperatur stehengelas-
sen. Anschließend verdünnt man mit 250 ml Dimethylformamid und 100 ml Pyridin und
stellt die Mischung in ein Kältebad (Eis-Salz). Unter intensivem Rühren tropft man zu
dieser Mischung die oben hergestellte Diazoniumsalzlösung zwischen -5 0 C und +2 0 C
zu und läßt die Reaktionsmischung nach Beendigung der Zugabe 1 h im Kältebad stehen.
Das ausgefallene rotbraune Formazan wird abgesaugt und intensiv mit Methanol, ge-
folgt von Wasser und wiederum Methanol gewaschen. Das Produkt wird in heißem
Dimethylformamid (ca. 100-15OmI, ~ 100 0C) gelöst, die Lösung filtriert und nach
Zusatz von Methanol (ca. 100-150 ml) in den Kühlschrank gestellt. Das reine Präparat
wird nach dem Absaugen mit Methanol gewaschen und im Vakuumexsikkator getrocknet:
16,5g rotbraune Kristalle (55%d.Th.), Zersetzungspunkt 174-1750C.

b) 1,3,5-Triphenylverdazyl (siehe Formel S.595)


Zur Lösung von 2g 1,3,5-Triphenylformazan in 10OmI Dimethylformamid in einem
500-ml-Erlenmeyer-Weithalskolben setzt man 5g Kaliumhydrogensulfat und 5ml
30proz. wässerigen Formaldehyd zu und rührt die Mischung 4 h bei Raumtemperatur,
wobei die ursprünglich rote Lösung tief violett wird. Nach Zusatz von ca. 15Og Eis gibt
man unter Rühren 2N Natronlauge (ca. 25 ml) zu, bis die Farbe der Reaktionsmischung
nach grün umschlägt. Das abgesaugte grüne Rohprodukt wird mit Wasser und mit wenig
Methanol gewaschen und auf dem Dampfbad in siedendem Aceton (ca. 50—80 ml) ge-
Verdazyle 595

löst. Der filtrierten Lösung setzt man ca. 30 ml heißes Methanol zu und läßt das Produkt
im Kühlschrank auskristallisieren. Das abgesaugte reine Verdazyl wird mit Methanol ge-
waschen und im Vakuumexsikkator getrocknet: 1,2g nahezu schwarze Kristalle (57%
d.Th.) vom Zersetzungspunkt 141-1420C.

Bei der Kupplung des Benzoldiazoniumsalzes mit Benzaldehydphenylhydrazon


entsteht zuerst Phenyl-bis(phenylazo)methan, das isoliert werden kann, wenn die
Kupplung im pH-Bereich 3—8 durchgeführt wird, in Gegenwart von Base (Pyridin)
jedoch über das entsprechende Anion sofort zum dunkelroten Formazan isomeri-
siert, das sich durch eine starke intramolekulare Wasserstoffbrücke auszeichnet.
/C6H5
H N-I/
C6H5-N=N-C-N=N-C6H5 > C6H5-C^ H
C6H5 N=Nx"
C6H5

In Gegenwart von Säure (KHSO4, BF3, HCl) kondensieren viele Formazane mit
Formaldehyd unter Bildung von tiefvioletten Verdazyliumionen, die auf Zusatz von
Base durch überschüssigen Formaldehyd zu den grünen Verdazylradikalen reduziert
werden (R. Kühn).
Triphenyl-
formazan

(H+)LcH2O

R R R
N— N Reduktion N— N Reduktion N-N
(durchCH20)^ // \ (z.B. H2S)^ // \
R - \*r PH
\*i\2 R
r\ C
\rf CHo
\*t i o
Oxidation \ / Oxidation
N=N (Br2) N—N N-/
\ \ H \
R R R
Verdazyliumion (V+) Verdazyl (V) leukoverdazyl(VH)
violett grün farblos

Versuch: Chemisches Verhalten des Radikals — Ca. 20 mg 1,3,5-Triphenylverda-


zyl werden in 50 ml Dimethylformamid gelöst, die grüne Lösung wird auf 3 Reagenz-
gläser aufgeteilt.
a) Bei Einleitung von Schwefelwasserstoff wird die grüne Lösung nach kurzer Zeit farb-
los.
b) Zu einer Verdazyllösung läßt man etwas Bromdampf aus einer Bromflasche ab-
sinken, die grüne Lösung wird violett.
c) Auf Zusatz von 1 Tropfen 2N Schwefelsäure wird die grüne Lösung ebenfalls sofort
violett. Setzt man zu dieser violetten Lösung wenige Tropfen 2N wässerigen Am-
moniaks zu, dann wird das grüne Verdazyl zurückgebildet.
596 Kapitel XII. Synthesen und Reaktionen der Chinone, chinoiden Farbstoffe

Verdazyle sind die paramagnetische mittlere Oxidationsstufe zwischen farblosen


Leukoverbindungen und violetten Kationen. Durch Schwefelwasserstoff werden
Verdazyle rasch zu den Leukoverbindungen, 1,2,3,4-Tetrahydro-s-tetrazinen, redu-
ziert. Halogene oxidieren Verdazyle zu den tiefgefärbten Verdazyliumionen. In Ge-
genwart von Säure disproportionieren 2 Verdazyle, wie Absorptionsmessungen
unter Sauerstoffausschluß zeigen, quantitativ in ein farbloses Leukoverdazyl und ein
violettes Verdazyliumion; durch Zusatz von Base komproportionieren diese wieder-
um zu 2 Verdazylen.

Weiterführende Literatur zu Kapitel XII

S. Patai (Herausg.), The Chemistry of the Quinoid Compounds, Teile / und 2, John Wiley and
Sons, London, New York, Sydney und Toronto 1974.
J. Cason, Synthesis of Benzoquinones by Oxidation, Org. React. 4, 305 (1948).
O. Hoffmann-Ostenhof, Vorkommen und biochemisches Verhalten der Chinone, Fortschritte
der Chemie organischer Naturstoffe, Herausg. L. Zechmeister, Bd. 6, S. 154, Springer, Wien
1950.
M. G. Evans und J. de Heer, Relation between the Oxidation-Reduction Potentials of Quinones
and Their Chemical Structure, Quart. Rev. 4, 94 (1950).
Tri- und Diarylmethanfarbstoffe, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl.,
Herausg. W. Foerst, Bd. 17, S. 656, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1966.
F. Baumann e. a., Isoindolenine als Zwischenprodukte der Phthalocyanin-Synthese, Angew.
Chem. 68,133 (1956).
J. W. F. McOmie und J. M. Blatchly, The Thiele - Winter Acetoxylation of Quinones, Org. React.
19, 199 (1972).
W. Teilacker e. a., Neue Ergebnisse über freie Kohlenstoff-Radikale, Angew. Chem. 69,322 (1957).
C. Rüchardt, Zusammenhänge zwischen Struktur und Reaktivität in der Chemie freier Radikale,
Angew. Chem. 82, 845 (1970).
F. A. Neugebauer, 1,2,4,5-Tetraazapentenyle, Verdazyle und Tetrazolinyle, Angew. Chem. 85,
485 (1973).
XIII. Herstellung und Reaktionen
der Diazoverbindungen

Experimente:

Benzoldiazoniumsulfat
a) l-Benzolazo-2-naphthol (Sudangelb)
b) 4-Benzolazo-l-naphthol
Versuch: Löslichkeit in Natronlauge
Diazoaminobenzol, /7-Aminoazobenzol
Helianthin (/?-Dimethylaminoazobenzol-sulfonsäure)
Versuch: Reduktive Spaltung
Kongorot
Natrium-/7-nitrophenyl-(E)-(fl«r/)-diazotat
(Z)- und (E)-Diazocyanide
a) (Z)-/?-Nitrobenzol-diazocyanid
(E)-/?-Nitrobenzol-diazocyanid
b) (Z)-/?-Chlorbenzol-diazocyanid
(E)-/?-Chlorbenzol-diazocyanid
c) (Z)-#-Brombenzol-diazocyanid
(E)-/?-Brombenzol-diazocyanid
Phenol aus Anilin
lodbenzol, lodosobenzol, lodobenzol
/7-Tolunitril aus/?-Toluidin (Sandmeyer-Reaktion)
/?-Toluylsäure
Fluorbenzol (Schiemann-Reaktion)
/7-Chlorbiphenyl
Triptycen
1,3,5-Tribrombenzol aus Tribromanilin
Phenylhydrazin
Versuch: Benzol aus Phenylhydrazin
Phenylazid aus Phenylhydrazin
Diazomethan
a) aus Nitrosomethylharnstoff
b) aus N-Methyl-N-nitroso-/?-toluolsufonamid
Gehaltsbestimmung der Diazomethanlösung
Versuch: Methylierungen mit Diazomethan
Bis-chlormethylquecksilber
4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester
ß-Naphthylessigsäureamid (Wolff-Umlagerung)
598 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

a) ß-Naphthoylchlorid
b) ß-Naphthoyldiazomethan
c) ß-Naphthylessigsäureamid
Cycloheptanon aus Cyclohexanon
Glycin-ethylester; Diazoessigester
a) Glycin-ethylester-hydrochlorid aus Chloressigsäure
b) Glycin-ethylester-hydrochlorid über Methylenamino-acetonitril
Versuch: Hippursäure
c) Diazoessigsäure-ethylester
Versuch: Reaktion mit Säuren oder lod
Trichlormethyl-oxirancarbonsäure-ethylester
Diazo Verbindungen 599

XIII. Herstellung und Reaktionen


der Diazoverbindungen

Als Diazoverbindungen bezeichnet man Derivate des Distickstoffs, in denen dieser


an einen organischen Rest gebunden ist. Da die Inanspruchnahme eines Elektrons
von | N=N | zur Ausbildung einer positiven Ladung führt, liegen einseitig substi-
tuierte Derivate des Stickstoffs als Diazoniumionen vor.

R-N=N | «-» R-N=N |

Solche sind jedoch nur beständig, wenn sie durch Mesomerie stabilisiert werden,
also vor allem in der aromatischen Reihe und bei einigen speziell substituierten Ole-
finen. In der aliphatischen Reihe sorgt dagegen ein freies Elektronenpaar am N-bin-
denden Kohlenstoff für Resonanzstabilisierung der Diazoalkane. Diazoalkane sind
als Deprotonierungsprodukte der instabilen aliphatischen Diazoniumionen aufzu-
fassen.

= u.s.w.

NI — -- R-C=N=N

Es leuchtet ein, daß die Beständigkeit der Diazoverbindungen durch Gruppen er-
höht wird, welche das dem Stickstoff benachbarte, nichtbindende Elektronenpaar
delokalisieren können, z. B. die Carbonylgruppe in Diazoketonen oder Diazoessig-
estern und in den Chinondiaziden (Diazochinonen) oder der Cyclopentadienylring
durch Erlangung des 67i-aromatischen Zustands, u.a.

"IQ-C=C-N = N O=C-U-N=N
~ i l — i l
Diazonium- Diazoketon
enolat

Diazonium- Diazochinon
phenolat (Chinondiazid)

N = Nf
Diazonium- Diazocyclo -
cyclopentadienat pentadien
600 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Die Herstellung von Diazoverbindungen erfolgt in der aromatischen Reihe fast


ausschließlich vom primären Amin ausgehend durch „Diazotierung" mit salpetriger
Säure oder einem ihrer Ester oder mit Nitrosylchlorid. Auch Distickstofftrioxid kann
verwendet werden. In der aliphatischen Reihe werden relativ säurestabile Diazover-
bindungen ebenfalls durch Diazotierung erhalten (siehe Diazoessigester, S. 634), für
Diazoalkane müssen Acylderivate primärer Amine nitrosiert und die N-Nitrosover-
bindungen durch Basen zersetzt werden. Näheres hierüber und weitere Synthesemög-
lichkeiten der aliphatischen Diazoverbindungen findet man auf S. 624.

Aromatische Reihe

Herstellung von Diazoniumsalzen

Man stellt Diazoniumsalzlösungen aus primären aromatischen Aminen durch Ver-


setzen der mineralsauren wässerigen Lösung mit Nitritlösung, meist unter Kühlung
her. Die Abscheidung von festen Diazoniumsalzen gelingt mit geeigneten Anionen
z. B. als Perchlorate, Tetrafluoroborate, Hexafluorophosphate oder unter Vermei-
dung von Wasser z. B. in Alkohol mit Estern der salpetrigen Säure und nachfolgender
Ausfallung z. B. mit Ether. Die meisten sollen wegen ihrer explosiven Zersetzlichkeit
keinesfalls getrocknet und auch in feuchtem Zustand nicht mit einem Spatel oder
sonstigen harten Gegenständen berührt werden. Die Tetrafluoroborate sind hin-
gegen auch im trockenen Zustand beständig.
Das nitrosierende Agens ist das Nitrosylkation NO+. Die Amine reagieren trotz
der hohen Mineralsäurekonzentration rasch, weil aromatische Amine relativ
schwache Basen sind und der unprotonierte, reagierende Anteil noch bei niedrigem
pH genügend groß ist. Würde man die Säurekonzentration verringern, so käme man
in einen pH-Bereich, in dem die bereits entstandenen Diazoniumionen mit den Ami-
nogruppen des noch nicht umgesetzten Amins zur Diazoaminoverbindung kuppeln
(siehe S. 601).
Außerdem soll das zu diazotierende Amin möglichst in Lösung sein, was sich am
einfachsten durch eine genügend hohe Konzentration an Säure erreichen läßt. Sogar
äußerst schwach basische, schwer zu diazotierende Amine, nämlich solche mit elek-
tronenanziehenden Substituenten im Ring wie die Nitraniline, reagieren mit dem
Nitrosylreagens, wenn man sie in Eisessig löst und in eine Lösung von Na-nitrit in
konzentrierter Schwefelsäure eintropft.

Reaktionsfähigkeit der Diazoniumsalze

Das Diazoniumion zeichnet sich durch vielseitige Reaktivität aus. Die positiv ge-
ladene Diazogruppe ist der bei weitem stärkste elektronenanziehende Substituent
Diazoniumsalze und Azokupplung 601

(Hammet-Substituentenkonstante a (para) = 1,9, für /?-Nitro = 0,78, vgl. S. 285).


Dies hat zur Folge, daß nucleofuge Substituenten in o- oder /7-Stellung zum Dia-
zoniumrest durch andere Nucleophile, z. B. —NO 2 durch —OH substituierbar sind
(vgl. S. 613). Wichtig für präparatives Arbeiten aber sind
Reaktionen mit Nucleophilen am ß-Stickstoff und
Reaktionen unter Stickstoffabgabe.
Schließlich spielt auch die Reduktion unter Erhalt der Stickstoff-Stickstoffbindung
zu Arylhydrazinen eine Rolle, da die meisten von diesen auf anderem Weg nicht zu-
gänglich sind.

Elektrophile Reaktionen des Diazoniumions


Die Diazoniumionen zeigen am jS-Stickstoff eine aus der Grenzstruktur ablesbare
beachtliche elektrophile Reaktivität, die sie zu einer Bindung an geeignete nucleo-
phile Partner befähigt. Diese in der Farbstoffchemie als „Kupplung" bezeichnete
Reaktion bezieht sich nicht nur auf die dort notorischen Phenole und aromatischen
Amine, sondern auch auf viele Heterocyclen, aliphatische Carbanionen (Acetessig-
ester, Malonester), nucleophile Anionen wie Hydroxid, Cyanid, Hydrogensulfit oder
Azid und andere.
Azofarbstoffe
Die Kupplungsreaktion, mit deren Hilfe die überaus große Zahl der technischen Azo-
farbstoffe hergestellt wird, besteht in einer elektrophilen Substitution an Phenolen
oder aromatischen Aminen durch das Diazoniumion, wobei das sehr beständige Azo-
derivat gebildet wird. Phenole werden in alkalischer (als Phenolationen) bis neutra-
ler Lösung, Amine in schwach saurer Lösung gekuppelt. Der Angriff erfolgt an den
bei der elektrophilen Substitution bevorzugten Stellen, meist ganz vorwiegend in
/7-Stellung, bei /?-Naphthol in a-Stellung, stets unter Ausbildung der (E)-(trans)-Azo-
verbindung; der einfachste Azofarbstoff, der aber technisch bedeutungslos ist, ent-
steht aus Benzoldiazoniumion und Phenol: (E)-/?-Hydroxy-azobenzol. Dimethyl-
anilin kombiniert sich in analoger Weise; es entsteht /7-Dimethylaminoazobenzol
(Buttergelb). Anilin nimmt - wie alle primären aromatischen Amine - in schwach
saurer Lösung das Diazoniumion an der nucleophilsten Stelle, dem Aminostickstoff
auf, es entsteht (E)-Diazoaminobenzol, ein Triazenderivat; solche werden auch durch
Kupplung aliphatischer sekundärer Amine erhalten. Beim Erhitzen mit überschüssi-
gem Anilin in Gegenwart der schwachen Säure Anilinhydrochlorid wird die Diazo-
aminoverbindung zu /7-Aminoazobenzol umgelagert (Präparat S. 606). Beim Kup-
peln unter stärker, jedoch nicht zu stark sauren Bedingungen gelingt es, das /7-Amino-
azobenzol direkt zu erhalten.
602 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

-N(CH3'2
3) -N(CH,)
'3'2

Diazoaminobenzol

p - Aminoazobenzol
(Hydrochlorid:rot)

Die praktisch verwendeten Azofarbstoffe leiten sich häufig vom Naphthalin ab


und tragen entweder in der Diazokomponente oder im zu kuppelnden Aromaten eine
Sulfonsäuregruppe, die sowohl Wasserlöslichkeit als auch Haftung auf der Wollfaser
(Salzbildung mit den Aminogruppen des Proteins, aber auch Wechselwirkung des
aromatischen Teils mit den hydrophoben und aromatischen Seitenketten) bewirkt.
Viel verwendet wird diazotierte Sulfanilsäure (/?-Diazobenzolsulfonsäure), die man
beim Präparat „Helianthin" (Methylorange, S. 606) mit Dimethylanilin, für /?-Naph-
tholorange mit jS-Naphthol kuppelt; 2-Naphthol-3,5-disulfonsäure, R-Säure (R für
Rot), ist eine viel benutzte Kupplungskomponente. Diazotierte Sulfanilsäure liegt als
Zwitterion vor:

Als „Pauly-Reagens" ist die frisch bereitete Lösung der diazotierten Sulfanilsäure
zum Nachweis von Phenolen (z. B. Tyrosin in Proteinen) oder Imidazolen (Histidin)
in der analytischen Biochemie im Gebrauch. Wie man einerseits Azofarbstoff-liefernde
Komponenten durch die Kupplungsreaktion nachweisen kann, so kann man ande-
rerseits aromatische Amine durch Diazotierung und Kupplung, z. B. mit R-Säure in
Alkali erkennen.
Die Elektrophilie der Diazoniumionen wird durch elektronenanziehende Gruppen
in o- oder /^-Stellung gesteigert. Das /7-Nitrobenzol-diazoniumion kuppelt - im Ge-
gensatz zum unsubstituierten — auch mit den weniger nucleophilen Phenolethern,
z. B. Anisol, bei zwei Nitrogruppen sogar mit Mesitylen oder Butadien. Die relativen
Geschwindigkeiten der Kupplung von verschiedenen /^-substituierten Diazonium-
ionen mit einem Phenol betragen beim Vorliegen von NO 2 : 1300, SO3": 13, Br: 13,
H: l, CH3: 0,4, OCH3: 0,1.
Kupplung mit aliphatischen Partnern 603

-OCH, OCH,

Imidazol und Pyrazol kuppeln an einem ihrer N-Atome, CH-acide aliphatische


Verbindungen wie 1,3-Dicarbonylverbindungen (Japp-Klingemann-Reaktion) oder
Nitroalkane als Carbeniat-Enolat Ionen am Kohlenstoff. Ist am selben C-Atom ein
weiteres H-Atom vorhanden, so lagern sich die Kupplungsprodukte zu den tauto-
meren Arylhydrazonen um. Dies erinnert an die Umlagerung der analogen Nitroso-
verbindungen in die Oxime.

H O H 101 H O
_l Il I I I Il
ArN 2 + IC-C-R C=C-R Ar-N = N-C-C-R
I I
C0 2 C 2 H 5 CO2C2H5 CO2C2H5

O
H Il
Ar-N-N = C-C-R
CO2C2H5

O
_H II H Il
ON + IC-C R O=N-C-C-R HO-N = C-C-R
I I
CO2C2H5 CO2C2H5 CO 2 C 2 H 5

Nicht nur hierbei, sondern in ihrer elektrophilen Reaktivität auch gegenüber


Phenolen und aromatischen sekundären Aminen (Dimethylanilin, S. 242) gleichen
die DiazoVerbindungen der salpetrigen Säure.
Einen Sonderfall bildet die schon auf S. 599 erwähnte Klasse der Diazochinone
(Chinondiazide), die durch Diazotierung von o- oder /7-Aminophenolen erhalten
werden. Beim Belichten spaltet ein Teil der Moleküle Stickstoff ab, das so entstehende
Carben lagert sich zu Cyclopentadiencarbonsäure um, einer CH-aciden Verbindung,
die mit unverändertem Diazochinon zu einem rotbraunen Farbstoff kuppelt. Darauf
beruht ein Verfahren der Lichtpause (Diazotypie).

HO7C
604 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Aromatische Azoverbindungen können auch aus Aminen und Nitrosoverbindun-


gen hergestellt werden (S. 490), doch hat dieses Verfahren wegen der schwierigen Zu-
gänglichkeit der Nitrosoverbindungen für die Farbstofftechnologie keine Bedeutung.
Dasselbe gilt für die in Sonderfällen angewandte Herstellung einer Diazoverbindung
aus der Nitrosoverbindung und Hydroxylamin

H
R—NO + H 2 NOH * > R-N=N-OH + 2H 2 O

Von präparativer Bedeutung ist die reduktive Spaltung der Azobrücke zu zwei
primären Aminogruppen, die unter anderem mit Zinn(II)-chlorid,Na-dithionit oder
katalytischer Hydrierung leicht erreicht wird. Man erhält so aus kupplungsfähigen
Molekülen über die AzoVerbindung das Amin, zum Beispiel aus Helianthin/?-Amino-
dimethylanilin (Aminophenole —> Chinone, siehe S. 563). Das erste chemotherapeu-
tisch brauchbare Bakteriostatikum, Prontosil, war ein Azofarbstoff der aus diazo-
tiertem /7-Aminobenzolsulfonsäureamid hergestellt war und der im Gewebe durch
biochemische Reduktion in das Sulfonamid zurückgeführt wird (siehe S. 250). Dieses
ist der eigentliche Wirkstoff, Antagonist der /j-Aminobenzoesäure beim Bakterien-
wachstum.

Benzoldiazoniumsulfat
Zu 10OmI Wasser läßt man unter gutem Rühren 20 ml konzentrierte Schwefelsäure
laufen und in die heiße verdünnte Säure 20 g (0,22 mol) frisch destilliertes Anilin. Nach-
dem man nach und nach 250 g Eis hinzugefügt hat, läßt man zu der auch außen mit Eis
(nicht mit Kältemischung!) gekühlten Anilinsulfatlösung, aus der sich das schwer lös-
liche Salz teilweise ausgeschieden hat, aus einem Tropftrichter allmählich die Lösung
von 15,2 g (0,22 mol) Natriumnitrit in 60 ml Wasser fließen; dabei muß tüchtig gerührt
werden. Wenn die Hauptmenge des Nitrits hinzugegeben ist, prüft man mit Kaliumiodid-
Stärkepapier, ob überschüssige salpetrige Säure vorhanden ist. Dabei ist zu beachten,
daß gegen Ende der Reaktion - also bei stark abnehmender Konzentration der Reak-
tionsteilnehmer — die Umsetzung langsam vor sich geht; man muß daher jeweils einige
min warten, ehe man die Prüfung vornimmt. Wenn man schließlich nach 5 min noch
freie salpetrige Säure in geringer Menge nachweisen kann, ist die Diazotierung beendet;
das Anilinsulfat muß natürlich vollständig in Lösung gegangen sein.
Eine Probe darf durch Natriumacetatlösung keine Trübung erfahren. Fügt man zu der
Acetat-gepufferten Probe einige Tropfen der Lösung eines Anilinsalzes zu, so fällt gel-
bes Diazo-aminobenzol aus, das nach Zugabe einiger Eisstückchen mit konzentrierter
Salzsäure wieder in Lösung geht. Ferner löse man einige Körnchen /?-Naphthol oder
R-Säure in einem kleinen Überschuß von 2N Natronlauge und setze zu dieser Lösung
eine Probe der Diazoniumsalzlösung. Die intensiv rote Färbst off lösung, die aus dieser
„Kupplung" hervorgeht, bildet ein untrügliches Erkennungsmittel für das Diazoniumsalz
und damit auch für das ihr zugrunde liegende primäre aromatische Amin. Die Lösung des
Diazoniumsalzes wird möglichst rasch zur Kupplung mit /?-Naphthol (Präparat a),
cr-Naphthol, b) und mit Anilin (Präparat S. 606) verwendet.
Kupplungen mit Benzoldiazoniumsulfat 605

a) 1-Benzolazo-2-naphthol (Sudangelb)
1,44g (0,01 mol) /?-Naphthol löst man in 40 ml 1N Natronlauge und gibt zur Lösung
anteilsweise unter gutem Umrühren ein zwanzigstel der oben bereiteten Diazoniumsalz-
Lösung. Der orange Niederschlag wird abgesaugt und aus Ethanol umkristallisiert. Man
erhält ca. 2 g (~80%) goldorange Nadeln vom Schmelzpunkt 134 0 C.

b) 4-Benzolazo-1-naphthol
Man gibt unter Eiskühlung dieselbe Menge der Benzoldiazoniumsalzlösung wie unter a)
zur Lösung von 1,44g or-Naphthol in 1OmI 1N Natronlauge und setzt weitere 30 ml
1N Natronlauge zu. Vom geringfügigen dunkelbraunen Niederschlag (2,4-Bis-benzolazo-
1-naphthol) wird abgesaugt und das Filtrat mit Salzsäure angesäuert. Der Azokörper
wird abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Exsikkator getrocknet. Man erhält 1,7 g
Rohprodukt (69%), das aus Benzol umkristallisiert werden kann. Dunkelrote Nädelchen
vom Schmelzpunkt 2060C.

Versuch: Löslichkeit in Natronlauge — Man schüttelt je 0,1 g von beiden Azonaph-


tholen im Reagenzglas mit einigen ml 1N Natronlauge. Die o-Verbindung bleibt unge-
löst, während die p-Verbindung sich mit braunroter Farbe löst. Zugabe von einigen
Tropfen konzentrierter Kalilauge erzeugt bei der gelösten Probe eine kristalline Fällung
des schwerlöslichen Kaliumsalzes.

Sudangelb (A) und das Azonaphthol B lassen sich auch aus Naphthochinon-1,2
beziehungsweise Naphthochinon-1,4 mit Phenylhydrazin erhalten und sind deshalb
zeitweilig als die entsprechenden Monophenylhydrazone angesehen worden. Heute
weiß man, daß es sich in beiden Fällen um Gemische von Tautomeren handelt, wo-
bei sich die Gleichgewichte sehr rasch einstellen.

+H+

l-Benzolazo-2-naphthol
(Sudangelb t Schmelzpunkt 1340C)

+H+

U - Benzolazo -1 -naphthol
(Schmelzpunkt 2060C)
HO
606 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Bei den entsprechenden p- und 0-Hydroxy-phenylazoverbindungen liegen keine


Anhaltspunkte für das Vorkommen von Phenylhydrazonen vor, sie sind reine Azo-
verbindungen.

Schmelzpunkt 152 0 C Schmelzpunkt 83 0 C

Sowohl bei den Naphthol- wie auch bei den Phenol-azoverbindungen ist im Fall
der o-Substitution die Acidität der Hydroxylgruppe stark vermindert, wie die Un-
löslichkeit des l-Benzolazo-2-naphthols in wässeriger Lauge zeigt. Es wird hierfür
eine Wasserstoffbrücke verantwortlich gemacht, die den Austritt des Protons er-
schwert und - im Falle der Tautomerie - nahezu unmöglich macht. Auf die intra-
molekulare Wasserstoffbrücke sind die Wasserdampfflüchtigkeit, Sublimierbarkeit
und die relativ stark erniedrigten Schmelzpunkte der o-Isomeren gegenüber den p-
Verbindungen zurückzuführen (bei denen intermolekulare H-Brücken den Kristall
fester zusammenhalten).

Diazoaminobenzol, p-Aminoazobenzol
Man löst 10g Anilin (0,11 mol) in der Mischung von 50 ml Wasser und 10 ml konzen-
trierter Schwefelsäure klar auf, kühlt ab und versetzt unter Eiskühlung mit der Hälfte der
oben bereiteten Lösung von Benzoldiazoniumsulfat. Dazu fügt man unter Umrühren die
Lösung von 50 g Na-acetat in 200 ml Wasser. Der nach Klärung der Flüssigkeit abge-
saugte und mit Wasser gewaschene gelbbraune Niederschlag von Diazoaminobenzol
wird erst auf Ton, dann im Vakuum scharf getrocknet, hierauf nach Zugabe von wenig
Tierkohle aus Alkohol umkristallisiert. Man erhält gelbe Kristalle vom Schmelzpunkt
98 0 C. Eine Probe wird im Reagenzglas mit verdünnter Salzsäure erwärmt. Stickstoffent-
wicklung.
Ferner erwärmt man in einem Reagenzglas 2 g trockenes Diazoaminobenzol in 5 g
Anilin, dem man vorher 1 g trockenes, fein zerriebenes Anilinhydrochlorid zugesetzt hat,
unter öfterem Umrühren V2 Stunde lang im Wasserbad auf 3O 0 C, dann ebenso lange
auf 45 0 C. Wenn eine Probe jetzt, mit Salzsäure erwärmt, keinen Stickstoff mehr ent-
wickelt, löst man das Anilin mit 24 ml 10proz. Salzsäure (6 ml konzentrierte und 18 ml
Wasser) heraus. Das zurückbleibende rote Aminoazobenzolhydrochlorid wird aus der
100fachen Menge mit wenig Salzsäure versetztem heißem Wasser umkristallisiert. Durch
Behandlung des Salzes mit Na-carbonat erhält man die orangegelbe Base.

Helianthin (p-Dimethylaminoazobenzol-sulfonsäure)
15,9g (0,1 mol) Sulfanilsäure werden in 40 ml 2N Natronlauge gelöst; dazu fügt man
die Lösung von 6,4 g Natriumnitrit in 80 ml Wasser. Unter Eiskühlung wird hierauf diese
Lösung in 40 ml 2N Salzsäure eingegossen.
Vorher hat man 9,5g Dimethylanilin in 80 ml 1N Salzsäure gelöst und bringt nun die
Methylorange 607

oben bereitete Lösung von Na-diazobenzol-sulfonat mit der des Dimethylanilinsalzes zu-
sammen. Wenn man hierauf bis zur deutlich alkalischen Reaktion Natronlauge zufügt,
so scheidet sich sehr bald das Natriumsalz des Farbstoffs in schönen orangebraunen
Kristallblättern ab. Man saugt nach mehrstündigem Stehen scharf ab und kann das schon
ziemlich reine Präparat aus wenig Wasser Umkristallisieren. Die Ausbeute ist beinahe
quantitativ.
Man kann auch 15,9 g Sulfanilsäure, in 80 ml Wasser suspendiert, mit 9,5 g Dimethyl-
anilin zur Lösung bringen und dann unter Eiskühlung die Nitritlösung langsam hinzu-
fügen. Das Natriumsalz des Farbstoffs scheidet sich dann direkt aus.

Der hier erhaltene Azofarbstoff ist der in der Alkalimetrie viel benutzte Indikator
Methylorange. Die verdünnte gelbe Lösung des Helianthins wird mit Säuren rot.
Das gelbe Natriumsalz leitet sich von der „Azo"-Form ab, während durch Zugabe
von Säuren über das rote mesomere Zwitterion das rote Kation gebildet wird.

alkalisch
gelb

neutral
Zwitterion
(rot)

stark sauer
mesomeres Kation
(rot)

Methylrot ist das analog aus diazotierter Anthranilsäure mit Dimethylanilin er-
hältliche Produkt.
Beim Dimethylaminoazobenzol selbst („Buttergelb") und einigen anderen Azo-
farbstoffen ist eine krebserregende Wirkung beobachtet worden.

Versuch: Reduktive Spaltung — 3 g Helianthin werden in möglichst wenig heißem


Wasser gelöst; man fügt so lange von einer Lösung von 8g Zinn(ll)-chlorid in 20 ml
konzentrierter Salzsäure in der Hitze hinzu, bis Entfärbung eingetreten ist. Beim Abkühlen
und Reiben mit einem Glasstab kristallisiert Sulfanilsäure aus, die man nach einiger Zeit
absaugt. Das Filtrat wird mit starker Lauge übersättigt und ausgeethert. Die mit einem
Stückchen KOH getrocknete Etherlösung hinterläßt nach dem Abdampfen des Ethers
das neben Sulfanilsäure entstandene Diamin, das durch die auf S. 577 angegebene Farb-
reaktion (Wursters Rot) nachgewiesen wird. Die Base wird beim Abkühlen kristallin.
608 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Zum Nachweis eignet sich auch das Acetylderivat, das durch kurzes Erwärmen der Roh-
base mit V2 m' Essigsäureanhydrid im Wasserbad (Reagenzglas) erhalten wird. Mit
Wasser verdünnen und die Essigsäure mit Natriumcarbonat abstumpfen. Dies ist nötig,
weil die Acetylverbindung wegen der N(CH 3 ) 2 -Gruppe noch basischen Charakter hat.
Farblose Kristalle, die aus Wasser umkristallisiert werden können, Schmelzpunkt 13O 0 C.

Kongorot
4,6 g (2,5 mmol) Benzidin1 werden in 12 ml konzentrierter Salzsäure, die mit Wasser auf
100 ml verdünnt sind, heiß gelöst, weitere 150 ml Wasser hinzugefügt und die klare, auf
2—3 0 C abgekühlte Lösung mit 3,6 g (52 mmol) Natriumnitrit in 20 ml Wasser innerhalb
einer Minute diazotiert. Die „Tetrazo"- (besser Bis-diazo-) Lösung läßt man nach 5 min
unter Umrühren in die Lösung von 16g naphthionsaurem Natrium und 20g kristalli-
siertem Natriumacetat in 250 ml Wasser einlaufen. Wenn eine Probe der Flüssigkeit, mit
Salzsäure erwärmt, keinen Stickstoff mehr entwickelt, wird der blauschwarze Nieder-
schlag der Farbsäure mit Na-carbonat unter Erwärmen zum roten Natriumsalz aufgelöst,
die Lösung filtriert und mit (nicht zu viel) Kochsalz ausgesalzen. Nach dem Absaugen
wird mit Kochsalzlösung gewaschen. Salzsäure fällt aus der Lösung des Natriumsalzes
die blaue Säure.

Durch doppelte Diazotierung des Diamins und doppelte Kupplung mit 1-Amino-
naphthalin-4-sulfonat entsteht der Grundkörper der Substantivfarbstoffe (Direkt-
farbstoffe), der die Baumwolle (Cellulose) direkt färbenden Benzidinfarbstoffe. Die
gegenüber den bisher genannten Azofarbstoffen stark erhöhte Absorption auf der
Faser beruht wohl auf der Länge der Farbstoffmoleküle, die überdies in der Flotte
als kolloide Aggregate vorliegen.

Anion des Kongorots (rot)

NH,

SOo

protoniert (Zwitterion oder Kation: blau)

Bei Zusatz von Säure tritt doppelte Protonierung zum mesomeren Zwitterion ein;
da ein Molekül 2 positive Ladungen aufnehmen muß, ist eine höhere H+-Konzen-
1
Vorsicht! Benzidin ist cancerogen.
Praktisch angewandte Farbstoffe 609

tration als beim Methylorange nötig, um den Indikatorumschlag von rot nach blau
hervorzubringen (pH 3—4).
Weitgehend waschechte Färbungen von Baumwolle und ihren hydrophoben Ab-
kömmlingen (Acetatseide) erhält man auch durch Färben mit Dispersionsfarbstoffen,
lipophilen, das heißt nicht ionisierenden Mono- und Bisazofarbstoffen, die mit der
Faser in hydrophobe Wechselwirkung treten, ferner mit Küpenfarbstoffen, die sich
aus der löslichen Leukoform nach Oxidation unlöslich niederschlagen (siehe Indigo,
S. 654) oder mit Entwicklungsfarbstoffen. Hierbei zieht man kupplungsfähige Phe-
nole, meist Naphthole, (ß-Naphthol AS, 2-Naphthol-l-carbonsäureanilid), die sich
fest an die Baumwollfaser adsorbieren, als Salze auf und kuppelt nach Trocknung mit
beliebigen Diazokomponenten zu besonders licht- und waschechten Färbungen. Alle
diese Verfahren traten aber etwas in den Hintergrund, als die /tea/aMarbstoffe ein-
geführt wurden (ab 1955). Es handelt sich um Farbstoffe beliebigen Typs (Anthra-
chinone, Phthalocyarjine, hauptsächlich aber AzoVerbindungen), die eine reaktive
Gruppe tragen, welche - bei schwach alkalischem Milieu - mit den Hydroxylgruppen
der Baumwolle, natürlich auch mit Aminogruppen von Wolle und Seide unter Aus-
bildung einer Kovalenz reagieren. Als solche Gruppen können z. B. chlorierte Hetero-
cyclen dienen, meistens Chlortriazine, in denen die Chloratome abgestuft nucleophil
leicht substituierbar sind oder additionsfreudige Doppelbindungen, von denen die
Vinylsulfongruppe genannt sei. Diese wird aus Schwefelsäureestern von jS-Hydroxy-
sulfonen durch das Alkali beim Färbevorgang erzeugt. Als Beispiele seien hier nur das
Procionbrillantorange GS und die Klasse der Remazolfarbstoffe genannt.

SO3H (F)-SO2-CH2-CH2-O - SO3H


JOH-
(F)-SO 2 -CH=CH 2 + SO^"

Procionbrilliant orange (p) = Farbstoff molekül

Als typischer Vertreter der Remazolfarbstoffe sei das Remazolgoldgelb G erwähnt,


ein Azofarbstoff, der durch Kuppeln des diazotierten 4-Amino-2,5-dimethoxyphenyl-
/?-hydroxyethylsulfons mit einem substituierten Pyrazolon und Veresterung mit
Schwefelsäure entsteht.
CH QCH 3

HO3S N — - SO2-CH2-CH2-O-SO3H

OCH3
Remazolgoldgelb G

Als optische Aufheller („Weißmacher") bezeichnet man Fluoreszenzfarbstoffe, de-


ren Absorptionsbande im UV-Bereich liegt. Sie kompensieren den Gelbstich der
610 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen

Fasern indem sie den UV-Anteil des auffallenden Lichts in blau-violettes, sichtbares
Fluoreszenzlicht umwandeln. Der Struktur nach leiten sie sich vom 2-Pyrazolin
(Kap. XIV), vom Cumarin (Kap. XV) oder - wie Blankophor ® BBH - vom Stuben ab.

Blankophor® BBH

Kupplung mit einfachen Anionen


Einige Anionen kuppeln mit Diazoniumsalzen zu stabilen Azoverbindungen. Mit
Hydroxidionen entstehen Diazohydroxide, mittelstarke Säuren, die an weitere OH ~-
lonen Protonen unter Ausbildung von Diazotatanionen abgeben. Alkalidiazotate
scheiden sich in vielen Fällen aus genügend konzentrierten Lösungen kristallin ab.
Das mesomere Anion ist natürlich zur (elektrophilen) Kupplung zu Azoverbindungen
nicht mehr befähigt. Da seine Bildung reversibel ist, entsteht mit Mineralsäure wie-
der das Diazoniumion. Dieser Vorgang läuft erheblich langsamer ab, wenn die alka-
lische Diazotatlösung einige Zeit erwärmt worden ist. Man hat anzunehmen, daß
aus dem zunächst gebildeten reaktionsfähigeren (Z)-(cw-, syn-)Diazotat die stabilere
reaktionsträge (E)-(trans-, anti-)Form entstanden ist.

^OH
rasch
cis-Diazohydroxid

H+I-H+
N=N

trans-Diazo- N=N" N = Nx
hydroxid

trans -Diazotat eis-Diazotat

Als ambidente Anionen geben die Diazotate mit Säurechloriden N-Nitrosoacyl-


amine.

e -* v
N =O
Ar-N^N^O + RCOCl--Ar-N
v
c?L
Diazohydroxide 611

Mit Sicherheit ist die Existenz von (Z)- und (E)-Diazotaten im festen Zustand er-
wiesen.
Dem im folgenden Präparat aus /7-Nitrobenzoldiazoniumchlorid durch 4 N Na-
tronlauge erhaltenen kristallisierten Salz wird die E-Konfiguration zugeschrieben.
Die goldgelbe Farbe weist auf eine Beteiligung der Nitrogruppe an der Mesomerie
hin.

Natrium-p-nitrophenyl-( E)-(anti)-diazotat
14g p-Nitranilin (0,1 mol) werden in der Hitze in 60 ml Salzsäure (30 ml konzentrierte
und 30 ml Wasser) gelöst; die Lösung gießt man auf 80 g Eis, die sich in einem kleinen
Filtrierstutzen befinden. Man diazotiert nun bei 5—1O 0 C mit der Lösung von 8 g Natrium-
nitrit in 20 ml Wasser, die man unter kräftigem Rühren auf einmal hinzufügt, und läßt,
nachdem man sich von der Vollendung der Reaktion überzeugt hat, die Diazoniumsalz-
lösung unter Umrühren in 400 ml auf 40—5O 0 C erwärmte etwa 4N Natronlauge ein-
fließen. Während des Erkaltens kommt das (E)-Diazotat in schönen goldgelben Blätt-
chen zur Abscheidung. Nach mehrstündigem Stehen saugt man das Salz ab und wäscht
es mit gesättigter Kochsalzlösung. Es ist nach dem Trocknen auf Ton beliebig lange halt-
bar und wird durch Auflösen in Alkohol von 6O 0 C, Abfiltrieren des ungelösten Salzes
und Abdampfen des Alkohols rein erhalten. Ausbeute 18g (90%).

Von den neutralen aromatischen Diazoverbindungen verdienen die Carbonsäure-


ester der Diazohydroxide Erwähnung, z. B. das viel untersuchte Benzoldiazoacetat
(Bamberger, Huisgen). Die sehr leicht unter N2-Abgabe und Phenylierung des Lö-
sungsmittels (S. 618) zerfallende Verbindung, die bei normaler Temperatur nicht
isoliert werden kann, entsteht in der E-Konfiguration bei der spontanen Umlagerung
von AT-Nitrosoacetanilid und (wahrscheinlich in der Z-Form) aus Diazoniumion und
Acetat. Die Diazoacetate kuppeln in nicht-wässerigen Lösungsmitteln rasch, z. B.
mit Phenolen oder intramolekular sogar gegen räumlich günstig gelagerte Methyl-
gruppen (Indazol aus AT-Nitrosoaceto-o-toluidid, S. 658).

Indazol

Weitere gut untersuchte neutrale Diazoverbindungen sind die Diazocyanide. Dia-


zotiertes /?-Nitro- oder /7-Halogenanilin gibt in der Kälte mit Cyanid in Wasser
612 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

schwerlösliches niedrigschmelzendes (Z)-Diazocyanid, das sich schon beim Lagern,


rasch beim Erwärmen in Lösung in hochschmelzendes (E)-Diazocyanid umlagert
(folgendes Präparat).

P-X-C6H4N2+ CN
" > P-X-C6H4 CN -> P-X-C6H,
N=N
CN

(Z)- und (E)-Diazocyanide


(Z)-p-Nitrobenzol-diazocyanid
Man suspendiert 13,8g (0,1 mol) gut gepulvertes p-Nitranilin in 45ml konzentrierter
Salzsäure +45 ml Wasser. Bei 0° bis +4 0 C gibt man unter gutem Rühren langsam eine
Lösung von 6,9g Na-nitrit in 1OmI Wasser zu. Man erhält eine fast klare Lösung, die
man sofort filtriert. Die Lösung wird, um Erstarren zu vermeiden, mit 50 ml Alkohol ver-
setzt und im Trockeneisbad auf -10 bis -15 0 C gekühlt. Zur gekühlten Lösung tropft
man unter starkem Rühren und Einleiten von Stickstoff eine kalte Lösung von 13g
Kaliumcyanid in 25 ml Wasser. Dabei fällt ein helloranger Niederschlag aus, der abge-
saugt und rasch mit kaltem Wasser gewaschen wird. Man preßt ihn auf Ton ab, löst sofort
in Ether, trocknet mit Mg-sulfat, filtriert, versetzt mit etwa der gleichen Menge Benzin
(40°C) und kühlt in Methylenchlorid-CO2. Es kristallisieren 3,5-4 g (ca. 23%) von (Z)-
p-Nitrobenzoldiazocyanid, die bei 47— 48 0 C schmelzen. Läßt man die Kristalle bei Raum-
temperatur stehen, so wird die Substanz allmählich dunkler, der Schmelzpunkt sinkt
innerhalb von 24h auf 29—3O 0 C (Mischschmelzpunkt) und liegt nach 4 Tagen bei
79-8O0C (E-Form).

(E)-p-Nitrobenzol-diazocyanid
500mg der Z-Verbindung (Schmelzpunkt 47-480C) werden in 50 ml Benzol 15min
unter Rückfluß gekocht. Nach dem Abdampfen im Vakuum hinterbleibt ein rotbrauner
Kristallrückstand, der aus Benzol-Benzin (4O 0 C) umkristallisiert wird. Man erhält 400 mg
(80%) orange-rote Nadeln vom Schmelzpunkt 85-860C.

(Z)-p-Chlorbenzol-diazocyanid
12,7 g (0,1 mol)p-Chloranilin werden, wie voranstehend beschrieben, mit 6,9g NaNO2
in 10 ml Wasser diazotiert. Zur klaren Lösung gibt man bei -1O 0 C 50 ml Alkohol und
langsam unter starkem Rühren unter Stickstoff die Lösung von 13g Kaliumcyanid in
25 ml Wasser. Man erhält 3-3,5 g (ca. 20%) Z-Verbindung vom Schmelzpunkt 25-26 0 C.
Nach Umkristallisieren aus Ether- Benzin hellorange Nadeln.

(E) -p- Chlorbenzol -diazocyanid


Die c/s-Verbindung wird in Benzol 15min unter Rückfluß gekocht, der Abdampfrück-
stand aus Benzin (60— 95 0 C) umkristallisiert: orange Prismen vom Schmelzpunkt 103 0C.
Ausbeute fast quantitativ.
Diazocyanide 613

(Z)-p-Brombenzol-diazocyanid
17,2g (0,1 mol) p-Brom-anilin geben bei gleichartiger Reaktion etwa 3,5g Z-Verbin-
dung vom Schmelzpunkt 45—46 0 C. Nach Umkristallisieren aus Ether-Benzin hellorange
Nadeln.

(E)-p-Brombenzol-diazocyanid
Es wird analog der p-Chlorverbindung durch Umlagerung erhalten. Schmelzpunkt 131
bis 132 0 C.

Zu den Anionen, die mit Diazoniumsalzen kovalent kuppeln, gehören auch Arsenit
AsO3"' und Sulfit SO3"". Über das Phenyl-(E)-diazosulfonat, C6H5-N=N-SO3"
geht die als Präparat auf S. 621 ausgeführte Synthese des Phenylhydrazins. Mit Azid
entstehen die unbeständigen Diazoazide (siehe S. 614), mit Thiolen entstehen Dia-
zothiolate, R-S-N=N-Ar.

Reaktionen unter Stickstoffabgabe


Die Tendenz zur Abspaltung elementaren Stickstoffs verleiht der Kohlenstoff-Nfl-
Bindung eine gewisse Labilität. Schon bei Zimmertemperatur zerfallen viele Dia-
zoniumionen langsam in Stickstoff und Arylkationen, die sofort nucleophile Teil-
chen, in Wasser H2O-Moleküle, binden (SN l-Reaktion). Diese Reaktion dient, durch
Temperaturerhöhung beschleunigt, als „Verkochung" zur Gewinnung von Phenolen.
Zusatz von Säure verhindert eine als Nebenreaktion mögliche Kupplung von Dia-
zoniumsalz mit dem Phenol. Sind nucleophile Anionen anwesend, so treten auch
Produkte ihrer Bindung an das Arylkation auf, deren Menge von der Nucleophilie
abhängt. Das relativ schwach nucleophile Chloridion erzeugt nur wenige Prozente
an Halogenaromaten, Bromid führt zu einer erhöhten Menge, lodid läßt den lod-
aromaten als Hauptprodukt entstehen. Mit Hydrogensulfid, SH" entstehen Thiole,
aus den festen Diazoniumtetrafluoroboraten beim Erhitzen Fluoraromaten (Schie-
mann-Reaktion). Nimmt man die Phenolverkochung in Gegenwart von Alkoholen
vor, so entstehen als Nebenprodukte aliphatische Ether, primäre Alkohole wirken
dabei auch reduzierend, so daß die den Diazoniumsalzen zugrunde liegenden Koh-
lenwasserstoffe entstehen. Zur präparativen Reduktion wendet man in manchen
Fällen besser Stannit, Ameisensäure oder unterphosphorige Säure, H 3 PO 2 , an. In
die Tab. 4 ist auch die Substitution durch Arsenit zu Arsonsäuren (Bart-Reaktion)
und die durch Azid zu Arylaziden aufgenommen, die jedoch anders, über eine
Kupplung zum instabilen Diazoazid (unter partieller Beteiligung des Arylpentazols,
siehe S. 662), verläuft.
614 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Tabelle 4
Substitutionen des Stickstoffs in Aryldiazoniumionen

ArISI2 + H2O > ArOH


Cl ~, Br~ > ArCI, ArBr (wenig)
I- > ArI
SH- > ArSH
BF4 > ArF + BF3 (Schiemann-Reaktion)
Na2SnO2 , J
H 3 PO 2 u.a. > \
CH 3 OH > ArOCH 3 (+ArH + CH 2 O)
AsO 3 H 2 > ArAsO 3 H 2 (Bart Reaktion)
N3 > ArN 3 + N 2 (über Diazoazid,

u n d Arylpentazol Ar—N ^ l

Katalyse mit Cu + (Sandmeyer-Reaktion) oder Cu-Metall (Gattermann-Reaktion)

CuCI(+ Cl-), CuBr(+ Br-) > ArCI, ArBr


K 3 [Cu(CN) 4 ] > ArCN

NO2

SO3-

Im unteren Teil der Tabelle sind die durch Kupfer(I)-Salze oder durch Kupfer-
pulver katalysierten Substitutionsreaktion (Sandmeyer-Reaktion, Gattermann-
Reaktion) mit aufgeführt, denen Radikalmechanismen zugrunde liegen. Man nimmt
an, daß Cu + oder Cu0 das Diazoniumion durch Übertragung eines Elektrons redu-
zieren, worauf es unter homolytischer N2-Abspaltung ein Arylradikal ergibt. Das
beim Redoxvorgang entstandene Cu(II)-ion erhält ein Elektron zurück durch die
Reaktion des Arylradikals mit dem in der Nähe befindlichen geeigneten Anion, hier
Cl~, aber auch Br", NO^ oder CN".

Ar-N=N + Cu + CI- + Cl - > Ar-N=N- + CuCI2


Ar-N=N- > N2 + Ar-
Ar- + C|-Cu + + C|- > ArCI + Cu+ CI'

Eine wie beim Präparat S. 604 bereitete Lösung von Benzoldiazoniumsulfat wird
zu gleichen Teilen für die beiden folgenden Präparate verwendet.
Reaktion der Diazoniumsalze mit Wasser und lodid 615

Phenol aus Anilin


Die Hälfte der Diazoniumsalzlösung (S. 604) wird bei 40—5O 0 C solange stehen gelas-
sen, bis die Stickstoffentwicklung aufgehört hat. Nun wird das entstandene Phenol mit
Wasserdampf überdestilliert. Wenn etwa 400 ml Destillat übergegangen sind (negative
FeCI3-Reaktion) sättigt man es mit Kochsalz, ethert mehrere Male aus, trocknet die Ether-
lösung mit CaCI2 und destilliert bei Normaldruck. Es gehen bei 183 0 C 6—7 g (~70%
d.Th.) Phenol über, das alsbald erstarren muß (Schmelzpunkt 42 0 C).

lodbenzol, lodosobenzol, lodobenzol


Die Hälfte der auf S. 604 bereiteten Lösung von Benzoldiazoniumsulfat wird im 500-ml-
Rundkolben mit der Lösung von 15 g Kaliumiodid in 20 ml Wasser einige h unter Was-
serkühlung aufbewahrt. Dann erwärmt man mit aufgesetztem Kühler auf dem siedenden
Wasserbad bis die Stickstoffentwicklung aufhört, macht mit konzentrierter Natronlauge
stark alkalisch, um mitgebildetes Phenol zu binden und destilliert das lodbenzol mit
Wasserdampf über. Nach Trennung im Scheidetrichter und Ausethern trocknet man mit
Calciumchlorid und destilliert. Siedepunkt 189-190 0C, Ausbeute 14—16 g (~67% d.Th.)
Phenyliodidchlorid. 3 g lodbenzol werden in 15 ml Chloroform gelöst. Unter Eisküh-
lung leitet man aus der Bombe Chlor ein, bis keine Absorption mehr erfolgt. Die schönen
hellgelben Kristalle, [C6H5ICI] + CI', werden abgesaugt, mit Chloroform gewaschen
und auf Filtrierpapier an der Luft getrocknet.
lodosobenzol. 2 g Phenyliodidchlorid werden in einer Reibschale mit 10 ml 3N NaOH
gut zerrieben. Nach dem Stehen über Nacht saugt man das gebildete lodosobenzol ab,
wäscht mit Wasser aus und trocknet auf Ton. Die Substanz ist nicht kristallin.
(C6H5ICI)+CI- + 2OH- > C 6 H 5 IO + H 2 O + 2CI~

Aus dem alkalischen Filtrat (ohne die Waschwässer) fällt beim Einleiten von Schwe-
feldioxid — zur Reduktion des gebildeten lodats — ein farbloses Salz, das nach einigem
Stehen abgesaugt und aus heißem Wasser umkristallisiert wird: Diphenyliodoniumiodid.
lodobenzol. Die Hauptmenge des dargestellten lodosobenzols wird, mit wenig Wasser
zu einem Brei angeteigt, im Rundkolben mit strömendem Wasserdampf behandelt, bis
alle Substanz gelöst und das gebildete lodbenzol übergegangen ist. Die (wenn noch
trüb, heiß filtrierte) Lösung wird auf dem Wasserbad eingedampft, bis aus einer abge-
gossenen Probe im Reagenzglas beim Abkühlen reichlich lodobenzol duskristallisiert.

Die lodoniumbasen entstehen allgemein aus lodoso- und lodoverbindung in


Gegenwart von Alkalien; die beiden Jodhaltigen Moleküle vereinigen sich unter Ab-
spaltung von lodat.

NaOH
C6H5I^O + O 2 IC 6 H 5 > [C 6 H 5 -I-C 6 H 5 J + OH- + NaIO3

lodosobenzol lodobenzol Diphenyliodonium- Na-


hydroxid iodat
616 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

lodobenzol stammt aus lodosobenzol, aus dem es durch intermolekulare Dispro-


portionierung neben lodbenzol gebildet wird.

C 6 H 5 IO + 0IC6H5 -> C6H5I + C6H5I

Diese Reaktion findet in geringem Umfang schon in der Kälte statt und so erklärt
sich das Auftreten der lodoniumbase, deren lodid isoliert wird, als Nebenprodukt bei
der Darstellung von lodosobenzol.
Die lodoso- und namentlich die lodoverbindungen verpuffen beim Erhitzen. Aus
angesäuerter Kaliumiodidlösung setzen sie die äquivalente Menge lod in Freiheit,
wobei sie in lodbenzol zurückverwandelt werden.
Die lodoniumionen entsprechen den Ammonium-, Sulfonium- und Oxoniumionen.
Auch Diphenylchloroniumchlorid ist beständig. Diphenyliodoniumiodid zerfällt
beim Erhitzen in exothermer Reaktion in 2 Moleküle C 6 H 5 I. Versuch mit einer
kleinen Probe im Reagenzglas !
Die aromatischen Verbindungen des mehrwertigen lods hat man lange Zeit für
eine Monopolklasse der aromatischen Chemie angesehen, bis Thiele (1909) die ganze
Verbindungsreihe auch bei den Olefinen, im einfachsten Beispiel am Chloriodethylen
ClCH=CHI kennen lehrte. Selbst Methyliodid vermag bei tiefer Temperatur Chlor
anzulagern, aber dieses Produkt zerfällt leicht und zwar in Methylchlorid und Chlor-
iod (Ersatz von lod durch Chlor, vgl. dagegen die Finkelstein-Reaktion auf S. 167).
Die Derivate des mehrwertigen lods werden erst beständig, wenn das lod, wie der
Stickstoff bei Diazoniumionen, an einem sp2-hybridisierten C-Atom haftet.
Die Herstellung über das Diazoniumion ist nicht der einzige Weg zur Einführung
von lod in den aromatischen Ring. Die direkte oxidative elektrophile Substitution
am Benzol durch lod in rauchender Salpetersäure als bequemste Synthese des lod-
benzols ist schon auf S. 233 erwähnt.

p-Tolunitril aus p-Toluidin (Sandmeyer-Reaktion)


In einem Kolben von 2 I Inhalt löst man unter Erhitzen auf dem Wasserbad 50 g Kupfer-
sulfat (0,2 mol) in 200 ml Wasser auf und fügt unter fortwährendem Erwärmen allmäh-
lich eine Lösung von 55g Kaliumcyanid (0,85 mol) in 10OmI Wasser hinzu. Da sich
hierbei Dicyan entwickelt, führe man diese Reaktion unter dem Abzug aus.
Während die komplexe Kupfer(I)-cyanidlösung auf dem Wasserbad auf 60-7O0C
weiter erhitzt wird, stellt man sich eine p-Toluoldiazoniumchloridlösung in der folgen-
den Weise her: 21,4 p-Toluidin (0,2 mol) werden mit einer Mischung von 50g konzen-
trierter Salzsäure und 150 ml Wasser bis zur Lösung erhitzt, worauf die Flüssigkeit ins
Eisbad eingetaucht und mit einem Glasstab lebhaft umgerührt wird, damit sich das salz-
saure Toluidin möglichst feinkristallin abscheidet. Man fügt dann unter Kühlung mit Eis
so lange eine Lösung von 16g Natriumnitrit in 80 ml Wasser zu, bis man eine bleibende
Reaktion auf salpetrige Säure mit Kaliumiodid-Stärkepapier erhält. Das so erhaltene Dia-
zoniumchlorid fügt man dann aus einem Kolben etwa im Laufe von 10 min unter kräfti-
Sandmeyer- und Schiemann-Reaktion 617

gern Umschütteln zu der warmen Kupfer(l)-cyanidlösung. Nachdem man noch etwa


15min mit aufgesetztem Steigrohr auf dem Wasserbad erwärmt hat, treibt man das
Tolunitril mit Wasserdampf über (Abzug, HCN!). Man ethert aus, schüttelt die Ether-
lösung zur Entfernung von mitgebildetem p-Kresol zweimal mit 2 N Natronlauge durch,
verdampft den Ether und beseitigt das die Gelbfärbung des Präparats verursachende
Azotoluol durch Schütteln des warmen Rückstandes mit der Lösung von 4 g Zinn(ll)-
chlorid in 10 ml konzentrierter Salzsäure. Dann verdünnt man mit Wasser, saugt das bald
erstarrende Tolunitril ab und trocknet auf Ton. Wenn das Präparat teilweise ölig bleibt,
nimmt man in Ether auf, schüttelt die Etherlösung zur Entfernung von aufgenommenem
SnCI2 nochmals mit Lauge, trocknet sie und unterwirft schließlich das Nitril der Destilla-
tion. Siedepunkt 218 0 C, Schmelzpunkt 29 0 C. Ausbeute 12-14 g (~65%).
Benzonitril. Auf analoge Weise läßt sich mit etwa der entsprechenden Ausbeute die
Diazoniumchloridlösung von 18,6 g Anilin in Benzonitril überführen. Flüssigkeit vom
Siedepunkt 1860C.
p-Toluylsäure. Wer nicht schon früher die Verseifung eines Nitrils zur Säure (Benzyl-
cyanid -+ Phenylessigsäure, S. 326) ausgeführt hat, soll diese Reaktion hier kennen-
lernen.
5,9 g Tolunitril (0,05 mol) werden nach und nach in die Mischung von 20 ml konzen-
trierter Schwefelsäure mit 10 ml Wasser, die sich in einem kleinen Rundkolben befindet,
eingebracht und unter Rückfluß auf dem Drahtnetz oder Sandbad etwa 1 Stunde lang
im Sieden gehalten. Nach dem Erkalten verdünnt man mit Wasser, saugt die kristallisierte
p-Toluylsäure ab, beseitigt etwa beigemengtes Amid durch Lösen des Rohprodukts in
verdünnter Lauge und Filtrieren und fällt das Filtrat mit Salzsäure. Ein reines Produkt er-
hält man, wenn man die Verseifung bei 15O 0 C (im Ölbad) 5 h lang vor sich gehen läßt.
Zur Reinigung löst man, ohne vorher zu trocknen, in möglichst wenig siedendem Alkohol,
spritzt so viel Wasser zu, daß eben keine Trübung eintritt und kocht noch einige min mit
wenig Tierkohle, die man jedoch nicht in die siedende Lösung eintragen darf. Die beim
Abkühlen der filtrierten Lösung auskristallisierende Säure schmilzt bei 177 0 C. Ausbeute
4g (-60%).

Fluorbenzol (Schiemann-Reaktion)

HBF — -F

Die Lösung aus 20g wie oben diazotiertem Anilin wird mit 60 ml einer etwa 40proz.
wässerigen Borfluorwasserstoffsäure versetzt. Der Kristallbrei wird nach 30 min abge-
saugt und mit wenig eiskalter Borfluorwasserstoffsäure, dann mit Alkohol und Ether ge-
waschen. Der Destillierkolben, in dem anschließend die thermische Zersetzung erfolgt,
trägt ein Thermometer und ist mit einer Eis-Kochsalz gekühlten Vorlage dicht verbunden,
welcher noch zwei mit verdünnter Natronenlauge beschickte Wasserflaschen ange-
schlossen sind. 34g des gut getrockneten Diazoniumfluoroborats werden mit fächelnder
Flamme vorsichtig zersetzt; die Geschwindigkeit kann an der Blasenfolge in den Wasch-
flaschen abgeschätzt werden. Es gehen zwischen 75 0 C und 87 0 C 12,8g rohes Fluor-
benzol über. Es wird mit 2N Natronlauge durchgeschüttelt und über geglühtem Na2SO4
getrocknet, sodann fraktioniert destilliert. Dabei erhält man 8 g (ca. 50%) farblose Flüs-
siakeit vom Siedeounkt 85 0 C / 760 Torr.
618 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Die Fluorierung von Aromaten durch elektrophile Substitution des Wasserstoffs


läßt sich wegen der großen Reaktivität des Fluors nicht durchführen. Zur Einfüh-
rung des Fluors ist die thermische Zersetzung der Diazoniumfluorkomplexsalze,
vorwiegend der Tetrafluoroborate nach Schiemann die einzige zuverlässige Methode.
Anstelle der Tetrafluoroborate können auch Pentafluorosilikate oder Hexafluoro-
phosphate zersetzt werden. Man kann die Reaktion als elektrophile Substitution des
Fluorids im Komplex durch das Arylkation formulieren

Ar + + FBF3 > ArF + BF3

Das im Aromaten gebundene Fluor ist äußerst reaktionsträge, befinden sich aber
in o- und /^-Stellung elektronenanziehende Substituenten, so kann es leicht nucleo-
phil substituiert werden. Das aus Fluorbenzol durch energische Nitrierung erhält-
liche l-Fluor-2,4-dinitrobenzol wird zur Dinitrophenylierung endständiger Amino-
gruppen bei Proteinen und Peptiden verwendet (Sangers Reagens).
Selbst stark elektronenanziehend, verleiht Fluor den ^-ständigen H-Atomen z.B.
im Fluorbenzol beträchtliche Protonenbeweglichkeit, so daß ein Proton durch starke
Basen abgelöst wird. Sehr starke Basen wie Alkali-amide reagieren auch mit dem
0-ständigen Wasserstoff von CWöraromaten. Die sich daran anschließenden Reak-
tionen des Dehydrobenzols und der Arine sind auf S. 282 besprochen.

p-Chlorbiphenyl
15g p-Chloranilin (~0,12 mol) werden in 60 ml Eisessig warm gelöst und mit 40 ml
Acetanhydrid versetzt. Nach einigen min kühlt man auf O 0C, wobei sich das Acetylderivat
kristallin ausscheidet. In die Suspension leitet man nitrose Gase ein, die man sich durch
langsames Zutropfen etwa GOprozentiger Schwefelsäure zu Natriumnitrit, am besten in
einer Saugflasche, unter Zwischenschaltung einer leeren Waschflasche, bereitet. Im
Laufe von 20 bis 30 min erhält man eine klare grüne Lösung, aus der beim weiteren Ein-
leiten das /V-Nitroso-p-chlor-acetanilid auszukristallisieren beginnt. Der beim Zusatz
von 70 ml Eiswasser erhaltene Kristallbrei wird abgesaugt, nach dem Auswaschen mit
Wasser scharf abgepreßt und in 200 ml Benzol gelöst. Man schüttelt die Lösung bei
Raumtemperatur 10min unter Zusatz von 10g geglühtem Natriumsulfat, filtriert unter
gelindem Saugen und wäscht mit 50 ml Benzol nach. Nach 24h ist die spontane Stick-
stoffentwicklung abgeschlossen. Die dunkle Lösung wird mit Wasser gewaschen, als-
dann auf dem Wasserbad das Benzol möglichst vollständig abdestilliert. Bei der an-
schließenden Vakuumdestillation des Rückstands im Schwertkolben mit Claisenaufsatz
ist die Ölbadtemperatur sorgfältig zu regulieren wegen der Gefahr des Schäumens. Bei
151—154 0 C / 1 1 mm gehen 10g Chlorbiphenyl als beim Erkalten erstarrendes Öl über.
Nach Umlösen aus wenig siedendem Alkohol derbe Tafeln von aromatischem Geruch,
die bei 78 0 C schmelzen.

Bei der eigentlichen Gomberg-Reaktion, die gewöhnlich schlechtere Ausbeuten


liefert, wird aus einem Diazoniumsalz durch Zusatz von Lauge in Gegenwart des zu
Gomberg-Reaktion 619

arylierenden flüssigen oder gelösten Aromaten unter guter Durchmischung das


Diazohydroxid erzeugt, das unter homolytischer Stickstoffabspaltung das reaktive
Arylradikal liefert. Bei der hier ausgeführten homogenen Arylierung macht man von
der spontanen Umlagerung der Nitrosoacyl-arylamine zu Diazoacylaten Gebrauch
(S. 611), die ebenfalls unter Radikalbildung zerfallen.

-N2
= N-0-CO-CH 3

Entsprechende Phenylierungsreaktionen können auch mit Phenylazo-triphenyl-


methan oder mit Dibenzoylperoxid ausgeführt werden. In allen Fällen werden mit
Vorzug o- und /^-Stellung zu einem bereits vorhandenen Substituenten besetzt un-
abhängig von dessen Natur.
Ebenfalls radikalischer Natur ist die durch Kupfersalze katalysierbare Meerwein-
Arylierungsreaktion, bei der sich die Bestandteile eines Diazoniumchlorids nach N2-
Abspaltung an geeignet reaktive olefinische Doppelbindungen anlagern. Das z.B.
aus Acrylnitril und Benzoldiazoniumchlorid entstehende 2-Chlor-3-phenylpropio-
nitril kann HCl abspalten, wodurch Zimtsäurenitril, das Produkt der Phenylierung
des Olefins gebildet wird.

H2C = CH-CN

= CH-CN
620 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

In einem 1 -I-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter und Rückflußkühler bringt man die
Lösung von 25g (0,14mol) Anthracen und 19,5g (22ml, 0,17mol) Isoamylnitrit in
400 ml 1,2-Dichlorethan zum Sieden und tropft in 30 min die filtrierte Lösung von 20 g
(146mmol) Anthranilsäure in 10OmI Diethylenglykoldiethylether zu. Nach weiteren
20 min Kochen setzt man einen absteigenden Kühler auf und destilliert, bis die Siede-
temperatur 150—16O 0 C erreicht hat. Dann wird etwas abgekühlt und nach Zusatz von
10g Maleinsäureanhydrid 2—3 min zum Sieden erhitzt. Nun kühlt man mit einem Eis-
bad, fügt die Lösung von 40g Kaliumhydroxid in 500 ml Methanol/Wasser 2:1 hinzu
und saugt die auf 0-1O0C gekühlte schwarze Mischung ab. Der Filterrückstand wird mit
ca. 10OmI Methanol/Wasser (4:1) gewaschen, bis das Filtrat farblos ist. Das rohe
Triptycen wird bei 10O 0 C getrocknet und wiegt ca. 20 g (54%), Schmp. 251-2540C.
Zur Reinigung wird es in 200 ml Methylethylketon unter gelindem Erwärmen gelöst,
mit 2—3 g Aktivkohle behandelt und filtriert, auf 140 ml eingeengt, mit 160 ml Methanol
versetzt und bei O 0 C kristallisiert. Das Triptycen wird abgesaugt und mit 60 ml kaltem
Methanol gewaschen: 15,6g (42%) vom Schmp. 254-2550C.

Aus dem Diazonium-Betain der Anthranilsäure kann man das instabile Dehydro-
benzol (siehe S. 283) gewinnen, das Wittig zuerst als Produkt der Behandlung von o-
Bromfluorbenzol mit Lithiumamalgam nachgewiesen hat. Es wird allgemein durch
eine Diensynthese, hier mit Anthracen abgefangen. Dabei entsteht das schön sym-
metrische Triptycen. Überschüssiges Anthracen wird zuvor durch eine Diensynthese
mit Maleinanhydrid entfernt.

Reduktion des Diazoniumions


Auf S. 613 wurde erwähnt, daß die „Verkochung" von Diazoniumverbindungen in
Gegenwart von Reduktionsmitteln (Ethanol, Hypophosphit, Ameisensäure) Was-
Reduktion der Diazoniumsalze, Phenylhydrazin 621

serstoff anstelle des Stickstoffs treten läßt. Als geeignetes Reduktionsmittel ver-
wendet man im folgenden Präparat - wie schon Peter Griess, der Entdecker der
Diazoniumsalze - Ethylalkohol.

1,3,5-Tribrombenzol aus Tribromanilin


33g (0,1 mol) 2,4,6-Tribromanilin werden in einem 1-I-Dreihalskolben mit Rückfluß-
kühler, Rührer und Einlaß-Stopfen in 200 ml 95proz. Alkohol plus 50 ml Benzol durch
Erwärmen auf dem Dampfbad gelöst. Dann tropft man 14ml konzentrierte Schwefel-
säure zu und gibt dann portionsweise 14g (0,2 mol) Na-nitrit so rasch zu, daß die Flüs-
sigkeit nicht hochsiedet. Dann erhitzt man 1 Stunde über das Ende der Gasentwicklung
hinaus zum Sieden. Jetzt wird im Eisbad gekühlt und nach 1 h das Kristallisat abgesaugt.
Man wäscht auf der Nutsche mit 10proz. Schwefelsäure, saugt dann ab und wäscht
mit Wasser. Man erhält 24g (72%) rotbraunes kristallines Rohprodukt. Zur Entfärbung
wird es aus 300 ml siedendem Eisessig, dem 50 ml Wasser zugesetzt sind, unter Ver-
wendung von Tierkohle umkristallisiert. 21 g leicht gelbe Kristalle vom Schmelzpunkt
121 0 C.

Die DiazoVerbindungen lassen sich auch unter Erhaltung der N,N-Bindung zur
Stufe des Hydrazins reduzieren. Phenylhydrazin, das wichtigste aromatische Derivat
des Hydrazins wurde erstmalig von E. Fischer wie im folgenden Präparat erhalten.
Das klassische Verfahren mit Na-sulfit als Reduktionsmittel geht über das Kupp-
lungsprodukt Phenyl-(E)-diazosulfonat, das häufig zu Anfang der Reaktion in schö-
nen orangegelben Kristallen herauskommt. In zweiter Stufe wird aus einem zweiten
mol Sulfit im Ansatz durch Salzsäure schweflige Säure freigesetzt, die sich an die
Azodoppelbindung anlagert. Hydrolytische Abspaltung beider AT-Sulfonsäurereste
als Schwefelsäure hinterläßt das reduzierte Produkt.

NH-NH3
+ H2SO4

Phenylhydrazin
47 g Anilin (0,5 mol) werden in 100 ml konzentrierter Salzsäure, die mit dem gleichen
Volumen Wasser verdünnt sind, gelöst und wie z.B. auf S. 61 6 beschrieben, mit der
Lösung von 38 g (0,55 mol) Natriumnitrit in 100 ml Wasser unter guter Kühlung diazo-
tiert. Vorher hat man eine möglichst gesättigte wässerige Lösung von 1,25 mol = 158 g
neutralem wasserfreiem oder 315g kristallwasserhaltigem (7H 2 O) Natriumsulfit bereitet,
deren Gehalt der Menge der angewandten Salzsäure entspricht; es ist dies ein Über-
schuß von 25% über den stöchiometrischen Bedarf. Die frisch bereitete Diazoniumchlorid-
622 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen

lösung gießt man rasch in die kalte Sulfitlösung ein, die sich in einem 2-l-Rundkolben
befindet. Die orangerote Lösung, die entsteht, darf sich, wie an einer Probe im Reagenz-
glas zu prüfen ist, beim Kochen nicht trüben. Ist dies doch der Fall, so muß mehr Sulfit
zugefügt werden. Man setzt nun unter Umschütteln nach und nach 100 ml konzentrier-
te Salzsäure zu, wobei der Farbton der Lösung in Gelb umschlägt. Dann erhitzt man auf
dem Wasserbad, fügt einige ml Eisessig hinzu und hellt durch Zusatz von wenig Zink-
staub die Farbe der Lösung auf. Die heiß filtrierte Flüssigkeit wird alsbald mit 300 ml
konzentrierter Salzsäure versetzt und langsam erkalten gelassen.
Der Kristallbrei von Phenylhydrazoniumchlorid wird auf der Nutsche abgesaugt,
möglichst scharf abgepreßt, mit Salzsäure (1 Volumen konzentrierte HCI+ 3 Volumen
Wasser) gewaschen und alsbald in einem Scheidetrichter mit 15OmI 4N Natronlauge
unter Ether zersetzt. Man ethert zweimal nach, trocknet die Etherlösung der Base mit
geglühtem Kaliumcarbonat und destilliert schließlich das Phenylhydrazin im Vakuum.
Sdp. 12O 0 C / 12 Torr. Ausbeute rund 30g (28%).
Das Präparat muß beim Einstellen in kaltes Wasser nach kurzer Zeit vollkommen er-
starren und soll sich in verdünnter Essigsäure ohne Trübung lösen. Schmp. 23 0 C.

Eine zweite Methode zur Darstellung von Phenylhydrazin stammt von V. Meyer,
derzufolge Diazoniumchloride in stark salzsaurer Zinn(II)-chloridlösung zu Aryl-
hydrazinen reduziert werden. Man beachte den Unterschied der Reaktionsweise von
Zinn(II)-salz in saurer und alkalischer Lösung.
Phenylhydrazin ist ein wichtiges technisches Präparat (Antipyrin, Pyramidon
u.a.) und wird im Laboratorium oft als Charakterisierungsreagenz für Carbonylver-
bindungen benutzt. Da es stark giftig ist, hüte man sich vor dem Kontakt mit der
Haut und vor den Dämpfen! Die Darstellung von Benzaldehyd-phenylhydrazon
wird auf S. 347 beschrieben.
2,4-Dinitrophenylhydrazin, das noch schwerer lösliche Hydrazone gibt, wird durch
nucleophile Substitution des Chlors durch Hydrazin aus l-Chlor-2,4-dinitrobenzol
erhalten (Präp. S. 279).
Phenylhydrazin hat in der Zuckerchemie eine hervorragende Rolle gespielt. Be-
merkenswert ist seine mehrfache Einwirkung auf Aldosen oder Ketosen, die unter
formaler Oxidation des Zuckers und Reduktion eines Moleküls (zu NH 3 und Anilin)
zu Osazonen führt (siehe S. 388). Es ist, wie alle Derivate des Hydrazins ein Reduk-
tionsmittel. Durch Cu ++ , Fe3* oder Ag + (Diamminkomplex) wird es zu Phenyl-
diimin oxidiert, das sofort in Stickstoff und Benzol zerfallt.

Versuch: Benzol aus Phenylhydrazin - In einen gewöhnlichen Destillierkolben, der


mit absteigendem Kühler versehen ist, und in dem die Lösung von 25 g Kupfersulfat
(.5H 2 O) in 75 ml Wasser zum Sieden erhitzt wird, läßt man 5 g Phenylhydrazin, in 5 ml
Eisessig und 1OmI Wasser gelöst, langsam einfließen. Heftige Stickstoffentwicklung.
Das entstandene Benzol geht mit den Wasserdämpfen über und wird wie üblich auf-
gefangen und rein gewonnen. Ausbeute 2—3 g.
Phenylazid 623

Beim Überhitzen zersetzt sich Phenylhydrazin analog dem Hydrazobenzol, in-


dem ein Molekül ein zweites hydriert. Das Phenyldiimin zerfallt in Benzol und Stick-
stoff:
2 C 6 H 5 N H N H 2 —> C 6 H 5 NH 2 + N H 3 + (C 6 H 5 N=NH) —> C 6 H 5 + N 2

Fein verteilte Platinmetalle wirken katalytisch beschleunigend.

Phenylazid aus Phenylhydrazin


In einem 1-I-Dreihalskolben mit Thermometer und Rührer werden unter Eis-Kochsalz-
kühlung 17g (0,5 mol) frisch destilliertes Phenylhydrazin zu 18OmI 1,5N Salzsäure in
5 min zugetropft. Man rührt weiter bis die Temperatur von O 0 C erreicht ist und über-
schichtet die Suspension der Phenylhydrazin-hydrochlorid-Kriställchen mit 10OmI
Ether. Dann wird die Lösung von 12,5 g Natriumnitrit in 15 ml Wasser so langsam zuge-
tropft, daß 5 0 C nicht überschritten werden. Durch anschließende Destillation mit Wasser-
dampf treibt man 300 ml Wasser mitsamt dem Ether über, läßt die Etherschicht ab, ethert
die wässerige Schicht einmal nach und trocknet die Extrakte über geglühtem Na 2 SO 4 .
Durch Vakuumdestillation bei 5—6 Torr erhält man mindestens 10g (60—65%) öliges,
stechend riechendes Azid vom Siedepunkt 42-440C.
Vorsicht: Die Destillation muß unter allen Vorsichtsmaßregeln (Kolben in einem
Drahtnetzzylinder, Drahtglasschirm, Schutzbrille und -scheibe) ausgeführt werden, da
Azide bei raschem Erhitzen und bei hohen Temperaturen explodieren können.

Bei der hier ausgeführten Synthese von Phenylazid (Azidobenzol) entsteht zuerst
die Na-Nitroso-Verbindung, die unter Wasserabspaltung und Umlagerung in das
Azid übergeht.

Ar-N = N-NH2

Eine andere Synthesemöglichkeit aromatischer Azide aus Diazoniumsalzen plus


Na-azid ist auf S. 613 erwähnt. Man kann sie auch durch Brom-Oxidation der (nicht
isolierten) Aryltriazene, Kupplungsprodukten der Diazoniumsalze mit Ammoniak,
erhalten. Hierbei führt der Abgang des Bromanions zur Azidogruppe. Andere nucleo-
fuge Gruppen wie OH" beim Kupplungsprodukt des Diazoniumions mit Hydroxyl-
amin oder sogar NH 3 (nach Kupplung mit Hydrazin) können analog zur Azidbil-
dung führen.
Die Arylazide sind sehr reaktionsfähig. Mit Säuren wird z. B. Stickstoff abgespal-
ten, es bildet sich aber nicht Phenylhydroxylamin, sondern - in Schwefelsäure - durch
624 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Wasseranlagerung an die mesomere Grenzform des Arylkations das stabilere p-


Aminophenol, das mit Säure auch aus Phenylhydroxylamin entsteht, in konzentrier-
ter Salzsäure in analoger Weise /7-Chloranilin. Durch Belichten mit langwelligem UV
entsteht ebenfalls unter N2-Abspaltung das „Nitren", das seine Oktettlücke durch
Reaktion mit vielen Nucleophilen schließen kann. Die oben formulierte 1,3-dipolare
Struktur erklärt die Additionsfreudigkeit der Azide an dipolarophile Mehrfachbin-
dungen. So wird z.B. aus Phenylazid und Acetylendicarbonsäureester 1-Phenyl-
triazol-2,3-dicarbonsäureester erhalten.

N—N = N + H+

NH7

ArN 3 Ar-N + H 2 O —

CSC-CO 2 R
RO2C7 CO R
'

Azide addieren sich besonders glatt an die Doppelbindungen gespannter Olefine


(Ziegler). In ihrer 1,3-dipolaren Aktivität und auch in anderen Beziehungen ähneln
die Azide sehr den im folgenden behandelten aliphatischen Diazoverbindungen.

Aliphatische Reihe

Bildung der Diazoalkane

Wie einleitend bemerkt wurde, sind aliphatische Diazoverbindungen, in denen die


N^"-Gruppe an einem gesättigten Kohlenstoffatom sitzt, bei Raumtemperatur nicht
stabil, sie gehen jedoch nach Abspaltung eines Protons in resonanzstabilisierte Zwit-
terionen über. Diazoalkane können daher nicht durch die in der aromatischen Reihe
übliche Diazotierung in saurer Lösung erhalten werden. Die klassische Pechmann-
Synthese des Diazomethans, des Prototyps und wichtigsten Vertreters der Verbin-
dungsklasse geht denn auch von einem durch Ethoxycarbonyl „geschützten" Methyl-
amin (N-Nitrosomethylurethan) oder vom N-Nitrosomethylharnstoff aus. Aus die-
sen Derivaten spaltet starke Lauge oder Alkoholat den Acylrest ab. Das danach zu
erwartende Alkyldiazotat läßt sich in fester Form isolieren, wenn man z. B. N-Nitro-
somethylurethan mit K-ethanolat in Ether spaltet (Hantzsch) oder Methylamin in
Gegenwart von wasserfreier Base (K-methanolat) mit Nitrosylchlorid „diazotiert"
(E. Müller).
Herstellung von Diazomethan 625

H3C-NyN^O K+

H5C2O]^C-OC2H5 _ 0 c(OC 2 H 5 ) 2
O

H^C-N=N-OK
H
H3C-NI +N=O K +
H Cl -CH 3 OH, -HCl

H 3 COj-

In Gegenwart von Wasser und Base (OH") geht das Diazotat sofort in Diazo-
methan über. Die Eliminierung von Wasser aus dem Diazohydroxid läßt sich fol-
gendermaßen formulieren:

H
HC-HM=N-K)H
M ^ QU- -§. © _©. ©
H -—* H 2 C=N-N< >H2C—N=JSh >H2C—N=N |
HQJ~

Bei der üblichen Methode zur Herstellung von Diazomethan wird Nitrosomethyl-
harnstoff oder das besser haltbare N-Nitroso-/?-toluolsulfonsäure-methylamid
(Diactin®) direkt in Gegenwart von wässeriger oder methanolischer Lauge zersetzt,
so daß das formulierte Zwischenprodukt nicht faßbar ist.

Diazomethan

Bei der Durchführung dieser Experimente ist äußerste Vorsicht geboten! Nitrosomethyl-
harnstoff und Diazomethan sind cancerogen, so daß jede Berührung zu vermeiden ist.
Diazomethan ist ferner giftig und explosiv. Da es mit dem Ether verdampft, besteht Ge-
fahr, daß man die Dämpfe einatmet und daß diese sich an scharfen Glaskanten oder
Schliffen explosiv zersetzen. Abzug und Schutzschild, bei Destillation der etherischen
Lösung Schliffe vermeiden oder leicht fetten!

CH
a) aus /V-Nitrosomethylharnstoff

H2N-C-N
ü / -
NO
/V-Nitrosomethylharnstoff. Die Lösung von 20g Methylammoniumchlorid (0,3 mol)
(S. 356) und 30g Kaliumcyanat (~0,4mol) (S. 327) in 12 ml Wasser wird 15min lang
auf 60—8O 0 C erhitzt, dann kocht man kurz auf, filtriert und kühlt die Lösung auf O 0 C.
Eine vorher bereitete, ebenfalls gekühlte Lösung von 20 g Natriumnitrit (0,3 mol) in
626 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

40 ml Wasser wird nun zu der Lösung des Methylharnstoffs hinzugefügt; zu der Mi-
schung läßt man unter Eiskühlung und mechanischer Rührung 100 ml kalte 25proz.
Schwefelsäure zutropfen. Die in kristallinen Flocken sich ausscheidende Nitrosoverbin-
dung wird nach beendeter Operation abgesaugt mit Eiswasser gewaschen und nach
dem Trocknen im Vakuumexsikkator aus etwa der doppelten Menge Methylalkohol um-
kristallisiert. Zur Erhöhung der Ausbeute kühlt man die Lösung in Eis-Kochsalz auf -15 0 C,
saugt nach einigem Stehen ab und wäscht mit Ether. Hellgelbe Kristalle vom Schmelz-
punkt 124 0 C (Zersetzung) Ausbeute 20g. Die Substanz ist im Kühlschrank aufzube-
wahren.
Auf billigere Weise läßt sich Nitrosomethylharnstoff auf folgendem Wege darstellen:
Zu 165 ml konzentriertem Ammoniak läßt man bei Kühlung mit Eis-Kochsalz unter kräfti-
gem Turbinieren 100 g Dimethylsulfat (Vorsicht! Dimethylsulfat ist ein Haut- und Atem-
gift, Abzug! Reste mit Ammoniaklösung zerstören.) zutropfen; die Temperatur soll dabei
nicht über 2O 0 C hinaufgehen. Dann erwärmt man 2 h auf dem Wasserbad, kocht weitere
15 min lang, fügt 85 g Harnstoff zu und kocht nochmals 3 h. Dann wird die Lösung von
40 g Natriumnitrit in 70 ml Wasser zugesetzt und abgekühlt. Die kalte Lösung bringt
man in kleinen Anteilen zu einem Gemisch von 50g konzentrierter Schwefelsäure und
200 g Eis und verfährt im übrigen wie oben angegeben, Ausbeute 25 g.
Zur Überführung in Diazomethan trägt man 10g Nitrosomethylharnstoff in kleinen
Anteilen in 10O ml reinen Ether ein, der mit 30 ml stark gekühlter 40 proz. Kalilauge unter-
schichtet ist. Die Spaltung wird in einem Scheidetrichter, der in einem Eisbad steht
(Stutzen oder Becherglas), unter dem Abzug vorgenommen. Man muß dauernd schütteln
und die Temperatur auf 0° bis +5 0 C halten. Nach 10-20 min ist die Reaktion beendet;
man läßt die wässerige Schicht ab, gießt die tiefgelbe Etherlösung in einen Erlenmeyer-
kolben und trocknet etwa 3 h lang über etwa 10g KOH-Plätzchen. Die Lösung wird in
einer kleinen enghalsigen Glasflasche, die mit einem Stopfen mit Kapillarrohr verschlos-
sen ist, im Kühlschrank aufbewahrt, falls das Präparat nicht sofort Verwendung findet.
Die Diazomethanlösung hält sich mehrere Tage, erleidet aber doch eine stetige, wenn
auch langsame Zersetzung unter Stickstoffentwicklung.
Da Nitrosomethylharnstoff, in der Kälte aufbewahrt, längere Zeit haltbar ist, stellt man
sich jeweils nur die für den augenblicklichen Bedarf notwendige Menge Diazomethan
her.

b) aus /V-Methyl-/V-nitroso-p-toluolsulfonamid (Diactin®)

Zur Herstellung einer etherisch-methanolischen Diazomethanlösung dient eine Destil-


lierapparatur, deren 500-ml-Rundkolben einen Sfach durchlöcherten Gummistopfen
trägt (keine scharfen Kanten). Durch eine Bohrung geht ein Gaseinleitungsrohr für Stick-
stoff, durch die zweite ein 500-ml-Tropftrichter, die dritte führt zu einem gut wirkenden
absteigenden Kühler, dessen Ende mit einem Vorstoß in 50 ml Ether eintaucht die sich
in der Eis-Kochsalzgekühlten Vorlage (500-ml-Kolben) befinden. Der Destillierkolben
enthält die Lösung von 12 g KOH in 15 ml Wasser, dem nach Auflösen 50 ml Methanol
und 50 ml Ether zugesetzt wurden. Der Reaktionskolben wird im Wasserbad auf ca.
Gehaltsbestimmung der Diazomethanlösung 627

5O 0 C erwärmt, dann läßt man unter Durchleiten von Stickstoff die Lösung von 43g
(0,2 mol) „Diactin®" so rasch zutropfen wie der gelbe Diazomethan-Ether abdestilliert.
Zum Ende tropft man noch so lange Ether zu, bis das Destillat farblos übergeht. Man er-
hält so 5-6 g (bis zu 75% d.Th.) Diazomethan in 200 ml Ether-Methanol.

Diazomethan ist ein gelbes, sehr giftiges Gas vom Siedepunkt -240C, das für
präparative Zwecke nur in Lösung gewonnen wird. In freiem Zustand ist es exploxiv.
Als indifferente Lösungsmittel können außer Ether auch Benzol und Petrolether ver-
wendet werden, für kurze Zeit auch Aceton und Alkohole.

Gehaltsbestimmung der Diazomethanlösung. Einen aliquoten Teil der Diazomethan-


lösung (etwa 1/2o) 'aßt man, mit absolutem Ether verdünnt, in eine mit Eis gekühlte
0,2N -etherische Benzoesäurelösung unter Schütteln einfließen. Diese wird hergestellt
durch Auflösen von 1,22g reinster Benzoesäure im 500-ml-Meßkolben in absolutem
Ether; sie muß gegenüber Diazomethan im Überschuß sein, was man daran erkennt, daß
bis zum Schluß der Zugabe N2-Entwicklung eintritt und die Lösung farblos bleibt. Die
übrige Benzoesäure wird mit 0,1 N NaOH zurückgemessen.

Diazomethan entsteht auch, wenn man die „Isonitril-Reaktion" (S. 519), Einwir-
kung von Chloroform und starker Lauge, auf Hydrazin anwendet (H. Staudinger).
Das Addukt von Dichlorcarben an Hydrazin geht in einer Reihe von HCl-Abspal-
tungen und prototropen Umlagerungen in Diazomethan über. Außerdem läßt es
sich in einer „Foster"-Reaktion aus Formaldoxim mit Chloramin erhalten (Rundel).

Cl H

V-N-NH2 > > > H2C=N2


/ nH
~ 2HCI
Cl
H2C=N2 + HCI + H 2 O

\ N
p —M MU
Ox. (HgO) "\ C-N — N
vorsichtige
R'/ Hydrierung R'

Eine allgemeine Herstellungsmethode für Diazoalkane ist die Dehydrierung von


Hydrazonen, eine umkehrbare Reaktion. Benzophenonhydrazon gibt z.B. mit HgO
das tiefrote kristalline Diphenyldiazomethan (Schmelzpunkt 3O0C). Infolge der Ein-
beziehung der beiden Phenylreste in die Mesomerie ist das Molekül so stabil, daß es
ohne Zersetzung schmilzt. Eine intramolekulare Oxidation findet bei der Behand-
lung von /?-Toluolsulfonylhydrazonen bestimmter Carbony l Verbindungen mit Lauge
statt (Cava): unter Eliminierung von /?-Toluolsulfinat und Mitnahme eines Elek-
tronenpaars wird der stickstoffhaltige Teil zur Diazoverbindung oxidiert.
628 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen

f~^-CH3 -^- XC = MjN-^SO2C7H7 X


C = N = N>
+ "O2SC7H7

Ähnlich wirkt auch Tosylazid auf aromatische Hydrazone ein, das dabei in N2
und Tosylamid übergeht.
An der Stabilisierung des Diazo-cyclo-pentadiens beteiligen sich die „aromati-
schen" 7c-Elektronen des Cyclopentadienid-teils (siehe S. 226). Dieses Diazoalkan
wird durch Übertragung der Diazogruppe aus dem Azidteil z. B. von Tosylazid auf
Lithium-cyclopentadienid erhalten (W. von E. Doering).
Li+ _
:f + N-N = N-SO2-C7H7- [^C-N^-N=JJ-SO2C7H7
N
H H Li+
Li
:-N=N-N-TOS Prototropie» ^C-NEEN + N-TOS
\ ~ - .
+
"-^y /
H Li H

Das cyclische Isomere des Diazomethans, Diazirin, ist auf mehreren Wegen, z. B.
durch Dehydrierung von Diaziridin, das seinerseits aus Formaldehyd, Ammoniak
und Chloramin entsteht, zugänglich (E. Schmitz). Es ist ein farbloses Gas (Siede-
punkt -140C), das gegenüber Säuren beständiger als Diazomethan ist, beim Er-
hitzen explodiert und durch Belichten in Diazomethan übergeht.

11/^1 ^x" N H f^v ^xN


H2CO -H NH3 —> (H2C=NH) + NH2CI —^U H 2 C | > H 2 C Il

Diaziridin Diazirin

Reaktionen des Diazomethans

Die meisten Reaktionen des Diazomethans lassen sich aus der zwitterionischen Am-
moniumcarbeniatform a heraus verstehen.

H2C-N=N < > H2C=N=S < > H2C=N-g« >H2C"—.N=N.


a b c d

Die wichtigsten Reaktionen des Diazomethans, die qualitativ für alle Diazoalkane
zutreffen, sind:
1. Reaktionen mit Brönstedt-Säuren
2. Reaktionen mit anderen Elektrophilen
3. Photolytische N2-Abspaltung
4. Cyclo-additionen
Reaktion des Diazomethans mit Brönstedt-Säuren 629

Ad 1. Diazomethan, meistens in Ether, ist ein sehr oft benutztes Reagenz zur Ein-
führung von Methylgruppen in Carbonsäuren. Von der raschen Veresterung mit
Benzoesäure ist bei der Gehaltsbestimmung auf S. 627 Gebrauch gemacht worden.
Unter Methylierung reagieren fast alle H^-aciden Verbindungen. Ausnahmen bil-
den die sehr starken Säuren mit nicht nucleophilen Anionen wie Toluolsulfonsäure,
Perchlorsäure, besonders Säuren wie H[AlCl4], H[BF4] usw. Die meisten Phenole
(und Enole) sind sauer genug um sich genügend rasch zu Methylethern umzusetzen
(untere Grenze etwa bei einem pKA von 12). Sehr schwache „Säuren" wie Alkohole
kann man nach Meerwein durch Zugabe von Bor- oder Aluminiumtrialkylester, als
Alkoxosäuren reaktionsfähig machen.

OR
RO
Il \J AI —^/
AAl OR I• H+ +CH2N2
> AI(OF
I
OR J
t +ROH

Nach E. Müller katalysieren auch Bortrifluorid und besonders gut AlCl3 die
Methyletherbildung aus zahlreichen Alkoholen. In Gegenwart von BF3 werden auch
die Wasserstoffatome von Aminen durch CH3 ersetzt, ebenso wenn die Amine als
Salze nicht methylierbarer Anionen (siehe oben) vorliegen.
Bei den Methylierungen dürfte das Methylkation das aktive Reagens sein, das sich
durch Anlagerung eines Protons an den Carbeniatkohlenstoff von a) bildet. Das da-
durch der Stabilität beraubte Methyldiazoniumion verliert Stickstoff und das in der
Nähe befindliche Nucleophil, meist das Anion der Säure, lagert sich an.

CfH-N + H + A- [CH 3 N 2 A-] CHA- CHA

Ist kein nucleophiles Anion vorhanden, wie bei der Zersetzung mit Perchlorsäure,
Tetrafluoroborwasserstoff und ähnlichen, polymerisiert das Methylen zu amorphem
unlöslichem Polymethylen, eine Reaktion, die in Abwesenheit von Säuren auch
spontan langsam vor sich geht.
Ad 2. Auch die Reaktionen mit anderen Elektrophilen dürften durch eine Anlage-
rung an das Carbeniat eingeleitet werden, wie etwa die Reaktion mit Halogenen, die
zu Dihalogenmethan führt oder die mit Quecksilberchlorid (Präparat S. 632). Hier
findet wohl zunächst eine Anlagerung der Lewis-säure an den Carbeniatteil statt,
worauf dann nach N2-Eliminierung die Stabilisierung durch Chlorübergang erzielt
wird.
"N
CI2Hg + "CH2-N2 CI2Hg-CH2

CIHgCH2CI -analog > Hg(CH 2 CI) 2


630 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Die präparativ bedeutendsten Elektrophile sind die Carbony l Verbindungen, deren


C-Atom sich, je nach elektrophilem Status rasch an Diazomethan bindet. Auch jetzt
wird in den meisten Fällen N 2 abgespalten, die entstandenen Zwitterionen haben die
Möglichkeit zum direkten Ladungsausgleich unter Epoxidbildung (a) oder zu
Carbenium-Umlagerungen(Homologisierung).

O=C + CH2-N2
2
R

Im Fall eines cyclischen Ketons führt die Umlagerung zum ringerweiterten Keton
(Präparat S. 633). Die Expoxidbildung (a) tritt vorwiegend dann ein, wenn das
Molekül elektronen-anziehende, wenig nucleophile nicht-wanderungsbereite Reste
enthält, wie die Trichlormethylgruppe im Chloral. Wir bringen hierfür ein Beispiel
(S. 639), in dem als Diazoverbindung Diazoessigester verwendet wird. Die Epoxid-
bildung bei der Reaktion des Diazomethans kann hintangehalten werden durch Zu-
satz von Lewissäuren, wieder am besten durch AlCl3 in Ether, wodurch die Homo-
logisierung zur Hauptreaktion wird. Eine zuverlässige Methode zur Darstellung von
Epoxiden aus Ketonen ist die Umsetzung mit Dimethylsulfoxoniummethylid (S. 460).
Trägt die Carbonylgruppe einen sehr leicht abspaltbaren (nucleofugen) Rest, wie
das bei den Säurechloriden der Fall ist, so gewinnt das Addukt seine Resonanzstabili-
sierung durch HCl-Abspaltung sofort zurück, es entsteht das durch Mesomeriebe-
teiligung der CO-Doppelbindung zusätzlich stabilisierte Diazoketon.
fCI H
M l H ^ +
-> R-C=C-N2+ «-> R-C-CH-N2
I Il
O' H O' O

Diazoketone spalten - wie alle Diazoalkane - ihren Stickstoff beim Belichten ab,
wobei ein Garben (S. 199) entsteht. Speziell bei den Diazoketonen führt auch feinver-
teiltes Silber zur N2-Abspaltung und einer anschließenden „WoIfF sehen" Carben-
Umlagerung, die in Abwesenheit von Wasser zum Keten, in seiner Anwesenheit zu
der dem ursprünglichen Säurechlorid homologen Carbonsäure oder mit Ammoniak
zu deren Amid führt. Andere polare Verbindungen geben die für die Addition an
Keten allgemein üblichen Produkte. Auf dieser Reaktionsfolge fußt die Arndt-
Eistert-Homologisierung, die im Präparat S. 633 ausgeführt wird.
andere Reaktionen des Diazomethans 631

über Säure-
O chlorid, dann O Ag oder
S CH2N2 S hv
n \s r- n LF

OH CHN9

R H
H2
O=C-CH -> Q=C=C-R ° > R-CH-C2
(NH
>> (Amid) 2

Ad 3. Die Photolyse der Diazoverbindungen wurde schon mehrfach erwähnt


(S. 199). Sie liefert beim Diazomethan das einfachste Garben, Methylen, und zwar
das sehr reaktionsfähige Singulettmolekül (gepaarte Elektronen), das sich rasch ins
weniger reaktive Triplettcarben (Diradikal) umlagert. Beide addieren sich bekannt-
lich leicht an olefinische Doppelbindungen (S. 199), und vermögen sich in einzig-
artiger Reaktion zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff einzuschieben (Insertion).
Auch aromatische rc-Systeme werden glatt angegriffen: Methylen gibt mit Benzol
Cycloheptatrien (Tropyliden).
Ad 4. Zum Verständnis der Cycloadditionen dient die 1,3-dipolare Grenzstruktur
des Diazomethans. Mit genügend 1,3-dipolarophilen Doppelbindungssystemen ent-
stehen 5-gliedrige Heterocyclen. Aus Zimtsäure-methylester (der zunächst aus Zimt-
säure mit Diazomethan entsteht) und weiterem Diazomethan bildet sich in unserem
Beispiel (S. 632) 4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester.

= CH-CO2CH3 K / ~ CH-C- CO2CH3


• v

>N
H

Es tritt auch bei den Cycloadditionen die große Ähnlichkeit der Diazoalkane mit
den Aziden (S. 624) zutage, die aus der isoelektronischen Struktur heraus verständ-
lich ist. Die Reaktion mit GrignardVerbindungen, die dort zu Triazenen führt, gibt
hier AzoVerbindungen. Azomethan, das man einfacher durch Dehydrierung von
symmetrischem Dimethylhydrazin erhält, ist ein farbloses, explosives Gas. Das un-
gefährliche Azoisobutyronitril hat Bedeutung als Starter für Radikalkettenreaktionen,
da es in der Hitze Stickstoff und 2 Radikale liefert (vgl. S. 211).
CH 3 CH3 OH 3
I I Nz
I
NC-C-N=N-C-CN " > 2 -C-CN
I I
LrH UrI

H3C-N=N-CH3
Azomethan
632 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoVerbindungen

Versuch: Methylierungen mit Diazomethan - Man löst 2—3g eines Phenols (Phenol,
Kresol, /?-Naphthol, Salicylaldehyd, Hydrochinon) in wenig Ether oder Methylalkohol
und fügt unter Eiskühlung in kleinen Anteilen von der dargestellten Diazomethanlösung
zu, bis die Gasentwicklung nicht mehr einsetzt und die Lösung schwach gelb gefärbt ist.
Um bei gefärbten Lösungen einen Überschuß an Diazomethan zu erkennen, gießt
man einige Tropfen in ein kleines Reagenzglas ab und bringt einen in Eisessig getauch-
ten Glasstab hinein: sofortige Gasentwicklung.
Die Reaktionsprodukte werden nach dem Abdampfen des Lösungsmittels entweder
durch Destillation oder, wenn sie fest sind, durch Kristallisation gereinigt. Man bear-
beite hier eines der im Laboratorium zugänglichen Phenole selbständig und mache An-
gaben über die Natur des gewonnenen Methylethers. In gleicher Weise verfährt man mit
Carbonsäuren (p-Toluylsäure, Phenylessigsäure, Zimtsäure, Oxalsäure, Terephthalsäure,
Salicylsäure usw.).
Es gibt Phenole, die mit Diazomethan langsam reagieren. In solchen Fällen bringt
man sie mit einem Überschuß über den errechneten Bedarf an Diazomethan zusammen
und läßt mehrere Tage mit aufgesetztem Kapillarrohr stehen.
Die folgenden Versuche sind mit Diazomethan aus Nitrosomethylharnstoff beschrie-
ben, sollten aber abwechslungsweise auch mit Diazomethan aus Diactin® (S. 626)
ausgeführt werden.

Bis-chlormethylquecksilber
Formel siehe S. 629
Aus 4 g (38 mmol) Nitrosomethylharnstoff, 30 ml Ether und 12ml 40proz. Kalilauge
bereitet man sich wie auf S. 625 eine Diazomethanlösung. In einem 100 ml Erlenmeyer-
kolben bringt man 3,0g (11 mmol) Quecksilber(ll)-chlorid in 50 ml Ether teilweise in
Lösung. Beim tropfenweisen Zusatz der Diazomethanlösung scheidet sich zunächst
unter Stickstoffentwicklung das schwerlösliche Chlormethylquecksilberchlorid aus, das
dann aber bei weiterer Zugabe und Schütteln, ebenso wie das Sublimat, in Lösung geht;
nach Eintragen von 80-90% der Diazomethanlösung bleibt die gelbe Farbe bestehen.
Wenn nötig, entfernt man etwas HgCI durch Filtrieren. Man destilliert zwei Drittel des
Ethers ab; beim langsamen.Abdunsten des restlichen Solvens bei Raumtemperatur aus
dem offenen Kolben erhält man 3,0-3,2 g Bis-chlormethylquecksilber (86-91% d.Th.)
in farblosen derben Prismen vom Schmelzpunkt 34—360C. Wegen der Reizwirkung
des Stoffes ist eine Berührung mit der Haut zu vermeiden.

4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-methylester
Formel siehe S. 631
10OmI etherische Diazomethanlösung (dargestellt aus 10g Nitrosomethylharnstoff,
S. 626) werden im Eisbad auf O 0 C gekühlt und unter gelegentlichem Umschütteln im
Laufe von 10min mit 2,8g (19 mmol) reiner Zimtsäure portionsweise versetzt. Nach
Ende der Stickstoffentwicklung wird die tiefgelbe Lösung in einen 250-ml-Rundkolben
filtriert und, mit Calciumchloridrohr verschlossen, 24 h bei Raumtemperatur aufbewahrt.
Aus der nur noch schwach gelben Lösung destilliert man die Hälfte des Ethers ab. Nach
mehrstündigem Stehen im Kühlschrank werden die ausgeschiedenen Kristalle abgesaugt
und mit wenig Ether gewaschen. Die Ausbeute an rohem 4-Phenyl-2-pyrazolin-3-
Durchführung der Aradt-Eistert-Homologisierung 633

carbonsäure-methylester vom Schmelzpunkt 122-1250C beträgt 2,3-3 g (59-77%


d.Th.). Nach Umlösen aus wenig Benzol schmilzt die Substanz bei 126—1270C.

j9-Naphthylessigsäureamid (Wolff-Umlagerung)

^COCl

^ V ~A9+

a) /?-Naphthoylchlorid
17,2g (0,1 mol) /?-Naphthoesäure werden mit 14,5g (8,9 ml) Thionylchlorid im Ölbad
unter Rückfluß auf 75 0 C erwärmt. Nach 60 min ist der Ansatz klar und die Gasentwick-
lung beendet. Man destilliert im Vakuum und erhält bei 180-1850C / 21 Torr 17g
(89%) £-Naphthoylchlorid vom Schmelzpunkt 51-520C.

b) /?-Naphthoyldiazomethan
In die etherische Diazomethanlösung aus 20g Nitrosomethylharnstoff (S. 625) gibt
man bei -5 0 C 1OmI einer Lösung von 15g (80 mmol) 0-Naphthoylchlorid in 60 ml
Ether und alle 30 min weitere 10 ml. Nach kurzer Zeit setzt eine schwache Entwicklung
von Stickstoff ein und das Diazoketon beginnt sich in gelben dicken Nadeln abzuschei-
den. Man läßt über Nacht bei -5° bis 0° stehen, saugt ab und wäscht mit Petrolether.
Die etherische Mutterlauge wird im Vakuum eingeengt und der kristalline Brei abge-
saugt und ebenfalls mit Petrolether gewaschen. Gesamtausbeute 14g (90%). Eine Probe
schmilzt nach Umkristallisieren aus Petrolether (60-8O0C) bei 83 0 C. Für die weitere
Umsetzung ist das Rohprodukt rein genug.

c) /?-Naphthylessigsäureamid
In einem 100-ml-Rundkolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter werden 5 g Diazo-
keton in 30 ml Dioxan gelöst. Dazu gibt man 20 ml einer Mischung von 5ml 10proz.
AgNO3 in Wasser +50 ml konzentriertem (15N!) Ammoniumhydroxid. Man erhitzt auf
dem Dampfbad und läßt innerhalb von 30 min die übrige ammoniakalische Silbernitrat-
lösung zutropfen. Dann wird heiß filtriert und das Filtrat im Vakuum zur Trockne ver-
dampft. Den Rückstand verreibt man mit wenig kaltem 95proz. Alkohol und saugt ab.
Es hinterbleiben 4 g (85%) rohes Amid, die aus 95proz. Alkohol umkristallisiert wer-
den. Farblose Kristalle vom Schmelzpunkt 190-1920C.

Cycloheptanon aus Cyclohexanon


O O
CH2N2

Das zur Ringerweiterung benutzte Diazomethan wird in situ aus N-Methyl-/V-nitroso-


p-toluolsulfonamid (Diactin®) mit alkoholischer Kalilauge erzeugt. Die Suspension von
634 Kapitel XIIL Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

45,5 g (0,25 mol) Diactin in 50 ml 96proz. Ethanol +5 ml Wasser und 19,6 g = 20,7 ml
(0,2 mol) frisch destilliertem Cyclohexanon wird im Eis-Kochsalzbad auf 1O 0 C ge-
kühlt. Dann gibt man unter Rühren der flüssigen Oberphase 1 ml einer Lösung von 6 g
Kaliumhydroxid in 20 ml SOproz. Alkohol zu, entfernt die Kühlung so lange, bis die
Temperatur auf 15 0 C angestiegen ist und die Reaktion begonnen hat. Dann tropft man
die Kaliumhydroxidlösung langsam unter weiterer Kühlung zu, die Temperatur des An-
satzes zwischen 15—2O 0 C haltend. Nach etwa 1 h ist die Nitrosoverbindung verschwun-
den. Jetzt wird noch 1/2 h nachgerührt, dann unter Rühren mit ca. 20 ml 2N Salzsäure
auf pH 6 gebracht. Unter weiterem Rühren läßt man die Lösung von 40 g Na-hydrogen-
sulfit in 80 ml Wasser zufließen und entfernt den Rührer, nachdem sich ein Brei der Bisul-
fitverbindung gebildet hat. Unter öfterem Umschütteln läßt man den Absatz 5 h in ge-
schlossenem Kolben reagieren, saugt dann den Niederschlag ab und wäscht ihn auf der
Nutsche mit Ether, bis er farblos ist. Sodann bringt man ihn in eine Pulverflasche und
schüttelt oder rührt V2 h mit einer lauwarmen Lösung von 50g Na-carbonat in 12OmI
Wasser. Danach schüttelt man mehrmals mit Ether aus. Die Extrakte werden über ge-
glühtem Na2SO4 getrocknet, filtriert und im Fraktionierkolben vom Ether durch Ab-
dampfen befreit. Die anschließende Destillation im Wasserstrahlvakuum liefert nach
einem kleinen Vorlauf bei 64-65 0 C / 1 2 Torr übergehendes Cycloheptanon. Ausbeute
7,6g (37%d.Th.).

Herstellung des Diazoessigesters

Glycin-ethylester; Diazoessigester
Zur Herstellung von Glycin-ethylester-hydrochlorid kann man, wie unter a) beschrieben,
Chloressigsäure mit Ammoniak umsetzen oder wie unter b) über das Methylenamino-
acetonitril gehen.
a) Glycin-ethylester-hydrochlorid aus Chloressigsäure

1NH QH C2H5 H
CICH2CO2H 4 > H 2 NCH 2 CO 2 H-HCI ° > H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -HCI
2. HCI

94g Chloressigsäure (1 mol) in 30 ml Wasser gelöst, läßt man bei 15 0 C in 1 I konzen-


trierten Ammoniaks (D = 0,913) unter Schütteln einfließen. Der Kolben bleibt verstopft
24 h stehen. Hierauf dampft man den großen Überschuß Ammoniak in einer Schale auf
dem Drahtnetz ab (Abzug!), macht, wenn sein Geruch kaum mehr wahrnehmbar ist, mit
100 ml konzentrierter Salzsäure deutlich kongosauer und dampft nun, gegen Ende unter
stetem Rühren, auf offenem Feuer so lange weiter ein, bis eine Probe der in der Hitze
schon halbstarren hellgelben Masse beim Erkalten vollständig hart wird. Durch Klein-
stellung der Flammen und intensives Rühren muß in diesem Stadium Überhitzung ver-
mieden werden.
Die heiße Masse reibt man während des Erkaltens in einem Porzellanmörser gut durch-
einander und entfernt vor der nachfolgenden Veresterung das noch anhaftende Wasser
in der Weise, daß man das gepulverte Gemenge von NH4CI und Glycin-hydrochlorid in
einem kurzhalsigen Rundkolben, der in ein siedendes Wasserbad eingehängt ist, an der
Vakuumpumpe erhitzt. Nach 4 h pulvert man die Masse abermals und setzt das Erhitzen
Glycin-ethylester 635

im Vakuum noch 3 h lang im Ölbad bei 115 0 C fort. Das staubtrockene Salzgemisch wird
sodann in einem mit Gaseinleitung und Rückflußkühler versehenen 1-1-Kolben (Abb.20,
S. 24) mit 350 ml absolutem Alkohol aufgekocht (Wasserbad, wegen des Stoßens
ist der aufliegende Rand des Kolbens durch eine Tuchunterlage zu sichern); in das
siedende Gemenge leitet man so lange einen starken Strom trockenes Salzsäuregas,
bis aus dem Kühlrohr dicke Nebel austreten. Man löst jetzt die Verbindung mit dem
HCI-Entwickler, hält noch eine Stunde lang im Kochen und saugt schließlich die heiße
Lösung vom NH4CI auf einer Nutsche ab; man wäscht zweimal mit heißem absolutem
Alkohol nach. Aus dem Filtrat kristallisiert beim Erkalten das Glycinester-hydrochlorid
aus, das nach 12stündigem Stehen abgesaugt wird. Durch Umkristallisation aus mög-
lichst wenig absolutem Alkohol — etwas NH4CI bleibt häufig ungelöst, darum nicht zu
viel Alkohol! - wird das Salz vollkommen rein erhalten. Schmelzpunkt 1430C. Für
die Bereitung des Diazoessigesters kann das scharf getrocknete Rohprodukt Verwen-
dung finden. Die Ausbeute daran beträgt 50—60g. Sie kann durch Einengen der Mut-
terlauge oder auch durch Zugabe von Ether gesteigert werden. In beiden Fällen ist je-
doch Verunreinigung mit Ammoniumchlorid zu befürchten.

b) Glycin-ethylester-hydrochlorid über Methylenamino-acetonitril

N-CH2
2CH2O + NH4CI + NaCN —> H2C^ r " C ' u > H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -HCI
\ C2H5OH
CN (+NH 4 CI + CH2O)

(Wegen Entwicklung von Blausäure im sehr guten Abzug arbeiten!)


In einem 1-1-Dreihalskolben mit Rührer, Tropftrichter, bis zum Boden reichendem
Thermometer und Gasauslaß löst man 60g Ammoniumchlorid (1,12mol) in 18Og
technischem Formalin (bei 40% Gehalt = 2,4 mol) und kühlt im Eis-Kochsalzbad auf
O 0 C. Diese Temperatur sollte während der ganzen Umsetzung möglichst wenig über-
schritten werden. Wenn nötig, läßt sich durch Einwerfen von Eisstückchen ein Ansteigen
der Temperatur über 5 0 C verhindern. Unter kräftigem Rühren wird im Laufe von 1 h
eine Lösung von 54 g (1,1 mol) Natriumcyanid in 95 ml Wasser zugetropft; ist die Hälfte
der Cyanidlösung zugegeben, so läßt man aus einem zweiten Tropftrichter zugleich 43 ml
Eisessig so einließen, daß die Zugabe gleichzeitig beendet ist. Man rührt nun, während
das Reaktionsprodukt auskristallisiert, noch 1 h, saugt ab, schlämmt die farblosen
Kristalle des Methylenamino-acetonitrils unter Rühren in 150 ml Wasser auf und trocknet
nach erneutem Absaugen über Calciumchlorid. Ausbeute 44g (59% d.Th.), Schmelz-
punkt 127-1280C.
In einem 2-l-Rundkolben sättigt man 285 ml absoluten Alkohol unter kräftiger Küh-
lung im Eis-Kochsalzbad mit Chlorwasserstoff (Sicherheitsflasche dazwischenschalten).
Wenn der Alkohol gesättigt ist (starke Volumenvermehrung!), gibt man 495 ml 96proz.
Alkohol und 40,0 g (0,59 mol) gepulvertes Methylenamino-acetonitril zu und erhitzt die
Suspension auf siedendem Wasserbad 3 h am Rückflußkühler (Abzug!).
Das Methylenamino-acetonitril geht in Lösung, doch verursacht ausfallendes Am-
moniumchlorid zuweilen Stoßen des Reaktionsgemisches. Noch heiß wird bei geringem
Unterdruck rasch in eine vorgewärmte Saugflasche abgesaugt und das Filtrat über Nacht
im Kühlschrank zur Kristallisation aufbewahrt. Die farblosen Nadeln des Glycin-ethyl-
636 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

ester-hydrochlorids (60,5-64 g, 74—78% d. Th.) werden scharf abgesaugt und an der


Luft oder im Vakuumexsikkator über NaOH getrocknet; Schmelzpunkt 141-1420C.
Eine weitere kleine Kristallfraktion läßt sich durch Einengen der Mutterlauge auf V3 er-
halten.

Die Synthese von a-Aminosäuren aus a-Halogenfettsäuren und Ammoniak ist


schon bei D,L-Valin (S. 156) ausgeführt und besprochen worden. Die hier unter b)
angegebene ist eine Modifikation der Strecker-Methode, die wir beim o,L-Alanin
(S. 354) kennengelernt haben. Das Aminonitril, das hier als Methylenverbindung
kristallisiert anfallt, wird durch H+-katalysierte Alkoholyse ins Ester-hydrochlorid
umgesetzt. Über die, Azlacton-Methode" zur Herstellung von a-Aminosäuren ist auf
S. 373 berichtet, die vom Malonester ausgehende des D,L-Tryptophans findet man
auf S. 422. Eine weitere interessante Bildungsweise, weil parallel zum biologischen
Vorgang verlaufend, ist die reduzierende Aminierung von a-Oxosäuren in Gegen-
wart von Ammoniak, z. B. mit katalytisch aktiviertem Wasserstoffoder mit komplexen
Boranaten. Hierbei wird das an sich unbeständige Iminoderivat reduziert. Ebenso
kann man a-Isonitrosocarbonsäuren (= Oxime der a-Oxosäuren) oder a-Nitrosäuren
zu a-Aminosäuren reduzieren.
O
n
+ NH3 .
R-C-CO2H

Versuch: Hippursäure — Einige Gramm von Glycin-hydrochlorid werden in Wasser


gelöst. Man schüttelt die stets alkalisch zu haltende Lösung nach den Regeln der Schot-
ten-Baumann-Reaktion (S. 308) in einer kleinen Stöpselflasche mit einem Überschuß
(etwa 2—3 mol) von Benzoylchlorid, das man nach und nach zusetzt, anhaltend durch.
Man arbeite in möglichst konzentrierter Lösung. Wenn der Geruch des Säurechlorids
nicht mehr wahrnehmbar ist, säuert man mit konzentrierter Salzsäure bis zum Farb-
umschlag von Kongorot an, läßt einige Stunden stehen, saugt den Kristallbrei ab und
befreit das Reaktionsprodukt nach dem Trocknen durch Ether von beigemengter Benzoe-
säure. Die Hippursäure wird hierauf aus heißem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt
1870C.

Hippursäure ist ein normales Stoffwechselprodukt und wird in der Niere durch
enzymatische Vereinigung von Benzoesäure (S-Benzoyl-Coenzym A) und Glycin ge-
bildet. Der Organismus der Vögel paart die Benzoesäure zum Zweck der Entgiftung
mit Ornithin (2,5-Diaminovaleriansäure) zum Dibenzoylderivat, der sogenannten
Ornithursäure.
Darstellung des Diazoessigsäure-ethylesters 637

c) Diazoessigsäure-ethylester

NaN 2
H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 -HCI ° > N 2 CHCO 2 C 2 H 5

In einem 500-ml-Scheidetrichter werden 50g (0,36 mol) Glycinethylester-hydrochlorid


in 55 ml Wasser gelöst. Da die Diazotierung exotherm ist, wird der Scheidetrichter ent-
weder auf einem kleinen Dreifuß in einen mit Eis und Wasser gefüllten kleinen Eimer ein-
gesetzt oder ständig unter der Wasserleitung gekühlt. Auch durch Einwerfen von Eis-
stückchen läßt sich eine zusätzliche Kühlung des Reaktionsgemisches erreichen.
Man gibt eine eiskalte Lösung von 25 g Natriumnitrit (0,36 mol) in 35 ml Wasser
sowie 25 ml Methylenchlorid zu und setzt nach dem Einwerfen von etwas Eis 5 ml
gekühlte 4N Schwefelsäure zu. Durch vorsichtiges Kreisenlassen des Scheidetrichter-
inhalts ohne aufgesetzten Stopfen (Erwärmung!) wird eine genügende Durchmischung
der beiden Phasen erreicht. Man trennt und läßt die gelbe Methylenchloridschicht in
einen im Eisbad gekühlten 1-l-Erlenmeyerkolben zu 35ml 2N Sodalösung laufen. Die
wässerige Phase im Scheidetrichter wird anschließend nochmals mit 20 ml Methylen-
chlorid geschüttelt und der Auszug gleichfalls zu der Sodalösung gegeben. Nunmehr
gibt man wiederum 5 ml 4N Schwefelsäure zu und verfährt wie beschrieben. Diese
Operationen (Zugabe von 5 ml 4M Schwefelsäure und zweimaliges Ausziehen mit
Methylenchlorid) werden solange wiederholt, wie sich die organische Phase noch gelb
färbt (etwa 4-7 mal). Alsdann versetzt man nochmals mit einer Lösung von 11 g
(0,16 mol) Natriumnitrit in 20 ml Wasser und verfährt wie oben, bis das Methylenchlorid
sich durch salpetrige Säure grün zu färben beginnt. Die vereinigten, organischen Lösun-
gen werden von der rot gefärbten Sodalösung getrennt (bleibt die Rotfärbung aus, so
schüttelt man nach Trennung der Schichten nochmals mit 20 ml 2N Natriumcarbonat-
Lösung durch), mit Wasser gewaschen und etwa 30 min über wasserfreiem Natrium-
sulfat getrocknet. Nach dem Abziehen des Lösungsmittels im Vakuum (Badtemperatur
15—2O 0 C) wird der Rückstand mit etwas Methylenchlorid in einen 10OmI Kolben ge-
spült und im Wasserstrahlvakuum destilliert (Schutzbrille!). Die Badtemperatur soll
6O 0 C nicht übersteigen. Bei raschem und sorgfältigem Arbeiten lassen sich Ausbeuten
von 32—36g Diazoessigester (80-90% d.Th.) erreichen: Gelbe Flüssigkeit vom Siede-
punkt 43-440C / 11 Torr. Das Präparat ist gut haltbar, soll aber nicht ganz fest ver-
schlossen aufbewahrt werden.

Versuch: Reaktionen mit Säuren oder lod- Um den Einfluß der H + -lonenkonzen-
tration auf die Zersetzungsgeschwindigkeit qualitativ kennenzulernen, löst man etwa
0,5 ml Diazoessigester in wenig 50proz. Alkohol, verteilt die Lösung auf zwei kleine
Bechergläser und fügt zu beiden je 1 ml 0,1 N Salzsäure und 0,1N Essigsäure hinzu.
Ferner setzt man zu einer etherischen Lösung des Esters etwas etherische lodlösung.
Die Lösung entfärbt sich erst nach einiger Zeit unter Stickstoffentwicklung.

Einige Reaktionen des Diazoessigesters

Diazoessigester verhält sich chemisch wie ein in seiner Reaktivität abgeschwächtes


Diazoalkan, zeigt aber darüber hinaus einige Eigentümlichkeiten. Das durch Ther-
molyse oder durch Photolyse erzeugte Ethoxycarbonylcarben findet zur Herstellung
638 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

von Cyclopropan- bzw. Cyclopropencarbonsäureestern durch Cycloaddition an


Olefine und Aromaten bzw. an Alkine Verwendung. Bei der Thermolyse in Benzol
(Buchner) bildet sich ein Gemisch von doppelbindungs-isomeren Cycloheptatrien-
carbonsäureestern, die aus dem primär gebildeten nicht isolierbaren Norcaradien-
carbonsäureester (1) über das 1,3,5-Trien (2) entstehen, l, das als kleiner Anteil mit 2
im Gleichgewicht steht, läßt sich, als Dien, mit Maleinsäureanhydrid oder Acetylen-
dicarbonsäureester abfangen.

R = C2H5

und weitere

RO7C

Fehlt dem (thermolytisch erzeugten) Carben ein Anlagerungspartner, so lagern sich


2 Moleküle zu Fumarsäureester zusammen. Ohne Abspaltung von Stickstoff ver-
läuft die Dimerisierung (und Verseifung) des Diazoessigesters unter der katalytischen
Einwirkung von starkem Alkali zu Salzen der „Bisdiazoessigsäure", der Dihydro-
1,2,4,5-tetrazincarbonsäure.

RO2C
/
2|C
\
CO2R CO 9 R

RO2C N-NI H N=N x

H
> X |N=N. CO2R
N=M' tO 2 R

Interessant ist das Vorkommen von Diazocarbonyl-Verbindungen als (antibio-


tische) Produkte von Mikroorganismen. Der Ester des Serinhydroxyls mit Diazo-
essigsäure, L-Azaserin, sowie L-Diazo-oxonorleucin (DON) hemmen als strukturell
ähnliche Antagonisten des L-Glutamins Biosynthesen, an denen das Amid beteiligt
ist (Nucleinbasen).
Reaktionen des Diazoessigsäure-ethylesters 639

CO2 CO2- CO2


I + 1 + I
H3N-C-H H3N-C-H H3N-C-H
3
I I I
CH2 CH2 CH2
CH2 O CH2
I I I
O=C-NH2 O=C-CHN2 O=C-CHN2
L-Glutamin Azaserin Diazo-oxonorleucin (DON)

Die beim Diazomethan auf S. 630erwähnte Reaktion mit Carbonyl-Verbindungen


zu Epoxiden wird im folgenden Präparat mit Diazoessigester als Diazokomponente
ausgeführt.

Trichlormethyl-oxirancarbonsäure-ethylester

C 3C
CI3C-CHO + N2CH-CO2C2H5 >
' \C/°\ C /H
H CO 2 C 2 H 5
In einem 40 ml Claisenkolben werden 15,Og (102mmol) wasserfreies, frisch destil-
liertes Chloral1 im Wasserbad auf 8O 0 C (Badtemperatur) erwärmt. Man wirft ein
Siedesteinchen ein (Lösung der Stickstoffretention) und läßt aus einem Tropftrichter im
Laufe von 3 h 12,Og (105mmol) Diazoessigester einfließen. Die Stickstoffentwick-
lung kann, mittels einer Mariotte'schen Flasche, mit dem Kolben verbunden, verfolgt
werden. Im Laufe von etwa 9 h werden rund 2,4 Liter Stickstoff freigesetzt. Das gelbe
ölige Reaktionsprodukt wird anschließend im Wasserstrahlvakuum destilliert. Nach
einem geringen Vorlauf gehen 17-21 g (72—88% d. Th.) Trichlormethyl-oxirancarbon-
säure-ethylester bei 114-122 0 C / 1 2 Torr über. Nochmaliges Fraktionieren bei 117 bis

Weiterführende Literatur zu Kapitel XIII

Diazotierung und Diazoreaktion, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl.,


Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. 783, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1954.
R. Pütter, Methoden zur Herstellung und Umwandlung aromatischer Diazoniumsalze, Metho-
den der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 10/3, S. l, Thieme, Stuttgart
1965.
H.Ridd, Nitrosation, Diazotation and Deamination, Quart. Rev. /5, 418 (1968).
H. Zollinger, The Kinetics of the Diazo Coupling Reaction, Chem. Rev. 5/, 347 (1952).
R.R. Philips, The Japp-Klingemann Reaction, Org. React. 10, 143 (1959).
S. M. Parmerter, The Coupling of Diazonium Salts with Aliphatic Carbon Atoms, Org. React.
W9 l (1959).
H. Zollinger, Chemie der Azofarbstoffe, Birkhäuser, Basel, Stuttgart 1958.
H. Zollinger, Azo- and Diazo Chemistry, Interscience Publ., New York 1961.
1
Darstellung, S. 534, Fußnote.
640 Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der Diazoverbindungen

Azofarbstoffe, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl., Herausg. W. Foerst,


Bd. 4, S. 76, Urban und Schwarzenberg, München, Berhn 1953.
S. Hünig, Neue Wege in der Azochemie, Chimia 15, 133 (1961).
S. Hünig e. a., Heterocyclische Azofarbstoffe durch oxydative Kupplung, Angew. Chem. 70, 215
(1958); 74, 818 (1972).
H. Bock, Farbe und Konstitution bei AzoVerbindungen, Angew. Chem. 77,469 (1965).
H. Zollinger, Chemismus der Reaktivfarbstoffe, Angew. Chem. 73, 125 (1961).
J. Heyna, Reaktivfarbstoffe mit Vinylsulfongruppen, Angew. Chem. 74, 966 (1962).
K. G. Kleb, E. Siegel und K. Sasse, Über neue Reaktivfarbstoffe, Angew. Chem. 76,423 (1964).
E. Siegel und H. Gold, Die Chemie der optischen Aufheller, Chem. Lab. Betr. 14,405 (1963).
A. Dorlars, C.-W. Schellhammer und J. Schroeder, Heterocyclen als Bausteine optischer Auf-
heller, Angew. Chem. 87, 693 (1975).
A. Wagner, C.-W. Schellhammer und S. Petersen, Aryl-J2-pyrazoline als optische Aufhellungs-
mittel, Angew. Chem. 78, 769 (1966).
H. Zollinger, Stickstoffais Abgangsgruppe: Dediazotierungen aromatischer Diazonium-Ionen,
Angew. Chem. 90, 151 (1978).
E. Pfeil, Theorie und Praxis der Sandmeyerschen Reaktion, Angew. Chem. 65,155 (1953).
H.H. Hodgson, The Sandmeyer Reaction, Chem. Rev. 40, 251 (1947).
A. Roe, Preparation of Aromatic Fluorine Compounds from Diazonium Fluoborates: The
Schiemann Reaction, Org. React. 5, 193 (1949).
C. S. Rondestvedt jr., Arylation of Unsaturated Compounds by Diazonium Salts (The Meerwein-
Arylation Reaction), Org. React. 11, 189 (1960); 24, 225 (1976).
V.R. Skvarchenko, V. K. Shalaev und E. J. Klabunovskii, Advances in the Chemistry of Tripty-
cene, RUSS. Chem. J. 43, 951 (1974).
N. Korablum, Replacement of the Aromatic Primary Amino Group by Hydrogen, Org. React.
2, 262 (1944).
J. H. Boyer und FC. Canter, Alkyl and Aryl Azides, Chem. Rev. 54, l (1954).
B. Eistert, M. Regitz, G. Heck und H. Schwall, Aliphatische Diazoverbindungen, Methoden der
organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. W/4, S. 473, Thieme, Stuttgart 1968.
B. Eistert, Synthesen mit Diazomethan, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie,
Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 359, Verlag Chemie, Weinheim 1963.
E. Müller, H. Kessler und B. Zeeh, Katalysierte Diazoalkan-Reaktionen, Fortschr. Chem.
Forsch. 7, 128 (1966/1967).
R. Huisgen, Altes und Neues über aliphatische Diazoverbindungen, Angew. Chem. 67,439 (1955).
M. Regitz, Recent Synthetic Methods in Diazo Chemistry, Synthesis /972, 351.
M. Regitz, Diazogruppen-Übertragung, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie,
Herausg. W. Foerst, Bd. 6, S. 76, Verlag Chemie, Weinheim 1970; Angew. Chem. 79,786 (1967).
F Weygand und H. J. Bestmann, Synthesen unter Verwendung von Diazoketonen, Neuere
Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 280, Verlag
Chemie, Weinheim 1961; Angew. Chem. 72, 535 (1960).
W. Ried und H. Mengler, Zur präparativen Chemie der Diazocarbonylverbindungen, Fortschr.
Chem. Forsch. 5, l (1965/1966).
H. Meier und K.-P. Zeller, Die Wolff-Umlagerung von a-Diazocarbonyl-Verbindungen, Angew.
Chem. 87, 52 (1975).
W. E. Bachmann und W. S. Struve, The Arndt-Eistert Synthesis, Org. React. l, 38 (1942).
H. Henecka, Aradt-Eistert-Synthese, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Mül-
ler), 4. Aufl., Bd. 8, S. 556, Thieme, Stuttgart 1952.
C. D. Gutsche, The Reaction of Diazomethane and Its Derivatives with Aldehydes and Ketones,
Org. React. 8, 364 (1954).
V. Dave und E. W. Warnhoff, The Reaction of Diazoacetic Esters with Alkenes, Alkynes, Heter-
ocyclic and Aromatic Compounds, Org. React. 18, 217 (1970).
XIV. Synthesen und Reaktionen
der Heterocyclen mit
5-gliedrigem Ring

Experimente:

Pyrrol aus Ammoniummucat


Versuch: Fichtenspanreaktion
Versuch: Zinkstaubdestillation des Succinimids
Versuch: Ehrlich-Reaktion
Versuch: Pyrrolrot
Furfural aus Kleie
Versuch: Darstellung eines Aminoplastes
Versuch: Farbreaktion mit Phloroglucin-Salzsäure
Versuch: Reaktion mit Anilin
Versuch: Indopheninreaktion
Indoxyl und Indigo aus Anthranilsäure
Versuch: Indigo aus 0-Nitrobenzaldehyd
Versuch: Färbung mit Indigo
Versuch: 2-Methylindol nach E. Fischer
Indazol
Benztriazol
Nomenklatur 643

XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen


mit 5-gliedrigem Ring

Die Nomenklatur der Heterocyclen ist durch eine Vielzahl von Trivialnamen be-
lastet; sie gewinnt jedoch an Übersichtlichkeit durch die konsequente Verwendung
der in der Tabelle aufgezählten Endungen, die an die Präfixe Az (für N), Ox (für O)
oder Thi (für S) angehängt werden. Pyrrol, Pyridin und Furan bleiben neben vielen
anderen als Namen erhalten.

Anzahl der Stickstoffhaltige Andere Heteroelemente


Ringglieder ungesättigt gesättigt ungesättigt gesättigt
3 -irin -iridin -iren -iran
4 -et -etidin -et -etan
-olin(2H)
5 -Ol -Ol -olan
-olidin(4H)
6 -in C) -in -an
7 -epin C) -epin -epan
8 -ocin C) -ocin -ocan
9 -onin C) -onin -onan
10 -ecin C) -ecin -ecan
1
Je nach Sättigungsgrad Dihydro-, Tetrahydro- usw. bis Perhydro-.

Bei der Bezifferung erhält das Heteroatom die Nummer 1. Kommen im gleichen
Ring verschiedene Heteroatome vor, beginnt die Zählung bei dem mit der höchsten
Atommasse und geht so weiter, daß das nächste Heteroatom die nächstniedrige
Nummer bekommt.2
Die gesättigten Heterocyclen zeigen meist gegenüber ihren offenkettigen Analo-
gen nur quantitative Verhaltensunterschiede. Bei den partiell ungesättigten Verbin-
dungen findet man kein eigentümliches Verhalten, sondern im wesentlichen nur die
Funktionen der einzelnen Gruppierungen.
Die völlig ungesättigten fünf- und sechsgliedrigen Heterocyclen zeichnen sich da-
gegen durch mehr oder weniger ausgeprägten aromatischen Charakter aus: Sie sind
eben gebaut und haben ein cyclisch-konjugiertes rc-Elektronensextett:

9 9 9O
Furan Pyrrol Thiophen Pyridin

2
Näheres hierüber und zur „Aza"-Nomenklatur steht z. B. im Beilstein, Handbuch der organischen
Chemie, 4. Aufl. Bd. 17, S. 3ff. und in Nomenclature of Organic Chemistry der IUPAC, Butterworths,
London, 1969.
644 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Pyrrol aus Ammoniummucat

H H
I I
HO-C - C-OH Hjtze HC - CH
HxI \ H -—-- Il Il

Unter dem Abzug werden in einer Porzellanschale 30,0 g (0,18 mol) Schleimsäure
(Präparat S. 396) zusammen mit 30,0 ml 20proz. Ammoniak zur Trockene eingedampft.
Das entstandene Ammoniummucat wird in einem 250-ml-Zweihalskolben mit 40 ml
wasserfreiem Glycerin gut vermischt. Auf den Kolben setzt man ein bis in die Mischung
reichendes Thermometer und einen absteigenden Luftkühler. Nun wird langsam mit der
freien Flamme erhitzt. — Bei 17O 0 C beginnt die Reaktion; zwischen 180° und 21O 0 C
destilliert die Hauptmenge des Pyrrols über. (Erhöht man zum Schluß die Temperatur
bis auf 30O0C, kann man noch etwas Pyrrol gewinnen.) Das Destillat wird in wenig
Ether aufgenommen, die Lösung mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet und frak-
tionierend destilliert. Sdp. 131 0 C. Ausbeute 5— 6 g (40-50%).

Die älteste Darstellung des Pyrrols aus dem Ammoniumsalz der Schleimsäure -
oder einer anderen Zucker säure - ist auch heute noch die bequemste Labormethode.
Ihr Ablauf beginnt wahrscheinlich mit einer Wasserabspaltung und folgt dann der
allgemeineren Synthese von Paal und Knorr, bei welcher enolisierbare y-Diketone
mit Ammoniak kondensiert werden.
Derivate des Pyrrols, wie etwa die bei der reduzierenden Spaltung des Protopor-
phyrins durch lodwasserstoff entstehenden Ethyl-methyl-pyrrole, stellt man am
besten nach dem Prinzip der Knorrschen Synthese dar, bei der unter Basenkatalyse
ein Keton mit einem a-Aminoketon - das man meist in situ aus einem a-Oximino-
keton reduktiv erzeugt - kondensiert wird. Dieses Aufbauprinzip findet man auch in
der Natur, wo aus zwei Molekeln <5-Aminolävulinsäure (gebildet aus Glycin und
Succinyl-Coenzym A) das Porphobilinogen, der Baustein der Porphyrine entsteht:

CO2H CO2H

CH2 CO2H CH2 CO2H

CH2 CH2 -2H2o" CH2 CH2

CO CH2 C C
I l I l I l
H2C-NH2 H2C. OC-CH2-NH2 HC^ ^CL
\ NH2 ^U' ^CH2-NHL2
CO2H H
6 - A mino - Porphobilinogen
lävulinsäure

Technisch läßt sich Pyrrol aus Furan und Ammoniak über Aluminiumoxid bei
450 0C erhalten.
Eigenschaften und Reaktionen des Pyrrols 645

Versuch: Fichtenspanreaktion - Man erwärmt einige Tropfen Pyrrol im Reagenzglas


über kleiner Flamme und bringt in den Gasraum einen mit konz. Salzsäure getränkten
Fichtenholzspan. Der Span färbt sich rot.
Zeitungspapier-Reaktion: Man läßt einen Tropfen der Testsubstanz auf dem unbe-
druckten Rand von ungeleimtem (holzschliffhaltigem) Zeitungspapier einziehen und
hält das Papierstück über konz. Salzsäure oder befeuchtet nach dem Trocknen mit
6-8N Salzsäure. Pyrrol erzeugt einen dunkelroten Farbstoff, lndol (S. 656) einen violet-
ten, Furfural (S. 647) einen schwach grünen.

Versuch: Zinkstaubdestillation des Succinimids— Man mischt in einem Reagenz-


glas einen Spatel Succinimid mit zwei Spateln Zinkstaub gut durch, spannt das Glas am
Stativ fest, hält ein mit konz. Salzsäure befeuchtetes Stück Zeitungspapier dicht vor
seine Mündung und erhitzt das Gemenge mit dem Bunsenbrenner. Nach kurzer Zeit bil-
den sich weiße Nebel und das Papier färbt sich rot, zeigt also (vgl. vorigen Versuch)
Pyrrol an.

Bei der spezifischen Fichtenspanreaktion, der das Pyrrol auch seinen Namen
verdankt (nvQQÖq = feuerrot), werden die Farbstoffe wahrscheinlich durch Konden-
sation mit aromatischen Aldehydgruppen des Lignins gebildet.
Die Zinkstaubdestillation ist ein drastisches Verfahren zur Herausschälung aro-
matischer Ringstrukturen aus cyclischen Verbindungen. Succinimid wird unter re-
duktiver Entfernung des Sauerstoffs in Pyrrol verwandelt.

Versuch: Ehrlich-Reaktion - Herstellung des Reagenzes: 0,5g p-Dimethylamino-


benzaldehyd werden in 15OmI halbkonzentrierter Salzsäure gelöst. Ausführung der
Probe: Ein Tropfen Pyrrol wird in wenigen ml Alkohol gelöst, die Lösung mit einigen
Tropfen des Reagenzes versetzt: sie färbt sich intensiv rotviolett. Bei tropfenweiser Zu-
gabe von konz. Salzsäure verschwindet die Farbe, um beim Verdünnen mit Wasser wie-
derzukehren. Diese violette Farbreaktion geben auch alle Derivate des Pyrrols mit freier
2-Stellung.

Pyrrol zeigt die typischen Eigenschaften der fünfgliedrigen Heterocyclen, nämlich


Elektronenüberschuß an den Ringkohlenstoffatomen, der vom Heteroatom her-
rührt. Dies läßt sich durch die folgenden Grenzstrukturen veranschaulichen:

g—P---o—u~—o
H
IN
H
Nl
H
KT
H
Nl
H
Dipol-
moment

Die Iminogruppe ist - wegen der Einbeziehung ihres nichtbindenden Elektronen-


paares in die Resonanz des Ringes - so gut wie nicht mehr basisch, sondern amphoter
(pKA des Pyrroliumions: ~0,4, des Pyrrol-NH: ~15). Salzbildung erfolgt nur mit
sehr starken Säuren (Pyrrol selbst verharzt) oder starken Basen. Mit Methylmagne-
646 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

siumiodid wird Methan entwickelt; die Magnesyl-Pyrrole reagieren mit Alkylhalo-


geniden an C-2, mit einigen anderen Elektrophilen wie Kohlendioxid, Carbonsäure -
halogeniden u.a. teils am Stickstoff und teils am Kohlenstoffatom-2; aber Pyrrol-
Kalium wird nur am N methyliert.
Säuren führen in Gegenwart von Luft Sauerstoff rasch zur Polymerisation.

Versuch: Pyrrolrot — Die Lösung von einigen Tropfen Pyrrol in einigen ml 2N Salz-
säure wird im Reagenzglas über freier Flamme zum Sieden erhitzt, bis sich ein amorpher
roter Niederschlag abscheidet.

Substituierte Pyrrole sind wesentlich stabiler.


Die Kohlenstoffatome des Pyrrols haben stark nucleophilen Charakter. Elektro-
phile Substitution ist hier etwa genau so leicht durchzuführen wie beim Anilin. Wegen
der Säurelabilität sind zwar die typischen Benzolreaktionen wie Nitrierung, Sulfo-
nierung, Halogenierung, Friedel-Crafts- und Gattermann-Reaktion nicht ohne wei-
teres möglich; die große Reaktionsbereitschaft, besonders der C-Atome 2 und 5 er-
laubt es jedoch, die meisten dieser Umsetzungen selbst unter Ausschluß stärkerer
Säuren und bei gemäßigten Temperaturen vorzunehmen. Chlorierung mit über-
schüssigem Sulfurylchlorid führt sogar bis zum Pentachlorpyrrolenin (vgl. Phenol,
S. 2 30). Acylierung mit Säureanhydriden ist schon in Gegenwart des milden Zinn(I V)-
chlorids oder ganz ohne Lewis-Säuren möglich. Das nur sehr schwach elektrophile
Kohlendioxid reagiert im Sinne der Kolbeschen Salicylsäuresynthese. Diazotierte
Sulfanilsäure (= Pauly-Reagens) kuppelt zum Azofarbstoff. Bei der Behandlung mit
Chloroform und Alkali zur Einführung des Formylrestes nach Reimer-Tiemann
(S. 274) reagiert ein großer Teil des Pyrrols unter Ringerweiterung zu 3-Chlorpyridin:

.Cl

V - . / "
ITLk, — n
U L J
CHO
I

IC

Cl

Zu den elektrophilen Reaktionen gehört ferner die Farbreaktion mit /?-Dimethyl-


amino-benzaldehyd, die Paul Ehrlich an Urobilinogen-haltigem Harn entdeckt hat.
Der Aldehyd reagiert in Gegenwart von Protonen mit der freien a-Stellung von
Pyrrolen unter Bildung eines farbigen mesomeren Kations (Versuch S. 645):
Weitere Reaktionen des Pyrrols, Furfural 647

-N(CH 3 J 2 —— ÖL-CH =/=\=N(CH3)2

Mit starken Säuren tritt — wegen Protonierung des zweiten Stickstoffs - rever-
sibel Entfärbung ein.
In jedem Fall erfolgen die Substitutionen am Pyrrol in 2- bzw. 5-Stellung und nur
wenn diese besetzt sind, in 3- bzw. 4-Stellung. Dieses Phänomen läßt sich dadurch er-
klären, daß für das primär gebildete a-Addukt drei, für das jS-Addukt jedoch nur zwei
Grenzstrukturen formuliert werden können:

H H H H H
E = Electrophil

Bei der Reduktion, z. B. mit Zink und Säure, gehen Pyrrole über die Pyrroline in
die Pyrrolidine über, die sich in jeder Beziehung wie sek-Amine verhalten. Pyrrolidin-
a-carbonsäure, Prolin, ist ein Baustein der Proteine. a-Pyrrolidon, das Lactam der
y-Aminobuttersäure, wird technisch aus y-Butyrolacton (S. 311) und Ammoniak her-
gestellt. Das durch Vinylierung mit Acetylen erhältliche JV-Vinylpyrrolidon wird zum
„Periston®", einem wasserlöslichen eiweißähnlichen Blutplasmaersatz, polymeri-
siert.

Furfural aus Kleie


H H
I I
Pentosan
H^H2O ^ HO-C—C-OH
I \ *~ M
n—nN
3H
H27Cx HC-CHO ' 2° ^O^
OH I
OH

300 g Kleie werden in einem 3-l-Schliffkolben mit der Mischung von 15OmI konz.
Schwefelsäure und 800 ml Wasser gut durchgeschüttelt. Man destilliert etwa 900 ml
Flüssigkeit ab, neutralisiert das Destillat mit Natriumcarbonat und setzt zum Aussalzen
25Og Kochsalz zu. Aus dieser Lösung werden 300 ml abdestilliert. Das Destillat wird
wiederum mit Kochsalz gesättigt und dann mit Ether ausgeschüttelt. Der Auszug wird
mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet, der Ether verdampft und das zurückbleibende
Furfural destilliert. Sdp. 162 0 C. Ausbeute 5-7 g.
Das Präparat färbt sich beim Stehen ziehmlich rasch braun. Zur besseren Charakterisie-
rung bereite man mit ein paar Tropfen in üblicher Weise das Phenylhydrazon vom
Schmp. 97-980C (siehe S. 347).

Das bei weitem wichtigste Furanderivat Furfural (früher: Furfurol, von furfur lat.
Kleie), wird industriell in großem Maßstab aus Stroh, entkernten Maiskolben und
648 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

anderen pentosanhaltigen Abfallstoffen gewonnen. - Starke Säuren hydrolysieren


die natürlich vorkommenden polymeren Pentosane zu monomeren Pentosen, aus
denen dann durch Wasserabspaltung Furfural entsteht. Hexosen bilden unter glei-
chen Bedingungen 5-Hydroxymethylfurfural, das bei weiterer Säureeinwirkung
schließlich teilweise in Lävulinsäure und Ameisensäure gespalten wird:
,_ , H2C - CH 2
fi H +2H 2 O | |
1 +
HOCH /O CHO -- H3C-^O ^

Aus Schleimsäure bildet sich mit Schwefelsäure Furan-2,5-dicarbonsäure, die sich


durch Hitze stufenweise zur Brenzschleimsäure und schließlich zum Furan decar-
boxylieren läßt. Die variationsfähigste Methode zur Darstellung von Furanderi-
vaten - die Dehydratisierung enolisierbarer y-Dicarbonylverbindungen - hat den
Nachteil, daß die Ausgangsstoffe meist nicht leicht zugänglich sind (beste Möglich-
keit: Ketonspaltung der Kondensationsprodukte aus a-Halogenketonen und Acet-
essigester. Formulieren!). Das als Lösungsmittel wichtige Tetrahydrofuran (siehe
S. 116) wird technisch aus 1,4-Butandiol gewonnen.
Ein anderer Übergang von den Kohlenhydraten zum Furanring ist die Bildung
des Chromogens (Farbvorstufe) der Morgan-Elson-Reaktion aus gewissen Amino-
zuckern: Durch Behandlung von AT-Acetylamino-zuckern (AT-Acetyl-glucosamin) mit
Basen in der Wärme entsteht nach R. Kühn 3-Acetamino-5-dihydroxyethyl-furan,
das mit /7-Dimethylamino-benzaldehyd (Ehrlichs Reagens, S. 645) zu einem roten
Farbstoff kuppelt :

Bose r
HOCH2-CH-C" CH HOCH2-CH-1I0J)
OH XOH o' OH
Acetylglucosamin Chromogen

Verglichen mit Pyrrol und Thiophen zeigt der Furanring abgeschwächt aromati-
schen Charakter und deutlicher die Eigenschaften eines Enolethers und die eines 1,3-
Diens: Säuren führen nicht nur sehr leicht zur Verharzung, sondern auch zur Ether-
spaltung (siehe Bildung von Lävulinsäure, oben) - Mit Maleinsäureanhydrid und
anderen Dienophilen (z. B. auch mit sich selbst) reagiert er nach Diels-Alder unter
1,4-Addition.
Elektrophile Substitution ist - wie beim Pyrrol — trotz erhöhter Elektronendichte
an den Kohlenstoffatomen wegen der Säurelabilität stark eingeschränkt und bevor-
zugt die 2- bzw. 5-Stellung. Direkte Einwirkung von Halogen führt beispielsweise zu
fast explosionsartiger Zersetzung, unter geeigneten Schutzmaßnahmen mit Brom zum
Mono- und Dibromfuran. Viele der scheinbaren Substitutionsreaktionen sind in
Wirklichkeit 1,4-Additionen, gefolgt von einer Eliminierung (formulieren!).
Furfural verhält sich wie ein typischer aromatischer Aldehyd, ist also wie ein sol-
Reaktionen des Furfurals 649

eher der Acyloinreaktion (Bildung von Furoin), Perkinschen Synthese (S. 371) und
Cannizzaro-Reaktion (S. 377) zugänglich.

Versuch: Darstellung eines Aminoplastes— Man löst in einem Reagenzglas einen


Spatel Harnstoff im Gemisch von einem ml Wasser und 0,5ml Salzsäure, gibt 1,5ml
Furfural zu und schüttelt gut um. Der Ansatz wird unter Selbsterwärmung langsam
dunkel und zähflüssig. (Vorsicht, die Reaktion kann sehr heftig werden!) Nach einigen
Stunden zerschlägt man das Reagenzglas und wäscht den schwarzen Kunststoff mit
Wasser.

Aminoplaste sind makromolekulare Kondensationsprodukte des Harnstoffs oder


aromatischer Diamine mit Formaldehyd oder anderen Aldehyden.
Der Nachweis des Furfurals und bei geeignetem Vorgehen auch seine quantitative
Bestimmung (also auch die von Pentosen) ist mithilfe von zwei empfindlichen Farb-
reaktionen möglich: der Reaktion mit Phloroglucin-Salzsäure und der Reaktion mit
Anilin-Salzsäure.

Versuch: Farbreaktion mit Phloroglucin-Salzsäure — Einige Tropfen Furfural


werden mit einigen ml einer Lösung von 1 g Phloroglucin in 100 ml halbkonzentrierter
Salzsäure im Reagenzglas gekocht: Es entsteht ein dunkelgrüner Niederschlag unbe-
kannter Zusammensetzung.
Versuch : Reaktion mit Anilin — 2 ml Anilin werden mit einem ml konz. Salzsäure und
7 ml Alkohol versetzt. Dazu gibt man die Lösung von 1 ml Furfural in 8 ml Alkohol. Die
Lösung färbt sich dunkelrot. Man erwärmt kurze Zeit. Beim Erkalten scheidet sich in fei-
nen Nadeln ein violetter Farbstoff aus, der abgesaugt und mit wenig Alkohol und Ether
nachgewaschen wird.

Nachweis der Pentosen und Hexosen im Papier- oder Dünnschichtchromato-


gramm siehe S. 394.
Bei der Reaktion des Furfurals mit prim. aromatischen Aminen - hier Anilin - in
Gegenwart von Säure entsteht das rotviolette Salz des jS-Hydroxyglutacon-dial-
dehyd-dianils (Th. Zinke). Durch das Amin wird auch die als Di-enolether verkappte,
mit Säure freigesetzte zweite Aldehydgruppe des Furfurals als Schiff-Base abge-
fangen. n—n

.
J ^ —'CHO
S oe - Hydroxyglutacondialdehyd
""O (unbeständig)
h2Anilin

H JHL CH=Ä
L"W-LH H \_/ C6H5N
n

Man hat das chromophore System eines Cyaninfarbstoffs vor sich.


650 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

In der Hitze gehen die farbigen Anilinium-Salze unter Abspaltung eines Moleküls
Arylamin in quartäre /J-Hydroxy-pyridinium-Salze über. Umgekehrt können ge-
wisse Pyridinium-Salze mit Arylaminen zu Glutacon-dianilen aufgespalten werden
(siehe S. 674):

Wasserstoff * hydriert in Gegenwart von Kupferchromit (einem Katalysator mit


spezieller C = O-Affinität) Furfural erst zu Furfurylalkohol und schließlich zu 1,5-
Pentandiol. Der Furanring selbst läßt sich am besten über Raney-Nickel zur Stufe
des Tetrahydrofurans reduzieren. Ein interessantes Derivat dieses Ethers ist nach
F. Kögl sowie C. Eugster das Muscarin, Giftstoff des Fliegenpilzes (Amanita mus-
caria) und anderer Pilze.

Das allgemeine Syntheseprinzip für den Aufbau des heterocyclischen Fünfrings,


die Kondensation enolisierbarer y-Dicarbonylverbindungen, führt in Gegenwart
von Phosphorpentasulfid zu Derivaten des Thiophens. Technisch wird es am billig-
sten durch Erhitzen von Butan und Schwefel gewonnen:

Versuch: Indopheninreaktion — Eine Spur Thiophen wird in etwa 5 ml Benzol gelöst,


die Lösung mit einem ml konz. Schwefelsäure und einer Spatelspitze Isatin versetzt und
geschüttelt: Der Ansatz färbt sich intensiv blau. - Teerbenzol reagiert schon ohne Thio-
phenzusatz (Blindprobe!).

Bei der Indopheninreaktion handelt es sich um eine durch Schwefelsäure kata-


lysierte elektrophile Kondensation des Thiophens mit Isatin zu einem indigoähn-
lichen Farbstoff:

HN

Derivate des Thiophens mit freier 2,5- oder 2,3-Stellung reagieren ebenfalls mit
Isatin.
Thiophen 65 1

Von allen Fünfringheterocyclen steht Thiophen dem Benzol am nächsten. Die


Leichtigkeit der elektrophilen Substitutierbarkeit fallt in der Reihenfolge Pyrrol >
Furan > Thiophen > Benzol. Diese Abstufung ist auf Grund der Tatsache verständ-
lich, daß die Stabilität der beim primären Anlagerungsschritt gebildeten Onium-
ionen in gleicher Folge abnimmt (siehe hierzu S. 647). Andere Kriterien wie Reso-
nanzenergie und chemische Verschiebung der Protonen im 1H-NMR sprechen für ein
Ansteigen der Aromatizität in der Reihenfolge Furan < Pyrrol < Thiophen <
Benzol.
Trotz der nahen Verwandtschaft der beiden Verbindungen erfolgen beim Thiophen
Friedel-Crafts-Reaktionen und Halogenierungen (besonders die mehrfachen) deut-
lich leichter als beim Benzol. Noch stärker ist der Unterschied bei der Mercurierung.
Konz. Schwefelsäure sulfoniert bereits in der Kälte.
Die letzten beiden Reaktionen können dazu dienen, Teerbenzol thiophenfrei zu
machen. Einfacher ist ein Schütteln mit Aluminium(III)-chlorid, das den Hetero-
cyclus sofort zerstört. Gegen Protonensäuren ist Thiophen dagegen ziemlich stabil. —
Unter den Bedingungen der Elementaranalyse ist erst metallisches Kalium (nicht da-
gegen Natrium) in der Lage, den Schwefel herauszubrechen.
Thiophen ähnelt dem Benzol nicht nur in seinem chemischen Verhalten, sondern
auch in seinem physikalischen (Sdp., Molekulargewicht, Molekülgröße, Löslichkeit)
und physiologischen (Geruch; der Körper scheidet Thiophen-2-carbonsäure in dem
der Hippursäure (S. 636) analogen Konjugat des Glycins aus).
In der Natur kommen Derivate des Thiophens, z. B. a-Terthienyl in der Samt-
blume, vor:

Biogenetischer Zusammenhang mit Polyinen (S. 218).


Durch energische katalytische Hydrierung erhält man aus Thiophen Tetrahydro-
thiophen (Thiolan), dessen Sulfon Sulfolan, als Lösungsmittel und technisches Ex-
traktionsmittel verwendet wird.

Indoxyl und Indigo aus Anthranilsäure


/V-Phenylglycin-o-carbonsäure

,CO2H
+ ClCH2-CO2H
"NH2

In einem 1-I-Rundkolben mit Rückflußkühler wird die Mischung von 27,5g (0,20 mol)
Anthranilsäure, 19,Og (0,20 mol) Monochloressigsäure, 40g wasserfreiem Natrium-
carbonat und 400 ml Wasser 3 h lang gekocht. Dann kühlt man den Ansatz auf etwa
652 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Zimmertemperatur, gießt ihn in einen Stutzen, macht ihn durch vorsichtige Zugabe von
konz. Salzsäure unter Umrühren schwach sauer (pH 3—4) und läßt ihn über Nacht
stehen. Nach dieser Zeit wird das ausgefallene Rohprodukt abgesaugt, mit 10 ml Wasser
gewaschen, unter Zusatz von wenig Aktivkohle aus Wasser umkristallisiert und bei
11O 0 C getrocknet. Schmp. 2080C. Ausbeute etwa 24 g ( 62%).

Die Alkalischmelze ist unter einem Abzug auszuführen; es sind Schutzbrille und Hand-
schuhe zu tragen!
In einem großen Nickel- oder ersatzweise Eisentiegel werden 9,8g (0,1 mol) /V-
Phenylglycin-o-carbonsäure, 30g festes Natriumhydroxid und 1OmI Wasser unter
dauerndem Umrühren mit einem Thermometer, das in einer Kupferhülse steckt (genauere
Angaben bei Präparat S. 276) langsam auf 200° bis 21O 0 C erhitzt. Dabei ist darauf zu
achten, daß die Flamme nicht in den Tiegel schlägt. Es bildet sich eine orangerote
Schmelze. Man läßt abkühlen, löst die Masse in etwa 200 ml Wasser auf und saugt die
Flüssigkeit rasch durch ein hartes Filter. Das Produkt wird nicht isoliert, sondern direkt
zu Indigo oxidiert.

Indigo (Indigotin)

2O2

Durch die filtrierte Lösung des Indoxylnatriums saugt man mit der Wasserstrahlpumpe so
lange Luft, bis ein Tropfen der wässerigen Indigosuspension, auf Filtrierpapier gebracht,
nicht mehr an der Luft nachblaut und einen scharfen Rand von gefälltem Indigo zurück-
läßt. Dann wird der Indigo abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen, vom Filter in
ein Becherglas gespült, mit wenig 2lM Salzsäure gekocht, wieder abgenutscht, mit
heißem Wasser gewaschen und getrocknet. Ausbeute 7,5g (57,5%). Kleine Mengen
können durch Sublimation gereinigt werden.

Versuch: Indigo aus o-Nitrobenzaldehyd — In einem Reagenzglas löst man 1 g o-


Nitrobenzaldehyd in 3 ml Aceton, füllt auf das doppelte Volumen mit Wasser auf und
versetzt dann die klare Lösung tropfenweise mit 1N Natronlauge. Der Ansatz färbt sich
unter Selbsterwärmung dunkelbraun und scheidet nach kurzer Zeit den Farbstoff in
kristallinen Flocken aus. Man saugt nach fünf min ab und wäscht den Rückstand erst
mit Alkohol, dann mit Ether. Der so gewonnene Indigo ist besonders rein und zeigt deut-
lich den typischen violetten Oberflächenglanz.
Indigo-Synthesen 653

Natürlicher Indigo war jahrtausendelang der wichtigste organische Farbstoff.


Indoxyl ist als Enol-O-glucosid Indican vor allem in der Färberwaidpflanze (Europa)
und in Indigoferaarten (Tropen) enthalten. Es kann daraus mithilfe des eigenen
Pflanzensaftes enzymatisch oder mit Säuren freigesetzt werden und autoxidiert sich
dann sofort zu Indigo. Die Konstitution des Farbstoffs ist in klassischen Arbeiten (ab
1865) durch A. v. Baeyer erforscht worden. - Der kostbare antike Purpur wurde von
P. Friedländer (1908) als 6,6'-Dibromindigo erkannt.
Die Indigosynthese durch Alkalischmelze des N-Phenylglycins (K. Heumann)
wurde durch Zusatz von Natriumamid (J. Pfleger) so verbessert, daß der synthetische
Farbstoff billiger wurde als der natürliche:

ClCH2CO2H

Indigo
NaNH

Die Alkalischmelze von AT-Phenylglycin ist noch heute die wirtschaftlichste Me-
thode bei der industriellen Herstellung von Indigo, doch wird das Ausgangsmaterial
am billigsten über eine Strecker-Synthese mit Formaldehyd, Anilin und Blausäure
erhalten (formulieren!).
Von Heumann stammt auch die von uns benutzte Variante, bei der an Stelle von
Anilin Anthranilsäure eingesetzt wird.
Von den zahlreichen Synthesen aus dem Laboratorium A. v. Baeyers sei hier nur
die eleganteste, im Versuch S. 652 durchgeführte erwähnt. Bei ihr wird o-Nitrobenz-
aldehyd in alkalischer Lösung mit Aceton kondensiert. Dabei entsteht eine aldol-
artige Verbindung, die über 0-Nitroso-benzoylaceton durch Acetat- und Wasser-
abspaltung in Indolon übergeht. Indolon addiert Wasser und wird dadurch zu einem
starken Nucleophil, das sich leicht an neu gebildetes Indolon addiert:
H OH
HO "CH2-CO-CH3
Il + H3C-CO-CH3
NO2 NO 2 '

Jf^CH2-CO-CH3

LK,£n-cH3 -^p Indigo

Indolon
654 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Für die intermolekulare Disproportionierung (zweiter Schritt) kann der Übergang


von o-Nitrotoluol zu Anthranilsäure in Gegenwart von Alkalien oder der von o-
Nitrobenzaldehyd zu o-Nitrosobenzoesäure beim Belichten als Muster gelten.
Unter Ausnutzung des indigoiden Bauprinzips hat man viele Varianten herge-
stellt. Ersatz des Stickstoffs durch Schwefel führt zu einem roten Farbstoff. - Der
namentlich in seinen Derivaten wichtige Thioindigo kann aus Thiosalicylsäure und
Chloressigsäure analog der oben geschilderten Vorschrift über Thioindoxyl (3-
Hydroxythionaphthen) dargestellt werden (P. Friedländer, 1905):

O
Thioindigo

Aus Isatin und Thioindoxyl entsteht der prächtige Thioindigoscharlach nach


einem Mechanismus, der dem der Indopheninreaktion ähnelt:

Versuch: Färbung mit Indigo — Eine Spatelspitze Indigo wird in einer kleinen Reib-
schale (oder auf dem Uhrglas) mit wenigen Tropfen Wasser zu einem feinen Brei zer-
rieben, in ein Erlenmeyerkölbchen gespült, mit 2N Natronlauge deutlich alkalisch ge-
macht und unter Erwärmen auf 30-4O0C mit einem geringen Überschuß Natrium-
dithionitlösung reduziert. Es entsteht bald eine grüngelbe, dann braunstichig gelbe Lö-
sung, die Küpe, auf deren Oberfläche sich durch die Berührung mit der Luft eine feine
blaue Haut von Indigo, die sogenannte „Blume" bildet. Man verdünnt mit Wasser auf
25—30 ml, bringt einen vorher benetzten Leinwandstreifen in die Lösung, digeriert ihn
darin einige min lang mit einem Giasstab, nimmt ihn heraus, preßt ihn aus und hängt ihn
an der Luft auf. Schon nach 5 min ist das Tuchstück tiefblau gefärbt.
Leitet man Luft durch die Küpe, fällt der Farbstoff wieder aus. (Auf diesem Wege läßt
sich der Indigo reinigen.)

Da Indigo wegen seiner völligen Wasserunlöslichkeit nicht direkt auf die Faser
aufgebracht werden kann, wendet man seit altersher ein spezielles, „Küpenfärberei"
genanntes Verfahren an: Man reduziert den Farbstoff in alkalischer Suspension mit
Natriumdithionit oder anderen geeigneten Reduktionsmitteln wie z. B.hydrierenden
Bakterien zu einem löslichen Enolat, dem „Leukofarbstoff". - An der Luft oxidiert
sich die gelbliche LeukoVerbindung rasch wieder zum Indigo:
Küpenfarbstoffe: Indigo und Indanthrene 655

OH
Indigweiß

Als fertige Küpen sind die (neutralen, also auch zur Wollfarbung geeigneten)
Alkalisalze des Indigoweiß-schwefelsäureesters unter dem Namen „Indigosol" im
Handel.
Zu den Küpenfarbstoffen — die sich durch ganz besondere Echtheit auszeichnen -
gehören außer den indigoiden auch die als Indanthrenfarben bekannten, aromatisch
kondensierten Anthrachinonderivate. Hier sei nur der älteste Vertreter dieser Gruppe,
das Indanthrenblau R, angeführt, das aus jS-Amino-anthrachinon durch dehydrie-
rende Dimerisation in einer Kaliumnitrat-Alkali-Schmelze entsteht (R. Bohn, 1910):

Indanthrenblau R gehört zu den stabilsten organischen Verbindungen; es hält


nicht nur eine Alkalischmelze, sondern auch Salzsäure bei 40O0C aus.
Die dem Indoxyl zugrunde liegende Stammverbindurig ist das Indol, das u.a. im
Steinkohlenteer enthalten ist, und das man aus Oxindol durch Zinkstaubdestillation
erhält. Besonders übersichtlich ist die Darstellungsmethode von W. Madelung, bei
der N-Acyl-0-toluidin durch Natriumamid oder Kalium-/er/-butylat cyclisiert wird:

.CHoO

Zur Herstellung zahlreicher Indolderivate eignet sich am besten die von E. Fischer
angegebene Umlagerung der Phenylhydrazone, die aber beim einfachsten, dem des
Formaldehyds nicht zum Ziel führt.

Versuch: 2-Methylindol nach E. Fischer — 5,4g Phenylhydrazin (0,05 mol) werden


mit 5 ml Aceton vermischt und 45 min auf dem Dampfbad erwärmt, wobei sich etwas
Wasser abscheidet. Man setzt dann 15g frisch entwässertes und gepulvertes Zinkchlorid
zu und erhitzt 10 min unter Umrühren in einem auf 18O 0 C erwärmten Ölbad. Die dunkle
656 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Schmelze gießt man in einen 1-I-Rundkolben, spült mit ganz wenig Methanol nach,
versetzt mit 50 ml 2N Salzsäure und destilliert das gebildete Methylindol mit Wasser-
dampf über. Das Destillat (1 I) wird trotz der bereits ausfallenden weißen Kristalle 3mal
mit Ether ausgeschüttelt, der Ether getrocknet und abgedampft. Der Rückstand wird
mit wenig kaltem Petrolether zerrieben und abgesaugt. Man erhält 4 g (60% Ausbeute)
2-Methylindol, welche aus Petrolether umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 58—59 0 C.

Das Phenylhydrazon des Acetons erleidet aus der Enhydrazinform heraus eine
säurekatalysierte, sigmatrope Umlagerung, wonach unter Abspaltung des alipha-
tisch gebundenen Stickstoffs als Ammoniak der Indolring gebildet wird. Als Reak-
tionsmedium eignet sich sehr gut auch Polyphosphorsäure.

CHo

Ist man von Brenztraubensäure ausgegangen, so erhält man Indol-2-carbonsäure


und durch deren Hitzedecarboxylierung Indol.
Indole sind, wie die Pyrrole (siehe S. 645) praktisch nicht basisch, säureempfind-
lich und ähnlich leicht elektrophil substituierbar, wobei der Substituent jedoch die
3- vor der 2-Stellung bevorzugt. Nur der ^-Komplex mit Addend in 3-Position kann
seine positive Ladung delokalisieren, ohne daß die Resonanz des Benzolrings ge-
stört wird. (Vergleiche entsprechende Verhältnisse beim Naphthalin; S.239):

Ein Beispiel für die leicht verlaufende elektrophile Substitution ist die Gramin-
synthese (Präparat S. 353). Die Einwirkung von Chloroform und Alkali nach Reimer-
Tiemann führt zum Teil unter Ringerweiterung zu 3-Chlorchinolinen (vergleiche
S. 646). Der Wasserstoff am Stickstoff reagiert mit Methyl-magnesiumhalogenid
(Zerewitinow-Reagens). Die dabei entstehenden Magnesylverbindungen lassen sich
zur Anlagerung des /Mndolylrests an elektrophile Zentren benutzen.
Zum Nachweis ist die Fichtenspan- bzw. Zeitungspapier-Reaktion geeignet (siehe
Versuch S. 645).
Indol ist der Stammkörper einer großen Reihe von Naturstoffen. Die Grundver-
bindung selbst findet sich u. a. als Duftstoff in Jasmin- und Orangenblüten, als Ab-
bauprodukt des Tryptophans, zusammen mit 3-Methylindol (Skatol) auch in den
Faeces.
Tryptophan (Präparat S. 422) ist eine essentielle Aminosäure und Ausgangsstoff
zahlreicher biologischer Umwandlungsprodukte. Es wird z. B. von Mikroorganis-
Tryptophanstoffwechsel 657

men zur 3-Indolylessigsaure, dem Pflanzenwuchsstoff Heteroauxin, von Darmbak-


terien zum Skatol abgebaut. Ein anderer Weg führt vom Tryptophan zum Chinolin-
ring - im Hundeharn findet sich stets Kynurensäure — oder zum Pyridinring - Nico-
tinsäureamid (siehe S. 676) - oder zu den Augenpigmenten von Insekten — Ommo-
chrome (A. Butenandt) welche Phenoxazinfarbstoffe sind (Ommatine, Ommine).
Durch enzymatische Decarboxylierung entsteht aus Tryptophan Tryptamin, aus
5-Hydroxytryptophan das blutdruckwirksame Serotonin, das auch als chemischer
Mediator bei nerven- und gehirnphysiologischen Vorgängen eine Rolle spielt (Neuro-
transmitter).

Heteroauxin

,CH2-CO2H

Alkaloide

NHo

Tryptamin
(5-OH=Serotonin)
Ommatine OH

N CO2H
Kynurensäure

' OH
3 - Hydroxyanthranilsäure

a CO2H

Nicotinsäure

Die tautomere Form des Indols, Indolenin, ist nur bei Doppelsubstitution in 3-
Stellung einigermaßen beständig. Permethylierung von Indol gibt 1,2,3,3 -Tetra-
methyl-indoleniniumsalze.

CH3 CH
CH3
OH"
, CH3
CH3 CH3 ,-
„Fischer-Base" Indolin
658 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Katalytische Hydrierung des Indolsystems führt unter Absättigung der 2,3-Dop-


pelbindung zu Indolinen.
Benzofuran, meist Cumaron genannt, wird industriell aus Steinkohlenteer ge-
wonnen und findet nach saurer Polymerisation zu Cumaronharzen als Lackbinde-
mittel Verwendung. - Benzothiophen, als Thionaphthen bekannt, ist ebenfalls ein
Bestandteil des Steinkohlenteers:

Thionaphthen

Diese Reaktion (einschließlich Reinigung der Gasentwickler) ist mit besonderer Vor-
sicht unter einem gutziehenden Abzug auszuführen; nitrose Gase sind sehr giftig (Spät-
wirkung) !
In einem 200-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 30,0 g o-Toluidin (0,28 mol) mit
einem Gemisch von 30 ml Eisessig und 60 ml Acetanhydrid (0,59 mol); die Acetylie-
rung verläuft unter Selbsterwärmung. Nach Abkühlen im Eisbad nitrosiert man durch
Einleiten von Distickstofftrioxid. Dieses stellt man sich in einem am Stativ f ixierten 1-I-
Gasentwickler (siehe z.B. S. 667) her, der mit 150—18Og technischem Natriumnitrit
und (im Tropftrichter) mit konz. Schwefelsäure, die 3 Vol.% konz. Salpetersäure enthält,
beschickt ist. Der Entwickler wird durch PVC-Schlauch über eine Sicherheitsflasche
(Abbildung 20, S. 24) mit einem Glasrohr verbunden, das in den Reaktionsansatz
taucht. — Um nach Verbrauch dieser Natriumnitritmenge (nach ca. zwei h) sofort weiter-
arbeiten zu können, stelle man eine zweite vorbereitete Saugflasche bereit.
Man läßt die Schwefelsäure so rasch zutropfen, daß ein kräftiger N 2 O 3 -Strom ent-
steht. Der Ansatz ist mit Eiswasser zu kühlen; die Reaktionstemperatur muß stets unter
5 0 C bleiben. Nach etwa einer Stunde beginnt sich die Lösung grün zu färben; es wird
jedoch noch weiter eingeleitet, bis eine tief smaragdgrüne Farbe Stickstoffoxid - Überschuß
anzeigt. Diese Färbung soll auch nach Unterbrechung der Gaszufuhr noch einige Zeit
bestehen bleiben.
Die schwarzgrüne Lösung des Nitroso-aceto-o-toluidids wird auf 3000 g Eis-Eiswasser
gegossen und zwei h lose verschlossen im Kühlschrank oder im Eisbad aufbewahrt. Nach
Überführung in einen Scheidetrichter nimmt man das ausgeschiedene Öl durch mehr-
maliges Ausschütteln in insgesamt 200 ml Benzol auf, wäscht die vereinigten organi-
schen Lösungen mit Eiswasser und läßt nach Zugabe von 10 ml Methanol (zur Bindung
des restlichen Acetanhydrids) locker verschlossen eine Stunde bei O 0 C stehen. Nach
erneutem gründlichen Waschen mit dreimal je 10OmI Eiswasser läßt man die kalte
Lösung in einem nur lose (!) abgedeckten Erlenmeyerkolben mit etwas Calciumchlorid
über Nacht im Kühlschrank stehen. Es empfiehlt sich, mit dem Ansatz frühmorgens zu
beginnen, um den Versuch an einem Tag bis zu dieser Stufe durchführen zu können.
Am anderen Morgen gießt man die hellbraune Lösung vom Trockenmittel in einen
Indazol und Benztriazol 659

2-l-Erlenmeyerkolben ab, verdünnt unter Nachwaschen des Calciumchlorids mit weite-


ren 400 ml Benzol und erwärmt die vereinigten Lösungen in einem Wasserbad eine
Stunde auf eine Innentemperatur von 35 0 C (diese ist infolge des exothermen Charakters
der Indazolbildung ca. 7-1O0C höher als die Badtemperatur), dann weitere sieben h
auf eine Innentemperatur von 40—5O 0 C. Diese Temperaturen müssen eingehalten wer-
den, da es sonst zur Wärmestauung kommen kann. Erleichtert wird die Konstanthaltung
der Temperatur und die Wärmeabfuhr durch Verwendung eines großen Bades.
Nach Beendigung der Umsetzung kocht man auf dem Dampfbad kurz auf und zieht
die erkaltete Lösung im Scheidetrichter erst mit 100 ml 2N Salzsäure und dann dreimal
mit je 20 ml 5 N Salzsäure aus. Die vereinigten sauren Extrakte werden mit überschüssi-
gem Ammoniak versetzt, wobei sich das gebildete Indazol nahezu farblos abscheidet.
Man läßt noch zwei h im Kühlschrank stehen, saugt ab, wäscht mit Wasser und trocknet
im Vakuumexsikkator über konz. Schwefelsäure. Zur Reinigung des rohen Indazols vom
Schmp. 143-1450C (19g; 58%) ist die Vakuumdestillation im Säbelkolben geeignet;
Sdp. bei 17O 0 C / 50 Torr. Auch die Hülsenextraktion mit Benzol liefert ein farbloses
Präparat in prächtigen großen Tafeln vom Schmp. 146—147 0 C.

Das zunächst gebildete A/-Acetyl-0-toluidin wird zur AT-Nitrosoverbindung nitro-


siert, die sich zum trans-Diazoacetat umlagert. Dieses kuppelt, wie auf S. 611 aus-
geführt ist, in intramolekularer Reaktion an die räumlich günstig gelagerte Methyl-
gruppe zum Indazol (R. Huisgen).

Benztriazol

,NH2L
HNO2

NH2

In einem 250-ml-Becherglas werden 27,0 g o-Phenylendiamin (0,25 mol), 27,7ml


Eisessig (30,0 g; 0,50 mol) und 75 ml Wasser vorsichtig erwärmt bis eine klare Lösung
entstanden ist. Diese wird auf 5 0 C abgekühlt und mit einer gleichfalls auf diese Tempe-
ratur gebrachten Lösung von 18,5 g Natriumnitrit (0,273 mol) in 30 ml Wasser versetzt.
Während man nun ohne weiter zu kühlen langsam umrührt, erwärmt sich der Ansatz
rasch auf 70—8O 0 C und färbt sich grün. Jetzt wird das Becherglas in Eiswasser gestellt
und weitergerührt, bis der Inhalt braunrot geworden ist. Man läßt das Reaktionsgemisch
eine Stunde lang bei Zimmertemperatur stehen. Es kühlt sich ab und scheidet das rohe
Benztriazol als ein Öl aus, das bei weiterem Rühren im Eisbad bald fest wird. Nachdem
man das Becherglas noch etwa drei Stunden mit Eis gekühlt hat, saugt man die Flüssig-
keit ab und wäscht den Rückstand mit 50 ml eiskaltem Wasser. Er wird über Nacht bei
45—5O 0 C getrocknet. Rohausbeute: 28,5g (95,8%) eines gelblichbraunen Produkts.
Zur Reinigung destilliert man das rohe Benztriazol im Wasserstrahlvakuum aus einem
Säbelkolben. Sdp. 201-204 0 C / 15 Torr. Das geschmolzene Destillat gießt man in 6OmI
Benzol. Die Lösung wird solange gerührt, bis das reine Produkt völlig ausgefallen ist.
Nach zwei h wird das Benzol abgesaugt. Die letzten Lösungsmittelreste entfernt man
im Exsikkator mit Paraffinschnitzeln. Ausbeute etwa 95g (~74%) einer farblosen
Substanz mit dem Schmp. 96-970C.
660 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Die innermolekulare Kupplung des diazotierten o-Phenylendiamins, die zum


Benztriazol führt, läuft über das Diazoniumion ab. Dasselbe gilt für die analoge Bil-
dung des Benzothiodiazols aus o-Aminothiophenol:

HNO2

o-Aminophenole reagieren nach Diazotierung zu o-Chinondiaziden bekanntlich


nicht unter Ringschluß weiter (S. 603). Beim Erhitzen von 0-Phenylendiamin mit
Ameisensäure entsteht Benzimidazol, dessen 5,6-Dimethylverbindung ein Bestand-
teil des Vitamins B12 ist.
Die mit dem Benzolkern „orthokondensierten" Azole mit zwei und drei Stickstoff-
atomen sind sehr schwach basische, kristalline Verbindungen von großer Beständig-
keit. Benztriazol läßt sich sogar unter Erhaltung des Heteroringes mit Permanganat
zu Triazol-4,5-dicarbonsäure oxidieren.
Die einkernigen Azole und ihre Derivate sind interessante, auch technisch wichtige
Verbindungen mit aromatischem Charakter. Das zusätzliche „tertiäre" Stickstoff-
atom im Fünfring vermindert infolge seiner elektronenanziehenden Wirkung den
negativen Ladungsüberschuß an den Kohlenstoffatomen und somit die Bereitschaft
zur elektrophilen Substitution; immerhin kuppeln Pyrazole (wie Indazol) und Imida-
zole mit Diazoniumsalzen. Die Unbeständigkeit gegenüber Säuren—auch eine nucleo-
phile Eigenschaft - ist jedoch verschwunden.
Pyrazol (Schmp. 7O0C; pKA der konjugierten Säure = 2,53) ist in guter Ausbeute
z. B. aus Hydrazin und Propargylaldehyd zu erhalten. Seine Derivate, von denen
die Pyrazolone - mit Carbonylfunktion in 3-Stellung - die größte Bedeutung haben,
gewinnt man aus 1,3-Dicarbonylverbindungen und Hydrazinen. So entsteht z.B.
Antipyrin® aus Phenylhydrazin und Acetessigester mit nachfolgender JV-Methylie-
rung (formulieren!), Butazolidin® aus Hydrazobenzol und Butylmalonester:

3 0
5
)n
'V
\v N
X 2
N
N2
^\
H3C
jpc
..„X..xN,
X"V
IjJ C6H5 nu rv| c
H
CH3 C6H5
Pyrazol Antipyrin Butazolidin
Pyrazolone, Imidazole, Triazole, Tetrazole 661

Die Pyrazolone kuppeln in 4-Stellung mit aromatischen Diazoverbindungen zu


lichtechten Wollfarbstoffen (z. B. dem Tartrazin).
Imidazol (Schmp. 9O0C; pKA der konjugierten Säure = 7,16) entsteht aus Glyoxal,
Formaldehyd und Ammoniak („Glyoxalin"); doch dürfte die beste Synthese die-
jenige aus dem Glykolacetal des Bromacetaldehyds und Formamid unter Am-
moniak bei 18O0C sein (H. Bredereck):

BrCH2 MM, , ,
H2C-OJ I 2 V-N3 N-CH2-CH-CO2H

H H
Imidazol Histidin

Die natürliche Aminosäure Histidin enthält den Imidazolring. Ihr Decarboxylie-


rungsprodukt, Histamin, ist eine der Ursachen allergischer Zustände.
Imidazol ist unter den Azolen die stärkste Base. Mit seinem pK ~ 7 ist es in der
Lage, in neutraler Lösung Protonen zu binden. Diese Base- und Puffereigenschaft
der Histidinseitenkette ist es, die man mit der katalytischen Funktion vieler hydroly-
tisch wirkender Enzyme wie Esterasen oder Trypsin in Zusammenhang bringt.
1,2,3-Triazol-dicarbonsäure (und daraus durch Decarboxylierung 1,2,3-Triazol)
sowie Tetrazol entstehen z. B. durch 1,3-dipolare Cycloaddition von Stickstoffwas-
serstoffsäure an Acetylendicarbonsäure bzw. an Cyanwasserstoff:

H 2C
HO22C, ___ N ° "S INI K M
^^ \\ HO2C-C H .CH /N^N
N -- Nl -- HN I
V CH

Die 1,3-dipolare Cycloaddition (R. Huisgen, vgl. auch S. 207) eröffnet die Mög-
lichkeit zur Darstellung einer Fülle von 5-Ring-Heterocyclen des Azol-Typs.
Pentamethylen-tetrazol, ein als Cardiazol® bekanntes Herzanregungsmittel, wird
wie schon auf S. 351 erwähnt, durch Einwirkung von Stickstoffwasserstoff auf
Cyclohexanon dargestellt (K. F. Schmidt, 1924).
Triphenyl-tetrazoliumchlorid hat als Redoxindikator in der Pflanzenphysiologie
Bedeutung. Das wasserlösliche, farblose Salz wird enzymatisch zu einem unlöslichen
tiefroten Formazan reduziert:

N C
C6H5 a ' * C6H5 -C1
Triphenylformazan
662 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

Formazane erhält man durch Kuppeln von Arylhydrazonen mit Diazoniumsalzen.


Sie lassen sich umgekehrt leicht zu den Tetrazoliumsalzen oxidieren. Die präpara-
tive Herstellung dieses Formazans ist bei seiner Verwendung als Ausgangssubstanz
für das Radikal Verdazyl auf S. 594 geschildert.
Auch der Pentazolring ist bekannt. Er entsteht bei der Kupplung von Benzoldia-
zoniumchlorid mit Azidionen über das Pentazen als nicht stabiles Zwischenprodukt,
das Stickstoff unter Bildung von Azidobenzol (Phenylazid, siehe auch S. 623) ab-
spaltet (R. Huisgen, I. Ugi, 1957). /?-Ethoxy-phenylpentazol konnte bei -3O 0 C
kristallisiert erhalten werden.

C 6 H 5 -N=NI + NO— C6H5-N +


"C6H5N3

Phenylpentazen

Die Fünfringe, die neben Stickstoff noch Sauerstoff- bzw. Schwefel als Hetero-
atom enthalten, heißen:

Oxazol Isoxazol Thiazol


.
Isothiazol

2-Phenyl-5-oxazolon, das Azlacton der Hippursäure, wurde bereits beim Präpa-


rat Phenylalanin (S. 373) besprochen. 2-Mercapto-5-hydroxythiazol heißt Rhodanin.
Benzoxazol-2-on ist ein in Pflanzen vorkommender Hemmstoff des Pilzwachstums
(AVirtanen, 1955):
4 3
H2C - N
'l H2
0=5CXQ/C-
1
Azlacton der Benzoxalon
Hippursäure

Die schwefelhaltigen aromatischen 5-Ring-Heterocyclen verhalten sich oft ähnlich


wie die entsprechenden 6-Ring-Aromaten, in denen statt des Schwefels eine formale
C,C-Doppelbindung steht. Wir haben bereits auf die große Ähnlichkeit des Thio-
phens mit dem Benzol hingewiesen. Thiazol ähnelt in seinen Eigenschaften deshalb

-CH2-CH2OH
S

Aneurin(Thiamin)-Hydrochlorid
Weitere Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring 663

dem Pyridin und ist wie dieses nur sehr schwer elektrophil substituierbar. Ein wich-
tiger natürlich vorkommender Vertreter des Thiazols ist das Aneurin (Thiamin,
Vitamin B 1 ) (S. 380), in dem außerdem ein Pyrimidinring (S. 687) enthalten ist.
Der Thiazolidinring kommt in den Penicillinen vor.

CO2H
^\
O
Il
C 6 H 5 CH 2 CNH"

Die mesomeriestabilisierten Sydnone (Universität Sydney, 1935) sind Hetero-


cyclen, für die nur zwitterionische Grenzstrukturen angegeben werden können.

HC-Nv HC = N
M \ -*—*~ l A,- u.s.w.

Sie entstehen aus N-Arylglycinen und salpetriger Säure.

Weiterführende Literatur zu Kapitel X\\/

A. H. Corwin, The Chemistry of Pyrrole and Its Derivatives, Heterocyclic Compounds, Herausg.
R. C. Elderfield, Bd. /, S. 277, J. Wiley and Sons, New York und London 1950.
R. C. Elderfield und T. N. Dodd, Furan in Heterocyclic Compounds, Heterocyclic Compounds,
Herausg. R. C. Elderfield, Bd. l, S. 119, J. Wiley and Sons, New York und London 1950.
C.-H. Schmidt, Neuere Entwicklungen in der Furanchemie, Angew. Chem. 67, 317 (1955).
D. G. Jones und A. W. C. Taylor, Some Aspects of Furan and Pyran Chemistry, Quart. Rev. 4,
195 (1950).
F.F. Blicke, The Chemistry of Thiophene, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C. Elderfield,
Bd. /, S. 208, J. Wiley and Sons, New York und London 1950.
D.E.Wolf und K. Folkers, The Preparation of Thiophenes and Tetrahydrothiophenes, Org.
React. 6, 410(1951).
J.L. Goldfarb, J.B. Volkenstein und L. J. Belenkij, Änderung der Orientierung von Substitu-
tionsreaktionen an Thiophen- und Furanderivaten, Angew. Chem. 80, 547 (1968).
Indigo und indigoide Farbstoffe, Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3.Aufl.;
Herausg. W. Foerst, Bd. 8, S. 748, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1957.
A. v. Baeyer, Zur Geschichte der Indigo-Synthese, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 33, LI (1900).
H. Brunck, Die Entwicklungsgeschichte der Indigo-Fabrikation, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 33,
LXXl (1900).
P. L. Julian, E. W. Meyer und H. C. Printy, The Chemistry of Indoles, Heterocyclic Compounds,
Herausg. R.C. Elderfield, Bd. 3, S. l, J. Wiley and Sons, New York und London 1952.
R.B. van Order und H.G. Lindwall, Indole, Chem. Rev. 30, 69 (1942).
B. Robinson, The Fischer Indole Synthesis, Chem. Rev. 63, 373 (1963).
664 Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem Ring

B. Robinson, Recent Studies on the Fischer Indole Synthesis, Chem. Rev. 69, 227 (1969).
L. Jacobs, Pyrazoles and Related Compounds, Heterocyclic Compounds, Herausg. R. C. Elder-
field, Bd. 5, S. 45, J. Wiley and Sons, New York und London 1957.
E. S. Schipper und A.R. Day, Imidazoles and Condensed Imidazoles, Heterocyclic Compounds,
Herausg. R. C. Elderfield, Bd. 5, S. 194, J. Wiley and Sons, New York und London 1957.
S.W. Fox, Chemistry of the Biologically Important Imidazoles, Chem. Rev. 32, 47 (1943).
J.H. Boyer, Monocyclic Triazoles and Benzotriazoles, Heterocyclic Compounds, Herausg.
R. C. Elderfield, Bd. 7, S. 384, J. Wiley and Sons, New York und London 1961.
FR. Benson und W. L. Savell, The Chemistry of the Vicinal Triazoles, Chem. Rev. 46, l (1950).
FR. Benson, The Tetrazoles, Heterocyclic Compounds, Herausg. R. C. Elderfield, Bd. 8, S. l,
J. Wiley and Sons, New York, London und Sydney 1967.
FR. Benson, The Chemistry of the Tetrazoles, Chem. Rev. 41, l (1947).
A.W. Nineham, The Chemistry of Formazanes and Tetrazolium Salts, Chem. Rev. 55,355 (1955).
J. M. Sprague und A.H. Land, Thiazoles and Benzothiazoles, Heterocyclic Compounds, Her-
ausg. R. C. Elderfield, Bd.5, S. 484, J. Wiley and Sons, New York und London 1957.
R.H. Wiley, D.D.England und L.C. Behr, The Preparation of Thiazoles, Org. React. 6, 367
(1951).
F H. C. Stewart, The Chemistry of the Syndnones, Chem. Rev. 64, 129 (1964).
XV. Synthesen und Reaktionen der
Heterocyclen mit 6-gliedrigen
und mehreren Ringen

Experimente:

Collidin
Versuch: Nicotin aus Tabak
2-Aminopyridin
Versuch: Pyridin-hydrochlorid
Versuch: 2,4-Dinitrophenylpyridiniumchlorid
Versuch: Halbanil und Dianil aus dem Zincke-Salz
Propargylalkohol-tetrahydropyranylether
a) Chinolin nach Skraup
b) 8-Hydroxychinolin
Versuch: Darstellung von Metallchelaten
2-Hydroxy-4,6-dimethylchinolin nach Knorr
2-Phenylchinolin aus Chinolin und Lithiumphenyl
D,L-l,2,3,4-Tetrahydro-isochinolin-3-carbonsäure
Homo-dihydro-carbostyril
4-Amino-uracil
Coffein aus Tee
Harnsäure
Versuch: Murexidreaktion
Harman
Hämin aus Rinderblut
Collidin-Synthese 667

XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen


mit 6-gliedrigen und mehreren Ringen

Systeme mit einem heterocyclischen Sechsring

Collidin

CHo
I CH3
RO27C. CHO ^CO R R0 r \? COoR
^CH2 CH2 Z2 _ ^ RU 2Lx^xLU2K

CH
CH 3 '> 0^
C H 3 3 N CH
3
NH3

CH3 CH3

R=C2H5

Dihydrocollidindicarbonsäure-diethylester.
In einem 200-ml-Becherglas erwärmt man auf dem Drahtnetz eine Mischung von
33,Og Acetessigester (0,25 mol) und 10,Og Acetaldehydammoniak (0,17mol) unter
Umrühren mit einem Thermometer 3 min lang auf 100—11O 0 C. Dann entfernt man die
Flamme, versetzt das warme Reaktionsgemisch mit 70 ml 2N Salzsäure und rührt so
lange kräftig um, bis die anfangs flüssige Masse erstarrt ist. Sie wird in einer Reibschale
fein zerrieben, abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Für die
weitere Verarbeitung kann das Rohprodukt (Ausbeute ca. 25 g) verwendet werden.
Eine Probe kristallisiert man aus wenig Ethanol um und erhält so farblose bläulich fluores-
zierende Nadeln vom Schmp. 131 0C.

3,5-Collidindicarbonsäure-diethylester
Die Dehydrierung zum aromatischen System geschieht mit Distickstofftrioxid. Nitrose
Gase sind sehr giftig (Spätwirkung)! Es ist mit besonderer Vorsicht zu arbeiten und ein
gutziehender Abzug zu benutzen!
Ein 500-ml-Zweihalskolben mit Tropftrichter und Gasableitungsaufsatz wird in einem
Babotrichter befestigt. An diesen Gasentwickler schaltet man über PVC-Schläuche eine
leere Gaswaschflasche, deren langer Schenkel mit einem Einleitungsrohr verbunden ist.
Das Rohr führt zum Boden eines 100-ml-Erlenmeyerkolbens, der zur Kühlung in einem
Topf befestigt ist, durch welchen langsam Leitungswasser fließt. — Den Erlenmeyerkol-
ben beschickt man mit der Suspension aus 20 g des pulverisierten rohen Dihydroesters
in 25 ml Methanol; den Zweihalskolben mit 50g grob zerkleinertem Arsentrioxid (Vor-
sicht; sehr starkes Gift!); den Tropftrichter mit einer Mischung von 75 ml konz. Salpeter-
säure (D. 1,4) und 30 ml Wasser.
Nun entwickelt man durch langsames Zufließenlassen der Salpetersäure und gelindes
Erwärmen einen gleichmäßigen Distickstofftrioxid-Strom. Man leitet so lange Gas ein,
668 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

bis sich die Festsubstanz ganz gelöst hat und eine Probe mit verdünnter Salzsäure keine
Trübung mehr gibt (Erklärung auf S. 670). Jetzt gießt man die Lösung unter Nachspülen
mit wenig Wasser in ein mit 10O g Eis gefülltes 600-ml-Becherglas und stumpft die Säure
durch vorsichtiges Einrühren von feingepulvertem Natriumcarbonat bis zur alkalischen
Reaktion ab. Der dadurch als Öl abgeschiedene Ester wird zweimal mit je etwa 80 ml
Ether ausgeschüttelt (Vorsicht; anfangs eventuell noch CO2-Entwicklungl). Die ver-
einigten Etherlösungen werden — zur Entfernung der Hauptmenge des Alkohols — durch
Schütteln mit etwa 80 ml Wasser gewaschen und unter häufigem Umschwenken eine
Stunde mit wasserfreiem Kaliumcarbonat getrocknet. Dann wird der Ether abdestilliert
und der Rückstand im Vakuum fraktioniert. Sdp. 175—178 0 C / 21 Torr. Ausbeute: 15g
Collidindicarbonsäureester (ca. 75%).

Kaliumsalz der 3,5-Collidindicarbonsäure


In einem 250-ml-Schliffkolben mit Anschützaufsatz, Tropftrichter, Rückflußkühler und
Calciumchloridrohr werden 30g Kaliumhydroxid in 10OmI absolutem Ethanol gelöst.
Dann läßt man langsam die synthetisierten ca. 15 g Collidindicarbonsäureester zufließen,
spült mit wenig Alkohol nach und erhitzt weitere 3—4 h auf dem lebhaft siedenden
Wasserbad. Das in Alkohol schwer lösliche Kaliumsalz scheidet sich allmählich in
Kristallkrusten ab und wird nach Abschluß der Verseifung von der wieder abgekühlten
Flüssigkeit abgesaugt, zweimal mit Alkohol und schließlich mit Ether gewaschen. Aus-
beute: 12-14 g (72-84%).

Collidin
Die Abspaltung der Carboxylgruppen erfolgt durch Erhitzen des Kaliumsalzes mit CaI-
ciumhydroxid in einem dickwandigen schwer schmelzbaren Verbrennungsrohr und mit
einem kurzen Ofen, wie sie für die quantitative CH-Analyse verwendet werden.
Man mischt das gewonnene Collidindicarbonsaure Kalium (12-14 g) mit seiner
doppelten Gewichtsmenge Calciumhydroxid in einer Reibschale sehr gut durcheinander.
Das Gemenge füllt man in ein etwa 60 cm langes Verbrennungsrohr, dessen eines Ende
zu einem Destilliervorstoß ausgezogen und abgebogen ist und das 10cm von diesem
Vorstoß entfernt mit einem nicht zu festen Asbestpfropfen abgedichtet wurde. Das ein-
gefüllte Pulver wird auf der anderen Seite ebenfalls durch einen lockeren Asbestpfropfen
abgeschlossen. Das waagerechte Rohr wird etwas geklopft, so daß über der Füllung
ein nicht zu enger Gang entsteht. So vorbereitet kommt es in den Verbrennungsofen. Es
soll zum Vorstoß - unter den ein Erlenmeyerkolben zu stellen ist - etwas Gefalle haben.
Das offene Rohrende wird über einen Blasenzähler mit einer Stickstoffstahlflasche ver-
bunden. Nun wird bei niedriger Temperatur langsam vorgewärmt vorsichtig ein schwa-
cher Stickstoffstrom angestellt und dann die Heizung schrittweise bis zur Höchst-
leistung gebracht. Das Collidin sammelt sich in der Vorlage, aus der es, wenn nichts
mehr übergeht, mit Ether herausgespült wird. Die Lösung wird mit wenig Kaliumhydroxid
getrocknet, der Ether abgedampft und der Rückstand destilliert. Bei 172 0 C gehen 3-4 g
Collidin (ca. 60%) über.

Der Aufbau des Pyridinrings nach A. Hantzsch (hier am Beispiel des Collidins be-
schrieben) läuft in seiner ersten Stufe wahrscheinlich folgendermaßen ab:
Es reagiert zuerst ein Molekül Acetessigester mit einem entsprechenden Aldehyd
in einer Knoevenagel-Kondensation zur a,/?-ungesättigten Dicarbonylverbindung
und diese dann mit einem zweiten Molekül Acetessigester in einer 1,2- Addition zum
Pyridinsynthese nach Hantzsch 669

H ° R>
^M ^ + CH3-CO-CH2-CO2C2H5-C2H5O-C-C'
° H3C-C

O R x /H O
+CH3COCH2CO2C2H5 II ^C x Il
— - C2H5O-C-HC^ CH-COC2H5
H33C-C C-CH33
Il Il
O O
O FL ^ O
n ^cC n
.NH3 C2H5OC-C^ ^C-C-OC 2 H 5
H 3 C-C x ^C-CH 3
H

1,5-Diketonderivat (Michael-Addition; siehe S. 423). Schließlich erfolgt mit Am-


moniak die Ringverknüpfung. (Ohne Ammoniak kann die 1,5-Dicarbonylverbindung
in einer innermolekularen Aldolkondensation einen carbocyclischen Sechsring aus-
bilden.) Aus vier mol Acetaldehyd und Ammoniak entsteht bei 25O0C in einem tech-
nischen Verfahren 5-Ethyl-2-methylpyridin (,Aldehydcollidin"):

H H3Cx
H 3 C-CO CH3 HCO

OCH HC-CH3
II 3
3
„ Aldehydcollidin"

Q,.. -
., "CH3
- Picolin

Pyrone oder Pyryliumsalze geben ebenfalls mit Ammoniak Pyridinderivate (siehe


S. 677).
Die Industrie gewinnt Pyridin und seine Methylhomologen (Picoline, Lutidine,
Collidin) aus dem Teer, der bei der Kokerei anfällt.
Im Pyridin, dem Prototyp der heterocyclischen aromatischen Sechsringe, ist der
Stickstoff (im Gegensatz zu dem des Pyrrols) „tertiär" aromatisch gebunden (Tri-
gonal, sp2-Zustand). Er hat stark elektronenanziehende Wirkung, die etwa mit der-
jenigen einer aromatisch gebundenen Nitrogruppe verglichen werden kann: Die
Kohlenstoffatome sind an Elektronen verarmt, und zwar besonders in 2-, 4- und 6-
Stellung; elektrophile Substitutionen lassen sich allenfalls in 3- oder 5-Stellung er-
zwingen. Dafür ist der Pyridinkern andererseits in 2-, 4- und 6-Position nucleophilen
Substitutionen zugänglich:
670 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

t Q-O.-Q
Dipolmoment

Die Basizität des Pyridins (pKA der konjugierten Säure = 5,23) ist schwächer als
die eines aliphatischen tertiären Amins und stärker als die des Pyrrols. Die geringe
Basizität der Dihydro-Zwischenstufe bei der Collidinsynthese (Lösungsprobe mit
verdünnter Salzsäure, S. 668) ist auf eine starke Resonanzbeteiligung des freien Elek-
tronenpaars am konjugierten System zurückzuführen („vinyloges" Urethan):

Q H CH,
OR R0 OR
RO T T T T
jyL ^ A+*l
H H

Diese Stabilisierung ist auch der Grund für die im Vergleich zu Dihydrobenzolen
erschwerte Dehydrierbarkeit.
Elektrophile Substitutionen spielen beim Pyridin - zumal im sauren Milieu die
negative Ladung am Stickstoff noch durch Salzbildungfixiertwird - präparativ kaum
eine Rolle. Alkylierung nach Friedel-Crafts ist überhaupt nicht möglich, Sulfurie-
rung, Bromierung und Nitrierung erst bei sehr hohen Temperaturen mit nur geringen
Ausbeuten.

Versuch: Nicotin aus Tabak (Formel S. 676) - 25 g Brasilstumpen werden fein zer-
kleinert mit 300 ml 4IM Natronlauge auf 5O 0 C erwärmt, dann 2 h bei Raumtemperatur
gerührt. Nach dem Abfiltrieren wird 2mal je 1 h mit 250 ml 4N Natronlauge nachextra-
hiert. Die vereinigten Auszüge werden einer Wasserdampfdestillation unterworfen, bis
2 Liter Destillat übergegangen sind. Diese werden mit 2ISI Salzsäure auf pH 3—4 ge-
bracht und i. Vak. auf 20 ml eingeengt. Man stellt mit Natronlauge auf pH 4 und ver-
setzt mit 1N wässeriger Natriumpikratlösung so lange, bis kein gelber Niederschlag mehr
entsteht (ca. 20 ml). Nach Aufbewahren im Kühlschrank wird abgesaugt und mit wenig
Wasser gewaschen. Man erhält je nach Tabaksorte 300-600 mg Nicotinpikrat, von dem
eine Probe, aus Wasser umkristallisiert, Schmp. 218 0 C zeigt. Im Dünnschichtchromato-
gramm auf Kieselgel F (Merck) (als methanolische Lösung aufgetragen) zeigt sich nach
Entwickeln mit dem Laufmittel Chloroform-Methanol-1N Ammoniak (60:10:1) unter
der UV-Lampe nur der Fleck des Nicotins (R F 0,77). Die Lösung vor dem Pikratzusatz
enthält laut analoger Chromatographie noch einige Nebenalkaloide.

Von den nucleophilen Substitutionen des Pyridins hat die Aminierung mit Na-
triumamid nach A. Tschitschibabin (1914) große Bedeutung.
Aminopyridine 671

2-Aminopyridin
a) Natriumamid. In einem mit CO2 in Dichlormethan gekühlten 500 ml-Dreihalsrund-
kolben mit Rührer, Gaseinleitungsrohr und einem mit Natronkalk gefüllten Trockenrohr
werden etwa 15OmI Ammoniak aus der Stahlflasche verflüssigt. Nach Entfernen des
Kühlbads gibt man OJ g Eisen(lll)nitrat hinzu und dann etwa 0,3g reines Natrium.
Wenn sich das Metall (blau) gelöst hat, perlt man unter Rühren trockene Luft (Schwefel-
säurewaschflasche) durch, bis Entfärbung eingetreten ist. Durch das so entstandene
Natriumoxid wird die nachfolgende Amidbildung katalysiert. Nach Entfernen des Ein-
leitungsrohrs werden 5,75g (0,25g-Atom) reines Natrium in Stückchen so rasch ein-
getragen, daß die Reaktion unter Kontrolle bleibt, dann wird noch weitere 15min ge-
rührt.
b) Aminierung. Im direkten Anschluß läßt man in die gut gerührte Suspension des
Natriumamids mit einem Tropftrichter vorsichtig 25 ml reines trockenes Dimethylanilin
eintropfen und das Ammoniak durch das Trockenrohr entweichen. Wenn dies vollstän-
dig ist, wird anstelle des Trockenrohrs ein Rückflußkühler mit Calciumchloridrohr auf-
gesetzt. In den Kolben läßt man jetzt 16g (0,2 mol) trockenes Pyridin einlaufen, ersetzt
den Tropftrichter durch ein Thermometer, das in die Reaktionsmischung taucht und er-
hitzt auf dem Ölbad, bis eine Temperatur von 11O 0 C erreicht ist. Es entwickelt sich
Wasserstoff, die Reaktion ist aber erst nach 8 h zu Ende. Dann wird abgekühlt und der
feste Kolbeninhalt vorsichtig mit etwa 40 ml 5proz. Natronlauge zersetzt. Dann gibt
man 150 ml Wasser zu und extrahiert zur Entfernung des Dimethylanilins 2mal mit 30 ml
niedrigsiedendem Petrolether (30-6O0C). Die wässerige Lösung wird auf 15 0 C ge-
kühlt, mit festem NaOH gesättigt und mehrmals mit Benzol ausgeschüttelt. Nach
Trocknen über wasserfreiem Na-sulfat wird das Benzol im Vak. abgedampft und der
Rückstand im Vak. destilliert. Man erhält 11-14 g 2-Aminopyridin (65—75%), die bei
95-1OO 0 C / 1 2 Torr übergehen. Die Substanz kristallisiert leicht und kann aus Ligroin
(Petrolether mit Sdp. > 1000C) umkristallisiert werden. Schmp. 57 0 C.

Der erste Schritt dieser Reaktion besteht in einer nucleophilen Anlagerung des
Amidanions an das Kohlenstoffatom 2. Dann wird unter Rearomatisierung der 2-
ständige Wasserstoffais Hydridion an ein benachbartes Proton abgegeben, während
das Natrium an der Aminogruppe verbleibt; es bildet sich Wasserstoffgas und Na-
triumpyridylamid, das bei der Aufarbeitung sofort hydrolysiert wird:

-1-NaNH2 —"

"NCL^ XH Na

In gleicher Weise läßt sich die Aminogruppe in die 2-Stellung des Chinolins ein-
führen. Die sehr starke organische Base Lithiumphenyl reagiert analog (siehe Prä-
parat S. 683).
Die a- und y-Aminopyridine sind etwa um ein bzw. zwei pK-Einheiten basischer
als die ß-AminoVerbindungen, da sie sich wie vinyloge Amidine verhalten (vgl. die
starke Basizität des Formamidins oder Guanidins, S. 528). In neutraler Lösung,
z. B. in Wasser, liegen sie weitaus bevorzugt in der aromatischen Struktur und nicht
672 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

als Imide vor. Im Gegensatz dazu ist bei den a- und y-Hydroxyderivaten die Pyridon-
form thermodynamisch stabiler:
OH O

l N H
H

3-Aminopyridin bildet ein Diazoniumsalz von der bei Aromaten üblichen Stabili-
tät, und 3-Hyroxypyridin verhält sich wie ein Phenol, da in diesen Verbindungen
keine Tautomerie mit dem Ringstickstoff möglich ist. Ein Derivat des 3-Hydroxy-
pyridins ist das Pyridoxin (Vitamin B6, Adermin), das in oxidierter und mit Phos-
phorsäure veresterter Form (4-Aldehyd, Phosphat an der 5-Hydroxymethylgruppe)
eine wichtige Funktion bei der Transaminierung der Aminosäuren zu a-Ketosäuren
(und umgekehrt), ihrer Decarboxylierung und Racemisierung ausübt.

CH2OH

Präparativ besonders wichtig sind die Additionsreaktionen an den Stickstoff des


Pyridins.

Versuch: Pyridin-hydrochlorid — Unter dem Abzug wird an eine Chlorwasserst off -


Stahlflasche durch einen Kunststoff-Schlauch hintereinander angeschlossen: als Sicher-
heitsflasche eine leere Waschflasche (Schlauchansatz ohne Tauchrohr zur Gasflasche),
eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure sowie ein Zweihalsschliffkolben mit Gas-
einleitungsrohr und Calciumchloridrohr. In den Kolben werden 20 ml wasserfreies Pyridin
gefüllt. Das Einleitungsrohr soll so lang sein, daß es 1—2cm über der Flüssigkeitsober-
fläche endet. Nachdem man einen schwachen Chlorwasserstoffstrom eingestellt hat,
scheidet sich bald das Hydrochlorid an der Oberfläche ab. Während der weiteren Reak-
tion muß von Zeit zu Zeit die Kristallhaut durch vorsichtiges Umschwenken (ohne daß
dabei Pyridin ins Einleitungsrohr spritzt) zu Boden gebracht und die Reaktionswärme
mit einem Eisbad abgefangen werden. Ist der gesamte Ansatz fest geworden, kristallisiert
man aus dem gleichen Kolben mit 20 ml Chloroform um. Zusatz von wasserfreiem Essig-
ester vervollständigt das Wiederausfällen der farblosen Kristallnadeln. — Pyridin-hydro-
chlorid ist sehr hygroskopisch, deshalb möglichst rasch arbeiten und dann das Präparat
gut verschlossen aufbewahren!

Mit starken Säuren bildet Pyridin stabile Salze. Das Hydrochlorid läßt sich sogar
unzersetzt bei 22O0C destillieren und ist bei dieser Temperatur (die mit wässeriger
Salzsäure nicht ohne weiteres zu erreichen ist) ein bequemes Etherspaltungsmittel
(siehe S. 154).
Brom lagert sich an Pyridin unter Bildung von JV-Brompyridiniumbromid an,
Pyridinium-Salze 673

Brom und Bromwasserstoff unter Bildung eines geruchlosen, kristallinen Pyridi-


nium-perbromids. Das Addukt von Schwefeltrioxid an Pyridin, N-Pyridinium-
sulfonat, kann als neutrales Sulfonierungsmittel verwendet werden:

H Br
p- I I Y -
3 O=S-O OCR *
Il
O

Säurechloride werden durch Pyridin in die reaktiveren A/-Acylpyridiniumsalze


übergeführt (Einhorn-Variante der Schotten-Baumann-Reaktion). Mit Alkylierungs-
mitteln entstehen quartäre AT-Alkyl-, mit reaktionsfähigen Arylhalogeniden AT-Aryl-
pyridiniumsalze.

Versuch: 2,4-Dinitrophenyl-pyridiniumchlorid — Ein Gramm 1 -Chlor-2,4-dini-


trobenzol wird mit einem ml reinem, trockenem Pyridin im Wasserbad erwärmt, bis die
anfangs gelbe Lösung eine bräunliche Farbe angenommen hat und fest geworden ist
(Vorsicht; exotherme Reaktion!). Die kristalline Masse wird gepulvert, mit Ether ge-
waschen und unter Zusatz von wenig Tierkohle aus absolutem Ethanol umkristallisiert.
Ausbeute fast quantitativ.

Infolge der positiven Ladung des Stickstoffs werden die Stellungen 2, 4 und 6 im
Pyridiniumion durch nucleophile Agenzien viel leichter angreifbar als im Pyridin. So
lagert sich an bestimmte Pyridiniumionen z. B. Cyanid kovalent und reversibel in 4-
Stellung an. Alkyl-pyridiniumionen addieren in wässeriger Lauge im Gleichgewicht
Hydroxylionen an die 2-, 4- oder 6-Stellung unter Bildung sog. „Pseudobasen".
Durch Oxidation mit Eisen(III)-cyanid läßt sich die Pseudobase aus dem Gleich-
gewicht als a- bzw. y-Pyridon abfangen:

CN

I I
R R

Y I ~ I
CH3 CH3 CH3
Pseudobase N-Methyl-a
pyridon

Bei Pyridiniumsalzen, die einen stark elektronenanziehenden Rest, wie CN, SO3H
oder 2,4-Dinitrophenyl am Stickstoff tragen, führt die Einwirkung von Basen zur
674 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

Aufspaltung des Rings (Th. Zincke; W. König). Mit OH-Ionen entsteht aus dem
Dinitrophenyl-pyridiniumsalz (Zincke-Salz) des Versuchs S. 673 das tiefrote Anion
des Halbanils - mit aromatischen primären oder sekundären Aminen (Anilin, N-
Methylanilin) bilden sich unter Ersatz des Dinitranilins die als Chloride gut kristalli-
sierenden Dianilium-Kationen. Beide Derivate sind Pentamethincyanine, Abkömm-
linge des Glutacondialdehyds. Vergleiche hierzu den Übergang des Furfurals in die-
selbe Körperklasse auf S. 649.

H H H H H H H H H H __
O2N C = C-C = C-C = N = C-C = C-C = C-OI

Anion des roten Halbanils

Dianiliumkation aus Methylanilin und Glutacondialdehyd

Versuch: Halbanil und Dianil aus dem Zincke-Salz - 1. Eine kleine Spatelspitze
2,4-Dinitrophenyl-pyridiniumchlorid (S. 673) wird in einem ml Wasser gelöst und dann
mit einigen ml 2N Natronlauge versetzt: es entsteht ein tiefviolettroter Farbstoff. 2. 0,25 g
des gleichen Pyridiniumchlorids werden in feinst gepulvertem Zustand mit 0,50 ml frisch
destilliertem Anilin (Überschuß) im Reagenzglas gut verrührt.
Es bildet sich im Lauf mehrerer Stunden eine rote Kristallmasse, die aus dem Chlorid
des Dianils und abgespaltenem 2,4-Dinitroanilin besteht.

Die Aufspaltung des Pyridinrings ist auch hier durch nucleophilen Angriff der
Base auf die 2-Stellung zu erklären.
Die fünfgliedrige Kette des Glutacondialdehyds läßt sich, von Aryl- oder auch
Alkylpyridiniumsalzen ausgehend, nach K. Ziegler und K. Hafner (1938) zum ele-
ganten Aufbau des 107ü-Aromaten Azulen aus Cyclopentadien verwenden: (B = Base).
Picoline, Pyridin-N-oxide 675

R-Nf
Fulvenderivat

a- und y-Picolin sind erheblich CH-acider als Toluol. Schon Alkoholat vermag ihnen
ein Proton zu entziehen:

RO" -ROH CX
Die negative Ladung kann vom Stickstoff mit übernommen werden. An Aldehyde
addieren sich die beiden isomeren Picoline im Sinne einer Aldolreaktion. Durch
Quaternierung des Stickstoffs wird diese Seitenkettenaktivierung noch wesentlich
verstärkt.
Ein bemerkenswert polarisierbares Elektronensystem liegt in den N-Oxiden des
Pyridins vor: Der elektronenreiche Sauerstoff kann die 2-, 4- und 6-Stellungen des
Rings negativieren, so daß die elektrophile Substitution, die das Pyridin selbst kaum
zuläßt, hier stark begünstigt wird. Andererseits lassen sich - unter der Wirkung des
positiven Stickstoffs - 2-, 4- und 6-ständige Substituenten (wie o- oder /7-ständige im
Nitrobenzol, S.280) leicht nucleophil ersetzen. 4-Nitropyridin-Af-oxid geht z.B. mit
Methylat in die 4-Methoxyverbindung über:

H NO2 O2N OCH3 OCHo

5 N
Il
O
+
-H -NO;

Da die N-Oxide aus Pyridinen leicht (z. B. durch Oxidation mit Peroxyverbin-
dungen) darstellbar sind und der Sauerstoff reduktiv (z.B. mit H2SO3; Zn/Essig-
säure; katal. H 2 ) wieder leicht entfernt werden kann, sind die N-Oxide wertvolle
Zwischenprodukte bei Synthesen in der Pyridinreihe.
Nicotin ist ein einfaches Beispiel aus der Klasse der Alkaloide, basischen Inhalts-
stoffen von Pflanzen mit zum Teil starken physiologischen Wirkungen. Man isoliert
sie häufig über ihre schwerlöslichen Salze mit komplexen Säuren wie Phosphor-
676 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

wolframsäure, Reinecke-Säure (Tetrarhodano-diamminchrom(III)-Säure) u. a., aber


auch Flaviansäure (S. 254) oder wie oben als Pikrate.

H2C-CH2
Oxidation
(KMnO 4 )^

O' OH
H 2 C-O-P-O-P-O-CH
1 2
- • Il n ^
O O

OH OH

Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid (NAD).
Das Amid der Nicotinsäure ist, als quartär gebundener Bestandteil, die Wasser-
stoff-übertragende Gruppe der weitverbreiteten Coenzyme NAD und NADP (mit
Pfeil gekennzeichnete OH-Gruppe mit Phosphorsäure verestert). In Gegenwart
zahlloser Dehydrogenasen übernimmt sie ein H~ aus den zugehörigen Substraten
(Alkohol, Milchsäure, Glycerinsäure-3-phosphat usw.) und geht dabei in die hydrierte
Form, NADH (NADPH) über. Diese wiederum wird von einem Flavinenzym der
Atmungskette oxidiert.

H 3 C-CH 2 OH CH3CHO
Alkohol-
dehydrogenase

H H
l CONH2 CONH

N+
I
fr
R

^ NADH-
dehydrogenase

Flavin-H 2 Fl
Flavin+H*

weiter Atmungskette

Die Stammsubstanz der sauerstoff-haltigen 6-Ringe, das y-Pyran, verhält sich


nicht „aromatisch", sondern wie ein cyclischer Vinylether. Von ihm leiten sich zwei
Reihen von Oxoniumverbindungen ab, die aromatischen Charakter haben; die y-
Pyrone und die Pyryliumsalze:
Pyrane und Pyrone 677

y - Pyran
CC 6-6 Q
a - Pyron y - Pyron Pyryliumion
(2 - Pyron)

a-Pyron ist ein echtes Dien. Zugleich ist es das Enollacton einer a,/?-ungesättigten
<5-Oxosäure, wie y-Pyron dasjenige einer isomeren vinylogen Carbonsäure: Beide
lassen sich leicht reversibel durch Laugen öffnen und durch Protonen schließen.
2,6-Dimethyl-y-pyron, als bekanntestes Beispiel, zeigt weder Olefin- noch Car-
bonyl-eigenschaften. Es ist 106 mal basischer als ein echtes Keton. Beim Methylieren
tritt das Carbeniumion—wie beim Ansäuern das Proton - an den negativen Sauerstoff:

H,C O CH,

Mit Ammoniak geben Pyryliumsalze - nach aminolytischer Ringöffnung - Pyri-


dinderivate; Pyrone entsprechend Pyridone. Pyryliumkationen, deren 2-, 4- und 6-
Positionen mit Alkyl- oder Arylresten besetzt sind, lassen sogar einen Austausch des
Sauerstoffs durch aktive Methyl- oder Methylengruppen zu. So liefert z. B. Nitro-
methan in Gegenwart von Alkoholat 0,0',/7-trisubstituiertes Nitrobenzol. Die ver-
drängenden nucleophilen Verbindungen greifen dabei wohl nach Art der Pseudo-
basenbildung (S. 673) an dem dem Heteroatom benachbarten Kohlenstoff an. Man
formuliere diesen Mechanismus, der im ersten Schritt analog der Aufspaltung des
Zincke-Salzes durch Amine verläuft (S. 674) und im zweiten Schritt das neue Ring-
system gibt.

CH,
678 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

Tertiäre Oxoniumsalze, die sich vom Benzopyran (Chroman) ableiten, liegen in


den Anthocyanen, den roten und blauen Farbstoffen zahlreicher Blüten und Früch-
te vor. Sie sind Glykoside von mehrfachen Phenolen des 2-Phenylbenzopyrylium-
ions (Anthocyanidinen) z. B. das Cyanidin(-chlorid) der Rosen, Kornblumen und
Kirschen. Die Farbunterschiede rühren nicht, wie früher angenommen vom unter-
schiedlichen pH in den Pflanzen her, sondern vom Vorliegen höhermolekularer
Komplexe des Aluminiums und dreiwertigen Eisens (E. Bayer).

OH

Cyanidin-ion "^ OH
(Cyanin*: 3- und 5-OH mit Glucose
verknüpft)

Pflanzenphysiologische Verwandtschaft mit Flavonolen, Flavonen, Catechin.


Siehe auch über Cumarine (Benzo-a-pyrone) auf S. 376.
Dem Benzopyranring begegnet man auch in den Tocopherolen (Vitamin E) von
denen a-Tocopherol aufgezeichnet ist. Durch Oxidation geht es reversibel in Toco-
chinon über. Tocopherole werden deshalb Lebensmitteln als Antioxidantien zuge-
setzt, sie dienen auch zur Vitamin-E-Anreicherung von diätischen Lebensmitteln und
von Futtermitteln.

Pyrone kommen auch in der Natur vor, wie z. B. Chelidonsäure (4-Pyron-2,6-


dicarbonsäure) im Mohn oder Kojisäure als Produkt des Zuckerstoffwechsels man-
cher Schimmelpilze.
Dihydropyran ist zum reversiblen Schutz alkoholischer Hydroxylgruppen ge-
eignet; das acetalartig gebundene Tetrahydropyran läßt sich durch Säuren leicht ab-
spalten:

+ HOR
(T^H
Tetrahydropyranylether und Synthese des Chinolins 679

Propargylalkohol-tetrahydropyranylether

HC=C-CH 2 -OH -f ( f j -^ HCsC-CH2-O-L J

In einem Kolben mit Rückflußkühler, Trockenrohr und Thermometer gibt man zu 26,7 g
(29 ml, 0,32 mol) frisch destilliertem Dihydropyran unter Rühren (Magnetrührer)
0,25ml konzentrierte Salzsäure und tropft in 30min 16,8g (17,3ml, 0,3 mol) Pro-
pargylalkohol zu. Durch gelegentliches Kühlen mit Eis vermeidet man, daß die Reak-
tionstemperatur über 6O 0 C steigt. Man rührt noch 2 h bei Raumtemperatur, schüttelt
dann mit einer Natriumcarbonatlösung aus (Kohlensäureentwicklung!) und trocknet
über Natriumcarbonat. Das Trockenmittel wird mit wenig Ether nachgewaschen. Man
vereinigt den Hauptteil des Produkts mit dem Etherrückstand und destilliert bei 9 Torr
uad 63-650C, Ausbeute 39,0 g (93%).

Chinolin nach Skraup

In einem 0,5-l-Zweihals-Schliffkolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter wird die


Mischung von 10,Og (8 mmol) Nitrobenzol, 15,5g (0,1 7 mol) Anilin, 50g (~0,6mol;
Überschuß) Glycerin (das zur Trocknung in einer Porzellanschale unter dem Abzug bis
18O 0 C erhitzt worden ist) und 13,OmI konz. Schwefelsäure 3 V2 h lang mit kleiner
Flamme vorsichtig zum gelinden Sieden erhitzt. Nach der ersten Stunde läßt man weitere
10,0 ml konz. Schwefelsäure im Lauf von 30 min zutropfen.
Dann fügt man 50 ml Wasser zu, tauscht den Rückflußkühler gegen einen absteigen-
den sowie den Tropftrichter gegen ein Einleitungsrohr, treibt das unveränderte Nitroben-
zol mit Wasserdampf vollständig ab, macht die noch warme saure Lösung mit 70g
festem Natriumhydroxid alkalisch und destilliert das in Freiheit gesetzte Chinolin zu-
sammen mit dem unveränderten Anilin mit Wasserdampf über. Das Destillat wird aus-
geethert, der Ether abdestilliert. Die zurückgebliebenen rohen Basen werden in einer
Mischung von 250 ml konz. Salzsäure und 100 ml Wasser gelöst. Zu der warmen klaren
Lösung gibt man 15,Og Zinkchlorid in 25,0 ml 2N Salzsäure. Das nach dem Erkalten
auskristallisierte Doppelsalz Chinolin. ZnCI2 wird - nachdem man den Ansatz einige Zeit
in Eis aufbewahrt hat - abgesaugt und mit kalter 2N Salzsäure gewaschen. Dann zer-
setzt man es mit 40proz. Natronlauge und treibt das Chinolin abermals mit Wasserdampf
über. Schließlich ethert man das Destillat aus, trocknet die Etherlösung mit festem
Kaliumhydroxid, dampft den Ether ab und destilliert das zurückbleibende Chinolin im
Vakuum. Sdp. 11O 0 C / 11 Torr, Ausbeute: 11-12 g (50-55%). Das Präparat ist wasser-
hell.
680 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

8-Hydroxychinolin

CH2OH
-3H 2 O
HCOH
I
CH2OH

In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler wird eine Mischung aus 11,Og o-Amino-
phenol (0,10mol), 9,0g o-Nitrophenol (0,064mol), einer erkalteten Lösung von 6,0g
Borsäure in 35,Og Glycerin, einer Spatelspitze feingepulvertem Eisen(ll)-sulfat und
17,OmI 95proz. Schwefelsäure 6 h unter Rückfluß gekocht. Wenn sich im Kühler kein
o-Nitrophenol mehr niederschlägt, läßt man abkühlen, gießt den Ansatz in 10OmI
Wasser und vertreibt das unverbrauchte o-Nitrophenol mit Wasserdampf. Die zurück-
bleibende wässerige Lösung wird mit festem Natriumacetat auf pH 3 abgestumpft. Dann
saugt man den flockigen braunen Niederschlag ab, bringt das Filtrat mit 2N Natronlauge
genau auf pH 7 und destilliert das reine 8-Hydroxychinolin mit Wasserdampf über. Hier-
bei ist die Kühlwasserzufuhr zu drosseln, damit das Präparat nicht schon im Kühler aus-
kristallisiert (Temperatur zwischen 80 und 9O 0 C halten). Die Vorlage muß gut mit Eis-
Wasser gekühlt werden. Wenn nichts mehr übergeht, werden die Kristalle abgesaugt und
an der Luft getrocknet. Man erhält etwa 17g 8-Hydroxychinolin (ca. 75% berechnet auf
beide Phenole) vom Schmp. 75-760C.

Die enge Nachbarschaft zwischen Hydroxylgruppe und Stickstoff macht 8-Hy-


droxychinolin („Oxin") zu einem sehr starken Chelatbildner für-zahlreiche Schwer-
metalle. Weitere derartige heterocyclische Verbindungen sind u.a. a,a'-Dipyridyl
und o-Phenanthrolin:

(Ni)
o-o
^-N N-^
a ,a' - Dipyridyl

=N N=
o - Phenanthrolin

Versuch: Darstellung von Metallchelaten - Man löst eine Spatelspitze eines Cu(II)-,
Ni(II)-, Co(II)- oder Fe(lll)-Salzes in wenig 2N Essigsäure und gibt dazu einen Über-
schuß 2N essigsaure Oxinlösung. Es fällt sofort das Chelat aus.

Bei der Chinolinsynthese nach Skraup wird zuerst das Glycerin zu Acrolein dehy-
dratisiert. An dieses lagert sich dann (nach Art einer Michael-Addition) das aroma-
tische Amin an. Nun erfolgt zwischen der durch Protonen aktivierten Aldehydgruppe
und dem zu ihr räumlich sehr günstig stehenden o-Kohlenstoff des Benzolkerns
Ringschluß zum entsprechenden Alkohol, welcher sofort Wasser abspaltet. Das so
andere Chinolinsynthesen 681

gebildete Dihydrochinolin disproportioniert unter den Reaktionsbedingungen zum


energieärmeren Chinolin und Tetrahydrochinolin. Letzteres wird durch zugesetztes
Oxidationsmittel - meist eine dem benutzten Amin entsprechende Nitroverbindung -
ebenfalls zu Chinolin dehydriert.
Die Variante von O. Doebner und W. v. Miller verwendet an Stelle des Acroleins
höhere a,/?-ungesättigte Aldehydderivate — die hier fast immer in situ durch saure
Aldolkondensation gebildet werden - und kommt so zu Chinolinen, die in 2- bzw.
3-Stellung substituiert sind. Mit Acetaldehyd entsteht z. B. 2-Methyl-chinolin (Chin-
aldin). - Die Tatsache, daß Acetaldehyd kein 4-Methyl-chinolin (Lepidin) bildet, ist
ein Beleg für den angenommenen Mechanismus.

In Gegensatz zur Skraupschen Synthese wird bei dieser Variante kein Oxidations-
mittel zugesetzt. Die Ausbeuten sind entsprechend geringer.
Acetessigester und andere /?-Dicarbonylverbindungen sind ebenfalls bewährte
Bausteine für Chinolinsynthesen. Nach Conrad und Limpach läßt man z. B. Acet-
essigester mit dem aromatischen Amin bei Zimmertemperatur (über die Schiffsche
Base) zum ß-Arylammo-crotonsäureester reagieren. Das Enamin cyclisiert sich beim
Hinfließen in ein 25O0C heißes inertes Lösungsmittel zu 4-Hydroxy-2-methylchinolin:

250
°
N CH3

Ändert man die Reaktionsbedingungen, indem man das aromatische Amin zum
heißen Acetessigester gibt, entsteht das thermodynamisch stabilere Anilid der Acet-
essigsäure. Durch Erhitzen mit Säuren tritt auch hier Ringschluß zum isomeren 2-
Hydroxy-4-methylchinolin ein:

CH3
OC.
15O0C
000
^NH2 ^B N OH
682 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

Diese von L. Knorr aufgefundene Synthese wird im folgenden Präparat mit p-


Toluidin ausgeführt.

2-Hydroxy-4,6-dimethylchinolin nach Knorr


CH3
H3C,
+ CH3COCH2CO2C2H5 -

In einem mit Destillationsbrücke und Tropftrichter versehenen 250-ml-Zweihalskolben


werden 78,0 g (0,60 mol) frisch destillierter Acetessigester im Ölbad auf 16O 0 C Bad-
temperatur erhitzt. Zu dem heißen Ester läßt man langsam eine Lösung von 21,4g
(0,20 mol) p-Toluidin in 60 ml XyIoI einließen, wobei man durch weiteres Heizen für
das Abdestillieren des XyIoIs sorgt. Nach vollständiger Zugabe engt man im Vakuum
auf etwa 50 ml ein und gießt den Rückstand noch heiß in eine vorher (im Trocken-
schrank) angewärmte Reibschale. Das erstarrende Produkt wird nach dem Erkalten
pulverisiert, mit Cyclohexan verrieben und abgesaugt. Man erhält so 31-32 g (82-84%)
Acetoacetyl-p-toluidin vom Schmp. 90—91 0 C.
30,0 g (157 mmol) Acetoacetyl-/?-toluidin werden portionsweise in 200 ml konz.
Schwefelsäure eingerührt, wobei man durch Außenkühlung die Temperatur des An-
satzes auf 20-3O0C hält. Nach einstündigem Stehen bei Raumtemperatur gießt man
das Reaktionsgemisch auf 500 g gestoßenes Eis, saugt den Niederschlag ab, wäscht ihn
mit Wasser und trocknet ihn bei 11O 0 C. Die Ausbeute an farblosem 2-Hydroxy-4,6-
dimethylchinolin beträgt 25g (92%). Schmp. 248-25O0C. Nach Umkristallisieren
schmilzt die Substanz bei 255-2560C.

Die in der 2- oder 4-Stellung des Chinolins befindliche Methylgruppe (o- und p-
Stellung zum Stickstoff) ist besonders dann reaktionsfähig, wenn der Stickstoff
quaterniert ist wie z. B. im N-Methyl-chinaldiniumion oder im JV-Methyl-lepidinium-
ion. Diese immer wieder anzutreffende, theoretisch leicht verständliche (S. 675) Tat-
sache spielt eine technisch bedeutende Rolle bei der Herstellung der — als wichtige
Sensibilisatoren in der Photographie benutzten — Polymethinfarbstoffe (Cyanin-
farbstoffe). So gewinnt man z. B. aus 7V-Ethyl-chinaldiniumiodid und Orthoameisen-
säureester ein Carbocyanin (Sensitiv-Rot). Man formuliere den Mechanismus der
Synthese!

'' +^CH=CH-CH =kjg A^ ' " S4xAj^J=CH-CH=CH- ^,


I l I l
^25 2 5 2 5 2 5

Das Polymethinsystem, das uns schon bei der Farbreaktion des Furfurals (S.649)
und bei der Aufspaltung des Zincke-Salzes (S. 614) begegnet ist, kommt auch in
der Natur vor. Der tiefrote Farbstoff der roten Bete, das Betanin, von dem sich auch
Blütenfarbstoffe ableiten (Betanidine), enthält einen Indolinkern und einen teil-
hydrierten Pyridinring, die durch zwei Methingruppen verknüpft sind (A. Dreiding).
Betanidine und 2-Phenylchinolin 683

Auch die Triphenylmethanfarbstoffe (S. 580) lassen sich als Polymethinfarbstoffe


verstehen.

2-Phenylchinolin aus Chinolin und Phenyllithium


Phenyllithium: Das käufliche Lithium wird von den dunklen Krusten befreit und unter
trockenem Ether mit dem Messer in möglichst feine Schnitzel zerteilt. Davon wiegt man
unter trockenem Ether 1,4g (0,20g Atom) ab.
Ein Dreihalskolben von 300 ml Inhalt (oder ersatzweise ein Einhalskolben mit An-
schützaufsatz) trägt einen gut wirksamen Rückflußkühler, einen Tropftrichter und ein
Einleitungsrohr, an welches über eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure und je
ein Rohr mit Natronasbest und Phosphorpentoxid eine Stickstoffstahlflasche ange-
schlossen ist. Das Einleitungsrohr (das bei Benutzung eines Anschützaufsatzes durch
den Kühler geführt wird) soll wegen der Verstopfungsgefahr nicht in die Reaktionsflüs-
sigkeit eintauchen.
Man stellt einen lebhaften Stickstoffstrom an und gießt das abgewogene Lithium zu-
sammen mit 50 ml absolutem Ether in den nur kurz geöffneten Kolben. Sobald alle Luft
verdrängt ist, kann man den Stickstoffstrom langsamer stellen. Nun läßt man 16,Og
(0,10mol) mit Calciumchlorid getrocknetes und destilliertes Brombenzol durch den
Tropftrichter zutropfen. Die Reaktion beginnt manchmal sofort, manchmal auch erst
nach einigem Warten. Sie ist anfangs meist ziemlich heftig und muß gut überwacht wer-
den. Dabei ist häufig umzuschüttein und eventuell mit Eiswasser zu kühlen. Wenn die
Reaktion nachläßt, erhitzt man noch 30 min zum Sieden. Das Lithium ist dann zum größ-
ten Teil unter Braunfärbung in Lösung gegangen. Zur Lösung des Lithiumphenyls läßt
man nach dem Abkühlen durch den Tropftrichter 9,0 g (0,07 mol) Chinolin tropfen, das
man vorher über Bariumoxid getrocknet und im Vakuum destilliert hat. Es fällt sofort das
gelbe Additionsprodukt des Lithiumphenyls an Chinolin aus. Nach etwa zweistündigem
Stehen wird durch Zutropfen von Wasser unter Eiskühlung vorsichtig zersetzt. Dann wird
die gleiche Menge Ether zugefügt und, wenn alles Lithium in Lösung gegangen ist, im
Scheidetrichter abgetrennt. Die alkalisch-wässerige Schicht wird nachgeethert; die ver-
einigten Etherlösungen werden abgedampft. Den Rückstand — ein dickes gelbliches Öl
(Gemisch von Phenylchinolin und seiner Dihydroverbindung) — kocht man einige min
lang mit 60 ml Nitrobenzol (Kolben mit Steigrohr). Nach dem Erkalten wird die Base
durch Ausschütteln mit verdünnter Schwefelsäure vom Nitrobenzol abgetrennt. Die saure
Lösung befreit man mit wenig Ether von restlichem Nitrobenzol und stumpft sie dann
- zuerst mit Natronlauge, zum Schluß mit Natriumcarbonat — ab. Die ausgefallene Base
wird durch zweimaliges Ausethern aufgenommen. Nach dem Trocknen der vereinigten
Lösungen mit Kaliumcarbonat wird der Ether abdestilliert. Der Rückstand ist bereits
recht reines a-Phenylchinolin. Ausbeute an Rohprodukt etwa 12g, d.h. 85% des ein-
gesetzten Chinolins. Umkristallisieren aus Ethanol liefert die reine Base vom Schmp.
684 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

83—84 0 C. Da diese Kristallisationen verlustreich sind, müssen zur Erhöhung der Ausbeute
die Mutterlaugen unbedingt aufgearbeitet werden.

Lithium-organische Verbindungen addieren sich nach K. Ziegler mit ihrem stark


basischen Anion - ähnlich wie Natriumamid bei der Tschitschibabinschen Synthese
(S. 670) - an elektrophile Kohlenstoffatome von Sechsring-Heterocyclen, und zwar
vorwiegend an ein dem Stickstoff benachbartes.
Wenn der Rest aliphatisch ist, erfolgt im Fall des Chinolins leicht thermische
Lithiumhydrid-Abspaltung; hier, wo Phenyl eingeführt wird, entsteht bei der hydro-
lytischen Aufarbeitung ein Gemisch, das neben 2-Phenylchinolin in größeren Men-
gen die Dihydroverbindung enthält, die durch Nitrobenzol dehydriert wird.

H7O
L i C6H5
N C6H5

höher hydrierte
Produkte
N CCH,
n
•6 5 N C6H5

Ist der Stickstoff positiv - wie beim quaternären Ion oder beim N-Oxid - erfolgt
aus plausiblen Gründen die Addition eines Carbanions viel leichter. In diesem Fall
können selbst die reaktionsträgeren Grignard-Verbindungen als nucleophile C-Al-
kylierungsmittel dienen. Dabei wird ebenfalls zuerst die 2-, dann die 4-Stellung an-
gegriffen.
Elektrophilen Substitutionen ist Chinolin ähnlich schwer zugänglich wie Pyridin.
Die positivierende Eigenschaft des Stickstoffs wirkt sich abgeschwächt auch auf den
benachbarten Benzolring aus.
Chinolin hat seinen Namen von den Alkaloiden der Chinarinde, in denen es viel-
fach als Gerüstbaustein vorkommt. Hauptbestandteil dieser Alkaloidgruppe ist das
Fieber- und Malariamittel Chinin. Durch seine Struktur angeregt, hat man in den
zwanziger Jahren die therapeutisch ähnlich wirksamen Chinolinabkömmlinge „Plas-
mochin®" und „Atebrin®" entwickelt. Atebrin ist ein Derivat des Acridins (Dibenzo-
pyridins).

CH3 /C2H5
HC-(CH2J3-N
NH C2H5
CH3O,

N
Atebrin®
Tetrahydroisochinoline 685

D,L-1,2,3,4-Tetrahydro-isochmolin-3-carbonsäure

,CH2 CO2-

•^A4*H"
+ CH7O Il T^H

8,25g (BOmmol) D,L-Phenylalanin (S. 371), 20,0 ml 36proz. Formalinlösung (Über-


schuß) und 60,0 ml konz. Salzsäure (38proz.) werden unter gelegentlichem Umschwen-
ken eine halbe Stunde auf dem Dampfbad erhitzt, mit weiteren 8,0 ml Formalinlösung
und 15,0 ml konz. Salzsäure versetzt und weitere 2 h erhitzt. Nach dem Abkühlen saugt
man die ausgeschiedenen Kristalle scharf ab und löst sie in der Hitze im Gemisch aus
10O ml Wasser und 200 ml Ethanol. Nach dem Filtrieren durch ein Faltenfilter bringt man
die noch heiße Lösung mit 10proz. Ammoniak auf pH 6 und läßt über Nacht im Kühl-
schrank stehen. Danach wird abgesaugt, mit wenig Ethanol nachgewaschen und im
Exsikkator getrocknet. Ausbeute: 4,5g (50-60%). Die kristalline, zwitterionische
Iminosäure zersetzt sich bei 326 0 C. Durch Umkristallisieren aus Ethanol-Wasser läßt
sich der Zersetzungspunkt auf 335 0 C steigern.

Die Synthese des Tetrahydro-isochinolinrings aus Phenylethylaminen und Alde-


hyden nach Pictet-Spengler ist ihrem Mechanismus nach eine Mannich-Reaktion
(siehe S. 353): Es dürfte sich zuerst ein Carbinolamin bilden, das nach proton-kata-
lysierter OH-Abspaltung als mesomeres Carbenium-Immonium-Ion den Benzolring
in 0-Stellung substituiert:

Die Ringbildung erfordert im vorliegenden Fall des unsubstituierten Phenylrests


die kräftige Protonenkatalyse der heißen 20proz. Salzsäure. Ist eine o-Stellung des
Phenylrests durch zusätzliche stark elektronenliefernde Substituenten (wie z. B. die
Hydroxylgruppe) negativiert, vollzieht sich die Bildung des Tetrahydro-isochinolin-
rings schon in verdünnter Lösung im schwach sauren Milieu bei 20-4O0C, also unter
„physiologischen Bedingungen".
Di- und Tetrahydro-isochinoline lassen sich leicht (z. B. mit Palladium und Sauer-
stoff) dehydrieren.
686 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

2-Oxotetrahydro-benzazepin, (Homo-dihydro-carbostyril)

HN*
CH2-CH2

Vorsicht! Stickstoffwasserstoff und Natriumazid sind giftig! Konzentrierte Lösungen der


Säure sind sehr explosiv! (Das Natriumsalz versprüht dagegen nur in der Flamme.) - Es
ist unter dem Abzug zu arbeiten und eine Schutzbrille zu tragen!
In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rührwerk, Thermometer und Gasableitung (der
so hoch am Stativ befestigt ist, daß ein Wasserbad darunter paßt) werden 16,6g
(0,10 mol) a-Tetraion in 70 ml Eisessig gelöst. Bei dauernd laufendem Rührer trägt man
erst 8,5 g (0,13 mol) gepulvertes Natriumazid ein und läßt dann — im Laufe einer Stunde -
15,0 ml konz. Schwefelsäure in die Suspension eintropfen, wobei die Temperatur durch
Außenkühlung mit Wasser auf 25—3O 0 C zu halten ist. Anschließend wird das Gemisch
noch 20min auf 50—6O 0 C erwärmt und, nachdem es sich wieder abgekühlt hat, vor-
sichtig in 750 ml 10proz. Sodalösung eingerührt. Der bräunliche Niederschlag wird ab-
gesaugt und auf der Nutsche mit wenig eiskaltem Methanol gewaschen (Tropfrohr).
Man erhält so 10-12 g (62-75%) eines kaum noch gefärbten Produkts vom Schmp.
139—14O0C. Nach dem Umkristallisieren aus etwa 25ml Benzol bleiben 9,5—11 g des
Tetrahydrobenzazepinons in farblosen Nadeln, die bei 141 0 C schmelzen.

Das 2-Oxo-tetrahydro-benzazepin wird hier nach einer gebräuchlichen trivialen


Nomenklatur als „homo"-loges (um eine CH2-Gruppe reicheres) hydriertes Carbo-
styril (= 2-Hydroxychinolin) benannt. Seine Synthese macht von der schon bei den
Präparaten S. 351 und S. 661 behandelten K. F. Schmidtschen Umlagerung Ge-
brauch, bei welcher z. B. Ketone mit Stickstoffwasserstoffunter der Einwirkung von
konz. Schwefelsäure in Säureamide übergehen. Da der aromatische Rest leichter
wandert als der aliphatische, tritt er an den Stickstoff.

H,0
• Oxoazepin
-N,

4-Amino-uracil

H22N OCOCZ2H55
I I
OC + CH9 H*
I I
H2N CN H
3

In einen 500-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler (darauf ein Calciumchloridrohr),


Rührer und Stopfen füllt man 200 ml absolutes Ethanol und löst in diesem 14,0 g (0,6 g
Atom) von Krusten befreites Natrium auf. (Da die Ausbeute mit geringem Wassergehalt
Diazine 687

des Ansatzes stark sinkt, darf der Stopfen immer nur ganz kurz abgenommen werden!)
Dann erhitzt man auf dem Wasserbad und schüttet 30,Og (0,50 mol) Harnstoff dazu.
Hat sich alles klar gelöst, gießt man 57,Og (0,50 mol) Cyanessigsäure-ethylester in die
etwa 7O 0 C heiße Flüssigkeit. Nun wird weiter geheizt und weiter gerührt. Nach einiger
Zeit scheiden sich in zunehmendem Maße feine Kristallnadeln ab, die nach etwa einer
halben Stunde einen so steifen Brei bilden, daß der Rührer steckenzubleiben droht. Er
ist dann sofort auszuschalten. Man erwärmt noch weitere 30 min und löst die Kristall-
masse völlig durch Zugabe von 300 ml Wasser. Jetzt wird der Rückflußkühler gegen
einen absteigenden ausgetauscht und der Alkohol auf dem Wasserbad so weitgehend
wie möglich herausdestilliert. Die zurückbleibende Lösung wird mit 10g Aktivkohle
aufgekocht, heiß filtriert und anschließend mit 30 ml Eisessig angesäuert. Man läßt eine
Stunde im Eisbad stehen, saugt ab und trocknet bei niedriger Temperatur im Trocken-
schrank. Ausbeute: 46g (72%) eines feinkristallinen gelben Pulvers.

Die drei Sechsringheterocyclen mit zwei Stickstoffatomen (die Diazine) heißen:

N2
M-
N IN IN
1 1 1
Pyridazin Pyrimidin Pyrazin

4-Aminouracil ist also ein !,ö-Dihydroxy-^amino-pyrimidin1. Seine hier be-


schriebene Synthese folgt dem allgemeinen Rezept für den Aufbau des Pyrimidin-
rings, nach welchem ein N—C—N-Körper (Formamidin, Harnstoff) mit einer 1,3-
DicarbonylVerbindung oder einem ihrer Derivate kondensiert wird. Wir erhalten
nach Traube aus Harnstoff und Cyanessigsäure-ethylester unter Katalyse mit Etha-
nolat 4-Aminouracil. Die analoge Reaktion des Guanidins liefert 2,4-Diamino-6-
hydroxy-pyrimidin, eine wichtige Vorstufe für Synthesen in der Purin- und Pteridin-
reihe (siehe S. 690). - Die hier dargestellte 4-Aminoverbindung besitzt eine nega-
tivierte 5-Stellung, an die z. B. Phenyldiazoniumsalz gekuppelt werden kann.
Uracil selbst erhält man nach diesem Aufbauprinzip aus Harnstoff und Formyl-
essigester. In einfacher Weise entsteht es schon aus Harnstoff und Äpfelsäure mit
konz. Schwefelsäure. Dabei wird aus der Äpfelsäure CO abgespalten (Decarbonylie-
rung, allgemeine Reaktion der a-Hydroxysäuren!); es bildet sich Malonhalbaldehyd,
welcher mit dem Harnstoff den Ring schließt.
Uracil, sein 5-Methylderivat Thymin sowie Cytosin (2-Hydroxy-4-aminopyrimi-
din) und in geringer Menge dessen 5-Methylverbindung sind die „Pyrimidinbasen"
der Nucleinsäuren (siehe Lehrbücher der Biochemie):

1
Die sauerstoffhaltigen Pyrimidine und Purine sind Lactam-Latim-Tautomere und werden je nach
Gegebenheit in der einen oder anderen Schreibweise dargestellt. Die Benennung der Sauerstoff-Funk-
tionen erfolgt jedoch nur gemäß der Lactimform als Hydroxygruppen.
688 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

O NH 2 O

0 0 0
H H H
Thymin Cytosin Uracil

inRNS
in DNS (Ribonucleinsäure)
(Desoxyribonucleinsäure)

Barbitursäure
O OH

N HN
[J || Jj . .
O HO^N^OHHO^N^O'HO
H
Lactam- Lactim- Anion (einer vinylogen Carbon-
formeln säure

2-Thio-5-methyluracil wirkt dem Hormon der Schilddrüse, dem Thyroxin ent-


gegen und wird klinisch bei deren Überfunktion angewandt. Eine wichtige Gruppe
von Pyrimidinderivaten sind die Barbiturate, Abkömmlinge der Barbitursäure, bei
denen die beiden Wasserstoffatome in 5-Stellung durch verschiedenartige Reste er-
setzt sind. Das älteste dieser Sedativa (Beruhigungs- und Schlafmittel) ist die Diethyl-
barbitursäure, das „Veronal®", das man aus Diethylmalonester und Harnstoff er-
hält. Barbitursäure ist — infolge der sehr wirksamen Delokalisierung der negativen
Ladung ihres Anions — stärker sauer als Essigsäure.
Von den Sechsringverbindungen mit drei Stickstoffatomen seien hier nur einige
Derivate des symmetrischen Triazins genannt.

pH Cl NH2

M J M J
HO^N^OH C r ^ N ^Cl H2N^N^NH2
Cyanursäure Cyanursäurechlorid Melamin

Die altbekannte Cyanursäure entsteht durch Cyclotrimerisierung der Isocyan-


säure (S. 327); ihr Trichlorid (Cyanurchlorid, 2,4,6-Trichlortriazin) aus Cyanwasser-
stoff und Chlor in verdünnter alkoholischer Lösung. Cyanurchlorid ist ein wichtiges
Glied zur Fixierung von Farbstoffen auf der Faser (Reaktivfarbstoffe, S. 609). Das
Triamid Melamin bildet mit Formaldehyd farblose, sehr beständige Harze (vgl.
Aminoplaste, S. 649). Ein Derivat des l,2,4,5-Tetrazins ist die auf S. 638 erwähnte
„ Bisdiazoessigsäure".
Coffein und Harnsäure 689

Systeme mit mehreren heterocyclischen Ringen

Coffein aus Tee


Man extrahiert im Apparat (Abb. 51, S. 60) 100 g feingepulverten Tee 8 h lang mit
400 ml Alkohol. Der alkoholische Auszug wird zu einer Aufschlämmung von 50Og
Magnesiumoxid in 300 ml Wasser gefügt und in einer Pozellanschale unter häufigem
Umrühren auf dem Dampfbad zur Trockne eingedampft. Der pulvrige Rückstand wird
einmal mit 50OmI, dann noch dreimal mit je 250 ml Wasser ausgekocht und heiß ab-
gesaugt.
Die vereinigten wässerigen Auszüge werden nach Zugabe von 50 ml verdünnter
Schwefelsäure im Vakuum auf etwa ein Drittel eingedampft, wenn nötig von einem sich
zuweilen bildenden flockigen Niederschlag abfiltriert und dann fünfmal mit je 40 ml
Chloroform ausgeschüttelt.
Die hellgelbe Chloroformlösung wird zur Entfärbung mit einigen ml verdünnter
Natronlauge, dann mit ebensoviel Wasser geschüttelt und eingedampft. Das zurück-
bleibende Roh-Coffein wird aus wenig heißem Wasser umkristallisiert. Ausbeute
2—2,5 g. Weiße, biegsame, seidenglänzende Nadeln mit einem Molekül Kristallwasser.

In ähnlicher Weise läßt sich aus Kakaopulver, das vorher mit Ether oder Petrol-
ether im Extraktor entfettet werden muß, Theobromin isolieren.

Harnsäure (2,6,8-Trihydroxy- purin)

OH OH

4,5-Diaminouracil-hydrochlorid
21,Og 4-Aminouracil (0,17mol), Präparat S. 686, werden in einer Reibschale mit
Wasser zu einem festen Brei homogenisiert und mit weiterem Wasser (insgesamt 200 ml)
in ein 500-ml-Becherglas gespült. Zu dieser Suspension gibt man 20 ml Eisessig und
dann unter Rühren in rascher Tropfenfolge die Lösung von 21,Og (0,30 mol) Na-
triumnitrit in 20 ml Wasser. Es bildet sich unmittelbar die violette 5-Nitrosoverbindung.
Der Ansatz wird noch 15min gerührt. Jetzt saugt man die Kristalle ab, wäscht mit
wenig Eiswasser und gibt sie (ohne vorher zu trocknen) in einen 250-ml- Dreihalskol-
ben, der mit Rührer, Kühler und Stopfen auf einem Wasserbad im Abzug aufgebaut ist.
Nach Zugabe von 30 ml heißem Wasser gibt man unter Rühren und Erhitzen so lange
festes Natriumdithionit in den Kolben, bis die Farbe verschwunden ist, versetzt mit
weiteren 8,0g Natriumdithionit und erhitzt noch 15 min. Anschließend wird der An-
satz eine Stunde im Eisbad aufbewahrt. Dann wird abgesaugt und das kristalline Dia-
minouracil-amidosulfinat im Exsikkator getrocknet. Man erhält auf dieser Stufe ca. 20 g
Zwischenprodukt.
Zur Zerlegung wird das Salz im Becherglas mit 20 ml konz. Salzsäure aufgeschlämmt
und eine Stunde auf dem Wasserbad erhitzt. (SO 2 -Entwicklung! Gut ziehenden Abzug
benutzen!) Danach läßt man erkalten, kühlt in Eis-Wasser, saugt das kristalline fahl-
690 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

gelbe Hydrochlorid ab, wäscht es auf der Nutsche mit Aceton und trocknet es. Aus-
beute: 14-15 g (50-55%).
Harnsäure
8,43 g des Diaminouracil-hydrochlorids (0,05 mol) werden mit der doppelten Gewichts-
menge Harnstoff (Überschuß) in der Reibschale fein vermischt und in einem dickwandi-
gen Reagenzglas im Ölbad unter öfterem Umrühren mit einem dicken Glasstab eine
Stunde auf 170-18O0C (Badtemperatur) erhitzt. Man läßt dann abkühlen, kocht mit
50 ml Wasser auf und saugt den aus roher Harnsäure bestehenden Niederschlag ab. Zur
Reinigung löst man ihn in 50 ml Wasser unter vorsichtiger Zugabe von ca. 8 ml BOproz.
Natronlauge, kocht mit Aktivkohle auf und filtriert. Beim langsamen Versetzen des noch
heißen Filtrats mit 15ml konz. Salzsäure scheidet sich die Harnsäure als leicht ocker-
gelbes feines Kristallpulver ab. Sie wird abgesaugt und mit Wasser auf dem Filter ge-
waschen. Ausbeute nach dem Trocknen etwa 6 g (ca. 70%).
Zur Gewinnung eines farblosen Produkts wird 1 g der ockergelben Substanz in 300 ml
heißer 1N Natriumcarbonatlösung aufgelöst, die Lösung mit einigen Spatelspitzen Ak-
tivkohle aufgekocht und durch ein Faltenfilter filtriert. Läßt man in das heiße Filtrat unter
gutem Umrühren aus dem Tropftrichter 300 ml 2N Salzsäure einfließen, scheidet sich
schon in der Hitze die Harnsäure als farbloses Kristallpulver aus.

Die wichtigste Gruppe der kondensierten heterocyclischen Ringe ist die der Purine,
die sich aus einem Pyrimidin- und einem Imidazolring zusammensetzen:
6 _ H7

>8 Purin

Harnsäure kommt in tautomeren Formen, einer Lactimform (2,6,8-Trihydroxy-


purin) und einer Lactamform (nachstehende Formel) vor, von denen die letztere bei
weitem überwiegt. Sie ist in Wasser sehr schwer löslich und bildet mit Basen (De-
protonierung des N1) ein einfaches (pKA = 5,7) und ein doppeltes Anion (am N l
und am N 9). Die meisten sauren Salze sind in Wasser ebenfalls sehr schwer löslich
(Pathologische Ablagerungen: Blasen- und Nierensteine; Gicht). Beim vorstehenden
Darstellungsverfahren wurde durch Nitrosierung und Reduktion eine zweite Amino-
gruppe in die 5-Stellung des 4-Aminouracils eingeführt und von diesem o-Diamin
aus mit Harnstoff (nach W. Traube auch mit Cyanat oder Chlorameisensäureester)
der Imidazolring geschlossen. O

Red.
I
A^NH2 '
^L^^*\^
— «K\V\-J
^cC
n
LJ
''
Harnsäure
J-J

1^2^
JL 1
(TV^NH2Z ^^ O CH3
H
^AA
l L «
0AN^N
I
CH3
Coffein
Purine, Abbau der Harnsäure 691

Verwendet man Ameisensäure oder Formamid zur Cyclisierung mit Diaminouracil,


erhält man Xanthin (2,6-Dihydroxypurin). Andere 0-Diaminopyrimidine lassen
weitere Variationen zu, deren Zahl durch die Möglichkeit Mono- oder Dimethyl-
harnstoff bei der ersten Stufe, der Pyrimidinsynthese (S. 686) einzusetzen, noch ver-
mehrt wird. Auf diesem Wege können auch die Pflanzenpurine Theophyllin (1,3-
Dimethylxanthin), Theobromin (3,7-Dimethylxanthin) und Coffein (1,3,7 -Trime-
thylxanthin, oben) synthetisch gewonnen werden.
Das aus Guanidin und Cyanessigester darstellbare 2,4-Diamino-6-hydroxy-pyri-
midin wird in gleicher Weise in 2,4,5-Triamino-6-hydroxy-pyrimidin übergeführt,
das als „Traubesche Base" eine wichtige Rolle in der synthetischen Chemie der
Purine (z. B. Guanin) und Pteridine spielt.
Harnsäure ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels beim Menschen und bei den
höheren Affen; bei den Vögeln und Reptilien ist sie überhaupt das einzige Stickstoff-
Ausscheidungsprodukt. Die meisten Säugetiere besitzen ein Leberenzym, Uricase,
welches Harnsäure zu Allantoin oxidiert. Mit Salpetersäure entsteht aus Harnsäure
Dialursäure und Alloxan. Diese geben mit Ammoniak einen Farbstoff (Murexid), der
dem ähnelt, den man bei der Ninhydrin-Reaktion der Aminosäuren erhält (vgl. S. 499).

u
Uricase.Oj
Harnsäure
oder PbO,
O*^
Ox. mit
HNO, Allantoin

HO' HN -\ NH
H H O "Ö
Alloxanhydrat Dialursäure Anion der Purpursäure
(Murexid)

Versuch: Murexidreaktion — Eine kleine Spatelspitze Harnsäure wird mit einigem


Tropfen konz. Salpetersäure in einer kleinen Porzellanschale verrieben und auf dem
Wasserbad trockengedampft. Versetzt man den Rückstand mit einigen Tropfen konz.
Ammoniak, entsteht eine intensive Rotfärbung.

Adenin und Guanin kommen, als Nucleoside an Ribose oder 2-Desoxyribose ge-
bunden, in den Nucleinsäuren vor.
Über die Traubesche Base gelangt man auch präparativ in das Gebiet einer ver-
wandten Naturstoffklasse, nämlich zu den Pteridinen. Durch Zusammenschmelzen
des 2,4,5 -Triammo-6-hydroxypyrimidins mit Oxalsäure entsteht Leukopterin, das
weiße Pigment des Kohlweißlings, ein Derivat des Grundkörpers Pteridin (Pyri-
mido-pyrazin), (R. Purrmann). Weitere Vertreter dieser Gruppe sind das Xanthop-
692 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

NH9 OH
H
HN g N^^N^OH
^CH , JT T
H2IT^T ~N' -N' ~N H2N^N N (OH)
Guanin Adenin , Leukopterin
ohne (OH) Xanthopterin
in DNS und RNS
CO2H

/r-COfNH-CH
ff I l
CH2
CH
p- Aminobenzoesäure Vn2 Glutamin-
säure
CO2H

Folsäure (Pteroylglutaminsäure)

terin (Farbstoff des Zitronenfalters) oder die Folsäuren. Diese sind Vitamine, deren
Coenzym-Funktion im Organismus in der Übertragung des Formyl- oder Methylol-
rests besteht.

Harman (3-Methyl-ß-carbolin)

CO7H
Ox. 8
+ CH3CHO — ^-

2,50g D,L-Tryptophan (12,3mmol) (S.422) werden in einem 250-ml-Rundkolben in


100 ml Wasser aufgeschlämmt und mit 5,0 ml frisch destilliertem Acetaldehyd (90 mmol)
versetzt. Der Kolben wird fest verschlossen und die Suspension 3 h unter gelegentlichem
Umschütteln im Wasserbad auf 6O 0 C erwärmt. Dann läßt man den Ansatz über Nacht bei
Raumtemperatur stehen. Gewöhnlich bleibt die gelbbraune Lösung klar; sollte sich das
Reaktionsprodukt jedoch schon vorzeitig kristallin abscheiden, hat dies keinen Einfluß
auf den weiteren Arbeitsgang. Nachdem anschließend der überschüssige Acetaldehyd
auf dem Wasserbad vertrieben worden ist (Abzug!), wird das Reaktionsgemisch in einen
1-I-Rundkolben gefüllt. Unter Rühren erhitzt man nun die Lösung auf dem Babotrichter
zum Sieden und versetzt sie erst mit 24,0 ml Eisessig, dann sofort mit 120 ml siedender
10proz. wässeriger Kaliumdichromat-Lösung (Vorsicht; schäumt! Nicht zu rasch ein-
gießen). Der nun braune Ansatz wird genau noch 21/2 min weiter gekocht und dann
eine Minute ohne Erhitzen stehen gelassen. Sofort anschließend wird mit einem kräftigen
Schwefeldioxid-Strom das überschüssige Bichromat reduziert, bis die Lösung dunkel-
grün ist. Darauf setzt man auf den 1-1-Kolben einen Waschflaschen-Aufsatz, dessen
Rohr in die Flüssigkeit eintaucht und hängt ihn zum Kühlen in ein Wasserbad. Mit
schwach aufgedrehter Wasserstrahlpumpe wird durch das Einleitungsrohr Luft gesaugt
wodurch man den Kolbeninhalt rührt und zugleich das Schwefeldioxid vertreibt. Mit
160 ml gekühlter 40proz. Kalilauge wird unter Rühren langsam die Base in Freiheit ge-
setzt und gleich mit Ether ausgeschüttelt. Ethert man nicht sofort aus, erhält man später
Emulsionen, die sich nur schwer trennen lassen. Für etwa vier bis fünf Portionen werden
Alkaloide 693

zum Ausschütteln etwa 800 ml Ether verbraucht. Hierbei ist zu beachten, daß bei den
ersten Extraktionen nur leicht geschüttelt werden darf, da sonst ebenfalls störende
Emulsionen auftreten. Die filtrierten Etherextrake trocknet man mit wasserfreiem Na-
triumsulfat, filtriert ab und wäscht das Trockenmittel mit Ether nach. Nach dem Ab-
dampfen des Lösungsmittels erhält man 1,65g kristallines Rohharman vom Schmp.
229—231 0C. Es wird in einem Gemisch von 30 ml Aceton und 30 ml Wasser durch Er-
hitzen am Rückflußkühler gelöst, heiß filtriert und wieder unter Erhitzen am Rückfluß-
kühler bis zur schwachen Trübung mit Wasser versetzt. Beim langsamen Abkühlen kri-
stallisiert das Harman in langen, zu Büscheln vereinigten weißen Nadeln aus. Schmp.
237 0 C; Ausbeute: 1,58g (71%).

Die einfache Harmansynthese, die in die Reihe der Carbolinalkaloide führt, lehnt
sich im ersten, dem Kondensationsschritt an die Biosynthese an, ähnlich wie dies bei
der Bildung des Tetrahydro-isochinolinrings (S. 685) der Fall ist. Aus Tryptophan
und Acetaldehyd entsteht in einer inneren Mannich-Reaktion JV-Methyl-tetrahydro-
carbolin-3-carbonsäure, die nicht isoliert, sondern sofort oxidativ zum Harman
decarboxyliert wird.
Harman gehört zu den Harminalkaloiden, die im Pflanzenreich ziemlich verbreitet
sind. Harmin ist 9-Methoxy-harman, Harmalin sein 5,6-Dihydroderivat. Vom Tryp-
tamin, dem biogenen Amin des Tryptophans, leiten sich in analog-biochemischer
Weise - als Kondensationsprodukte mit hydroxylierten Phenylacetaldehyden kom-
plizierte Vertreter der Carbolinalkaloide wie Yohimbin und das blutdrucksenkende
Reserpin ab.
Einen anderen Weg nimmt die Reaktion, wenn das verknüpfende Kohlenstoff-
atom des Aldehyds (Kreis) nicht an der 2-Stellung des Indols angreift, sondern mit
der 3-Stellung reagiert. Dann entstehen die Alkaloide des Strychnintyps.

OCH^
Reserpin
694 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

Hämin aus Rinderblut


In einem Rundkolben von 5 Liter Inhalt werden 3 Liter Eisessig, denen man 5 ml ge-
sättigter Kochsalzlösung zugefügt hat, auf dem Babotrichter auf 10O 0 C erwärmt. Aus
einem Tropftrichter läßt man in dünnem Strahl unter häufigem Umschwenken des
Kolbens einen Liter defibriniertes und durch ein Koliertuch filtriertes Rinderblut im Verlauf
von 20—30min in das heiße Lösungsmittel einließen, ohne dabei das Erhitzen zu unter-
brechen. Das Abflußrohr des Tropftrichters endet unterhalb des Kolbenhalses, die Be-
rührung der Kolbenwand durch das einfließende Blut ist zu vermeiden; die Temperatur
soll nicht unter 9O 0 C sinken. Nach dem Einlaufen des Blutes hält man die Flüssigkeit
noch eine Viertelstunde lang in gelindem Sieden; die Hauptmenge des Hämins hat sich
in glitzernden Kristallen ausgeschieden. Man läßt auf 40-5O0C erkalten, saugt bei dieser
Temperatur das Hämin ab und wäscht es mit 50proz. Essigsäure, Wasser, Alkohol und
Ether. Dunkle Kristalle von starkem Oberflächenglanz und großer Reinheit. Ausbeute
3,5-4 g.

Im Blutfarbstoff, dem Hämoglobin, ist die farbige „prosthetische Gruppe", die


oben präparativ als (Chlor) Hämin abgespalten wurde, mit Eiweißmolekülen, GIo-
binen, assoziiert. Je zwei a- und ß-Untereinheiten, wie die Ecken eines Tetraeders an-
geordnet, bilden zusammen das Gesamtmolekül, das somit 4 Eisenporphyrine (Häm)
enthält. Im Häm ist das Eisenion 2-wertig und durch je zwei von vier Pyrrolliganden
kovalent bzw. koordinativ gebunden, der oktaedrische Komplex ist über die Imida-
zolseitenkette eines Histidinrests als weiterem Liganden an das Protein gebunden und
nimmt als sechsten den molekularen Sauerstoff auf und gibt ihn bei Unterdruck ab
ohne seine Wertigkeit zu ändern. Dieses „Ferroprotohäm EX" fungiert auch als Wirk-
molekül des Myoglobins (Muskelfarbstoff) sowie der Katalase, von Peroxidasen
und Cytochrom b (dort Elektronenübertragung durch Valenzwechsel). Bei der Ge-
winnung des Chlorhämins (Teichmannsche Kristalle) findet Oxidation zum 3-werti-
gen Eisen statt, dessen zusätzliche positive Ladung durch das Chlorion ausgeglichen
wird. Der Komplex ist 5-zählig und quadratisch pyramidal. Die im wesentlichen auf
Hans Fischer zurückgehende Strukturaufklärung und von ihm ausgeführte Synthese
hat die untenstehende Formel ergeben.
Im Chlorophyll ist das Eisen durch Magnesium ersetzt (R. Willstätter). Der struk-
turelle Unterschied gegenüber Hämin besteht nach H. Fischer darin, daß die Propion-
säureseitenkette von Ring C in oxidierter Form mit der benachbarten Methingruppe
einen Cyclopentan(on)-ring bildet, daß die Vinylseitenkette von Ring B zu Ethyl
reduziert, der Ring D partiell hydriert ist und daß die Carboxylgruppen mit Methanol
bzw. Phytol verestert sind. Phytol ist ein Diterpenalkohol. Im Chlorophyll b steht
am Ring B statt Methyl eine Formylgruppe.
Weiterführende Literatur zu Kapitel XV 695

CH3(CHO)

CH2-CH3

CH,

HO2C-CH2-CH2 H2C-CH2-CO2H
*O
Ferroprotohöm IX Phytyl OCOCH3
(Hörn) Chlorophyll a (b)

Weiterführende Literatur zu Kapitel XV

H. S. Mosher, The Chemistry of the Pyridines, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C. Elder-
field, Bd. /, S. 397, J. Wiley and Sons, New York und London 1950.
E.G. Franklin und F.W. Bergstrom, Heterocyclic Nitrogen Compounds, Pyridine, Quinoline
and Isoquinoline, Chem. Rev. 35, 77 (1944).
K. Thomas und D. Jerchel, Die Einführung von Substituenten in den Pyridin-Ring, Neuere
Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 34, Verlag
Chemie, Weinheim 1961; Angew. Chem. 70, 719 (1958).
A. R. Katritzky und CD. Johnson, Zur elektrophilen Substitution an Sechsring-Heteroaroma-
ten, Angew. Chem. 79, 629 (1967).
F. Kröhnke, Synthesen mit Hilfe von Pyridiniumsalzen, Angew. Chem. 75, 181, 317 (1963).
E. Ochiai, Recent Japanese Work on the Chemistry of Pyridine l-Oxide and Related Com-
pounds, J. Org. Chem. 18, 534 (1953).
J. Fried, Monocylic Pyrans, Pyrones and Its Derivatives, Heterocyclic Compounds, Herausg.
R. C. Elderfield, Bd. /, S. 343, J. Wiley and Sons, New York und London 1950.
L. F. Cavalieri, The Chemistry of the Monocyclic a- and y-Pyrones, Chem. Rev. 41, 525 (1947).
K. Dimroth, Aromatische Verbindungen aus Pyryliumsalzen, Neuere Methoden der präpara-
tiven organischen Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 239, Verlag Chemie, Weinheim 1961;
Angew. Chem. 72, 331 (1960).
H. Schmid, Natürlich vorkommende Chromone, Fortschritte der Chemie organischer Natur-
stoffe, Herausg. L. Zechmeister, Bd. //, S. 124, Springer, Wien 1954.
S. Wawzonek, Chromones, Flavones and Isoflavones, Heterocyclic Compounds, Herausg.
R. C. Elderfield, Bd. 2, S. 229, J. Wiley and Sons, New York und London 1951.
K. Venkataraman, Flavones and Isoflavones, Fortschritte der Chemie organischer Naturstoffe,
Herausg. L. Zechmeister, Bd. 17, S. l, Springer, Wien 1959.
S. Wawzonek, Chromones, Chromenes, and Benzopyrylium Salts: The Anthocyanins, Hetero-
cylcic Compounds, Herausg. R. C. Elderfield, Bd. 2, S. 277, J. Wiley and Sons, New York und
London 1951.
J.B. Harborne, Anthocyanins and Their Sugar Components, Fortschritte der Chemie organi-
scher Naturstoffe, Herausg. L. Zechmeister, Bd. 20, S. 165, Springer, Wien 1962.
E. Bayer, Komplexbildung und Blütenfarben, Angew. Chem. 78, 834 (1966).
R.C. Elderfield, The Chemistry of Quinoline, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C. Elder-
field, Bd. 4, S. l, J. Wiley and Sons, New York und London 1952.
R. H. Manske. The Chemistrv of Ouinolines, Chem. Rev. 30, 113 (1942).
696 Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen

F. H. Manske und M. Kulka, The Skraup Synthesis of Quinolines, Org. React. 7, 59 (1953).
FM. Hamer, The Cyanine Dyes, Quart. Rev. 4, 327 (1950).
W. J. Gensler, Isoquinoline, Heterocyclic Compounds, Herausg. R. C. Elderfield, Bd. 4, S. 344,
J. Wiley and Sons, New York und London 1952.
R. H. Manske, The Chemistry of Isoquinolines, Chem. Rev. 30, 145 (1942).
W. M. Whaley und T.R. Govindachari, The Preparation of 3,4-Dihydroisoquinolines and Related
Compounds by the Bischler-Napieralski Reaction, Org. React. 6, 74 (1951).
W. M. Whaley und T. R. Govindachari, The Pictet-Spengler Synthesis of Tetrahydroisoquinolines
and Related Compounds, Org. React. 6, 151 (1951).
W. J. Gensler, The Synthesis of Isoquinolines by the Pomeranz-Fritsch Reaction, Org. React. 6,
191 (1951).
W. Kenner und A. Todd, Pyrimidine and Its Derivatives, Heterocyclic Compounds, Herausg.
R. C. Elderfield, Bd. tf, S. 234, J. Wiley and Sons, New York und London 1957.
T.B. Johnson und D.A. Hahn, Pyrimidines: Their Amino and Aminoöxy Derivatives, Chem.
Rev. 13, 193 (1933).
B. Lythgoe, Some Aspects of Pyrimidine and Purine Chemistry, Quart. Rev. 3, 181 (1949).
H. Bredereck, R. Gompper, G. v. Schuh und G. Teilig, Synthesen mit Säureamiden, insbesondere
mit Formamid, Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, Herausg. W. Foerst,
Bd. 3, S. 163, Verlag Chemie, Weinheim 1961; Angew. Chem. 7/, 753 (1959).
C. Grundmann, Synthesen mit s-Triazinen, Neuere Methoden der präparativen organischen
Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 5, S. 156, Verlag Chemie, Weinheim 1967; Angew. Chem. 75,
393 (1963).
R.K.Robins, The Purines and Related Ring Systems, Heterocyclic Compounds, Herausg.
R. C. Elderfield, Bd. 8, S. 162, J. Wiley and Sons, New York, London und Sydney 1967.
W. Pfleiderer, Neuere Entwicklungen in der Pteridin-Chemie, Angew. Chem. 75, 993 (1963).
R.C. Elderfield und A.C. Mehta, The Pteridines, Heterocyclic Compounds, Herausg. R.C.
Elderfield, Bd. 9, S. l, J. Wiley and Sons, New York, London und Sydney 1967.
A. Albert, The Pteridines, Fortschritte der Chemie organischer Naturstoffe, Herausg. L. Zech-
meister, Bd. //, S. 350, Springer, Wien 1954.
A. Stoll und E. Jucker, Alkaloide, Ullmans Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl., Her-
ausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 177, Urban und Schwarzenberg, München, Berlin 1953.
R.H. Manske (Herausg.) und H.L. Holmes, The Alkaloids, Bd. /-/ftAcademic Press, New York
1950-1968.
K. MothesundH.R. Schütte, Die Biosynthese von Alkaloiden, Angew. Chem. 75,265,357(1963).
Trennen eines Stoffgemisches 697

XVI. Qualitative Analyse

Immer wieder steht der organische Chemiker vor der Aufgabe, unbekannte Stoffe zu
identifizieren oder Stoffgemische zu trennen und deren Komponenten zu bestim-
men. Im chemischen Praktikum kommt der qualitativen Analyse eine große didak-
tische Bedeutung zu, da der Studierende dabei in besonderem Maße seine theoreti-
schen und praktischen Erfahrungen einsetzen, überprüfen und schulen kann. Die
hier gegebene kurze Anleitung zur qualitativen Analyse, die allerdings keinen An-
spruch auf Vollständigkeit erheben-kann, wird eingeteilt in
1. Trennen eines Stoffgemisches
2. Erkennen von funktioneilen Gruppen
3. Charakterisierung durch Derivat-Bildung

Trennen eines Stoff gern isches

Anders als in der anorganischen Analyse werden bei der qualitativen organischen
Analyse nicht Teile von Verbindungen (Ionen) nebeneinander, sondern jede orga-
nische Verbindung für sich durch ihr physikalisches und chemisches Verhalten
charakterisiert. Diesem Vorhaben muß in der Regel eine Auftrennung in die einzel-
nen Verbindungen voraufgehen. Freilich wird es nicht in allen Fällen möglich sein,
eine saubere Trennung zu erreichen, doch sollte man sich bemühen, diesem Ideal-
fall nahezukommen.
Ebenfalls im Gegensatz zu den Verhältnissen in der qualitativen anorganischen
Analyse ist es im organischen Bereich weder möglich noch zweckmäßig, einen syste-
matischen Trennungsgang zu entwerfen, weil die Zahl der denkbaren Verbindungen
und ihrer Kombinationen dafür einfach zu groß ist. Dennoch fehlt es nicht an An-
sätzen, in begrenztem Rahmen systematische Regeln für Trennprobleme organischer
Verbindungen zu geben (siehe z. B. H. Staudinger, unten). Hier sollen nur einige Hin-
weise auf allgemein anwendbare Trennmethoden gegeben werden, die im Einzelfall
konkretisiert und gegebenenfalls mit Hilfe des Assistenten ausgeweitet werden müs-
sen.
Wir unterscheiden physikalische und chemische Trennmethoden. In der Regel
wird man die Trennung eines Gemisches zunächst mit physikalischen Methoden ver-
suchen. Hierzu gehören fraktionierende Destillation bei Flüssigkeiten und Kristalli-
sation bei Feststoffen. Dabei ist klar, daß mit diesen Methoden nur bei hinreichender
Verschiedenheit der zu trennenden Partner Aussicht auf Erfolg besteht. Chemisch
sehr ähnliche Partner, wie z. B. die Glieder homologer Reihen oder manche Struktur-
isomere werden so nicht zu trennen sein und bedürfen der Anwendung chromato-
sraphischer Methoden. Niedrigsiedende Flüssigkeiten können easchromatoera-
698 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

phisch, unpolare hochsiedende Flüssigkeiten oder Feststoffe säulenchromatogra-


phisch an Kieselgel, polare hochsiedende Flüssigkeiten und Feststoffe durch Flüs-
sigkeitschromatographie und ionische Stoffe durch Chromatographie an Ionenaus-
tauschern getrennt werden. Besonders die Säulenchromatographie eignet sich auch
für größere Substanzmengen.
In der Regel werden die Eigenschaften der zu trennenden Partner jedoch so ver-
schieden sein, daß schon die Verteilung zwischen unterschiedlich polaren Phasen
eine Trennung ermöglicht. Oft löst sich nur ein Teil des Gemisches in einem sehr un-
polaren (Petrolether) oder einem sehr polaren Lösungsmittel (Wasser, Methanol).
Azeotrop destillierende Gemische können so häufig getrennt werden. In schwierigen
Fällen benutzt man die Gegenstromverteilung oder die Verteilungschromatographie.
Eine besonders oft angewandte Trennung dieser Art leitet über zu den chemischen
Trennmethoden. Wenn Carbonsäuren, Phenole oder andere saure Stoffe sich destilla-
tiv oder durch Kristallisation nicht von Neutralstoffen abtrennen lassen, so wandelt
man sie mit wässeriger Lauge in ihre Salze um, die in Wasser löslich sind, nicht mehr
jedoch in unpolaren Lösungsmitteln wie Ether oder Methylenchlorid. Mit den
neutralen Stoffen verhält es sich in der Regel umgekehrt, so daß sie bei Verteilung
zwischen Ether (oder CH2Cl2) und wässeriger Lauge in der organischen Phase ver-
bleiben, während sich die sauren Stoffe (als Salze) in der Lauge befinden aus der sie
durch Ansäuern wieder freigesetzt werden können: Ausschütteln mit Ether oder
CH2Cl2. Man beachte, daß unterschiedlich starke Säuren entsprechend (umgekehrt!)
starke Basen benötigen. Carbonsäuren kann man aus unpolaren Lösungsmitteln
schon mit Hydrogencarbonat- oder Sodalösung extrahieren, während die schwächer
sauren Phenole Natronlauge benötigen. Auf dieser Basis lassen sich sogar Carbon-
säuren und Phenole durch Ausschütteln voneinander trennen.
Ein ähnlich gelagertes Trennproblem wurde bei der Hinsberg-Trennung (S. 158)
besprochen: Die /7-Toluolsulfonamide von primären Aminen R—NHSO2C6H4CH3
sind schwache Säuren, die sich mit Natronlauge in wässerige Lösung überführen las-
sen, während die/7-Toluolsulfonsäureamide sekundärer Amine RR^NSO2C6H4CH3
als Neutralstoffe in Ether verbleiben.
Tertiäre Amine bilden keine Sulfonamide und behalten deshalb ihre Eigenschaf-
ten als Base. Amine trennt man von Neutralstoffen mit wässeriger Säure, z. B. ver-
dünnter Salzsäure, in die sie als Hydrochloride eintreten. Nach Abtrennung der Neu-
tralstoffe macht man die Säure alkalisch und extrahiert die Amine dann mit Ether.
Dabei verhalten sich primäre, sekundäre und tertiäre Amine jedoch gleich, so daß
eine Hinsberg-Trennung gegebenenfalls hier angeschlossen werden muß. Eine Tren-
nung mit chemischen Methoden im engeren Sinne liegt dann vor, wenn ein Ester von
einem Neutralstoff erst nach Verseifung (als Carbonsäure) abgetrennt werden kann,
bei der der Neutralstoff unverändert bleibt. Ähnliche Fälle sind zahlreich und leicht
einsehbar, so daß sich eine systematische Beschreibung erübrigt. Beispielsweise kön-
nen auch Nitrile zu Carbonsäuren verseift, NitroVerbindungen zu Aminen reduziert
werden und vieles andere mehr. Hier ist die Phantasie des Chemikers in besonderem
Maße angesprochen.
Trennungsprobleme, Literatur dazu 699

Nach erfolgter Trennung wird man die erhaltenen Stoffe auf ihre Einheitlichkeit
überprüfen wollen. Dies geschieht bei niedrigsiedenden Stoffen am besten gaschro-
matographisch (ein Peak), bei höhersiedenden im Dünnschichtchromatogramm (ein
Fleck) (S. 92). Von den spektroskopischen Methoden eignet sich die 1H-NMR-
Spektroskopie zur Überprüfung der Einheitlichkeit eines unbekannten Stoffes, dabei
gibt das NMR-Spektrum freilich bereits so viele Informationen, daß die Konstitu-
tion der (unbekannten) Verbindung häufig schon abgelesen werden kann.

Literatur zu Trennungsproblemen

H. Staudinger, Anleitung zur organischen qualitativen Analyse, 7. Aufl., Herausg. W. Kern und
H. Kämmerer, Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1968.
E. und M. Lederer, Chromatography. A Review of Principles and Applications, 2. Aufl., Eisevier
Publ. Comp., Amsterdam 1960.
G. Schomburg, Gaschromatographie, Taschentext 48, Verlag Chemie, Weinheim 1977.
R. L. Grob, Modern Practice of Gas Chromatography, J. Wiley and Sons, New York, London,
Sydney und Toronto 1977.
R. Kaiser, Chromatographie in der Gasphase, Teil I-IV, Hochschultaschenbücher, Bibliogra-
phisches Institut, Mannheim 1962-1969.
H. Engelhardt, Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie, 2. Aufl., Springer, Berlin-Heidel-
berg-New York 1977.
V. Meyer, Praxis der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie, Laborbücher Chemie, Moritz
Diesterweg, Otto Salle, Frankfurt-München, Sauerländer, Frankfurt-Salzburg 1979.
L.R. Snyder und J. J. Kirkland, Introduction to Modern Liquid Chromatography, J. Wiley
and Sons, New York, London, Sydney und Toronto 1974.
Z. Deyl, K. Macek und J. Janäk, Liquid Column Chromatography, Eisevier, Amsterdam, Ox-
ford und New York 1975.
H. F. Walton, Ion-Exchange Chromatography, Dowden, Hutchinson and Ross, Stroudsburg,
Pa. 1976.
E. Stahl, Dünnschichtchromatographie, 2. Aufl., Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1967.
K. Randerath, Dünnschicht-Chromatographie, 2. Aufl., Verlag Chemie, Weinheim 1965.
700 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

Tab. 5 Die ungefähren Lagen der wichtigsten IR-Banden funktioneller Gruppen in cm~

Streckschwingungen des Wasserstoffs


—O— H 3600 =CH2 zusätzlich 3080
3300-3500 H-Brücken \
/CH2 2900
V« 3450
/ -OCH3 2830
=C—H 3300 -CHO 2750
I (-CO2H)2 2800-3400
=C—H 3010-3040

Andere Streckschwingungen
"\
~ ~~ [ -CHO 1730
2200
-C=N J
\
\ / 1720
1950 /
C C C
/ ~ ~ \
C6H5COR 1690
-COCl 1820
-CH=CH-CO- 1680
—COOCO— 1820 und 1750
\ /
-CO2^C6DH5J 1770 1640
/C~C\
-CO2R 1740
\ / 1
-CO2H 1710
/c=c\konj- 1600
-CON 1680 (Amid I) r,H,
\ Amid II,
prim. Amide 1600 —C—O—R 1100-1160
sek. Amide 1540
—COo 1600 NO 2 1340, 1540
SO2 1380
\f—CH=CH-CO- 1600

Deformationsschwingungen

I
-C-H 1350-1480 -CH=CH2 990 und 910
V 890
-CH=CH- trans 970
eis ~700
990
\
C=CH- 800-840
Erkennen funktioneller Gruppen 701

Erkennen von funktioneilen Gruppen

In der klassischen qualitativen Analyse mußten die funktionellen Gruppen mit Hilfe
der unter Punkt 3. beschriebenen Nachweisreaktionen durchgetestet werden. Eine
grobe Vorgruppierung dazu ist mit der qualitativen chemischen Elementaranalyse
(S. 124) möglich, denn bei Abwesenheit von z. B. Stickstoff scheiden alle Stickstoff-
haltigen Gruppen aus oder umgekehrt.
Mit Hilfe eines hochauflösenden Massenspektrometers lassen sich Molmassen mit
einer Genauigkeit von drei bis fünf Stellen hinter dem Komma bestimmen, aus der
exakten Molmasse läßt sich die elementare Zusammensetzung in Tabellen direkt ab-
lesen.
Die wichtigste moderne Methode zur Bestimmung funktioneller Gruppen ist die
Infrarot-Spektroskopie. Auf die theoretischen Grundlagen und die Einzelheiten der
Durchführung soll hier nicht eingegangen werden, man unterrichte sich darüber in
den unten empfohlenen Standardwerken. Viele funktionelle Gruppen können direkt
aus dem IR-Spektrum ermittelt werden. Tabelle 5 gibt einen Überblick der wich-
tigsten dazu geeigneten Banden.
Über die charakteristischen funktionellen Gruppen hinaus sagt das IR-Spektrum
meist nur wenig zur Struktur der Moleküle aus. Weitere Informationen erhält man
durch Derivatisierung gemäß Punkt 3.
Im Gegensatz zum IR-Spektrum gibt das Protonenresonanz-Spektrum (1H-
NMR-Spektrum) Informationen über die Konstitution des gesamten Moleküls,
während die funktionellen Gruppen oft nur mittelbar abgeleitet werden können.
Insofern ergänzen sich beide Methoden in idealer Weise. Auch zur Theorie, Durch-
führung und Interpretation des Kernresonanz-Experiments soll hier nichts ausge-
führt, sondern auf die unten empfohlenen Standard-Werke verwiesen werden.
Trotz der mit Hilfe der ^-NMR-Spektroskopie erhältlichen Erkenntnisse
kommt der unter Punkt 3 beschriebenen Ausführung von spezifischen Reaktionen
und Darstellung von kristallisierten Derivaten besondere Bedeutung zu. Sie ist nicht
nur didaktisch ungemein wertvoll, sondern gibt in vielen Zweifelsfällen oft erst letzte
Gewißheit.

Literatur zu spektroskopischen Methoden

D.H.Williams und I. Fleming, Spektroskopische Methoden zur Strukturaufklärung, 3. Aufl.,


Georg Thieme, Stuttgart 1975.
M. Hesse, H. Meier und B. Zeeh, Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, Georg
Thieme, Stuttgart 1979.
G. Spiteller, Massenspektrometrische Strukturanalyse organischer Verbindungen, Verlag Chemie,
Weinheim 1966.
J. Seibl, Massenspektrometrie, 2. Aufl., Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main
1974.
H. Budzikiewicz, Massenspektrometrie, Taschentext Nr. 5, Verlag Chemie, Weinheim 1972.
702 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

G. Ege, Zahlentafeln zur Massenspektrometrie und Elementaranalyse, Verlag Chemie, Wein-


heim 1970.
D. Henneberg und K. Casper, Bruttoformeln für Massenbestimmungen, Varian MAT, Bremen;
Z. Anal. Chem. 227, 241 (1967).
L. J. Bellamy, Ultrarot-Spektrum und chemische Konstitution, 2. Aufl., Dr. Dietrich Steinkopf
Verlag, Darmstadt 1966.
H. Günzler und H. Bock, IR-Spektroskopie, Taschentext Nr. 43/44, Verlag Chemie, Weinheim
1974.
L. M. Jackman und S. Sternhell, Applications of Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy in
Organic Chemistry, 2. Aufl., Pergamon Press, Oxford 1969.
T. Clerc und E. Pretsch, Kernresonanzspektroskopie, Akademische Verlagsgesellschaft, Frank-
furt am Main 1970.
H. Friebolin, NMR-Spektroskopie, Taschentext Nr. 15, Verlag Chemie, Weinheim 1974.
P. Hallap und H. Schütz, Anwendung der 'H-NMR-Spektroskopie, Taschentext Nr. 31, Verlag
Chemie, Weinheim 1973.
H. Günther, NMR-Spektroskopie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1973.
H. Suhr, Anwendungen der kernmagnetischen Resonanz in der organischen Chemie, Springer
Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1965.
A. I. Scott, Interpretation of the Ultraviolet Spectra of Natural Products, Pergamon Student
Editions, Oxford 1964.
C.N.R. Rao, Ultra-Violet and Visible Spectroscopy, 3. Aufl., Butterworths, London 1975.

Charakterisierung organischer Verbindungen


durch Derivat-Bildung

Soweit die verwendeten Reagenzien im Rahmen des Gattermann-Praktikums dar-


gestellt wurden, finden sich die Zitate der Seitenzahlen im Text. Alle behandelten
Reagenzien sind im Chemikalienhandel erhältlich.
Die Schmelzpunkte der erhaltenen Produkte findet man in den einschlägigen
Schmelzpunktstabellen, die am Ende dieses Abschnitts zitiert sind.

Koh len Wasserstoff e


Am schwersten durch Reaktionen nachzuweisen sind wohl die Paraffine und Cyclo-
paraffine, da man von ihnen mit einfachen Mitteln keine Derivate herstellen kann.
Gerade ihre Indifferenz bildet aber ihr wichtigstes Erkennungsmerkmal. Auch Ether
sind ähnlich indifferent, ihre IR-Spektren sind jedoch etwas stärker strukturiert als
die der Alkane, eine sichere Unterscheidung ist im NMR-Spektrum möglich, wo die
neben Ether-Sauerstoff stehenden Protonen bei viel tieferem Feld (3,2 bis 3,5 ppm)
erscheinen als die in gesättigten Kohlenwasserstoffen (0,8 bis 1,4 ppm).
Aromatische Kohlenwasserstoffe brennen mit rußender Flamme. Über ihre UV-
und IR-Spektren unterrichte man sich in den entsprechenden Nachschlagewerken.
Im NMR-Spektrum erscheinen die aromatisch gebundenen Protonen bei sehr tiefem
Feld (um 7,3 ppm). Typische Reaktionen sind die elektrophilen Substitutionsreak-
tionen, so besonders die Nitrierung (S. 234) und die Sulfonierung (S. 244). Da die
Nachweis von Kohlenwasserstoffen und Alkoholen 703

Sulfonsäuren durchweg wasserlöslich sind, kann man aromatische so von aliphati-


schen Kohlenwasserstoffen trennen, in der Technik kann flüssiges SO2 verwendet
werden (Edeleanu-Verfahren).
Die aromatischen Kohlenwasserstoffe geben mit Tetranitromethan eine charak-
teristische Gelbfärbung, mit Pikrinsäure bilden die höheren Vertreter (z. B. Naph-
thalin, Anthracen) kristalline Donator-Akzeptor-Komplexe, die zur Charakterisie-
rung dienen können (S. 252).

Pikrinsäure-Addukte
Man löst den unbekannten Kohlenwasserstoff in der geringstmöglichen Menge heißem
Ethanol oder Benzol und versetzt mit einer (ggf. warm) gesättigten Lösung von Pikrin-
säure im gleichen Lösungsmittel. Nach dem Abkühlen saugt man ab und wäscht den
Komplex vorsichtig mit wenig kaltem Ethanol, einige Komplexe lassen sich nicht unzer-
setzt (aus Alkohol) Umkristallisieren.

Höhere Aromaten wie Anthracen oder Phenanthren lassen sich mit Chromsäure
zu den Chinonen oxidieren. Die Oxidation von aromatischen Kohlenwasserstoffen
mit Seitenketten führt zu Carbonsäuren (S. 485).
Olefine können an ihren charakteristischen IR-Banden (Tab. 5) und der tiefen
Lage ihrer Protonen im NMR-Spektrum (4-7 ppm, Normallage 5,3 ppm) erkannt
werden. Sie entfärben Kaliumpermanganat (Baeyer-Probe, S. 186) und Brom in Eis-
essig (diese Reaktionen werden aber auch von Phenolen und Enolen gegeben) und
färben sich mit Tetranitromethan in charakteristischer Weise gelb. Nur in Sonder-
fällen erhält man kristalline Additionsprodukte. Ein allgemein gangbarer Weg zur
Charakterisierung ist die Oxidation mit Kaliumpermanganat oder Ozon (S. 500) oder
Osmiumtetroxid/Periodsäure (S. 487) zu Carbonsäuren bzw. Aldehyden und/oder
Ketonen, welche wie unten beschrieben charakterisiert werden.

Alkohole

Niedere oder mehrwertige Alkohole sind mit Wasser mischbar, höhere wenig oder
gar nicht. Alkohole zeigen im IR-Spektrum eine scharfe Bande für die O—H-Streck-
schwingung der freien Hydroxylgruppe bei ca. 3600 cm~ l und eine breite Bande für
die Wasserstoffbrücken-gebundene Hydroxylgruppe bei 3300—3500cm"1. Je nach
den Meßbedingungen kann eine von beiden ganz fehlen. Im ^-NMR-Spektrum
findet man die Signale der am C neben Sauerstoff stehenden Protonen (2 bei primä-
ren, l bei sekundären Alkoholen) im Bereich von 3,4-3,9 ppm.
Kristalline Derivate der Alkohole werden in Form von Estern z. B. der Benzoe-,
/7-Nitrobenzoe-, 3,5-Dinitrobenzoe- oder /7-Phenylazobenzoesäure aus den ent-
sprechenden Säurechloriden oder der 3-Nitrophthalsäure aus dem Anhydrid erhal-
704 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

ten. In Form von Urethanen gewinnt man kristalline Derivate durch Umsatz mit
Phenyl- oder 1-Naphthylisocyanat. Allgemein setzen sich die primären Alkohole da-
bei leichter um als die sekundären, während tertiäre schwer oder gar nicht reagieren.
Die Ester werden nach der Schotten-Baumann-Reaktion erhalten. Abweichend
von der auf S. 307 gegebenen Vorschrift, kann man auch in folgender Weise verfahren:

Benzoesäure-, p-Nitrobenzoesäureester (siehe auch S. 308)


1 g Alkohol wird in 3ml absol. Pyridin gelöst. Man setzt 1,5g Benzoyl- oder p-Nitro-
benzoylchlorid zu und erhitzt nach dem Abklingen der spontanen Reaktion kurz über
dem Bunsenbrenner. Anschließend wird das Produkt unter Rühren in 10 ml Wasser ge-
gossen, man dekantiert von dem Niederschlag der mit verdünnter Natriumcarbonat-
Lösung digeriert, abgesaugt und aus Alkohol umkristallisiert wird.

3,5-Dinitrobenzoesäure-, p-Phenylazobenzoesäureester
1 g Alkohol wird in einem Reagenzglas mit 2,5g 3,5-Dinitrobenzoyl- oder p-Phenyl-
azobenzoylchlorid (S. 304) bis zum Aufhören der HCI-Entwicklung im siedenden Was-
serbad erwärmt (ca. 5 min). Man versetzt mit 10 ml Wasser, digeriert den Niederschlag
mit verdünnter Natriumcarbonat-Lösung und kristallisiert aus Alkohol. Beim p-Phenyl-
azobenzoesäureester kann die Filtration mit Petrolether über eine kurze Säule von Kiesel-
gel oder Aluminiumoxid vorteilhafter sein. Man kann das Wandern des organgerot ge-
färbten Esters auf der Säule gut verfolgen.

3- N itrophthalsäu reester

Man erhitzt das Gemisch aus 1 g Alkohol und 2 g 3-Nitrophthalsäureanhydrid 30 min


im siedenden Wasserbad und kristallisiert anschließend aus siedendem Wasser um.
Hochsiedende Alkohole werden besser 2—3 h in 10 ml siedendem Toluol umgesetzt (bis
die Lösung homogen geworden ist). Das beim Abkühlen ausfallende Produkt wird aus
wässerigem Alkohol umkristallisiert.
Das andere Isomere wird beim Umkristallisieren entfernt.

Phenyl- oder 1-Naphthylurethane


1 g Alkohol und 0,5 ml des Isocyanats werden in einem Ölbad 5—10 min auf 10O0C er-
hitzt. Beim Abkühlen wird bis zum Beginn der Kristallisation mit einem Glasstab gerie-
ben, anschließend aus Petrolether oder Tetrachlormethan umkristallisiert. Evtl. erhaltene
Anteile von (unlöslichem) Diarylharnstoff müssen heiß abfiltriert werden.
Bei der Umsetzung von Phenolen zu Urethanen müssen dem Reaktionsgemisch einige
Tropfen Pyridin oder Triethylamin zugesetzt werden.
Nachweis von Aldehyden und Ketonen 705

Aldehyde und Ketone

Diese einfachen Carbonylverbindungen sind meist flüssig, niedere Vertreter sind mit
Wasser mischbar, die höheren nicht mehr. Aldehyde sind an ihrer charakteristischen
IR-Bande bei 1730-1740Cm"1, Ketone an der bei 1710-1720Cm"1 kenntlich. Die
Banden der a,/?-ungesättigten Verbindungen haben um ca. 30 cm'1 geringere Fre-
quenzen. Aldehyde zeigen im ER-Spektrum eine charakteristische Bande für die CH-
Streckschwingung der Aldehydgruppe bei 2700-2900 cm" 1 und im NMR-Spektrum
das Aldehydproton bei 9-10 ppm. Methylketone weisen im NMR-Spektrum ein
charakteristisches Singulett für die Methylgruppe bei 2,0-2,1 ppm auf. Dieses Signal
hat die klassische lodoformreaktion der Methylketone weitgehend verdrängt.

RCOCH
3 U
KOH
'2 > (RCOCI3) > RCO 2 H + CHI3

Typische kristalline Derivate sind die Phenylhydrazone, die Semicarbazone und


die Oxime.
Phenylhydrazone, 2,4-Dinitrophenylhydrazone, Semicarbazone und Oxime werden,
wie auf S. 347 und 502 beschrieben, dargestellt.

p-Nitrophenylhydrazone
0,5g Aldehyd oder Keton werden zusammen mit 0,5 g p-Nitrophenylhydrazin in 1OmI
Ethanol und 2 ml Eisessig unter Rückfluß erhitzt. Man setzt noch heiß einige Tropfen
Wasser zu, kühlt ab und kristallisiert den Niederschlag aus Alkohol um.

Einige Reaktionen sind für Aldehyde spezifisch. Ihre Reduktionskraft zeigt sich in
der Reaktion mit fuchsinschwefliger Säure (S. 343), ammoniakalischer Silbersalz-
lösung und Fehlings Reagens (S. 342). Aldehyde können mit Kaliumpermanganat,
Wasserstoffperoxid oder Silberoxid (S. 342) präparativ zu ,den Carbonsäuren oxi-
diert werden. Die kristallinen Dimedon-Kondensationsprodukte und Imidazolidine
verdanken ihre spezifische Bildung der höheren Reaktivität der Aldehyd- gegenüber
der Keton-Carbonylgruppe.

Dimedon-Kondensationsprodukte

O 0 ^ 0
A^H '•
RCHO^ p ip
V
v^-^r»OH HO

Man vereinigt die Lösungen von je 0,5 g Dimedon und Aldehyd in je 10 ml wässerigem
Ethanol (1 :1,5) und fügt einen Tropfen Piperidin zu. Wenn sich das Kondensations-
produkt nicht spontan abscheidet, wird einige min erwärmt. Umkristallisieren aus Alkohol.
706 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

Imidazolidine

f6"5 C6H5
^NH
H2C HC

NH
I '
C6H5
C6H5
Zur Lösung von 1 g Aldehyd in 1OmI Methanol gibt man die Lösung von 2,1 g 1,2-
Dianilinoethan und 0,5 ml 5proz. Essigsäure in 40 ml Methanol und erwärmt, falls sich
das Produkt nicht spontan abscheidet. Nach dem Abkühlen wird abgesaugt und aus
Methanol, evtl. unter Zusatz von Benzol umkristallisiert.

Carbonsäuren

Die niederen Vertreter riechen stechend bis übel und sind mit Wasser mischbar.
Weniger charakteristisch als die Carbonylbande bei 1700—1720cm"1 ist die breite
OH,CH-Absorption der Carbonsäuren im Bereich von 2800-3400 cm~ l . Das NMR-
Signal des Carboxylwasserstoffs erscheint bei der besonders tiefen Lage von 10-13
ppm.
Carbonsäuren bilden schon mit Hydrogencarbonaten Salze und können so oder
mit Natriumcarbonat-Lösung oder Natronlauge von Neutralstoffen (durch Aus-
schütteln mit Ether oder CH2Cl2) abgetrennt werden. Durch Titration mit einge-
stellter Natronlauge kann die Molmasse der Carbonsäure ermittelt, mit feuchtem
Universal-Indikatorpapier die Acidität abgeschätzt werden.
Als kristalline Derivate werden bestimmte Ester (/?-Bromphenacyl- oder /?-Nitro-
benzylester) oder Amide (auch Anilide) dargestellt.

p-Bromphenacyl- oder p-Nitrobenzylester

0,5 g Säure werden mit verdünnter Natronlauge neutralisiert und ein Überschuß an
Lauge mit verdünnter Säure genau gegen Phenolphthalein ausgeglichen. Man setzt
0,5 g p-Bromphenacylbromid oder p-Nitrobenzylbromid in 5 ml Ethanol zu und kocht
1 h (für 2- und mehrbasige Säuren länger). Beim Abkühlen scheidet sich der Ester ab,
der aus Alkohol umkristallisiert wird. Liegen die Carbonsäuren als Salze vor, so kann die
Umsetzung unmittelbar erfolgen.

Amide
Man kocht 0,5 g Säure 30 min in 5 ml Thionylchlorid mit einigen Tropfen Pyridin und
gießt das Gemisch anschließend vorsichtig in 15 ml eiskaltes, konzentriertes Ammoniak.
Der Niederschlag wird abgesaugt und aus Wasser oder wässerigem Ethanol umkristalli-
siert.
Nachweis von Carbonsäuren und Carbonsäureestern 707

Anilide
Man bereitet das Säurechlorid wie oben aus 1 g Säure und 2 ml Thionylchlorid, fügt
nach dem Abkühlen 1-2 g Anilin (oder p-Toluidin oder p-Bromanilin) in 30 ml Benzol
hinzu und erwärmt einige min auf dem Wasserbad. Anschließend wäscht man mit Wasser,
verd. Schwefelsäure, verd. Natronlauge und wieder mit Wasser, trocknet über Natrium-
sulfat dampft i. Vak. ein und kristallisiert den Rückstand aus Ethanol, Wasser oder Toluol.

Säureanhydride und -Chloride

Diese zeigen im IR-Spektrum charakteristisch hohe Bandenlagen für die Carbonyl-


gruppen bei 1820 und 1750cm'1 bzw. 1790-1830Cm1. Aliphatische Vertreter rea-
gieren leicht mit Wasser, aromatische verseifen erst mit Natronlauge hinreichend
rasch.
Zur Gewinnung kristalliner Derivate verfahrt man wie mit den unter Carbonsäuren
dargestellten Säurechloriden oder — nach Verseifung - mit den Natriumsalzen der
Carbonsäuren.

Carbonsäureester

Die meisten Carbonsäureester sind flüssige, in Wasser nicht lösliche Verbindungen.


Die Ester-Carbonylgruppe hat mit 1740—1750Cm-1 eine charakteristische Lage.
Methylester zeigen im ^-NMR-Spektrum ein typisches Singulett bei 3,7-3,9 ppm,
Ethylester ein Triplett bei 1,2-1,4 ppm sowie ein Quartett bei 4,0-4,3 ppm.
Die genaue Identifizierung eines Esters erfordert häufig die getrennte Charakterisie-
rung des Alkohol- und des Carbonsäureteils nach voraufgehender Verseifung. Wenn
der Alkohol niedermolekular ist, wird die Verseifung des (unlöslichen) Esters in sie-
dender wässeriger Natronlauge (2 g Ester in 10 ml 20proz. NaOH) solange durch-
geführt, bis die Lösung homogen geworden ist. Aus der noch alkalischen Lösung
kann der Alkohol abdestilliert oder ausgeschüttelt und wie oben charakterisiert wer-
den. Die Carbonsäure gewinnt man nach dem Ansäuern. Bei Estern mit längerketti-
gen Alkoholen wird das Verseifungsgemisch nicht homogen. In solchen Fällen und
bei manchen aromatischen Estern nimmt man die Verseifung besser in homogener
Lösung in Ethanol (S. 301) vor. Ein dem Ethanol nahestehender Alkohol läßt sich
dann freilich nicht nachweisen.
Niedere Carbonsäuren lassen sich aus dem von Alkoholen befreiten und ange-
säuerten Verseifungsgemisch nicht gut extrahieren. In solchen Fällen kann die Säure
durch Darstellung des Benzylamids oder Hydrazids direkt aus dem Ester charak-
terisiert werden. Niedere Alkohole lassen sich durch Umesterung („Umsäuerung")
mit 3,5-Dinitrobenzoesäure bestimmen.
708 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

Carbonsäure-A/-benzylamide
Das Gemisch aus 1 g Methyl- oder Ethylester, 3 ml Benzylamin und 0,1 g gestoßenem
Ammoniumchlorid wird 1 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Abkühlen wäscht man
überschüssiges Benzylamin mit Wasser heraus und entfernt unumgesetzten Ester durch
Wasserdampfdestillation. Der kristalline Rückstand wird mit Petrolether gewaschen und
aus wässerigem Ethanol oder Aceton umkristallisiert.

Carbonsäure-hydrazide
1 g Methyl- oder Ethylester wird mit 1 ml 85proz. Hydrazinhydrat 15min unter Rück-
fluß erhitzt und nach Zusatz von wenig absol. Ethanol (bis eine klare Lösung erhalten
wird) noch weitere 2 h. Nach dem Abziehen des Alkohols wird der Rückstand abge-
kühlt. Man kristallisiert das Hydrazid aus Wasser oder wässerigem Ethanol um.
Ester höherer Alkohole werden besser zunächst mit wenig Natriummethylat in Metha-
nol (30 min kochen) umgeestert. Man dampft das überschüssige Methanol ab und stellt
dann die N-Benzylamide oder Hydrazide wie oben dar.

3,5-Dinitrobenzoesäureester durch Umesterung


Das Gemisch aus 2 g Ester, 2 g 3,5-Dinitrobenzoesäure und 2 Tropfen konz. Schwefel-
säure wird im Ölbad auf 15O 0 C erhitzt. Wenn die 3,5-Dinitrobenzoesäure rasch in Lö-
sung geht, ist die Reaktion in 30 min beendet, andernfalls wird 1 h erhitzt. Nach dem
Abkühlen löst man in Ether und schüttelt zur Entfernung unumgesetzter 3,5-Dinitroben-
zoesäure zweimal mit je 15ml 5proz. Sodalösung aus. Die Etherphase wird nochmals
mit Wasser gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet und eingedampft. Der Rückstand
wird in 5 ml siedendem Ethanol gelöst und das Produkt durch vorsichtigen Zusatz von
Wasser zur Kristallisation gebracht.

Lactone

Ungespannte Lactonringe verhalten sich im IR-Spektrum wie offenkettige Ester,


Fünfringlactone zeigen jedoch Carbonylschwingungen bei höheren Frequenzen wie
1740-1800Cm-1.
Die bei der alkalischen Verseifung der Lactone resultierenden Hydroxycarboxy-
late müssen direkt als Carbonsäuresalze nachgewiesen werden, da beim Ansäuern
spontane Relactonisierung eintritt.

Phenole

Sie sind gut in Ether, weniger gut in Wasser löslich. Phenole sind schwächer sauer
als Carbonsäuren und können erst mit Natronlauge aus organischen Phasen in Was-
ser übergeführt werden. Aus dem Gemisch mit Carbonsäuren können letztere mit
Hydrogencarbonat- oder Carbonat-Lösung abgetrennt werden. Einige Akzeptor-
substituierte Phenole nähern sich jedoch der Acidität der Carbonsäuren (S. 252).
Die Hydroxylbanden der Phenole im IR-Spektrum ähneln denjenigen der Alko-
Nachweis von Lactonen, Phenolen und Ethern 709

hole. Phenole und Enole geben eine charakteristische Färbung mit verdünnter
Eisen(III)-chlorid-Lösung. Dazu löst man die Probe in Ethanol und unterschichtet
vorsichtig mit der wässerigen Reagens-Lösung. Zur Gewinnung kristalliner Derivate
können Phenole wie Alkohole in die Urethane (S. 704) oder nach Schotten-Baumann
(S. 307 und 704) in die Benzoesäure- oder /?-Nitrobenzoesäureester umgewandelt
werden. Häufig eignen sich auch die Veretherung mit Diazomethan (S. 632) und die
Bromierung (S. 230) dazu. Eine weitere Methode besteht in der Etherbildung mit
Chloressigsäure.
Die Absorptionsmaxima der Phenole im UV werden durch Alkalizusatz (Phenolat-
bildung) um 5—15 nm zu längeren Wellen verschoben.

Aryloxyessigsäuren
ArONa + CICH2CO2H
H
fcl_. > ArOCH 2 CO 2 H
-NaCI

0,5 g Phenol und 0,6 g Chloressigsäure werden 30 min in 5ml 2N NaOH gekocht. Man
kühlt ab, säuert vorsichtig mit konz. Salzsäure an und läßt kristallisieren. Wenn keine
Kristalle auftreten, kann man die Aryloxyessigsäure mit Ether ausschütteln und noch-
mals über das Natriumsalz (Natriumcarbonat, dann konz. HCI) reinigen. Das Produkt
wird aus Wasser umkristallisiert.

Ether

Diese sind meist flüssige, charakteristisch riechende Substanzen, deren Wasserlös-


lichkeit meist beschränkt ist, in organischen Stoffen lösen sie sich gut und stellen um-
gekehrt wichtige Lösungsmittel dar. Im IR-Spektrum auftretende C—O-Valenz-
schwingungen bei 1060-1150Cm1 deuten auf eine aliphatische, solche bei 1230 bis
1270Cm-1 auf eine aromatische Etherbindung. Im ^-NMR-Spektrum liegen die
dem Ethersauerstoff benachbarten Protonen bei 3,2-3,5 ppm. Besonders deutlich
sind Methoxylgruppen an ihrem Singulett bei 3,25 ppm zu erkennen.
Aliphatische und araliphatische Ether werden mit lodwasserstoff gespalten, aber
bei den rein aliphatischen führt diese Reaktion (z. B. 3-6 h Kochen mit Kaliumiodid
und 95proz. Phosphorsäure) oft nicht zur glatten Umsetzung beider Alkylreste zu den
lodiden. Sie können auch mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid und Zinkchlorid direkt in
die entsprechenden Dinitrobenzoesäureester umgewandelt werden (siehe unten).
Diarylether können nicht mit lodwasserstoff gespalten werden. Man kann sie je-
doch wie die araliphatischen Ether leicht einer elektrophilen Substitutionsreaktion
mit den üblichen Reagenzien unterwerfen.

3,5-Dinitrobenzoylester aus Ethern


Man kocht das Gemisch aus 1 ml Ether, 0,15g wasserfreiem Zinkchlorid und 0,5g
Dinitrobenzoylchlorid 1 h unter Rückfluß. Nach dem Abkühlen versetzt man mit 1OmI
5proz. Sodalösung, erhitzt im Wasserbad auf 9O 0 C, kühlt wieder ab und filtriert. Der
710 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

Filtrierrückstand wird nochmals mit der Sodalösung und mit Wasser gewaschen. Man
löst den getrockneten Rückstand in 1OmI heißem Tetrachlorkohlenstoff, filtriert die
Lösung heiß und kühlt zur Kristallisation ab. Wenn nötig wird die Lösung eingeengt.

Am ine

Im IR-Spektrum zeigen primäre Amine zwei NH-Schwingungsbanden im Bereich


von 3300-3500Cm"1, sekundäre dagegen nur eine solche.
Die große Mehrzahl der Amine ist in Wasser und Ether löslich. Als Salze mit
starken Mineralsäuren, z. B. 2N Salzsäure, lassen sie sich aus der organischen Phase
extrahieren und von Neutralstoffen trennen. Einige aromatische Amine sind jedoch
so schwach basisch, daß sie sich in diesem Test wie Neutralstoffe verhalten. Auch diese
bilden jedoch Salze mit wasserfreien Säuren, z. B. mit etherischer HCl oder mit
Pikrinsäure in Ethanol.
Zur vorläufigen Charakterisierung eines Amins dient sein Verhalten gegen salpe-
trige Säure in sehr schwach salzsaurer Lösung. Von den aliphatischen Aminen rea-
gieren die primären beim gelinden Erwärmen unter Stickstoffentwicklung, die se-
kundären aliphatischen und aromatischen Amine geben die gelben, öligen, unlös-
lichen Nitrosamine (Vorsicht! Cancerogen), während tertiäre im allgemeinen nicht
oder nur unübersichtlich reagieren. Die primären aromatischen Amine geben Dia-
zoniumsalze (S. 604), die in alkalischer Lösung mit jS-Naphthol oder R-SaIz zu Azo-
farbstoffen kuppeln (S. 605). Tertiäre Anilinbasen geben die schwerlöslichen Hydro-
chloride der/7-Nitrosodialkylaniline (S. 242).
Zur Charakterisierung der primären und sekundären Amine stellt man Acetamide
oder Benzamide dar, oft auch die Sulfonamide (S. 250) wie bei der Hinsberg-Tren-
nung (S. 158). Auch Phenylthioharnstoffe gemäß S. 528 können herangezogen wer-
den.

Acetamide
Die Lösung von 0,5 g Amin in 10 ml Wasser wird 5 min mit 3 ml Acetanhydrid geschüt-
telt. Man erwärmt, bis das überschüssige Acetanhydrid verseift ist, kühlt unter weiterem
Schütteln im Eisbad ab, saugt den Niederschlag ab und kristallisiert aus Wasser oder
wässerigem Ethanol um. Auch Cyclohexan oder Toluol können nach sorgfältigem Trock-
nen der Kristalle verwendet werden.

Benzamide
In einem 25-ml-Schliffkolben werden 1 g Amin, 1 ml Benzoyl- oder 1 g p-Nitrobenzoyl-
chlorid und 10 ml 2N NaOH mit einem Schliffstopfen eingeschlossen und unter gelegent-
lichem Lüften des Stopfens 10 min geschüttelt. Die Lösung muß danach noch alkalisch
sein. Man kühlt in einem Eisbad, saugt den Niederschlag ab und kristallisiert aus wässeri-
gem Ethanol oder (nach Trocknen) Toluol um.
Auch die bei den Alkoholen beschriebene Art der Schotten-Baumann-Reaktion in
Pyridin (S. 704) kann für primäre und sekundäre Amine angewendet werden.
Nachweis von Aminen und Aminosäuren 711

Benzol- oder p-Toluolsulfonamide


Diese werden nach der Vorschrift auf S. 158 dargestellt. Sie dienen nicht nur als kristalline
Derivate sondern gleichzeitig und darüber hinaus zur Trennung primärer, sekundärer
und (indirekt auch) tertiärer Amine nach Hinsberg. Die Hinsberg-Trennung ist auf den
Seiten 157 und 158 ausführlich erläutert.

Tertiäre Amine werden in Form ihrer quartiären Ammoniumsalze oder der


Pikrate charakterisiert.

Quartiäre Ammoniumsalze
0,5 g Tertiäres Amin und 0,5 ml Methyliodid werden einige min über der Bunsenflamme
im Reagenzglas erwärmt. Beim Abkühlen fördert man die Kristallisation durch Kratzen
mit einem Glasstab und kristallisiert dann aus absol. Ethanol, Essigester oder Ethanol/
Ether um. Zur Giftigkeit des Methyliodids siehe S. 149.

Pikrate
Eine Lösung von 0,5g tertiärem Amin in 1OmI Ethanol wird zu 1OmI kalt gesättigter
Pikrinsäure/Ethanol-Lösung gegeben. Man kocht auf, kühlt ab, saugt die Kristalle des
Pikrats ab und kristallisiert sie aus Ethanol um.

Aminosäuren

Die meisten Aminosäuren sind gut in Wasser löslich und zeigen gegenüber Universal-
Indikatorpapier schwach saure Reaktion. In organischen Lösungsmitteln, auch in
Alkoholen sind sie unlöslich. Beim Erhitzen zersetzen sie sich, ohne zu schmelzen, bei
200-30O0C. Beim Aufkochen der wässerigen Lösung mit Kupfercarbonat entstehen
tiefblau gefärbte Komplexe. Das wichtigste Reagenz zum Nachweis der a-Amino-
säuren ist das Ninhydrin, Ausführung der Nihydrin-Reaktion siehe S. 499. Mit Hilfe
der Papier- oder Dünnschichtchromatographie und Ninhydrin als Reagens (S. 318)
können die natürlich vorkommenden Aminosäuren identifiziert werden. Die Nin-
hydrin-Reaktion wird aber auch von unsubstituierten und primären Ammonium-
salzen gegeben.
Mit salpetriger Säure entwickeln die Aminosäuren Stickstoff wie die primären
Amine. Feste Derivate werden hauptsächlich mit Hilfe der Schotten-Baumann-
Reaktion, wie bei den primären und sekundären Aminen beschrieben, dargestellt,
doch ist ein Überschuß von Benzoylchlorid hier zu vermeiden, da die N-Benzoyl-
aminosäuren von Benzoesäure nicht immer so glatt trennbar sind wie im Fall der
Hippursäure (S. 636).
712 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

Carbonsäureamide

Nur die niederen Vertreter sind flüssig und in Wasser gut löslich; die Carbonsäure-
amide bilden mit Ausnahme von besonderen Fällen wie z. B. Phthalimid, keine Salze
mit wässerigen Säuren oder Laugen.
Im IR-Spektrum besitzen die Carbonsäureamide charakteristische Banden für die
CO-undNH-Gruppen. Die Carbonylfrequenz liegt für alle Amide bei 1630-1690cm~i
(Amid-Bande I), daneben erscheint eine zweite Bande vermutlich als NH-Deforma-
tionsschwingung bei 1590-1620Cm"1 für primäre und bei 1510-1570Cm"1 für
sekundäre Amide (Amid-Bande II). Die NH-Valenzschwingungen erscheinen im
Bereich von 3100-3500Cm'1.
Zur genauen Bestimmung der Amide werden diese zu den Carbonsäuren und den
Aminen hydrolisiert. Im Gegensatz zu den primären Amiden, die bei der Hydrolyse
NH 3 entwickeln, geben sekundäre Amide primäre Amine und tertiäre Amide se-
kundäre Amine. Carbonsäuren und Amine müssen für sich wie oben derivatisiert
werden.
Die Hydrolyse der Carbonsäureamide kann sauer (mit konz. Salz- oder 60proz.
Schwefelsäure) oder alkalisch (mit 30proz. Natronlauge) erfolgen, sie verläuft im
allgemeinen sehr langsam, häufig ist mehrstündiges Kochen erforderlich.

Nitrile

Nitrile sind meist flüssig oder niedrig schmelzend, mit Ausnahme der niedrigsten
Vertreter sind sie in Wasser unlöslich, doch lösen sie sich im Gegensatz zu den
Carbonsäureamiden in Ether.
Die charakteristische CN-Valenzschwingung bei 2220-2270Cm"1 ist oft schwach
und kann übersehen werden.
Bei der schwer verlaufenden Hydrolyse bilden sich Carbonsäuren und Ammoniak.
Aliphatische Nitrile werden bevorzugt durch mehrstündiges Kochen mit 30proz.
Natronlauge, aromatische durch Erhitzen in konz. Schwefelsäure, der etwas Na-
triumchlorid zugesetzt wird, verseift (30min bei 16O0C und 30min bei 19O0C).
Carbonsäureamide als etwa unumgesetztes Zwischenprodukt geben sich durch Un-
löslichkeit in verd. Natronlauge zu erkennen und werden durch Filtration entfernt.

Sulfonsäuren

Sulfonsäuren sind häufig kristalline Verbindungen, die sich in Wasser mit stark saurer
Reaktion (Universal-Indikatorpapier) lösen. Oft liegen sie als Natrium- oder Kalium-
salze vor.
Durch Alkalischmelze können sie in die Phenole (S. 276), durch Erhitzen mit Salz-
säure oder 20proz. Phosphorsäure im Bombenrohr auf 150-18O0C in die Kohlen-
Nachweis von Aminen und Aminosäuren 711

Benzol- oder p-Toluolsulfonamide


Diese werden nach der Vorschrift auf S. 158 dargestellt. Sie dienen nicht nur als kristalline
Derivate sondern gleichzeitig und darüber hinaus zur Trennung primärer, sekundärer
und (indirekt auch) tertiärer Amine nach Hinsberg. Die Hinsberg-Trennung ist auf den
Seiten 157 und 158 ausführlich erläutert.

Tertiäre Amine werden in Form ihrer quartiären Ammoniumsalze oder der


Pikrate charakterisiert.

Quartiäre Ammoniumsalze
0,5 g Tertiäres Amin und 0,5 ml Methyliodid werden einige min über der Bunsenflamme
im Reagenzglas erwärmt. Beim Abkühlen fördert man die Kristallisation durch Kratzen
mit einem Glasstab und kristallisiert dann aus absol. Ethanol, Essigester oder Ethanol/
Ether um. Zur Giftigkeit des Methyliodids siehe S. 149.

Pikrate
Eine Lösung von 0,5g tertiärem Amin in 1OmI Ethanol wird zu 1OmI kalt gesättigter
Pikrinsäure/Ethanol-Lösung gegeben. Man kocht auf, kühlt ab, saugt die Kristalle des
Pikrats ab und kristallisiert sie aus Ethanol um.

Aminosäuren

Die meisten Aminosäuren sind gut in Wasser löslich und zeigen gegenüber Universal-
Indikatorpapier schwach saure Reaktion. In organischen Lösungsmitteln, auch in
Alkoholen sind sie unlöslich. Beim Erhitzen zersetzen sie sich, ohne zu schmelzen, bei
200-30O0C. Beim Aufkochen der wässerigen Lösung mit Kupfercarbonat entstehen
tiefblau gefärbte Komplexe. Das wichtigste Reagenz zum Nachweis der a-Amino-
säuren ist das Ninhydrin, Ausführung der Nihydrin-Reaktion siehe S. 499. Mit Hilfe
der Papier- oder Dünnschichtchromatographie und Ninhydrin als Reagens (S. 318)
können die natürlich vorkommenden Aminosäuren identifiziert werden. Die Nin-
hydrin-Reaktion wird aber auch von unsubstituierten und primären Ammonium-
salzen gegeben.
Mit salpetriger Säure entwickeln die Aminosäuren Stickstoff wie die primären
Amine. Feste Derivate werden hauptsächlich mit Hilfe der Schotten-Baumann-
Reaktion, wie bei den primären und sekundären Aminen beschrieben, dargestellt,
doch ist ein Überschuß von Benzoylchlorid hier zu vermeiden, da die N-Benzoyl-
aminosäuren von Benzoesäure nicht immer so glatt trennbar sind wie im Fall der
Hippursäure (S. 636).
714 Kapitel XVI. Qualitative Analyse

Man muß zunächst feststellen, ob Halogen aliphatisch oder aromatisch gebun-


den ist. Dazu kocht man 30 min mit 2N methanolischer KOH und prüft dann mit
Salpetersäure und Silbernitrat auf abgespaltenes Halogen. Die meisten aliphatischen
Halogenverbindungen reagieren hierbei positiv, jedoch auch solche aromatische, bei
denen das Halogen durch o- oder /?-ständige Akzeptorsubstituenten wie —NO 2 ,
-CN oder -COR gelockert ist.
Zur Gewinnung fester Derivate werden aliphatische Halogenide in die Grignard-
Verbindungen übergeführt und diese mit Isocyanten umgesetzt. Isothiuroniumsalze
oder /J-Naphthylether können dargestellt und als Pikrate charakterisiert werden.
Aromatische Halogenide werden in der Regel wie aromatische Kohlenwasserstoffe
nitriert oder anderen elektrophilen Substitutionen unterworfen.

Umsetzung von Grignard-Verbindungen mit Isocyanaten


ArNCO
R-X _Mi_» R-MgX > RCONHAr

Man setzt 1 g des Halogenids in einem trockenen Reagenzglas mit 0,3 g Magnesium in
15 ml absol. Ether um. Wenn die Bildung der Grignard-Verbindung beendet ist (S. 431),
filtriert man unumgesetztes Magnesium durch etwas Glaswolle ab und setzt dem Filtrat
die Lösung von 0,5g eines aromatischen Isocyanats in 1OmI absol. Ether zu. Man
schüttelt, läßt 10 min stehen, zersetzt dann mit verd. Salzsäure, trennt die Etherphase ab,
trocknet mit Natriumsulfat, dampft ein und kristallisiert den Rückstand aus Methanol,
Ether oder Petrolether.

S-Alkylisothiuronium-Pikrate
Man kocht 0,5 g Alkylbromid oder -iodid und 0,5 g gestoßenen Thioharnstoff 2 min in
5 ml Alkohol. Dann fügt man eine heiß gesättigte Lösung von 0,4 g Pikrinsäure in
Ethanol hinzu, filtriert und kristallisiert aus Ethanol um.
Alkylchloride können manchmal durch Zusatz von 1 g Kaliumiodid und etwas Wasser
ebenso umgesetzt werden.

Alkyl-ß-naphthylether
1 g Alkylhalogenid, 2g 2-Naphthol und 1 g Kaliumhydroxid werden 15min in 1OmI
Ethanol gekocht. Man verdünnt mit 20 ml 2N NaOH oder KOH und kühlt ab. Wenn sich
Kristalle abscheiden, werden diese abgesaugt und aus Ethanol oder wässerigem Ethanol
umkristallisiert. Andernfalls ethert man aus, dampft die Etherphase ein, nimmt mit wenig
Ethanol auf und vereinigt mit der heiß gesättigten Lösung von 0,5 g Pikrinsäure in Ethanol.
Nach kurzem Aufkochen kühlt man ab, die abgesaugten Kristalle werden mit wenig
Ethanol gewaschen.
Weiterführende Literatur zur organischen qualitativen Analyse 715

Weiterführende Literatur

H. Staudinger, Anleitung zur organischen qualitativen Analyse, 7. Aufl., Herausg. W. Kern und
H. Kämmerer, Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1968.
H. Roth e. a., Analytische Bestimmung der wichtigsten funktionellen Atomgruppen und Verbin-
dungsklassen, Methoden der organischen Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. /,
S. 249, Thieme, Stuttgart 1953.

Weiterführende Literatur mit Schmelzpunktstabellen

R. L. Shriner, R. C. Fuson und D. Y. Curtin, Systematic Identification of Organic Compounds,


5. Aufl., J. Wiley and Sons, New York-London 1956; dieselben und T.C. Morill, 6. Aufl., 1979.
W. Kemp, Qualitative Organic Analysis, Rev. Aufl., McGraw-Hill, London 1979.
Organikum, Organisch-Chemisches Grundpraktikum, 15. Aufl., Verlag der Wissenschaften,
Berlin 1976.

Schmelzpunktstabellen

R. Kempf und F. Kutter, Schmelzpunktstabellen zur organischen Molekularanalyse Vieweg,


Braunschweig 1928.
W. Utermark, Schmelzpunktstabellen organischer Verbindungen, 2. Aufl., Vieweg, Braunschweig
1963.
CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, 3. Aufl., Herausg. Z. Rappo-
port, Chemical Rubber Co. Press, Cleveland 1967.
D'Ans-Lax, Taschenbuch für Chemiker und Physiker, 3. Aufl., Bd. 2, Herausg. E. Lax und
C. Synowietz, Springer, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1964.
716 Anhang

Anhang

Mixotrope Reihe einiger Lösungsmittel


Die Stellung eines Lösungsmittels in der mixotropen Reihe wird von seiner Tendenz
zur Bildung von Wasserstoffbrücken bestimmt. In der folgenden Aufstellung sind die
Anfangsglieder am hydrophilsten, die Endglieder am lipophilsten. Man beachte, daß
die Werte der zugehörigen Dielektrizitätskonstanten zum Teil starke Abweichungen
von dieser Reihenfolge zeigen.
Die ersten zwölf Glieder der mixotropen Reihe sind unbegrenzt mit Wasser misch-
bar.

Lösungsmittel DK Lösungsmittel DK
Wasser 81,1 Benzylalkohol 13
Formamid 84 Essigester 6,1
Ameisensäure 58,5 Diethylether 4,4
Acetonitril 38,8 Nitromethan 39
Methanol 31,2 Methylenchlorid 9,1
Essigsäure 6,3 Chloroform 5,1
Ethanol 25,8 Dichlorethan 10,0
Isopropanol 26 Trichlorethan 10,4
Aceton 21,5 Benzol 2,2
Dioxan 3 Trichlorethylen 3,4
Tetrahydrofuran U Toluol 2,3
tert-Butanol 11,2 Xylol 2,6
Tetrachlorkohlenstoff 2,3
2-Butanol 15,8 Schwefelkohlenstoff 2,6
Methylethylketon 18 Dekalin 2,1
Cyclohexanon 18,2 Cyclohexan 2,1
n-Butanol 19,3 Hexan, Petroleumbenzine 1,9
Cyclohexanol 15

Siedepunkte unter vermindertem Druck


Die folgende Tabelle kann — wegen des mehr oder weniger nicht-idealen Verhaltens
der verschiedenen Verbindungen - nur in Annäherung die Abhängigkeit des Siede-
punkts vom Druck wiedergeben. Vergleiche S. 39.

Druckabhängigkeit der Siedepunkte

Druck (in Torr)


760 0,1 10 20 50 100 200 400 760
-100 - 76 - 67 - 53 - 42 - 29 - 16
+ 10 - 91 - 67 - 57 - 44 - 33 - 20 - 6 -h 10
20 -106 - 86 - 62 — 52 - 37 - 25 - 11 + 3 20
30 -100 - 79 - 53 - 43 - 29 - 17 - 2 12 30
40 - 92 - 72 — 45 - 34 - 21 - 8 + 7 22 40
50 - 84 - 63 - 35 - 25 - 9 + 2 17 32 50
60 - 77 - 55 — 26 - 16 - 1 12 28 42 60
70 - 73 - 50 - 21 - 10 + 6 19 35 51 70
Tabellen-Anhang 717

Druck (in Torr)


760 0,1 1 10 20 50 100 200 400 760
80 - 69 - 44 - 14 - 3 12 27 44 60 80
90 - 65 - 40 - 8 + 3 20 36 53 69 90
100 - 61 - 35 - 2 10 28 43 61 78 100
110 - 56 - 29 + 6 18 37 52 71 88 110
120 - 51 - 23 13 26 45 60 80 98 120
130 - 45 - 17 19 33 53 68 88 108 130
140 - 39 - 12 24 39 59 76 97 117 140
150 - 32 - 5 31 46 66 84 106 126 150
160 - 26 -I- 1 38 52 73 92 114 135 160
170 - 21 6 46 60 82 101 124 144 170
180 - 13 15 55 70 93 111 134 154 180
190 - 4 25 66 82 105 122 144 164 190
200 + 3 34 74 90 113 131 154 174 200
210 9 40 80 97 119 139 163 184 210
220 15 47 88 105 128 149 173 194 220
230 21 53 96 112 136 157 181 203 230
240 28 60 106 122 146 166 190 212 240
250 35 67 113 129 155 175 199 221 250
260 40 72 118 134 160 182 206 230 260
270 45 77 123 139 166 189 215 240 270
280 51 84 130 147 176 199 224 250 280
290 57 91 139 156 184 207 233 260 290
300 63 101 152 170 196 216 243 270 300

320 75 114 165 184 211 235 262 290 320


340 86 126 180 198 226 252 280 309 340
360 100 140 194 214 242 268 296 329 360
380 110 153 208 228 259 284 313 346 380
400 125 168 224 245 275 300 331 364 400
420 138 180 238 260 290 317 346 380 420
440 149 192 252 274 306 334 365 400 440
460 159 205 266 288 323 354 384 420 460
480 173 220 282 304 341 372 402 440 480
500 189 236 299 321 361 392 422 460 500

Konzentrationen handelsüblicher Säuren


Säure Gew.-Proz. Dichte Normalität
Ameisensäure 98-100 1,22 26-26,5
Eisessig 99-100 1,06 17,5-18
konz. Phosphorsäure 85 1,69 44
konz. Phosphorsäure 89 1,75 47,5
konz. Salpetersäure 65 1,40 14,5
rauchende Salpetersäure ca. 99 1,51 21
konz. Salzsäure 32 1,16 10
konz. Salzsäure 36 1,18 11,5
rauchende Salzsäure 38 1,19 12,5
konz. Schwefelsäure 95-97 1,84 35,5-36,5
rauchende Schwefelsäure
ca. 65% SO2 1,99
718 Anhang

Dichte von Ammoniaklösungen


Prozent NH 3 2,00 5,00 10,00 15,00 20,00
Dichte bei 200C 0,989 0,977 0,957 0,939 0,923
Prozent NH 3 25,00 30,00 35,00 40,00 45,00
Dichte bei 200C 0,907 0,892 0,876 0,861 0,845

Herstellung von Mischungen bestimmter Konzentration


Man beachte, daß - falls nicht ausdrücklich anders vermerkt - sich in der Chemie
Konzentrationsangaben immer auf Gewichtsanteile des gelösten Stoffs pro Volumen-
einheit der Lösung beziehen. [Bei 25proz. Schwefelsäure sind also 25,0 g (= 13,6 ml)
reine Säure mit Wasser auf 100 ml verdünnt.] - IM (molar) bedeutet, l Liter enthält
l Mol; IN (normal) bedeutet, l Liter enthält l Grammäquivalent.
Manchmal dient die Dichte als Konzentrationsmaß (z. B. bei starker Salpetersäure).
In diesen Fällen verwendet man zur Einstellung der Lösungen Areometer (Senk-
spindeln), die, in einer Flüssigkeit schwimmend, deren Dichte entsprechend tief ein-
tauchen.
Die Herstellung von Lösungen bestimmter Konzentration aus zwei Lösungen mit
anderen Prozentgehalten wird durch das Mischkreuz („Andreaskreuz") erleichtert:
A% B%
\ X Beispiel:
1
BmI

In dieses trägt man oben die Prozentgehalte der Ausgangslösungen (A und B;


reines Lösungsmittel gleich Null), in der Mitte die Prozente der gewünschten Lösung
ein, bildet jeweils in Pfeilrichtung die Differenzen und liest dann unten die zusammen-
zufügenden Volumenteile ab. Dabei sind Volumenkontraktionen vernachlässigt.
(Beispiel: 20 ml 96proz. Alkohol plus 76 ml Wasser geben 96 ml ca. 20proz. Alkohol.)

Phosphatpuffer nach Sörensen


9,073 g Kaliumdihydrogenphosphat p. A. (Lösung K) und 11,876 g Dinatriumhydro-
genphosphat p. A. (Lösung N) werden getrennt in destilliertem Wasser (2O0C) zu
einem Endvolumen von je 1000ml gelöst. Diese Vi 5 molaren Lösungen geben in
folgendem Verhältnis gemischt die angegebenen pH-Werte bei 2O0C.

pH 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0


K 99,05 96,1 87,9 68,7 38,8 14,8 3,1
N 0,95 3,9 12,1 31,3 61,2 85,2 96,9

Pufferwert ß (Maß für die Pufferkapazität) = 0,03. Das heißt z. B.: l ml IN Säure
verändern 1000 ml Pufferlösung von pH 7,0 zum pH 6,97.
Tabellen-Anhang 719

Temperaturabhängigkeit des Puffers vom pH 7,0: zwischen 20 und 5O0C etwa


-0,0013 pH/Grad und zwischen 50 und 9O0C etwa +0,001 pH/Grad.
Verdünnungseinfluß A pH/2 (also pH-Änderung beim Verdünnen des Puffers auf
das doppelte Volumen): 0,06. Das heißt z.B.: Der mit pH 7,00 angegebene Puffer
hat bei halber Konzentration pH 7,06.

Säure-Base-Indikatoren
Umschlag Grenzfarben Indikatorlösung
Indikator-Name pH-Gebiet sauer-basisch (A = Alkohol)
Thymolblau (s. u.) 1,2- 2,8 rot-gelb 0,l%in20proz.A.
Bromphenolblau 3,0- 4,6 gelb-blau 0,l%in20proz.A.
Kongorot 3,0- 5,2 blau-rot l % in Wasser
Methylorange 3,1- 4,4 rot-orange 0,1% in Wasser
Methylrot 4,4- 6,2 rot-gelb 0,2% in 90proz. A.
Lackmus 5,0- 8,0 rot-blau 0,5% in 20proz. A.
Bromthymolblau 6,0- 7,6 gelb-blau 0,l%in20proz.A.
Phenolrot 6,4- 8,2 gelb-rot 0,l%in20proz.A.
Thymolblau (s. o.) 8,0- 9,6 gelb-blau 0,l%in20proz.A.
Phenolphthalein 8,2- 9,5 farblos-rot 0,l%in70proz.A.
Thymolphthalein 9,3-10,5 farblos-blau 0,l%in90proz.A.

12
Tabelle der wichtigsten Atommassen (nach IUPAC auf C = 12,00 bezogen)
Aluminium 26,98 Magnesium 24,31
Barium 137,34 Natrium 22,99
Bor 10,81 Phosphor 30,97
Brom 79,91 Quecksilber 200,59
Calcium 40,08 Sauerstoff 15,99
Chlor 35,45 Schwefel 32,06
Eisen 55,85 Silber 107,87
Fluor 18,99 Silicium 28,09
Jod 126,90 Stickstoff 14,01
Kalium 39,10 Wasserstoff 1,01
Kohlenstoff 12,01 Zink 65,37
Liste der gebräuchlichsten Abkürzungen

9-BBN 9-Borabicyclononan 538, 541, 543


DCC Dicyclohexylcarbodiimid 319, 482,
DDT Dichlordiphenyltrichlorethan 377
DMF A^V-Dimethylformamid 114, 169,
DMSO Dimethylsulfoxid 114, 169,
DNS Desoxyribonucleinsäure 688,
DON L-Diazo-oxonorleucin 638,
EDTA Ethylendiamin-tetraacetat 355, 475,
HMPT Hexamethylphosphorsäure-triamid 169, 442, 445,
KPG kerngezogene Präzisions-Glasgeräte 18, 19, 130,
LDA Lithium-diisopropylamid 445, 446, 448, 450,
MAK Maximale Arbeitsplatz-Konzentration 136,
NAD Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid 676
NADH dasselbe in der hydrierten Form 676,
NADP Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid-phosphat 676,
NADPH dasselbe in der hydrierten Form 676,
NIH National Institutes of Health 276,
NMR Nuclear Magnetic Resonance 701,
PAS p-Aminosalicylsäure 273,
PEG Polyethylenglykol 155,
RNS Ribonucleinsäure 688
THF Tetrahydrofuran 116, 435
Sach- und Namenregister

(Fettgedruckte Seitenzahlen verweisen auf Arbeitsvorschriften)

2,4-Dinitrophenylhydrazon 348
Abramovitch, R. A. 425 Oxim 348, 350
Absaugen 70, 71 Acetoxycrotonsäure-ethylester 417
Acenaphthylen, Photodimerisierung 477 Acetylaceton 401, 403
Acetaldehyd 218, 338, 340, 341, 342, 343, Keto-Enol-gleichgewicht 411
354, 363, 436, 478, 692 N-Acetylaminozucker 648
aktiver 380 Acetylbenzoylperoxid 473
Autoxidation 473 Acetylchlorid303, 308, 314
Dinitrophenylhydrazon 348 Hydrolyse 307
Reduktion mit 342 Acetylen 215, 217
Acetaldehydammoniak 344, 479, 667 Acetylendicarbonsäure-dimethylester 202
Acetaldehyd-diethylacetal 338 Acetylene siehe Alkine
Acetaldehydharz 363 Acetylenmagnesiumbromid 437
Acetaldol 363 jV-Acetylglucosamin 648
Acetale 339, 366 7V-Acetyl-ö-toluidin 655, 659
Acetalisierung 301 Acridin 684
Acetamid 312, 315, 324 Acrolein 365, 680
Hydrolyse 315 Acrylnitril 217, 423
Acetamide 710 Acrylsäure 294
Acetamid-quecksilber 315 Acylanion-Äquivalente 445
4-Acetaminobenzolsulfochlorid 250 Acylierung, nucleophile 445, 462
3-Acetamino-5-dihydroxyethyl-furan 648 Acyloine 379, 381, 397
Acetaminomalonsäure-diethylester 421, Acyloinkondensation (Ringschluß) 382,
422, 423 397
Acetanhydrid siehe Essigsäureanhydrid Acyloinreaktion 649
Acetanilid 314, 348 jV-Acylpyridiniumsalze 673
Acetessigester siehe Acetessigsäure-ethyle- Adamantan 344
ster Adams, R. 554
Acetessigester-ethylenacetal 339 Addition, nucleophile 337
Acetessigsäure-ethylester 339, 375, 401, Additionsreaktionen 183, 190
409, 412, 413, 417, 667, 682 Adenin 691
Keto-Enol-Gleichgewicht 412 Adermin 672
Acetoacetyl-/?-toluidin 682 Adipindialdehyd 501
Acetoin 380 Bis-semicarbaron 501
Acetomilchsäure 380 Adipinsäure 296, 331
Aceton 218, 330, 362, 385, 402, 472, 652, aus Cyclohexanol 488
653, 655 Adipinsäure-diethylester 296, 535
2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Adrenalin 373
Lösungsmittel 111 Adsorptionschromatographie 79, 91
Phenylhydrazon 655 Äpfelsäure 687
Semicarbazon 330, 347 äquatoriale Gruppen 388, 488
Acetonitril 269, 324, 434 Aktivität, optische 123, 358
Acetophenon 215, 218, 340, 348, 357, Alane 453
362, 434 ß-Alanin 323
724 Sach- und Namenregister

D,L-Alanin 315, 354 Alkylhalogenide 146


L-Alanin 359 aus Boranen 542
aus Cystin 557 Alkyl-2-naphthylether 714
ß-Alaninester 424 Alkylnitrite 148, 164
Aldehydammoniak siehe Acetaldehydam- N-Alkylpyridiniumsalze 673, 695
moniak S-Alkylthiuronium-Pikrate 714
Aldehydcollidin 669 Allantoin 691
Aldehyde Alloxan 691
Addition an akt. Doppelbindungen 380, Allozimtsäure 372
426 Allylacetessigester 418
aus Alkoholen 480, 504 Allylalkohole
aus Carbonsäureamiden 537, 558 durch Selendioxidoxidation 499
aus Carbonsäurechloriden 538, 549, 559 in der Simmons-Smith-Reaktion 441
durch Hydroborierung von Acetylenen Allylbenzol 454
543 Allylbromid 159, 346
Nachweis 705 Allylbromierung 196
durch /tosemwnd-Reduktion 549 Allychlorid 196
nach Stephens 517 2-Allylcyclohexanon 345, 346
nach Stevens 546 A\\yl-Grignard-Verbindungen 439
a,ß-unges. durch Grignard-Reaktion 439 Allylhydroperoxide 472, 474, 477
Aldehydimine nach Stephens 517 Allylphenol 418
Alder, K. 200 Allyl-triphenylphosphoniumbromid 159,
Aldolase 365 455, 456
Aldolkondensation, gezielte 447, 462 Aluminium-teAt-butylat 535
sonst siehe Aldolverknüpfung Aluminium-ethylat 533, 534
Aldolverknüpfung 361, 367 Aluminium-isopropylat 535
an Picolinen 675 Aluminium-organische Verbindungen 453,
Aldonsäuren 391, 495 463
Aldopyranose 388 Aluminiumoxid 80, 83, 95, 96, 107, 108,
Aldosen 388, 390 113—116
Aldoxime 523 Aluminium-phenolat 535
Alizarin 564, 565, 574 amalgamiertes Zink 514
Alkalidiazotate 610 ambidente Anionen 411, 416
Alkalimetalle, Vernichtung 135 ambidente Ionen 165
Alkaloide 670, 675, 684, 693, 696 Ameisensäure 294, 493
Alkene siehe Olefine Ameisensäureester, Reaktion mit Gr/-
Alkine 183, 215 g/«zrd-Reagens 439
Ozonspaltung 504 Amide siehe Carbonsäureamide
Alkoholdehydrogenase 676 Amine, siehe auch aliphatische, aromati-
Alkohole sche
äquatoriale, axiale, Oxid. 488 Nachweis 710
aus Aldehyden 511, 512, 537, 539 Trennung von Neutralstoffen 698
aus Boranen 541 Trennung prim. von sek. 158, 698
aus Carbonsäuren 537, 543 Verhalten gegen salpetrige Säure 710
durch Grignard-Reaktion 431, 438 Amine, aliphatische 156
durch Hydroxymercurierung 454 Amine, aromatische
Nachweis 703 Basizität 518, 533
Oxidation 468 Charakterisierung 518
Alkoxycrotonsäure-ethylester 417 durch red. Spaltung von Azoverbindun-
Alkyldiazotat 624 gen 526
Alkylfluoride 170 ß-Aminoanthrachinon 655
Sach- und Namenregister 725

p-Aminoazobenzol 601, 606 Anisil 383


o-Aminobenzaldehyd 532 Anisoll52, 515
/7-Aminobenzoesäure 490, 604, 692 18-Annulen226
p - Aminobenzolsulfonsäureamid, Diazotie- Anomere 389
rung 604 Anschützaufsate 5, 6, 22, 130
2-Aminochinolin 671 Anschütz-Thiele-VoTstoß 42, 43, 130
4-Amino-2,5-dimethoxyphenyl-ß-hydro- Anthocane 678, 695
xyethylsulfon 609 Anthocyanidine 678, 695
p-Aminodimethylanilin 576, 579, 604 Anthracen 253, 477, 573, 620
Acetylderivat 577, 607 Anthrachinon 564, 565, 569, 573
Hydrochlorid 576 Anthrachinon-1-sulfonsäure 250
Ö-Aminolävulinsäure 644 Anthrachinon-2-sulfonsäure 250, 564, 565
l-Aminonaphthalin-4-sulfonat 608 Anthrahydrochinon 569, 574
l-Amino-4-naphthol 566 Anthranilsäure 323, 607, 620, 651, 653,
4-Amino-5-nitrosouracil 689 654
o-Aminophenol 680 Diazotierung 620
/?-Aminophenol 521, 624 Antioxidantien 475, 678
o-Aminophenole 660 Antipoden 358
Aminoplast 649 Antipyrin 660
3-Aminopropionsäure 323 Appel, R. 329
2-Aminopyridin 671 D-Arabinose 391
3-Aminopyridin 321, 672 Arenoxide 276
Aminopyridine 671, 672 Arine 282, 287
Aminosäureester-hydrochloride 316 Arndt-Eistert-Homologisierung 630, 633,
a-Aminosäuren 315 640
Nachweis 711 Aromaten 223, 259
Synthesen 157, 355, 371, 373, 422, 423, Halogenierung 227
634 Nitrierung 234
Transaminierung 672 NMR 226
Aminosäuresequenz 318 Sulfonierung 244
/7-Aminosalicylsäure (PAS) 273 aromatische 5-Ringheterocyclen 643
2-(Aminosulfonyl)benzoesäure 248 aromatischer Zustand 223, 225
4-Amino-uracil 686, 687, 689 Arsonsäuren 613, 614
Aminoxide 491 ß-Arylamino-crotonsäureester 681
o-Aminozimtsäure 532 Arylazide 613, 614, 623, 640
Ammoniaklösungen, Dichte 718 Arylisocyanat 714
Ammoniumhydrogensulfid 531 Aryloxyessigsäuren 709
Ammoniummucat 644 Arylpentazol 613, 614, 662
Ampullen 106 Af-Arylpyridiniumsalze 673, 695
Amygdalin 361 Aryltriazene 623
a-Amylasen 392 Ascaridol 476
Analyse, qualitative 697, 699, 715 L-Ascorbinsäure 391, 392
Aneurin 662, 663 ataktiches Polymer 210
Anhydride siehe Carbonsäureanhydride Atebrin 684
Anilide siehe Carbonsäureanilide Atkins, H. 548
Anilin 229, 314, 344, 394, 490, 516, 518, Atmungskette 676
519, 526, 527, 528, 529, 533, 567, 594, Atomabstand C,C 183
604, 606, 649, 674, 679, 707 Atommassen 719
Anilinochinon 567, 570 Attenburrow, J. 484
2-Anilino-thiazol-5-on 529 Aufheller, optische 609, 640
Anilinschwarz 564 Aussalzen 68
726 Sach- und Namenregister

Ausschütteln 61 Baker-Nathan-Eftekt 239


Austauscherharze 84 Bamberger, E. 522, 611
Autoklaven 28 Barbiturate 688
Autoxidation 471 Barbitursäure 294, 688
des Acetaldehyds 473 Bariumoxid zum Trocknen 114, 116
der aliphatischen Ether 473 ßflrf-Reaktion 613, 614
des Benzaldehyds 473 Basenkonstante 292
von Cumol 472, 503 Bayer, E. 678
des Cysteins 475 Baylon 213
lichtinduzierte 476 Bechamp, M. A. 517
von Thiophenol 530 Becke, F: 325
der unges. Öle 474 Beckmann -Umlagerung 348, 350, 351, 366
axiale Gruppen 388, 488 Beilstein-Probe 126, 713
L-Azaserin 638, 639 Beizen-Farbstoffe 565
Azeotrop-Destillation 51 Bengal Rosa 476, 584
Azide als 1,3-Dipole 207 Benzacetoin 381
Azidobenzol siehe Phenylazid Benzalacetophenon 362
Azine 348 Benzaldehyd 174, 338, 343, 344, 347, 348,
Azlacton 371, 372, 373, 397 360, 361, 362, 371, 372, 377, 379, 432,
Azobenzol 490, 521, 524, 525 433, 456, 523, 594
Konfiguration 525 Autoxidation 473
photochemische Umlagerung 525 Oxim 350
Azobenzol-4-carbonsäure (300), 490 Phenylhydrazon 347, 594
Azobenzol-4-carbonsäurechlorid 304, 704 Semicarbazon 331
2,2'-Azobis-(isobutyronitril) 176, 198, Benzaldoxim 350
211, 356, 631 Benzamid 314
Azodicarbonsäureimide 203 Benzamide 710
Azofarbstoffe 601, 639 Benzaurin 580
Azoisobutyronitril siehe 2,2'-Azobis-(iso- Benzhydrol 432, 540
butyronitril) Benzidin 524, 608
Azokupplung 601, 639 Benzidinfarbstoffe 608
Geschwindigkeit 602 Benzil379, 383, 384, 514
Azomethan 631 Benzilkalium 383
Azomethine 344 Benzilosazon 383
mit ONC6H4(CH3)2 500 Benzilsäure 384
Azomethinimin 208 Benzilsäureumlagerung 384, 397
Azoverbindungen Benzimidazol 660
reduktive Spaltung 526, 604, 607 l,2-Benzisothiazol-3(2H)-on-dioxid 248
symmetrische 524, 525 o-Benzochinon 563, 564, 569, 572
unsymmetrische 490, 601 p-Benzochinon 202, 521, 535, 537, 563,
Azoxybenzol 282, 491, 521, 527 564, 567, 568, 569, 577, 578, 579
Azoxyverbindungen 491, 526 Benzoesäure 174, 294, 296, 304, 377, 473,
Azulen 214, 218, 227, 674, 675 627
Benzoesäureanhydrid 309, 310
B Benzoesäure-benzylester 378
Babo-TnchtQT 9, 10, 132 Benzoesäureester 704
Baeyer, A. v. 511, 653 Benzoesäure-ethylester 433
Baeyer'sche Probe 186, 193, 487 Benzoesäure-methylester 296
Baeyer-Spannung 263 Benzofuran 658
Baeyer- K////ger-Reaktion 497, 505 Benzoin 379, 383, 386, 397, 514
Bakelite 374 Ketyl 383
Sach- und Namenregister 727

Benzol 218, 223, 224, 225, 227, 234, 244, Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid 200
253, 259, 260, 261, 264, 265, 618 Benzyl-triphenylphosphoniumchlorid 45 7
Lösungsmittel 112 Benzylurethan 323
aus Phenylhydrazin 622 Bergmann, M. 316
Struktur 223, 225 Bernsteinsäure 310, 320, 419
[D6]Benzol 245 Bernsteinsäureanhydrid 260, 310, 373
l-Benzolazo-2-naphthol 605 Berthelot, M. 218
4-Benzolazo-l-naphthol 605 Berufsgenossenschaften, Richtlinien 133
Benzoldiazoacetat 611 Bestmann, HJ. 458
Benzoldiazoniumchlorid 617, 621, 662 Betanidine 682
Benzoldiazoniumsulfat 604, 605, 606, 615 Betanin 682
Benzoldicarbonsäuren 485 Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-frans-dicarbon-
Benzol-w-disulfonsäure 245 säure 201
Benzolsulfochlorid 245, 246, 529, 530 -diethylester 201, 203
Benzolsulfonamid 246 Bindschedlers Grün 578, 579
Benzolsulfonamide 711 Bindung, kovalente 141
Benzolsulfonsäure 244, 294 Bindungsenergie C5C 183
Benzol-l,3,5-trisulfonsäure 245 Biphenyl 283, 440
Benzonitril 617 Biphenyl-2,2'-dialdehyd 501, 502
Benzophenon 259, 444, 460, 540 Bis-2,4-dinitrophenylhydrazon 502
-hydrazon 627 Dioxim 503
Benzopyran 678 Biphenylenglykolsäure 384
Benzothiodiazol 660 Birch,AJ. 511
Benzothiophen 658 B/rc/i-Reduktion 512, 513, 515
Benzoxazolon 662 Bis-chlormethylquecksilber 629, 632
Benzoylaceton 403 4,4'-Bis-dimethylaminobenzophenon 581,
Benzoylchlorid 259, 304, 312, 314, 346, 582
636, 704, 710 Bis-(endo-ethylen)-octahydroanthrachinon
Hydrolyse 307 568, 570
2-Benzoylcyclohexanon 346 Bismarckbraun 532
Benzoyl-diacetylmethan 411 Biuret 328, 329
3-Benzoylpropionsäure 260, 263, 514, 544 Blankophor BBH 610
Benztriazol 659 Blasenzähler 25
a-Benzylacetessigester 413, 414 Blaugel zum Trocknen 106, 107, 108
Benzylalkohol 160, 306, 377 Blei(IV)-acetat 487, 497, 505
Benzylamin 708 Bleibenzylsulfid 162
Benzylchlorid 150, 160, 161, 173, 174, Bleidioxid, aktives 582
413, 415, 417, 447 Bodenkolonne 47, 48
Benzylcyanid 150, 326, 408 Böeseken, J. 389
2-Benzyl-l,3-cyclohexandion 415, 544 Bohn, R. 655
Benzyl-Gng/iard-Verbindungen 439 Bombenrohre 27
N-Benzylidenanilin 344 9-Bora-bicyclononan 538, 541, 543
B enzylidendichlorid 174 Borane 453, 541
Benzylisothiuroniumbromid 160 Borneol 386
Benzylmagnesiumchlorid 434 Bouveault, L. 381
Benzylmercaptan 160 Brände 134
Benzyloxycarbonyl-D,L-alanin 315, 317 Braunstein, aktiver 483
Benzyloxycarbonylchlorid 306, 315 Braunstein-Oxidation 483, 505
Benzyloxycarbonylrest 316, 319 Brechungsindex 122
Benzylthiuroniumchlorid 713 Bredereck, H. 661
Benzylthiuroniumsalze der Sulfonsäuren 713 Bredt-Vorstoß 43
728 Sach- und Namenregister

Brenzkatechin 571, 572 2-Buten, Hydrierung 547


Brenzschleimsäure 648 cw-2-Buten 199
Brenztraubensäure, 294 Butenandt, A. 657
Spaltung mit Hydrogenperoxid 495 Butenon 425
Brönstedt, J. N. 291 2-Butin-l,4-diol218
Brönsted- Säuren 171 Buttergelb 601, 607
N-Bromacetamid 322 n-Buttersäure 303, 414, 415
Bromacetessigester 410 Buttersäureanhydrid 309
Bromacetylene 437 Buttersäure-ethylester 381
p -Bromanilin 613, 707 n-Butylalkohol, Lösungsmittel 112
Brombenzol 174, 227, 432, 433, 434, 683 se£-Butylalkohol, Lösungsmittel 112
p-Brombenzoesäure 305 terf-Butylalkohol 145
p-Brombenzoldiazocyanid 613 Lösungsmittel 112
p-Brombenzoldiazoniumchlorid 613 n-Butylbromid 443
/7-Brombenzolsulfonylrest 248 n-Butylchlorid 443
/?-Brombenzoyl chlorid 305 terf-Butylchlorid 145
7-Brom-l,3,5-cycloheptatrien 226 n-Butyllithium 442, 443, 444, 445, 448,
3-Bromcyclohexen 197 450, 455, 458
Bromessigsäure-ethylester 440 sec-Butyllithium 442
Bromessigsäure-methylester 159 terf-Butyllithium 442
Bromethan siehe Ethylbromid terf-Butyloxycarbonylrest 319
o -Bromfluorbenzol 620 Butyroin 381, 382, 386
Bromierung von Carbonsäuren 176 y-Butyrolacton 311
2-Bromisovaleriansäure 156, 176 Butyrophenon 418
Brommethan siehe Methylbromid Butyrylchlorid 303
/7-Bromphenacylbromid 706
p-Bromphenacylester 706
Af-Brompyridiniumbromid 672
W-Bromsuccinimid 197, 198, 219, 234, Cadmium-organische Verbindungen 440,
323 441, 462
a-Brom-tetracetyl-D-glucopyranose 390, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 358, 367
395 Cahn, R. S. 359
Bromtitration 409, 410, 411, 412 Cainelli, C. 190
10-Bromundecansäure 192 Calciumchlorid zum Trocknen 106, 107,
11-Bromundecansäure 193 116
Brosylrest 248 Calciumhydrid zum Trocknen 114
Brown, H. C. 193, 285, 537, 538, 539, Calciumoxid zum Trocknen 111
541, 554 Calciumsulfat zum Trocknen 111, 114
Bucherer, H. Th. 278 Camphen 386
Buchner, E. 638 Campher 214
Büchner-Trichter 71, 131 Cannizzaro-Reaktion 377, 397, 649
Buna 211 e-Caprolactam 350
Bunsenventil 25, 26 Polymerisation 352
Bunte-Saize 161, 531 Carbaminsäuren 328
1,3-Butadien 195, 196, 211 Garben 199, 630
1,3-Butadiin 218 Singulett 199, 631
1,4-Butandiol 648 Triplett 199, 631
Butanole siehe Butylalkohole Carbeniumion 171
Butanon siehe Ethylmethylketon Carbinolbase 580, 581
n-Butanthiol 294 Carbocyanine 682
Butazolidin 524, 660 Carbodiimide 329
Sach- und Namenregister 729

Carbolinalkaloide 693 Charge-Transfer-Komplexe 252, 253, 254,


Carbonsäureamide 312, 332, 706 566, 568, 703
Hofmann-Abbau 321, 329, 332 Chelate 273, 476
Nachweis 712 mit Oxin 680
Carbonsäureanhydride 298, 303, 308, 310 Chelidonsäure 678
gemischte 309, 310 Chemikalienabfälle 137
Hydrolyse 310 Chemilumineszenz 477, 505
Nachweis 707 Chemisorption 511, 547
Carbonsäureanilide 707, 714 Chinaldin 681
Carbonsäureazide 323 Chinhydron 567, 568
Carbonsäure-aziridide 537 Chinin 684
Carbonsäure-N-benzylamide 708 Chinizarin 564, 574
Carbonsäurechloride 298, 303, 305, 306 chinoide Farbstoffe 575
Hydrolyse 307 Chinole 522, 570
Nachweis 707 Chinolimin 522
Carbonsäurederivate, Acylierungspotenz Chinolin 679, 680, 683, 695, 696
314 Chinolinsäure
Carbonsäureester 296, 297, 298, 302 aus Chinolin 486
Nachweis 698, 707 aus 8-Hydroxychinolin 485
a,ß-ungesättigte 440, 449 Chinon siehe Benzochinon
Verseifung 299 ö-Chinondiazide 599, 603, 660
Carbonsäurehydrazide 313, 323, 708 Chinon-diimin 563
Carbonsäure-imidazolide 537 Chinone 563, 596
Carbonsäuren 291, 302 Anlagerung von Nucleophilen 567, 569
durch Autoxidation von Aldehyden 472 Bromaddition 570
Bromierung 176 Diensynthese 202, 568, 570
durch Grignard-Reaktion 434, 438, 440 Normalpotential 568, 596
aus Malonsäuren 419 Chinonimin 575, 578
Nachweis 706 -Farbstoffe 575
Reduktion mit Diboran 543 Chinoxaline 383
durch Säurespaltung 419 chirales C-Atom 359
Trennung von Phenolen 698 Chitin 393
Carbonsäure-/? -toluolsulfonylhydrazide 5 46 Chloral 533, 534, 639
Carbonylgruppe, IR-Banden 337, 700 -hydrat 377, 534
Polarisierung 337 Chlorameisensäure-benzylester 306
Carbonyl-Olefinierung siehe Wittig-Reak- Chlorameisensäure-ethylester 317, 319
tion Chloramin T 247
Carbostyril 686 Chloranil 569, 570, 571
Cardiazol 351, 352, 661 /7-Chloranilin 612, 618, 624
Carius, G. L. 174 Chlor-p-benzochinon 569
Caro'sche Säure siehe Peroxyschwefelsäure ra-Chlorbenzoesäure 496
ß-Carotin 214 Chlorbenzol 235, 377
(-)-Carvon 557 p-Chlorbenzol-diazocyanid 612
Catechin 678 p-Chlorbenzoldiazoniumchlorid 612
Cava, M. P. 627 /7-Chlorbiphenyl 618
Celite 81 Chlorbuttersäuren 294
Cellobiose 393, 396 3-Chlorchinoline 656
Cellosolve 155 Chlorcyclohexan 144
Cellulose 393, 396 l-Chlor-2,4-dinitrobenzol 235, 279, 673
Cellulosepulver 82, 91, 92 Chloressigsäure 163, 176, 294, 413, 634,
Chalkone 364 651, 709
730 Sach- und Namenregister

Chlorhämin 694 Crotonaldehyd 363


Chloriodethylen 616 Crotonsäure 373
Chlorkalkreaktion 518 Cumarin 376, 610
Chlormethylierung 266, 267, 287 Cumarine 678
a-Chlormethyl-methylether 417 Cumaron 658
l-Chlormethylnaphthalin 266 Cumol 265, 267, 268, 472
Chlormethylquecksilberchlorid 629, 632 Cumolhydroperoxid 472
Chloroform 273 Cupferron 522
Lösungsmittel 113 Ciirriiis-Abbaii 323, 328, 332
Chlorophyll 476, 694, 695 Curtius, T. 323
m-Chlorperbenzoesäure 312, 496, 497 Cyanate 327, 328
2-Chlor-3-phenylpropionitril 619 Cyanessigsäure-ethylester 687
l-Chlor-2-propanol 192 ß-Cyanethyl-acetaminomalonester 423
3-Chlorpyridin 646 Cyanhydrin 379
N-Chlorsuccinimid 483 Cyanhydrinsynthese 360, 361
Chlortriazine 609, 688 Cyanidin-chlorid 678
2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol 253, 280 Cyaninfarbstoffe 649, 682, 696
ß-Chlorzimtaldehyd 271 Cyansäure 327
Chroman 678 Cyanursäure 688
Chromatographie 78 -Chlorid 688
Chromogen 648 Cycloaddition [2+2] 206, 207, 208, 477
Chromsäure-di-terf-butylester 486 1,3-dipolare 207, 219, 631, 661
Chromsäureester 488 von Ethoxycarbonylcarben 638
Cinchonin 361 Cyclobutadien 226
Cinnamylchlorid 159 Cyclodextrine 393
Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid c/s,fra«,s,frYws-l,5,9-Cyclododecatrien 196
159, 456 Cycloheptanon 633
Claisenauisatz 41, 130 Cycloheptatrien 631
Claisen-Kondensation 401, 403, 404, 446 Cycloheptatriencarbonsäureester 638
Claisen, L. 404, 417 1,3-Cyclohexadien 197, 201, 568
Claisen-Umlagerung 418, 427 Cyclohexancarbonsäure 434
Clarke, H. T. 357 frarcs-l,2-Cyclohexandiol 493
Clemmensen, E. Ch. 511, 512, 514 1,3-Cyclohexandion 415
Clemmensen-Reduktion 512, 514, 558 1,4-Cyclohexandion 2,5-dicarbonsäureester
Cocarboxylase 380 407
Coffein689, 691 Cyclohexanol 144, 186
Collidin 667, 668, 669 Cyclohexanon 345, 431, 435, 440, 459,
3,5-Collidindicarbonsäure-diethylester 667, 535, 633
668 Bisulfit-Additions-Verbindung 634
3,5-Collidindicarbonsäure, Kaliumsalz 668 Oxim 349, 497
Collins, J. C. 482 Cyclohexanonoxim 349, 350, 497
Conia, J. M. 441 Cyclohexen 186, 197, 200, 493, 501
Conrad, M. 681 Irans -Cyclohexen-4,5-dicarbonsäure-di-
Cope-Eliminierung 449, 493 ethylester 200, 203
Cope-Umlagerung 418, 427 2-Cyclohexen-l-on 513, 515
Corey, EJ. 163, 444, 448, 452, 482, 483 3-Cyclohexen-l-on 513
Cotton -Effekt 123 Cyclohexylamin 344, 497
Crafts, M. 262 Cyclohexylchlorid 144, 434
Cram, DJ. 545 Cyclohexylidenessigsäure-ethylester 459
Cramer, F. 393 ci5,ci5-l,5-Cyclooctadien 196, 541, 542
Criegee, R. 487, 497, 503 Cyclooctatretraen 218, 225, 226
Sach- und Namenregister 731

Cyclooligomerisierung 196 Dialkylquecksilber-Verbindungen 45 4


Cyclopentadien 201, 202, 203, 226 Dialursäure 691
Cyclopentadienchinon 202, 203 Dialyse 67
Cyclopentadienid-anion 226, 227 Diamantgitter 344
Cyclopentanon 331 Diaminobenzole 532
(Cyclopentylmethyl)bernsteinsäureanhydrid 2,4-Diamino-6-hydroxy-pyrimidin 687, 691
204 4,5-Diaminouracil 689
Cyclopropancarbonsäureester 638 2,5-Diaminovaleriansäure 636
Cyclopropanringe durch Cycloaddition Dianilinochinon 568, 570
199, 200, 638 Dianilinoethan 706
durch Simmons-Smith -Reaktion 441, Dianionen 449, 462
462 eryf/zro-Diastereomer 187
Cyclopropeniumion 227 r/zreo-Diastereomer 187
Cystein, Autoxidation 475, 476, 531 diastereomere Salze 358, 361
Cysteinsäure 531 Diazine 687
Cystin 475, 476, 531, 557 Diaziridin 628
Cytochrom b 694 Diazirin 628
Cytosin 687, 688 Diazoalkane 207, 599, 624, 640
durch Dehydrierung der Hydrazone 627
D Diazoaminobenzol 601, 604, 606
Darzens, G. 407 Diazoazide 613, 614
Dflrzms-Glycidestersynthese 365, 407, 426 Diazochinone 599, 603
DDT 377 Diazocyanide 611, 612
Decansäure-ethylester 448 Konfiguration 612
Decarbonylierung 687 Diazocyclopentadien 599, 628
Decarboxylierung 164, 420 Diazoessigester 599
(E)-2-Decensäure-ethylester 449 Diazoessigsäure-ethylester 634, 637 639,
Dehydracetsäure 420 640
Dehydrierung 468, 471, 504 Dimerisierung 638
prim. Alkohole 480 Reaktion mit Jod 637
Dehydrobenzol 282, 283, 287, 620 Reaktion mit Säure 637
Dehydrogenasen 676 Thermolyse, Photolyse 637
Dehydronaphthalin 283 Diazohydroxide 610, 619, 625
Depolymerisation 209 Konfiguration 610
Desmotropie 412 Diazoketone 599, 630, 633, 640
Desoxyribonucleinsäure 688 Diazomethan 301, 417, 624, 625, 626,
D-2-Desoxyribose 391 627, 628, 640
Destillationsapparatur 35 Cycloaddition 631
Desulfonierung 245 Gehaltsbestimmung 627
Dewar-Gefäß 16 Photolyse 631
Dextran 393 Reaktion mit Alkoholen 629
Dextrangele 81, 82, 83, 85 mit Carbonsäurechloriden 630, 633
Diacetamid 320 mit Carbonsäuren 301, 629, 632
Diacetbernsteinsäureester 420 mit Carbonylverbindungen 630, 633
1,2-Diacetoxyethan 297, 302 mit Grignard-Verbindungen 631
Diacetyl 383 mit Halogen 629
Spaltung mit Hydrogenperoxid 495 mit Phenolen 632
Diacetylen 218 mit Quecksilberchlorid 629, 632
Diactin 625, 626, 633 /?-Diazoniobenzolsulfonsäure 519, 566,
Dialkylhydroxylamine 493 602, 606, 646
Dialkylkupferlithium 452, 453 Diazoniumcyclopentadienid 599, 628
732 Sach- und Namenregister

Diazoniumionen 599, 639 W,N-Dichlor-p-toluolsulfamid 247


Kupplung 601, 639 Dicumarol 377
mit Anionen 610 Dicyclohexylcarbodiimid 319
mit Imidazol, Pyrazol, 1,3-Dicarbonyl- in der Pfitzner-Moffatt-Reaktion 482
verbindungen, Nitroalkanen 603 Dieckmann-Kondensation 407, 426
Reduktion 613, 614, 620 Dieckmann, W. 407
Verkochen 613, 614 Dielektrizitätskonstanten 81, 716
Diazoniumsalze 599, 639 Diels-AIder-Reaktion siehe Diensynthese
Kupplung 599, 601, 639 Diels, O. 200
L-Diazo-oxonorleucin 638 Diensynthese 200, 201, 219, 283, 568,
Diazosulfanilsäure 519, 566, 602, 606, 646 620, 648
Diazotate 610 Mechanismus 204
Konfiguration 610 Diethoxyethen, Reaktion mit Singulett-
Diazothiolate 613 Sauerstoff 477
Diazotierung 599, 639 Diethoxyphosphonato-essigsäure-ethylester
Diazotypie 603 459
DiazoVerbindungen 599 Diethylbarbitursäure 688
Dibenzalaceton 362 Diethylether, Lösungsmittel 113
Dibenzhydrylether 433 Diethylmagnesium 437
Dibenzopyridin 684 AVV-Diethyl-/?-phenylendiamin 578
Dibenzoylperoxid 176, 198, 209, 211, 215, Digerieren 59
312, 619 Diglykol 155
Dibenzylsulfid 161 Diglyme 155
Dibenzylsulfon 161 Dihalogenmethane aus Diazomethan 629
Diboran 541, 542 2,5-Dihydroanisol 513
Addition an die Dreifachbindung 543 1,4-Dihydrobenzoesäure 513
als Reduktionsmittel 543 Dihydrocarvon 557
p-Dibrombenzol 228 Dihydrochinolin 681
Dibrombernsteinsäure 191 Dihydrocollidindicarbonsäure-diethylester
l,2-Dibrom-3-buten 196 667
l,4-Dibrom-2-buten 196 Dihydroisochinoline 685, 696
1,2-Dibromethan 185, 297 Dihydropyran 678, 679
1,2-Dibromethylbenzol 192 Reaktion mit Singulett-Sauerstoff 477
1,6-Dibromhexan 143, 151 2,3-Dihydropyran-2-carbaldehyd 204
6,6'-Dibromindigo 653 Dihydro-1,2,4,5-tetrazincarbonsäure 638
fraAW-Di-terf-butylethylen 503 Dihydroxyacetonphosphat 365
Primärozonid 503 2,4-Dihydroxyacetophenon 269
Dibutyryl-osazon 382 2,6-Dihydroxy-4-amino-pyrimidin 687
Dicarbonsäuren, ungesättigte 373 1,2-Dihydroxyanthrachinon siehe Alizarin
ß-Dicarbonylverbindungen 401 1,4-Dihydroxyanthrachinon siehe Chinizarin
Säurespaltung 419, 420 2,4-Dihydroxybenzoesäure 272
7,7-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan200 Dihydroxymethyl-peroxid 470
Dichlorcarben 200, 274, 519, 627 2,4-Di(hydroxymethyl)phenol 376
Dichlordifluorethylen 207 Diimine 545, 546, 559
Dichlordifluormethan(Freon) 170 Diisobutylaluminiumhydrid 453, 538, 559
Dichloressigsäure 176, 294 a,co-Diisocyanate 328
2,6-Dichlorindophenol 576 Diisopentylether 151
(Dichlormethyl)methylether 271 Diisopinocampheylboran 541, 543
Dichlornorcaran 200 Diisopropylamin 448
l,l-Di(p-chlorphenyl)-2,2,2-trichlor-ethan Diketen 311
377 Diketohydrinden 403, 498
Sach- und Namenregister 733

1,2-Diketone 383, 387 2,4-D initrobenzol-diazoniumion


durch Selendioxidoxidation 498 Kupplung mit Anisol 602
1,4-Diketone 420 Kupplung mit Butadien 602
Dimedon 705 3,5-Dinitrobenzoylchlorid 704, 709
Dimedon- Kondensationsprodukte 705 2,4-Dinitronaphthol 254
Dimethylallylpyrophosphat 213, 214 2,4-Dinitro-l-naphthol-7-sulfonsäure 254
/7-Dimethylaminoazobenzol 601, 607 2,4-Dinitrophenol 241
p-Dimethylaminoazobenzol-sulfonsäure 2,4-Dinitrophenylhydrazin 279, 347, 502,
606 622
p-Dimethylaminobenzaldehyd 271, 645 2,4-Dinitrophenylhydrazone 347, 414, 502,
5-Dimethylamino-l-penten 189 705
Dimethylammoniumchlorid 278 Schmp. und RF-Werte 348
Ar,JV-Dimethylanilin 242, 253, 519, 578, 2,4-Dinitrophenyl-pyridinumchlorid 673
580, 581, 606 1,4-Dioxan 155
2,4-Dimethylanilin-hydrochlorid 522 Lösungsmittel 114
N,N-Dimethylaniliniumchlorid 522 Dioxetane 477
5,6-Dimethylbenzimidazol 660 5,8-Dioxo- l,4,4a,5,8,8a-hexahydro-1,4-
Dimethylbrenztraubensäure 373 methano-naphthalin 202, 203
2,3-Dimethylbutadien 386 Dipeptid 316, 319
2,2-Dimethyl-3-butanol 386 Diphenylallylalkohol 540
Dimethylcyclopropan 199 Diphenylamin 475, 590, 592
Dimethyldisulfid 449 Diphenylaminyl 591
A^Dimethylformamid(DMF) 270 l,4-Diphenyl-l,3-butadien 202, 456
Lösungsmittel 114, 164, 169 Diphenylcarbodiimid 528
Reaktion mit Grignard-Reagens 439 Diphenylchloroniumchlorid 616
Dimethylhydrazin, symm. 631 Diphenyldiazomethan 627
7V, Af-Dimethylhydrazone 448 3,6-Diphenyl- 3,6-dihydrophthalsäure-di-
Dimethylkupferlithium 452 methylester 202
Dimethyl-methylenimmoniumchlorid, -io- W, N'-Diphenyldiphenochinon-diimmonium-
did 354 ion 592
N,A^Dimethyl-p-nitrosoanilin 242, 243, Diphenyldisulfid 530
278 1,2-Diphenylethan 514
Ar,7V-Dimethyl-/7-phenylendiamin siehe Diphenylether, Spaltung mit Alkalimetal-
p - Aminodimethylanilin len 154, 513
2,2-Dimethyl-3-phenylpropanol 447 Diphenylharnstoff 328, 482
N,N-Dimethylpiperidiniumiodid 158 Diphenylhydroxylamin 439, 491, 593
2,6-Dimethyl-y-pyron 420, 677 2-Diphenylhydroxymethyl-2-ethyl-l,3-di-
Dimethylsulfat 149, 152, 153, 422, 626 thian 444
Dimethylsulfoxid (DMSO) 163, 407, 460 Diphenyliodoniumiodid 615
Lösungsmittel 114, 164, 169, 179 l-Diphenylmethylen-4-triphenylmethylcy-
Oxidation prim. Alkohole 482, 505 clohexa-2,5-dien 587
Dimethylsulfoxoniummethylid 460 Diphenylnitrosamin 591
DimrothkühleT 6, 7, 130 Diphenylnitroxid 593
Dinatrium-ethylendiamin-tetraacetat 475 l, l-Diphenyloxiran 460
2,4-Dinitranilin 533, 674 l,5-Diphenyl-l,4-pentadien-3-ol 540
3,5-Dinitrobenzoesäure 708 2,2-Diphenyl-l-pikrylhydrazyl 592
3,5-Dinitrobenzoesäureester l,3-Diphenyl-2-propen-l-ol 540
aus Alkoholen 704 Diphenylstickstoff 591
aus Ethern 709 Diphenylsulfon 244
durch Umesterung 708 symm. Diphenylthioharnstoff 527, 528,
m-Dinitrobenzol 234, 532 529
734 Sach- und Namenregister

l,3-Dipolare Cycloaddition 207, 319, 661 Eis-Kochsalz-Mischung 16


mit Diazomethan 631 Ekenstein, W. A. van 387
mit Ozon 503 Elektronegativität 142
mit Phenylazid 623, 624 Elektronen-Donator-Akzeptorkomplexe
Dipolmomente 142 252, 253, 254, 566, 568, 703
Dipyridiniumdichromat 482, 505 Elementaranalyse, qualitative 124
a,cx'-Dipyridyl 680 cw-Eliminierung 493
Disaccharide 390, 392 Eliminierungsreaktionen 183
Dispersionsfarbstoffe 609 eluotrope Reihe 81
Disulfide 530 Emmons, W. D. 459
Reduktion 530, 531 Enamine 345, 346, 366, 425, 447, 681
Spaltung 530, 531 Enders, D. 448
1,3-Dithiane 444, 462 Endiole 381, 383, 387, 388
Dithioacetale 340, 444 Endoperoxide 476
Dithiocarbaminate 527 Enolether 445
Dithioketale 444 Enolform 409
o-Divinylbenzol 212 Löslichkeit 410
1,2-Divinylcyclobutan 208 reine 411
Divinylkupferlithium 453 Enolreaktion 277, 403, 408, 410, 412
D, L-System 359, 388 En-Reaktion 204, 477
Doebner, O. 373, 681 Entschwefelung mit Raney-Nickel 515, 558
Doering, W. von E. 628 Entwicklungsfarbstoffe 609
Domagk, G. 250 Eosin 476, 584
Donator-Akzeptor-Komplexe siehe Char- Ammoniumsalz 585
ge-Transfer-Komplexe Natriumsalz 585
Dragendorff-Reagsm 94 2-Epimerisierung der Zucker 387
Dralon 213 Epoxide 312, 495, 505
Drehband-Kolonne 48, 49 Epoxyketone aus a,ß-ungesättigten Keto-
Drehwert 123, 358 nen 495
Dreiding, A. 682 Ei-Reaktion 184
Dreihalskolben 5, 130 E2-Reaktion 187
Druckabhängigkeit der Siedepunkte 716 Erlenmeyer, E. 532
Druckminderventil 26 Erlenmeyer-Synthese 371, 373, 532
Dünnschichtchromatographie 78, 79, 82, erschöpfende Methylierung 160
83, 91, 699 Erste Hilfe 137
Zucker 394 eryf/zro-Diastereomer 187
Duisberg, C. 376 Erythrose-4-phosphat 380
Durst, T. 190 Eschweiler-Clarke-Reaktion 357
Eschweiler, W. 357
Essigsäure 215, 294, 296, 303, 494
Edeleanu-Verfahren 703 Lösungsmittel 114
Edman, P. 529 Essigsäureanhydrid 308, 310, 371, 372,
Ehrlich, P. 646 396, 402, 577, 710
Ehrlich -Reaktion 645 Hydrolyse 310
Einhorn-Variante 673 Essigsäure-ethylester 296, 308, 378, 401,
Einschlußverbindungen 393 403
Einschmelzrohre 27 Lösungsmittel 114
Eis-Calciumchlorid-Mischung 16 Essigsäure-terf-butylester 446
Eisen(III)-chlorid-Farbreaktion 277, 403, Ester siehe Carbonsäureester
408, 410, 412 Esterasen 661
Eisessig siehe Essigsäure Esterhydrolyse 299
Sach- und Namenregister 735

Esterkondensation 401, 404, 426 Ethylurethane 323


Ethanol 142, 143, 147, 148, 185, 296, Engster, C. 650
308, 338, 478, 479 Euter 43
Lösungsmittel 111 Exalton 332
Ether 150, 151, 178 Exsikkator 104
Autoxidation 473 Extraktion 59
Nachweis 702, 709 E,Z-System 350, 360, 458, 525, 610, 611
Spaltung 154, 709
Etherperoxide 113, 116, 156, 473
Ethinylcarbinole, 439 Farbphotographie 578
Oxidation zu Ketonen 482 Farbstoffe, chinoide 562, 575
Ethinylierung 218 Farnesylpyrophosphat 213, 214
Ethinylmagnesiumbromide 437 Fehlingsche Lösung 342, 394
Ethoxyacetylen 439 Fehlingsche Probe 342
Ethoxycarbonylcarben 637, 638 Fenton, HJ. H. 475, 495
Cycloadditionen 638 Fenton-Reagens 475, 495
Dimerisierung 638 Ferrocen 226
Ethoxycarbonylchlorid 317, 319 Ferroprotohäm IX 694, 695
Ethoxyethinylcarbinole 439 Fettsäure-methylester 301
/?-Ethoxy-phenylpentazol 662 Fettsäuren 301, 302
Ethoxyvinylcarbinole 439 Fichtenspanreaktion 645
Ethylacetat siehe Essigsäure-ethylester Filtrieren 70
O-Ethylacetessigester 417 Finkelstein, H. 167
Ethylalkohol siehe Ethanol Finkelstein-Reaktion 167, 616
Ethylbenzol 267 Fischer-Bäse 657
Ethylbromid 142, 414, 436 Fischer, E. 342, 359, 391, 621, 655
W-Ethyl-chinaldiniumiodid 682 Fischer, H. 694
Ethyldiisopropylamin 187 Fischer-Hepp-Umlagerung 243, 522
2-Ethyl-l,3-dithian 339, 444 Fischer, O. 243, 522
Ethylen 185 Fwc/zmche-Indolsynthese 655, 656, 663,
Hydrierung 547 664
Ethylen-bis(2-methylacrylsäureester) 212 F/ttig-Synthese 228
Ethylendiaminotetraessigsäure 355, 475 Flavanon 364
Ethylenglykol 155, 302, 339 Flaviansäure 254, 676
Ethylenoxid 155 Flavinenzym 676
Ethylentetracarbonitril, Komplexe mit 253 Flavone 364, 678, 695
Ethyliodid 146, 414, 417 Flavonole 364, 678
Ethylmagnesiumbromid 436, 437 Flüssigchromatographie 78, 79, 101, 698,
Ethylmalonsäure 414, 415 699
Ethylmalonsäure-diethylester 414 Fluoraromaten 613, 614, 640
Ethylmethylketon 347 Fluorbenzol 617
2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 l-Fluor-2,4-dinitrobenzol 618
Lösungsmittel 115 Fluoren, Claisen-Kond. 406
Oxim 350 Fluorescein 584, 585
Semicarbazon 347 Folsäure 692
5-Ethyl-2-methylpyridin 669 Formaldehyd 340, 341, 342, 343, 353,
4-Ethyl-3-methylpyrrole 644 356, 374, 468, 635, 685
Ethylnitrat 147, 408 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348
Ethylnitrit 148, 149 Gehaltsbestimmung 470
Hydrolyse 149 Reduktion mit 342
ß-Ethyloxalessigester 417 Formalin siehe Formaldehyd
736 Sach- und Namenregister

Formamid 314, 321 Gefahrenklassen 134


Formamidin 687 Gefriertrocknung 58
Formazane 661, 662, 664 Gegenstromverteilung 65
Formimidsäure-ethylester-hydrochlorid 325 Gelchromatographie 79, 85, 87, 101
Formylessigester 687 Gentiobiose 361
Foster-Reaktion 627 Geraniol 214
Fraktionssammler 90 Geranylpyrophosphat 213, 214
Frankland, E. 440 Gesarol 377
Fremysches Salz 564, 572 Geuther, A. 405
Freon 170 Giftlisten 136
Friedet, C. 262 Gilman, H.H. 452
Friedel-Crafts-Reaktion 259, 262, 266, Glas l
286, 575, 651 Glasbearbeitung l
Friedländer, P. 653, 654 Glasblasen 2
Frische Verschiebung 264, 286 Glasfilternutshe 71
D-Fructose 387, 388, 390, 394 Glasrührer 18, 131
D,L-Fructose 342 Globine 694
Fructose-l,6-diphosphat 365 Glucan 393
Fructose-6-phosphat 381 Glucosamin 391
Fuchsin 343, 580, 583 Glucosazon 387
fuchsinschweflige Säure 343, 583, 705 D-Glucose 387, 388, 390, 391, 393, 394,
Füllkörper-Kolonne 48, 49 395
Fumarsäure 191 Glucoside 390
Fumarsäure-diethylester 200, 201, 638 NMR-Spektren 390, 398
funktionelle gruppen, Erkennen 700, 701, Glucuronsäure 391
715 Glutaconaldehyd-di-N-methylaniliniumkat-
Furan 227, 643, 648, 663 ion 674
Aromatizität 643, 651 Glutaconaldehyd-2,4-dinitroanil 674
Furan-2,5-dicarbonsäure 648 Glutacon-dianile 650, 674
Furanose 388, 389 L-Glutamin 638, 639
Furfural 393, 645, 647, 648, 649 Glutaminsäure 692
2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 D,L-Glutaminsäure 423
Phenylhydrazon 647 Glutathion 531
Reaktion mit Anilin 649 Glycerin 679
Reaktion mit Phloroglucin 649 Glykolspaltung 487
Furfurylalkohol 650 Glycerinaldehyd 342
Furil 383 d-Glycerinaldehyd 391
Furoin 649 Glycerinaldehyd-3-phosphat 365
Glycidestersynthese 365, 407, 426
Glycidsäureester 407, 426, 639
Galactarsäure 391, 395, 396 Glycin 294, 316, 355, 644
D-Galactose 390, 391, 392, 395 Glycin-ethylester 634, 635, 637
Gaschromatographie 78, 79, 98, 697, 699 -hydrochlorid 317
Zucker 393 Glycin-hydrochlorid 634, 636
Gaseinleitung 23, 24, 25 Glykane 393
Gasstahlflaschen 26 Glykogen 393
Gaswaschflasche 25, 107, 130 Glykol siehe Ethylenglykol
Gaszylinder 135 Glykoladehyd 342
Gattermann-Koch-Synthese 264, 286 aktiver 380
Gattermann-Reaktion 614 Glykoldiacetat 297, 302
Gattermann-Synthese 270, 287 1,2-Glykole
Sach- und Namenregister 737

aus Olefinen 487, 497 Harnstoffnitrat 147, 327


aus Ozoniden 503 Hartparaffin zum Trocknen 106, 110
durch Reduktion von Ketonen 511, 512 Hauser, C. R. 406
Spaltung 487 Heizbank 120
Glykolspaltung 487 Heizhaube 10
Glykoside 390, 397 Heiztisch-Mikroskop 120
glykösidische Hydroxylgruppe 388, 389, Helianthin 604, 606, 607
390 Hemicellulose 393
Glyme 155 Heparin 393
Glyoxal 383 Hepp, E. 243, 522
Goldschmidt, S. 592 Heptamethylbenzenium-chloroaluminat
Gomberg, M. 587 267
Gomberg-Reaktion 618 Heteroauxin 657
Goubeau, J. 233 Heterocyclen
Gradientenentwicklung 89 Fünfring, Nomenklatur 643
Graebe, C. 565 Heterocyclen mit
Gramin 353, 422 sechsgliedrigen Ringen 667, 695
Griess, P. 621 mehreren heterocyclischen Ringen 680
Grigat, E. 328 heterogene katalytische Hydrierung 547
Grignard-Reaktion 431, 451, 461 Heterolyse 166
Grignard, V. 436 Heumann, K. 653
Grignard-Verbindungen 431, 451, 461, y-Hexachlorcyclohexan 234
511, 714 1,5-Hexadien 418
Guanidin 528, 687, 691 2,4-Hexadien-l,6-disäure 275
Guanin 691, 692 Hexamethylbenzol 267, 569
L-Gulonolacton 391, 392 Hexamethyldisilazan 394
Gummi 210, 214, 475 Hexamethylendicyanid 151
Guttapercha 210, 214 Hexamethylentetramin 343, 344, 374
Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT)
Lösungsmittel 169, 179, 442, 446
H n-Hexan, Lösungsmittel 115
Häm 694 1,6-Hexandiol 143, 535
Hämin 694 2,5-Hexandion-3,4-dicarbonsäure-diethyl-
Hämoglobin 319, 694 ester 420
Härtung eines Speiseöls 555 Hinsberg, O. 157
Hafner, K. 674 Hinsberg-Trennung 158, 698
Halbacetale 339, 387, 388 Hippursäure 371, 636
Halogenverbindungen ///rsc/i-Trichter 71, 131
aliphatische 142, 176, 178 Histamin 661
Nachweis 713 Histidin 661
Hammett-Bezizhung 283 Hochdruckpolyethylen 210
Hammett-Gleichung 284, 287 Hochspannungs-Papierelektrophorese 102
Hansley, V.L.: 382 Hock 'sehe Synthese 472, 504
Hantzsch, A. 624, 668 Hofmann-Abbau der Carbonsäureamide
Harmalin 693 321, 329, 332
Harman 692, 693 Hofmann, A. W. von 157, 160, 322
Harmin 693 Hofmann -Eliminierung 159, 160, 188,
Harnsäure 689, 690, 691 189, 218
Harnstoff 323, 327, 329, 626, 649, 687, Hofmann-Regel 188
690 Hohlraumdiffusion 79, 85
Hydrolyse 329 Homo-dihydro-carbostyril 686
738 Sach- und Namenregister

homogene katalytische Hydrierung 548, a-Hydroxybenzolsulfonsäure 338


559 ß-Hydroxybutyraldehyd 363
Homolyse 166 ß-Hydroxycarbonsäureester 440
Homer, L. 190, 459, 564 2-Hydroxychinolin 686
Hostalen 213 8-Hydroxychinolin 485, 680
Houben-Hoesch-Synthese 269, 287 4-Hydroxycumarin 376
House, H. O. 452 1-Hydroxycyclohexylessigsäure-ethylester
Huang-Minlon 545 440
Hückel-Regel 225, 226, 227 2-Hydroxy-4,6-dimethylchinolin 682
ffümg-Base 187 3-Hydroxyenolether 439
Hüttentrichter 62 ß-Hydroxyglutacon-dialdehyd-dianil 649
Huisgen, R. 207, 283, 611, 659, 661, 662 Hydroxylamine 493, 593
Hyaluronsäure 393 Hydroxylgruppe, glykosidische 388, 389,
Hydrazobenzol 523, 524 390
Hydrazodicarbonamid 330 Hydroxymercurierung 454
Hydrazoisobuttersäurenitril 356 2-Hydroxy-4-methylchinolin 681
Hydrierapparatur 550 4-Hydroxy-2-methylchinolin 681
Hydriereinrichtung 549 Hydroxymethylen-Verbindungen 407
Hydrierung 5-Hydroxymethylfurfural 393, 648
Ausführung 552 Hydroxynitrierung 241
heterogene 547 Hydroxyprolin 316
homogene 548 ß-Hydroxypropionaldehyd 365
katalytische 546 a-Hydroxypropionsäure 294
von Nitroverbindungen 517, 555 Hydroxypyridine 672
Hydrierungskatalysatoren 553 ß-Hydroxypyridiniumsalze 650
Hydroaluminierung 453 cx-Hydroxysäuren, Decarbonylierung 687
Hydrobenzamid 343, 344 3-Hydroxythionaphthen 654
Hydroborierung 193, 541, 542, 559 5-Hydroxytryptophan 657
Hydrochinon 209, 475, 563, 567, 574, 632 Hydrozimtsäure 510
Hydrochinone 570 Hyperkonjugation 239
Einelektronen-Oxidation 577 Hypophysenhormone 318
Hydrochinon-monomethylether 153, 572
Hydrochloride organischer Amine 576 I
Hydroformylierung 194 !-Effekt siehe induktiver Effekt
Hydrogenolyse 316, 317, 549 Imidazole 660, 661, 664
der Benzylgruppe 316, 317, 323, 332 Imidazolidine 706
Hydrogenperoxid, Oxidation Imidsäurechlorid 325
von Aminen 491, 492, 494, 497 Imidsäure-ethylester 325
von Boranen 542 Imine 344, 345
von 1,2-Dicarbonylverbindungen 495 Iminodiessigsäure 355, 356
von a,ß-unges. Ketonen 495 Iminoester-hydrochlorid 325
Hydrogensulfitverbindungen 338, 360, Iminoether-hydrochlorid 325
470, 471, 634 Indamine 575, 576
Hydroxamsäuren 313, 324 Indan, Reaktion mit Singulett-Sauerstoff
2-Hydroxyalkylquecksilberacetate 454 477
3-Hydroxyanthranilsäure 657 1,3-Indandion 403, 404
/7-Hydroxazobenzol 491, 601 l,3-Indandion-2-carbonsäure-ethylester
o -Hydroxyazoverbindungen 403
Acidität 605, 606 1-Indanon 261, 263
Tautomerie 605 Indanthrenblau R 655
p-Hydroxybenzaldehyd 274 Indanthrenfarben 655
Sach- und Namenregister 739

Indazol611,658 Isobuttersäureester 406


Indican 653 Isobutylalkohol, Lösungsmittel 112
Indigo 651,652, 653, 663 Isobutylbenzol 268
Färbung 654 Isobutylen-Ozonid 503
Indigosol 655 Isobutyraldehyd 344, 345
Indigotin siehe Indigo Isobutyraldehyd-cyclohexylimin 344
Indigweiß 655 Benzylierung 446
Indikatoren 719 Isocyanate 322, 323, 327, 328, 333
Indoaniline 575, 576 Isocyanid siehe Isonitril
Indol 353, 645, 655, 656, 663, 664 Isocyansäure 327, 330
Indol-2-carbonsäure 656 isoelektrischer Punkt 316
Indolenin 657 Isonitrile 199, 332, 519
Indolin 657, 658 Isonitrilreaktion 519, 627
Indolon 653 a-Isonitrosocarbonsäuren 636
3-Indolylessigsäure 657 Isonitrosomalonester 421
Indopheninreaktion 650 Isopentylalkohol 149, 151
Indophenole 575, 576 Isopentylnitrit 149, 620
Indoxyl 651, 652,653 Hydrolyse 149
induktiver Effekt 172, 188, 191, 231, 238, Isopentenylpyrophosphat 213, 214
284, 293, 294, 337 Isophoron 451
Infrarotspektren Isophthalsäure 485
Carbonylschwingungen 337, 700 -dimethylester 485
und andere 700 Isopinocampheol 541, 543
Infrarot-Spektroskopie 700, 701, 702 Isopren 210, 213, 214
Ingold, C. K. 223, 359 Isopropanol siehe Isopropylalkohol
Inhibitoren 475 Isopropylalkohol 192, 265, 385, 438
Insulin 318 Lösungsmittel 112
Intensivkühler 6, 7, 37, 55 Isopropylbenzol 265, 267, 268, 472
Invertin 392 isotaktisches Polymer 210
Invertzucker 392 Isothiazol 662
lodaromaten 613, 614, 615 Isothiocyanate 328, 527, 528
lodbenzol 615 Isothiuroniumsalze 162, 714
lodethan siehe Ethyliodid Isovaleriansäure 176
lodmethan siehe Methyliodid Isoxazol 662
lodobenzol 615 Ivanoff, D. 450
lodoformreaktion 705
lodosobenzol 615
lodwasserstoffspaltung der Ether 154, 709 Jantzen-Kolonne 58
Ionen, ambidente 165 Japp-Klingemann-Reaktion 603, 639
lonenaustausch-Chromatographie 79, 83, Jones-Oxidation 481, 482
87, 89, 91, 101, 698, 699 Jones, Sir Ewart R. H. 482
Ionenaustauscher 84, 355
lonenpaar, solvatisiert 171 K
lonenprodukt des Wassers 292 Kaliumacetat 297
IR-Spektren siehe Infrarotspektren Kaliumcarbonat zum Trocknen 107, 115,
Isatin 650 116
Isoamylnitrit 149, 620 Kaliumcyanat 327, 330
Isobutanol siehe Isobutylalkohol Kaliumhydroxid zum Trocknen 106, 107,
Isobuten 194, 210 108, 113, 114, 116, 117
Hydrierung 547 Kaliumnitrosodisulfonat 564, 572
Ozonid 503 Kaliumterephthalat 273
740 Sach- und Namenregister

Katalase 694 Kohlenhydrate 386, 397


Katalysatoren zur Hydrierung 553 Kohlenwasserstoffe
katalytische Hydrierung 546, 559 aus Alkylhalogeniden oder -tosylaten
Kautschuk 213, 214, 504 539, 540
künstlicher 211 aus Boranen 542
Kegelschliffe 3, 4 Nachweis 702
Kekule, A. 223 Kojisäure 678
Kendrew, J. C. 319 Kolbe, H. 151, 164, 272
Kern, W. 495 Kolbesche Alkansynthese 468
Ketale 339 Kolbesche Nitrilsynthese 151
Keten 311 Kolbesche Salicylsäuresynthese 272, 287
Ketoaldehyde durch Selendioxidoxidation Kolonnendestillation 46
499 komplexe Metallhydride 535, 558
ß-Ketocarbonsäureester 449 Konfigurationsumkehr 168
Keto-Enol-Tautomerie 409 Kongorot 608
Ketoform 409 Kontaktthermometer 13, 14, 15
Löslichkeit 410 Korkbohrer 5
reine 411 Korksäure 326
Ketole 381 Korksäure-dinitril 151, 322
Ketone Kornblum, N. 164, 165
durch Birch -Reduktion 513 kovalente Bindung 142
aus Boranen 542 KPG-Rührverschluß 18, 19, 130
aus Carbonsäurechloriden 441 Krapplack 565
aus Carbonsäuren 331, 408, 441, 450, Kresol 632
453, 462 Kristallisation 68
durch Grignard-Reaktion 434, 438, 461 Kristall violett 580, 581, 582
durch Ketonspaltung 413, 417, 419 Kronen-ether 155, 170, 178
makrocyclische 332, 407 Kryostaten 17
Nachweis 705 Küpenfärberei 654
aus Nitrilen 434, 438, 461 Küpenfarbstoffe 609, 655
Photoreaktionen 385 Kugelkühler 6, 7
Ketonspaltung 413, 417, 419 Kugelrohr 45
a-Ketosäuren 373 Kugelschliffe 4
durch Transaminierung 672 KuHn9 R. 373, 595, 648
ß-Ketosäuren 419 Kuhn-Roth-Bestimmung 486
Ketosen 387, 389, 390 Kunststoffe 210, 213
ß-Ketosulfoxide 407 Kupfer(I)-chlorid 451
a-Ketovaleriansäure 417 Kupfer-organische Verbindungen 451, 462
Ketyl 383 Kupfer-Phthalocyanin 586
Kharasch, M. S. 176, 193, 452 Kurzwegdestillation 45
Kieselgel 81, 82, 91, 95 Kynurenin 657
Kishner, N. 545 Kynurensäure 657
Klemmen 8, 132
Knallsäure 148
Knoevenagel, E. 373, 397 Lactam-Lactim-Tautomerie 687, 690
Knoevenagel-Kondensation 373, 668 Lactid311
Knorr, L. 411, 644, 682 Lactone 311
Knorrsche Synthese 644 Nachweis 708
Kögl, F. 650 Lactose 392, 395
Koenigs-Knorr-Rzaktion 397 Lävulinsäure 419, 648
König, W. 674 Lambert-Beer'sches Gesetz 588
Sach- und Namenregister 741

Lanosterol 214 Lithium-triethylborhydrid 539, 540


Leinölfirnis 474 Lobry de Bruyn, C. A. 387
Lepidin 681 Loquin, R. 381
Leuckart, R. 357 Lossen-Abbau 324
Leuckart-Reaktion 356, 366 Lowry, T. 291
Leukindigo 654, 655 Luftbad 13
Leukoindamin 578 Lupolen 213
Leukoindanilin 578 Lutidine 669
Leukomalachitgrün 581 Lynen, F. 213
Leukomethylenblau 579
Leukopterin 691, 692 M
Leukoverdazyl 595 Madelung, W. 655
Lewis-Basen 291 Magnesiumsulfat zum Trocknen 107
Lewis, G. N. 291 Magnetrührer 19, 20
Lewis-Säuren 291 makrocyclische Ketone 332, 407
Lichtpause 603 Makrolide 311
Liebermann, C. 565 MAK-Werte 136
Liebermannsche Reaktion 279 Malachitgrün 580, 581, 582
Liebig, J. v. 384 Malaprade, L. 487
Liebigkühler 6, 7, 35, 36, 41, 55, 130 Maleinsäure 191
Limonen 214 Maleinsäureanhydrid 202
Limpach, L. 681 Malonsäure 294
Lindlar, H. 547 Malonsäure-diethylester 411, 413, 414,
Lwd/ßr-Katalysator 217, 547 421, 498
Linolensäure 474 Malonyl-Coenzym A 373
Linolsäure 474 Maltose 392
Linstead, R. P. 586 Mandelsäure 360
Liponsäure 531 Mandelsäurenitril 360
Lithiumacetylide 439 Manmc/i-Reaktion 353, 366
Lithiumalanat siehe Lithium-aluminiumhy- Mannonsäure 391
drid D-Mannose 387, 390
Lithium-aluminiumhydrid-Reduktion 535, Manostat 31
536, 537, 558 anti-Markownikow-Addition 193, 541, 544
Adipinsäure-diethylester 535 Markownikow-Regel 192, 218, 454
Carbonsäurederivate 537 Martiusgelb 254
Methylsulfonsäureester 515 Massenspektrometrie 701, 702
Tabelle 537 Mazerieren 59
p-Tolunitril 536 Meerwein-Arylierung 619, 640
p -Toluolsulfonsäureester 515 Meerwein, H. 629
<x,ß-unges. Carbonylverbindungen 538 Meerwein-Ponndorf- Verley-Reduktion 378,
Lithium-aluminium-tri-terf-butoxyhydrid 533,558
538 M eerwein -Reagens 154
Lithiumbutyl, -methyl, -phenyl siehe Bu- M-Effekt siehe mesomerer Effekt
tyl-, Methyl-, Phenyllithium Meisenheimer, J. 281
Lithium-cyclohexylisopropylamid 446 Melamin 688
Lithium-dialkylamide 187, 445, 446 Melanine 673
Lithium-diethylamid 445, 446 (-)-Menthol 214, 481
Lithium-diisopropylamid 445, 448, 450 (-)-Menthon 481
Lithium-essigsäure-terf-butylester 446 Mercaptale 340, 366, 444, 515
Lithium-organische Verbindungen 442, Mercaptane siehe Thiole
462 Mercaptoessigsäure 294
742 Sach- und Namenregister

2-Mercapto-5-hydroxythiazol 662 Methylenchlorid, Lösungsmittel 115


Mercaptole 340, 366 Methylencyclohexan 458
Mercurierung 241, 250 Methylentriphenylphosphoran 458
Merrifield, R.E. 319 Methylethylketon siehe Ethylmethylketon
Mesitylen 253, 364 Methyl-ethyl-propl-aminoxid 492
Mesityloxid 364 a-Methylglucopyranosid 390
mesomerer Effekt 231, 232, 238, 284, 294 Methylgykosid 390
Mesomerie 223, 224 4-Methyl-7-hydroxycumarin 375
des Carboxylations 293, 294 N-Methylhydroxylamin 520
Mesomerieenergie 224 Methylierung, erschöpfende 160
Mesoxalsäure-diethylester 498 2-Methylindol 655
Mesylrest 248 3-Methylindol 656
Metaldehyd 341, 342 Methyliodid 149, 158, 163, 415, 432, 451,
Metallbad 13 711
Metallchelate 680 Methylisocyanat 322
Metallhydride, komplexe 535, 558 Methylkupfer 452
Metallorganische Verbindungen 431, 461 TV-Methyl-lepidiniumion 682
1,6-Methanocyclodecaptentaen 226 Methyllithium 442, 450, 452
Methanol 296 Methylmagnesiumbromid 438
Lösungsmittel 115 Methylmagnesiumiodid 431, 438, 451
Methansulfonylrest 248 2-Methyl-5-methoxy-l,4-chinon 203
4-Methoxy-l,2-benzochinon 572 2-Methylnaphthalin 565
Methoxycarbonylmethylen-triphenylphos- 2-Methyl-l,4-naphthochinon 565
phoran 457 Methyl-2-naphthylether 152
Methoxycarbonylmethyl-triphenylphospho- 8a-Methyl-l,2,3,4,6,7,8,8a-octahydro-l,6-
niumbromid 159, 457 naphthalindion 425, 426
9-Methoxyharman 693 Methlorange siehe Helianthin
Methoxymethylentriphenylphosphoran 45 8 2-Methyl-2-(3-oxobutyl)-l,3-cyclohexan-
4-Methoxyphenol 153 dion 425
Methylacetylen 218 2-Methyl-l-penten 213
Methylalkohol siehe Methanol 2-Methyl-2-penten, Reaktion mit Singu-
Methylamin 322, 356 lett-Sauerstoff 477
Methylammoniumchlorid 356, 625 2-Methyl-l-propen siehe Isobuten
4-Methylbenzylamin 536 Af-Methyl-a-pyridon 673
C-Methylbestimmung nach Kuhn-Roth 486 Methylrot 607
Methylbromid 143 N-Methyl-tetrahydrocarbolin-S-carbon-
3-Methyl-3-butenol 213 säure 693
3-Methyl-2-butenylpyrophosphat 213 2-Methylthiodecansäure-ethylester 448,
Methylcarbaminsäure 322 449
3-Methyl-ß-carbolin 692 Methylvinylketon 425
Af-Methylchinaldiniumion 682 3-Methylzimtaldehyd 447
2-Methylchinolin 681 Mevalonsäure 213, 214
4-Methylchinolin 681 Meyer, K. H. 409, 411
Methylchlorid 519 Meyer, V. 622
2-Methyl-l,3-cyclohexandion 415, 425 Micellen 302
1-Methyl-l-cyclohexanol 431 Michael-Addition 423, 427
Methyldiazoniumion 629 Stereochemie 425
Methylenamino-acetonitril 635 Michaelis-Reaktion 460, 463
Methylenbisacrylamid 213 Michlers Keton 581, 582
3,3'-Methylen-bis-4-hydroxycumarin 377 Mikrodestillationsapparatur 45
Methylenblau 579 Milos, N. 495
Sach- und Namenregister 743

Milchzucker 392 Natrium zum Trocknen 107, 109, 113,


Miller, W. v. 681 114, 117
Mischkreuz 718 Natriumacetat, wasserfrei 309, 371, 395
Mitteldruckpolymerisation 210 Natriumacetessigester 411, 417, 420
mittlere Ringe 382, 397 Natriumacetylide 439
Mixotrope Reihe 716 Natrium-aluminium-dimethylglykoloxy-di-
Molekülorbital 141 hydrid 538
Molekulardestillation 45 Natriumamalgam 510
Molekularsieb 85, 107, 109, 113, 114, Natriumamalgam-Reduktion 510
115, 116, 117 Natrium-2-anthrachinonsulfonat 574
Monochloressigsäure siehe Chloressigsäure Natriumbenzolsulfonat 244, 245
Monoformyl-frart.s-glykol 497 Natriumboranat siehe Natriumborhydrid
Morgan-Elson -Reaktion 648 Natriumborhydrid, Erzeugung von Diboran
Morpholin 345, 346 542, 543
!-(N-Morpholino)-l-isobuten 345 Natriumborhydrid-Reduktion
Muconsäure 275 Aldehyde 540
Müller, E. 624, 629 Alkyltosylate 539
Muffen 8, 132 Benzalacetophenon 540
Mukaiyama, T. 441 Dibenzalacetophenon 540
Muraminsäure 391 Disulfide 162, 531, 539
Murein 393 Hexachloroplatin(IV)-säure 554
Murexid 691 Ketoester 539
Muscarin 650 Ketone 540
Muscon 332, 407 Ketosäuren 539
Mutarotation 389 p-Nitrobenzoylchlorid 539, 540
Myoglobin 319, 694 Platinsalze 539
Tabelle 539
a,ß-unges. Carbonylverbindungen 538
N Zimtaldehyd 540
Naphthalin 237, 249, 252, 253, 266, 572 Natrium-cyanobortrihydrid 539
Struktur 225 Natrium-dimethylsulfoxid 458
Naphthalin-1-sulfonsäure 249 Natrium-ethylat, alkoholfrei 405
Naphthalin-2-sulfonsäure 249 Natriumhydroxid zum Trocknen 106, 108
naphthionsaures Natrium 608 Natrium-2-naphthalinsulfonat 249, 276
1,4-Naphthochinon 566, 569 Natrium-/7-nitrophenyl-(E)-(a/if/)-diazotat
ß-Naphthoesäure 633 611
1-Naphthol 252, 254, 605 Natriumsulfat zum Trocknen 107
2-Naphthol 152, 252, 276, 605, 632, 714 Natta, G. 210
ß-Naphthol AS 609 Nauta, W. T. 587
2-Naphthol-1 -carbonsäureanilid 609 Nazarow, LN. 263
2-Naphthol-3,5-disulfonsäure 602 NefiJ.U. 361
l-Naphthol-2,4,7-trisulfonsäure 254 Ate/-Reaktion 361
ß-Naphthoylchlorid 633 Nerolin 152
ß-Naphthoyldiazomethan 633 Neuberg, C. 381
1-Naphthylamin 555, 556 Neuraminsäure 391
2-Naphthylamin 278, 518 Neurotransmitter 657
Naphthylamine 518, 526 Newman -Projektion 187
ß-Naphthylessigsäureamid 633 Nicotin 670, 675, 676
l-Naphthylisocyanat 704 Pikrinsäure-Additionsverbindung 670,
1-Naphthylurethane 704 676
nascierender Wasserstoff 509, 510 Nicotinsäure 485, 486, 657, 676
744 Sach- und Namenregister

Nicotinsäureamid 321, 322, 657, 676 Nitrolsäuren 166


Nicotinsäureamid-adenindinucleotid(NAD) Nitromethan 163, 361, 520
676 Nitromethan, öd-Form 165
Niederdruckpolyethylen 210 1-Nitronaphthalin 237, 555, 556
Niederdruckpolymerisation 194 Nitrone 242, 243, 350, 522, 523, 593
NIH-Verschiebung 276 1,3-Dipole 207
Ninhydrin 94, 318, 355, 498, 499 Nitroniumion 236, 251
Ninhydrinreaktion 499 m-Nitrophenol 241, 252
m-Nitranilin 532, 533 o-NuTophenol 240, 241, 252, 282, 319,
o-Nitranilin 532, 533 680
p-Nitranilin 532, 533, 611, 612 p-Nitrophenol 240, 241, 252, 294
Nitraniline, Basizität 533 p -Nitrophenylbrenztraubensäureester 407
Nitrene 322, 332, 624 l-(3-Nitrophenyl)-l,3-butadien 456
Nitrierung 234, 235, 255 p-Nitrophenylhydrazin 705
Nitrile 150, 178, 324, 325, 614, 698 /?-Nitrophenylhydrazone 705
aus Amiden 324 o-Nitrophenylsulfenylderivate der Amino-
a-Deprotonierung 406 säuren 531
nach Kolbe 150, 151 3-Nitrophthalsäureanhydrid 704
Nachweis 712 3-Nitrophthalsäureester 704
aus Oximen 350 Nitroprussidnatrium 162, 531
nach Sandmeyer 614, 616 Nitrosamine 243, 710
Verseifung 326, 617 Nitrosierung 234, 242, 243
Nitrilimin 208 TV-Nitrosoacetanilid 611
Nitrilotriessigsäure 355, 356 W-Nitroso-aceto-o-toluidid 611, 658, 659
Nitroaniliniumionen, Acidität 533 N-Nitrosoacylamine 610, 619
m-Nitrobenzaldehyd 456, 457 o-Nitrosobenzoesäure 654
ö-Nitrobenzaldehyd 532, 652, 653, 654 Nitrosobenzol 241, 242, 489, 490, 491,
p-Nitrobenzamide 710 521, 527
/?-Nitrobenzoesäure 304, 484 0-Nitroso-benzoylaceton 653
/?-Nitrobenzoesäureester 308, 704 N-Nitroso-/?-chloracetanilid 618
-benzyl-, n-butyl-, -sek.-butyl-, -tert-bu- p-Nitrosodimethylanilin 242, 576
tyl-, -cyclohexyl-, -ethyl-, isobutyl-, -iso- Nitrosogruppe 489, 490
propyl-, -methyl-, -phenyl-, -n-propyl- Nitrosoisobutan 490
308 W-Nitrosomethylharnstoff 624, 625, 626,
Nitrobenzoesäuren 294 632, 633
Nitrobenzol 234, 516, 519, 523, 679, 683 Af-Nitrosomethylurethan 624
p-Nitrobenzol-diazocyanid 612 Nitrosophenol 278
p-Nitrobenzoldiazoniumchlorid 611, 612 jV-Nitrosophenylhydroxylamin 522
p-Nitrobenzol-diazoniumion 602, 611, 612 N-Nitroso-p-toluolsulfonsäure-methylamid
Nitrobenzole aus Pyryliumkationen 677 625, 626, 633
p-Nitrobenzoylchlorid 304, 308, 540, 704, Nitrosoverbindungen
710 durch Red. von Nitroverbindungen 523
p-Nitrobenzylalkohol 540 Nitrosylion 241, 243
p-Nitrobenzylbromid 706 o-Nitrotoluol 654
p-Nitrobenzylester 706 p-Nitrotoluol 484, 516, 520, 556
a-Nitrocarbonsäuren 164, 636 Nitrotoluole 236
p-Nitrochlorbenzol 238, 280 Claisen-Kondensation 406
Nitroform 166 Nitroverbindungen, ad-Form 165, 408,
Nitrogruppe, 411
kat. Hydrierung 517, 555, 556 Nitroverbindungen, aliphatische 163, 164,
Reduktion 516 178, 179,408, 411
Sach- und Namenregister 745

Nachweis 698, 713 Orbitalsymmetrie 204, 219


aus Nitroolefinen 548 Orion 213
Nitroverbindungen, aromatische 234, 255 Ornithin 636
Nachweis 698, 713 Ornithursäure 636
Nitroxide 593 Orthoameisensäureester 339
ö-Nitrozimtsäure 532 Orthoameisensäure-triethylester 301, 325
w-Nitrozimtsäure-methylester 457 Orthoester 301, 332
NMR-Spektrum 701, 702 Osazone 382, 387, 388
e«dö-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhy- Osmiumtetroxid-Hydroxylierung 193, 219,
drid 200, 201, 203 497
Norcaradiencarbonsäureester 638 Osone 387
Normant, H. 437 Ott, E. 311
Novolack 374, 376 Oxalessigester 407
Nucleinsäuren 212, 687, 691 Oxalsäure 632
Nucleofug 167 Oxalsäure-diethylester 303
Nucleophil 167 Oxalsäure-dimethylester 303
nucleophile Substitution Oxazol 662
aliphatische 166, 179 Oxidation 467
aromatische 276, 280, 287 axialer und äquatorialer Alkohole 488
Nucleophilitätsreihe 168 biologische 275
Nutsche 71, 131 Oxidationsstufen 467
Nylon 352 Oxime 348, 349, 705
geometrische Isomere 349
O durch Reduktion 523
Octacetyl-cellobiose 396 mit Salpetrigsäureestern 408, 500
Octanal 480 Oxin 680
1-Octanol 480 Chelate 680
Ölbad 12 ß-Oxoaldehyde 407
Öl-Drehschieberpumpe 32 a-Oxocarbonsäuren 636
Olah, G. 236 a- und ß-Oxoester 407
Olefine 183 Oxoniumsalze 154
durch Eliminierung 183, 493 5-Oxo-7-phenylheptansäure 420, (545)
Epoxidierung 496, 505 Oxosynthese (194), 219
Hydratisierung 454 2-Oxotetrahydro-benzazepin 686
Hydroxylierung 193, 497 Ozon, 1,3-Dipol 207, 503
Nachweis 703 Ozonide 503
eis- Olefine Hydrogenolyse 504
durch partielle Hydrierung von Acetyle- Hydrolyse 503
nen 547 Oxidation 504
durch Hydroborierung von Acetylenen Reduktion 504
543 Ozonisator, Eichung 500
Oligosaccharide 390, 392 Ozon-Oxidation 500, 501, 505
Ommatine 657 Mechanismus 503, 505
Ommine 657 unges. Carbonylverbindungen 496, 504
Ommochrome 657
Oniumverbindungen 156, 178
Oppenauer-Oxidation 535, 558
Oppenauer, R. V. 535 Paal, C. 644
optische Aktivität 123, 358 Palladium auf Bariumsulfat 554
optische Aufheller 609, 610, 640 Palladium-Mohr 553
optische Rotationsdispersion 123 Palladium-Tierkohle 533
746 Sach- und Namenregister

Papierchromatographie 78, 79, 82, 96, 318 Phenol 152, 230, 240, 251, 252, 273, 294,
Paraffinschnitzel 106, 110 374, 472, 615, 632
Paraformaldehyd 266, 340, 341 Phenol-2,4-disulfonsäure 251
Parafuchsin 580 Phenole
Paraldehyd 341 Acidität 252, 277
Partialladungen 142 Nachweis 708
Paterno-Büchi-Reaktion 195 Phenyl-, 1-Naphthylurethane 704
Paulys Reagens 94, 519, (566), 602, 646 Trennung von Carbonsäuren 698
Pechmann, H. v. 376, 397 durch Verkochen 613, 614, 615
Pechmann -Synthese des Diazomethans 624 Phenol-Formaldehydharze 376, 397
Pedersen, CJ. 155, 178 Phenolharz 374
Peleusbälle 137 Phenolphthalein 583, 584
Penicilline 663 Phenoplaste 376
ß-Pentacetyl-D-glucopyranose 390, 395 Phenoxazinfarbstoffe 578, 657
Pentachlorphenol 571 Phenthiazinfarbstoffe 578, 579
Pentachlorpyrrolenin 646 Phenylacetamid 326
Pentacyanocobalt(II)-ion 549 Phenylaceton 434
Pentaerythrit 365 Phenylacetonitril 150, 326
1,5-Pentamethylen-tetrazol 351, 352, 661 Phenylacetylen 215, 436
1,5-Pentandiol 650 D/L-Phenylalanin 371, 423, 532, 685
2,3,4-Pentantrion 500 L-Phenylalanin 373
Pentatrimethylsilyl-glucose 394 Phenylazid
Pentazen 662 aus Benzoldiazoniumion 662
Pentazol 662 aus Phenylhydrazin 623
Peptid-Bindung 316, 318, 332 /7-Phenylazobenzoesäure 304, (490)
Peptide 318 p-Phenylazobenzoesäureester 704
Peptidsynthese 316, 317, 332 /?-Phenylazobenzoylchlorid 304, 704
Peressigsäure 489 Phenylazo-triphenylmethan 619
Perforation 64 N-Phenylbenzalnitron 523
Periodat 487 Phenyl-bis(phenylazo)methan 595
Periodsäure 487, 505 Phenylbrenztraubensäure 373
Periston (217), 647 l-Phenylbutan-3-on 413, 414
Perkinsche Synthese 371, 397, 649 2,4-Dinitrophenylhydrazon 348, 414
Perkin, Sir Henry W. 376 4-Phenyl-3-butin-2-ol 436, 481
Perlon 352 4-Phenyl-3-butin-2-on 481
Peroxidasen 694 4-Phenylbuttersäure 260, 263, 514, 544
Peroxyameisensäure 493, 495, 497 4-Phenylbuttersäurechlorid 260, 261
Peroxycarbonsäuren 312, 472, 473, 493, 2-Phenylchinolin 683
494, 495, 496, 497 Phenyl-(E)-diazosulfonat 613, 621
Peroxyessigsaure 489 Phenyldiimin 623
Peroxyschwefelsäure 489, 495 o -Phenylendiamin 383, 659
Perutz, M. 319 /7-Phenylendiamin 564
Peterson, DJ. 190 Phenylendiamine 532
Petroleumbenzine, Lösungsmittel 116 Phenylessigsäure 326, 632
Pfitzner-Moffatt-Reaktion 482 a-Phenylethylamin 357
Pfleger, J. 653 Racematspaltung 358
Phasentransfer-Verfahren 200, 219 1-Phenylethyliden-1, l-bis(thioessigsäure)
Phenanthren 252, 253, 501, 502 340
Phenanthrenchinon 384 9-Phenyl-9-fluorenyl 588
o-Phenanthrolin 680 N-Phenylglycin 653
Phenazinfarbstoffe 578 N-Phenylglycin-o-carbonsäure 651, 652
Sach- und Namenregister 747

7-Phenylheptansäure 544 Alkene 208


Phenylhydrazin 347, 382, 383, 387, 594, Ketone 385
621, 622, 655 ohne Licht 477
Disproportionierung 622, 623 Photochlorierung 175
-hydrochlorid 382 Photodimerisierung 207, 208, 477
Phenylhydrazone 347 Photooxidation 476
von Aldehyden und Ketonen 705 von Allylpositionen 477
Fischersche Indolsynthese 655, 656 von Dienen 476
1-Phenyl-l-hydroxyaceton 381 Phthalimid 157, 323
Phenylhydroxylamin 489, 491, 519, 521, Phthalocyanin 585, 586
522, 523, 527 Phthalsäure 394, 586
Reduktion mit 521 Phthalsäureanhydrid 574, 584, 586
Phenylioddichlorid 615 Phthalsäure-diethylester 403
Phenylisocyanat 528, 704 Phytol 694
aus Phenylisothiocyanat 529 a-Picolin 669, 675
Phenylisonitril (519), 590 Picoline 669, 675
Phenylisothiocyanat 527, 528, 529 Pictet-Spengler-Synthese 685, 696
Phenyllithium 442, 444, 455, 683 Pikrate tertiärer Amine 711
Phenylmagnesiumbromid 432, 434, 440 Pikrinsäure 241, 251, 252, 280, 670, 703,
Phenylmethanthiol 160, 161, 162 711, 714
Phenylnitroacetonitril 408 Komplexe mit 252, 253, 703
l-Phenyl-2-nitroethylen 361 Pikrylchlorid 253, 280
Phenylnitromethan 408, 409, 412 Pinakol 385
ad-Form 412 Pinakole durch Reduktion von Ketonen
2-Phenyl-5-oxazolon 373, 662 511, 512
Phenylpentazen 662 Pinakolin-Umlagerung 386, 397
3-Phenyl-2-propanol 454 Pinakon 386
l-Phenyl-2-propanon 434 Pinakonumlagerung 386, 397
3-Phenylpropionsäure 261, 510, 555 (-)-a-Pinen 214, 541, 543
3-Phenylpropionylchlorid 261 Piperidin 158, 346
4-Phenyl-2-pyrazolin-3-carbonsäure-me- Pipettierhilfen 137
thylester 631, 632 Pitzer-Spannung 263
Phenylsenföl 527, 528, 529 Plasmochin 684
Phenylsulfenylchlorid 531 Platin-Aktivkohle 554
3-Phenylthiohydantoin 529 Platinoxid nach Adams 554
Phenylthioureidopeptid 529 Plexiglas 213
l-Phenyltriazol-4,5-dicarbonsäureester 624 PO-aktivierte Olefinierung 459, 463
Phenylurethane 704 Polarimetrie 123, 358
Phillips-Verfahren 210 Polonowski, M. 492
Phloroglucin 649 Polyacrylamid 213
Phloxin 584 Polyacrylamidgele 85
Phoron 364 Polyacrylnitril 213
Phosphatpuffer 718 Polyamid 6 352
Phosphinalkylen 455 Polyamid 6.6 352
Phosphine zur Reduktion der Ozonide 504 Polybutadien 210
Phosphinoxide 496 Polyensynthese 373
Phosphite zur Reduktion der Ozonide 504 Polyethylen 210, 213
Phosphonsäureester 459, 460, 463 Polyethylenglykol 155
Phosphorpentoxid zum Trocknen 106, 107, Polyharnstoffe 328
108, 113 Polyisopren 211
Photochemie Polykondensation 212
748 Sach- und Namenregister

polymere Träger 374, 397 Pseudobasen 673


Polymerisation Pseudonitrosite 166
der Alkene 208, 210, 212 Pteridine 691, 692, 696
anionische 211 Pteroylglutaminsäure 692
Fe2+- oder Peroxid-initierte 495 Pummerer-Reaktion 493
kationische 209, 210 Purin 690, 691, 696
thermisch-radikalische 208, 210, 211 Purpur, antiker 653
Polymethacrylat 213 Purpursäure 691
Polymethinfarbstoffe 682, 696 Purrmann, R. 691
Polymethylen 629 y-Pyran 676, 677, 695
Polyoxymethylene 341 Pyrazin 687
Polypeptide 316 Pyrazole 660, 664
Polypeptidkette 318 2-Pyrazolin 610
Polypropylen 210 Pyrazolone 660
Polysaccharide 392, 393 Pyridazin 687
Polystyrol 209, 213 Pyridin 225, 643, 668, 669, 670, 695
Polytetrafluorethylen 213 Derivate 677, 695
Polyurethane 328 Eigenschaften 669
Polyvinylacetat 213, 215 -hydrochlorid 154, 672
Polyvinylchlorid 213 Lösungsmittel 116
Polyvinylpyrrolidon 217, (647) nucleophile Substitution 669, 670
H. Pommer 160 Struktur 225
Porphobilinogen 644 Pyridiniumchlorchromat 480, 481, 505
Porphyrine 476, 644 (694) Pyridinium-perbromid 673
Posner, G. H. 452 N-Pyridinium-sulfonat 673
Prelog, V. 359, 382 Pyridin-AT-oxide 675, 695
Prileschajew, N. 312, 496 elektrophile Substitution 675
Primärozonid 503 2-Pyridinthiol 441
Primärstruktur, Proteine 318 Pyridone 672, 673, 677
Prioritäten 359 Pyridoxin 672
Procionbrillantorange GS 609 Pyrimidin 687, 696
Prolin 316, 647 Pyrimidinbasen 687, 696
Prontosil 604 a-Pyron 677, 695
1,3-Propandithiol 339 4-Pyron-2,6-dicarbonsäure 678
n-Propanol siehe n-Propylalkohol y-Pyrone 676, 677, 678, 695
Propargylalkohol 218, 679 Pyrrol 227, 643, 644, 645, 663
Propargylalkohol-tetrahydropyranylether Aromatizität 647, 651
679 Basizität 645
Propen 211 Fichtenspanreaktion 645
aus Allylalkohol 513 Pyrrolidin 345, 346
Hydrierung 547 Pyrrolidine 647
2-Propenylchlorid 196 !-(A^-Pyrrolidino)-l-cyclohexen 345, 346
ß-Propiolacton 311 a-Pyrrolidon 647
Propionaldehyd 339 Pyrroline 647
2,4-Dinitrophenylhydrazon 348 Pyrrolrot 646
Propionsäure 294 Pyruvatoxidase 531
n-Propylalkohol 194 Pyryliumsalze 225, 676, 677, 695
Lösungsmittel 112
Proteine 316, 318 Q
Protonenresonanz-Spektrum 701 qualitative Analyse 697, 699, 715
Protoporphyrin 644 qualitative Elementaranalyse 124
Sach- und Namenregister 749

quartäre Ammoniumsalze 160, 711 Rose bengale 476, 584


Quarz l Rosenmund, K. W. 549
Quecksilber-benzylsulfid 162 Rosenmund-Reduktion 539, 549, 559
Quecksilber-Diffusionspumpe 32 Rotationsdispersion, optische 123
Quecksilbermanometer 31 Rotationsverdampfer 42, 43
Quecksilbermanostat 31 R-Säure 602
Quecksilber-organische Verbindungen 453, (R), (S)-System 359
463 Ruberythrinsäure 565
Quecksilber-thiophenolat 530 Rubren-endoperoxid 477
Rückflußkühler 6
R Rücklaufregler 50, 51
Racematspaltung 358, 366 Rücklaufverhältnis 51
Radikale, organische 587, 596 Ruhemannscher Purpur 499
radikalische Substitution 173 Rundet, W. 627
Raecke, B. 273 Rundkolben 5, 130
Raney-Nickel 554 Runge, G. F. 518
Ratcliffe, R. 482 Ruzicka, L. 332
Reaktivfarbstoffe 609, 640
Redoxpolymerisationen 495
Reduzierventil 26 Saccharase 392
Reformatzky-Reaktion 440, 461 Saccharin 248
Refraktometrie 122 Saccharose 392, 394
Reimer-Tiemann-Synthese 273, 274, 287, Säbelaufsatz 44
646, 656 Säulenchromatographie 78, 79, 86, 698,
Rektifizieren 47 699
Remazolfarbstoffe 609 Säureanhydride siehe Carbonsäureanhy-
Remazolgoldgelb G 609 dride
Reppe, W. 218 Säure-Base-Begriff 291, 332
Reserpin 693 Säure-Base-Indikatoren 719
Resit 374 Säurechloride s. Carbonsäurechloride
Resol 374, 376 Säurekonstante 292
Resonanz 224 Säuren handelsüblicher Konzentrationen
Resonanzenergie 224 717
Resorcin 269, 272, 375, 584 Säurespaltung 419, 420
Retentionszeiten 100 Säurezahl pKA 292
Retropinakolin-Umlagerung 386 Salicylaldehyd 273, 632
reversed phases 83 Salicylsäure 272, 632
RF-Werte 94, 97 Sandbad 13
Rhodamine 584 Sandmeyer-Reaktion 614, 616, 640
Rhodanide 328, 531 Sangers Reagens 618
Rhodanin 662 Saugflasche 71, 72, 131
Ribonucleinsäure 688 Saugrohr(-finger) 71, 72, 131
D-Ribose 391 Saytzew-Regel 188
D-Ribulose 391 Schenk, G. O. 476
Richtlinien für Latoratorien 133 Schiemann, G. 618
Rieche, A. 271, 474 Schiemann-Reaktion 613, 614, 617, 640
Riley, H. L. 499 Schiffsche Base siehe auch Azomethine
Ringe (für Stative) 8, 132 344
Ringspaltkolonne 48 Schiffsche Probe 343
Roberts, J. D. 282 Schlangenkühler 6, 7, 37, 42
Rohrzucker 392, 394 Schlauchverbindungen 7
750 Sach- und Namenregister

Schleimsäure 391, 395, 396, 644 Garben 199, 631


Schlenk-Gleichgewicht 437 Ketone 385
Schlessinger, R. H. 446 Skatol 656, 657
Schliffkolbenpipetten 137 Skatyl-acetaminomalonsäure-diethylester
Schliffrundkolben 5, 130 422
Schlosser, M. 458 Skraup, Z.H. 679, 680
Schmelzpunktbestimmung 117 SN l-Reaktion 170
Schmidlinscher Versuch 587 SN2-Reaktion 167
Schmidt-Abbau 324, 332, 351 Sörensen, S. P. L. 718
Schmidt, K. F. 351, 661, 686 Sorbit 391
Schmidt-Umlagerung 686 Soxhlet-Apparat 60
Schmidt, R. E. 250 Speiseöl, Härtung 555
Schmitz, E. 628 spektroskopische Methoden 701
Schorigin, P. 154, 513 spezifische Drehung 123, 358
Schotten-Baumann-Reaktion 307, 308, Spinne 42, 43
636, 673, 704 Squalen 214
Schröder, G. 503 Staab, H.A. 537, 588
Schüttelmaschinen 21 Stärke 393
Schütteltrichter 62, 131 Stative 8, 131
Schwefelkohlenstoff 527 Staudinger, H. 627, 697
Schwefelsäure zum Trocknen 106, 107, Steigrohr 6, 7, 130
108, 116 Steroide 214
Schwefel-Ylide 163, 460, 461, 463 Steuer, H. 380, 420, 424, 426
Schwertaufsatz 44 Stevens, T. S. 546
Sedativa 688 Stickstoff, flüssiger 135
Seebach, D. 444 Stuben 496, 610
Seifen 302 Stilbendiol 383
Sekundärstruktur der Proteine 319 Stilbenoxid 496
Selendioxid-Oxidation 498, 505 Stoffgemische, Trennen 697
Selenoxide, Eliminierung 449 Stoll, A. 382
Semicarbazid 330 Sforfc-Alkylierung 447
Semicarbazid-hydrochlorid 330 Stork, G. 345, 346, 446
Semicarbazone 331, 347, 705 Strecker, A. 355
Semichininone 577 Strecker-Synthese 354, 653
Senföle 328, 527, 528, 529 Strömungsmesser 25, 26
Sensibilisatoren 476 Strychnin 693
Photographie 682 Styphninsäure 253
Sensibilisierung 385 Styrol 192, 208, 209, 211, 468
Sensitiv-Rot 682 Styroldibromid 192, 215
Sephadex 85, 393 Sublimation 57
Serotonin 657 Substantivfarbstoffe 608
Sicherheit 133 Substituenten I.Ordnung 232
Siedekapillare 41 Substitution, aliphatische 141
Siedepunktbestimmung 120 Substitution, aromatische 223
sigmatrope Reaktion 418 Substitution, elektrophile 228, 237, 255
Silberoxid, frisch gefällt 189 Substitution, nucleophile 142, 166, 179
Silbersalz 564 aromatische 276, 280, 287
Silikagel 108 Substitution, radikalische 173
Simmons-Smith -Reaktion 441 Succinimid 197, 320, 321, 645
Singulett-Sauerstoff 476, 505 Succinyl-Coenzym, A 644
Singulettzustand Succinylobernsteinsäureester 407
Sach- und Namenregister 751

Sucrose 392 Tetrachlorkohlenstoff 264


Sudangelb 605 Lösungsmittel 116
Sulfanilsäure 250, 294, 606, 607 Tetrachlortetrafluorcyclobutan 207
diazotierte 519, 602, 646 Tetrafluorcyclobuten 207
Diazotierung 566, 606 Tetrafluorethylen 207
Kupplung mit a-Naphthol 566 Tetrahydrochinolin 681
Sulfathiazol 250 Tetrahydrofuran 648, 650
Sulfensäuren 163, 530 Lösungsmittel 116
Sulfenylchloride 531 Reinigung 435
Sulfinsäuren 163, 530 D,L-l,2,3,4-Tetrahydro-isochinolin-3-
Sulfolan651 carbonsäure 685
Sulfonamide 157, 246, 250, 604 Tetrahydroisochinoline 685, 696
Sulfone 245, 496 Tetrahydropyranylether 678, 679
Sulfonierung 244, 255 1,2,3,4-Tetrahydro-s-tetrazine 596
Sulfoniumhalogenide 163 Tetrahydrothiophen 651
Sulfonsäurechloride 246 Tetralin 192, 513
Reduktion 529, 530 Dehydrierung 572
Sulfonsäureester 246 1-Tetralon 260, 263, 686
Sulfonsäuren 244 Tetramethyl-/?-benzochinon 569
Nachweis 712 3,3,5,5-Tetramethylcyclohexanon 451
aus Thiolen 163, 531 Tetramethylethylen 386
Sulfoxide 163, 482, 496 Ozonisierung 503
Eliminierung 449 AWA^N'-Tetramethyl-ethylendiamin 442
Superhydrid 515, 539, 540 1,2,3,3-Tetramethyl-indoleniniumsalze 657
Sydnone 663, 664 Tetramethyl-/?-phenylendiamin 577
Szent-Györgyi, A. 391 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-l-oxyl 593
Tetranitromethan 703
Tetraphenylhydrazin 590, 592
Tetrazane 592
Taft, R. W. 285 Tetrazol 661, 664
Tartrazin 661 Tetrazoliumsalze 661, 664
Tautomerie 409 Teuber, HJ. 564
der o-Hydroxyazoverbindungen 605 Teuber-Oxidation 572
Teflon 213 Theobromin 689, 691
Teichmannsche Kristalle 694 Theophyllin 691
Terephthalsäure 485, 632 Thermostaten 13, 14, 15
-dimethylester 485 Thiamin siehe Aneurin
Terpene 213, 214 Thiamin-pyrophosphat 380
a-Terpinen 476 Thiazol 662, 663, 664
a-Terthienyl 651 Thiazolidin 663
Tertiärstruktur, Proteine 319 Thiazoliumverbindungen 380
Terylen 273 Thiele, J. 616
Tetraacetyl-a-bromglucose 390, 395 TVz/e/e-Reaktion 570, 596
2,4,4,6-Tetrabrom-2,5- Thiocarbanilid 527
cyclohexadienon 230, 231 Thiocarbonsäureamid 325
l,3,6,8-Tetra-tert-butyl-9- Thioctsäure siehe Liponsäure
carbazolyl 592 Thiocyansäureester 328
Tetrachlor-o-benzochinon 564, 569, 570, Thioenolether 445
571, 572 Thioether 161, 163
Tetrachlor-p-benzochinon 569, 570, 571 zur Reduktion der Ozonide 504
Tetrachlorbrenzcatechin 571 Thioglykolsäure 340, 531
752 Sach- und Namenregister

Thioharnstoff 160, 714 p-Tolylhydroxylamin 520, 522


Thioharnstoffe 328, 527, 528, 529 Tosyl siehe Toluolsulfonyl
Thioindigo 654 Transaldolase 365
Thioindigoscharlach 654 Transketolase 365
Thioindoxyl 654 Traubesche Base 691
Thiolan 651 Traube, W. 687, 690
Thiole Trennen, Stoffgemische 697
aliphatische 160, 161, 178 Trennung primärer von sekundären Ami-
aromatische 178, 527, 613, 614 nen 158
Bleisalze 162, 530 Trialkylborane 541, 542, 559
Chlorierung 531 Addition an a,ß-unges. Carbonverbin-
Oxidation 163, 530 dungen 542
Quecksilbersalze 162, 530 Oxidation 542
durch Reduktion der Disulfide 531 Protolyse 542
Thiolester 441 2,4,5-Triamino-6-hydroxy-pyrimidin 691
2-Thio-5-methyluracil 688 symm. Triazin 688, 696
Thionaphthen 658 1,2,3-Triazol 661, 664
Thiophen 227, 241, 643, 650, 663 l,2,3-Triazol-4,5-dicarbonsäure 660, 661
Aromatizität 651 2,4,6-Tribromanilin 229, 494, 621
Mercurierung 241, 651 1,3,5-Tribrombenzol 621
Thiophen-2-carbonsäure 651 2,4,6-Tribrom-nitrosobenzol 494
Thiophenol 294, 529 2,4,6-Tribromphenol 230, 231
Thiopyryliumsalze 677 2,4,6-Tri-te/t-butylphenol 594
f/zra?-Diastereomer 187 2,4,6-Tri-terf-butylphenoxyl 594
Thymin 687 Trichloressigsäure 176, 294
Thyroxin 373, 688 Trichlorethylalkohol 533, 534
Tietze, L.-F. 354 Trichlorethylen 218
Tillmann's Reagens 576 Tricnlormethyl-oxirancarbonsäure-ethyl-
Tischtschenko-Reaktion 378 ester 639
Titriplex III 475 2,4,6-Trichlortriazin 688
Tocochinon 678 Triflatrest 248
Tocopherole 475, 678 Trifluormethansulfonsäurerest 248
Tollens, B. 388 Triglykol 155
o-Toluidin 518, 658 Trihydroxymethylacetaldehyd 364
/7-Toluidin 516, 518, 556, 616, 682, 707, 2,6,8-Trihydroxy-purin 689, 690
713 Triisobutylalan 453
Toluidine 526 Triketohydrinden 498
/?-Toluidiniumsalze 713 Triketopentan 500
p-Tolunitril 536, 616 Trimethylamin 491
Toluol 173, 247, 267 Trimethylamin-oxid 491
aus Benzylalkohol 513 1,3,5-Trimethylbenzol 364
Lösungsmittel 117 Trimethyl-l,2-dioxetan 477
p-Toluoldiazoniumchlorid 616 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazin 343,
p-Toluolsulfochlorid 158, 248 344
/?-Toluolsulfonamide 711 2,2,4-Trimethylpentan 194
o-Toluolsulfonsäure 247, 248
Trimethylsilylether 393, 394, 398
/7-Toluolsulfonsäure 247, 248
Toluolsulfonylazid 628 Trimethylsulfoxoniumiodid 163, 460
/7-Toluolsulfonylhydrazide 546 1,3,5-Trinitrobenzol 236
/?-Toluolsulfonylhydrazone 627 Komplexe mit 253
p-Toluylsäure 617, 632 2,4,7-Trinitrofluorenon 253
Sach- und Namenregister 753

2,4,6-Trinitrophenol 241, 251, 252, 280 Tryptophan 656, 657


Komplexe mit 252, 253, 703 D,L- 422, 692, 693
2,4,6-Trinitroresorcin 253 Tschitschibabin, A. 670
2,4,6-Trinitrotoluol 236, 252 Tschugaew, L. A. 189, 219
1,3,5-Trioxan 341 Tyrosin 373
Trioxymethylen 341
Tripeptid 318 U
Triphenylcarbinol 265, 433, 589 Ubichinone 569
Triphenylchlormethan 264, 587, 589 Übergangsstücke 3, 4, 130
1,3,5-Triphenylformazan 594, 661 Übergangszustand 168, 171
Triphenylguanidin 528 Ugi, L 662
Triphenylmethan 589 Ultrarot siehe Infrarot
Triphenylmethanfarbstoffe 575, 580, 583, Ultraviolett-Spektroskopie 702
596 Kontrolle der Braunsteinoxidation 483
Triphenylmethanol siehe Triphenylcarbinol Umesterung 299, 300, 302, 708
Triphenylmethyl 587 Umfallen 76
Triphenylmethylether 433 Umkristallisieren 74
Triphenylmethylkation 171, 589 Umoximierung 349
Triphenylmethyl-natrium 406, 589 Umpolung 380, 445, 462
Triphenylmethylperoxid 587, 589 Undecansäure 294
p -Triphenylmethylphenol 266 10-Undecensäure 192, 193
Triphenylphosphin 159, 557 Unfallverhütungsvorschriften 133
Triphenylphosphinoxid 455, 456 a,ß-ungesättigte Aldehyde durch Braun-
Triphenyltetrazoliumchlorid 661 stein-Oxidation 484
1,3,5-Triphenylverdazyl 594, 595 ungesättigte Carbonylverbindungen, Ozon-
Triplettzustand spaltung 496, 504
Carbonylgruppe 477 a,ß-ungesättigte Ketone
Ketone 385 Birch-Reduktion 513
Sauerstoff 476 durch Braunstein-Oxidation 484
Triptycen 283, 620, 640 Uracil 687
Trisaccharide 392 Urease 329
Tris(4-biphenyl)methyl 588 Urethane 323, 328, 704
Tris-hydroxymethylaminomethan 365 Uricase 691
Tris-hydroxymethylnitromethan 365 Uroniumnitrat 147, (327)
Tris(2-methylphenyl)methyl 588 Uronsäuren 391
Tris(4-nitrophenyl)methyl 588 Urotropin siehe Hexamethylentetramin
Tris-Puffer 365 UV-Spektroskopie 702
Tris(triphenylphosphin)-rhodium(I)-chlorid Kontrolle der Braunstein-Oxidation 483
548, 557
Trityl siehe Triphenylmethyl
Trockeneis 16 Vakuumdestillation 39
Trockenpistole 105 Vakuumexsikkator 104, 131
Trockenturm 25, 26, 107 a-Valerolacton durch Bayer- Villiger-Oxi-
Tropftrichter 22, 23, 24, 130, 131 dation 497
Tropolon 226, 227 D,L-Valin 156, 373
Tropyliden 631 Valin, Biosynthese 380
Tropylium-Ion 226, 227 Van der Waals-Spannung 263
Trost, B. M. 449 Verdazyl 595, 596
Truxillsäuren 207 Verdazyliumion 595
Trypsin 661 Verdünnungsprinzip v. Ruggli-Ziegler 263
Tryptamin 657, 693 Veresterung 296
754 Sach- und Namenregister

Verkochung der Diazoniumsalze 613, 614, Weygand, F. 387


615 Widmer-Spirale 48, 49
Veronal 688 Wieland, H. 591
Verseifung der Ester 299, 707 Wilke, G. 196
der Fette 301 Williamson, Ethersynthese 153
Verteilungschromatographie 79, 82, 91, Willstätter, R. 511, 564, 694
101 Witkop, B. 276
Vibro-Mischer 20 Witt, O. N. 249
Vigreux-Kolonne 48, 49, 130 WMg9 G. 160, 190, 283, 345, 447, 455,
Vilsmeier-Synthese 270, 287 620
Vinylacetat 215, 217 Jf7«ig-Reaktion 160, 190, 455, 463
Vinylacetylen 218 Stereochemie 458
Vinylamine siehe Enamine Wähler, F. 327
Vinylbromid 435 Wohl, A. 324
Vinylchlorid 217 Wolff-Kishner-Reduktion 544, 559
1-Vinylcyclohexanol 435 Wolff, L. 545
Vinylether 217 WolffschQ Umlagerung 630, 633, 640
Vinyllithium 442 Woodward-Hoffmann-Regeln 205
Vinylmagnesiumbromid 435, 437 Woulfe'sche Flasche 30, 131
Vinylmagnesiumchlorid 436 Wursters Blau 577
N-Vinylpyrrolidon 217,647 Wursters Rot 577, 607
Vinylsulfongruppe 609, 640 JFwrtz-Reaktion 228, 439, 453
Virtanen, A. 383, 662
Vitamin A1 214 X
Vitamin B1 380, 662, 663 Xanthin 691
Vitamin B6 672 Xanth(ogen)at-Pyrolyse 184, 189, 219
Vitamin B12 660 Xanthopterin 691, 692
Vitamin C 391, 392 Xylan 393
Vitamin E 474, 678 Xylidin 518, 526
Vitamine K 569 /7-Xylochinon 383
Vogel, E. 226, 276 Xylol 253
Vulkanisieren 210, 211 Lösungsmittel 117
m-Xylol 485
W p-Xylol 485
Wadsworth, W. S. 459 D-Xylose 391
Wagner-Meerwein -Umlagerungen 386, 397 D-Xylulose 391
Waiden, P. 168, 171, 689 Xylulose-5-phosphat 381
Waiden -Umkehr 168
Waschflasche 25, 107, 130
Wasserabscheider 53, 54 Ylen, Ylid 455, 457
Wasserbad 11, 12, 132 Yohimbin 693
Wasserdampf-Destillation 51, 52
Wasserstoffbrücken 171, 410, 420
Wasserstoff, nascierender 509, 510 Zeisel, Etherspaltung 154
Wasserstrahlpumpe 30 Zemplen, G. 324
Waters, W. A. 233 Zentrifugieren 70, 73
D-Weinsäure 358 Zerewitinow-Reagens 656
Glykolspaltung 487 Zerewitinow, Th. 438
Weißmacher 609 Zervas, L. 316
Weitz, E. 495 Ziegler, K. 154, 194, 196, 198, 210, 407,
Westheimer, F. H. 420 453, 589, 624, 674, 684
Sach- und Namenregister 755

Ztegfer-Katalysator 210 Zucker 386


Zimtaldehyd 271, 483 Dünnschichtchromatographie 394
Zimtalkohol 483, 540 Gaschromatographie 393
Zimtsäure 207, 371, 510, 555, 632 Glykolspaltung 487
Zimtsäurenitril 619 Reduzierende Wirkung 394
Zmcfce-Salz 673, 674 Zucker-Abbau nach Fenton-Ruff 495
Zincke, Th. 649, 674 Zuckersäuren 391
ZMn9 N. 527 Zweihalskolben 5
Zink, amalgamiertes 514 Zweitsubstitution, elektrophile 231, (285)
Zink-organische Verbindungen 440, 461 Zwitterionen 316
Zonenschmelzen 78
Autoren der Übersichtsartikel

Böhme, H. 366
Adams, J. T. 426 DuBois, A. S. 287
Albert, A. 696 Boissonnas, R. A. 332
Albertson, N. F. 332 Boutagy, J. 463
Alder, K. 219 Boyer, J. H. 640, 664
Angyal, S. J. 397 Braun, W. 136
D'Ans, J. 715 Bredereck, H. 696
Arndt, D. 505 Breil, H. 463
Arnold, R. G. 333 Brown, D. J. 559
Asinger, F. 286 Brown, H. C. 558, 559
Brown, W. G. 558
B Brunck, H. 663
Bachmann, W. E. 640 Bruson, H.A. 427
Bahr, G. 462 Buchanan, G. S. C. 558
Baeyer, A. v. 663 Bück, J. S. 397
Bailey, P.S. 505 Budzikiewicz, H. 701
Ballester, M. 426 Buehler, C.A. 255
Baumann, F. 596 Bunnett, J. F. 287
Bayer, E. 98, 101, 695 Bunton, CA. 179
Bayer, O. 286, 366, 367, 426, 504, 505, Burba, P. 462
558, 559 Burwell jr., R. L. 178
Bebb, R. L. 462 Butz, L.W. 219
Behr, L. C. 664
Belenkij, L. J. 663
Bellamy, L. J. 702 Cahn, R. S. 367
Benson, F. R. 664 Caine, D. 558
Bergelson, L. D. 463 Cairns, T. L. 462
Bergmann, E. D. 427 Campell, B. K. 558
Bergstrom, F. W. 695 Campbell, K.N. 219, 558
Berl, W. G. 102 Canter, F. C. 640
Berliner, E. 286 Capon, B. 397
Berlo, R. C. 559 Carnduff, J. 504, 559
Bernasconi, C. F. 287 Carter, H.E. 397
Bersin, T. 558 Cason, J. 596
Bestmann, H. J. 463, 640 Casper, K. 702
Birch, A.J. 558, 559 Cavalieri, L. F. 695
Birett, K. 136, 137 Chevrier, B. 286
Birkhofer, L. 178, 398 Christensen, J.J. 178
Bjerrum, N. 115 Clerc, T. 702
Blaschke, G. 366 Clotten, R. und A. 102
Blatchly, J. M. 596 Coates, G.E. 461
Blatt, A. H. 286 Collins, C. J. 397
Blicke, F.F. 366, 663 Cook, A. G. 366
Bloomfield, J. J. 397, 426 Cope, A.C. 218, 426
Bock, H. 640 Corey, E. J. 505
Bock, H. 702 Corwin, A. H. 663
758 Autoren der Übersichtsartikel

Gramer, F. 96 Fatiadi, A. J. 505


Criegee, R. 113, 505 Finley, K. T. 397
Crounse, N. N. 286 Fleming, I. 219, 701
Curtin, D. Y. 715 Folkers, K. 663
Fester, K. 255
D
Fox, S.W. 664
DaIe, J. 397
Franke, W. 461
DaIy, W. H. 397
Franklin, E. C. 695
D'Ans, J. 715
Franzen, V. 397
Dave, V. 640
Frensdorff, H. K. 178
Davies, T. 58
Friebolin, H. 702
Day, A. R. 664
Fried, J. 695
Dehmlow, E.V. 219
Fuchs, O. 116
Deno, N.C. 558
Fürst, A. 559
DePuy, CH. 218
Fuson, R. C. 287, 715
Desio, P. J. 462
Determann, H. 85
Dewar, M.J.S. 219
Garratt, P. 255
De Wolfe, R. H. 332
Gaudemar, M. 461
Deyl, Z. 699
Gaylord, N.G. 558
Dimroth, K. 695
Geissmann, T. A. 397
Djerassi, C. 219, 558
Gensler, WJ. 696
Dockx, J. 219
Gilman, H. 461, 462
Dodd, T. N. 663
Ginsburg, D. 427
Dönhardt, A. 136
Goerdeler, J. 178
Donaruma, L. G. 366
Gold, H. 640
Dorfner, K. 83
Goldfarb, J. L. 663
Dorlars, A. 640
Gompper, R. 696
Dose, K. 102
Goodman, M. 96
Doshan, H. 505
Gore, P. H. 286
DuBois, A. S. 287
Govindachari, T. R. 696
Dunitz, J. D. 397
Grassmann, W. 332
Durst, T. 179
Green, M. L. H. 461
E Grießbach, R. 83
Eastham, J. F. 397 Grigat, E. 333
Ege, G. 702 Grob, R. L. 699
Eistert, B. 640 Gröbel, B.-T. 462
Elderfield, R. C. 663, 664, 695, 696 Grundmann, C. 696
Eliel, E. L. 367 Gschwend, H.W. 462
Emerson, W. S. 366 Günther, H. 702
Emich, F. 122 Günzl, M. und W. 219
Endres, H. 85 Günzler, H. 702
Engelhardt, H. 699 Gundermann, K.-D. 505
England, D.D. 664 Gunstone, F.D. 219, 505
Epstein, W.W. 505 Gupta, S. K. 559
Etough, D. J. 178 Gutsche, C. D. 640
Evans, M. G. 596
Evans, R. M. 505 H
Haage, K. 463
Haake, M. 366
Fahey, R. C. 219 Hajos, A. 558
Autoren der Übersichtsartikel 759

Hahn, D. A. 696 Ingold, CK. 367


Hais, J. M. 96 Isaacs, N. S. 505
Hajos, A. 559 Izatt, R. M. 178
Hallap, P. 702
J
Hamer, F. M. 696
Jackman, L. M. 702
Harborne, J.B. 695
Jackson, E. L. 505
Harmon, R.E. 559 Jacobs, L. 664
Harris, C. M. 462
Jaffe, H.H. 287
Harris jr., J. F. 219
Jahnke, D. 463
Harris, T. M. 462
James, B. R. 559
Härtung, W. H. 332
Janäk, J. 699
Harvey, R. G. 558
Jensen, W.B. 332
Hassall, CH. 505
Jerchel, D. 695
Hauser, C. R. 426
Jeskey, H. 287
Heck, G. 640
Jones, D. G. 663
Hecker, E. 66
Jones, G. 397
Heer, J. de 596
Jones, P. R. 462
Heftmann, E. 78
Jones, R. G. 462
Heinke, B. 332
Johnson, C. D. 695
Heldt, W. Z. 366
Johnson, J. R. 397
Hellmann, H. 366
Johnson, T. B. 696
Henecka, H. 286, 332, 397, 426, 427, 505,
Johnson, W. S. 426
640
Jorgenson, M. J. 462
Henneberg, D. 702
Jucker, E. 696
Hennion, G. F. 219
Julian, P. L. 663
Hesse, G. 78, 79
Jutz, C. 287
Hesse, M. 701
Heyna, J. 640 K
Hoch, H. 366, 504 Kabbe, H. J. 505
Hochrainer, A. 366 Kämmerer, H. 397, 699, 715
Hodgson, H.H. 640 Kaiser, R. 699
Hörmann, H. 558 Katritzky, A. R. 695
Hoffmann, R. 219 Kauffmann, T. 287
Hoffmann, R.W. 287 Kearns, D. R. 505
Hoffmann-Ostenhof, O. 596 Kemp, W. 715
Hoiness, C. M. 462 Kempf, R. 715
Holmes, H. L. 219, 426, 696 Kenner, W. 696
Holzkamp, E. 463 Kern, W. 699, 715
Hooton, S. 559 Kessler, H. 640
Horner, L. 219, 463 Kharash, M. S. 461
Houlihan, W. J. 367 Kienitz, H. 17
House, H. O. 367, 426, 427 King, R.W. 218
Hudson, B.E. 426 Kirkland, J. J. 699
Hückel, W. 558 Klabunovskii, E. J. 640
Hünig, S. 366, 559, 640 Kleb, K. G. 640
Huisgen, R. 219, 287, 397, 640 Kloetzel, M. C. 219
Kloss, G. 178
I Köhnlein, H.-E. 137
Ide, W. S. 397 König, H. 463
Igarashi, K. 397 Kornblum, N. 179, 640
Ingersoll, A.W. 366 Kotowycz, G. 398
760 Autoren der Übersichtsartikel
Kramer, D. 504 Meyer, V. 101, 699
Krishnamurthy, S. 558, 559 Möller, F. 366
Kröhnke, F. 695 Moore, M. L. 366
Kröpf, H. 504 Morill, T. C 715
Kühn, R. 136, 137 Morton jr., J. W. 462
Kulka, M. 696 Mosettig, E. 559
Kurtz, P. 178, 332, 366 Mosher, H. S. 695
Kutter, F. 715 Mothes, K. 696
Mowry, D. T. 178
Mozingo, R. 559
Land, A. H. 664 Müller, E. 640
Lane, C. F. 559 Müller, H. R. 559
Lane, J. F. 332 Müller, R. 178
Larock, R. C. 463 Muth, F. 255
Lax, E. 715 Muth, H. 558
Lechtken, P. 505
Lederer, E. und M. 699 N
Leditschke, H. 463 Nace, H. R. 219
Lehmkuhl, H. 463, 559 Naumann, G. 83
Lemieux, R. U. 398 Nelke, J. M. 397
Lever, jr., O.W. 462 Nelles, J. 179
Lindsey, A. S. 287 Nelson, J. A. 333
Lindwall, H. G. 663 Neugebauer, F. A. 596
Loev, B. 96 Newman, M. S. 426
Lübke, K. 178 Nielsen, A. T. 367
Lwowski, W. 332 Niemann, E. 178
Lythgoe, B. 696 Nineham, A.W. 664
Nobel, J. 137
M Normant, H. 179, 461
Macek, K. 96, 699 Normant, J. F. 462
Madaule-Aubry, F. 179 Nützel, K. 461, 462
Maercker, A. 463 O
Magerlein, B. J. 426 Ochiai, E. 695
MaUan, J. M. 462 Olah, G. 286, 287
Mancuso, J. 178 Opitz, G. 366
Manske, F. H. 695, 696 Order, R.B. van 663
Martin, E.L. 558 Ott, E. 332, 505
Martin, H. 463 Overberger, G.G. 397
Maurer, R. 104 Owsley, D. C. 397
McCaldin, D. J. 505
McElvain, S. M. 397
McKeever, CH. 287 Pabst, K. 137
McKillop, A. 397 Padeken, H. G. 178
McOmie, J.W.F. 596 Pappo, R. 427
Meerwein, H. 178, 179, 366 Parham, W.E. 219
Mehta, A.C. 696 Parker, A. J. 179
Meier, H. 640, 701 Parker, R.E. 505
Meister, H. 461 Parmerter, S. M. 639
Mengler, H. 640 Patai, S. 178, 596
Mester, L. 397 Pawellek, D. 255
Meyer, RW. 663 Pearson, D.E. 255
Autoren der Übersichtsartikel 761

Pedersen, C. J. 178 Rüchardt, C. 596


Petersen, S. 640 Rühlmann, K. 397
Peterson, H.J. 558 Rytina, A.W. 219
Petit, G.R. 558
Pfeil, E. 640
Pfleiderer, W. 696 Saines, G. S. 558
Phadke, R. 397 Sannes, K. N. 397
Philips, R. R. 639 Sargent, M. V. 255
Plattner, P.A. 504 Sasse, K. 178, 463, 640
Pommer, H. 463 Sauer, J. 219, 287
Porter, H. K. 558 Sauerbier 558
Posner, G. H. 462 Savell, W. L. 664
Powell, P. 461 Schaefer, J. P. 426
Prelog, V. 367, 397 Schellhammer, C.W. 286, 287, 640
Pretsch, E. 702 Schemjakin, M. M. 463
Price, CC 287 Schenker, E. 559
Printy,.H.C. 663 Schick, O. von 178
Pütter, R. 333, 639 Schildknecht, H. 78
DePuy, CH. 218 Schiller, G. 504
Q Schipper, E. S. 664
Quellmalz, E. 1361 Schmid, H. 695
Schmidt, C.-H. 663
R Schmidt, G. 505
Rabjohn, N. 505 Schöberl, A. 178, 366
Raecke, B. 287 Schöllkopf, U. 462, 463
Randerath, K. 91, 699 Schönberg, A. 505
Rao, C.N.R. 702 Schomburg, G. 699
Raphael, R. A. 397 Schröder, E. 178
Rappoport, Z. 715 Schroeder, J. 640
Rathke, M.W. 461 Schröder, M. 219
Raulins, N. R. 427 Schröter, R. 366
Regitz, M. 640 Schütte, H. R. 696
Reichert, B. 366 Schütz, H. 702
Reiff, H. 462 Schuh, G. v. 696
Reinheckel, H. 463 Schuster, S. 219
Reinmuth, O. 461 Schwall, H. 640
Rhoads, S. J. 427 Schweizer, E.E. 219
Ridd, H. 639 Scott, A. I. 702
Ried, W. 640 Seebach, D. 366, 462
Ritter, A. 398 Segnitz, A. 178
Robins, R. K. 696 Seibl, J. 701
Robinson, B. 663, 664 Seidenfaden, W. 255
Rochester, C. H. 332 Selman, S. 397
Rodriguez, H. R. 462 Sethna, S. 397
Roe, A. 640 Shalaev, V. K. 640
Roedig, A. 178, 179, 255 Shirley, D. A. 462
Röhle, G. 397 Shriner, R. L. 461, 715
Rohr, W. 558 Siegel, E. 640
Rondestvedt jr., C. S. 640 Simmons, H.E. 562
Roth, H. 178, 715 Simonoff, R. 332
Roth, L. 136 Singer, E. 505
762 Autoren der Übersichtsartikel

Skvarchenko, V.R. 640 Trippett, S. 463


Smith, H. 558 Truce, W.E. 287
Smith, F.A.S. 332 Trumbull, E. R. 218
Snyder, L. R. 699 Tschoubar, B. 179
Soll, H. 178
Sorbe, G. 136 U
Spielberger, G. 178 Utermark, W. 715
Spiteller, G. 701
Spoerri, P.E. 287 V
Sprague, J. M. 664 Vedejs, E. 558
Staab, H.A. 558 Venkataraman, K. 695
Stacey, F.W. 219 Verbanc, J. J. 333
Stahl, E. 699 Vilsmeier, A. 287
Staschewski, D. 558 Vladuchick, S.A. 462
Staudinger, H. 699, 715 Vogel, H.H. 286
Stein, G. 505 Vogel, W. 137
Sternhell, S. 702 Volkenstein, J.B. 663
Stetter, H. 219, 397, 427, 461, 462 Vollhardt, P. 255
Stewart, F. H. C. 664
Stoll, A. 696 W
Sträub, H. 463 Wade, K. 461
Streitwieser jr., A. 179, 397 Wadsworth jr., W. S. 463
Stroh, R. 178, 179, 255, 287 Wagner, A. 178, 366, 640
Struve, W. S. 640 Wallis, E. S. 332
Subba Rao, G. 558 Walton, H. F. 699
Suggs,J.W. 505 Warnhoff, E.W. 640
Suhr, H. 702 Waters, W. A. 504
Sustmann, R. 219 Wawzonek, S. 695
Suter, C. M. 255 Wegner, H. 116
Swamer, F. W. 426 Wei, CC 505
Sweat, F.W. 505 Weiss, R. 286
Swern, D. 178, 505 Weller, S. 137
Synowietz, C. 715 Weston, A.W. 255
Szmuszkovicz, J. 366 Weygand, F. 640
Whaley, W. M. 696
White, E.H. 505
Tamelen, E.E. van 558 Wiberg, K.B. 504
Tarbell, T. S. 427 Wiecko, J. 505
Taylor, A. W.C. 663 Wiegand, Ch. 121
Teilacker, W. 366, 596 Wieland, Th. 96, 102, 178, 332
Teilig, G. 696 Wildes, P.D. 505
Thier, W. 559 Wilds, A. L. 558
Thomas, K. 695 Wilen, S. H. 366
Thomas, R. 463 Wiley, R. H. 664
Thomas, R. J. 219 Williams, D.H. 701
Tiollais, R. 366 Williamson, D.H. 559
Todd, D. 559 Wimmer, K. 504
Todd, Lord A. 696 Wingler, F 461, 462
Tolgyesi, W. S. 287 Winkelmann, E.H. 219
Trahanovsky, W. S. 504 Winterfeldt, E. 559
Tramontini, M. 366 Wittig, G. 287, 462, 463
Autoren der Übersichtsartikel 763
Wolf, D.E. 663 Z
De Wolfe, R.H. 332 Zahler, R.E. 287
Wolff, H. 332 Zechmeister, L. 115
Woodgate, P.D. 558 Zeeh, B. 640, 701
Woodward, R.B. 219 Zeller, K.P. 463, 640
Wright, G. F. 461 Ziegenbein, W. 461
Wünsch, E. 332 Ziegler, K. 333, 397, 463, 559
Wulff, G. 397 Zimmermann, R. 463
Wynberg, H. 287 Zollinger, H. 639, 640
Zoltewicz, J. A. 287
Y Zweifel, G. 559
Young, D.W. 397 Zymalkowski, F. 559

You might also like