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“Der Wow-Effekt“, sagt Nadine Becker „muss da sein“. Das, was sie so beeindruckt, steht
hinter ihr auf einer Bühne, verdeckt von schwarzen Vorhängen. Nadine Becker erforscht am
Münchner Max-Planck-Institut (MPI) für Neurobiologie, wie sich die knubbeligen
Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, Synapsen genannt, während eines
Lernprozesses im Gehirn verändern. „Früher konnten wir uns im lebenden Gewebe gerade
mal eine Nervenzelle unter dem Mikroskop anschauen“, berichtet die 27-Jährige. „Aber jetzt
gibt es Geräte, mit denen wir auch die weitaus kleineren Synapsen sichtbar machen
können.“
Möglich ist dies mit High-Tech-Verfahen, die bereits seit über zehn Jahren und vom Laien
fast unbemerkt die Mikroskopie revolutionieren. Für Nadine Becker ist die Arbeit mit der
neuen Methode seit zwei Jahren Alltag. Doch der Wow-Effekt – die Begeisterung dafür, dem
Gehirn beim Lernen zuzuschauen – ist immer noch da. Die Biologin streicht sich eine braune
Haarsträhne aus dem Gesicht und zieht die schwarzen Vorhänge beiseite. Zum Vorschein
kommt ein Gewirr aus Kabeln, Gestänge, und Kästen: das Zwei-Photonen-Mikroskop.
Voyeure im Gehirn
Einen Gang weiter sitzt Professor Tobias Bonhoeffer, Direktor am MPI für Neurobiologie am
Schreibtisch seines lichtdurchfluteten Büros und zeichnet rasch ein paar Linien auf einen
Zettel. „Das hier“, erklärt der 48-Jährige „ist das Zwei-Photonen-Mikroskop“, und skizziert
dabei eine Röhre aus der ein spitzer Strahl kommt. „Damit können wir so tief und so
detailliert in das lebende Gehirn schauen wie nie zuvor.“
Das Prinzip entdeckte die deutsche Physikerin Maria Goeppert-Mayer bereits 1931. Doch
erst vor siebzehn Jahren fand der Wissenschaftler Winfried Denk einen Weg, die Theorie in
die Praxis umzusetzen und entwickelte das Zwei-Photonen-Mikroskop. Eine Erfindung, die
ihm den Nobelpreis bescheren könnte.
Die so genannten „Durchlicht“-Mikroskope, wie sie die Meisten von uns noch aus ihrer
Schulzeit kennen, haben nichts mehr gemein mit den Vergrößerungsgeräten, die heutzutage
auf den Labortischen moderner Forschungsinstitute stehen. In der traditionellen
Durchlichtmikroskopie schauen wir auf ein durchleuchtetes hauchdünn geschnittenes
Präparat, das durch ein Lupensystem vergrößert wird. Das Problem: Die Streuung und
Brechung des Lichts durch die umgebenden Strukturen verhindern, dass man einen Blick in
die Tiefe dickerer Gewebe werfen kann.
Verschmortes Gewebe
Die Lösung brachte in den 80er Jahren das so genannte Konfokalmikroskop. Dabei wird
mithilfe eines Laserstrahls Licht in einen bestimmten Ort der Probe hineinfokussiert. Die so
beleuchteten Moleküle beginnen daraufhin selbst Licht abzustrahlen – sie fluoreszieren.
Rastert man nun ein Gewebe Punkt für Punkt ab, ergibt sich schließlich per
Computeranalyse ein Bild der beobachteten Struktur. Doch auch diese Methode hat einen
Haken. Damit die Moleküle überhaupt wahrnehmbares Licht abstrahlen, muss hoch
energiereiches Licht in das Gewebe hineingepumpt werden. Dadurch besteht die Gefahr,
dass – gerade bei dickeren Proben – das Gewebe verschmort. Schießt man aber
energiearmes, beispielsweise unsichtbares, langwelliges Infrarot-Licht hinein, bringt man
damit kein Molekül zum Leuchten. Aber es gibt ein Phänomen – ein im Normalfall äußerst
seltenes und unwahrscheinliches Ereignis – mit dem auch diese Hürde zu überwinden ist.