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Uni-Zeitung „Darmspiegel“, Ausgabe 07, Januar 2009

Russland zu Gast in der Mathildenhöhe

Darmstadt. Die Mathildenhöhe lädt zur kulturhistorischen Geschichtsstunde ein: Seit dem
12. Oktober macht die umfangreiche Übersichtsschau „Russland 1900. Kunst und Kultur im Reich
des letzten Zaren“ deutsch-russische Historie greifbar.

Es ist Familientag in der Darmstädter Mathildenhöhe. Eltern, Söhne und Töchter tummeln sich auf
dem Hof des Instituts und fotografieren die vergoldeten Kuppen der imposanten russischen Kapelle,
die seit 1899 neben dem Ausstellungsgebäude ragt. Sie ist die einzige Hofkirche der Zaren außerhalb
Russlands. Erbaut wurde die Kapelle auf exportiertem russischen Boden für eine Tochter Darmstadts:
Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt, die später unter dem Namen Alexandra Fjodorowna als letzte
Zarin Russlands in die Geschichte eingehen sollte.

Die Verbundenheit Hessens mit dem adeligen Zarengeschlecht macht die Ausstellung für viele
Darmstädter besonders interessant. Der Andrang ist riesig: Bereits in den ersten sechs Wochen
konnten 20 000 Interessierte an die Mathildenhöhe gelockt werden. So entwickelt sich die
Ausstellung rund um die russisch-hessische Familienbande zur erfolgreichsten Kulturschau der
letzten zehn Jahre. Das muss sie auch, denn im Vorfeld verschlang das ambitionierte Projekt unter
der Leitung des Direktors Ralf Beil über eine Million Euro. Damit ist die Russland-Schau die teuerste
Messe des Instituts.

Fast 300 Kunstwerke und Objekte hat Beil aus Moskau, St. Petersburg, London und Paris auf die
Mathildenhöhe einfliegen lassen: Der folkloristische „Feuervogel“ von Konstantin Somow, der
goldene Baldachin der Zarin Fjodorowna, das stolze Adlerwappen aus dem Hause Romanov und
traditionsträchtige Möbel im russischen Jugendstil. Die Nähe zu den Exponaten wäre den
Verantwortlichen fast zum Verhängnis geworden: „Neulich hat sich ein Mann einfach auf den Stuhl
des Zaren Nikolaus II. gesetzt“, berichtet Udo Trageser, einer der Wachmänner, die mit Leib und
Seele die Schätze der Zaren verteidigen. Lediglich zu fünft und „deutlich unterbezahlt“ müsse man
auf die Leute Acht geben. Etwas zu Bruch gegangen sei aber nie etwas. Und wenn doch? „Dann
müssten wir auf den Übeltäter losstürmen und ihn blechen lassen. Hier liegt ja quasi alles im
Millionenbereich.“ Den genauen Wert der Ausstellungsstücke lässt sich der Wachmann nicht
entlocken. Insgesamt seien sie mit 53 Million Euro versichert, soviel könne er „ausspucken“.

In unerreichbarer Höhe erstreckt sich einer der wertvollsten Objekte der Ausstellung: Die
Freskomalerei von Viktor Wasnezow mit dem Titel „Freude der Gerechten über den Herrn. Vor dem
Paradies". 1899 reformierte Wasnezow die russisch-christliche Kunst und erschuf für die Wladimir-
Kathedrale in Kiew die Freske für Zar Nikolaus II. Der vierzehn Meter lange und drei Meter hohe
Entwurf wurde restauriert und kann erstmalig außerhalb Moskaus besichtigt werden.

Das Ausstellungsgebäude in der Mathildenhöhe hat noch bis zum 1. Februar 2009 seine Pforten
geöffnet. Der Eintritt für Erwachsene kostet 8 Euro (ermäßigt 6 Euro), eine Familienkarte (zwei
Erwachsene mit Kindern) schlägt mit 16 Euro zu Buche.

Onur Yildirancan

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