Anlässlich der aktuellen Diskussion um die Strafbarkeit oder Straflosstellung der Suizidbeihilfe wird in diesem kurzen Text ausgehend von der Europäischen Menschenrechtskonvention erläutert, warum statt Sterbehilfe vielmehr ein Ausbau pallativemedizinischer Einrichtungen menschenrechtlich geboten ist.
Original Title
Notwendiger Lebensschutz - Zur Diskussion um die Straflosstellung der Suizidbeihilfe aus Sicht der Europäischen Menschenrechtskonvention
Anlässlich der aktuellen Diskussion um die Strafbarkeit oder Straflosstellung der Suizidbeihilfe wird in diesem kurzen Text ausgehend von der Europäischen Menschenrechtskonvention erläutert, warum statt Sterbehilfe vielmehr ein Ausbau pallativemedizinischer Einrichtungen menschenrechtlich geboten ist.
Anlässlich der aktuellen Diskussion um die Strafbarkeit oder Straflosstellung der Suizidbeihilfe wird in diesem kurzen Text ausgehend von der Europäischen Menschenrechtskonvention erläutert, warum statt Sterbehilfe vielmehr ein Ausbau pallativemedizinischer Einrichtungen menschenrechtlich geboten ist.
Notwendiger Lebensschutz - Zur Diskussion um die Straflosstellung der Suizidbeihilfe aus
Sicht der Europischen Menschenrechtskonvention
Rechtsanwalt Dr. Stefan Kirchner, MJI Associate Professor fr Grund- und Menschenrechte, Rovaniemi, Finnland
Nachdem in den Niederlanden Sterbehilfe seit Jahren regelmig nicht strafrechtlich verfolgt wird und Belgien seit kurzem auch Sterbehilfe an Minderjhrigen zulssig ist findet derzeit in Grobritannien eine breite politische und gesellschaftliche DIskussion zur Zulssigkeit der Sterbehilfe statt. 1 Da in Deutschland die Frage der Strafbarkeit der Suizidbeteiligung im Herbst 2015 entschieden werden 2 wird und es nahe liegt, dass dieses Thema verschiedene europische Staaten auf absehbare Zeit beschftigen wird, 3 erscheint es sinnvoll, die Thematik auch unter dem Gesichtspunkt der Europischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu betrachten. Dies gilt insbesondere angesichts der aktuellen Diskussion in Grobritannien: Anders als beispielsweise Deutschland verfgt das englische Recht ber keinen schriftliche Verfassung samt nationalem Menschenrechtskatalog. Vielmehr wurde bei der Umsetzung der Europischen Menschenrechtskonvention in nationales Recht der Grundrechtekatalog der EMRK mittels des sogenannten Human Rights Acts in nationales Recht berfhrt. Daher kommt auch im Kontext der Diskussion dort der EMRK besonderes Gewicht zu. Hinzu kommt, dass der wohl noch immer bedeutenste Fall, den der Europische Gerichtshof fr Menschenrechte (EGMR) in diesem Kontext zu entscheiden hatte, Grobritannien betraf: Im Fall Pretty gegen Vereinigtes Knigreich hatte der Europische Gerichtshof fr Menschenrechte entschieden, dass sich aus dem Recht auf Leben nach Artikel 2 EMRK kein Recht auf Sterben herleiten lsst. Auch gibt es auf Grundlage der EMRK keinen Rechtsanspruch Dritter, nicht wegen Suizidbeihilfe bestraft zu werden. Hieraus folgt auch, dass es keine menschenrechtliche Verpflichtung der Vertragsstaaten der EMRK gibt, Suizidbeihilfe straffrei zu stellen. Auf menschenrechtliche Vorgaben kann sich der Gesetzgeber also nicht berufen, wenn versucht werden sollte, die Strafbarkeit der Ttung auf Verlangen aufzuheben. Gleiches gilt hinsichtlich des Verbots unmenschlicher Behandlung nach Artikel 3 EMRK. Jedoch kann sich hieraus eine Verpflichtung des Staates zur Vorhaltung palliativmedizinischer Einrichtungen und ein entsprechender Anspruch auf Pflege- und sonstige Dienstleistungen ergeben. Diese soziale Komponente der aktiven Verpflichtung des Staates wird aber zu wenig anerkannt und umgesetzt. Eine Straflosstellung der Ttung auf Verlangen wrde darber hinaus zu einer Aushhlung des Rechts auf Leben fhren knnen. Das Missbrauchspotential ist erheblich, insbesondere wenn es um Flle geht, in denen die Einwilligungsfhigkeit des Patienten unklar ist.
Das Recht auf Leben muss auch und gerade durch das Strafrecht geschtzt werden. Jeder Schritt weg von einem absoluten Lebensschutz beinhaltet die Gefahr des Abgleitens auf einen Weg, an dessen Ende der Wert menschlichen Lebens nicht mehr nach dem Kriterium des Mensch-Seins absolut verstanden wird sondern nach materiellen Erwgungen gewogen, und oft fr zu leicht befunden werden wird. Es sind gerade einige der Schwchsten der Gesellschaft, nicht einwilligungsfhige Kranke, die besonders gefhrdet sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung die Menschenwrde dahingehend erlutert, dass kein Mensch zu einem bloen Objekt gemacht werden drfe. Genau dies droht aber, wenn es mglich wird, kranke oder behinderte Menschen straffrei zu tten. Gerade Deutschland sollte vor dieser Gefahr zurckschrecken. Die Kosten palliativer Einrichtungen stehen in keinem Verhltnis zum
1 http://www.bbc.co.uk/news/uk-28274531 2 Rainer Beckmann, Suizidbeteiligung auf der parlamentarischen Agenda, in: 23 Zeitschrift fr Lebensrecht (2014), p. 1. 3 vgl http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beihilfe-zum-suizid-in-europa-schoene-neue- sterbehilfewelt-13061291.html
moralischen und menschenrechtlichen Schaden, der angerichtet werden wrde, wrde das Lebensrecht Kranker und Behinderter in Zweifel gezogen werden. Der Anteil lterer Menschen an der Bevlkerung steigt und damit wird auch der Bedarf an Palliativ- und Pflegeeinrichtungen und an geeignetem Personal steigen. Deutschland sollte diesen Tatsachen ins Auge sehen und die Chance nutzen, auf diesem Gebiet fhrende Standards zu setzen denn jedem Menschen ist Menschenwrde inhrent. Bis zum letzten Augenblick.