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Martin-Luther-Universität Halle
FB Philologie I,
Soziologisches Institut
Rezensionsessay
Heinrich Popitz
«Phänomene der Macht»
Jesko Habert
Rannische Str. 1
06108 Halle
Mail: jesko.habert@student.uni-halle.de
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Jesko Habert, Matr.nr.: 208202642. Rezension: Popitz' «Phänomene der Macht»
Matr.nr.: 208202642
Zweifach-Bachelor
Soziologie 90 LP / Hispanistik 90 LP
2. Semester
Vorgelegt am: 19.06.09
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Jesko Habert, Matr.nr.: 208202642. Rezension: Popitz' «Phänomene der Macht»
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung........................................................................................................................3
2. Ausgangsfragen und Grundprämissen..............................................................................3
3. Thesenstruktur und Argumentation..................................................................................4
3.1. Vier Arten der Macht...............................................................................................4
● Aktionsmacht........................................................................................................4
● Instrumentelle Macht............................................................................................ 4
● Autoritative Macht................................................................................................ 5
● Datensetzende Macht / Technisches Handeln.......................................................6
3.2. Absolute Gewalt...................................................................................................... 7
4. Die Entgrenzung menschlicher Macht............................................................................. 8
5. Popitz' «Phänomene der Macht» im Kontext des Kalten Krieges....................................9
6. Bewertung und abschließende Bemerkung...................................................................... 9
Quellenangabe.................................................................................................................. 9
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Jesko Habert, Matr.nr.: 208202642. Rezension: Popitz' «Phänomene der Macht»
1. Einführung
Der deutsche Soziologe Heinrich Popitz hat dem Werk «Phänomene der Macht» eine
anthropologisch wertvolle Theorie dargelegt, die das Thema „Macht“ in allen Fassetten behandelt.
Hierbei übersteigt er Max Webers Ansatz, indem er Gewalt in ihrer Extremform als „Todesmacht
eines Menschen über andere Menschen“ der Macht unterordnet, welche wiederum als „das
Vermögen, sich gegen Fremde Kräfte durchzusetzen“ definiert wird. Popitz' Ansatz ist von
bedeutender Wichtigkeit für die soziologische Sicht auf Machtausübung, da er schlüssig darlegt, wie
sich Machtstrukturen ausbilden und entwickeln können. Dies ermöglicht nicht nur eine erweiterte
Sicht auf historische Ereignisse und der Entstehung unserer Gesellschaft und ihrer Machtordnung,
sondern auch die Möglichkeit, sich ausbildende Machtstrukturen zu erkennen und möglicherweise
zu verhindern. Dies hatte für Popitz eine große aktuelle Relevanz, da die erste Auflage im Jahre
1968, und damit inmitten eines von gegensätzlichen, kriegerischen Mächten geprägten Zeitalters
erschien. Im Kapitel 5 werde ich weiter auf diesen historischen Kontext und dessen Beeinflussung
auf «Phänomene der Macht» eingehen.
1. Macht ist machbar und menschlich. Machtverhältnisse sind nicht unantastbar, sondern
veränderbar, da sie von Menschen gemacht wurden und nicht, wie früher dargestellt, gottgegeben.
Diese Prämisse gehörte zur Politik der griechischen Polis, die dementsprechend die bestmögliche
Ordnung zu schaffen suchten. Eine Wiederbelebung erfuhr diese Idee mit der Schaffung der
neuzeitlichen Verfassungsstaaten.
2. Macht ist omnipräsent. Sie ist in modernen Gesellschaften überall auffindbar. Als
vergesellschaftete Form unterwerfen wir uns täglich verschiedenen Machtverhältnissen. Dies lässt
sich seit dem Fall der verstaatlichten, zentralen Macht im Ancient Regime beobachten. Es
entstehen die Macht der öffentlichen Meinung, des Eigentums und der Volksmassengewalt.
Vergesellschaftete Macht führt nicht zur Staatsentmachtung, lässt Machtkonflikte aber durch die
ganze Gesellschaft gehen. So entwickeln sich Konflikte zwischen Geschlechtern oder
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Generationen.
3. Macht ist Freiheitsbegrenzung. Daher ist jede Macht fragwürdig und rechtfertigungsbedürftig.
Historisch wird dies in den nationalen Freiheitskämpfen Europas und Emanzipation von Frauen
und gesellschaftlichen Minderheiten deutlich. Machtausübung wird heute als Eingrenzung der
Selbstbestimmung empfunden. Sie bleibt jedoch unvermeidbar, z.B. in der beschützenden Macht
der Eltern über ihr Kind. In modernen Gesellschaften bleibt sie immer begründungsbedürftig.
Da der Mensch grundsätzlich sehr verletzungsoffen ist (durch den Körper, die ökonomische Ab-
hängigkeit von Subsistenzmitteln und von sozialen Verhältnissen), muss er diese Macht, wenn sie in
ihm überlegener Form auftritt, erleiden. Diese Verletzbarkeit ist nicht aufhebbar. Solange der
Mensch lebt, kann ihm etwas angetan werden.
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Instrumentelle Macht . Die Instrumentelle Macht lenkt das Verhalten der Beherrschten dauerhaft,
nicht jedoch die Einstellung (s.u.). Sie beruht auf der glaubhaften Verfügung über Belohnungen und
Strafen, die jedoch nicht mehr ausgeübt werden müssen. Dementsprechend wird erst die
Aktionsmacht benötigt, um als glaubhafter Machtausüber aufzutreten. Durch weitere Drohungen
und Versprechen erübrigt sich dann die Aktionsmacht i.d.R., da im Betroffenen Angst bzw.
Hoffnung geweckt wird und so zu voreilendem Gehorsam führt. Dies gilt jedoch nur, wenn der
Beherrschte sich beobachtet fühlt, er also bestraft werden könnte. Elementar hierfür ist die
Dichotomie des Herrschenden: der Beherrschte gehorcht und wird belohnt, oder er tut es nicht und
wird bestraft – dazwischen gibt es keine Abstufung. Für die Machtinstitutionalisierung existieren
drei wichtige Tendenzen: Entpersonalisierung des Verhältnisses (die Macht hängt nicht mehr an der
Person, sondern an der Rolle), Formalisierung (Regeln und Rituale formen das Verhältnis – was
Willkür als Regelausnahme nicht ausschließt) und die Integrierung in übergreifende Ordnungen (so
dass sich beide gegenseitig stützen). Diese drei erhöhen die Stabilität, denn der Machtgewinn
erschwert auch eine Rückgängigmachung. (Die Entfernung einer herrschenden Rolle ist schwerer
als die einer herrschenden Person.) Mit der Institutionalisierung geht eine Ausweitung von
Reichweite, Geltungsgrad und Wirkungsintensität (Durchsetzungs- und Innovationskraft) einher.
Die Grundtypen von institutionalisierten Herrscherrollen sind der Patriarch (wegen
Aufrechterhaltung sozialer Kontinuität), Richter (wegen Aufrechterhaltung der Norm bei Brüchen)
und Heerführer (wegen Aufrechterhaltung bei äußerer Bedrohung). Bsp.: Der Offizier muss den
Soldaten nicht mit realen Strafen bei Fernbleiben von Übungen versehen, wenn die Drohung
weiterhin glaubwürdig erscheint. Der Soldat wird das Fernbleiben vermeiden, wenn die Gefahr
besteht, dafür bestraft werden zu können. Fühlt er sich jedoch unbeobachtet, wird er dies tun.
Der Mensch muss diese Macht erleiden, da er konstitutiv zukunftsorientiert handelt. Er rechnet sich
aus, dass eine gleiche Handlung zur gleichen Belohnung/Strafe führt und wird deshalb so weit ge-
horchen, dass er dem Beherrschten u.U. sogar als Helfer zur Seite stehen wird um Belohnung zu
erhalten. Instrumentelle Macht ist als Alltagsmacht notwendig für jede dauerhafte Machtausübung.
Autoritative Macht . Die innere, autoritative Macht lenkt sowohl das Verhalten als auch die Ein-
stellung und sogar die Wahrnehmung des Betroffenen. Sie ist bei den Beherrschten so verinnerlicht,
dass sie keiner Kontrolle mehr von außen bedarf, da der Beherrschte scheinbar „freiwillig“, wie aus
innerer Einsicht gehorcht, also nicht nur eine vollständige Bindung (Vollzug der Strafe bz.
Belohnung nicht mehr nötig), sondern eine latente Bindung (Die Autoritätsperson muss nicht mehr
physisch existent sein) vorliegt. Erst die Ersetzbarkeit der Realität durch Vorstellung fesselt den
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Abhängigen permanent, also auch in unbeobachteten Situationen. Symbol dieser Macht sind
autoritative Respektpersonen, von denen man sich Anerkennung erhofft. Auf diese Weise ist
autoritative Macht eine Fortführung der instrumentellen Macht: die Belohnung wird zur
Anerkennung durch die Autorität, die Strafe zum Entzug dieser Anerkennung. Es gibt vier
Kennzeichen, die auf das Vorhandensein von Autorität hinweisen: die Verhaltensanpassung sowohl
in kontrollierten als auch in unkontrollierten Situationen, die Anpassung von persönlicher
Einstellung und Meinung (psychische Anpassung), scheinbare Waffenlosigkeit und Aufschauen des
Abhängigen zur Autoritätsperson (Prestigeeindruck). Diese Macht manifestiert sich meist in
normativen Ordnungen und ihren Repräsentanten. Bsp.: Der Professor muss dem Studenten nicht
mit schlechten Noten drohen wenn er nicht lernt. Stattdessen hat der Student dies so verinnerlicht,
dass er es von selbst tut, auch wenn er nicht „überwacht“ wird, um Anerkennung des Professors
oder der Gesellschaft zu gewinnen.
Da der Mensch auf soziale Anerkennung anderer angewiesen ist, muss er auch diese Macht erleiden.
Er ist außerdem auf Autoritäten als Maßstabssetzer angewiesen, da er als orientierungsbedürftiges
Wesen seinen Selbstwert durch die gesellschaftliche Achtung definiert, die wiederum von der
Autorität repräsentiert wird. Autoritäre Anerkennung führt zu einem positivem Selbstwertgefühl.
Das Vorhandensein von Autorität ist hierbei ein Beziehungsphänomen, denn es setzt keine
bestimmten Eigenschaften voraus. Es lassen sich höchstens Eigenschaften finden, die in eine
Autorität hineininterpretiert werden, bzw. solche, die die Übernahme von Maßstäben
wahrscheinlicher machen: Selbstsicherheit und Eindeutigkeit. Die extreme Weiterführung der
Autoritativen Macht ist die Autorität der Nachwelt. Hier existiert eine imaginierte lebensbewertende
Instanz, als höchste erreichbare Anerkennung des lebensüberdauernden Ruhms. Die eigentliche
Umsetzung des Ruhms ist nicht relevant, schon die Vorstellung bestimmt das Verhalten als Variante
des vorweggenommenen Gehorsams. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die ambivalente Variante
des „verkannten Genies“ entwickelt, in dessen Vorstellung die Nachwelt diese Lebensbewertung
aufgrund noch nicht vorhandener Maßstäbe durchführen wird. Diese Vorstellung hat sich wiederum
von der Autoritativen Macht gelöst, da sie nicht mehr zu Normkonformität führt.
Datensetzende Macht. Die Macht des Datensetzens wirkt über die Lebensbedingungen der
Beherrschten über den Umweg von „technischen (vom Mensch gefertigten) Objekten“ (=
„Artefakte“). Durch technisches Handeln ändert der Hersteller nicht nur den Zustand des
bearbeiteten Gegenstandes bzw. der Natur, sondern auch die Lebensbedingungen der betroffenen
Menschen, indem er Daten/Vorraussetzungen für die Situation anderer schafft. Bsp.: Durch die
Konstruktion bestimmter Wohnungen übt der Architekt Herrschaft über den Lebensstil der darin
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wohnenden aus. Oder: Der Erbauer einer Atombombe herrscht damit direkt über eine Großzahl von
Menschen, indem er ihre Situation ändert – selbst wenn er sie nicht einsetzt.
Durch das Bedürfnis auf bestimmte technische Objekte zur Lebenserhaltung und später auch zur
Wohlstandssteigerung ist der Mensch für das Erleiden der datensetzenden Macht offen. Der
Schöpfer des Artefaktes übt somit datensetzende Macht über den Datenbetroffenen aus, diese ist
zwar erst latent, kann aber durch Kombination mit anderen Machtarten gefestigt werden. Im Bezug
auf technisches Handeln gibt es folgende wichtigen Modi: Verwenden, Verändern und Herstellen
von Artefakten. Das Verwenden ist ein zentraler Punkt, da jedes technische Handeln auf den Zweck,
die Brauchbarkeit des Artefaktes angewiesen ist. Dafür verändert der Mensch Vorgefundenes und
schafft eine neue Realität durch erlernbares, differenzierbares und steigerungsfähiges Handeln: der
Herstellung. In diesem Prozess entsteht stets die Eigentumsfrage, die auf drei Weisen gelöst werden
kann: Der Hersteller ist Eigentümer, alle Gruppenmitglieder der Gruppe des Herstellers sind
Eigentümer (Gemeineigentum) oder der Eigentümer ist jemand anderes, wie dies bei
Sklavenhaltung (Eigentümer besitzt die Person des Herstellers) oder verkaufter Arbeit (Eigentümer
besitzt Produktionsmittel) der Fall ist. Auf Basis dieser Frage sind alle sozialen Ordnungen auch
Eigentumsordnungen. Durch die Organisation unseres Handelns und der Einsicht in die Natur der
Dinge können wir die Effizienz unseres technischen Handelns in Quantität und Qualität steigern.
Dies beginnt schon mit der Koordination gleicher Tätigkeiten und endet mit prozessualer
Arbeitsteilung, wie sie in den heutigen Industriegesellschaften ausgeübt wird. Mit dieser
Effektivitätssteigerung steigt auch das mögliche Machtpotential.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Mensch durch seine Verletzbarkeit, seine Zu-
kunftssorge, die Bedürftigkeit nach Maßstäben und Anerkennung und seine Angewiesenheit auf
Artefakte Macht erleiden muss. Auf der anderen Seite hat der Mensch die Fähigkeit zu Verletzen,
Angst und Hoffnung zu erzeugen, Maßstäbe zu setzen und technisch zu handeln, kann also
potentiell Macht über andere ausüben – es gibt immer die Chance zur Machtausübung. Instrumen-
telle und autoritative Macht steuern dabei das Verhalten des Betroffenen (wobei Erstere nur das
Verhalten, Letztere auch die Einstellung beherrscht), Aktions- und datensetzende Macht verändern
hingegen die Situation des Betroffenen (wobei die Aktionsmacht die Person unmittelbar trifft, die
datensetzende Macht hingegen über die Lebensbedingungen entscheidet).
Mit dem Akt des Tötens, der absoluten, nicht steigerbaren Aktionsmacht erhält der Ausübende ein
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Symbol des absoluten Sieges. Er hält den unleugbaren Machtbeweis, den er sogar noch steigern
kann, indem er den Glauben an ein Weiterleben der Seele zerstört (z.B. Leichenschändung). Die
meisten Herrschaftsverhältnisse im großen Maßstab beruhen auf dieser Todesfurcht, die schließlich
zur Ehrfurcht vor dem „Herrn über Leben und Tod“ werden kann. Dies wiederum ist die Basis für
den Glauben an einen gottähnlichen Herrscher, der damit die absolute Gewalt über jeden Aspekt des
Lebens erhält. Im extremsten Fall kann dies so weit gehen, dass, wie in den Konzentrationslagern
der Nationalsozialisten, den Gefangenen sogar der Selbstmord verboten wird – der Herrschende
erhält das absolute „Tötungsmonopol“.
Absolute Gewalt tritt historisch bis zum Grad der Völkerauslöschung auf. Zwar lässt das nicht auf
einen ewigen „Kampf um Leben und Tod“ (s.83) in der menschlichen Geschichte schließen –
nichtsdestoweniger ist diese absolute Gewalt keine Randerscheinung oder ein „Betriebsunfall“ (S.
83) sondern ein Teil der sozialen, weltgeschichtlichen Ökonomie. Drei Voraussetzungen müssen in
einer Gesellschaft erfüllt sein, um absolute Gewalt zu ermöglichen: Glorifizierung, Gleichgültigkeit
und spezifische Intelligenz des technischen Herstellens. Eine Glorifizierung gleich welcher Art
sichert als Rechtfertigung die alte Macht bzw. sorgt für den angestrebten Umbruch, eine
Gleichgültigkeit der Täter gegenüber den Opfern ermöglicht erst die Verletzungsmächtigkeit durch
eine Entmenschlichung der Opfer und durch die technische Waffenentwicklung wird die Herrschaft
weniger über viele erst möglich („Kriegeraristokratie“). Mit Feuerwaffen wurde diese letzte
Möglichkeit über größere Entfernung hinweg möglich und erweiterte den Aktionsradius; mit der
Atombombe wurde nicht weniger als eine vollkommen neue Art des Tötens entwickelt. Alle drei
Voraussetzungen steigern sich wechsel- und gegenseitig.
Für den absoluten Herrscher besteht in der Vollkommenheit der absoluten Gewalt des Todes jedoch
auch immer eine Gefahr, denn nicht nur er, sondern jeder Mensch kann sie ausüben. So stellen der
Attentäter und der Märtyrer Antagonisten zur absoluten Herrschaft dar, weil sie ihm die letztliche
Macht über Leben und Tod entnehmen. So kann die Macht durch die Möglichkeit des Todes
vollkommen sein, genau aus dem selben Grund lässt sie sich jedoch auch nicht hundertprozentig
monopolisieren.
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Als weitere Gründe für die Gewaltentgrenzung kommen anthropologische Merkmale des Menschen
hinzu: Die Instinktentbundenheit und die Realitätsentbundenheit. Da wir nicht mehr an unseren
Instinkt gebunden sind, sind wir sowohl vom Handlungszwang also auch von der
Handlungshemmung befreit. Gewaltakte sind deshalb nicht auf bestimmte Motivationen etc.
eingeschränkt, ebenso wie nichts uns automatisch zur Gewalt zwingt. Es mag zwar Zusammenhänge
zwischen Aggression und Gewalt geben, Letztere setzt aber mitnichten eine Aggression voraus.
(Kriege sind selten von Aggression verursacht, sondern vielmehr durch Zweckrationalität). Dies
lässt folgenden Schluss zu: der Mensch muss nie, kann aber immer Gewalt ausüben. Die
Realitätsentbundenheit bedeutet, dass die Vorstellungskraft der Gewalt jede real existierende Gewalt
übersteigen kann. Diese Vorstellung ist nicht an die Realität gebunden. Die Gefahr liegt hierbei
darin, dass die vorgestellte Eigengewalt meist enorm erfolgreich ist. Sie kann zwar eine
Kompensation von Aggression u.ä. darstellen, kann aber auch in die Realität umgesetzt werden.
Diese drei Entgrenzungen vergrößern das mögliche Gewaltpotential weltweit, da die Effektivität der
Gewaltsteigerungsmittel stetig wächst.
Es gibt jedoch eine Chance der Eingrenzungen: soziale Ordnungen. Deshalb, so schon Freud, ist
Gewalt (bzw. nach Hobbes die Angst davor) ordnungsstiftend. Denn Gewalt ist dauerhaft nur durch
soziale Institutionen eingrenzbar. Um sich vor der Gewalt zu schützen, muss die Institution
allerdings selbst zum Mittel der Gewalt greifen. Daraus ergibt sich die Frage, wie man die
gewaltbegrenzende (institutionalisierte) Gewalt eingrenzt. Die Antwort hat sich historisch nur in den
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griechischen Polis, im demokratischen Rom und in der Neuzeit gefunden, jedoch überall auf gleiche
Weise: Grundgesetze, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit, Verfahrensnormen und die Gleichheit vor
dem Gesetz.
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Erklärte besser veranschaulichen, an sich setzt Popitz diese jedoch schon sehr hilfreich ein. Alles in
allem ist «Phänomene der Macht» ein informatives, gut durchstrukturiertes Werk, das man auch
Nicht-Soziologen empfehlen kann.
Quellenangabe
Popitz, H., 1986. Phänomene der Macht: Autorität – Herrschaft – Gewalt – Technik. Tübingen: Mohr.
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