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Pontificia Università Gregoriana

Facoltà di Teologia

Roma

Anno Academico 2009/2010

Seminario TSN005

Le 13 lettere del «Corpus Paulinum»


(Professore Angelo Colacrai)

o[tan ga.r avsqenw(/ to,te dunato,j eivmi



Eine Untersuchung zur „Theologie der Schwachheit“
in der Narrenrede (2 Kor 11,16-12,10)

Sebastian Wetter Matricola: 158447

Albert Lüken Matricola: 158431

Pontificio Collegio Germanico-Ungarico


Via di San Nicola da Tolentino, 13
00187 Roma
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.................................................................................................................................... 2

I. Der 2. Korintherbrief - Hintergrundinformationen..................................................................3


1. Die Stadt Korinth................................................................................................................3
1.1. Korinth in der Antike.................................................................................................. 3
1.2. Paulus in Korinth........................................................................................................ 3
2. Die Gegner des Paulus in Korinth...................................................................................... 4
3. Verfasser und Adressaten....................................................................................................5
4. Literarische Integrität......................................................................................................... 5
4.1. Kohärenzprobleme......................................................................................................5
4.2. Teilungsmodelle..........................................................................................................7
5. Ort und Zeit der Abfassung................................................................................................ 7

II. Die Narrenrede: 2 Kor 11,16-12,10........................................................................................9


1. Interlinearübersetzung........................................................................................................ 9
2. Textimmanenz.................................................................................................................. 11
2.1. Textabgrenzung.........................................................................................................11
2.2. Schlüsselwörter.........................................................................................................12
3. Die Narrenrede - Inhalt und Zweck..................................................................................13
3.1. Die einleitende Ironie............................................................................................... 13
3.2. kauca,omai evn tai/j avsqenei,aij - Die Antwort auf eine falsche Ruhmesvorstellung 14

III. „Theologie der Schwachheit“............................................................................................. 17


1. Anschuldigungen gegen Paulus........................................................................................17
2. Paulus rühmt sich seiner Schwachheit ............................................................................ 18
3. Das Leiden Christi............................................................................................................20

IV. Schlusswort......................................................................................................................... 21

V. Literaturverzeichnis.............................................................................................................. 22
Einleitung

Die vorliegende Arbeit entstammt dem Seminar „Le 13 lettere del «Corpus Paulinum»“. Die
exegetische Ausarbeitung zur Narrenrede (2 Kor 11,16-12,10) erfolgt mit Hilfe des
Arbeitsprogramms BibleWorks 7. Dieses Programm erleichtert die Untersuchung durch
schnelle Suchfunktionen und liefert Ergebnisse, die in Handkonkordanzen nur mit mühsamer
Kleinstarbeit gefunden werden können.

Die Narrenrede aus dem 2. Korintherbrief stellt eine fremdartig wirkende literarische Leistung
dar. Schon der Titel, den die Kommentatoren ihm verliehen haben, erweckt beim Leser eine
gewisse Neugier. So war es auch in unserem Fall gerade der Titel, der unser Augenmerk auf
diesen Text richtete.

Im Folgenden soll nun eine exegetische Auswertung erstellt werden. Zu Beginn steht die
Einordnung des gesamten 2. Korintherbriefes in den historischen Kontext des Paulus. Die
Gemeinde in Korinth, ihre konkrete Situation und die Situation des Paulus in Korinth bilden
hier den Schwerpunkt. Dann soll ein Blick auf die Widersacher des Paulus geworfen werden.
Zur weiteren Einordnung des Textes ist es nötig die Adressatenschaft des Briefes zu klären.

Der zweite Teil beginnt mit einer selbst angefertigten Interlinearübersetzung der Narrenrede.
Diese ist notwendig, um den Text in modernes Vokabular zu fassen und der eigenen Arbeit
zugänglich zu machen. Die nachfolgende philologische Analyse wird erleichtert durch die
Einfärbungen von wichtigem Vokabular. Wortfamilien und weitere Auffälligkeiten werden
sofort sichtbar. Schlüsselwörter werden hervorgehoben, die deutlich machen, wie sehr die
Narrenrede eine eigene Kategorie ausbildet. Es schließt sich eine Einordnung der Narrenrede
in den 2. Korintherbrief an, die gleichzeitig unseren Text von den vorstehenden und
nachfolgenden Versen abtrennt und seine spezifischen Eigenheiten darstellt, die dann in einem
weiteren Schritt analysiert werden sollen.

Den Schwerpunkt des dritten Teils soll die „Theologie der Schwachheit“ bilden. Anhand des
Vokabulars aus der Narrenrede wird der Blick zunächst auf die Anschuldigungen gelenkt, die
gegen Paulus aufgebracht werden, um in zwei weiteren Schritten seine „Theologie“, die er
diesen Anfeindungen entgegensetzt, näher zu betrachten.

2
I. Der 2. Korintherbrief - Hintergrundinformationen

1. Die Stadt Korinth1

1.1. Korinth in der Antike

Die um 900 v. Chr. von Doriern gegründete Stadt Korinth, von den Römern nach einem
Aufstand zerstört, wurde 44 v. Chr. von C. Julius Caesar wieder aufgebaut. Die
wirtschaftliche Prosperität dieser Stadt, schon von Pindar bezeugt, muss enorm gewesen sein,
war die Stadt zur Zeit des Paulus doch immerhin zweieinhalb Mal so groß wie Athen. Gründe
für den Reichtum dürften zum einen in der wirtschaftlich äußerst günstigen Lage gesucht
werden. Korinth lag am sichersten und direktesten Handelsweg zwischen Kleinasien und
Italien. Eine direkte Folge davon ist zweitens, dass es sich zu einem bedeutenden
Finanzzentrum gemausert hat, vergleichbar mit Athen und Patras. Ab 27 v. Chr. war Korinth
Sitz des Statthalters der römischen Provinz Achaia.

1.2. Paulus in Korinth

Apg 18,12 entnehmen wir: „Als aber Gallio Prokonsul von Achaia war, traten die Juden
einmütig gegen Paulus auf […].“ Genannter Gallio war in den Jahren 51/52 Prokonsul in
Gallien, d.h. die Gemeinde muss ungefähr in dieser Zeit gegründet worden sein.
Obwohl in Korinth von einer großen und lebendigen jüdischen Gemeinde auszugehen ist, 2
wird der Großteil der von Paulus gegründeten Gemeinde aus Heidenchristen bestanden haben.
Ein Hinweis dazu kann z. B. In 1 Kor 8 gefunden werden, wo es um die Auseinandersetzung
mit dem Götzenopferfleisch geht. Paulus rät seinen Gemeindemitgliedern, die offensichtlich
kein Problem haben es zu essen, Mitchristen zu berücksichtigen, die an dieser Praktik Anstoß
nehmen.
Es wird auch immer wieder zu Zusammenstössen mit gegnerischen, judaisierenden
Missionaren gekommen sein. (vgl. 2 Kor 11,22 – „Sie sind Hebräer – ich auch. Sie sind
Israeliten – ich auch. Sie sind Nachkommen Abrahams – ich auch […]“). Diese Prediger
haben nicht geringen Erfolg gehabt. Darauf deutet einerseits die komplexe
Redaktionsgeschichte (s. u.) hin, als auch die „Narrenrede“, die in dieser Arbeit untersucht
werden soll.
1
Vgl. Broer, Einleitung, 355-360.
2
Vgl. Becker, 2. Korintherbrief, 178.

3
2. Die Gegner des Paulus in Korinth

Es lassen sich zwei Arten von Gegnerschaft des Paulus ausmachen.3 Eine erste, belegt vor
allem im Galaterbrief, setzt sich mit dem Apostelamt und der Mission des Paulus auseinander.
Aus Gal 1f. lässt sich der Schluß ziehen, dass man versucht den Galatern einzureden, Paulus
sei weder ein vollgültiger Apostel, noch verkündige er das wahre Evangelium (weil er den
irdischen Jesus nicht gekannt habe).
Die Gegner in Korinth greifen Paulus eher persönlich an, sie zweifeln an seinen Fähigkeiten.
„Ja, die Briefe, wird gesagt, die sind wuchtig und voll Kraft, aber sein persönliches Auftreten
ist matt, und seine Worte sind armselig“ (2 Kor 10,10) und „[…] zwingt mich nicht, bei
meinem Kommen so unerschrocken und fest aufzutreten, wie ich es gegen gewisse Leute zu
tun gedenke, die meinen, wir verhalten uns wie Menschen dieser Welt“ (2 Kor 10,2). Diesen
Antipaulinern, die eher Judenchristen eines hellenistischen Typus sind, geht es nicht um die
Gesetzestreue (z.B. Beschneidung, wie im Falle der Gegner im Galaterbrief). Jene sind
Missionare und Prediger, welche die Gemeinde durch ihr pneumatisches Auftreten
beeindruckt haben. Sie vermochten durch rhetorisch ausgefeilte Reden mit ihrem Geistbesitz
zu überzeugen. Wahrscheinlich beriefen sie sich auch auf ein Geheimwissen und
Privatoffenbarungen. Sie rühmen sich ihrer Fähigkeiten. Sie stellen sich durch Wundertaten
zur Schau, wie heidnische Wundermänner, die sich als Abgesandte ihrer Gottheit verstehen.4
Paulus dagegen beruft sich auf seine Schwachheit, wie die Narrenrede in eindrücklicher
Weise darlegt. Wenn einer sich seiner Fähigkeiten rühmt und so tut, als wäre das wichtigste in
der Mission die Brillanz der Rede und des Auftretens, dann sieht Paulus den Kern des
Evangeliums verraten, nämlich das Kreuz.5 Damit zeigt sich sein grundlegend anderes
Apostelverständnis. Er ist frei von jeglichem Vollendungsdünkel, ja seine Kraft ist gerade
seine Schwachheit, weil gerade dann Christus in ihm stark ist und ihm Kraft verleiht (vgl.
2 Kor 12,9f.).

3
Vgl. Gnilka, Paulus, 148.
4
Vgl. Schnelle, Paulus, 281.
5
Vgl. Gnilka, Paulus, 151.

4
3. Verfasser und Adressaten

Die paulinische Verfasserschaft von 2 Kor ist gegenwärtig unbestritten. 6 Als zweiten Absender
nennt Paulus Timotheus. Im Vergleich zu 1 Kor weist 2 Kor eine kürzere adscriptio auf, was
entweder darauf hinweist, dass der Brief weniger ekklesiologisch ausgerichtet ist, oder dass
der Brief ursprünglich als Rundschreiben gedacht war (daher auch 1 Kor 1,1: „[…] an die
Kirche Gottes, die in Korinth ist, und an alle Heiligen in ganz Achaia.“).

4. Literarische Integrität

Die literarische Einheitlichkeit von 2 Kor ist sehr umstritten und wird in Form von
verschiedensten Teilungshypothesen diskutiert. Nachfolgend soll zuerst auf einige Probleme
bezüglich der literarischen Integrität hingewiesen werden, danach werden kurz einige
Teilungsmodelle vorgestellt.

4.1. Kohärenzprobleme7

2 Kor 1-9 und 10-13: In diesen beiden Briefteilen ist klar ein Stimmungsumschwung
festzustellen. Wenn Paulus im ersten Teil von Versöhnung spricht, die er mittels des
Tränenbriefes und des Besuches des Titus (vgl. 2,4 bzw. 7,6f.) erreicht haben soll, so will es
nicht richtig einleuchten, wieso er im zweiten Teil, dem sogenannten Vierkapitelbrief, z. B. in
2 Kor 12,20 sagt: „Denn ich fürchte, dass ich euch bei meinem Kommen nicht so finde, wie
ich euch zu finden wünsche, und dass ihr mich so findet, wie ihr mich zu finden wünscht. Ich
fürchte, dass es zu Streit, Eifersucht, Zornesausbrüchen, Ehrgeiz, Verleumdung, übler
Nachrede, Überheblichkeit, allgemeiner Verwirrung kommt […].“ Auch die Bemerkungen zu
den Überaposteln und die Narrenrede weisen darauf hin, dass es in der Gemeinde
Vorkommnisse gibt, über die der Apostel sehr ungehalten ist und die nicht im Sinne seiner
Mission sind.
Die Spannung zwischen einem eher versöhnlich gestimmten Paulus in den Kapiteln 1-9 und
einem unzufriedenen Apostel im Vierkapitelbrief 10-13 ist nicht zu übersehen.

6
Vgl. Becker, 2. Korintherbrief, 177.
7
Vgl. Broer, Einleitung, 409-411.

5
2 Kor 2,14-7,4: Paulus spricht ab 2 Kor 1,15 von seinen Reiseplänen, die ihn über
Mazedonien nach Korinth gebracht hätten, stattdessen er aber einen Brief geschrieben habe.
Seine Erzählung über die Ankunft in Mazedonien (2,13: „[…] So nahm ich Abschied und
reiste nach Mazedonien.“) wird von einem längeren Teil über die Verteidigung seines
Apostolats (bis 7,4) unterbrochen und in 7,5 wieder weitergeführt („Als wir in Mazedonien
angekommen waren […]“).

2 Kor 6,14-7,1: Innerhalb der eben angesprochenen Verteidigung seines Apostolates gibt es
weitere Unregelmässigkeiten (in Teilen der Forschung als nachpaulinische Interpolation
bezeichnet)8, die aber diesmal eher theologischer Natur sind. Es verwundert, dass der gleiche
Paulus, der in 7,1f. von Raum geben und Wohnen im Herzen spricht, in 6,14 in
unnachgiebigen Worten verkündet: „Beugt euch nicht mit den Ungläubigen unter das gleiche
Joch! Was haben den Gerechtigkeit und Gesetzeswidrigkeit miteinander zu tun? […]“

2 Kor 8 und 9: Diese beiden Kapitel scheinen eine Art selbständiger Dubletten zu sein, in
denen es um das Kollektenthema geht. Beachtenswert ist auch, dass in den jeweiligen
Kapiteln unterschiedliche Situationen in Korinth auszumachen sind. Wenn Paulus im achten
Kapitel vom Vorbild der Makedonier gegenüber den Korinthern spricht (Gnade, die Gott den
Gemeinden Mazedoniens erwies), wieso rühmt er dann die Korinther in Mazedonien (9,2)?
Der gleiche Vers 9,2 lässt vermuten, dass in Korinth die Bereitschaft für die Kollekte da ist.
Im achten Kapitel betont Paulus aber immer wieder die Notwendigkeit der Kollekte (vgl. 8,7-
15).

Diese vier Beispiele von Unregelmässigkeiten und Inkohärenzen deuten darauf hin, dass es
nicht einfach ist, die Einheitlichkeit von 2 Kor festzulegen. Aber auch das Verhältnis dieser
Teile zueinander ist nur schwer auszuloten. So haben sich in der wissenschaftlichen
Diskussion verschiedene Hypothesen herausgebildet, wie und wann die unterschiedlichen
Teile hätten entstanden sein können. Nachfolgend sollen einige davon vorgestellt werden.

8
Vgl. Becker, 2. Korintherbrief, 177.

6
4.2. Teilungsmodelle9

Zweiteilung des Briefes: Der Vierkapitelbrief (Tränenbrief) wurde vor den Kapiteln 1-9
(Versöhnungsbrief) geschrieben. Der in 2,4 angesprochene (Tränen-)Brief wird mit dem
Vierkapitelbrief identifiziert (der zur Abfassung des Versöhnungsbriefes demzufolge schon
bestanden haben muss). Natürlich kann auch die Hypothese vertreten werden, dass die
kanonisierte Fassung die richtige Reihenfolge darstellt, wenn man nämlich davon ausgeht,
dass Paulus nach der Versöhnung wieder schlechte Nachrichten aus Korinth erhielt und mit
dem Vierkapitelbrief eine erneute Kritik an Korinth adressiert.

Aufteilung in drei oder mehr ursprüngliche Teile: Während die Aufteilung von 2 Kor in einen
Versöhnungsbrief und in einen Tränenbrief ersteren als Einheit wahrnimmt, gibt es Modelle,
die, aufgrund weiterer Inkohärenzen in den ersten neun Kapiteln, 2 Kor in mehr als nur zwei
Briefe aufteilen.
Ein mögliches Modell wäre demnach: 1. Apologie des Paulus (2,14-7,4 ohne die Interpolation
6,14-7,1); 2. Auszüge aus dem Tränenbrief (10-13); 3. Versöhnungsbrief (1,1-2,13; 7,5-8,24);
4. Kollektenbrief (9).
Becker selbst setzt einen Tränenbrief an den Anfang (1,1-7,4 ohne die Interpolation 6,14-7,1);
Brief aufgrund neuer Nachrichten (7,5-16); Kollektenbriefe (8/9); letzter Brief (10-13).

5. Ort und Zeit der Abfassung

In 1 Kor haben wir im Vers 16,8 („In Ephesus will ich bis Pfingsten bleiben“) eine direkte
Angabe, wann und wo Paulus den Brief verfasste. Im zweiten Korintherbrief hingegen lässt
sich dies nur indirekt sagen. Aufgrund einiger Indizien kann aber angegeben werden in
welchem Zeitraum der Brief (bzw. die Briefteile) verfasst worden sein muss. Als terminus
post quem fungiert die Abfassungszeit der ersten Korintherbriefes, die um 55 gewesen sein
muss. Termins ad quem ist der dritte und letzte Besuch von Paulus in Korinth, der in die Jahre
56/57 fällt.10 Ein weiteres Indiz für die Zeit der Abfassung kann das Kollektenthema sein. 11 In
1 Kor 16,1f. trifft Paulus Anordnungen für die Geldsammlung. Im achten Kapitel von 2 Kor
begegnet uns eine veränderte Situation. Die Kollekte scheint in Mazedonien schon Erfolg
9
Vgl. Becker, 2. Korintherbrief, 181.
10
Vgl. ebenda, 179.
11
Vgl. Broer, Einleitung, 424.

7
gezeitigt zu haben und insbesondere 2 Kor 8,10 („[…] ihr habt ja schon voriges Jahr
angefangen […]“) weist darauf hin, dass die Geldsammlung auch in Korinth bereits
angefangen hat. Ob nun zwischen 1 Kor und 2 Kor nur ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr
liegt, lässt sich nicht sagen.12
Die Ankündigung in 1 Kor 16,5, dass Paulus über Mazedonien nach Korinth reisen will, ist
ein erster Hinweis auf Mazedonien als Ort der Abfassung des Briefes. Die häufige Erwähnung
Mazedoniens in 2 Kor (2,13; 7,5; 8,1; 9,2) bestätigt diese Vermutung.13 Insbesondere
unterstützt dies auch die Tränenbriefthematik, der zufolge Paulus dem Titus von Troas her
nach Mazedonien entgegen reiste, um den Tränenbrief zu erhalten (2 Kor 7, 5-9). 14

12
Vgl. Broer, Einleitung, 424.
13
Vgl. Becker, 2. Korintherbrief, 179.
14
Vgl. Broer, Einleitung, 423.

8
II. Die Narrenrede: 2 Kor 11,16-12,10

1. Interlinearübersetzung
11,16
Pa,lin le,gw( mh, ti,j me do,xh| a;frona ei=nai\ eiv de. mh, ge( ka'n w`j a;frona de,xasqe,
Wiederum sage ich, dass nicht irgendeiner meine ich sei unverständig. Wenn aber doch, dann nehmt mich an wie einen Unverständigen,

me( i[na kavgw. mikro,n ti kauch,swmaiÅ 17


o] lalw/( ouv kata. ku,rion lalw/ avllV w`j evn
damit auch ich mich ein wenig rühmen kann. Was ich rede, rede ich nicht, wie es dem Herrn gemäß ist, sondern wie im

avfrosu,nh|( evn tau,th| th/|/ u`posta,sei th/j kauch,sewjÅ 18


evpei. polloi. kaucw/ntai kata.
Unverstand, auf dieser Grundlage des Ruhmes. Da viele sich rühmen gemäß

sa,rka( kavgw. kauch,somaiÅ 19


h`de,wj ga.r avne,cesqe tw/n avfro,nwn fro,nimoi o;ntej\
dem Fleisch, werde auch ich mich rühmen. Denn gerne ertragt ihr die Unverständigen, ihr, die ihr verständig seid.

20
avne,cesqe ga.r; ei tij u`ma/j katadouloi/( ei; tij katesqi,ei( ei; tij lamba,nei(
Denn ihr ertragt es, wenn irgendeiner euch versklavt, wenn euch irgendeiner auffrisst (ausbeutet), wenn irgendeiner nimmt,

ei; tij evpai,retai( ei; tij eivj pro,swpon u`ma/j de,reiÅ 21


kata. avtimi,an le,gw(
wenn irgendeiner sich erhebt, wenn irgendeiner euch ins Gesicht schlägt. Zur Unehre sage ich,

w`j o[ti h`mei/j hvsqenh,kamenÅ VEn w-| dV a;n tij tolma/|( evn avfrosu,nh| le,gw( tolmw/ kavgw,Å
dass wir schwach gewesen sind. Worin aber irgendeiner es wagt - ich spreche jetzt im Unverstand - wage auch ich es.

22
~Ebrai/oi, eivsinÈ kavgw,Å VIsrahli/tai, eivsinÈ kavgw,Å spe,rma VAbraa,m eivsinÈ kavgw,Å
Hebräer sind sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Samen Abraham sind sie? Ich auch.

23
dia,konoi Cristou/ eivsinÈ parafronw/n lalw( u`pe.r evgw,\ evn ko,poij perissote,rwj(
Diener Christi sind sie? Als Unsinniger rede ich, noch mehr ich. In Mühen übermäßig,

evn fulakai/j perissote,rwj( evn plhgai/j u`perballo,ntwj( evn qana,toij polla,kijÅ


im Gefängnis übermäßig, in Schlägen über alle Maßen, in Toden oft.

24
~Upo. VIoudai,wn penta,kij tessera,konta para. mi,an e;labon( 25
tri.j evrrabdi,sqhn(
Von den Juden fünfmal vierzig weniger einen erhielt ich, dreimal wurde ich ausgepeitscht,

a[pax evliqa,sqhn( tri.j evnaua,ghsa( nucqh,meron evn tw/| buqw/| pepoi,hka\


einmal wurde ich gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag habe ich über der Tiefe zugebracht.

26
o`doipori,aij polla,kij( kindu,noij potamw/n( kindu,noij lh|stw/n( kindu,noij evk ge,nouj(
Auf Reisewegen oft, in Gefahren von Flüssen, in Gefahren von Räubern, in Gefahren aus dem Volk,

kindu,noij evx evqnw/n( kindu,noij evn po,lei( kindu,noij evn evrhmi,a|( kindu,noij evn qala,ssh|(
in Gefahren von den Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer,

kindu,noij evn yeudade,lfoij( 27


ko,pw| kai. mo,cqw|( evn avgrupni,aij polla,kij( evn limw/| kai.
in Gefahren durch Falschbrüder. In Mühe und Anstrengung, in Schlaflosigkeit oft, in Hunger und

di,yei( evn nhstei,aij polla,kij( evn yu,cei kai. gumno,thti\ 28


cwri.j tw/n parekto.j h`
Durst, in Fasten oft, in Kälte und Nackheit. Ohne dies außerdem den

evpi,stasi,j moi h` kaqV h`me,ran( h` me,rimna pasw/n tw/n evkklhsiw/nÅ 29


ti,j avsqenei/
Andrang zu mir, den täglichen, die Sorge um alle Gemeinden. Wer schwächelt,

kai. ouvk avsqenw/È ti,j skandali,zetai. kai ouvk evgw. purou/maiÈ 30


Eiv kauca/sqai dei/(
und ich schwächle nicht? Wer nimmt Anstoß und ich brenne nicht? Wenn sich rühmen nötig ist,

ta. th/j avsqenei,aj mou kauch,somaiÅ 31


o` qeo.j kai. path.r tou/ kuri,ou VIhsou/ oi=den(
meiner Schwachheit rühme ich mich. Der Gott und Vater des Herrn Jesus weiß,

9
o` w'n euvloghto.j eivj tou.j aivw/naj( o[ti ouv yeu,domaiÅ
der gelobt ist in die Äonen, dass ich nicht lüge.

32
evn Damaskw/| o` evqna,rchj ~Are,ta tou/ basile,wj evfrou,rei th.n po,lin Damaskhnw/n pia,sai me(
In Damaskus bewachte der Etnarch des Königs Aretas die Stadt der Damaskener, mich zu fassen,

33
kai. dia. quri,doj evn sarga,nh| evcala,sqhn dia. tou/ tei,couj kai. evxe,fugon ta.j cei/raj auvtou/Å
und durch ein Fenster in einem Korb wurde ich hinabgelassen durch die Mauer, und ich entfloh seinen Händen.

12,1
Kauca/sqai dei/( ouv sumfe,ron me,n( evleu,somai de. eivj ovptasi,aj kai. avpokalu,yeij kuri,ouÅ
Sich rühmen ist notwendig, zwar ist es nicht nützlich, kommen aber will ich zu Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn

2
oi=da a;nqrwpon evn Cristw/| pro. evtw/n dekatessa,rwn( ei;te evn sw,mati ouvk oi=da( ei;te evkto.j
Ich weiß einen Menschen in Christus, vor vierzehn Jahren, sei es im Leib, ich weiß nicht, sei es

tou/ sw,matoj ouvk oi=da( o` qeo.j oi=den( a`rpage,nta to.n toiou/ton e[wj tri,tou ouvranou/Å
außerhalb des Leibes, ich weiß nicht, Gott weiß es, dass fortgerissen wurde derselbe bis in den dritten Himmel.

3
kai. oi=da to.n toiou/ton a;nqrwpon( ei;te evn sw,mati ei;te cwri.j tou/ sw,matoj ouvk oi=da( o`
Und ich weiß denselben Menschen, sei im Leib, sei es ohne den Leib, ich weiß nicht,

qeo.j oi=den( 4
o[ti h`rpa,gh eivj to.n para,deison kai. h;kousen a;rrhta r`h,mata a] ouvk evxo.n
Gott weiß, dass er fortgerissen wurde ins Paradies und hörte unsagbare Worte, die nicht erlaubt sind

avnqrw,pw| lalh/saiÅ 5
u`pe.r tou/ toiou,tou kauch,somai( u`pe.r de. evmautou/ ouv kauch,somai eiv
einem Menschen zu reden. Über denselben werde ich mich rühmen, über mich selbst aber nicht werde ich mich rühmen

mh. evn tai/j avsqenei,aijÅ 6


VEa.n ga.r qelh,sw kauch,sasqai( ouvk e;somai a;frwn( avlh,qeian
außer in den Schwachheiten. Denn wenn ich mich rühmen wollte, werde ich nicht unverständig sein, denn Wahrheit

ga.r evrw/\ fei,domai de,( mh, tij eivj evme. logi,shtai u`pe.r o] ble,pei me h' avkou,ei ÎtiÐ evx evmou/
werde ich sagen; ich unterlasse es aber, damit nicht einer über mich denkt über das hinaus, was er sieht an mir oder hört von mir.

7
kai. th/| u`perbolh/| tw/n avpokalu,yewnÅ dio. i[na mh. u`perai,rwmai( evdo,qh moi sko,loy th/|
Auch bei dem Übermaß der Offenbarungen. Deshalb, damit ich mich nicht überhebe, gegeben wurde mir ein Stachel ins

sarki( a;ggeloj satana/( i[na me kolafi,zh|( i[na mh. u`perai,rwmaiÅ 8


u`pe.r tou,tou tri.j to.n
Fleisch, ein Engel Satans, damit er mich schlage, damit ich mich nicht überhebe. Wegen diesem dreimal

ku,rion pareka,lesa i[na avposth/| avpV evmou/Å 9


kai. ei;rhke,n moi\ avrkei/ soi h` ca,rij mou( h`
bat ich den Herrn, damit er sich entferne von mir. Und gesagt hat er mir: Es genügt dir meine Gnade, denn die

ga.r du,namij evn avsqenei,a| telei/taiÅ h[dista ou=n ma/llon kauch,somai evn tai/j avsqenei,aij
Kraft wird in Schwachheit vollendet. Am liebsten werde ich mich nun noch mehr rühmen in meinen Schwachheiten,

mou( i[na evpiskhnw,sh| evpV evme. h` du,namij tou/ Cristou/Å 10


dio. euvdokw/ evn avsqenei,aij( evn
damit einwohne in mir die Kraft des Christus. Deshalb finde ich Gefallen an Schwachheiten, an

u[bresin( evn avna,gkaij( evn diwgmoi/j kai. stenocwri,aij( u`pe.r Cristou/\ o[tan ga.r avsqenw/( to,te
Schmähungen, an Zwängen, an Verfolgungen und Beengungen: für Christus. Denn wenn ich schwach bin,

dunato,j eivmiÅ
dann bin ich stark.

10
2. Textimmanenz

2.1. Textabgrenzung

Die Narrenrede stellt sich im gesamten Brief als eigenständige Kategorie dar. Als Faktoren
der Abgrenzung dienen zu den vorherigen Versen, die klare Abtrennung durch die nun
verwendete Selbstbezogenheit des Paulus. Diese ist zwar auch in 2 Kor 11,1-15 zu finden,
doch dient diese als Ouvertüre zur Narrenrede. Die Gegner des Paulus werden in diesem
Abschnitt näher charakterisiert und Paulus selbst zählt jene Vorwürfe auf, die gegen ihn
erhoben werden. Paulus beginnt dann im nachfolgenden Abschnitt mit einer andersgearteten
Gegendarstellung, dabei zählt er zwar weiter - nun aber indirekt - ihm Vorgeworfenes auf.
Dies macht er in klarer Abgrenzung seiner selbst zu den anderen. Thematisch steht hier die
Wortfamilie der „Schwachheit“ des „Unverständigen“ im Mittelpunkt. Diese ist es, die sich
Paulus in der Narrenrede am meisten annimmt. Grammatikalisch fällt hierbei eine Eigenart
besonders auf: die häufige Verwendung der 1. Person Singular und der 3. Person Plural. Auch
die Verwendung des e,gw weist darauf hin. Diese zeigt eine Struktur auf, die thematisch zur
untersuchenden Stelle passt und ihre Eigenart herausstellt (11,16: Pa,lin le,gw; 11,21: tolmw/
kavgw; ebenfalls sehr deutlich anhand der Abstammung der Gesprächspartner in Vers 22f.:
~Ebrai/oi, eivsinÈ kavgw,Å VIsrahli/tai, eivsinÈ kavgw,Å spe,rma VAbraa,m eivsinÈ kavgw,Å dia,konoi
Cristou/ eivsinÈ parafronw/n lalw( u`pe.r evgw,\). Dieser apologetische Stil der einfachen
Darstellung zweier Sachverhalte ist besonders beachtenswert für diesen Text und wird deshalb
auch im weiteren Verlauf untersucht. Die Narrenrede folgt einem Schema der Abfolge von
rhetorischer Frage und selbstgegebener Antwort. Ziel dieses Unterfangens ist ein Doppeltes:
Zum einen übt sie deutlich Kritik an den auftretenden Gegnern des Paulus und dient zu seiner
Verteidigung, zum anderen will sie aber auch die Gemeinde erziehen, damit sie von der
Person des Paulus lernt.15

Ein weiteres: Die Narrenrede enthält 187 Lexeme, die in 448 Wörtern insgesamt im Text
auftreten. 77 Lexeme der Narrenrede treten nur in dieser auf und nicht mehr im 2.
Korintherbrief, dies lässt ebenfalls auf eine eigene Einheit schließen, wenn es auch gilt, diese
Lexeme näherhin nach ihrer Bedeutung zu untersuchen. Nota bene: 32 Lexeme der
Narrenrede sind Eigenvokabular, sie treten nicht weiter im Corpus Paulinum auf.

15
Siehe auch Zmijewski, Josef: Der Stil der paulinischen „Narrenrede“, 415.

11
Der Schluss des gewählten Textes ist die Synthese des gesamten Inhalts. Paulus spricht diese
Programmatik aus: dio. euvdokw/ evn avsqenei,aij( evn u[bresin( evn avna,gkaij( evn diwgmoi/j kai.
stenocwri,aij( u`pe.r Cristou/\ o[tan ga.r avsqenw/( to,te dunato,j eivmiÅ Es scheint sinnvoll hier
eine markante Grenze zu ziehen, da auch ausdrücklich von Paulus ein Abschluss des bisher
gesagten ausgedrückt wird. Die nachfolgenden Verse 2 Kor 12,11-13 können als
Entschuldigung des Paulus gegenüber der Gemeinde gedeutet werden. Die thematische
Auseinandersetzung mit der in der Narrenrede ausgefalteten „Theologie der Schwachheit“
kommt hier nicht zum Ausdruck.

2.2. Schlüsselwörter16

• e;gw 22 tij 13 kauca,omai 10 ki,ndunoj 8 u`pe.r 7


• avsqenei,a 5 a;frwn 5 (avfrosu,nh 2) avsqe,new 4

Ein Blick auf die Wörter, die in der Narrenrede am häufigsten vorkommen, erlaubt eine
vorläufige Bestimmung der relevanten Themen. Wie es nicht anders zu erwarten ist, spricht
Paulus häufig in der ersten Person (e;gw). Er versucht seinen Standpunkt darzulegen, der Text
wird apologetischen Charakter haben, in dem sich Paulus gegen andere Meinungen abgrenzt.
Das tij ist ein Hinweis auf Verallgemeinerung. Während er die Behauptungen anderer
aufzählt (tij), legt er seine Sichtweise der Dinge dar (e;gw). Wie wir dem Text entnehmen
können, spricht er in rühmender Weise (kauca,omai). Wessen rühmt er sich? Sicherlich rühmt
er sich, weil er in Gefahr war (ki,ndunoj), dass er noch mehr in Gefahr war als andere (u`pe.r).
Es geht aber weniger um ein Prahlen über die Gefahren, die er bestanden hat, sonst würden
die nachfolgenden Lexeme, die eine eminent wichtige Stelle in der Rede einnehmen, keinen
Sinn ergeben. Der Zusammenhang kauca,omai - ki,ndunoj wird sich absurder Weise in ein
kauca,omai - avsqenei,a wandeln. Er wird über den Unverstand (a;frwn) des Ruhmesvorhabens
sprechen und wird viel mehr die Schwachheit betonen bzw. rühmen. Das Schwachsein
(avsqe,new) macht die Quintessenz in der Narrenrede aus.

16
Erstellt mit Hilfe von BibleWorks 7. Die Zahlen im Anschluss an die Aufzählung entsprechen dem Auftreten
innerhalb der Textstelle.

12
3. Die Narrenrede - Inhalt und Zweck

Wie bereits oben beschrieben ist dem Brief ein klares Argumentationsschema zu entnehmen,
welches das doppelte Ziel verfolgt: die Gegner des Paulus zu widerlegen und die Gemeinde in
pastoraler Weise anzuleiten.

3.1. Die einleitende Ironie

Die Schwierigkeiten, die sich dabei zeigen, scheinen schon in der bloßen Vorstellung eines
solchen Versuches auf der Hand zu liegen. Paulus muss sich als jemand ausweisen können,
der die Anfeindungen seiner Gegner widerlegen kann. Zur selben Zeit muss er aber auch
deutlich machen, dass er als jemand agiert, dem Autorität zukommt. Sonst wäre sein
apostolisches Wirken in Gefahr.

Paulus Antwort klingt in unseren Ohren zunächst ein wenig widersprüchlich. Er benutzt das
Stilmittel der Selbstironie:
11,19
h`de,wj ga.r avne,cesqe tw/n avfro,nwn fro,nimoi o;ntej\ 20 avne,cesqe ga.r; ei tij
u`ma/j katadouloi/( ei; tij katesqi,ei( ei; tij lamba,nei( ei; tij evpai,retai( ei; tij eivj
pro,swpon u`ma/j de,reiÅ 21
kata. avtimi,an le,gw( w`j o[ti h`mei/j hvsqenh,kamenÅ VEn w-|
dVa;n tij tolma/|( evn avfrosu,nh| le,gw( tolmw/ kavgw,Å

Die Wortfamilie der avfrosu,nh wird hier als größtes Argument angebracht. Paulus erkennt
hierin allerdings keine Schande, vor dem Hintergrund der „falschen Toleranz“ der Korinther.
Er selbst hat sich als a;frwn charakterisiert und setzt sich damit nun von seinen Hauptgegnern
ab. Durch die Selbstironie eröffnet er den zweiten großen Redeteil der als Apologie gegen
seine Gegner gedeutet werden kann. In dieser Apologie zeigt er seine herausragende Stellung
als wahrer Apostel. Dieser Redeteil erstreckt sich von 2 Kor 11,21-12,10.

Der vermeidliche Narr setzt an und verweist auf volle Gleichwertigkeit mit seinen Gegnern:
11,22
~Ebrai/oi, eivsinÈ kavgw,Å VIsrahli/tai, eivsinÈ kavgw,Å spe,rma VAbraa,m eivsinÈ kavgw,Å
23
dia,konoi Cristou/ eivsinÈ parafronw/n lalw( u`pe.r evgw,\
In einer Klimax verdeutlicht er die Abstammung bis zum edelsten Geschlecht. Er selbst ist
wie sie alle aus dem Geschlecht Abrahams und untersteht der jüdischen Abstammung in
jeglicher Hinsicht. Dieses Frage- und Antwortspiel führt er dann allerdings weiter aus. Er
erweitert die Fragestellung um die dia,konoi Cristou/.

13
Dies ist der eigentliche Ausgangspunkt seiner Rhetorik. Die Klimax, die bis zu den Anfängen
des Volkes Israel führte kulminiert nun in Christus, dem Herrn. Alle sich nun anschließenden
Elemente sind auf diese Person ausgerichtet. Paulus zeigt dies durch Verwendung des
parafronw/n lalw( u`pe.r evgw an. Diese Steigerung, in der er sich nun als der Narr schlechthin
beschreibt ist nicht mehr zu übertreffen.

Er ist der Diener Christi in persona, so könnte man es ausdrücken. Alle anschließenden
Erlebnisse, die ihm widerfuhren, zeugen von dieser besonderen Stellung des Apostels (Verse
11,23-28.32.33). Dieser Leidenskatalog dient der Absicherung gegenüber seinen Gegnern.
Wer kann dieser Liste schon etwas entgegensetzen? Wer will einem, dem solches Leid
zugefügt worden ist noch etwas absprechen? Paulus lässt seinem Gegenüber gar keine andere
Wahl als diese Liste, die sich zum Ende hin immer weiter steigert, zur Kenntnis zu nehmen
und emotional an den Gefahren und dem Erlittenen teilhaben zu lassen. Der Zuhörer wird
konfrontiert mit einer Gewalt an Bildern, die durch ihre enorme Zahl noch gesteigert wird.
Dieses tief erschütternde Leid, das Paulus auf sich genommen hat, zeichnet ihn gerade aus als
den wahren Apostel Christi. Es könnte sich fast um eine Mimese des Leidens Christi handeln.
Keiner seiner Gegner wird diese konkreten Erfahrungen mit Paulus teilen können.

3.2. kauca,omai evn tai/j avsqenei,aij - Die Antwort auf eine falsche Ruhmesvorstellung

Der Vers 29 besitzt eine Brückenfunktion zwischen dem ersten und zweiten Teil der
Narrenrede. Er verbindet den Leidenskatalog mit der Grundaussage der Rede:
29
ti,j avsqenei/ kai. ouvk avsqenw/È ti,j skandali,zetai kai. ouvk evgw. purou/maiÈ
Paulus scheint im Leidenskatalog die Leiden als Ausdruck der menschlichen Schwäche zu
sehen. Für ihn bedeutet dieses Leid ein konkretes Scheitern, sogar soweit, dass sein Wirken
als Apostel erfolglos war.

Wie aber die avsqe,neia zu verorten ist und was Paulus genau darunter versteht, wird klarer
ersichtlich, wenn wir noch ein drittes, wichtiges Wort berücksichtigen, das am Anfang des
elften Kapitels steht und im zwölften Kapitel erstmals im Zusammenhang von kauca,omai und
avsqe,neia vorkommt, nämlich a;frwn. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Situation, auf
die hin Paulus mit der Narrenrede antwortet. Es treten u`perli,an avpo,stoloi - Überapostel -
auf, die sich ihrer Fähigkeiten rühmen (kauca,omai). In den einleitenden Versen zu Kapitel 11

14
teilt Paulus uns indirekt mit, dass dieses Rühmen der eigenen Fähigkeiten a;frwn sei. Es gibt
aber Ausnahmen, es gibt Dinge derer man sich rühmen kann, ohne dass es a;frwn ist. Genau
genommen sind es zwei Dinge:
5
u`pe.r tou/ toiou,tou kauch,somai( u`pe.r de. evmautou/ ouv kauch,somai eiv mh. evn tai/j avsqe
nei,aijÅ 6VEa.n ga.r qelh,sw kauch,sasqai( ouvk e;somai a;frwn( avlh,qeian ga.r evrw/\ fei,do
mai de,( mh, tij eivj evme. logi,shtai u`pe.r o] ble,pei me h' avkou,ei ÎtiÐ evx evmou/ .
Paulus rühmt sich u`pe.r tou/ toiou,tou, er rühmt sich eines Menschen in Christus (a;nqrwpon evn
Cristw/), der fortgerissen wurde bis in den dritten Himmel (a`rpage,nta to.n toiou/ton e[wj
tri,tou ouvranou), der fortgerissen wurde ins Paradies (h`rpa,gh eivj to.n para,deison) und der
unsagbare Worte hörte, die einem Menschen nicht zu reden erlaubt sind (h;kousen a;rrhta
r`h,mata a] ouvk evxo.n avnqrw,pw| lalh/sai). Was ist das für ein Mensch, über den Paulus hier
spricht? Er spricht über eine eigene Vision.17 Er selbst ist der Mensch, der entrückt wurde.
Paulus will mit dieser Vision nicht etwa eigene Fähigkeiten unterstreichen und das eigene Er-
leben zur Legitimierung seines Apostolates missbrauchen. Es geht ihm viel mehr darum, sei-
nen Gegnern (bzw. der Gemeinde in Korinth) einerseits aufzuzeigen, dass jene nicht die einzi-
gen sind die Visionen haben, andererseits verdeutlicht er, dass nicht die Vision an sich bedeu-
tend ist, sondern die Erkenntnis, die er daraus gewann. Die Gnade Gottes überschattet ihn, ge-
rade auch in seiner Schwachheit. So soll man sich gerade nicht der Visionen rühmen (das tut
Paulus eigentlich nur, weil seine Gegner ihn dazu nötigen18), sondern versuchen, Christus in
seinem Leben abzubilden (was dem Apostel die eigentliche Autorität verleiht).
Zweitens rühmt sich Paulus (höchstens) seiner eigenen avsqe,neia. Die Gegenüberstellung des-
sen, wessen Paulus sich rühmt, ist in 12,5 zusammengefasst: u`pe.r tou/ toiou,tou kauch,somai(
u`pe.r de. evmautou/ ouv kauch,somai eiv mh. evn tai/j avsqenei,aij.

Indem Paulus das Rühmen der eigenen Fähigkeiten als unverständig kritisiert, verweist er zu-
gleich auf die Schwachheit, die des Rühmens würdig ist. Die Schwachheit steht aber nicht al-
leine da, sondern sie ist sozusagen der Platzhalter für Christus. Seiner Schwachheit eingedenk
hebt Paulus nicht die eigenen Fähigkeiten hervor (wie die Überapostel), sondern verweist auf
Christus, seine eigentliche Kraft. Christus ist derjenige, der den Apostel für sein Amt würdig
macht. Es ist die Kraft Christi, die durch den Apostel am Werk ist. Der Apostel ist nur ein
Werkzeug Christi. Die Befähigung für das Amt des Apostels kommt nicht vom Menschen al-
lein, sondern aus seinem Bezogensein auf Christus.

17
Vgl. Klauck, 2. Korintherbrief, 92.
18
Vgl. ebenda, 92-93.

15
Deshalb kann er auch in 12,9 sagen: h[dista ou=n ma/llon kauch,somai evn tai/j avsqenei,aij
mou( i[na evpiskhnw,sh| evpV evme. h` du,namij tou/ Cristou/. Paulus möchte sich seiner Schwachheit
noch mehr rühmen, weil er weiß, dass dann die Kraft Christi „noch mehr“ einwohnen kann.
Im Dienst an der Verkündigung des Evangeliums (dessen Höhepunkt die Erhöhung Christi ist,
wie uns die Verse 12,2-4 verdeutlichen), was seine vordringliche Aufgabe als Apostel ist, geht
es nicht um den Einsatz der eigenen Vorzüge und Fähigkeiten, sondern darum, seine eigene
Person in den Hintergrund zu stellen, damit Christus umso mehr im Zentrum der Verkündi-
gung steht. So ist auch das Paradoxon (o[tan avsqenw/ - dunato,j eivmi) in 12,10 zu verstehen, das
zugleich Quintessenz der gesamten Theologie der Schwachheit ist: o[tan ga.r avsqenw/( to,te du
nato,j eivmi. Wenn ich meine eigene Person in den Hintergrund stelle (o[tan avsqenw/)/ , steht die
eigentliche Person meiner Verkündigung (von der ich meine Autorität als Apostel beziehe),
nämlich Christus, im Vordergrund (dunato,j eivmi).

16
III. „Theologie der Schwachheit“

Die große Frage, die dem Apostel Paulus immer wieder gestellt wird, ist die nach seiner
Legitimität. Der „spätberufene“ Paulus muss sich mit aller Vehemenz seinen Gegnern stellen,
die ihm sein wahres Apostelsein streitig machen wollen, oder selbst als falsche Apostel
auftreten. Zu den Vorüberlegungen lohnt ein Blick in den großen Textkorpus von 2 Kor 10-13.

1. Anschuldigungen gegen Paulus.19

Hier tritt vor allem die Schwachheit als Hauptargument hervor für die Annahme, dass Paulus
kein wahrer Apostel zu sein scheint. In der Narrenrede kommt dies deutlich zum Ausdruck in
Vers 21: kata. avtimi,an le,gw( w`j o[ti h`mei/j hvsqenh,kamen. Paulus selbst nutzt diesen Terminus
und weiß um die Stärke dieses Argumentes. Ebenso wird seine Person selbst von seinen
Gegnern eher karikiert. Sein Auftreten solle schwächlich sein (10,10), seine Predigtkünste
verdienten keine Achtung (10,10; 11,6) und die Erwartungen der Widersacher gehen noch
weiter. So fordern sie Zeichen des Apostels (12,12) und das damit verbundene Zeugnis des
Pneumabesitzes (vgl. 1 Kor 1,22). Dieser Nichtbesitz des Pneuma ist es, den seine Gegner
weiter fokussieren. Paulus ist dazu gedrängt seine evxousi,a zu beweisen (10,8; 13,10), weil
seine Gegner bei ihm die dokimh, (13,3.6) vermissen. Dadurch sieht sich Paulus mit folgenden
Anschuldigungen konfrontiert: Zu allererst wird ihm Unzuverlässigkeit vorgeworfen
(1,12.17); diese Unzuverlässigkeit, so die Gegner indirekt, sei der Anlass dafür, dass Paulus
keine Unterstützung der Gemeinde annehme, was wiederum darauf schließen ließe, dass er
sich selbst gar nicht als wahren Apostel sehe (11,7-11). Ihm wird im selben Moment aber auch
Übervorteilung anderer vorgeworfen (7,2; 12,17).

Eine weitere Anschuldigung, die an den Apostel herangetragen wird, ist allerdings die des
Selbstruhmes (10,13.15) und die damit verbundene Selbstempfehlung (3,1; 4,2; 5,12; 10,12;
12,11). kata. sa,rka peripatou/ntaj (10,2) diese Charakterisierung, die auf Paulus gedacht
wird, macht deutlich, dass seine Gegner noch einen Schritt weiter gehen. Sie sprechen ihm die
Anteilhabe am Pneuma ab und bestreiten damit sogar sein Christsein.

19
Der Textabschnitt folgt den Ergebnissen von Baum, Horst: Mut zum Schwachsein - in Christi Kraft,
187-189.

17
Diese Vorwürfe müssen Paulus hart getroffen haben, weil sie nicht nur ihn in seiner Person
trafen, sondern und dies noch in viel härterer Weise, inmitten seines Wirkens für die
Gemeinde und für Christus. Die avsqe,neia ist der Punkt, in dem die gesamte Existenz Paulus
gefährdet ist. Die Leiden des Apostels, die er für Christus erlitten hat, sollen ihm
abgesprochen werden.

Dieser ausführliche Exkursus zum sogenannten Tränenbrief soll nun zum eigentlichen
Hauptaugenmerk der Narrenrede führen. Wie oben bereits geschildert ist die Hauptanklage
der Gegner die avsqe,neia. Diese Schwierigkeit erkennt Paulus und sieht auch ihre Brisanz. Die
Korinther müssen von dieser Argumentation der Gegner überzeugt sein, da sie äußerst
stichhaltig ist. Was ist überhaupt von der Wirklichkeit dieser apostolischen Verkündigung
wahr, wenn doch ihr Wesen die avsqe,neia und nach außen auch wenig von Ruhm und Glanz
sichtbar wird? Dieses Argument ist wohl zugleich auch das wirkmächtigste, um die Korinther
von Paulus und seinen Mitarbeitern abzulenken.

Es scheint eindeutig zu sein, dass sich die Gegner eigentlich nur im Vergleich mit Paulus
messen. Durch diese polemische Art, die eigene Überlegenheit auf Kosten einer anderen
Person besonders deutlich zu machen, gewinnen sie eine große Anhängerschaft. Paulus und
Christus, sind anders als ihre Rivalen, keine ästhetischen Figuren, die einen göttlichen Glanz
in sich bergen. Da ist Paulus, der alte und kränkliche Mann, und Christus, der als Verbrecher
am Holze des Kreuzes gestorben ist. Die Suche der Gemeinde von Korinth geht sicherlich in
eine andere Richtung, wie auch heute. Das äußerlich Schöne wird angestrebt, die Innerlichkeit
ganz vergessen. Die Gemeinde von Korinth läuft dem Schein hinterher. 20

2. Paulus rühmt sich seiner Schwachheit

Was tut Paulus nun? Er greift genau diese Polemik auf und kehrt sie vollkommen um. Die
avsqe,neia wird paradoxer Weise ins Gegenteil gekehrt und eben diese ist es, die für Paulus
einen Ruhmestitel darstellt. Gerade der Dienst für Christus ist es, der demjenigen der ihn
ausführt diese Charakterisierung zuweist. Die avsqe,neia ist der Ausdruck des „apostolischen
Christusdienstes (4,7-5,10; 6,3-10; 12,9.10 [...])“21.

20
Vgl. Prüm, II. Korintherbriefes, 113.
21
Baum, Schwachsein,196.

18
An sich verurteilt Paulus die Vorgehensweise des direkten Vergleiches mit seinen Gegnern,
doch im Fall der Narrenrede benutzt er gerade dieses Stilmittel als Hilfsmittel, um seine
Widersacher zu entlarven. Die wahre kau,chsij eines Apostels bestünde darin, sich genau des
Gegenteils dessen zu rühmen, weswegen sie sich rühmten. Die avsqe,neia rückt in den
Mittelpunkt und dessen rühmt sich der Völkerapostel nun. Hatte der Apostel in Vers 19.10
seine Gegner noch durch ihr anmaßendes ironisches Verhalten karikiert und der ihm
entgegengesetzten Schwäche gegenübergestellt, so beschreibt er seine Schwäche in den
Versen 23-28 als die Diakonia schlechthin. Ihm mühevollen Dienst für die Anderen und für
das Evangelium wird deutlich, wie sehr sich der Mann aus Tarsus seiner Schwachheit rühmen
kann (11,20 und 12,5.9). Diese ist es, die in voller Verbundenheit mit Christus die eigentliche
Existenz des Apostels ausdrückt und ihn qua vollbrachter Leistungen, die höher anzusiedeln
sind als die Leistungen der Gegner, als Diener Christi und Apostel ausweist. 22

Die Leiden, die Paulus auf sich nahm sind der Ausdruck des Offenbarungsgeschehens, das
ihm widerfahren ist. Die Menschen, die sich dem Paulus und seinen Mitarbeitern in den Weg
stellen nehmen dieses Zeugnis des Paulus nicht an. Sie verwerfen das Lebenszeugnis als
avsqe,neia. Das diese avsqe,neia aber den Kern der christlichen Botschaft ausmacht, wird ihnen
schmerzhaft auf ironische Weise durch die Narrenrede vermittelt. Denn die Ironie ist immer
eine Bloßstellung des Gegenübers: Paulus spricht „lachend die Wahrheit [...]“23 aus und trifft
die Vorwürfe seiner Gegner mit voller Wucht. 24

Sie haben dem Paulus vorgeworfen weit hinter der kau,chsij zurück zu stehen (10,13.15); im
Gegensatz zu ihnen sei er ein schwacher Apostel (10,1.10; 11,21). Aber Paulus tritt ihnen als
a;frwn (11,16; 12,6 vgl. auch 11,1.17f.) entgegen und rühmt sich, das er einen Menschen in
Christus kenne, der vor 14 Jahren in den dritten Himmel, wo das Paradies liegt hinaufgeholt
wurde (12,1ff.).25 Eigentlich gehört sich diese Art nicht (12,1); er spricht sie trotz dessen aus.
Genauso bleibt Paulus während der Rede eher ruhig in Bezug auf seine Erfahrungen mit
Visionen, die die Realität der Menschen übersteigt. Er tut dies bewusst, um klare
Anhaltspunkte in dieser Welt für die Menschen liefern zu können.

22
Prüm, II. Korintherbriefes, 112.
23
Ebenda.
24
Vgl. Baum, Schwachsein, 198.
25
Siehe ebenda: „Der dritte Himmel, wo das Paradies liegt, ist eine Lokalisierung, die wir aus spätjüdischer
Tradition (Apk. Mos. 37 slav. Hen. 3) kennen.“

19
3. Das Leiden Christi

In Vers 7 jedoch beginnt Paulus über etwas zu sprechen, was ihm jede Selbstüberheblichkeit
und jeden Anlass zu Eigenruhm verbietet:
7
kai. th/| u`perbolh/| tw/n avpokalu,yewnÅ dio. i[na mh. u`perai,rwmai( evdo,qh moi sko,loy th/|
sarki( a;ggeloj satana/( i[na me kolafi,zh|( i[na mh. u`perai,rwmaiÅ
Der Stachel im Fleisch, der ihm als Engel des Satans erscheint ist der Grund für seine
Schwäche und das in einer unausräumbaren Dialektik. Paulus führt seine Schwäche auf den
Engel des Satans und auf den Herrn (ku,rioj) zurück. Der Engel des Satans, so wird im
Folgenden klar (10,8-10), handelt im Auftrag des Herrn. So geht es für Paulus genau darum,
sich dieser Schwachheit rühmen zu können, weil sie vom Herrn selbst kommt (10,30;
12,5.9.10).

Die kau,chsij des Apostels ist es, die in 12,9 genau zum Vorschein kommt. Denn nur in der
Schwachheit in der sich auch der Apostel befindet, kann so die Kraft des Herrn ihre Fülle
erreichen:
10
dio. euvdokw/ evn avsqenei,aij( evn u[bresin( evn avna,gkaij( evn diwgmoi/j kai.
stenocwri,aij( u`pe.r Cristou/\ o[tan ga.r avsqenw/( to,te dunato,j eivmiÅ
Diese kau,chsij in der avsqe,neia ist es, die dem Paulus Glaubwürdigkeit verleiht und ihm somit
Kraft in seinem Wirken zusichert. Genau dieser Ort der Schwachheit, in dem sich nach
menschlichem Ermessen nichts mehr bewegen kann, wird ausgefüllt und angereichert vom
Herrn. Es ist dieselbe Situation in der sich Christus am Kreuze befand und in dieser letzten
Situation die Herrlichkeit des Herrn offenbart hatte. Paulus hat also die Schwachheit, die ihm
in 11,21 vorgeworfen wurde – und die er zugestimmt hat – ins totale Gegenteil gekehrt.
„Schwachheit ist nicht mehr etwas, das nur negativ zu bewerten ist, sondern enthüllt die
eigentliche Kraft und Kraftquellen, aus denen heraus er lebt und in deren Befähigung er sich
für seine Gemeinde einsetzt.“26

Paulus zeigt deutlich auf, dass es im letzten eigentlich auch die Schwachheit Christi selbst
war, die sich in der Kreuzigung gezeigt hatte. Gerade dort offenbarte sie sich nicht als
Schwäche, sondern als überlegene Stärke, das zum Vorschein kommen und zur Wirklichkeit
durchdringende „Kommen der «Kraft Gottes», wie die Auferstehung zeigte (13,3).“ 27

26
Baum, Schwachsein, 204.
27
Ebenda.

20
IV. Schlusswort

Wie sich gezeigt hat, lässt sich der zweite Korintherbrief in die Zeit 56/57 n. Chr. datieren.
Wahrscheinlich hat Paulus den Brief in Mazedonien verfasst und dies aus einem konkreten
Anlass: Zur Ermahnung und pastoralen Auferbauung der Gemeinde.

Die aufgewendete Untersuchung brachte zum Vorschein, dass vor allem die zwei Lexeme
kauca,omai und avsqe,neia den Text prägen. Inhaltlich ist es die stilistische Form der Ironie, die
durch das Lexem a;frwn ausgedrückt wird. Diese drei Lexeme verleihen der Narrenrede ihre
Eigenart und lassen auf die Grundaussage schließen.

Die Gemeinde, die sich von den Grundkomponenten des Christentums entfernt hat, verfällt
den Versuchungen auftretender Wanderprediger, die etwas anderes verfolgen als Paulus.
Paulus wendet sich in der konkreten Auseinandersetzung gegen diese Widersacher. Den Stil,
mit dem seine Rivalen vorgehen, nimmt er als Ausgangspunkt für seine Gegendarstellung, in
welcher er sie widerlegt, seine eigene Apostolizität legitimiert und der Gemeinde ein
pastorales Beispiel für gelebte Christusnachfolge gibt.

Aufgreifend eine Aufzählung seiner erlittenen Erlebnisse, reiht er sich in „ihre Ruhmesreihe“
ein und kehrt sie doch um. Er verknüpft kauca,omai mit avsqe,neia und rühmt sich damit einer
Eigenschaft, der es sich eigentlich nicht zu rühmen gilt. Doch mit diesem Paradoxon deckt
Paulus gerade das Geheimnis des christlichen Glaubens auf. Nicht der kraftvolle Glanz, den
seine Gegner ausstrahlen, macht den Dienst an Christus aus, sondern gerade die Entäußerung
bis zum Extrem ist die wirkliche Diakonia.

Paulus benutzt die Ironie als stilistisches Mittel, um seine Widersacher in größtmöglicher
Weise anzugreifen. Er verhöhnt sie durch die Benutzung ihrer eigenen Aussagen; durch die
Anführung des Leidenskatalog wird dies besonders deutlich. Die Schwachheit des Paulus
wird als eigentliche Stärke aufgedeckt und erweist sich als wirkungsvoller als die
Ruhmesvorstellungen der Gemeinde und seiner Rivalen.

Die Narrenrede, die als ironisches Gebilde den Leser als erstes verwirrt und doch Neugier
erweckt, verweist bei näherem Hinsehen auf ihre Brisanz: die „Theologie der Schwachheit“.

21
V. Literaturverzeichnis

Sekundärliteratur

• Baum, H., Mut zum Schwachsein - in Christi Kraft. Theologische Grundelemente


einer missionarischen Spiritualität anhand von 2 Kor, (Studia Instituti Missiologici
Societatis Verbi Divini Nr. 17), St. Augustin 1977.
• Becker, E.-M., 2. Korintherbrief, In: Wischmeyer, O. (Hrsg.), Paulus. Leben - Umwelt
- Werk - Briefe, Tübingen/Basel 2006.
• Broer, I., Einleitung in das Neue Testament, Bd. II: Die Briefliteratur, die Offenbarung
des Johannes und die Bildung des Kanons, Würzburg 2006.
• Gnilka, J., Paulus von Tarsus. Apostel und Zeuge (HthK NT, Supplementband IV),
Freiburg/Basel/Wien 1996.
• Klauck, H.-J., 2. Korintherbrief, In: Gnilka, J./Schnackenburg, R. (Hrsg.), Die Neue
Echter Bibel. Neues Testament, Würzburg 1986.
• Prümm, K., Diakonia Pneumatos. Der Zweite Korintherbrief als Zugang zur
apostolischen Botschaft. Auslegung und Theologie, Bd. II: Theologie des Zweiten
Korintherbriefes. Zweiter Teil: Das christliche Werk. Die apostolische Macht,
Rom/Freiburg/Wien 1962.
• Schnelle, U., Paulus. Leben und Denken, Berlin/New York 2003.
• Zmijewski, J., Der Stil der paulinischen „Narrenrede“. Analyse der Sprachgestaltung
in 2 Kor 11,1-12,10 als Beitrag zur Methodik von Stiluntersuchungen
neutestamentlicher Texte (BBB 52), Köln/Bonn 1978.

Wörterbuch

• Kassühlke, R., Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament. Griechisch-Deutsch,


Stuttgart 42005.

Neue Medien

• BibleWorks 7, Stuttgart 2006.

22

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