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Erscheint monatlich zweimal. Preis pro Vierteljahr M. 1,50. Einzelnummer 25 Pf,.


f:+y: Sonntag, Berlin-Wilhelmshagen fio. 4.
Post Neurahnsdorf.
' —?-cv a m 19. Juli 1896. :•>-£- Adolf Brand's Verlag. -s-o> 1. Jahrgang, »x-
R. Ed. L i e s e g a n g : »Die Wiederkunft des Zarathustra." -r- B r u n o W i l l e : "Blutbrüderschaft"

Malts-TerzeicMs. (Gedicht). — S a x n o t : „WurzelknolWn." — E u g e n H e i n r i c h S c h m i t t : .Zur Wandlung im


Anarchismus." — H e i n r i ch . V o r m a n n : • „Frllhrot." — Vermerke. — Eingelaufene Druck-
schriften. — Anzeigen. .'-."• .. j'",'" i

eX® Die Wiederkunft d e s Z a r a t h u s t r a . ©X9


Jahre sind verflossen, seitdem Zarathustra das Land ich erkannte mich in der Einsamkeit selber, Das war
-durcheilt hat. W o blieb er? Keiner weifs es. Man meine Heilung. ~ .
glaubt, dafs er verschwunden sei. — Seine harten Worte
haben viele der Trägen aufgerüttelt. Eine grofse Ge- Wie konnte Mitleid versiegen, so lange ich noch
meinde entstand. Die baute ihm einen Tempel. Und in mit mir selber litt? ........
dem Tempel des Zarathustra sammelten sich die Geist- W e r das eigene Leid überwand, der fühlt nicht
reichen des ganzen Landes. . . . Tritt ein Unbekannter mehr das Leiden. der Fremden.
zwischen Jene. Da er ein ärmliches Kleid hat und nicht Welcher ist unter euch, der nicht mit sich selber
das Gebahren der Uebermenschen zur Schau trägt, am meisten litte?
wollen sie ihn nicht beachten. Und siehe da- Es ist
In der Einsamkeit fand ich mich selbst. Ich schaute
Zarathustra selber, der sich nun den Erstaunten offen-
mich selber an und lachte über mein kleinliches Leid.
baret. Spricht: Ich bin der Götze, den ihr anbetet. Ich
Da hatte mein Kämpfen ein Ende. D a war ich im Innern
will den Götzen verderben
- • " * • • ' - . _ . - . ' . •
erstarkt. - . . . . , • . ' - '• •
•'•.•:': Das Teropelvolk ist bestürzt über diese W o r t e :
-Verzeihe uns Herr, wenn .wir deine Lehren falsch aus- ., Wollt ihr das Mitleid überwinden, so müfst ihr das
gelegt haben. Eigenleid überwinden. Das Eigenleid schwindet nur
Spricht Zarathustra: Gab ich euch jemals Lehren? dann, wenn ihr über euch selber steht. Ueber euch
— Meine Worte verdarben in eurem Munde; denn ihr selber könnt ihr stehen, wenn ihr euch selbst erkannt habt.
/.schuft Fesseln daraus für eure Hände. Freie suchte ich
So ein Mensch sein sollte, der nie mit sich selber
mir zu Freunden. Sind die Verehrenden Freie?
litt und der deshalb das Mitleid nicht kennt, solcher ist
Ich fand eine Schwäche in mir. Und ich kämpfte nicht der Uebermensch. Denn er steht nicht über dem
dawider. " Weil ich allzuviel mit der Menschheit litt, stärksten Menschen: über sich selber.
deshalb sehnte ich mich nach der Stärke. Deshalb schrie • Erst die Ueberwindung des Leidens' schafft den
ich wider das Mitleiden. Uebermenschen. . v • •• ._"; •' '' .'.
•~ff\ : ^ ' r «Hein galten die harten Worte, die ihr als meine
Gebote betrachtet. Wer sein Eigenes fand, der ist mehr als das Ueber-
Jier. welches ihr sucht. > Der ist der Uebermensch —
Aber die Schwäche verschwand nicht aus meinem Aber es währet lange, bis ihr euch selber findet. '
Innern, wenn icli auch äufserlich überstark schien. So
floh.ich aus,der Mitte der Menschheit, mit der ich litt. Die Eigenheit und die Sonderlichkeil! Dazwischen
besteht ein Unterschied wie zwischen dem Natürlichen
In der Einsamkeit kam meine Ruhe zurück. Und und dem Künstlichen. Und ihr habt diese Begriffe "bis-
26. t)er Eigenh.

her für gleich gehalten, weil euch der Wortklang ge- l Der Uebermensch hat sich über sich selber erhoben,
täuscht hat. Euer Streben ist nach der Sonderlichkeit i Ihr aber wurdet Sklaven der Selbstsucht. — Der Ueber-
gerichtet. Das. entfremdet euch immer mehr mit euch mensch hat das Leiden verlernt. Ihr aber leugnet es nur.
selbst. So verdarben mein Worte in eurem Munde . . . . .
- Wer mit seiner Kraft und mit seiner Mitleidlosig- Zarathustra schied von den Götzendienern Er ging
keit prahlt, der hat sein Eigenleid sicherlich noch nicht in die Einsamkeit, wo das Ich wohnt. .•
überwunden. W e r am lautesten schreit, der fühlt sich
am wenigsten sicher/ . . B. Ed. Liesegang.

Blutbrüdersehaft.*)
„Was aber da für ein Triumphiren im Geiste gewesen, kann ich
nicht schreiben oder reden; es läfst sich auch mit nichts vergleichen, als
nur mit dem, wo mitten im Tode das Leben geboren wird, und vergleicht
sich mit der Auferstehung der Toten. In diesem Lichte hat mein Geist,
alsbald durch alles gesehen, und an allen Kreaturen, selbst an Kraut und
Gras, Gott erkannt, wer er sei und w i e er sei und was sein Wille ist."
Jacob Böhme.
. Dort, bei der Eichengruppe war's. ''•' Von Wetterdunst, im veilchendunkeln Schofs
Der greisen Bäume knorrige Reckenglieder Ein Tropfenmeer bereitend. *:
Umsprofs das bronzegelbe Frühlingslaub, Und wie ein Jauchzen brach die sinkende Sonne
Wie Kinder locken zart. Hervor, purpuren das Gewölk benetzend,
Die schwarze Drossel schlüpfte durch die Aeste, Und schaute einmal noch mit Feuerblick
Dem Liebchen ilötend und ihr Nestlein planend Lang ihren Frühling an . . . —
Ein holdes Wunder, sprang-aus violettem . Da war's, da rührte mich der selige Tod: ; '
Schlehdorn der mandelduftige Blütenschnee. Aus diesen Adern blutete die Seele ' • - •: - \
Und, weich wie Mädchenkosen schmiegte sich Und rann erschauernd '•••.
Der Rasen, mit Ranunkelgold verbrämt, •. Durch Eichen, Wolke, Wiese, Sumpf und Sonne; -/ •
Um Torfmoor, dürres Schill und Sumpf. Aus diesen Adern blutete die Seele,
Dort, wo noch jüngst des Selbstmords Schauer hausten Blutbrüderschaft zu schliefsen mit dem All.
Erscholl der Fröschlein schnurrendes Lenzbehagen. Und Alles war nun mein, und ich war sein.
Gespreizten Fittigs, lüstern nahte Heimlich gehegt, ein süfser Herzensschatz! ' .
Der erste Storch. ~\ V. ;.
Bruno Wille.
Vom Horizonte hob sich ein Gebirg

; ,eX§) Wurzelknollen, © x ^
.'.Es giebt salontirolerische Paradegeister, die, statt dafs sich auf sonst eine „Eigenheit*, die in einem Fleckchen
sie einfach wagen, Persönlichkeiten zu s e i n , sich allerlei sinnvoll ist, die bei ihnen aber den ganzen Raum ihrer
•y Lichler aufsetzen, die sie recht überzeugend als „Indivi- Seelenoberfläche einnimmt. In'kurzem dann sind sic
,' dualitäien" kennzeichnen sollen. — Sie verteidigen irgend meist die simpeln Plakatträger und Posaunisten ihres
eine überraschende ja absurde Gedankenwendung mit Einfalls geworden, über den sie sich gar nicht mehr zu
erstaunlichem Scharfsinn und Geschick oder kaprizieren (erheben wagen; — während doch die Individualität sich
/ gerade darin kundgiebt, dafs sie jede ihrer Einzeläüfse-
.'•) Aus dem noch ungedrucktco Buche , E i n s i e d e l k u n s t - rungen sofort wieder b e w ä l t i g t , sie in sich'seiber pola-
Lieder aus der Kiefcrnhaide." riscb eingliedert und auflöst; dafs sie verschiedene Auf-
t)er Eigene. 127;

fassungsseiten kennt, aus dieser Vielheit aber ein volles, und Windgang Bezug zu nehmen und darum weit;\vonV
rundes Bild gestaltet; dafs sie endlich für keinen Fall der Hahn abtreibt, der sie hatte folgen wollen; eine.Stier-' ;
der Zukunft etwas anderes voraussetzt, als sich selbst hilzc, die keine bremsenden Gegenkräfte kennt, ' j m r '
c und das Urteil ihres geläuterten, über den "Zufall der rudern, — rudern, - rüdern! Und wie leicht, wenn
Laune hinausgreifenden Richtgelühls, ein so geführtes Boot die Macht der Wellenkräfte erfahren
» ' hat, wenn sich's einmal fernab verschlagen sieht, wie,
"Wer kennt ihn ferner nicht, den Typus unseres leicht, dafs es sich von da an völlig der ^Richtung begiebt.,
„Freisinns", jene Leute, die ihr lebenlang nach weitern dafs es, um die so wertlos eingesetzte Kraft zu sparen. ~:
Freiheiten und Fortschritten rufen, die aber -in den sich ganz an die Winde verkauft! Les extremes sc touchent.;
seltensten Fällen den Mut finden, auf ihrem Platz ihren
Mann zu stellen und ihre Freiheit in der That zu be- ' Was nützt's, ob ich die Richtung zum Gewässerlauf.',
haupten!? Sie sind von einer hartherzigen,' dabei aber noch so charaktervoll beibehalte, wenn der GcwässerlauB v
völlig unpersönlichen Selbstsucht erfüllt und dieser Un- selber seine Richtung nicht behält. Darum h o r i z o n t l o s ! . v
persönlichkeil halber, so sehr sie sich was auf Wissen-
schaft und Nüchternheit zu gute thun, die'albernsten
Immerhin mufs man sich freuen,'.dafs im Fanatiker ;
. Phantastokraten, die es geben kann. Für die Phrase
e i n e K r a i t g ä r t , •— die oft kolossalisch waltet.';:
eines Fortschritts, über dessen Wert für Menschen sie
nur dafs sie stets den Mangel an Polarisation fühlen läfst! —.!;.
sich überhaupt nie ein Bild gemacht haben, opfern sie ;
. / ' • • - * » - ' * • ; '•. • y ' . ; ^i
vandalisch die ausgesuchtesten Reize der Natur, wie
ihrer eigenen und jeder Seele, die sich ihren Händen Anhänger einer Religion, wenn sie ein Skeptiker i n - 1
vertraut. Sie donnern wider die Verdummung und Ver- die Enge treibt, berufen sich in letzter Linie nicht selten •
knechtschaltung des Geistes, dafs aber ein angebliches auf ihre Innern Erfahrungen und Erlebnisse", über die zu y
R a d . d e r Zeit mit blödsinniger Tyrannie diesen Geist urteilen einem Fremden Unmöglichkeit sei. "Mir ist das
forlreifse oder zermalme, finden sie ganz plausibel und sympathisch, ich möchte die eigenen Seelenblicke anderer,
bangen dem armen Rad noch allenmöglichen bombastischen nicht angetastet wissen, — w o f e r n n u r s i e e i g e n e " ,
Kram an die Speichen, den es- ebenfalls mitfortreifsen sind u n d n i c h t a u f g e i m p f t e : die Erfahrungen -
mufs. — — Diese Rad-Theorie giebt sie übrigens in Buddhas oder Moses oder Christi oder der Apostel 1 A b e r y ,
-engster Konsequenz jenen Mechanisten zu Nachbarn, die das ist gar zu häufig. — Es ist eben ein Uneigener auch: y
die Gegenwartsarbeit überhaupt aufgegeben haben und nicht imstande, ganz eigen zu ergeben! .'--;
alle Besserung den .Verhältnissen" überlassen. — Man Ich bin dabei der letzte, der leugnen möchte, dafs."
sieht, wie über die freisinnige Phrase weg der Pseudo- es Zugehörige vieler Religionsformen geben mag, deren
Eigene dem Vertilger aller Eigenheit und Persönlichkeit Auffassung tiefer geht oder-ging als die meinige,—' :.
die Hände reicht! " ( '-. natürlich auch solche Skeptiker und Atheisten. Denn .
das formale Credo schliesst Tiefe weder ein noch aus. y
» . . - ' . ' . •

— sie ist persönlicher Natur. Man kann soviel — und .


... .Immer sagt ihr: Die Zeit wird es besorgen, sie er-
soviel Zartes — ins mannigfachste Korn meifseln. dafs-,
zeugt von selber die Fäuste, die sie nötig hat, ihr die
es Ueberhebung wäre, aus wenn selbst besserer Struktur.,
Pforten zu brechen. Wenn ihr dann aber einer der Fäuste
des Gesteins einen Mehrwert des Bildes zu folgern," d a s , - .
gegenübersteht, die die Zeit erzeugt und mit ihrer Weg-,
drein geformt ist. •- • ' ' ' ;• •..,.~-yy':•"'
bereitung, etwas anders als euch genehm, beauftragt
hat. so nennt ihr's einen Vorgriff, • eine Ideologie und Hassenswert aber ist mir der brutale Anspruch,.den .
thut was euch nur möglich ist, den Störefried im Gang ein Bekenntnis auf meine Zugehörigkeit erhebt und es : ,•
der Verhältnisse tot zu hauen und zu würgen. zeichnet viele solcher „Bekenner", dafs sie mir sogar•:>..'
beim Guten, das ich (ihren Begriffen nach) vollbringe.. ..'
* « *
nicht verzeihen können, dafs ich's aus Instinkt und nicht .-'
' • • • . ' • ; , "

Es ist die geringste Kunst von allen, radikal zu sein. aus Gehorsam thue. Sie wollen eben partout nichts y
Man sucht wunder wie viel Konsequenz dahinter und selber sein und selber verantworten müssen! / \ . ..
Mut und Ueberzeugungslreue, s* ist aber besser besehen
ein Geständnis tiefer Schwäche. Mut mag dabei eine * , • . : • ' • . • - • ' ; • ' • " ; ' • " • . - • ' • : ! '

Rolle spielen, doch mehr keck verachtender Entschlufs, Den Prinzipiellen. . \ " -y x ' 1 ' ^
sicher aber mehr Kraft und Weitblick gehört dazu, sich Ihr deduziert aus der T h e o r i e v ~ v . ' .•..;.
in feiner Schwebe zwischen den Ansprüchen der Doktrinen Des Daseins Rolle,' und iafst sie nie;" \ > /
zu erhalten, — anstatt sich gleiten zu lassen, dumpf, Als die Gerechten, die Reinen ".. '._'•:' •.'••,;
der Schwerkraft des einmal gefafsten Prinzips folgend. Wollt ihr nur immer scheinen. .•;.'' •;
Ich nenne das die Konsequenz der Unpersönlichkeit, da Doch hübet ihr keinen Felsen vom Pfade, .'.-..
sie sich ohne Urteil der Richtung in die Schleppe giebt, Hetztet keinen Lindwurm aus seinem Bade! - •
eine horizontlose Politik, die im Fieber des Geradaus- Eure Weisheit ist: Schritt für Schritt,
rasens übersieht, auf die eigene Technik, auf Wellenlauf Darum kommt ihr nicht mit!

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^ $$mM.
28; Der Eigene.

.:•• Ihr predigt uns, auf den W e g zu achten, - Du trägst selbergeborne, himmelumspannende Ge-
..''.'. .Wollt uns mit guter Lehre befrachten, danken in dir? Gut — welches, Fach? Hier ist ein
.i: ''••. Dafs wir die Kleider fein bürsten und putzen,. - philosophisches Organ, hier ein astronomisches, hier ein
;•••• Und uns nicht beschmutzen... :- physikalisches, ein historisches . Aber schau nur!
;
T";';." . . . Nein! keck durch die Wildnis, ihr wilden Reiter! das ist ja gar keine reguläre Behandlungsweise, sind
< . Weiter! Weiter!!. . . ganz unwissenschaftliche Determinationen, deren du
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dich bedienst, ich bitte dich! — und.das reine Ge-
* • ' •<:••

• W e r der Welt eine t o t a l neue K u n s t o d e r mengsei überdies . ... Philosophie, Geschichte, Aesthetik,
P h i l o s o p h i e zu bringen behauptet, mufs herzlich wenig' Religionswissenschaft - alles bunt durcheinander! Nein,
von sich halten — weniger, als er verdient! Denn Freund! Da wende dich nur. gefälligst' an unsere
gottlob hat neben dem Nur-lch jeder' auch noch ein Gartenlauben! . . . ^, '• • >v-
Stückchen Allweltgeist in sich! Und mag er's als we- >. . . Gut. — - Herein! — Ihr Aufsatz, ah so!..v
senlose Füllung, als Ballast betrachten: genug, er hat's, Ja, Verehrtester, wir bedauern aufrichtig, — aber wir'
— und darf froh sein, dafs er's hat! "V. . müssen doch gemeinverständlich bleiben! Sie müfs-
• !
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' • - : • ' : • '••"": . - - . - . ' *
ten. entschieden erst populärer werden in Stil und
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'. Ich kann- überhaupt im Persönlichen jene Spitze Gedankengang! — Und so weiter. *-- Pfui.Teufelü
gegen das Gemeinsame nicht erblicken, das so manche
Individualisten hineinlegen. W i r sind alle Exzerpte aus Wozu sucht ihr überhaupt, wenn ihr doch nur die;
dem gleichen grofsen Buch der Natur; aber freilich dies alten Komposthülsen entdecken wollt, aus denen längs^
v; ;
Buch enthält seine Parodoxieen. — Der eine ist ein kein vernünftiger Tropfen mehr zu pressen ist? _ Abec ' ; S.^-s|
Zitat von Geist, eine pointierte These oder Antithese; es ist so bequem,' so mutterbehaglich, .sich zu beschrän- s&?
viele sind, trockene Beweisstellen, . viele auch beredte ken"! Wozu nochmals denken, nochmals Gehirne
V:*«
Hymnen. Noch mehrere, — die meisten wohl, sind anstrengen, wo alles schon so wasserklar vorgedacht
überhaupt nur Worte, Ziffern, Buchstaben, aus denen ist? Sich einordnen! sich unterordnen! sich be-
erst beim Zusammenlesen ein Satz entsteht. Etliche scheiden! — — — •;..;'V.
aber sind auch Resümees, — Kapitelresümees; ja ich
M
möchte vom einen und andern meinen, es lasse sich in - . „In der B e s c h r ä n k u n g der M e i s t e r " ! ? O Weis-
-'• der .Fülle und Prägnanz seiner Natur der Inhalt ganzer heit, taubenredende Weisheit! — Von der Beschränkung,-,
B ä n d e jener kosmischen Encyklopädie zusammen. — die Adler üben, könnet ihr ja nichts. ahnen. Worauf
Aber Sinn' gewinnen sie alle nur im Zusammenhang nur wollt ihr. euch beschränken, da. doch nichts vorhari-.-.
dieses Werkes, und der Gröfste wie der Eigenartigste den; — nichts was euer, was neu, was zu beschränken ;
— was können sie thun, als Weitläufiges konzentrieren, w ä r e ! ? • : • . • • '• - ..".•:.•- _.''••' y
'j ^ •']:•.•,

' Disharmonisches in sich zum Stil bringen, Schwankung • -• \ , ' .*.,' ' . / : - ; :"•.•'-.•; ••'.:• v \ . - ; ; f i ' - T j

durch Gegenschwankung ausgleichen? Das Neue a u c h Die Beschränkung auf s i c h , im t i e f s t e n S i n n e , -


, in i h n e n ist also nur d i e A r t d e r B i n d u n g !
,A.'-!v-- : '' -• ' -/ ' - ' • * * * •'."' '•'.;'•
— nämlich aufsein Bestes, auf den Extrakt seiner selbst; !
in dem man, unabhängig, doch die Keime unzähliger -
' • - > , , P o p u l a r i t ä t — p f u i ! . . . Pfui wenigstens, wenn Eigenarten vereinigt, — das ist's ja eben, wessen eure
m
•sie so fade verslanden wird, wie jene Flachköpfe sie .Popularität" genau wie eure Fachwissenschaftlichkeil >
.' verstehen, für die es nur M i n i m a l g r e n z e n giebt und "so vollständig ermangelt! ' -....., ' 'v v : r - •- IJS:

/ • d i e ' an ihr Gehirn so ungern Ansprüche stellen. Jene £


'''•' Vielzuvielen, zu denen stets der Denker herabsteigen / Die Natur (im kritischen. Sinne) ist nicht p o p u l ä r ^ ;;. ^
soll, wie der Hausirer vom Mefswagen. '•'_,, — sowenig jene populären Gesellen Natur sind! WQ : /in^ ^t!'.v;
:•' •.-.;! Leider trägt und ernährt unser liebes Vaterland in einem Wesen Natur wohnt, da redet es seine e i g e n e ' '?
;-' seinem Intelligenzenbeele beinahe nur F a c h s i m p e l . — Sprache, die nie und nirgends die abgeplattete des Pöbel-.. • c :*

/;Diesen guten Leutchen mufs man in i h r e m Fachwissen- niveaus ist. Nur kongeniale Seelen vermögen darum- ,-^..«
;\ schaftlich, hochwissenschaftlich, d. h. unter Benutzung auch die Phantasiegebilde der Natur recht zu würdigentfp&'i
, all jener offiziellen, korrekt-technischen Benamsungen die andern finden sich alle mit ihr ab, gleichgültig,"
schreiben, die ihren Stolz bilden, und von denen der weil sie eben müssen. Aber leider haben sie auch feinere- .. ••;:•
Laie schon ganz alleine wegbleibt; in allem andern aber, Köpfe mit ihrem Irrtum beschlagnähmt, dafs sie sich
wo s i e Laien sind, da verlangen sie P o p u l a r i t ä t . Gewalt anthun, ihre Worte zu banalisieren! — Warum >£;;'•
Erster Grundsatz: Sage nie in einer Zeile, was du auf nur darf der Mensch partout nicht aus s i c h heraus.; \ .;
zwei Seiten sagen kannst! Zweiter Grundsatz: Bedenke wachsen und werden, wie die Blume', deren reichster \ .
(> J immer die Minimalgrenze des Cap&! Ein phantasie-
Bau am tiefsten entzückt, warum nur immer jene mora-
- volleres Wortgebilde, ein gedrängterer Gedankensteg lische Zurechtstutzung, die uns vorschreibt a l l e n ver-;iv-
und du kannst mit deiner Weisheit nachtwandeln ständlich zu werden, um Geltung zu gewinnen? — E s '
; ist das ein Triumph der simpeln Unpersönlichkeit, eine . •
gehen! — . • -
Der Eigene 29.

unbewufste Krönung der Massenansprüche im Menschen- angstvolle Zähigkeit und das faule, behäbige Gewicht
charakter! •••..''. ":. • ' eurer Menge! • ' •. •• '-.;-• •'• •'• '••'•":••".'•'•'•/ ;ÄV;'

Freilich ist die Natur des Menschen eine soziale. . . . 0 ihr Holzwürmeligen und Holdseligmäuligen, ihr
Aber wir tragen dies Moment des Sozialen in uns, auch Tiktak-Köpfe und Bettmummeier; ihr hundertmal ^vor-
ohne den Gassenhauerion zu imitieren, und viel besser sichtigen Gitter- und Staffeln- und. Geländermenschen!
ohne ihn! Auch wir bilden uns mit andern und durch Die ihr euch mit Packnadeln in Ledertuch näht, um
andere; aber durch solche, in denen sich das Menschen- euch vor der Nässe zu schützen; die ihr zwanzig. Er-
tum zu Gipfeln erhöhte, in deren Charakter ihr alle und stickungstode riskiert, um euch vor dem einen.Tod-im
.euresgleichen längst mit einbegriffen seid! Gesammelt,
gereift und tausendfach verschwisterf könntet ihr euch
in uns wiederfinden, könntet euch emporranken und
Wetterstrahl zu bewahren! Die ihr nicht genug habt
an den Versicherungsanstalten der Erde, sondern auch'
eine Versicherung für den Himmel braucht, weil euer '-;'••£
m
Natur gewinnen,- so ihr euch nur erst zur bescheidenen erloschener Stolz nicht hinreicht, ihn einem ungerechten '•'•{*.
Einsicht eurer Rolle erheben wolltet! Aber weil ihr Gotte ins Gesicht zu schleudern und ihm zusagen: du y,
Viele seid, glaubt ihr die Menschheit zu sein und mufst sterben, denn du bist ein Frevler 1 Die ihr so oft'.y;
weil'wir eurer Beschränktheit nicht nützen können, bedenkt, was wohl kommen werde, dafs es dreifsigmal vor- *'•.".
gelten wir euch überhauptfürunnützlichinder Gesellschaft! über ist, eh euch eine Faser davon den Gaumen kitzelte;;, \j? •
• - > . . ' . :
die ihr soviel Aber und Besorgnisse habt, dafs sich .-^f]
. . . E s giebt eine Menschheit, die besteht aus aus euren Besorgnissen ein Haus zimmern liefse* breit
zweien und dreien; und es giebt eine Welt, die besteht und kuppelhoch und behagüch, — wenn nur Besorg-, •:.*v
aus e i n e m nur. wenn's not thut! Sie bildet die Appe- nisse Quader wären, so wie sie stinkende Sauertöpfe sind! ~^ ;
lationsinstanz von jedem Gerichte weg, das eure ge- — Ihr kratzt und kratzt, um den Schmutz zu entfernen, L <V
mästete Einbildung über uns verhängt. Fass* ich doch und hernach habt ihr m i t dem Dreck das Silber weg- ;;••%
euch alle in dieser Welt meines Ichs zusammen, und geschahen! Um nur jakeine Sünde zu begehen, habt ihr ; '
lasse euch auf den.Fingerspitzen balancieren! Wie" oft auch noch niemalen eine That der Tüchtigkeit begangen!. .*"
"habe ich so gesiegt, wenn ihr euch höhnisch Ueberwinder . . . J a wirklich, ich hebe euch, ihr seid meine Freunde!
glaubtet! — Ein kläglich-lustiges Bild, diese Triumpha- denn in euch habe ich doch jemanden, der meinem ~ .;•-.
torenmienen im Urteilsspruche, des Alls, das ich in mir Stolze wohlthut, weil ich euch so Techt, recht . '
trage! Ist's doch kerne K r a f t , durch die ihr euch be- von Herzen v e r a c h t e n kann!! . . ,•- '•>. •','. . >*,
hauptet, sondern im Gegenteil eure U n k r a f t ; eure Saxnot, ."•.f!.'";.•;".'••

r^o) Zur Wandlung im Anarchismus, d ^


..Eine Wandlung im Anarchismus" nennt der Ver- jenen .Christos* und im Aufruf des .Bundes der Geistes-
fasser, des tiefgedachten Artikels in Nr. 3 jene Wendung, religion* repräsentierte, n u n ihrer vollen Grösse
die ich mit einem Gesinnungsfreunde im .Sozialist* der nach in kurzen Strichen klar zu machen suchen. E s
Weltanschauung des Anarchismus zu geben unternahm scheint mir dies tun so nötiger, als, bei der s.ehr origi-
!T- und in deren Richtung sich auch ein anderer, Inhalt- nellen Fassung, in welcher dies Problem aufser in den -
reicher (leider nur. etwas zu "akademisch stilisierter') Publikationen des .Sozialist" auch in den genannten
Artikel des Sozialist: .Die Streitfrage des Anarchismus* Artikeln des Eigenen*) an uns herantritt! doch! den
von H. St. bewegte*). Ich fasse nun diese Wandlung betreffenden Denkern die ganze, ungeheure Bedeutung
nicht blos als eine Wandlung im Anarchismus auf, der Wandlung noch nicht vollkommen ,scharf ins Auge
sondern als eine Wandlung in der Weltanschauung zu fallen scheint, die das Selbstbewufstsein hier in der
v
der Menschheit., wie sie r a d i k a l e r und tief- Geschichte durchmacht. .. .,"•' . , ; .;,;:...,.. ;; g ; ^ , £
gehender noch 3iie eingetreten ist in der Ge- Es hat bisher Anhänger der Allanschauung gegeben,
schichte. Ein Einziger hat diese Weltanschauung in ich möchte sie U n i v e r s a l i s t e n nennen; aber alle diese
genialer Intuition anticipierl, vor tausendneunhundert (wie die Anhänger der beiden grofsen Religionen Indiens,
Jahren, ohne aber noch zu vermögen, dies Licht der die Mystiker des Mittelalters, die deutschen idealistischen
Welt im lebendigen Selbstbewufstsein der Menschen zu Philosophen) versenkten die Individualität ganz.in den
entzünden. — Ozean der Allheit. E s hat ferner Individualisten verf
' •';- Ich will jene .Wandlung", die ich schon seit dem schiedener Sorte gegeben, aber sie waren P l u r a l i s t e n ,
Beginn dieses Jahrzehnts in meinen Schriften über eben einerlei ob sie ihr Ich als naturalistischen Atomkomplex

*) Auch „ S a x n o t * übrigens (vgl. seine Eigenen-Worte in Nr. 1 *) Ich möchte das markige kleine Gedicht .Ich*, in welchem
dieser Zeitschrift, aus denen ich einen schönen Satz im Sozialist zu das eigene Ich mit dem göttlichen Ich für Eins erklärt wird, auch
zitieren Gelegenheit hatte) rudert in dieser Strömung. noch hierher zählen. '.'• .' •'."'.'"'/

.'- r.
30. Üer Eigene.

oder als spirituaüstisches Seelending deuteten; sie waren formen des weifsen Lichtes, welche, jede gleich allgegen-
Egoisten im beschränkten Sinne des Wortes, sobald sie wärtig, den ganzen Raum durchfluten, nicht Teile des -
ihre Lehre konsequent fafsten, gleichgiltig, ob sie ihr Ganzen, sondern Funktionen des Ganzen. •' . . • '. ,''•_•:.. . v
Wohlsein auf Erden, oder ihrer Seele Seligkeil erstrebten! Ich übergebe hier die aufserordentlichen Konsequen-
Es war gewifs ein ganz kolossaler Schritt, als S t i r n e r zen, mittelst welcher diese Anschauung die P h i l o s o p h i e , " . ; ' ,
und später N i e t z s c h e das Dunkel unbestimmter Allge- das N a t u r e r k e n n e n , die K u n s t unaufhaltsam umwäl-
meinheil, das uferlose Nebelmecr jener indisch - germa- zen mufs, eine neue Welt des Erkennens und Schaffens
nischen Allanschauunp verliefsen. um im lebendigen Ich von ungeahnter Herrlichkeit entfallend. Ich'betone hier
den festen Ankergrund und M i t t e l p u n k t d e r W e l t nur.nochmals die auch von K a r l H e r m a n hervorge-
zu finden, und in seiner erwachenden Souverainitäl die hobene elementare Einwirkung solcher Neugestaltung
Morgenröte eines neuen Weltalters begrüfsten. Aber, so der Weltanschauung auf das Lebend Der ganze Jammer 'J
.möchte ich unseren Mitkämpfern zurufen, läuschen wir des theologischen und materialistischen Kreaturen- und ."
uns nicht darüber, bringen wir es uns recht klar zum Dreck-Bewufstseins mufs sich vor der ungeahnten, ein-
Bewufstsein: das, was wir beginnen, ist ein noch unge- zigen Majestät dieses Gott-Bewufstseins auflösen, mit-
heuer gröfserer Schrittl _•";' samt seiner Welt. —Wenn die Lehre von der Souverä-
Denn diesen Gedanken hat vor Uns niemand'zu nität des Individuums als Allheitträgers A n a r c h i s m u s
denken auch nur gewagt: dafs die lebendige Ichheit i n heifst, so ist also der Anarchismus die einzige Weltan-
aller Realität, in aller Wirklichkeit, a l s di-ese I n d i v i - schauung, die unsere Gedanken verwirklicht. —
d u a l i t ä t e b e n Allheit und Unendlichkeit in sich selbst Welche Taktik entspricht nun einzig dem Kampfe ••-.
ist, — niemand, aufser jenem Einen, dessen Geheimnis für diese Weltanschauung? Ist es notwendig, ja ist es
wir heute offenbaren im Lichte des Erkennens. Es k o n n te möglich mit schonender und versöhnlicher Halbheit
diesen Gedanken niemand lassen, weil er sich sonst vor Kompromisse mit den bestehenden Anschauungen und
den für ihn ganz unlösbaren Widerspruch einer Vielheit deren Lebensgrundsätzen einzugehen? Ist es möglich
von Unendlichkeilen' oder Allheiten gestellt sah. Es als a c h t e n s w e r t das hinzustellen-und zart rücksichts-
mochte der Inder, der christliche oder auch mohame- voll gelten zu lassen im Hinblick auf „genetische Ent-
danische Mystiker, der deutsch-idealistische Philosoph wicklung", was als objektiv lalsch, als subjektiv unwahr-
sein Ich eins wissen mit dem Urwesen der Wesen,,dem haflig und innerlich verlogen, was in praktischer Hinsicht
Kosmos, aber bei dieser Einheit war das Ich verschwun- als grundsätzlich entwürdigend und niederträchtig er-. "
den.'verneint, aufgelöst und zerstoben im Urmeere der scheint? Es ist merkwürdig, dafs gerade mir, der "ich .
Allheit — jn' dem Mafse, als diese Einheit sich für in theoretischer Hinsicht das Studium des Gesetzes der .
das Bewufstsein verwirklichte. Aller sogenannte P a n - Geistentwicklung zu meiner Aufgabe gemacht habe*),
t h e i s m u s der Vergangenheit trägt solchen Charakter. der Vorwurf entgegentritt, auf die genetische Anknüpf-
. Darin stimmen also diese Üniversalisten mit den „Plura- ung und die Entwicklungsidee in der praktischen
listen* jeder Sorte, darin stimmt die ganze Weltan- Anwendung keine Rücksicht zu nehmen.
schauung der Vergangenheit mit allen ihren Religionen Ich denke der Verfasser jenes Artikels thut sich
und Philosophieen überein, dafs für sie die menschliche selber tief Unrecht, wenn er die Sonnenhöhe seiner An-
Individualität auch ihrer geistigen Seite nach ein endliches schauung auf „dasselbe Niveau" wie die flache, deislisch- .
Ding oder eine endliche Erscheinung bleibt, der das All rationalistische Wellanschauung eines Herrn v. E g i d y
oder auch die Gottheit als 4as Unendliche in äufserlicher stellt und er t h u t ' L e o T o l s t o y ebenso tief Unrecht,
Beziehung entgegentritt, in schlechthin unüberbrückbarem wenn er ihm den Kultus des „Massenidols" zuschreibt,
Gegensatz, so dafs das Hervortreten des einen als solchen wo doch Leo Tolstoy in seinem „Gottes Reich ist in
das Verschwinden des andern bedeutet. — Hier, bei uns Euch" das Illusorische einer „Liebe zur Menschheit"
zuerst nimmt die Ichheit den Purpurmantel der Allheil, darlegt und ganz in unserem Sinne das Göttliche'im
auf dem alle Sterne flammen und alles Leben blutrot Einzelnen konzentriert. Das Studium der genetischen
. glüht, auf die e i g e n e n Schultern. Hier wird erkannt, Entwicklung aber hat mir gerade gezeigt, dafs diese
wie unkritisch,' wie kindlich gläubig jede Anschauung Entwicklung nicht eine\ geradlinig stetige, sondern' eine
ist, die eine Unendlichkeit, heifse sie nun Gott oder in polaren Gegensätzeni schwingende ist; dafs eine neue
Natur, aufser dem Ich sucht. Hier wird das Ich als Idee bei.der Schwerhörigkeit der Menschen meist nur
Funktion des Kosmos, als lebendige „Ausstrahlung des im Uebergehen in polare Kontraste überhaupt fafsbar
Weltganzen* erkannt, hier wird erkannt, „dafs das und dafs ihr Sieg nur durch rückhaltlose, eherne Konse-/.
Individuum als solches s e l b s t Kosmos ist*, — nicht im quenz möglich wird, in welcher sie wie ein Wellgericht
übertragenen Sinne mehr, als blofse subjektiv-illusorische, über das Bestehende hereinbricht. Ein solches Wellge-
mikrokosmische A b s p i e g e l u n g ! Hier wird zuerst richt jn eminentem Sinne, keinen „feigen Frieden",
erkannt, dafs dieselbe Allheit ir ' .rer T o t a l i t ä t von
zahllosen ureigenen Thätigkeitslormen durchdrungen ist, *) Vgl. die Zeitschrift „Die Religion des Geistes" Jahrg. J u. II
die sich so wenig stören, wie die zahllosen Schwingungs- Leipzig, Janfscn. •

• :
; " ' ! . .

ttdL*\ r-i« , W \ .$5i&


toer Eigene. 31.

sondern .Kampf und Schwert" bringen wir. Auf dem scher". Jenes opportunistisch schwächliche Anschmiegen ..;
Boden der Geschichte allerdings, aber durchaus in polaren voll Halbheit, welches ich gegeifselt habe, hat mit lebens-
Gegensätzen entwickelt sich die Weltanschauung und kräftiger Entwicklung nichts zu schaffen und nichts mit :
gestaltet so, nicht in stillem vegetativem Anwachsen, der Wissenschaft der Entwicklung. Die thtoretisierende,
sondern in harten Kämpfen ihre Welt. Diese Härte, quasiwissenschaftliche Lähmung des souveränen Waltens
die sich nicht dem Bestehenden anschmiegt, sondern es des Selbstbewufstseins, welche auch Nietzsche so treffend
zerbricht, wie das reife Huhn die Eierschale, ist die an den Pranger stellt, ist vielmehr überall ein Symptom
einzige fruchtbringende Kraft der gereiften Idee des halbreaktionärer Impotenz und Erstarrung, :— der der
Selbstbewufstseins. Buddha, der es verstand, einer Verfasser jenes Aufsatzes gewifs ferne steht. • ' •".'.'." .. ~
Idee Bahn zu brechen, sagt daher mit Recht: „Weiche E u g e n Heinrich Schmitt.' . ;
nicht von deiner Stelle und du wirst zum Wellbeherr-

e^g) .Frühf ot. .@X9


,;,; -./, Sehamlosigkeit. Materie und erinnern sich im Gehirne des Künstlers,'
dass sie nur eine Imagination des Geistes sind, nur das
• -.". -Unsere Schamlosigkeit, ihr heben Spiessbürger, ist Werkzeug des schöpferischen Adels! Und Tier und
unsere Scham — unsere Scham ist unsere Schamlosig- Mensch erheben sich aus dem Scheinleben der Alltags-
keit 1 Wir haben allerdings mit eurem Schreck vor dem regeln zu den Idealgesetzeri der emporstrebenden Natur,-
Fleisch, mit der Furcht vor der Sinnlichkeit, mit dem die in den Messiasherzen alle Dinge in ihren genialen
Feigenblattparagraphen gründlich gebrochen: wir pre- Zusammenhang bringt durch das Medium der.heiligen
digen das Hohelied der schönen Nacktheit I aber wir Leidenschaft, jener Leidenschaft, welche die Flamme
bringen seine Erlösungsstrophen nicht als ein Dogma des Künstlers ist!
für Alle, nicht als ein neues Zelotenlied auf die Strassen, .:•••> ;•••.• ':> \ s : ; \ y ;
wir schlagen keine kategorischen Reklamen an den Etiquett. .'/."-'
Litfafssäulen der Popularität an :r wir behalten unsere Ich will nicht ködern und umgarnen,'._, >.;.;. ••?-••!
• „Verirrungen" und „Untugenden* für uns und ächten Es schäumt mein Born aus jähem Bett:. •>. • •.
eure Vorslellungskreise und eure Mafse, solange sie nicht Ich führ', -die Thorheit gleich zu warnen, . *. .
bekehrungssüchtig und gewaltthätig werden! Wenn eure Den.Totenkopf im Etiquett! • '*.v•-
Zeit gekommen ist, werdet ihr schon von selbst nach Nur Vorsicht! Wie mit Gift und Bränden!! -
den Sönntagshöhen blicken, wo der Künstler das ver- Des Einsamgeistes göttlich Heil, -•
lorene Paradies wiederschuf und der Natur ihre Unschuld Es wird in unberufnen Händen -
/zurjickgab. • .. - ' Das ganz gemeine Gegenteil! •.,«.'.
;•«>. .-.:• •;••'•:••" :*-. u .

Dieselbe Tendenz der Natur führt ihre verschiedenen ' . . - • . • ' * " " ' ' ' ' ' :

Ausdrucksformen oft in Heerlagern gegeneinander; das Die Kunst der Erde]


Intimere ist das Ueberlegene*) und behält Trumpf: Nur im Reich der Träume! Ja. ja: dort lasst ihr
zukunftbüdende'n Trumpf! . . . allenfalls das Schöne hoch gelten, vogelfrei und unver-
\ •- : . '•'• III. zollt im Wolkenneste! Aber „wenn es die Schwingen
Ihr errötet über Staluen und Aktmodelle, über zur Erde lenkt um sein angestammtes Eigentum 7u
die enthüllte Musik der Formen; wir erröten auch, wir fordern, dann bellt ihr alle zusammen, ihr Wächter der
haben es nicht verlernt: aber wir schämen uns an euren Niedrigkeit: die Ordnung ist in Gefahr! Ihr habt auf
Verstecken, an den Winkelzügen eurer rohen Scham, Verabredung die Gemeinheil zur Regentschaft erhoben
eurer unreifen Sinnlichkeit, die sich mit den Schneider- und glaubt an eure Lügen' in Firma; — aber die beschei-
akademien verbindet, um den Teufel zu überkleistern! denen Sänger, deren Verzichtleistung ihr honoriertet,
Wir machen.keine Anleihe bei den Feigenstauden und gehören der Vergangenheit' an I Wir fordern unsere
kategorischen Lobgerbern; — wir beschämen das Fleisch Scholle! Wir kommen aus dem Kukuksheim der Fantasie
;an sich selbst: wir geben ihm seine gebundene Seele, herab auf den Erdgrund und künden eine neue Ordnung.
wir wecken das Blut, wir krönen jene einheitsgrosse Der Schönheit ihr Recht, ihr Dasein, ihre Politikü
Stimmung, in der nichts am Leibe der Erde unheilig Wir haben lang genug zu Gunsten der Keinen und
ist; in der aller Stoff nur seiner Form dient und alle Kleinen verzichtet; nun pocht die Zeit an die allen Be-,
Atome nur aus der Seele stammen, die die Seele der dürfnislosigkeitsgehege, auf die Strassen der Genügsam-
Wahrheit und Schönheit ist. Stein und Pflanze stehen keit tritt sie und die Entbehrung scheucht sie auf:
in dieser Stimmung auf, geweckt vom Winterschlafe der Werdet heimisch hier*rhit eurer Seele ihr Wollenden,
') Womit natürlich in unrerem Recht das auf Alle zurück- ganz und unberaubt ! ! • " ' " *
strahlende Vorrecht als ein sozialer Faktor für Alle gekennzeichnet ist. Heinrich Vormann,

l: ' •, '• ;>'• .'-/''""i' .''HV'"-' '


iA:
32. Üer Eigene.

§»9s- Vermerke. ^g?s^§


Die . N e u e f r e i e V o l k s b ü h n e " in Berlin, deren für di3 „Weber" wird dann nicht orhoben. Die Adresse des
Theatervorstellungen seinerzeit bekanntlich trotz Voreins-. Kassierers ist: Eduard Möller, Berl|n NO., Landwohrstr. 30.
Organisation die polizeiliche Zensur zudiktiert worden war,
und die alsdann bis zu erfolgter prinzipieller Entscheidung
durch'die Gerichte weitere Aufführungen unterlassen^ hatte, T)ie nächsten J/ummern des €igenen werden u. a.,
ist soeben in eine erneute rege Propaganda eingetreten, um enthalten:
im August wieder die Eeiho ihrer Theaterabende eröffnen zu Weiteres über das anarchistische probtem<
können. Zwar liegt eine definitive gerichtliche Entscheidung jtfeinungen über Bücher (Besprechung lyrischen
noch nicht vor, indes will die Volksbühne, eben um einen novellistischer, philosophischer. und volkswirtscha/t-
solchen Entscheid herbeizuführen, neue Mittel gewinnen und ficher€rscheinungen, moderner Jfunstzeitschrifteh" etcj-'
sich dazu vorläufig der Zensur unterwerfen. Es ist jetzt eine
T)ie bereits angekündigte ßiskussion, über frei~i
straffere Organisation als früher geschaffen, die am 23. August
/and- und Genossenschqftsfrage. -: '-
im „Deutschen Theater" als erstes Stück Hauptmanns „"Weber"
zur Aufführung bringen will. — Vonseiten der Leiter ergeht Skizzen über Jfietzsche.
die lebhafte Bitte an alle Freunde der Volksbühnenidee, dem €ht>as über die Berliner-Jnternat. Kunstaus-
neuork Verein beizutreten und noch woitere Mitglieder anzu- stellung.
werben, da vom Gelingen dieses Versuchs das Schicksal der > Xyrische, epigrammatische und dgf. Beiträge.'
verdienstvollen Bewegung auf lange hinaus abhängen wird. Späterhin soll namentlich das Sexual- und €he-
— Der monatliche Mitgliederbeitrag ist auf 50 Pfg., das problem, sowie die frage der presse zur ßiskussion;
Beitrittsgeld auf ebensoviel festgesetzt. Ein besonderes Entree kommen.- • .-
M ü l b e r g e r , Dr. Arthur, „Zur Kenntnis des Marxismus". Kritische. "•
Eingelaufene Druckschriften. Skizzen. 47 S. M. 1,20 — Stuttgart-Leipzig 1894. G.J. Göschen-r".'."'•'.
Der Herausgeber wird die Tiiel ihm zugegangener Druckschriften sehe Verlagshandlung. - . - , - . . ^ V.,~'
in den meisten Fällen erwähnen, ohne sich jedoch eine Verpflichtung
aufzuerlegen oder ein Urteil damit auszudrücken. — B e s p r e c h u n g e n
erfolgen nur im Sinne s e l b s t ä n d i g e r und u n a b h ä n g i g e r „Kapital und Z i n s " . Die Polemik zwischen Bastiat und Proudhon;
B e i t r ä g e von Seiten hierzu bereiter Mitarbeiter, denen der Heraus- Mit Einleitung und in Uebersetzung herausgegeben von Dr.
Arthur Mülberger. 232 S., M. 3,60. — Jena 1896. Gustav Fischer.
geber' die eingelaufenen Werke jeweilig übermittelt.

Mackay, John Henry, „Der kleine Finger und Anderes in Prosa."


m
134 S. — Berlin l8Qö, S. Fischer. „Die Religion d e s G e i s t e s . " Herausgegeben von Dr. Eugen.
Heinrich Schmitt. III. Jahrgang 1896. H. 1—3. -Jährlich •
Mackau, John Henry, „Albert Sehnell's Untergang.* (Novelle)
167 S„ geh. M. 2,—. geb. M. 3,—. — Berlin, S. Fischer.
6 Hefte, im Abonnement.M. 3,—, einzeln ÖO Pf. — Leipzig,'
Alfred Janssen. , . . . ' , • • ' * *•-.'• m
( ^ © A n z e i g e n , ©x©
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da Studium und litterarische J/tusbeuti Auflage von Meyers Konversations-Lexikon, 17 Frachtbände zu je -10 Mark, sowie jedes
völlig neu beobachteter Chatsachen andere wissenschaftliche oder allgemeinverständliche Werk ohne jeden Aufschlag.
ermöglicht. S t u t t g a r t , Frlcärfcü-Strasse 17. H. O. S p e r l i n g .
Correspondenzen geß. unter „Jffuseum" an
die /{ed. d. £1. zu richten. ^f Ausführliche Prospecte und Kataloge gratis und franko. i\?.-'.
Verantwortlich für .Redaktion u. Verlag: Adolf B r a n d , Wilhelmsbagen-Keurahnsdorf. — Druck: A l b . L e b m a n n , Berlin, Münzstr. 30

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