Das Fundament 1/2007

Verirrte Sehnsucht

Rolf Höneisen, Chefredakteur von „factum“

Das Wertvollste für einen Menschen ist eine ehrfurchtsvolle Beziehung zu

Gott. Das Klammern an eigenen Vorstellungen kann uns hindern, diesen
Schatz ganz anzunehmen.

„Der Herr ist erhaben, denn er wohnt in der Höhe. Er hat Zion mit
Recht und Gerechtigkeit erfüllt. Und du wirst sichere Zeiten haben:
Reichtum an Heil, Weisheit und Klugheit; die Furcht des Herrn wird
Zions Schatz sein.“ Jesaja 33, 5 - 6

 Jesajas Worte reden vom kom-
menden Friedensreich des Messias.
Dieselben Merkmale, die der Heili-
ge Geist dem Messias verleiht (ver-
gleiche Jesaja 11, 2), werden dann
auch sein Volk prägen. Das Wert-
vollste, die eigentliche Grundlage
von Heil, Weisheit und Klugheit,
wird die „Furcht des Herrn” sein.
Sie ist wie ein wertvoller Schatz.
Die Ehrfurcht vor Gott ist aber
nicht erst in Zukunft ein Schatz. Sie
war es schon in der Vergangenheit
und ist auch heute der Schlüssel zu
einem erfüllten Leben. Aus der Ehr-
furcht vor dem Herrn entspringt

6

eine gesunde Gottesbeziehung, und
aus dieser wiederum strömen Weis-
heit, Erkenntnis und Heil.
Christen wissen um den Schatz
einer ehrfurchtsvollen Gottesbezie-
hung. Doch es gibt Ereignisse und
Denkweisen, welche diesen Schatz
zu entwerten versuchen.
Wer eine Schatzkarte besitzt und
deshalb weiß, wo ein Schatz liegt,
der wird ihn suchen. Unvergesslich
für mich bleibt, mit welcher Leiden-
schaft sich unser 11-jähriger Robin
in einem Tiroler Bergtal dem Gold-
waschen widmete. Ein, zwei Stunden
lang die Schüssel schwenken, um den
Goldstaub aus dem Sand zu zentri-
fugieren: Das war für ihn kein Muss,
sondern ein Dürfen. Den gefunde-
nen Schatz hat er anschließend aus-
giebig geprüft, sortiert und versorgt.
Mit viel mehr Energie und Lei-
denschaft sollten sich Menschen mit
dem Schatz des Lebens auseinander-
Verirrte Sehnsucht
setzen! Die Bibel sagt: „In Christus
liegen verborgen alle Schätze der
Weisheit und der Erkenntnis” (Kolos-
ser 2, 3). Ihn zu finden und im Her-
zen zu tragen, ist der größte Schatz,
den ein Mensch finden kann.
Wer ist Gott?
Was wissen wir vom unsichtbaren
Gott? Der Mensch ist darauf ange-
wiesen, dass er sich uns zu erkennen
gibt. Wer ist Gott? „Es ist sichtbar,
dass Gott ist”, schrieb der englische
Prediger Stephen Charnock (1628–
1680). Was ist sichtbar von Gott?
Das neue Großraumflugzeug
Airbus A380 ist 73 Meter lang,
24 Meter hoch, hat fast 80 Meter
Spannweite und wiegt vollbeladen
548 Tonnen, bei einem Leergewicht
von 275 Tonnen. Am 27. April 2005
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Das Fundament 1/2007
nahm dieser Gigant Anlauf, nach
1800 Metern hob er ab – und flog!
Warum konnten sich die Konstruk-
teure sicher sein, dass diese 500 Ton-
nen fliegen können? Die Antwort ist
einfach: Weil die Gesetze der Natur
konstant sind, lassen sie sich zuver-
lässig berechnen.1
Naturkonstanten
Naturkonstanten und physikalische
Gesetze passen perfekt zusammen.
Dadurch, dass wir die Naturgesetze
kennen lernten und präzise formu-
lieren können, lässt sich die Trag-
fähigkeit einer Brücke im Voraus
berechnen, genauso der Energiever-
brauch einer Rakete, die zum Mond
fliegen soll, oder die Schubkraft, die
einen Airbus fliegen lässt.
Werfen wir einen Blick ins Uni-
versum: Was zuerst chaotisch und
lebensfeindlich aussieht – explo-
dierende Sonnen, schwarze Löcher,
die alles in ihrer Nähe verschlingen,
Kollisionen zwischen Himmels-
körpern – das ergibt bei genauem
Hinschauen ein anderes Bild: Un-
ser Kosmos ist maßgeschneidert für
Leben. Wären die Eigenschaften
der Elementarteilchen, aus denen
jede Materie besteht, und wären
8
Stärke und Art der Kräfte im Uni-
versum, etwa die Lichtgeschwindig-
keit, nur ein bisschen anders, als sie
es sind, dann gäbe es keine Sterne,
keine Planeten, kein Leben.
Das Magazin „Bild der Wissen-
schaft” beschrieb, wie die Größen-
verhältnisse der Teilchen innerhalb
eines Atoms und die Kräfte, die sie
zusammenhalten, optimal aufein-
ander abgestimmt sind. Sie sind ge-
nauso stark, dass das Atom stabil ist
und trotzdem mit anderen Atomen
interagieren und chemische Verbin-
dungen bilden kann.
Wären sie nur ein wenig größer
oder kleiner, wären solche Reakti-
onen zu langsam oder die Kerne der
Atome so instabil, dass sie zerfielen
dann gäbe es im Universum keines
jener Elemente, aus denen Sterne
und Planeten zusammengesetzt sind.

„Natur“-Offenbarung
Angesichts solcher Beobachtungen
fragt „Der Spiegel”: „Woher kommt
diese unglaubliche, auf das Leben
zugeschnittene Feinabstimmung?
Kann sie zufällig entstanden sein?”2
Viele Physiker und Kosmologen
schließen den Zufall aus. Für sie
sind die Naturkonstanten Teil ei-
ner bislang unbekannten, logischen
Konstruktion. Wer dieser kosmische
Ingenieur ist, der das Universum
gezielt geplant und so entworfen
hat, dass seine Bedingungen für das
menschliche Leben optimal sind,
bleibt für sie offen.
Die Bibel spricht mehrfach davon,
dass die Schöpfung, als allgemein
sichtbare Offenbarung, auf den
Schöpfer verweist. Gott, der Schöp-
fer, kann über die Naturbetrachtung
durch Nachdenken erahnt werden.
• „Alle deine Werke werden dich lo-
ben”, notierte David (vergleiche
Psalm 145, 10).
• Paulus formulierte: „Denn sein (=
Gottes) unsichtbares Wesen, näm-
lich seine ewige Kraft und Gott-
heit, wird seit Erschaffung der Welt
an den Werken durch Nachdenken
wahrgenommen” (Römer 1, 20).
• In Psalm 148 wird die ganze
Schöpfung zum Lob Gottes auf-
Verirrte Sehnsucht
gefordert: „Sie sollen loben den
Namen des Herrn, denn er gebot,
und sie wurden erschaffen, und er
verlieh ihnen Bestand auf immer
und ewig; er gab ein Gesetz, das
nicht überschritten wird.”
• „Knüpfst du die Bande des Sieben-
gestirns, oder kannst du die Fesseln
des Orion lösen?”, fragte Gott
den Hiob prüfend (Hiob 38, 31).
Natürlich konnte Hiob das
nicht. Genauso kann kein heutiger
Wissenschaftler die Naturgesetze
auch nur für eine Tausendstelse-
kunde außer Kraft setzen. Wir
können sie nicht einmal umgehen.
Sie geben uns viele Möglichkeiten,
setzen uns aber auch Grenzen.
Naturkonstanten sind das Ergeb-
nis der Schöpfungsaktion Gottes
und ständig und überall wirksam.
Dank ihrer Konstanz lassen sie sich
berechnen.
Ganz anders der Schöpfer-Gott
selbst: Er lässt sich nicht berechnen.
• „Seine Größe ist unerforschlich”
(Psalm 145, 3 b).
• „Kannst du die Tiefe Gottes errei-
chen oder das Wesen des Allmächti-
gen ergründen? Himmelhoch sind sie
... tiefer als die Unterwelt ... länger
als die Erde ist ihr Maß und breiter
als das Meer” (Hiob 11, 7 - 9).
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Das Fundament 1/2007
Gottes Größe übersteigt jede Be-
rechenbarkeit, Messbarkeit oder
menschliche Vorstellungskraft. Gott
ist selbstexistent (2. Mose 3, 14). Er
empfing seine Existenz nicht von au-
ßen. Er ist der Ursprung allen Lebens,
der Schöpfer aller Dinge (1. Mose
1, 1), dabei ist er selbst ohne Anfang
und ohne Ende (Psalm 90, 1 - 4).
Gott ist der Ewige und mit nie-
mandem zu vergleichen: „Wer ist dir
gleich unter den Göttern, Herr? Wer ist
wie du, herrlich an Majestät, furchtge-
bietend in Ruhmestaten, Wunder voll-
bringend?” (2. Mose 15, 11).
Staatspräsidenten, Sportgrö-
ßen und Schauspielstars verlieren
vor Gott ihre Größe: „Er stürzt die
Mächtigen und nimmt den obersten
Richtern die Gewalt” (Jesaja 40, 23).
Supermächte verlieren ihre Macht:
Fülle
10
„Vor ihm sind alle Völker wie ein
Nichts; ihre Macht hat für ihn kein
Gewicht” (Jesaja 40, 17).
William MacDonald schrieb:
„Gott schuldet keinem Menschen
etwas noch kann ein Mensch ir-
gendetwas für Gott tun, das den
Allmächtigen zu seinem Schuldner
werden ließe. Wenn Gott irgendet-
was für seine Geschöpfe tut, dann
geschieht das aus reiner Gnade.”
Gott trägt alles durch seine
Macht, ist aber selbst unabhängig
von allem. Er gibt allen in Fülle,
aber niemand kann ihm etwas hin-
zufügen oder schenken (Apostelge-
schichte 17, 25).
„Wie unerschöpflich ist Gottes
Reichtum! Wie tief ist seine Weisheit,
wie unermesslich sein Wissen! Wie
unergründlich sind seine Entschei-

dungen, wie unerforschlich seine
Wege! Hat jemals ein Mensch die
Gedanken des Herrn ergründet? Ist
je einer sein Berater gewesen? Wer
hat Gott jemals etwas gegeben, so dass
Gott es ihm zurückerstatten müsste?
Gott ist es, von dem alles kommt,
durch den alles besteht und in dem
alles sein Ziel hat. Ihm gebührt die
Ehre für immer und ewig” (Römer
11, 33 bis 36, NGÜ).
Der große Gott der Liebe
Gott ist transzendent; erhaben über
Raum und Zeit existiert er unab-
hängig von seiner Schöpfung. Gott
ist der unumschränkte Herrscher
des Universums. Niemand hat das
Recht, seine Motive und Hand-
lungen in Frage zu stellen. „Nach
seinem Willen tut er mit dem Heere
des Himmels und mit den Bewohnern
der Erde; und da ist niemand, der sei-
ner Hand wehren und zu ihm sagen
könnte: Was tust du?” (Daniel 4, 32).
Er ist der heilige Herr. Sünde kann
er weder gutheißen noch unbestraft
lassen, da „keine Finsternis in ihm
ist” (vergleiche 1. Johannes 1, 5).
Gott ist gut zu allen, „und seine
Erbarmungen sind über alle seine
Werke” (Psalm 145, 9). Und das,
Verirrte Sehnsucht
was einem über die Größe Gottes
staunenden Menschen vollends die
Sprache verschlägt, ist die Tatsa-
che, dass der Schöpfer-Gott derart
barmherzig ist, dass er zu einem
bestimmten Zeitpunkt seinen ein-
zigen Sohn zur Erde schickte, um
den Menschen die Chance zur Um-
kehr und zur Erlösung anzubieten.
Gottes Liebe entspricht in ihrer
Intensität seiner Macht und seinem
Zorn: Sie ist unendlich (Epheser
3, 18 - 19) wie er selbst (1. Könige
8, 27). Sie ist grenzenlos, ohne Brei-
te, Tiefen- und Höhenbeschrän-
kung. Seine Liebe ist so stark, dass
sie keine Kosten scheut.
Die Strafe für die menschliche
Arroganz trug Jesus Christus, der
anstelle der sündigen Menschen
litt, blutete und starb. Der Mensch
kann das stellvertretende Opfer
Jesu für sich in Anspruch nehmen,
indem er bekennt, schuldig zu sein,
Vergebung nötig zu haben, indem
er umkehrt und mit dankbarem
Herzen mit Gott zu leben beginnt.
Gottes Liebe ist unparteiisch,
selbstlos und nachhaltig.
„Wer wird uns scheiden von der
Liebe Christi? Drangsal oder Ver-
folgung oder Hungersnot oder Blöße
oder Gefahr oder Schwert? ... Denn
ich bin überzeugt, dass weder Tod
noch Leben, weder Engel noch Fürs-
11
Das Fundament 1/2007
tentümer, weder Gegenwärtiges noch
Zukünftiges noch Gewalten, weder
Höhe noch Tiefe noch irgendein an-
deres Geschöpf uns zu scheiden ver-
mögen von der Liebe Gottes, die in
Jesus Christus ist, unserem Herrn”
(Römer 8, 35 - 39, NGÜ).
Gibt es einen vergleichbaren
Gott? Nein, es gibt nur einen Schöp-
fer von Himmel und Erde. Es ist der
Dreieine, der Souveräne, der All-
mächtige. Er ist wunderbar und ver-
dient unsere Anbetung für das, was
er ist und für uns tut. Ehrfurcht vor
ihm zu haben, ist ein großer Schatz.
Gott vertrauen
Wie steht es um unsere persön-
liche Gottesbeziehung? Ein kleiner
Test hilft klären: Schreiben Sie die
Namen Ihrer fünf besten Freunde
und Freundinnen auf einen Zettel
– steht der Name Jesus auch drauf?
Das feste Vertrauen in Gott in ei-
ner von ihm abgekehrten Welt fällt
nicht leicht. Viele Menschen finden
den Weg zu Gott nicht. Zu groß
sind ihre intellektuellen oder emoti-
onalen Hindernisse. Sie stören sich
an den herrschenden Ungerechtig-
keiten unter Menschen oder an der
Frage des Leides.
12
Andere Menschen wiederum er-
kennen etwas von Gott. Sie ahnen,
dass ihre Sehnsüchte bei Gott gestillt
werden, und sie stellen ihr Leben für
einige Zeit Jesus zur Verfügung. Aber
irgendwann stolpern sie über ein Er-
eignis, das sie mit ihrer Vorstellung
von der Güte Gottes nicht in Ein-
klang bringen können – und sie lösen
sich innerlich von Gott. Sie verlieren
den Schatz der Ehrfurcht Gottes,
und in der Folge schlagen sie den al-
ten Weg der Gottlosigkeit wieder ein.
Frustrierter Glaube
Einer der Hauptgründe für einen
frustrierten Glauben liegt in der
menschlichen Vorstellung, wie sich
ein guter Gott gegenüber uns ver-
halten muss.
Worauf basiert unsere Beziehung
zu Gott? Oft ist es nicht mehr als
ein Katalog an Forderungen. Diese
reichen von einem freien Parkplatz
über genügend Spenden für den Bau
des Gemeindehauses bis hin zum
Wunsch, dass doch unsere Kinder
gut geraten ...! Das sind legitime
Wünsche, um die wir auf jeden Fall
bitten dürfen. Nur – wie reagieren
wir, wenn Gott unsere Wünsche
nicht erfüllt?

Da ist ein Mann, der Gott schon
seit Jahren anfleht, ihm zu helfen,
damit der Wunsch nach einem ge-
heiligten Leben stärker wird als sein
Verlangen nach Pornografie. Bis
heute ist nichts geschehen. Jeden
Tag kämpft er mit der Versuchung,
und die Niederlagen sind nicht
mehr zu zählen.
Da ist eine Frau, 37 und Sing-
le. Sie hat eine gute Stelle, arbeitet
aktiv in ihrer Gemeinde mit, hat
immer etwas vor. Doch wenn sie
einen romantischen Film sieht,
dann kommen ihr die Tränen. Tief
in ihrem Herzen trägt sie einen un-
erfüllten Wunsch. Warum hat ihr
Gott keinen Mann geschenkt? Und
warum hilft er ihr denn nicht, in
Christus mehr Erfüllung als in ih-
ren Wünschen zu finden?
Was, wenn lang gehegte und
durchaus gute Wünsche zerbrechen
und Gott nichts dagegen tut? Sich
auch mit zerbrochenen Träumen
weiter auf Gott zu verlassen, stellt
den Glauben auf eine harte Probe.
Verirrte Sehnsucht
Wer ist der Mensch?
Um den Schlüssel zur Wahrheit zu
finden, müssen wir uns sowohl mit
dem Wesen Gottes als auch mit
dem Wesen des Menschen befassen.
Wir haben bereits einige Texte über
die Allmacht des Schöpfer-Gottes
gelesen, etwa dass er unerforschlich
ist, aber er unser Universum und
das Leben ständig trägt und erhält.
Was ist der Mensch, was ist das
Hauptmotiv in unserem Leben?
Müsste die Antwort der allermeisten
hier nicht lauten: „Wir sind dazu da,
das Leben zu genießen.”? Damit liegt
das Problem auf dem Tisch. Wir wol-
len nicht Gott als Lebenszentrum,
sondern wir richten uns nach der
selbstzentrierten Vorstellung eines gu-
ten Lebens. Wir hoffen auf ein gutes
Leben, anstatt dass wir unser Leben
ganz auf die Gnade Gottes stellen.
Der Schluss liegt nahe: Solange
wir der Meinung sind, etwas anderes
als Gott könne uns mehr Freude be-
reiten, solange reicht unser Vertrau-
en und Gehorsam in Gott nie weiter,
als es die Pflicht gerade erfordert.
Unsere Gebete bleiben Wunschkon-
zerte und Anspruchssalven an Gott.
Zurück bleiben Verunsicherung und
Leere, dazu die Überforderung, wei-
terhin aus eigener Kraft nach Erfül-
lung suchen zu müssen.
13
Das Fundament 1/2007
Wer bin ich? Habe ich ein Recht
auf ein angenehmes Leben? Darf
mir so etwas wie Hiob nicht passie-
ren? Und falls doch – ist Gott dann
schlecht?
Werden unsere Vorstellungen
eines erfüllten Lebens durchkreuzt,
dringt nach außen, was in uns drin
regiert: In erster Linie reagieren wir
mit Egoismus. Er äußert sich häu-
fig in der Gestalt von Selbstmitleid,
manchmal auch als sturer Wille zum
Überleben, oft führt er auch dazu,
dass wir unseren miesen Seelenzu-
stand verstecken und Gott misstrau-
en. Es ist das alte Denken, das seit
dem Sündenfall den Menschen prägt.
Vergänglich
Gottes Zorn
Nach der biblischen Diagnose ist
jeder Mensch so arrogant und selbst-
süchtig, dass er auf ewig von Gott
14
getrennt bleibt und das Verderben
verdient. Der Zorn Gottes (Römer
1, 18) steht über der Menschheit;
keiner ist vor Gott gerecht (Römer
3, 9 - 18; 23): „Es ist keine Gottes-
furcht vor ihren Augen” (Römer
3, 18). Dieser Mangel bringt die
Menschen um. Sie erkennen die
Furcht Gottes nicht als Lebensschatz.
Auch Christen kämpfen mit
falschen Vorstellungen über das We-
sen Gottes, geprägt vom Zeitgeist,
angepasst an persönliche Erfah-
rungen. Billige Gnade zum Beispiel
keimt dort, wo bereits von Gnade
geredet wird, noch bevor auch nur
irgendeiner jemals vor Gottes Zorn
und Heiligkeit erschrocken wäre.
Viel zu schnell wird das Bild des
zornigen Gottes ausgetauscht gegen
einen väterlichen Gott, der uns ein
paar strenge Maßstäbe gibt. Und
da uns diese Maßstäbe mit der Zeit
zu gesetzlich erscheinen, legen wir
auch sie zur Seite. Übrig bleibt das
Bild eines hilfsbereiten Gottes, der
uns nützliche Lebensprinzipien an-
bietet. Diese wollen wir kennen ler-
nen, um unser Leben erfolgreicher
zu machen.
Unmerklich wird auf diese Weise
das biblische Gottesbild sanft und
in einem fromm scheinenden Kon-
text verändert. Doch am Ende steht
nicht mehr Gott im Mittelpunkt
➤ Fortsetzung auf Seite 33
 Verirrte Sehnsucht

➤ Fortsetzung von Seite 14

unseres Lebens, sondern wir: Es
geht nur noch um uns. Wir wollen
ein gutes Leben, uns wohlfühlen,
gesund und erfolgreich sein. Gott
soll uns dabei helfen.
Das ist egoistisch, „Leben im
Fleisch”, statt im Geist (vergleiche
Römer 7 und 8). Dieser Weg ist
besonders verfänglich, weil wir an
ihm auf den ersten Blick nichts Ver-
kehrtes erkennen können. Allenfalls
gestehen wir ab und an mal „einen
Fehler” ein und nehmen dafür ein
tadelndes Wort entgegen, aber das
war dann auch schon alles.
Ort auf der Welt gefunden werden
kann. Diese Menschen wissen, dass
sie es nicht verdient haben, von Gott
in die Arme genommen zu werden,
und sie merken, dass er es dennoch
tut, jetzt und für alle Zeiten – das ist
die atemberaubende, teure Gnade
Gottes.
Was ist der größte Schatz nach
Jesaja? Die Ehrfurcht vor dem
Herrn und eine entsprechende Be-
ziehung zu ihm. Wie oft halten wir
viel Kleineres für viel wichtiger und
wir verbringen unser Leben damit,
unwichtigen Dingen nachzuren-
nen. Und dann sind wir enttäuscht,
wenn unsere Vorstellungen davon,

Kraft des Evangeliums

Die Botschaft des Evangeliums ent-
faltet seine Kraft nicht bei Heuch-
lern, sondern dort, wo arrogante
Menschen zugeben, dass sie nichts
anderes als das ewige Verderben
verdient haben und sie sich vor
dem heiligen Gott und seinem lei-
denschaftlichen Zorn beugen. Sie
werden die Gnade Gottes in ihrem
ganzen Reichtum entdecken. Sie
werden das Opfer von Jesus Chris-
tus am Kreuz zur Vergebung ihrer
Sünde unter Dankbarkeit anneh-
men und darin Gottes Liebe erken-
nen, eine Liebe, wie sie an keinem

33
Das Fundament 1/2007
wie ein guter Gott reagieren muss,
nicht verwirklicht werden, und wir
beginnen zu zweifeln.
Niemand muss an diesem Punkt
stehen bleiben. Denn der Heilige
Geist weckt in uns das Verlangen
nach Gott, ständig, immer wieder.
Und der Heilige Geist kann unseren
Schmerz über zerbrochene Träume
und unerfüllte Wünsche verwen-
den, um den größten Schatz zum
ersten Mal oder erneut zu finden:
eine Beziehung zum lebendigen,
souveränen Gott.
Festhalten an Gott
So wie der von den eigenen Brüdern
verkaufte Josef. Er bewahrte seine
Beziehung zu Gott in allen Umstän-
den. Josef gab seine Haltung, Gott
zu dienen, in keiner Situation auf.
Er wurde ungerecht behandelt, ver-
führt und eingesperrt – in jeder Si-
tuation war ihm die Ehrfurcht und
das Bekennen Gottes das Wichtigs-
te. Diese Haltung half ihm durch
alle Probleme hindurch.
Dazu nur ein Beispiel: Als ihn
die Frau Potiphars sexuell verfüh-
ren will, sagt er nicht: „Hey, was
soll das! Überleg mal, was dein
Mann dazu sagen wird ...!” Nein
34
– Josef fragt: „Wie könnte ich da ein
so großes Unrecht tun und gegen Gott
sündigen?” (1. Mose 39, 9 b).
Die Ehrfurcht vor Gott und
der Wille, ihm zu dienen, stand in
Josefs Gedanken an oberster Stelle,
und das inmitten einer heidnischen
Kultur. Aus Ehrfurcht vor dem All-
mächtigen hält Josef am Glauben
fest. Jesaja sagt: „Euer größter Schatz
ist die Ehrfurcht vor Gott” (HfA).
„Das alles macht deutlich, dass
wir uns nicht entschieden genug an
die Botschaft halten können, die wir
gehört haben, weil wir sonst in der
Gefahr sind, vom Weg abzukommen”
(Hebräer 2, 1 NGÜ).
Das Festhalten am Glauben ge-
lingt dort, wo sich ein Mensch von
seinen eigenen Wünschen löst, um
sich Gott ganz hinzugeben. Die
Ehrfurcht vor Gott ist ein großer
Schatz.
Sind wir entschieden für Chris-
tus, aus Dankbarkeit und Ehrfurcht?
Es gilt, auf unser Denken, Glauben
und Leben Acht zu geben, uns auf
die göttliche Lehre zu konzentrieren
und sie im Leben anzuwenden. Tun
wir das nicht mit Leidenschaft, dann
verliert der Glaube seine Kraft und
wir driften ab. Das hat Folgen für
unser Leben, aber es hat auch Folgen
– ist uns das bewusst? – für das Le-
ben der Menschen in unserer Nähe.

„Denn so wie Gott einmal befahl:
‚Licht soll aus der Dunkelheit hervor-
brechen!‘, so hat sein Licht auch un-
sere Herzen erhellt. Durch uns sollen
nun alle Menschen Gottes Herrlich-
keit erkennen, die in Jesus Christus
aufstrahlt. Diesen kostbaren Schatz
tragen wir in uns, obwohl wir nur
zerbrechliche Gefäße sind. So wird
jeder erkennen, dass die außerordent-
liche Kraft, die in uns wirkt, von Gott
kommt und nicht von uns selbst. Die
Schwierigkeiten bedrängen uns von
allen Seiten, und doch werden wir
nicht von ihnen überwältigt. Wir sind
oft ratlos, aber nie verzweifelt” (2.
Korinther 4, 6 - 8).
Das „Gefäß” – unser Körper, der
äußere Mensch – ist zerbrechlich,
das wissen wir. Die Schwierigkeiten
umzingeln uns. Aber da ist ein
kostbarer Schatz, Christus in uns,
der uns die außerordentliche Kraft
zum Überwinden gibt. Diese Kraft
Verirrte Sehnsucht
können andere an uns sehen. Sie
zeugt von Gott. Wir sollen Gott
in einer Welt repräsentieren, in der
viel Böses geschieht. Dafür lohnt
es sich mit Leidenschaft zu leben.
Lawrence Crabb schreibt: „Gott hält
seinen Segen nicht zurück, bis un-
sere Probleme gelöst sind. Er segnet
uns in diesen Problemen und durch
diese Probleme.” Und am Ende der
Zeit wird sein Sieg über alles Böse
sichtbar triumphieren und seine
Kinder werden bei ihm geborgen
sein. „Euer größter Schatz aber wird
die Ehrfurcht vor dem Herrn sein.”
Gott schon heute zu kennen, ist un-
bezahlbar. 
Mit freundlicher Genehmigung aus
© factum 6/2006
www.factum-magazine.de
1
Werner Gitt: „Naturgesetze und
Wunder”, factum 2/2006
2
Spiegel online, 23. Juli 2006
35