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Das Fundament 3/2009

Begegnung mit der


Freimaurerei
Ein persönlicher Bericht von Pfarrer Dr. Martin Hohl-Wirz, Schweiz. Die
ausführlichen Audiovorträge, die er zu diesem Thema auf der DCTB-
Regionaltagung in Krelingen 2008 gehalten hat, können bei uns bestellt werden.

Erster Kontakt mich fragte, ob ich auch Mitglied


 In Kontakt mit der Freimau- werden wolle. Ich war damals pro-
rerei (FM) kam ich durch einen movierter Ökonom der Universität
langjährigen Freund, der sich in St. Gallen und hatte als Lehrer an
einem persönlichen Gespräch als einem Wirtschaftsgymnasium, als
Freimaurer zu erkennen gab und Sekretär bei einem Verband sowie

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Begegnung mit der Freimaurerei

im Bereich Öffentlichkeitsarbeit jeden Ausschließlichkeitsanspruch


bei einem Schweizer Konzern gear- von Menschen und Gruppen zu
beitet. Mein Freund versorgte mich kämpfen.
mit Informationen über die FM Ein erster Gegner war der abso-
und klärte mich über die Anliegen lutistische Staat. Ihm setzten sie die
und Ideale auf. Diese sprachen Ideale „Freiheit, Gleichheit, Brü-
mich sehr an. derlichkeit“ entgegen. Ein großer
Teil der Initiatoren und Träger der
französischen Revolution waren
FM. Dabei war nicht unbedingt
Anliegen und Ideale die Abschaffung der Monarchie,
sondern die Relativierung der
der Freimaurerei Macht das Ziel. FM leisteten
Die FM in ihrer ‚regulären’ Form wichtige Beiträge zur Entwicklung
- es gab und gibt verschiedene der Gewaltentrennung und zur
verwandte und konkurrierende Errichtung demokratischer Rechts-
Systeme - wurde im Jahr 1717 in staaten.
England gegründet, als sich ver- Auch im Bereich der Religionen
schiedene Logen zu einer ‚Groß- und Konfessionen ging und geht
loge’ zusammenschlossen und es nicht um deren Abschaffung,
sich eine gemeinsame ‚Verfassung’ sondern um die Relativierung
gaben. Europa stand im Zeitalter ihrer Ansprüche. Eine lange und
des Absolutismus und litt immer wechselvolle Geschichte hatte die
noch unter dem Schock des drei- Auseinandersetzung der FM mit
ßigjährigen Krieges (1618 - 1648). der katholischen Kirche.
Dieser war durch konfessionelle Im 20. Jahrhundert kämpften
Auseinandersetzungen ausgelöst FM an vorderster Front mit gegen
worden und hatte weite Teile Euro- Kommunismus und Nationalsozi-
pas verwüstet. alismus, gegen Absolutheitsansprü-
Freimaurer (FM) und ande- che also, von Klassen und Parteien
re Aufklärer sahen in absoluti- oder Rassen und Nationen.
stischem Denken und Handeln die Das höchste oberste Ziel ist
Hauptursache für all das Elend. eine Menschheit, die in Freiheit,
Sie begannen nun ihrerseits gegen Toleranz und Frieden zusammen-
jede Form von Absolutismus und lebt. Die schöpferischen Kräfte der

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Das Fundament 3/2009

Menschen sollen sich entfalten und Himmelsrichtungen, Sonne, Mond


zum Wohl des Ganzen eingesetzt und Sterne sowie der Mitmensch,
werden können. der im „Bruder“ und besonders im
Dieses Ideal wird in der FM „Meister vom Stuhl“ (Vorsitzen-
symbolisch durch einen Bau, den der) anwesend ist. Das Handeln
salomonischen Tempel, darge- („Arbeiten“) soll geleitet werden
stellt. Die FM will den Bau der durch „Drei große Lichter“: Die
Menschheit vorantreiben und ihre Heilige Schrift als Sinnbild für
Mitglieder für die Teilnahme an einen höheren Willen, das Winkel-
diesem großen Werk vorberei- maß als Sinnbild für Gerechtigkeit
ten und schulen. Vom Anfänger und Recht sowie der Zirkel als
(„Lehrling“) an sollen die Mit- Symbol für umfassende Menschen-
glieder Mitarbeit üben. Sie sollen
lernen, sich in den Bau einzufügen
gemeinschaftstüchtiger zu werden,
sowie später (als „Geselle“ und
„Meister“) auch planerische und
leitende Funktionen zu über-
nehmen. Zu diesen drei Graden
können noch verschiedene „Hoch-
grade“ hinzukommen.
Grundsätzlich sollen alle Men-
schen an diesem Bau teilnehmen
können – unabhängig von ihrer
Klasse, Nation oder Religion. Die
FM will keine Religion sein, ob-
wohl sie selbst wesentliche Merk-
male einer (Mysterien)religion
trägt. Sie konzentriert sich ganz auf
das Diesseits, die Gestaltung dieser
Welt hier und jetzt.
Der Logenraum, auch „Arbeits-
stätte“ genannt, stellt symbolisch
dar, woran sich der Mensch auf
dieser Welt orientiert: Die vier

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Begegnung mit der Freimaurerei

liebe. Dazu kommen „Drei kleine Bedeutung und Ver-


Lichter“: Weisheit, Stärke und
Schönheit, die den Bau auszeich-
breitung der FM
nen sollen. Vor allem im 18. und 19. Jahr-
Die ‚regulären’ Logen erwarten hundert fand die FM eine starke
von ihren Mitgliedern den Glau- Verbreitung, zuerst in den prote-
ben an eine höhere Macht. Diese stantischen, dann auch in einigen
wird in der FM als „Allmächtiger katholischen Ländern. Manche
Baumeister aller Welten“ bezeich- Monarchen, Staatsoberhäupter und
net. Die inhaltliche Füllung dieses auch Geistliche traten bei. So war
Begriffs ist aber jedem FM freige- zum Beispiel Friedrich der Große
stellt. Glaube ist Privatsache. von Preußen Mitglied. Die meisten
amerikanischen Präsidenten waren
und sind FM. Vor allem in der Zeit
der Aufklärung und des Idealismus
traten auch viele Dichter und Den-
ker, Musiker und Künstler bei. Als
klassische freimaurerische Werke
gelten die „Zauberflöte“ von W. A.
Mozart im Bereich der Musik so-
wie das Werk „Nathan der Weise“
von G. E. Lessing im Bereich der
Literatur. Prominente Mitglieder,
die sich zu ihrer Mitgliedschaft
bekannten und bekennen, sind die
Aushängeschilder der FM. Es sind
in der Regel Menschen, die einen
bedeutenden Beitrag zum Bau der
Menschheit beigetragen haben.
Diese und weitere Informationen
veranlassten mich dazu, dem Bund
der FM beizutreten.

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Enttäuschung versammelten FM sehen. Während


draußen die Sonne strahlte, sahen
Leider folgte schon bald nach dem wir also drinnen nach einer künst-
Eintritt eine Ernüchterung. Dabei lichen Verdunkelung künstliches
waren es nicht die Menschen, die Licht. Mir kam das Ganze irreal
mich enttäuscht hatten. Die FM und seltsam vor.
selbst hatte ich als liebenswürdige Mit der Zeit verstärkten sich
und wohlmeinende Menschen ken- diese Eindrücke. Manches an den
nen und schätzen gelernt. So trat „Tempelarbeiten“ war mir auch
ich später auch nicht etwa wegen unheimlich. Und unbegreiflicher-
irgendwelcher Streitigkeiten wieder weise begann eine alte Operations-
aus, sondern konnte in einem ‚or- narbe wieder zu schmerzen. Ich
dentlichen’ Austrittsverfahren das war sehr irritiert und desorientiert.
Ganze wieder verlassen. Einerseits war ich von der Sache
Die Enttäuschung begann überzeugt, andererseits hielt ich es
schon am Tag der Aufnahme. Es irgendwie schlecht hier aus.
war ein strahlender Frühlingstag.
Wir, ein Kollege und ich, wurden
zuerst, jeder für sich, in eine Dun-
kelkammer geführt, wo wir, bei
Kerzenlicht und Totenkopf, noch-
mals überlegen konnten, ob wir
wirklich beitreten wollten. Nach
Unterzeichnung einer Erklärung
wurden uns die Augen verbunden
und die Kleider in Unordnung ge-
bracht. Wir waren nun symbolisch
„blind“ und „nackt“. So wurden
wir in den Logenraum geführt.
Dort empfingen wir nach einer
symbolischen Wanderung „Licht“
– die Augenbinden wurden uns ab-
genommen, die Kleider wieder in
Ordnung gebracht. Nun konnten
wir das Innere der Loge und die

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Begegnung mit der Freimaurerei

Entwirrung auseinanderzusetzen. Wir began-


nen die Bibel zu lesen und führten
In dieser Zeit der Enttäuschung Gespräche mit verschiedenen
und Verwirrung lernte ich einen Personen. Mit der Zeit lüftete sich
Arzt kennen, der sich zum christ- der Schleier, und ich erkannte Ge-
lichen Glauben bekannte und meinsamkeiten, aber auch Unter-
dessen Vater FM war. Er kannte schiede zwischen der FM und dem
sich gut aus und versorgte mich christlichen Glauben.
mit Informationen über die FM Ein Hauptunterschied besteht
aus christlicher Sicht. FM sei in darin – und darin waren sich alle
jeder Beziehung ungesund und mit Beteiligten, auch die FM, einig –
dem christlichen Glauben nicht dass in der FM der Absolutheitsan-
vereinbar, erklärte er. Das konnte spruch von Jesus Christus abge-
ich kaum glauben, und ich begann, lehnt wird. Mit dem Bild des Baus
zusammen mit meiner Frau, mich ausgedrückt: Im Bau der FM hat
mit dem christlichen Glauben der Jesus Christus der Bibel zwar
auch einen prominenten, wichtigen
Platz, doch er ist nicht etwa das
„Fundament“, auf dem alles steht,
oder der „Eckstein“, auf den der
ganze Bau ausgerichtet ist.
Ein anderer Unterschied ist mir
sehr wichtig. Es ist die Bedeutung
der Sprache, der verbalen Kommu-
nikation. Die FM beruht auf der
Auffassung, dass die wesentlichen
Aspekte des Lebens, von Gott und
der Welt, nicht verbal kommuni-
zierbar sind. Symbole vermögen
allenfalls „stumme Andeutungen“
- nach einer Aussage eines FM - zu
geben, aber auch auf verbindliche
Symboldefinitionen wird verzich-
tet. Die Aussage „Reden ist Silber,
Schweigen ist Gold“, trifft meines

Geheim halten

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Erachtens gut auf die FM zu. In Bausymbolik und


den Logen sind Diskussionen,
vor allem über Glaubensfragen,
christlicher Glaube
verpönt, ja tabu. Das hat zur Folge, Mit der Sprache der Bausymbolik,
dass Dialog, Kommunikation nicht die aus der Bibel stammt, kann
geübt wird und jeder FM letztlich ich sagen: Ich habe die Baustelle
mit seinem Glauben allein ist. gewechselt, und die Mitarbeit auf
Ich hingegen brauche immer diesem neuen Bau bringt mir tiefe
wieder das klärende, offene Ge- Freude und echte Erfüllung. Dabei
spräch, eben Aussprache, Zuspruch war es wichtig, dass ich den vor-
und Kritik. Ohne solche Kommu- herigen „Arbeitsvertrag“ bewusst
nikation kann es meines Erachtens auflöste und mich ganz unter die
auch keine zielgerichteten, sinnstif- Leitung des neuen „Arbeitgebers“
tenden und nachhaltigen mensch- stellte. Der neue Bau zeichnet sich
lichen Gemeinschaftswerke geben. unter anderem durch folgende
Mit großer Freude und Er- Eigenschaften aus:
leichterung konnte ich feststellen, Jesus Christus ist der Eckstein,
dass ich mit diesem Bedürfnis beziehungsweise das Fundament,
nach offener, echter, befreiender und „ein anderes Fundament
Kommunikation nicht allein bin, kann niemand legen“, so wie es im
sondern dass wir sogar an einen Leitspruch des DCTB heißt. Das
Gott glauben können, bei dem bedeutet: Es geht nichts ohne ihn,
dies von zentraler Bedeutung ist, seinen Geist und seine Heilsgüter,
denn „im Anfang war das Wort“. wie sein Wort, seine Liebe, seine
Es entstand der Wunsch, Sprecher Versöhnung und Vergebung. Wo
nicht nur der Industrie, sondern er und seine Vergebung fehlen oder
dieses Gottes zu werden. Ich nicht im Zentrum sind, da besteht
studierte Theologie und so bin ich meines Erachtens die Gefahr, dass
nun schon seit über zwölf Jahren das Ganze gnadenlos wird.
als Pfarrer in der Evangelisch - Auf seinem Bau können nicht
reformierten Kirche des Kantons nur Männer, sondern auch Frauen,
Baselland (Schweiz) tätig. ja sogar Kinder, mitwirken, nicht
nur „Unversehrte“, sondern auch
Arme, Kranke, Behinderte. Das
hängt damit zusammen, dass der

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Begegnung mit der Freimaurerei

Baustelle, Gemeindezentrum, Evangelische Brüdergemeinde Korntal

Bau nach unserem Glauben letzt- einen Auftrag für diese Welt und
lich nicht Menschenwerk, sondern ihre Mitgestaltung. Damit stehen
Gottes Werk ist. Jesus selbst macht wir in Konkurrenz zu anderen
uns, soweit wir das wollen, fähig „Bauleuten“, die sich ebenfalls für
und tüchtig zur Mitarbeit. eine bessere Welt einsetzen. Diese
Der Bau Christi ist nicht etwa Konkurrenz sollte nach meiner
ein Bau, den wir erst im Himmel, Auffassung, wie in der Wirtschaft,
im Jenseits finden. Er beginnt nicht ‚ruinös’, sondern in gegensei-
schon auf dieser Welt, schließt tigem Respekt, ohne Gewalt, fair
diese Welt mit ein, geht aber über und möglichst offen ausgetragen
diese Welt hinaus und steht unter werden.
der Verheißung, ewig zu bestehen. Wichtig ist mir dabei, dass wir
Auch als Christen sollen wir am Absolutheitsanspruch von Jesus
uns also nicht einzig auf uns selbst Christus festhalten und uns an ihm
konzentrieren und in irgendeine orientieren und an seinem Wort:
Innerlichkeit zurückziehen, „Himmel und Erde werden vergehen,
sondern wir haben schon jetzt aber meine Worte nicht!“ 

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